Pläne

Details

Adresse
Salgenreute 116, 6942 Krumbach, Österreich
Mitarbeit Architektur
Joachim Ambrosig (PL), Andreas Rosian, Jomo Zeil
Bauherrschaft
Gemeinde Krumbach
Mitarbeit Bauherrschaft
Gemeinde Krumbach, Bewohner der Parzellen Au, Zwing und Salgenreute
Fotografie
Adolf Bereuter
Maßnahme
Erweiterung
Funktion
Sakralbauten
Planung
10/2014 - 03/2015
Ausführung
03/2015 - 04/2016
Nutzfläche
40 m²
Bebaute Fläche
45 m²
Umbauter Raum
340 m³

Nachhaltigkeit

Projekt einer baukulturell regen Gemeinde, geprägt von großem ehrenamtlichen Engagement der Bürger und Handwerker.

Heizwärmebedarf
0,0 kWh/m²a (PHPP)
Materialwahl
Holzbau

Ausführende Firmen

Bäuerinnen, Chor Pro Musica, Musikverein, Offroader, Pfarre, Gemeinde, Eberle Metall| Hittisau, EHG Stahl Metall | Dornbirn, Erhart Holz | Sonntag, Feuerstein DER Bau | Andelsbuch, Fink Spenglerei | Krumbach, Hirschbühl Holzbau | Riefensberg, KLH Holz | Steiermark, Lässer Schnideln | Lingenau, Marte Glas | Bregenz, Nenning Tischlerei | Krumbach, Peter Kran | Schwarzenberg, Raid Gartenbau | Krumbach, Raid Malerei | Krumbach, Raiffeisenbank Vorderbregenzerwald, Schwarzachtobler Sandstein | Wolfurt, Steurer Holzigmöbel | Krumbach, Steurer Kieswerk | Riefensberg, Aicher Florian, Albrecht Hermann, Ambrosig Joachim, Bader Bernardo, Bader Michaela, Baschnegger Hansjörg, Bereuter Adolf, Berthold Leo, Bilgeri Markus, Blank David, Blank Margit/Mathias, Blattmann Ida/Alfi, Broger Frank, Brunn Elmar, Büsel Rosmarie, Düringer Helma/Helmut, Eberle Erna, Eberle Günther, Eberle Josef, Erhart Joachim, Faigl Bernhard, Faißt Markus, Feuerstein Hubert, Feuerstein Thomas , Feurle Susanne/Markus , Fink Bernhard , Fink Elisabeth , Fink Hugo, Fink Johannes, Fink Kurt, Fink Maria/Albert, Fink Markus, Fink Raimund, Fink Roman, Flatz Andrea/Anton, Fritz Niklas, Galehr Hedwig, Geiger Burkhard, Girardi Stefan, Hammerer Othmar, Hantsche Carmen, Hirschbühl Anton, Hirschbühl Arnold, Hirschbühl Dorlies, Hirschbühl Marlies/Jürgen, Hirschbühl Petra/Roland, Hirschbühl Stephan, Hopfner Ingrid/Edi, Kümmerle Katharina, Künz Wilfried, Lässer Peter, Mennel Sissi/Anton, Mennel Elmar, Mennel Edith/Hans, Mennel Joachim, Merz Konrad, Metzler Hans Peter, Meusburger Elfi, Moufflet Charlotte, Natter Walter, Nenning Martin, Niederacher Rainer, Nußbaumer Marlene, Österle Martin, Peter Georg, Raid Rosmarie/Ambros, Raid Anton, Raid Christian, Raid Claudia, Raid Gabi, Raid Josef, Raid Jürgen, Raid Marianne, Raid Reinhard, Raid Wolfgang, Riedl Klaus, Ritter Martin, Rosian Andreas, Rubner Ida/Karl, Sagmeister Rudolf, Schwärzler Anni/Wolfgang, Steurer Alexander, Steurer Hermann, Steurer Markus, Steurer Marlies, Steurer Luise/Theo, Steurer Walter, Strahammer Gabi/Herbert, Sutter Regina, Trummer Thomas D., Tschofen Alexandra, Türtscher Manuela, Wetz Arthur, Wiedemann Helmut, Wiethege Katrin, Wieser Gertrud, Willam Erwin, Willam Leutfried, Winder Martha, Zeil Jomo

