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»Was heißt konstruieren mit Holz – heute und morgen?«

Holzbau und Architektur sind befreundete Disziplinen, weil dreidimensionales Vorstellungsvermögen, ein umfassendes Planungsverständnis, die Liebe zur Materialität...

Holzbau und Architektur sind befreundete Disziplinen, weil dreidimensionales Vorstellungsvermögen, ein umfassendes Planungsverständnis, die Liebe zur Materialität...

Holzbau und Architektur sind befreundete Disziplinen, weil dreidimensionales Vorstellungsvermögen, ein umfassendes Planungsverständnis, die Liebe zur Materialität und – nicht zuletzt, sondern zuvorderst – die Lust auf experimentelle Lösungen sie verbindet. Das Innovationspotenzial im Holzbau erscheint immens, allerdings auch die Grenzen von dessen Umsetzbarkeit.

Im Spannungsfeld zwischen Systementwicklungen und individuellen Lösungen, zwischen optimiertem Workflow und traditioneller Zimmerei bauen sich die Problematiken von Form- und Materialkongruenz, Planungsschnittstellen und Kostenwahrheiten auf – und nicht zuletzt von Verantwortlichkeiten für Kosten und andere Planungsfolgen. Wenn die These von der Freundschaft zutrifft, dann müsste hier auch die Solidarität von Holzbau und Architektur greifen...

Die Ingenieure Alfred R. Brunnsteiner, Georg Hochreiner, Pirmin Jung, Konrad Merz, Kurt Pock, Johann Riebenbauer und Richard Woschitz beantworteten per E-Mail Fragen zum Stand des Holzbaus.

Wie schätzen Sie aus heutiger Sicht die gestalterischen Chancen des Bauens mit Holz in Konkurrenz zu anderen Bauweisen ein? Welche architektonischen Potenziale hat Holz und sind diese schon ausgelotet?

Alfred R. Brunnsteiner
Durch plattenförmig vorgefertigte Bauteile aus Holz, wie osb, Furniersperrholz, Brettsperrholz etc. kommt man nahe an die Gestaltungsmöglichkeiten von Stahlbeton heran.

Georg Hochreiner
Der Ingenieurholzbau hat sich als »Königsklasse«, als Lehrmeister für künftige Ingenieure etabliert, da er alle Komponenten enthält, die auch bei anderen Bauweisen zur Anwendung kommen. Aktuell ist dieses Wissen nur bei wenigen Experten vorhanden und gipfelt in einzelnen Pilotprojekten und vielen missverstandenen Nachahmungen.

Pirmin Jung
Hölzerne Tragwerke, Flächenbauteile und Verkleidungen für unterschiedlichste Projektarten bergen ein riesiges, noch nicht ausgeschöpftes Gestaltungspotenzial.

Konrad Merz
Das Potenzial liegt in der Vielseitigkeit von Holz. Es sind Bauteile möglich, die nicht nur tragen, sondern gleichzeitig auch den Raum begrenzen, hohen Anforderungen an Oberflächen und Haptik genügen, dämmen und regulierend auf das Raumklima wirken.

Johann Riebenbauer
Holzbau ist im Gegensatz zu Stahl- und Stahlbetonbau wesentlich komplexer, die Grenzen des Sinnvollen und Wirtschaftlichen sind oft schneller erreicht. An eine gewisse »Grenzenlosigkeit« zum Beispiel des Stahlbaus kommt man nicht heran.

Richard Woschitz
Dank neuer Entwicklungen in der Verbindungsmitteltechnik, der Bearbeitungsmöglichkeiten von Holz und des Einsatzes digitaler Technologien in Planung und Herstellung entstehen noch nie gesehene Formen in der Holzarchitektur. Holz hat enormes architektonisches Potenzial, es muss nur konstruktiv richtig eingesetzt und mit modernsten Technologien verarbeitet werden.


Wo liegen aus Ihrer Sicht die (sinnvollen) statisch-konstruktiven Grenzen des Holzbaus? Welche räumlichen Dimensionen und welche Querschnitte sind heute machbar und auf welche Weise? Wo sehen Sie Innovationspotenzial?

Alfred R. Brunnsteiner
Wie Stahlbeton kann man auch Holz vorspannen. Größe hat eigentlich nur mit Höhe zu tun, je weiter gespannt wird, desto mehr konstruktive Höhe braucht es, egal mit welchem Material.

Georg Hochreiner
Die Querschnittsabmessungen sind mit den maschinellen Entwicklungen explosiv gewachsen und reichen heute von Lattenquerschnitten mit 3 mal 5 cm bis hin zu blockverleimten Brettschichtholzbauteilen mit Abmessungen von 60 mal 300 cm. Das dazugehörige Materialverständnis ist jedoch in vielen Fällen auf dem Stand von vor fünfzig Jahren zurückgeblieben, die normative Infrastruktur ist auf klassische Bauweisen abgestimmt und mit unflexiblen Bemessungsrezepturen untermauert.

Pirmin Jung
Für die räumliche Dimension gibt es für mich so keine (sinnvollen) Grenzen. Die Gebäudegeometrie mit der jeweils möglichen statischen Höhe entscheidet über die Spannweite. In einigen Jahren werden wir Hallen und mehrspurige Schwerlastbrücken mit über 100 Metern Spannweite sowie Hochhäuser aus Holz bauen. Dazu müssen wir u. a. Bauteile und Verbindungen für den Meganewton-Lastbereich entwickeln.

Kurt Pock
Konstruktive Grenzen gibt es aus meiner Sicht praktisch keine. Limitierend sind oft die Transportlängen und die Montagestöße. Innovationspotenzial sehe ich vor allem in der Verbindungs- und Fügetechnik. Gerade bei den Standardformteilen für den Holzhausbau besteht großes Potenzial. Hier bauen wir oft hoch entwickelte Elemente mit überalteten, nicht richtig auf die Anforderungen abgestimmten Verbindern zusammen.

Johann Riebenbauer
Sehr verkürzt: Brettsperrholz kann in Stärken von bis zu 60 cm produziert werden, ein 20-geschossiges Bauwerk mit 8 bis 9 Metern Deckenspannweite benötigt im eg eine 24 cm dicke Wand. Ein 100 Meter hoher Turm für Windkraftanlagen ist mit 30 cm Wandstärke machbar.

Richard Woschitz
Bei Großstadien sind die maximalen Spannweiten nur durch Netzwerkkuppeln zu erreichen. Bei Tragwerken mit geraden Stäben können beim Einsatz von Einfeldsystemen mit Vollwandträgern aus Brettschichtholz Spannweiten von 30 Metern, mit unterspannten Trägern Spannweiten von 50 Metern erreicht werden. Setzt man parallelgurtige Fachwerkträger ein, sind Spannweiten von 70 Metern, mit Fachwerkrosten sogar von 100 Metern möglich. Durch den Einsatz der cnc-Technik sind heute (fast) alle Querschnittsformen möglich. Das größte Innovationspotenzial sehe ich in der Verbindungsmitteltechnik sowie in der Homogenisierung des Werkstoffes Holz in der Palette der Holzwerkstoffprodukte.

Wie verläuft Ihrer Meinung nach idealerweise der Planungsprozess Architekt – Holzbauingenieur – Holzbauer – Ausführung? Wie gestalten sich aus Ihrer Sicht diese Schnittstellen?

Alfred R. Brunnsteiner
Beim Vorentwurf sollte der Tragwerksplaner schon neben dem Architekten sitzen. Die ersten Rechenschritte erfolgen auf Basis des Vorentwurfes. Die Holzbaufirmen sind auch immer hilfreich, jedoch in ihrer Fertigungstechnik verwurzelt. In der Auslobungsphase ergeben sich natürlich immer wieder Veränderungen infolge der Bieterideen, da muss das Planungsteam flexibel reagieren können.

Georg Hochreiner
Aktuell verfügen Architekten – bis auf wenige Ausnahmen – noch nicht über genügend Erfahrung im Umgang mit dem Baustoff Holz. Es ist daher zu empfehlen, gleich in den ersten fünf Minuten des architektonischen Entwurfes den Holzbauingenieur mitwirken zu lassen.

Pirmin Jung
In der Schweiz hat sich ein optimaler Planungsprozess etabliert: Vom ersten Entwurf weg entwickeln die Architekten die Tragstruktur und den Holzsystembau zusammen mit einem von Unternehmungen und Produkten unabhängigen Holzbauingenieur. Dieser erledigt die Detailplanung und die Statik, erstellt das detaillierte Leistungsverzeichnis für alle Leistungen, die der Holzbauer zu liefern hat und zeichnet während der Realisierung im Auftrag des Bauherrn für die Qualitätssicherung verantwortlich.

Konrad Merz
Möglichst frühe Einbindung des Ingenieurs und anschließend »herkömmlicher« Weg der Projektbearbeitung. Holzbauunternehmungen machen auf Basis der Ausführungsplanung von Ingenieur und Architekt die Werkstattplanungen.

Kurt Pock
Die Zusammenarbeit sollte so früh wie möglich starten, zumindest zwischen Architekt und Holzbauingenieur, der Holzbauer als Ausführender kann ja nur in Ausnahmefällen in der Planungsphase hinzugezogen werden (Vergaberichtlinien!). Im Zuge der Werkstattplanung soll ein Dialog zwischen Tragwerksplaner und Holzbauer stattfinden, um die Potenziale der Firma im Bereich des Abbundes und der Vorfertigung bestmöglich einzubringen.

Johann Riebenbauer
Ich habe in den letzten Jahren viele Versionen der Zusammenarbeit ausprobiert: nur mit ausführenden Firmen, Varianten über ausführende Firmen, nur Vorstatik und Firma macht die Ausführungsstatik – sowie Planung mit Architekten vom Entwurf weg bis zur Ausführung. Nur letztere Version ist wirklich zielführend! Die besten Projektergebnisse (auch in wirtschaftlicher Hinsicht) gelingen, wenn man der ausführenden Firma alles vorgeben kann.

