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30. Mai 2010ARCH+ Verlag GmbH
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Smart Price Houses

Unter „Smart Price“ werden Strategien für ein kostengünstiges Bauen verstanden. Sie setzen die Vorteile von Produktionstechniken wie Fertigbau, Systembau,...

Unter „Smart Price“ werden Strategien für ein kostengünstiges Bauen verstanden. Sie setzen die Vorteile von Produktionstechniken wie Fertigbau, Systembau,...

Unter „Smart Price“ werden Strategien für ein kostengünstiges Bauen verstanden. Sie setzen die Vorteile von Produktionstechniken wie Fertigbau, Systembau, Vorfertigung, Automatisation und Mass Customization oder von alternativen Bau- und Finanzierungsstrategien wie Selbstbau und Baugruppen intelligent ein, um eine preisgünstige innerstädtische Stadthaustypologie zu entwickeln, die es auch mittleren und unteren Einkommensschichten ermöglicht, sich innerstädtischen Wohnraum als Eigentum oder zur Miete zu leisten. Der folgende Text umreißt thesenhaft die Ziele eines „Smart Price“ und entwirft in diesem Zusammenhang ein neues Raumkonzept.

Was ist ein „Smart Price“?

Die Strategie des Smart Price zielt darauf ab, bei aller finanziellen Ersparnis eine ästhetisch anspruchsvolle und zeitgemäße Architektur zu schaffen. Unter zeitgemäß wird dabei nicht nur die architektonische Ausdrucksweise der Bauten verstanden, sondern auch ihre Reaktion auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen der Ökologie, Nachhaltigkeit, Energie- und Ressourcenschonung sowie Veränderung sozialer Muster des Zusammenlebens.
Die IBA Hamburg greift mit ihrem Wettbewerb „Smart Price House“ diese Thematik auf und fragt nach den planerischen und architektonischen, produktionstechnischen und baukonstruktiven sowie ökonomischen und sozialen Strategien für kostengünstiges Bauen in der Stadt.

Case Study Houses

Im Rahmen eines internationalen Fachworkshop, den die IBA Hamburg in Kooperation mit ARCH im Sommer 2009 durchführte, haben führende Experten aus Architekur, Städtebau, Forschung, Bauwirtschaft und Bauindustrie die Möglichkeiten kostengünstigen Bauens erörtert und zukunftsfähige Perspektiven aufgezeigt. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden für die anschließenden Grundstücksausschreibungen mit eingebetteten Wettbewerbsverfahren zur Realisierung des Modellvorhabens zwölf interdisziplinäre Teams aus einer großen Anzahl von Bewerbungen ausgewählt, die sich zum Teil auf sehr unterschiedliche Weise der Thematik des kostengünstigen Bauens annähern. Nach einer Entwurfsphase hat das Auswahlgremium im März 2010 sechs der abgegebenen Arbeiten für innovativ und realisierungswürdig befunden. Den ersten Rang belegten die Arbeiten von Adjaye Associates (London), Fusi & Ammann Architekten (Hamburg) sowie des Berliner Instituts für urbanen Holzbau (IfuH). Adjaye Associates und IfuH machen sich die „Modellierbarkeit“ und Flexibilität einer Massivholzbauweise zu Nutze und bedienen mit individuell zusammenschaltbaren Modulen und Grundrissoptionen eine breite Nutzerschicht. Fusi & Ammann entwerfen für den Fertighaushersteller Schwörer Haus KG ein Stadthaus mit Loftwohnungen, das ebenfalls auf einem modularen System – hier aus industriell vorgefertigten Elementen – basiert. Den experimentellen Ansatz des Kölner Büros BeL Sozietät für Architektur und des Linzer Büros x architekten würdigte die Jury mit einem Sonderrang. Beide Projekte basieren auf partizipativen Ansätzen und dem Selbstbaugedanken und ermöglichen zukünftigen Nutzern, das Gebäude sukzessive zu bebauen und nach ihren Bedürfnissen zu modifizieren. Beide Projekte konkurrieren um die mögliche Realisierung auf einem der Baufelder. Nach einer Überarbeitungsphase soll eines der beiden Projekte ebenfalls zur Realisierung empfohlen werden. Als Nachrücker wurde der Entwurf des Berliner Büros Kaden & Klingbeil ausgewählt, der einen modularisierten Holzskelettbau konzipiert, der Kostenersparnis durch einen hohen Anteil an Eigenleistung ermöglicht.

Strategien für kostengünstiges Bauen

Bei der Frage nach den Bedingungen und Perspektiven des Wohnens und Lebens, die Aspekte der Nachhaltigkeit und der Kosteneinsparung berücksichtigen, lassen sich zwei oftmals gegensätzliche Tendenzen ablesen:

a) Suffizienz:
Lebensstile werden grundsätzlich überdacht und verändert bzw. neue Verhaltensweisen erprobt und praktiziert. Dies kann einhergehen mit der Forderung, überkommene Standards zugunsten nachhaltiger Handlungsmuster aufzugeben.