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Buch:
Kapelle Salgenreute – bernardo bader architekten
Format: 18 x 23 cm. 80 Seiten, ca. 60 farbige Abb.
Gestaltung: Frank Boger
Fotografie: Adolf Bereuter
Texte: Florian Aicher
Preis: 24,80 Euro (zzgl.Versand)

Erschienen als Edition des Kunsthaus Bregenz im Verlag Walter König ISBN 9-783-960-980-742
Erhältlich bei der Gemeinde Krumbach unter gemeinde@krumbach.at

Leben & Wohnen, Vorarlberger Nachrichten, 22.10.2016 (Florian Aicher: Jenseits des Alltäglichen)

In nextroom dokumentiert:
Best of Austria, Architektur 2016_17, Hrsg. Architekturzentrum Wien, Park Books, Zürich 2018.
db deutsche bauzeitung, Rückzugsorte, Konradin Medien GmbH, Leinfelden-Echterdingen 2017.

Archfoto

Genereller introtext zu Archfoto der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

01. September 2017Roland Pawlitschko
db

Eins mit Ort und Menschen

(SUBTITLE) Kapelle Salgenreute in Krumbach (A)

Die rund 1 000 Einwohner zählende Gemeinde Krumbach liegt 15 km östlich von Bregenz im Bregenzerwald und hat mit Arnold Hirschbühl einen Bürgermeister,...

Die rund 1 000 Einwohner zählende Gemeinde Krumbach liegt 15 km östlich von Bregenz im Bregenzerwald und hat mit Arnold Hirschbühl einen Bürgermeister,...

Die rund 1 000 Einwohner zählende Gemeinde Krumbach liegt 15 km östlich von Bregenz im Bregenzerwald und hat mit Arnold Hirschbühl einen Bürgermeister, der seit gut 20 Jahren aktiv daran arbeitet, jener Abwanderung junger Menschen entgegenzuwirken, die vielen Dörfern die Existenzgrundlage entzieht. So entstanden rund um die Kirche z. B. ein neues Dorfhaus mit Nahversorgern, Café und Bank (1999), die Modernisierung des Gemeindehauses (2002) und ein neues Pfarrhaus mit Bibliothek und Mehrzwecksaal (2013) – allesamt nach Plänen des Architekten Hermann Kaufmann, letzteres in einer Arbeitsgemeinschaft mit Bernardo Bader und Bechter Zaffignani Architekten. Diese und noch einige andere Projekte treten dabei nicht als isolierte Einzelprojekte auf, sondern bilden ein bemerkenswertes architektonisches und funktionales Ensemble, das auf einer umfassenden, von Bernardo Bader, Rene Bechter und Hermann Kaufmann durchgeführten Ortskernstudie basiert.

Große Aufmerksamkeit erhielt Krumbach auch durch das Bus:Stop-Projekt, bei dem im Jahr 2014 sieben internationale Architekten – darunter Sou Fujimoto, Ensamble Studio und der Pritzker-Preisträger Wang Shu – jeweils ein Bushaltestellen-Häuschen planten. Das wirklich Besondere dabei sind keineswegs die ausgefallenen Bauwerke selbst, sondern vielmehr der Rahmen, in dem sie realisiert wurden. Weil es zur Umsetzung der vom Verein »Kultur Krumbach« an die Gemeinde herangetragenen Idee der Zusammenarbeit mit namhaften Architekten nur so viel Geld gab wie für die ohnehin nötigen ­Standard-Häuschen, erhielten die Architekten kein Honorar, sondern je eine Woche Urlaub in der Gegend. Darüber hinaus wurden die Projekte ehren­amtlich betreut und von regionalen Architekten und lokalen Handwerkern z. T. aus gespendetem Material gebaut.