Richard Woschitz
Architekten und Holzbauingenieure sitzen im selben Boot, mit dem optimalen Ergebnis als gemeinsames Ziel. Um das zu erreichen, ist der Ingenieur zunehmend als gleichermaßen kreativer Gegenpart zum Architekten gefragt, als entwerfender Tragwerksplaner und nicht nur als rechnender Statiker. Architekt und Holzbauingenieur sind aber auch in Ihrer Konstruktionswahl immer verpflichtet, auf die Herstellungs- und Baustellenlogistik zu achten. Erst nach diesen Prozessen sollte der ausführende Holzbauer beigezogen werden, um den kreativen Planungsprozess nicht einzuschränken.


Unter welchen Voraussetzungen sind Holzbaukonstruktionen kostengünstiger als andere Bauweisen?

Alfred R. Brunnsteiner
Ein Pfetten- oder Sparrendachstuhl ist am billigsten mit Holz zu machen. Bei flächigen und räumlichen Bauteilen ist man kostenneutral. Jeder Baustoff hat seine Vor- und Nachteile. Wenn ein Baustoff und die statische Höhe optimiert werden können, kommen fast immer die gleichen Kosten heraus. Preisunterschiede entstehen erst bei Höhenproblemen, weit gespannte schlanke Dächer werden dann meist in Stahl errichtet.

Georg Hochreiner
Wenn mit dem Rohstoff sparsam und effizient umgegangen wird, müssen Holzkonstruktionen nicht mehr zu Liebhaberpreisen eingekauft werden, sondern erweisen sich sogar als wirtschaftlicher. Voraussetzung dafür ist aber Input von Know-how in die Konstruktion inklusive Detailausbildung. Dies liegt dann auf der Linie nachhaltiger Bewirtschaftung, ist jedoch noch nicht in den Köpfen der Industrie verankert, die aktuell noch möglichst viel Holz mit traditionellen Methoden verkaufen will.

Pirmin Jung
Holztragwerke mit einem für den Holzbau optimalen Spannweiten-Höhen-Verhältnis sind billiger als Stahl- und Betontragwerke, auch bei großen Spannweiten und Lasten. Bei Geschossbau ist der Holzbau bei relativ einfachen Grundrissen, im energieeffizienten Bauen (Minergie-P, Minergie-Eco) und bei Schul- und Verwaltungsbauten kostenmäßig konkurrenzfähig.

Konrad Merz
Der Holzbau hat im Geschossbau seine Vorzüge, wenn folgende Punkte zutreffen: regelmäßig strukturierte Grundrisse, Spannweiten unter 6 Metern, möglichst linienförmige Lastabtragung (tragende Wände), tragende Deckenbauteile sichtbar belassen als hochwertige Oberflächen, hohe Anforderungen an den U-Wert der Gebäudehülle. Im Ingenieurholzbau haben Holzkonstruktionen Vorteile bei anspruchsvollen geometrischen Formen und auch, wenn die tragenden Bauteile direkt raumbildend wirken sollen.

Kurt Pock
… wenn das exzellente Verhältnis von Gewicht und Tragfähigkeit dieses wunderbaren Werkstoffs zum Tragen kommt. Dies ist bei großen Spannweiten der Fall. Massive Konstruktionen tragen vor allem sich selbst. Holz hat hier dank seines geringen Eigengewichts echte Vorteile.

Johann Riebenbauer
… nur wenn Leichtigkeit ein Faktor ist bzw. wenn die Bauweise sehr umfassend beurteilt und verglichen wird. Ansonsten ist der Holzbau in Mitteleuropa immer teurer als andere Bauweisen, da im Holzbau meist höhere Maßstäbe angesetzt werden. So gibt es Architekten, die mit Holz nicht bauen, wenn man außen nicht sieht, dass es ein Holzhaus ist. Holzfassaden sind aber teurer als Putzfassaden …

Richard Woschitz
… wenn – bei sparsamstem Holzeinsatz – Systembau in der Holzkonstruktion angewendet wird. Entscheidend ist die konstruktive Effizienz zwischen Materialeinsatz und Tragvermögen.


In welcher Form beeinflusst die internationale – ja, globale – Verbreitung des Holzbaus dessen Techniken und Fertigungsmethoden?

Alfred R. Brunnsteiner
Man sollte immer einheimisches Holz verwenden. Holz aus den Regenwäldern sollte für uns tabu sein. Verrückt ist es auch, wenn Holz aus Weißrussland kommt, in Zentraleuropa verarbeitet und dann in Kanada verbaut wird. Die Globalisierung sollte im gesamten Bauwesen, nicht nur im Holzbau, zum Ideenaustausch führen; die Techniken und Fertigungsmethoden können dann für alle nur besser werden.

Georg Hochreiner
Auch wenn Holzkonstruktionen weltweit errichtet werden, dominieren immer noch nationale Baupraktiken, limitiert durch das lokale Ausbildungssystem für die Baufachleute.


Die Kommunikation von Bildern funktioniert, der Transfer von Fachwissen jedoch wesentlich schlechter. Marketing ist also nicht mehr das alleinige Instrument für die Erschließung neuer Märkte.

Pirmin Jung
Beispiele aus anderen Ländern geben hiesigen Bauherren und Architekten das Vertrauen, dass eine bestimmte Bauaufgabe auch in Holzbauweise möglich ist. Natürlich orientiert man sich am Ausland, um für die eigene Arbeit neue Impulse und Ideen zu erhalten.

Konrad Merz
Trotz Globalisierung bleibt das Bauen und damit der Holzbau ein Geschäft mit vielen nationalen und regionalen Eigenheiten.

Kurt Pock
Um international reüssieren zu können, müssen wir die Standardisierung im Holzbau vorantreiben, weg vom individuellen Prototypenbau hin zur allgemein bekannten Standardlösung. Das Handwerk des Zimmermanns beschränkt sich weitgehend auf den deutschsprachigen Raum. In anderen Ländern werden die Holzkonstruktionen von anderen Gewerken mitbearbeitet. Um dennoch die Qualität zu halten, sind klare und robuste Lösungen erforderlich.

Johann Riebenbauer
International gesehen fehlt es vielen Ländern an Holzbautradition. Fachleute mit einigermaßen fundiertem Wissen hinsichtlich Bauphysik usw. sind oft nicht vorhanden. Deshalb werden international gesehen nur sehr einfache Bauweisen Erfolg haben. Die Anforderungen sind international gesehen auch sehr unterschiedlich, ein Vergleich ist hier schwer, Ansätze, die bei uns Gültigkeit haben, sind in manchen Ländern unsinnig und umgekehrt.

Richard Woschitz
Je mehr beispielhaft ausgeführte Holzbauprojekte in der Öffentlichkeit wahrnehmbar werden, umso mehr wird ein Weiterentwicklungsprozess in der Holzbautechnik und Fügetechnik stattfinden.

(Die Antworten sind zum Teil stark gekürzt.)

zuschnitt, Mi., 2010.07.14

21. März 2009Karin Tschavgova
Konrad Merz
zuschnitt

Statische Herausforderungen beim Hochhausbau in Holz

Karin Tschavgova: Im Holzgeschossbau stehen Themen der Bauphysik – Schallschutz und Schwingungsverhalten – oder auch der Brandschutz im Vordergrund. Will...

Karin Tschavgova: Im Holzgeschossbau stehen Themen der Bauphysik – Schallschutz und Schwingungsverhalten – oder auch der Brandschutz im Vordergrund. Will...

Karin Tschavgova: Im Holzgeschossbau stehen Themen der Bauphysik – Schallschutz und Schwingungsverhalten – oder auch der Brandschutz im Vordergrund. Will man im Holzbau hoch hinaus, so rücken Fragen nach dem geeigneten Tragwerk in den Mittelpunkt. Worin besteht für den Statiker die Herausforderung beim Hochhausbau in Holz?

Konrad Merz: Bei den Decken sind nicht nur die bauphysikalischen, sondern auch die statischen Anforderungen gleich – egal, ob eine Decke im dritten oder im zwölften Geschoss eingebaut ist. Bei vertikalen Bauteilen, den Stützen oder den lastabtragenden Wänden, nimmt die Beanspruchung linear mit der Anzahl der Geschosse zu. Auch das ist einfach in den Griff zu bekommen. Die eigentliche Herausforderung liegt in der Abtragung der horizontalen Einwirkungen durch Wind und Erdbeben. Hier nimmt die Beanspruchung exponenziell mit der Gebäudehöhe zu.

Intelligenz rein, Material raus

Karin Tschavgova: Spielt die schon beinahe ideologisch determinierte Frage nach Holzmassiv- oder Holzleichtbauweise noch eine Rolle, wenn man hoch hinaus will?

Konrad Merz: Also, für mich als Tragwerksplaner ist das keine Frage der Ideologie, sondern eine, die bei jedem Projekt von neuem nach den spezifischen Randbedingungen entschieden wird. Eine pauschale Aussage gibt es nicht. Tendenziell setzen wir Holzmassivbau in erster Linie bei lastabtragenden Innenwänden und Decken mit einer Spannweite bis zu ungefähr sechs Metern ein. Bei Außenwänden, vor allem wenn sie nichttragend sind, steht eher die Holzrahmenbauweise im Vordergrund.

Karin Tschavgova: Ein Ergebnis des Forschungsprojekts 8+ (zum Holzhochhausbau) ist, dass 20 Geschosse aus technischer Sicht möglich sind, die Grenze nach oben jedoch eine Frage der Wirtschaftlichkeit ist. Kann man eindeutig sagen, bis zu welcher Höhe ein konstruktiver Holzbau noch ökonomisch ist?

Konrad Merz: Die Frage der Wirtschaftlichkeit hängt von vielen Parametern ab und ist relativ schwer zu beantworten. Eine fixe Höhe, bis zu welcher ein konstruktiver Holzbau sinnvoll ist, kann ich schon gar nicht nennen. Betrachtet man nur die Herstellungskosten, ist es mit einem qualitativ guten, reinen Holzgeschossbau derzeit schwierig, ein vergleichbares Gebäude in Massivbauweise zu unterbieten. Ein Mittelweg, bei dem die jeweiligen Stärken der Baustoffe Holz und Beton zum Tragen kommen, könnten Mischbauten sein, bei denen die Tragstruktur aus Stahlbeton und die Außenwände aus vorgefertigten Holzelementen bestehen. Das gilt vor allem bei Gebäuden mit hohen Anforderungen an die Gebäudehülle.

Karin Tschavgova: Warum wird in anderen Ländern höher gebaut? Liegt’s nur an den gesetzlichen Vorgaben?

Konrad Merz: Unter anderem, doch es gibt auch in Österreich Spielraum nach oben. In der Schweiz kann man bis zu sechsgeschossige Wohnbauten erstellen. In Österreich, zumindest in den Bundesländern, in denen die OIB-Richtlinien [zielorientierte bautechnische Anforderungen] gelten, liegt die Grenze bei vier Geschossen. Allerdings kann von den Richtlinien abgewichen werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Schutzziele der Richtlinie auf andere Art erreicht werden. Dazu braucht es als Nach-weis ein schlüssiges Brandschutzkonzept.

Karin Tschavgova: Nützt Forschungsarbeit am Werkstoff Holz im Sinne einer Hightech-Entwicklung, etwa als noch leistungsfähigerer Verbund- oder Kompositwerkstoff, auch der Tragwerksplanung?

Konrad Merz: Ja, sicher. Holz muss am Ball bleiben im Wettstreit mit anderen Materialien. Wir bearbeiten im Moment einen Viergeschosser in Wien. Dabei kommt ein modulares Bausystem zur Anwendung. Die Stützen haben vom Erdgeschoss bis zum Dachgeschoss idente Querschnittsabmessungen. Wir profitieren im untersten Geschoss vom Einsatz hochfester Holzwerkstoffe und können so die Abmessungen insgesamt minimieren.

Karin Tschavgova: Sind für den Tragwerksplaner im Holzgeschossbau klassische architektonische Themen wie die Materialminimierung also relevant?

Konrad Merz: Materialminimierung ist für den Ingenieur immer ein Thema, nicht nur aus Kostengründen oder aus formalen Überlegungen, sondern auch im Hinblick auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen. Aus n diesem Grund gilt für die Arbeit des Ingenieurs nach wie vor: „In die Konstruktion soll Intelligenz rein und Material raus.“

Karin Tschavgova: Bleibt mit Holz als Tragsystem für immer höhere Geschossbauten Gestaltungsvielfalt gewährleistet oder anders gesagt: schränkt die Notwendigkeit von konstruktiver Vereinfachung nicht die heute nahezu unbegrenzten Möglichkeiten architektonischer Formen ein?

Konrad Merz:
So viele Holzhochhäuser werden in nächster Zeit nicht gebaut werden, dass sie einen entscheidenden Einfluss auf die architektonische Landschaft haben, und die gebauten könnten Abwechslung und Bereicherung sein. Plastische Ausformung müsste man mit entsprechendem Aufwand erkaufen, weil eben im Holzbau und nicht nur dort das Prinzip gilt, dass Lasten möglichst direkt und in der Vertikalen von oben nach unten zu bringen sind.

zuschnitt, Sa., 2009.03.21



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zuschnitt 33 Holz stapelt hoch

15. September 2003Konrad Merz
zuschnitt

Verbindungstechnik mit selbstbohrenden Stabdübeln an den Trägern der Schulsporthalle Hauptschule Rieden - Vorkloster

Die neue Sporthalle mit ihrem Nebentrakt ergänzt das aus den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts stammende Ensemble der Schulanlage Rieden - Vorkloster von Architekt Ernst Hiesmayr. Der westseitige Gebäudeflügel mit einer alten Turnhalle wurde abgetragen. Damit die Charakteristik des Schulgebäudes erhalten bleibt, bildet ein neuer, zweigeschoßiger Baukörper den westlichen Hofabschluss. Die neue Turnhalle wird dem zweigeteilten Schulhof eingeschrieben. Der eine Hofteil wird auf das Untergeschoßniveau abgesenkt und mit einer Tragstruktur überdacht, der andere bleibt Außenraum.

Die neue Sporthalle mit ihrem Nebentrakt ergänzt das aus den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts stammende Ensemble der Schulanlage Rieden - Vorkloster von Architekt Ernst Hiesmayr. Der westseitige Gebäudeflügel mit einer alten Turnhalle wurde abgetragen. Damit die Charakteristik des Schulgebäudes erhalten bleibt, bildet ein neuer, zweigeschoßiger Baukörper den westlichen Hofabschluss. Die neue Turnhalle wird dem zweigeteilten Schulhof eingeschrieben. Der eine Hofteil wird auf das Untergeschoßniveau abgesenkt und mit einer Tragstruktur überdacht, der andere bleibt Außenraum.

Konstruktion
Die Sporthalle wird von schlanken, geschoßhohen Kastenträgern aus Holz überspannt und ist größtenteils mit Glas eingedeckt. Die Träger sind aus einem Gerippe aus Brettschichtholz, gebildet aus Obergurt, Untergurt und vertikalen Pfosten aufgebaut, das mit beidseitig aufgeleimten Dreischichtplatten (Lärche) beplankt ist. Die Kastenträger sind 45 m lang und vier Meter hoch. Bauteile mit solchen Abmessungen sind bekanntlich nur schwer als Ganzes auf der Straße transportierbar. Dem gegenüber steht das Bestreben nach einer möglichst weitgehenden Vorfertigung im Werk, um den Anforderungen an Produktivität, Qualitätskontrolle und Montagezeit gerecht zu werden.

Unter Berücksichtigung dieser Punkte, aber auch aus statischen Überlegungen und nicht zuletzt solchen, die einen rationellen Einsatz der Hebezeuge betreffen, ist die Haupttragkonstruktion aus drei werkseitig vorgefertigten Teilen, mit den Längen 12,5 / 20 / 12,5 m gefertigt. Für den Zusammenbau auf der Baustelle galt es, eine Verbindung zu wählen, die unterschiedlichsten Anforderungen gerecht wird.

Bedingungen

- Am Stoß der Einzelteile tritt ein Moment von ungefähr 3500 kNm und eine Querkraft von 170 kN auf. Das Moment entspricht einer Last von 10 Tonnen an einem Kragarm von 35 m Länge.
- Der Kraftfluss soll auf der Baustelle nur mit wenigen Schrauben geschlossen werden können, was am einfachsten mit einer Stahl / Stahl-Verbindung zu lösen ist. Das bedeutet, die Kräfte aus den zu fügenden Holzteilen müssen zuerst in Stahlteile eingeleitet werden. Dazu wurden im Werk geeignete Stahlteile in die Holzquerschnitte eingebaut.
- Der Anschluss sollte auch formalen Überlegungen gerecht werden, die Montagestöße am fertigen Bauwerk möglichst unauffällig in Erscheinung treten.
- Es wurde eine Verbindung mit einem hohen Ausnutzungsgrad angestrebt, damit die an einem ungestoßenen Binder ermittelten Balkenabmessungen infolge der Montageverbindung nicht zu stark vergrößert werden müssen.

Es soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass Knotenpunkte vielfach die schwächsten Glieder in einer Tragkonstruktion aus Holz darstellen. Die anschließenden Stäbe werden zur Übertragung der Kräfte meistens erheblich geschwächt, sei es durch Bohrungen, Schlitze oder andere Ausnehmungen. Dies im Gegensatz etwa zu geschweißten Verbindungen im Stahlbau, wo es möglich ist, die Tragfähigkeit der zu verbindenden Stäbe auch im Knotenbereich zu erreichen. Die Reduktion der Tragfähigkeit im Anschlusspunkt ist abhängig von der Art des Verbindungsmittels und der Knotengeometrie. Sie beträgt zwischen 10 und 60%. Mit anderen Worten, ein Holzbalken erreicht im Knotenpunkt nur 40 - 90 Prozent seiner Tragfähigkeit. Geleimte Verbindungen schneiden in der Regel besser ab als Anschlüsse mit Nägeln, Dübel oder Schrauben, sind aber ungleich schwieriger auszuführen.

Lösungsansatz
Die ausgeführte Lösung erfüllt die skizzierten Anforderungen weitgehend. Das Anschlussmoment, im Stoßbereich in eine Zug- und eine Druckkraft aufgeteilt, wird durch vier fast identische Stahlteile übertragen. Der hier abgebildete Zugstoß unterscheidet sich vom Druckstoß nur durch die Art der Kraftübertragung vom Holz in den Stahlteil. Beim Zugstoß wird die Kraft mit Hilfe von selbstbohrenden Stabdübeln mit 7mm Durchmesser in den Stahlteil eingetragen, beim Druckstoß über Kontaktpressung. Mit dieser Art der Verbindung kann ein Ausnutzungsgrad von ungefähr 65% der anschließenden Stäbe erreicht werden. Durch die »Vielschnittigkeit« kann der gesamte zu verbindende Querschnitt aktiviert werden. Die Dübel werden mit kleinen Abständen versetzt, was die Anschlussfläche und damit die Größe der Stahlzeile reduziert. Durch das gleichzeitige Bohren von Holz und Stahl ist eine größtmögliche Passgenauigkeit gewährleistet. Differenzen im Lochbild von Stahl- und Holzteilen, wie sie bei der Verwendung von normalen Stabdübeln auftreten können, hervorgerufen durch Ungenauigkeiten in der Arbeitsvorbereitung, »Verlaufen« des Bohrers bei der Herstellung der Löcher, Quellen und Schwinden der Holzeile zwischen Produktion und Montage oder Verziehen der Stahlteile beim Verzinken, gibt es nicht. Die hohe Passgenauigkeit wirkt sich auch positiv auf das Verformungsverhalten aus. Die Herstellung der Verbindung im Werk ist vergleichsweise einfach und erfordert keine speziellen Kenntnisse.Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass die Querkraft im hier behandelten Knoten mit seitlich aufgenagelten Lochblechen aus Flachstahl übertragen wird. Für die Unterbringung aller während der Montage zugänglichen Stahlteile ist die Beplankung um 25 Zentimeter ausgespart und wird nachträglich ergänzt, womit auch der geforderten Brandwiderstandsdauer von 30 Minuten Rechnung getragen wird.

zuschnitt, Mo., 2003.09.15



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Schulsporthalle Rieden Vorkloster



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zuschnitt 11 Rein ins Holz - Schraube oder Nagel

Bauwerke

Artikel 12

15. September 2001Wolfgang Pöschl
zuschnitt

Die Freiheit ist immer dann grenzenlos, wenn ich materialkonform arbeite

Wir bringen Auszüge eines Gesprächs vom 16. Juli 2001, das Zuschnitt zum Thema »Neue Flächen in Holz« angeregt hat und das im Architekturforum Innsbruck stattfand.