Gemeinschaftswerk

Diese Vorgeschichte ist wichtig, um das Projekt der Lourdes-Kapelle Salgenreute besser einordnen zu können. Denn ursprünglich errichtet wurde sie nicht etwa von der Gemeinde oder der Kirche, sondern auf Eigeninitiative ­einer ortsansässigen Familie. Sie hatte um 1880 auf einem Nagelfluh-Berg­rücken eine Holzkapelle gebaut, die von Einwohnern der umliegenden Ortsteile Zwing, Au und Salgenreute genutzt wurde: zur stillen Einkehr, für Maiandachten und Marienfeste, als Wetterglocke und um insbesondere im Winter nicht mehr zur einige Kilometer entfernten Dorfkirche gehen zu müssen. Nachdem die nicht denkmalgeschützte Kapelle im Lauf der Zeit marode geworden war, entschieden sich die Bewohner 2014 für einen Abriss und Ersatzneubau – ohne zu diesem Zeitpunkt genau zu überblicken, was im Folgenden zu tun war. Um in Krumbach an einem solchen Punkt weiterzukommen, ­bedurfte es freilich keiner öffentlichen Bekanntmachung. Nicht zuletzt, weil die Dorfgemeinschaft dank der vorherigen Projekte gut funktionierte, fanden sich schnell kompetente Helfer. Einer von ihnen war Bernardo Bader, der hier nicht nur aufgewachsen ist, sondern auch lebt. Dass er das Projekt gern in Form einer unentgeltlichen Projektplanung und -koordination unterstützen würde, war ihm sofort klar.

Nach gemeinsamen Exkursionen zu vergleich­baren Projekten und zahlreichen, quasi öffentlichen Besprechungen im Gasthaus Löwen, begann Bader mit der Arbeit – einen Vertrag, eine konkrete Beschreibung der Bauaufgabe oder ein definiertes Budget erhielt er bis zum Schluss nicht. Die einzigen Entwurfsvorgaben betrafen den Standort: die ­Kapelle sollte, wie zuvor, über 24 Sitzplätze verfügen, sie musste aufgrund der exponierten Lage auf dem Bergrücken sowohl gleich breit und in etwa gleich lang als auch möglichst nicht höher als der Vorgängerbau sein. Die daraufhin präsentierten Modellstudien fanden rasch breite Zustimmung und zeigten im Prinzip das heutige Projekt: ein monolithisch wirkendes Gebäude mit steilem Dach und vollflächiger, von einer Tropfkante in Traufhöhe gegliederten Holzschindelbekleidung.

Ortsverbundenheit

Von einer schmalen Straße führt kein richtiger Weg, sondern ein breiter, mit dichtem Gras bewachsener Trampelpfad aus verdichtetem Kies in weitem Schwung zur Kapelle hin. Eine solche Lösung war einerseits nötig, weil die Kapelle nur über eine private Wiese erreichbar ist, deren Bewirtschaftung nicht durch asphaltierte Flächen, Bordsteine o. ä. beeinträchtigt werden ­durfte. Andererseits zeugt dieser Fußweg auch von der sensiblen Einbettung der Kapelle in die örtlichen Gegebenheiten: sie wird in mehrfachem Wortsinn nicht auf einen Sockel gehoben, sondern ist selbstverständlicher Teil ihres landschaftlichen und sozialen Umfelds.

Ein niedriger, offener Vorraum mit einer festlichen Tür aus gehämmerten Messingstreifen empfängt die Besucher und bremst ihren Bewegungsfluss sanft ab – über dem Vorraum befindet sich, in einem geschlossenen Hohlraum, die Glocke. Sollte die Tür für Menschen, die hier innehalten möchten, je verschlossen sein, erlauben zwei große, seit­liche Fest­verglasungen zumindest den Blick ins schlichte Innere der Kapelle.

Der dem äußeren Gebäudevolumen entsprechende Innenraum ist zweigeteilt. Im vorderen Bereich mit den Tannenholz-Bänken bestehen die unmittelbar in die geneigten Dachflächen übergehenden Wände und die zwölf grazilen Spanten – ebenso wie der Boden – aus unbehandelter Tanne. Anders als diese auf traditionelle bäuerliche Stuben bezugnehmende Materialität erscheint die dreiecksförmige, um eine Stufe erhöhte Apsis als eine Art Schmuckkästchen in weiß getünchter Tannenholztäfelung. Der Raum wirkt sehr natürlich, was nicht nur an seinen Holzoberflächen, sondern v. a. auch an seiner archaischen Form liegt. So verengt sich die Apsis trichterförmig nach Osten hin bis zu ­einer mittig angeordneten, rahmenlos verglasten Öffnung, die den Blick auf eine nahe Baumgruppe, sowie auf die Felder, Wälder und Wiesen des Bregenzerwalds freigibt. Die stille Symmetrie des Raums wird von der asymmetrischen Platzierung des Altarblocks, der Kerzenständer und der aus der alten Kapelle stammenden Marienfigur – deren blaue Schärpe den einzigen Farbakzent im Innenraum bildet – überlagert: Im Raum ergibt sich eine unaufgeregte Spannung, die der durchweg feinsinnig ­detaillierten Komposition mit denkbar wenigen Mitteln ein hohes Maß sakraler Würde verleiht. Über einem Betonsockel, bekleidet mit Bregenzerwälder Sandstein, ist die Kapelle konstruktiv als Holz-Faltwerk aus 6 cm dicken Fichten-Kreuzlagenholzplatten (mit innerer Tannenholz-Deckschicht) konzipiert, das durch die polygonale Dachform ausgesteift wird. Die Spanten minimieren hierbei lediglich die Durchbiegung der Massivholzwände. Eine offene Fuge zwischen Sockel und Holzaufbau ermöglicht eine natürliche Luftzirkulation sowohl im unbeheizten Innenraum als auch im Bereich der gesamten Holzkonstruktion und verhindert so in der kalten Jahreszeit die Kondensatbildung.

Handeln statt reden

Der Bau der Kapelle erfolgte v. a. mithilfe von Geld- und Materialspenden ­sowie durch verbilligt bzw. kostenlos erbrachte Arbeitsleistungen. Sowohl der Abbruch der alten Kapelle als auch der Neubau erfolgten weitgehend in ­Eigenregie, wobei sich Menschen aus Krumbach, aber auch aus umliegenden Gemeinden, entsprechend ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten einbrachten: Schreiner, Metallbauer, Holzschindelhersteller, aber auch die Restauratorin der Marienfigur sowie eine Bank, die ein zinsloses Darlehen ermöglichte.

Durch das von Anfang an zelebrierte Miteinander entwickelte sich die Kapelle zu einer identitätsstiftenden öffentlichen Angelegenheit. Und so war es geradezu selbstverständlich, dort bereits während der Bauphase gemeinschaftsfördernde Veranstaltungen durchzuführen.

Insgesamt betrugen die Baukosten für die Kapelle knapp 100.000 Euro, von denen lediglich ein Fünftel von der Gemeinde beigesteuert wurde. Ein kleiner Teil der heute noch offenen Rechnungen wird durch den Erlös aus dem Verkauf eines von Bernardo Bader herausgegebenen, ebenso informativen wie ­ästhetischen Buchs (sowohl im Gemeindeamt als auch in der Kapelle erhältlich) beglichen. In der Kapelle ist hierfür ein kleiner Opferstock aufgestellt und die Chancen stehen gut, dass auch der Restbetrag in nicht allzu ferner Zukunft abbezahlt sein wird.

Was die Kapelle Salgenreute neben ihrer archaischen Ausstrahlung so faszinierend macht, ist ihre raumgewordene Haltung, die für etwas steht, was ­heute mehr denn je wünschenswert ist: das vertrauensvolle gemeinsame ­Handeln anstelle des ebenso end- wie ergebnislosen Redens.



verknüpfte Zeitschriften
db 2017|09 Rückzugsorte

29. April 2017Karin Tschavgova
Spectrum

Adelung auf dem Berg

(SUBTITLE) Die Kapelle von Krumbach

Ein Raum über einfachem Grundriss, eine kleine Bauaufgabe – und doch eindrucksvoll: die Kapelle Salgenreute in Krumbach, Vorarlberg. Verantwortet von Bernardo Bader.