Wir bringen Auszüge eines Gesprächs vom 16. Juli 2001, das Zuschnitt zum Thema »Neue Flächen in Holz« angeregt hat und das im Architekturforum Innsbruck stattfand.

Zuschnitt: Die Frage, der Zuschnitt in diesem Gespräch auf den Grund gehen will, ist, ob die neuen Holzwerkstoffe, die auch konstruktiv eingesetzt werden können, den Holzbau revolutionieren werden. Erst einmal, ob sich das Erscheinungsbild vom Holzbau dadurch verändern wird und ob damit eine breite Anwendung gegeben sein wird.

Schickhofer: Ganz sicher muss die Fläche neu gesehen werden, weil sie sich vom Schichtenaufbau des traditionellen Holzbaus wesentlich unterscheidet, genauer gesagt, vereinfacht. Nehmen Sie die massive Fläche, Sie haben einen kompakten tragenden Teil, eine Dämmschicht, sauber getrennt davon, oder die Dämmung im Kern und einen äußeren Schutz. Das ist schon das Wesentliche, es gibt keine Kältebrücken, die Fugen werden unterdrückt. Wo ich es brauche, schneide ich ein Fenster ein...

Pöschl: Ich kann ja auch die massive Fläche von der, wo ich verglasen will, ganz trennen.

Schickhofer: Ja, aber ich kann es machen, wenn ich will, ohne Risiko. Darum geht es ja, dass die Holzbauweise einfacher wird in der Anwendung.

Zuschnitt: Aber ist dann nicht die Gefahr einer Vereinheitlichung, einer wesentlichen Einschränkung gegeben?

Schickhofer: Also, das kann ja nur eine Erweiterung sein, wenn man seine Idee in einem System wiederfindet und damit agieren möchte. Um das geht es. Sie können nicht sagen, es reicht mir, wenn man eine Platte anbietet oder ein Material, Sie werden damit glücklicher werden, wenn man eine Decke anbietet, eine Wand usw., die gut zusammenzufügen sind. Wie der Raum dann ausschaut, das ist dann Architektur, das wird der Architekt bestimmen. Aber ich meine, das sollte man vielleicht in Zukunft woanders hin delegieren, wie die Decke von unten bis oben oder die Wand von innen bis außen auszusehen hat. Hier muss sich der Architekt nicht unbedingt mehr den Kopf zerbrechen. Das heißt, wenn hier Lösungen zur Verfügung gestellt werden, abgestimmt auf ganz bestimmte Produkte, Produktgruppen, dann ist das doch auch ein Vorteil für die Architektur. Eine große Hilfe, um überhaupt vernünftig, auch von den Planungskosten her, einen Holzbau betreiben zu können.

Pöschl: Da gebe ich Ihnen Recht, insofern, als ich im Möbelbau ja auch eine Methode brauche, um zu verbinden. Ich kann alles zusammennageln oder schrauben, aber es gibt auch Dübel, es gibt Scharniere und genau das braucht es im massiven Holzbau auch. Aber es würde mir nicht einfallen, von einem Möbelbausystem zu reden, sondern ich habe ein Plattenmaterial, das kann Bestimmtes, das eine muss ich umleimen, das andere furnieren. Fügetechnik braucht es, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Aber ich würde das nicht als System bezeichnen.

Zuschnitt: Sie haben auch als Tischler ein enormes Vorwissen, viele Architekten haben aber Berührungsängste mit Holzbau. Es gibt eine bauphysikalische Komplexität, wenn man das nicht wirklich beherrscht, kommt man in des Teufels Küche. Dann kommt der vergleichsweise große Planungsaufwand dazu, beides Dinge, die die Leute davon abhalten, in Holz zu bauen. Wenn es jetzt verbindliche Systeme gibt, die mich in meiner Gestaltung als Architekt nicht einschränken, sondern soviel Flexibilität und Anwendungsmöglichkeiten erlauben, dass ich Freiheit habe in meiner Gestaltung, dann wird wahrscheinlich jeder Architekt gerne auf Leitdetails zurückgreifen. Eine Einengung darf es natürlich nicht sein.

Pöschl: Vor 20 Jahren hat der Architekt noch nicht gewusst, wie ein Spanplattenmöbel funktioniert. Da sind an den unmöglichsten Stellen massive Teile vorgekommen. Jetzt weiß das eigentlich jeder, er hat Spanplatten und braucht sie nur zusammenstellen und der Tischler nimmt das richtige Verbindungsmittel. So einfach sollte Holzbau werden in der Anwendung.

Merz: Richtig, nehmen Sie den Betonbau, wenn Sie den Anschluss Decke-Wand haben, dann machen Sie zwei Striche, wieviele Eisen er da hineinlegt, das interessiert sie nicht. Aber im Holzbau müssen Sie sich schon überlegen, geht die Wand durch die Decke, oder liegt die Decke auf, ist sie zwischendrin, geht die Wand außen hoch, wie schließe ich es an…

Schickhofer: Warum muss ich mir das überlegen, wenn die Lösungen da sind?

Pöschl: Beim massiven Holzbau kann das irgendwann einmal so primitiv werden wie bei einem Möbel. Aber was ich verhindern will, ist, dass man wieder in Elementen denkt, in zu komplizierten Einheiten. Man denkt in Materialien, Plattengrößen selbstverständlich, im Möbelbau mache ich das auch, im Hochbau ist es noch ein bisserl strenger, aber es muss im Prinzip so funktionieren. Das Bauen muss auf einem ganz niedrigen Level gehalten werden. Einfach, aber auch ohne die hohen Arbeitsanteile, die die Amerikaner an ihren Systemen haben.

Scheran: Das ist genau der Punkt, dann sind wir bei einer Massenanwendung. Bis jetzt haben Hersteller irgend ein System gemacht, das dann kein Massenartikel geworden ist und wieder irgendwo individuell war. Und ich glaube, die Plattenindustrie muss die Materialien zur Verfügung stellen und die verschiedenen Verbindungen und Anwendungen zeigen, man kann sie für jedes System einsetzen, es funktioniert immer mit den Platten, die wir anbieten.

Schickhofer: Genau, das Problem, das wir jetzt haben, warum der Prozentsatz im Holzbau so niedrig ist, ist eben, dass alle kleinen Unternehmen glauben, sie müssen etwas neu erfinden und dann bleibt das Ganze immer nur regional hängen. Das heißt, wirklich groß wird man, wenn man, wie die Ziegelindustrie, genau nach Strategien vorgeht, einheitlich. Dann habe ich die Möglichkeit, den Prozentsatz zu heben, aber sicherlich nicht von der Breite nach oben, also, das glaube ich nicht. Ich möchte das einmal einwerfen, es muss ein gewisses Diktat kommen.

Merz: Im Moment hat keine Firma oder keine Industrie die Marktmacht, das zu diktieren. Schickhofer Richtig, das wird aber kommen müssen. Andererseits sollte der Architekt gerade bei der Entwicklung dieser Elemente Mitspracherecht haben, mitentwickeln, mitdiskutieren, weil damit auch schlussendlich Architektur gemacht wird.

Pöschl: Ich habe überhaupt kein Problem mit den unterschiedlichen Plattenstärken, Breiten oder Plattengrößen, da ist von einem halben Meter an alles, was man noch heben kann, akzeptabel. Ich glaube, da liegen keine Einschränkungen und da wehren sich die Architekten auch nicht dagegen.

Scheran: Das Wesentliche im Handwerk ist doch das Know how, mit diesen Produkten umzugehen. In Wirklichkeit ist es doch so, der Architekt, der einen Handwerker neben sich hat oder 2 bis 3 Zimmereibetriebe, von denen er weiß, die können mit dem Material umgehen, der setzt alles ein - der hat die Sicherheit und baut auch mit Holz.

Pöschl: Ich sage jetzt einmal ganz polemisch, außer den Platten und langen Schrauben brauche ich nichts. Das ist jetzt übertrieben, aber im Prinzip ist die Tendenz dahingehend.

Schickhofer: Die Zukunft des Holzbaus liegt in einer vernünftigen Reduktion. Welche Materialien sich letztlich durchsetzen werden, ist vielleicht noch nicht bekannt - welche Flächen und Konstruktionssysteme es sein werden. Beide Bauweisen, der Holzleichtbau und der Holzmassivbau haben irgendwie Berechtigung, beide werden eine Schiene fahren, aber beide müssen Reduktion sowohl in den Systemen, den Materialien und den Produkten haben. Wir haben also für den Holzmassivbau jetzt einmal Leitdetails verfasst und ich glaube, das muss sein. Der Architekt, der Ingenieur und auch der Ausführende, die brauchen im Prinzip Lösungen.

Merz: Wobei - das gibt's, das hat jedes Produkt. Wir wenden das nur nicht an, weil wir zu individualistisch sind. Der Architekt, der etwas auf sich hält, will noch etwas Besseres erfinden.

Pöschl: Da gibt es schon auch inhaltliche Überlegungen dazu. Ich will nicht in einem amerikanischen Systemhaus wohnen, ich will einen anderen Raum.

Merz: Es könnten sich 20, 30 Leitdetails beim Holzbau durchsetzen, die jetzt nichts zu tun haben mit dem, was in Nordamerika gemacht wird, die erlauben, Ihre Räume zu bauen.

Schickhofer: Machen wir das doch. Versuchen wir doch, ein produktunabhängiges System aufzubauen.

Merz: Es gibt Bücher vom Bund deutscher Zimmerer - Holzrahmenbau. Die setzen sich nicht als Standard durch.

Scheran: Sie haben absolut recht, Herr Merz, es ist im Grunde unser Problem, dass wir so viele verschiedene Systeme haben, weil jeder Hersteller glaubt, er muss ein System haben. Und wir haben jetzt mit Baudas in eine andere Richtung gedacht. Wir haben gesagt, Baudas ist kein System, sondern wir stellen mehrere Plattenwerkstoffe und Zubehörprodukte zur Verfügung. Wir prüfen diese Bauteile und Konstruktionen und die kann dann jeder einsetzen, wo er sie braucht. Da muss die Industrie hinkommen, wir haben einen sehr hohen Maschinenaufwand, um wirklich industriell und nicht in Einzelstücken zu fertigen.

Merz Für mich ist jede neue Platte, die auf den Markt kommt, eine Bereicherung und erweitert die Palette.

Schickhofer: Jetzt haben wir gerade etwas von Reduktion gehört…

Merz: Wenn ich jetzt zurückdenke 10 Jahre, dann haben wir heute schon viel größere Möglichkeiten. Ich habe Platten, wo ich sogar die Holzart auswählen kann. Das Schöne an diesen Plattenwerkstoffen, sie können ja wirklich auf einen gewissen Zweck hin getrimmt werden. Also wenn Sie versprechen, dass Sie morgen 3 Millionen m² von 70-mm Platten kaufen, dann können Sie Ihre 10.000 Newton pro mm² eben fordern, das ist das Schöne an diesen Produkten, ich habe nicht mehr einfach das Brett, das irgendwo in der Geometrie vorgegeben ist und in seinen Werten, sondern ich kann sagen, trimmt mir ein Produkt auf den Zweck hin.

Scheran: Da müssen wir jetzt unterscheiden zwischen Massenfertigung und Einzelfertigung.

Schickhofer: Für mich sind hier zwei Wege, die gedacht werden müssen, einerseits die Industrie als Lieferant von »Massenprodukten«. Dementsprechend muss man die Märkte definieren und das geht meines Erachtens über diese Reduktion, die wir besprochen haben und über fertige Lösungen. Andererseits natürlich die innovativen Formen des Einsatzes von Holzwerkstoffen, wobei man das auch so sehen muss, diese Innovationen im Bau bringen natürlich auch wiederum den anderen Bereich weiter.

Pöschl: Ich bin der Überzeugung, dass man eigenständige Wege suchen muss für Holz. Nehmen Sie De Stijl und diese Häuser, die aus abstrakten Flächen bestehen. Das kann ich mit Holz viel besser machen als mit Ziegel und mit Beton. Wenn ich z.B. die vertikale Struktur minimiere, nur in dem Maß tragende Flächen nehme, in dem ich sie wirklich brauche, indem ich die allseitige Tragfähigkeit von Brettsperrholz nütze, komme ich zu Lösungen, die wirklich unverwechselbar sind. Das wäre interessant.

Zuschnitt: Es muss also ein Bestreben sein, die Holzfläche autonom werden zu lassen, etwa als massive Fläche, die dann eben auch diese Tragfunktion übernehmen kann?

Pöschl: Man braucht sich nur ein Haus von Mies van der Rohe vorstellen. Mit diesen vertikalen Scheiben, die einen Raum definieren, offenes Haus mit Punktstützen, Flächen. Er macht das mit Stahlrahmen, die er dann verkleidet. Am Schluss erscheint das alles wie eine Fläche. Aber es war keine Fläche, es war eine relativ komplizierte Konstruktion. Wenn man sich so eine Struktur vorstellt, die in Holzflächen, dann kann man durchaus Materialien wechseln. Ich kann jetzt z.B. die horizontalen in OSB nehmen und die vertikalen in Brettsperrholz. Also ich kann innerhalb des Holzes noch differenzieren, dann wären wir, glaube ich, konstruktiv wie räumlich auf einem interessanten Weg. Wenn ich mir ein gemauertes Haus vorstelle mit Lochfassade und das in Holz baue, da kämpft man gegen einen übermächtigen Gegner, denn das kann der Ziegel einfach.

Zuschnitt: Aber ist das nicht genau das, was Herr Dr. Schickhofer als Vorteil behauptet, dass die Fläche im Holzbau mit diesen kompakten Platten vergleichbar einer Lochfassade werden kann, wo man dann eigentlich aus der Fläche nur mehr die Öffnungen ausschneidet? Das ist, soweit ich verstehe, Ihr Ansatz.

Schickhofer: Nein, nein, hier von einem Massivbau eins zu eins auf einen Holzbau umzumünzen, wäre falsch und sicherlich nicht der Weg. Bei zahlreichen Projekten in der Steiermark, die vom Wohnbauträger ursprünglich als Ziegelbau vorgesehen waren, hat das im Holzbau große Probleme gegeben. Ich kann natürlich keine Öffnungen brauchen mit einer Größe über 20%, da habe ich dann definitiv Probleme mit der Wirtschaftlichkeit.

Pöschl: Ich glaube, dass derzeit das Denken in Flächen in massivem Holz einfach nicht vorhanden ist, nicht im Denken von Zimmerleuten. Sie sehen den liegenden Leimbinder, aber sie verstehen nicht, was das ist. Ich glaube, wenn das einmal ins Bewusstsein rückt, auch beim Architekten, dann muss denen ja ein Licht aufgehen. Die Moderne hat das Formale vorgezeigt, aber wie ich dorthinkomme, das haben sie verdrängen müssen. Das brauchen wir jetzt nicht. Ich komme mir immer vor wie einer, der Altbekanntes ausgrabt und jetzt konstruktiv elegant umsetzt, genau so, wie ich jetzt eine Glasfassade machen kann, von der der Gropius nur träumen hat können. Genauso kann man jetzt eben Dächer wirklich genauso dünn schweben lassen. Das hat auch ökonomische Seiten, wenn ich da einen direkten Weg der Konstruktion finde, muss das auch à la longue billiger sein.

Zuschnitt: Aber da geht es jetzt wieder um die Autonomie von Flächen ...

Pöschl: Genau, dass man die Fläche als Fläche behandelt. Wo man natürlich im Widerspruch zur klassischen Moderne kommt, ist in der Materialbehandlung, weil die Moderne eine Abstraktion betrieben hat, die auch das Material neutralisiert hat. Hier sehe ich eigentlich eine Weiterentwicklung, denn diese abstrakten Häuser kriegen mit Holz plötzlich etwas ganz Berührbares. Ich habe viele Leute, die mir gern räumlich folgen, aber die sagen, ich will da nicht so eine coole Bude haben. Ich kann mit so einem Dach leben, ich kann mit dem offenen Raum leben, ich kann mit dem vielen Glas leben, aber ich will nicht in einer Betonstruktur wohnen. Da, finde ich, ist eben Holz ganz etwas Archaisches.

Zuschnitt: Es erstaunt mich immer, dass die Fertighausindustrie dieses Potenzial überhaupt nicht nützt. Dort wird das Holz ja weitgehend versteckt im Leichtbau und so getan, als wäre es ein Massivbau.

Pöschl: Das ist in ganz Amerika so.

Merz: Es entspricht dem Geschmack der Kundschaft, die halt mit dem Massiven das Dauerhafte verbindet.

Scheran: Wenn ich heute das Gleiche, was ich in Massiv baue, als Holzrahmenbau nachbauen müsste, dann bin ich automatisch vergleichbar. Deswegen glaube ich, muss die erste Entscheidung schon eine für eine Holzkonstruktion sein ...

Pöschl: Etwas, das anders ist als das Übliche, das kostet mehr - das funktioniert knallhart. Es denkt keiner nach, wieviel Arbeit ist jetzt das, sondern grundsätzlich, wenn es anders ist, stellt jeder die Haare auf.

Merz: Ich glaube nicht, dass die Preise künstlich hochgehalten werden, eher, dass sie für den Produzenten an der Schmerzgrenze sind. Wieso der Holzbau teurer ist? Weil jeder Holzbau ein Unikat ist. Ein Problem des Holzbaus hier in Mitteleuropa ist die Vielfalt der Systeme. In den USA wird ein Einfamilienhaus im Staat New York so zusammengezimmert wie in Kalifornien.

Pöschl: Die Holzfläche ist der Weg aus dem heraus, ich habe keine Details. Was ich mir wünsche, ist vor allem dieses Bewusstsein, wie einfach das eigentlich sein kann. Momentan hängen wir an komplizierten Vorstellungen vom Holzbau. Es gibt ja eine Methode, um ein Material ins Bewusstsein zu bringen, dass man gezielt Wettbewerbe macht oder Themen stellt. Man sagt, es gibt das Material, mach etwas daraus.

Zuschnitt: So, wie das heute geklungen hat, ist ja der Verbreitung des Holzbaus und einem größeren Marktanteil im Bauen überhaupt keine Grenze gesetzt. Die Frage ist nur, wieso sich das Segment des Holzbaus noch auf diese wenigen Prozente beschränkt?

Pöschl: Weil im Holzbau noch zu traditionell gedacht wird und weil die Massivfläche noch nicht im allgemeinen Bewusstsein ist.

Zuschnitt: Ist es also eine Frage der Zeit?

Scheran: Ja, es ist eine Frage der Zeit.


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Schickhofer Gerhard
Scheran Walter



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zuschnitt 03 Flächige Vielfalt

Presseschau 12

»Was heißt konstruieren mit Holz – heute und morgen?«

Holzbau und Architektur sind befreundete Disziplinen, weil dreidimensionales Vorstellungsvermögen, ein umfassendes Planungsverständnis, die Liebe zur Materialität...

Holzbau und Architektur sind befreundete Disziplinen, weil dreidimensionales Vorstellungsvermögen, ein umfassendes Planungsverständnis, die Liebe zur Materialität...

Holzbau und Architektur sind befreundete Disziplinen, weil dreidimensionales Vorstellungsvermögen, ein umfassendes Planungsverständnis, die Liebe zur Materialität und – nicht zuletzt, sondern zuvorderst – die Lust auf experimentelle Lösungen sie verbindet. Das Innovationspotenzial im Holzbau erscheint immens, allerdings auch die Grenzen von dessen Umsetzbarkeit.