Ein Raum über einfachem Grundriss, eine kleine Bauaufgabe – und doch eindrucksvoll: die Kapelle Salgenreute in Krumbach, Vorarlberg. Verantwortet von Bernardo Bader.

Le Corbusier erdachte eine, die zur Weltarchitektur zählt, und derPritzker-Preisträger Peter Zumthor ihrer gleich zwei: Kapellen als Andachtsräume sind, ungeachtet ihrer geringen Größe und oft nur symbolischen Honorierung, eine geschätzte Bauaufgabe der Architekten. Solche kleinen Andachtsräume – egal, ob zum Totengedenken,als Pilgerstätte, auf dem Berg – adeln jedes Architekten Werk.

Bei der Planung von Kapellen unterliegt der Architekt kaum Zwängen und Normen. Kapellen sind keiner Beschränkung zur strengen, reinen Funktionalität und weder ökonomischen Zwecken noch Gewinnstreben unterworfen. Ihre Funktion beschränkt sich auf Weniges, aber Elementares. Andachtsräume sollen Orte sein, die Besinnung und innere Einkehr ermöglichen. Will man als Kirchengemeinde oder privater Stifter heute eine Kapelle bauen lassen, so sind meist nur geringe oder gar keine Geldmittel vorhanden. Die Bauaufgabe verlangt dem Architekten also die Fähigkeit zur Beschränkung ab – von Größe, Baukosten, aber auch von überbordendem Gestaltungswillen und Selbstdarstellung. Der Planer muss „einfach“arbeiten. Die Chance zum Gelingen? Es gibt eine scheinbar elementare Sehnsucht vieler Menschen nach Einfachheit in unserer an Überfluss und visueller Überflutung orientierten Zeit. Zugleich erwartet man von Sakralbauten, dass sie spirituelle, atmosphärisch aufgeladene Orte sind. Genau darin liegt die Herausforderung.

Das Einfache, das nicht anspruchslos, gewöhnlich und dürftig ist, kann nur das Resultat eines Prozesses sein, von allem nicht zu viel und nicht zu wenig. Das beginnt mit der Positionierung des Baukörpers in der Landschaft, geht weiter in der Wahl von Proportion und Größe. Es ist die Suche nach dem richtigen Lichteinfall, die Auswahl von Materialien und die Ausbildung und Ausarbeitung von Details. Andachtsräume wie die Bruder-Klaus-Kapelle von Peter Zumthor in Wachendorf in der Eifel, die in den erst zehn Jahren ihres Bestehens zu einem Pilgerort wurde, sind in ihrer fast schon archaischen Einfachheit komplex. Sie zeugen von hoher handwerklicher und technischer Kunstfertigkeit.

Naheliegend, dass sich in Vorarlberg eineReihe von kleinen modernen Sakralbauten finden lässt, die besondere sind. Eine davon ist die Kapelle Salgenreute in Krumbach. Bernardo Bader, der in dieser Gemeinde seine Kindheit verbracht hat und die Landschaft des Moores und des Hügelrückens aus Nagelfluh, auf dem sie steht, wie seine Westentasche kennt, hat sie geplant. Schon seit ungefähr 1880 stand an ihrer Stelle eine kleine Lourdeskapelle. Sie ist der Ausgangspunkt einer Erzählung von Möglichkeitsräumen und ihrer Umsetzung durch viele, die ihr Können und ihre Kraft einsetzen wollten. Es ist eine Geschichte des Gelingens, die uns zeigt, was entstehen kann, wenn in einer Gemeinschaft alle an einem Strang ziehen, abseits von Parteienzugehörigkeit und fern von nachbarlicher Missgunst oder Standesdünkeln. Mag sein, dass die besondere Bauaufgabe die Tradition und Kultur des Miteinanders belebt hat, mag sein, dass es für die Krumbacher selbstverständlich ist, Herausforderungen gemeinsam zu meistern,seit unter Bürgermeister Arnold Hirschbühl die Aufgaben in der Gemeinde nach Kompetenz und Engagement und nicht nach Parteistärke verteilt werden.