Im Spannungsfeld zwischen Systementwicklungen und individuellen Lösungen, zwischen optimiertem Workflow und traditioneller Zimmerei bauen sich die Problematiken von Form- und Materialkongruenz, Planungsschnittstellen und Kostenwahrheiten auf – und nicht zuletzt von Verantwortlichkeiten für Kosten und andere Planungsfolgen. Wenn die These von der Freundschaft zutrifft, dann müsste hier auch die Solidarität von Holzbau und Architektur greifen...

Die Ingenieure Alfred R. Brunnsteiner, Georg Hochreiner, Pirmin Jung, Konrad Merz, Kurt Pock, Johann Riebenbauer und Richard Woschitz beantworteten per E-Mail Fragen zum Stand des Holzbaus.

Wie schätzen Sie aus heutiger Sicht die gestalterischen Chancen des Bauens mit Holz in Konkurrenz zu anderen Bauweisen ein? Welche architektonischen Potenziale hat Holz und sind diese schon ausgelotet?

Alfred R. Brunnsteiner
Durch plattenförmig vorgefertigte Bauteile aus Holz, wie osb, Furniersperrholz, Brettsperrholz etc. kommt man nahe an die Gestaltungsmöglichkeiten von Stahlbeton heran.

Georg Hochreiner
Der Ingenieurholzbau hat sich als »Königsklasse«, als Lehrmeister für künftige Ingenieure etabliert, da er alle Komponenten enthält, die auch bei anderen Bauweisen zur Anwendung kommen. Aktuell ist dieses Wissen nur bei wenigen Experten vorhanden und gipfelt in einzelnen Pilotprojekten und vielen missverstandenen Nachahmungen.

Pirmin Jung
Hölzerne Tragwerke, Flächenbauteile und Verkleidungen für unterschiedlichste Projektarten bergen ein riesiges, noch nicht ausgeschöpftes Gestaltungspotenzial.

Konrad Merz
Das Potenzial liegt in der Vielseitigkeit von Holz. Es sind Bauteile möglich, die nicht nur tragen, sondern gleichzeitig auch den Raum begrenzen, hohen Anforderungen an Oberflächen und Haptik genügen, dämmen und regulierend auf das Raumklima wirken.

Johann Riebenbauer
Holzbau ist im Gegensatz zu Stahl- und Stahlbetonbau wesentlich komplexer, die Grenzen des Sinnvollen und Wirtschaftlichen sind oft schneller erreicht. An eine gewisse »Grenzenlosigkeit« zum Beispiel des Stahlbaus kommt man nicht heran.

Richard Woschitz
Dank neuer Entwicklungen in der Verbindungsmitteltechnik, der Bearbeitungsmöglichkeiten von Holz und des Einsatzes digitaler Technologien in Planung und Herstellung entstehen noch nie gesehene Formen in der Holzarchitektur. Holz hat enormes architektonisches Potenzial, es muss nur konstruktiv richtig eingesetzt und mit modernsten Technologien verarbeitet werden.


Wo liegen aus Ihrer Sicht die (sinnvollen) statisch-konstruktiven Grenzen des Holzbaus? Welche räumlichen Dimensionen und welche Querschnitte sind heute machbar und auf welche Weise? Wo sehen Sie Innovationspotenzial?

Alfred R. Brunnsteiner
Wie Stahlbeton kann man auch Holz vorspannen. Größe hat eigentlich nur mit Höhe zu tun, je weiter gespannt wird, desto mehr konstruktive Höhe braucht es, egal mit welchem Material.

Georg Hochreiner
Die Querschnittsabmessungen sind mit den maschinellen Entwicklungen explosiv gewachsen und reichen heute von Lattenquerschnitten mit 3 mal 5 cm bis hin zu blockverleimten Brettschichtholzbauteilen mit Abmessungen von 60 mal 300 cm. Das dazugehörige Materialverständnis ist jedoch in vielen Fällen auf dem Stand von vor fünfzig Jahren zurückgeblieben, die normative Infrastruktur ist auf klassische Bauweisen abgestimmt und mit unflexiblen Bemessungsrezepturen untermauert.

Pirmin Jung
Für die räumliche Dimension gibt es für mich so keine (sinnvollen) Grenzen. Die Gebäudegeometrie mit der jeweils möglichen statischen Höhe entscheidet über die Spannweite. In einigen Jahren werden wir Hallen und mehrspurige Schwerlastbrücken mit über 100 Metern Spannweite sowie Hochhäuser aus Holz bauen. Dazu müssen wir u. a. Bauteile und Verbindungen für den Meganewton-Lastbereich entwickeln.

Kurt Pock
Konstruktive Grenzen gibt es aus meiner Sicht praktisch keine. Limitierend sind oft die Transportlängen und die Montagestöße. Innovationspotenzial sehe ich vor allem in der Verbindungs- und Fügetechnik. Gerade bei den Standardformteilen für den Holzhausbau besteht großes Potenzial. Hier bauen wir oft hoch entwickelte Elemente mit überalteten, nicht richtig auf die Anforderungen abgestimmten Verbindern zusammen.

Johann Riebenbauer
Sehr verkürzt: Brettsperrholz kann in Stärken von bis zu 60 cm produziert werden, ein 20-geschossiges Bauwerk mit 8 bis 9 Metern Deckenspannweite benötigt im eg eine 24 cm dicke Wand. Ein 100 Meter hoher Turm für Windkraftanlagen ist mit 30 cm Wandstärke machbar.

Richard Woschitz
Bei Großstadien sind die maximalen Spannweiten nur durch Netzwerkkuppeln zu erreichen. Bei Tragwerken mit geraden Stäben können beim Einsatz von Einfeldsystemen mit Vollwandträgern aus Brettschichtholz Spannweiten von 30 Metern, mit unterspannten Trägern Spannweiten von 50 Metern erreicht werden. Setzt man parallelgurtige Fachwerkträger ein, sind Spannweiten von 70 Metern, mit Fachwerkrosten sogar von 100 Metern möglich. Durch den Einsatz der cnc-Technik sind heute (fast) alle Querschnittsformen möglich. Das größte Innovationspotenzial sehe ich in der Verbindungsmitteltechnik sowie in der Homogenisierung des Werkstoffes Holz in der Palette der Holzwerkstoffprodukte.

Wie verläuft Ihrer Meinung nach idealerweise der Planungsprozess Architekt – Holzbauingenieur – Holzbauer – Ausführung? Wie gestalten sich aus Ihrer Sicht diese Schnittstellen?

Alfred R. Brunnsteiner
Beim Vorentwurf sollte der Tragwerksplaner schon neben dem Architekten sitzen. Die ersten Rechenschritte erfolgen auf Basis des Vorentwurfes. Die Holzbaufirmen sind auch immer hilfreich, jedoch in ihrer Fertigungstechnik verwurzelt. In der Auslobungsphase ergeben sich natürlich immer wieder Veränderungen infolge der Bieterideen, da muss das Planungsteam flexibel reagieren können.

Georg Hochreiner
Aktuell verfügen Architekten – bis auf wenige Ausnahmen – noch nicht über genügend Erfahrung im Umgang mit dem Baustoff Holz. Es ist daher zu empfehlen, gleich in den ersten fünf Minuten des architektonischen Entwurfes den Holzbauingenieur mitwirken zu lassen.

Pirmin Jung
In der Schweiz hat sich ein optimaler Planungsprozess etabliert: Vom ersten Entwurf weg entwickeln die Architekten die Tragstruktur und den Holzsystembau zusammen mit einem von Unternehmungen und Produkten unabhängigen Holzbauingenieur. Dieser erledigt die Detailplanung und die Statik, erstellt das detaillierte Leistungsverzeichnis für alle Leistungen, die der Holzbauer zu liefern hat und zeichnet während der Realisierung im Auftrag des Bauherrn für die Qualitätssicherung verantwortlich.

Konrad Merz
Möglichst frühe Einbindung des Ingenieurs und anschließend »herkömmlicher« Weg der Projektbearbeitung. Holzbauunternehmungen machen auf Basis der Ausführungsplanung von Ingenieur und Architekt die Werkstattplanungen.

Kurt Pock
Die Zusammenarbeit sollte so früh wie möglich starten, zumindest zwischen Architekt und Holzbauingenieur, der Holzbauer als Ausführender kann ja nur in Ausnahmefällen in der Planungsphase hinzugezogen werden (Vergaberichtlinien!). Im Zuge der Werkstattplanung soll ein Dialog zwischen Tragwerksplaner und Holzbauer stattfinden, um die Potenziale der Firma im Bereich des Abbundes und der Vorfertigung bestmöglich einzubringen.

Johann Riebenbauer
Ich habe in den letzten Jahren viele Versionen der Zusammenarbeit ausprobiert: nur mit ausführenden Firmen, Varianten über ausführende Firmen, nur Vorstatik und Firma macht die Ausführungsstatik – sowie Planung mit Architekten vom Entwurf weg bis zur Ausführung. Nur letztere Version ist wirklich zielführend! Die besten Projektergebnisse (auch in wirtschaftlicher Hinsicht) gelingen, wenn man der ausführenden Firma alles vorgeben kann.

Richard Woschitz
Architekten und Holzbauingenieure sitzen im selben Boot, mit dem optimalen Ergebnis als gemeinsames Ziel. Um das zu erreichen, ist der Ingenieur zunehmend als gleichermaßen kreativer Gegenpart zum Architekten gefragt, als entwerfender Tragwerksplaner und nicht nur als rechnender Statiker. Architekt und Holzbauingenieur sind aber auch in Ihrer Konstruktionswahl immer verpflichtet, auf die Herstellungs- und Baustellenlogistik zu achten. Erst nach diesen Prozessen sollte der ausführende Holzbauer beigezogen werden, um den kreativen Planungsprozess nicht einzuschränken.


Unter welchen Voraussetzungen sind Holzbaukonstruktionen kostengünstiger als andere Bauweisen?

Alfred R. Brunnsteiner
Ein Pfetten- oder Sparrendachstuhl ist am billigsten mit Holz zu machen. Bei flächigen und räumlichen Bauteilen ist man kostenneutral. Jeder Baustoff hat seine Vor- und Nachteile. Wenn ein Baustoff und die statische Höhe optimiert werden können, kommen fast immer die gleichen Kosten heraus. Preisunterschiede entstehen erst bei Höhenproblemen, weit gespannte schlanke Dächer werden dann meist in Stahl errichtet.

Georg Hochreiner
Wenn mit dem Rohstoff sparsam und effizient umgegangen wird, müssen Holzkonstruktionen nicht mehr zu Liebhaberpreisen eingekauft werden, sondern erweisen sich sogar als wirtschaftlicher. Voraussetzung dafür ist aber Input von Know-how in die Konstruktion inklusive Detailausbildung. Dies liegt dann auf der Linie nachhaltiger Bewirtschaftung, ist jedoch noch nicht in den Köpfen der Industrie verankert, die aktuell noch möglichst viel Holz mit traditionellen Methoden verkaufen will.

Pirmin Jung
Holztragwerke mit einem für den Holzbau optimalen Spannweiten-Höhen-Verhältnis sind billiger als Stahl- und Betontragwerke, auch bei großen Spannweiten und Lasten. Bei Geschossbau ist der Holzbau bei relativ einfachen Grundrissen, im energieeffizienten Bauen (Minergie-P, Minergie-Eco) und bei Schul- und Verwaltungsbauten kostenmäßig konkurrenzfähig.

Konrad Merz
Der Holzbau hat im Geschossbau seine Vorzüge, wenn folgende Punkte zutreffen: regelmäßig strukturierte Grundrisse, Spannweiten unter 6 Metern, möglichst linienförmige Lastabtragung (tragende Wände), tragende Deckenbauteile sichtbar belassen als hochwertige Oberflächen, hohe Anforderungen an den U-Wert der Gebäudehülle. Im Ingenieurholzbau haben Holzkonstruktionen Vorteile bei anspruchsvollen geometrischen Formen und auch, wenn die tragenden Bauteile direkt raumbildend wirken sollen.

Kurt Pock
… wenn das exzellente Verhältnis von Gewicht und Tragfähigkeit dieses wunderbaren Werkstoffs zum Tragen kommt. Dies ist bei großen Spannweiten der Fall. Massive Konstruktionen tragen vor allem sich selbst. Holz hat hier dank seines geringen Eigengewichts echte Vorteile.

Johann Riebenbauer
… nur wenn Leichtigkeit ein Faktor ist bzw. wenn die Bauweise sehr umfassend beurteilt und verglichen wird. Ansonsten ist der Holzbau in Mitteleuropa immer teurer als andere Bauweisen, da im Holzbau meist höhere Maßstäbe angesetzt werden. So gibt es Architekten, die mit Holz nicht bauen, wenn man außen nicht sieht, dass es ein Holzhaus ist. Holzfassaden sind aber teurer als Putzfassaden …

Richard Woschitz
… wenn – bei sparsamstem Holzeinsatz – Systembau in der Holzkonstruktion angewendet wird. Entscheidend ist die konstruktive Effizienz zwischen Materialeinsatz und Tragvermögen.


In welcher Form beeinflusst die internationale – ja, globale – Verbreitung des Holzbaus dessen Techniken und Fertigungsmethoden?

Alfred R. Brunnsteiner
Man sollte immer einheimisches Holz verwenden. Holz aus den Regenwäldern sollte für uns tabu sein. Verrückt ist es auch, wenn Holz aus Weißrussland kommt, in Zentraleuropa verarbeitet und dann in Kanada verbaut wird. Die Globalisierung sollte im gesamten Bauwesen, nicht nur im Holzbau, zum Ideenaustausch führen; die Techniken und Fertigungsmethoden können dann für alle nur besser werden.

Georg Hochreiner
Auch wenn Holzkonstruktionen weltweit errichtet werden, dominieren immer noch nationale Baupraktiken, limitiert durch das lokale Ausbildungssystem für die Baufachleute.


Die Kommunikation von Bildern funktioniert, der Transfer von Fachwissen jedoch wesentlich schlechter. Marketing ist also nicht mehr das alleinige Instrument für die Erschließung neuer Märkte.

Pirmin Jung
Beispiele aus anderen Ländern geben hiesigen Bauherren und Architekten das Vertrauen, dass eine bestimmte Bauaufgabe auch in Holzbauweise möglich ist. Natürlich orientiert man sich am Ausland, um für die eigene Arbeit neue Impulse und Ideen zu erhalten.

Konrad Merz
Trotz Globalisierung bleibt das Bauen und damit der Holzbau ein Geschäft mit vielen nationalen und regionalen Eigenheiten.

Kurt Pock
Um international reüssieren zu können, müssen wir die Standardisierung im Holzbau vorantreiben, weg vom individuellen Prototypenbau hin zur allgemein bekannten Standardlösung. Das Handwerk des Zimmermanns beschränkt sich weitgehend auf den deutschsprachigen Raum. In anderen Ländern werden die Holzkonstruktionen von anderen Gewerken mitbearbeitet. Um dennoch die Qualität zu halten, sind klare und robuste Lösungen erforderlich.

Johann Riebenbauer
International gesehen fehlt es vielen Ländern an Holzbautradition. Fachleute mit einigermaßen fundiertem Wissen hinsichtlich Bauphysik usw. sind oft nicht vorhanden. Deshalb werden international gesehen nur sehr einfache Bauweisen Erfolg haben. Die Anforderungen sind international gesehen auch sehr unterschiedlich, ein Vergleich ist hier schwer, Ansätze, die bei uns Gültigkeit haben, sind in manchen Ländern unsinnig und umgekehrt.

Richard Woschitz
Je mehr beispielhaft ausgeführte Holzbauprojekte in der Öffentlichkeit wahrnehmbar werden, umso mehr wird ein Weiterentwicklungsprozess in der Holzbautechnik und Fügetechnik stattfinden.

(Die Antworten sind zum Teil stark gekürzt.)

zuschnitt, Mi., 2010.07.14

21. März 2009Karin Tschavgova
Konrad Merz
zuschnitt

Statische Herausforderungen beim Hochhausbau in Holz

Karin Tschavgova: Im Holzgeschossbau stehen Themen der Bauphysik – Schallschutz und Schwingungsverhalten – oder auch der Brandschutz im Vordergrund. Will...

Karin Tschavgova: Im Holzgeschossbau stehen Themen der Bauphysik – Schallschutz und Schwingungsverhalten – oder auch der Brandschutz im Vordergrund. Will...

Karin Tschavgova: Im Holzgeschossbau stehen Themen der Bauphysik – Schallschutz und Schwingungsverhalten – oder auch der Brandschutz im Vordergrund. Will man im Holzbau hoch hinaus, so rücken Fragen nach dem geeigneten Tragwerk in den Mittelpunkt. Worin besteht für den Statiker die Herausforderung beim Hochhausbau in Holz?

Konrad Merz: Bei den Decken sind nicht nur die bauphysikalischen, sondern auch die statischen Anforderungen gleich – egal, ob eine Decke im dritten oder im zwölften Geschoss eingebaut ist. Bei vertikalen Bauteilen, den Stützen oder den lastabtragenden Wänden, nimmt die Beanspruchung linear mit der Anzahl der Geschosse zu. Auch das ist einfach in den Griff zu bekommen. Die eigentliche Herausforderung liegt in der Abtragung der horizontalen Einwirkungen durch Wind und Erdbeben. Hier nimmt die Beanspruchung exponenziell mit der Gebäudehöhe zu.

Intelligenz rein, Material raus

Karin Tschavgova: Spielt die schon beinahe ideologisch determinierte Frage nach Holzmassiv- oder Holzleichtbauweise noch eine Rolle, wenn man hoch hinaus will?

Konrad Merz: Also, für mich als Tragwerksplaner ist das keine Frage der Ideologie, sondern eine, die bei jedem Projekt von neuem nach den spezifischen Randbedingungen entschieden wird. Eine pauschale Aussage gibt es nicht. Tendenziell setzen wir Holzmassivbau in erster Linie bei lastabtragenden Innenwänden und Decken mit einer Spannweite bis zu ungefähr sechs Metern ein. Bei Außenwänden, vor allem wenn sie nichttragend sind, steht eher die Holzrahmenbauweise im Vordergrund.

Karin Tschavgova: Ein Ergebnis des Forschungsprojekts 8+ (zum Holzhochhausbau) ist, dass 20 Geschosse aus technischer Sicht möglich sind, die Grenze nach oben jedoch eine Frage der Wirtschaftlichkeit ist. Kann man eindeutig sagen, bis zu welcher Höhe ein konstruktiver Holzbau noch ökonomisch ist?

Konrad Merz: Die Frage der Wirtschaftlichkeit hängt von vielen Parametern ab und ist relativ schwer zu beantworten. Eine fixe Höhe, bis zu welcher ein konstruktiver Holzbau sinnvoll ist, kann ich schon gar nicht nennen. Betrachtet man nur die Herstellungskosten, ist es mit einem qualitativ guten, reinen Holzgeschossbau derzeit schwierig, ein vergleichbares Gebäude in Massivbauweise zu unterbieten. Ein Mittelweg, bei dem die jeweiligen Stärken der Baustoffe Holz und Beton zum Tragen kommen, könnten Mischbauten sein, bei denen die Tragstruktur aus Stahlbeton und die Außenwände aus vorgefertigten Holzelementen bestehen. Das gilt vor allem bei Gebäuden mit hohen Anforderungen an die Gebäudehülle.

Karin Tschavgova: Warum wird in anderen Ländern höher gebaut? Liegt’s nur an den gesetzlichen Vorgaben?

Konrad Merz: Unter anderem, doch es gibt auch in Österreich Spielraum nach oben. In der Schweiz kann man bis zu sechsgeschossige Wohnbauten erstellen. In Österreich, zumindest in den Bundesländern, in denen die OIB-Richtlinien [zielorientierte bautechnische Anforderungen] gelten, liegt die Grenze bei vier Geschossen. Allerdings kann von den Richtlinien abgewichen werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Schutzziele der Richtlinie auf andere Art erreicht werden. Dazu braucht es als Nach-weis ein schlüssiges Brandschutzkonzept.