Jedenfalls war die alte Kapelle so sanierungsbedürftig, dass sich die Gruppe aus interessierten Nachbarn und Ortsbewohnern, die sie ursprünglich erhalten wollte, entschloss, sie doch abzureißen und an derselben Stelle neu aufzubauen. Mit Exkursionen und diskursiven Gesprächen vertiefte man sich in das Thema des Neubaus, selbst nachdem Bernardo Bader sich bereit erklärt hatte, unentgeltlich einen Entwurf vorzulegen. Die Arbeit blieb eine gemeinschaftliche, vom Abbruch bis zur Einweihung des neuen Hauses im Sommer 2016. Für einfachere Arbeiten stellten sich in einem großen Maß ehrenamtliche Mitarbeiter zur Verfügung. Die anspruchsvolle Facharbeit der Zimmerer, Tischler, Maler und der Restauratorin der historischen Marienstatue wurde zu Sonderkonditionen angeboten, und Spenden und eine kleine finanzielle Beteiligung der Gemeinde ließen den Wunsch zur Wirklichkeit werden.

Ohne Turm steht die Kapelle nun auf einem schmalen Plateau, gerahmt im Hintergrund durch eine Reihe von Bäumen. Ihr hoch aufragendes, steiles Dach charakterisiert die Form der Kapelle, die monolithisch wirkt, weil Dach und Wandflächen mit einem Material, Lärchenschindeln, bekleidet sind. Eine Steinstufe führt vom Wiesensaum hoch. Ein nicht alltägliches Bauwerk hat traditionell ein Fundament, auch wenn es in der offenen Landschaft steht. Der langsamen Annäherung über den Pfad entsprichtein offener Vorbereich unter dem Dach, das Westwerk. Auch das schwere zweiflügelige Portal aus Holz, das außen mit Messing in schöner Handarbeit beschlagen ist, verlangsamt die Annäherung. Innere Sammlungbraucht Zeit.

Betritt man die Kapelle, fällt der Blick zuerst auf eine homogen wirkende Raumschaleaus Holz, in der sich hoch aufstrebende Sparren zart abzeichnen und die Wände rhythmisieren. Boden, Wand und die steile Dachuntersicht aus unbehandelter Tanne bilden ein Ganzes, das mit aussteifenden Scheiben so konstruiert wurde, dass weder Zugbänder noch Rahmengurte notwendig wurden. Harte, einfach geformte Bänke aus Tanne strukturieren den Raum unaufdringlich. Bequem muss es nicht sein. Traditionelle Elemente werden beibehalten, jedoch eigenständig und zeitgemäß interpretiert in Material und Ausführung.

Der Altarraum verengt sich schräg zu einem wandhoch verglasten, rahmenlosen Ausblick in die Landschaft. Das lässt ihn länger erscheinen. Als „heiliger Raum“ wird er durch eine niedrige Stufe abgesetzt. Ein Anstrich mit weißer Kalkfarbe vereinheitlicht Wand und Boden. Der Ambo als ebenso weißer Block, ein Kerzenständer und die aus der Mitte gerückte Madonna auf einem zarten Wandbrett sind alles an Ausschmückung. Raum kann bewusst wahrgenommen werden, sich nach und nach zum Ganzen formen und so zu Ruhe und Andacht führen.

Es zeigt sich, dass auch in der Beschränkung unter glückhaften Umständen Baukunst entstehen kann. Was für alle Beteiligten wohl mehr zählt, ist, erlebt zu haben, dass in einer guten Gemeinschaft die Kraft steckt, schier Unmögliches wahr werden zu lassen. Es ist gebaut auf festem Grund.

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