Karin Tschavgova: Nützt Forschungsarbeit am Werkstoff Holz im Sinne einer Hightech-Entwicklung, etwa als noch leistungsfähigerer Verbund- oder Kompositwerkstoff, auch der Tragwerksplanung?

Konrad Merz: Ja, sicher. Holz muss am Ball bleiben im Wettstreit mit anderen Materialien. Wir bearbeiten im Moment einen Viergeschosser in Wien. Dabei kommt ein modulares Bausystem zur Anwendung. Die Stützen haben vom Erdgeschoss bis zum Dachgeschoss idente Querschnittsabmessungen. Wir profitieren im untersten Geschoss vom Einsatz hochfester Holzwerkstoffe und können so die Abmessungen insgesamt minimieren.

Karin Tschavgova: Sind für den Tragwerksplaner im Holzgeschossbau klassische architektonische Themen wie die Materialminimierung also relevant?

Konrad Merz: Materialminimierung ist für den Ingenieur immer ein Thema, nicht nur aus Kostengründen oder aus formalen Überlegungen, sondern auch im Hinblick auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen. Aus n diesem Grund gilt für die Arbeit des Ingenieurs nach wie vor: „In die Konstruktion soll Intelligenz rein und Material raus.“

Karin Tschavgova: Bleibt mit Holz als Tragsystem für immer höhere Geschossbauten Gestaltungsvielfalt gewährleistet oder anders gesagt: schränkt die Notwendigkeit von konstruktiver Vereinfachung nicht die heute nahezu unbegrenzten Möglichkeiten architektonischer Formen ein?

Konrad Merz:
So viele Holzhochhäuser werden in nächster Zeit nicht gebaut werden, dass sie einen entscheidenden Einfluss auf die architektonische Landschaft haben, und die gebauten könnten Abwechslung und Bereicherung sein. Plastische Ausformung müsste man mit entsprechendem Aufwand erkaufen, weil eben im Holzbau und nicht nur dort das Prinzip gilt, dass Lasten möglichst direkt und in der Vertikalen von oben nach unten zu bringen sind.

zuschnitt, Sa., 2009.03.21



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zuschnitt 33 Holz stapelt hoch

15. September 2003Konrad Merz
zuschnitt

Verbindungstechnik mit selbstbohrenden Stabdübeln an den Trägern der Schulsporthalle Hauptschule Rieden - Vorkloster

Die neue Sporthalle mit ihrem Nebentrakt ergänzt das aus den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts stammende Ensemble der Schulanlage Rieden - Vorkloster von Architekt Ernst Hiesmayr. Der westseitige Gebäudeflügel mit einer alten Turnhalle wurde abgetragen. Damit die Charakteristik des Schulgebäudes erhalten bleibt, bildet ein neuer, zweigeschoßiger Baukörper den westlichen Hofabschluss. Die neue Turnhalle wird dem zweigeteilten Schulhof eingeschrieben. Der eine Hofteil wird auf das Untergeschoßniveau abgesenkt und mit einer Tragstruktur überdacht, der andere bleibt Außenraum.

Die neue Sporthalle mit ihrem Nebentrakt ergänzt das aus den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts stammende Ensemble der Schulanlage Rieden - Vorkloster von Architekt Ernst Hiesmayr. Der westseitige Gebäudeflügel mit einer alten Turnhalle wurde abgetragen. Damit die Charakteristik des Schulgebäudes erhalten bleibt, bildet ein neuer, zweigeschoßiger Baukörper den westlichen Hofabschluss. Die neue Turnhalle wird dem zweigeteilten Schulhof eingeschrieben. Der eine Hofteil wird auf das Untergeschoßniveau abgesenkt und mit einer Tragstruktur überdacht, der andere bleibt Außenraum.

Konstruktion
Die Sporthalle wird von schlanken, geschoßhohen Kastenträgern aus Holz überspannt und ist größtenteils mit Glas eingedeckt. Die Träger sind aus einem Gerippe aus Brettschichtholz, gebildet aus Obergurt, Untergurt und vertikalen Pfosten aufgebaut, das mit beidseitig aufgeleimten Dreischichtplatten (Lärche) beplankt ist. Die Kastenträger sind 45 m lang und vier Meter hoch. Bauteile mit solchen Abmessungen sind bekanntlich nur schwer als Ganzes auf der Straße transportierbar. Dem gegenüber steht das Bestreben nach einer möglichst weitgehenden Vorfertigung im Werk, um den Anforderungen an Produktivität, Qualitätskontrolle und Montagezeit gerecht zu werden.

Unter Berücksichtigung dieser Punkte, aber auch aus statischen Überlegungen und nicht zuletzt solchen, die einen rationellen Einsatz der Hebezeuge betreffen, ist die Haupttragkonstruktion aus drei werkseitig vorgefertigten Teilen, mit den Längen 12,5 / 20 / 12,5 m gefertigt. Für den Zusammenbau auf der Baustelle galt es, eine Verbindung zu wählen, die unterschiedlichsten Anforderungen gerecht wird.

Bedingungen

- Am Stoß der Einzelteile tritt ein Moment von ungefähr 3500 kNm und eine Querkraft von 170 kN auf. Das Moment entspricht einer Last von 10 Tonnen an einem Kragarm von 35 m Länge.
- Der Kraftfluss soll auf der Baustelle nur mit wenigen Schrauben geschlossen werden können, was am einfachsten mit einer Stahl / Stahl-Verbindung zu lösen ist. Das bedeutet, die Kräfte aus den zu fügenden Holzteilen müssen zuerst in Stahlteile eingeleitet werden. Dazu wurden im Werk geeignete Stahlteile in die Holzquerschnitte eingebaut.
- Der Anschluss sollte auch formalen Überlegungen gerecht werden, die Montagestöße am fertigen Bauwerk möglichst unauffällig in Erscheinung treten.
- Es wurde eine Verbindung mit einem hohen Ausnutzungsgrad angestrebt, damit die an einem ungestoßenen Binder ermittelten Balkenabmessungen infolge der Montageverbindung nicht zu stark vergrößert werden müssen.

Es soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass Knotenpunkte vielfach die schwächsten Glieder in einer Tragkonstruktion aus Holz darstellen. Die anschließenden Stäbe werden zur Übertragung der Kräfte meistens erheblich geschwächt, sei es durch Bohrungen, Schlitze oder andere Ausnehmungen. Dies im Gegensatz etwa zu geschweißten Verbindungen im Stahlbau, wo es möglich ist, die Tragfähigkeit der zu verbindenden Stäbe auch im Knotenbereich zu erreichen. Die Reduktion der Tragfähigkeit im Anschlusspunkt ist abhängig von der Art des Verbindungsmittels und der Knotengeometrie. Sie beträgt zwischen 10 und 60%. Mit anderen Worten, ein Holzbalken erreicht im Knotenpunkt nur 40 - 90 Prozent seiner Tragfähigkeit. Geleimte Verbindungen schneiden in der Regel besser ab als Anschlüsse mit Nägeln, Dübel oder Schrauben, sind aber ungleich schwieriger auszuführen.

Lösungsansatz
Die ausgeführte Lösung erfüllt die skizzierten Anforderungen weitgehend. Das Anschlussmoment, im Stoßbereich in eine Zug- und eine Druckkraft aufgeteilt, wird durch vier fast identische Stahlteile übertragen. Der hier abgebildete Zugstoß unterscheidet sich vom Druckstoß nur durch die Art der Kraftübertragung vom Holz in den Stahlteil. Beim Zugstoß wird die Kraft mit Hilfe von selbstbohrenden Stabdübeln mit 7mm Durchmesser in den Stahlteil eingetragen, beim Druckstoß über Kontaktpressung. Mit dieser Art der Verbindung kann ein Ausnutzungsgrad von ungefähr 65% der anschließenden Stäbe erreicht werden. Durch die »Vielschnittigkeit« kann der gesamte zu verbindende Querschnitt aktiviert werden. Die Dübel werden mit kleinen Abständen versetzt, was die Anschlussfläche und damit die Größe der Stahlzeile reduziert. Durch das gleichzeitige Bohren von Holz und Stahl ist eine größtmögliche Passgenauigkeit gewährleistet. Differenzen im Lochbild von Stahl- und Holzteilen, wie sie bei der Verwendung von normalen Stabdübeln auftreten können, hervorgerufen durch Ungenauigkeiten in der Arbeitsvorbereitung, »Verlaufen« des Bohrers bei der Herstellung der Löcher, Quellen und Schwinden der Holzeile zwischen Produktion und Montage oder Verziehen der Stahlteile beim Verzinken, gibt es nicht. Die hohe Passgenauigkeit wirkt sich auch positiv auf das Verformungsverhalten aus. Die Herstellung der Verbindung im Werk ist vergleichsweise einfach und erfordert keine speziellen Kenntnisse.Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass die Querkraft im hier behandelten Knoten mit seitlich aufgenagelten Lochblechen aus Flachstahl übertragen wird. Für die Unterbringung aller während der Montage zugänglichen Stahlteile ist die Beplankung um 25 Zentimeter ausgespart und wird nachträglich ergänzt, womit auch der geforderten Brandwiderstandsdauer von 30 Minuten Rechnung getragen wird.

zuschnitt, Mo., 2003.09.15



verknüpfte Bauwerke
Schulsporthalle Rieden Vorkloster



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zuschnitt 11 Rein ins Holz - Schraube oder Nagel

Profil

1984 Diplom als Bauingenieur
1995 Diplom als Wirtschaftsingenieur
1984 – 1986 Projektleiter bei einem Brettschichtholzhersteller
1986 – 1990 Assistent ETH Lausanne, Lehrstuhl für Holzkonstruktionen,
1990 – 1993 Senior Structural Engineer, MacMillan Bloedel Research, Vancouver, Kanada
1993 – Gründer, Partner merz kley partner

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
BSA Bund Schweizer Architekten

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