Die Ansprüche an raumklimatische Bedingungen in Mitteleuropa sind in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Die meisten Nutzer fordern eine über das ganze Jahr gleichbleibende Temperatur von 22 bis 27 Grad Celsius in allen Räumen, was in Anbetracht der ebenfalls gestiegenen Flächenansprüche die Energiekosten entscheidend in die Höhe treibt. Im Vergleich dazu war es früher üblich, nur einen Aufenthaltsraum auf einer bestimmten Temperatur zu halten – in den Mittelmeerländern ist es noch heute so. Daher muss beim Thema kostengünstiges Bauen auch die Frage diskutiert werden, inwieweit unsere heutigen Komfort-Ansprüche überzogen sind. Die Bereitschaft der Nutzer, auf den einmal gewonnenen Komfort zu verzichten, ist jedoch gering. Interessanterweise beschäftigt sich Philippe Rahm im Rahmen des Modellvorhabens „Smart Material Houses“ mit genau diesem Thema und leitet daraus ein neues Architekturkonzept ab (siehe dazu den Beitrag zu den Smart Material Houses).

b) Effizienz:
Bei gesteigerter Energie-, Material- und Kosteneffizienz soll der gewohnte Lebensstandard beibehalten oder sogar erhöht werden können. Dies fordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem aktuellen Stand der Technik.

Ein wiederkehrendes Beispiel für Energie-, Material- und Kosteneffizienz stellt die Anwendung von Holzmassivbau dar. In allen vier Modellvorhaben der IBA war dies eine bevorzugte Bauart. Der Einsatz von Holz erzielt eine Effizienzsteigerung, da der Holzbau im direkten Vergleich zum Massivbau nicht generell teurer ist, gleichzeitig jedoch eine bessere CO2-Bilanz besitzt. Die CO2 bindende Eigenschaft von Holz wirkt sich positiv auf die Stoffzyklusbetrachtung eines Gebäudes aus.

Der Kostenaspekt darf daher nicht auf die reinen Erstellungskosten reduziert werden, sondern muss den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigen. In dem Sinne wird die Auseinandersetzung mit Rohstoffgewinnung, Produktion, Betrieb, Abbau und Recycling Teil des Entwurfskonzeptes und der Kostenbilanz. Die Zukunftsaufgabe wird darin bestehen, den eventuell dadurch entstehenden Mehraufwand soweit zu reduzieren bzw. gering zu halten, dass nachhaltiges Bauen kein Luxusgut ist und sich verbreiten kann.

Im Folgenden werden drei unterschiedliche, jedoch auch miteinander kombinierbare Strategien kostengünstigen Bauens vorgestellt. Sie geben einen exemplarischen Überblick über die derzeit virulenten Fragestellungen im Wohnhausbau und zeichnen darüber hinaus Entwicklungslinien einer intelligenten Architektur nach, die auf die gesellschaftlichen Anforderungen reagiert und kostenbewusst ist.

I. Soziale Strategien

Baugruppen/Baugemeinschaften
Partizipative Planungsstrategien, die informelles und individuelles Handeln ermöglichen, gewinnen an Bedeutung. Eine Form sind gemeinschaftliche Wohnprojekte, die mittleren und unteren Einkommensschichten Wohneigentum in der Stadt ermöglichen. Das kommunitäre Wohnen zeichnet sich durch Prinzipien der Selbst- und Mitbestimmung in Bezug auf den eigenen Wohnraum und das Wohnumfeld aus, deren Organisationsstruktur die Gruppe ist. Baugruppen und Baugemeinschaften können im Prozess der Eigentumsbildung dadurch Kosten einsparen, dass sie durch Selbstorganisation nicht die übliche Gewinne an Investoren und Projektentwickler abtreten müssen.

Die Kommunen können diesen Prozess unterstützen, indem sie eigene Grundstücke zum Verkehrswert und nicht, wie sonst üblich, zum Höchstpreis an die Bewerber veräußern. Neben der politischen Unterstützung bestimmt ein hohes zivilgesellschaftliches Engagement wesentlich den Erfolg solcher Strategien.

Derartige Wohnprojekte zeichnen sich nicht nur durch ihre sozialen Aspekte aus, sondern fördern meist auch ein ökologisches Planen, Bauen und Leben. Zudem begünstigen partizipative Strategien sowie ein umfassendes „Community Design“ auch die Realisierung wohnungsübergreifender Stadtbausteine. So tragen viele Baugruppen dazu bei, Kommunikationsräume zu schaffen, Dienstleistungen wie Kinder- und Altenpflege anzubieten und Tauschbörsen einzurichten. Dieses kommunitäre Handeln weist über die Selbstversorgungsmotive hinaus und greift in die städtische Infrastruktur ein (vgl. Günther Uhlig in ARCH 103 und ARCH 176/177). Dieser Aspekt sollte als wichtiges Merkmal einer neuen Stadthaustypologie verstanden werden, die im Gegensatz zu den investorenorientierten, solitären Townhouses ein tatsächliches städtisches Potenzial entfalten.

Das 2008 fertiggestellte Wohnhaus e3 von Kaden Klingbeil Architekten in Berlin gilt als Pilotprojekt des innerstädtischen Holzbaus (Abb. e3). Es wurde als Baugruppenprojekt entwickelt. Dadurch konnte ein hohes Maß an individueller Mitbestimmung in Fragen der Gestaltung, im Bezug auf ökologische Aspekte und die finanzielle Modellierung des Vorhabens gewährleistet werden. Durch die gemeinsame Projektentwicklung konnten Aspekte des kollektiven Wohnens revitalisiert werden. Die halb-öffentlichen Terrassen und der außenliegende Treppenhausbereich sind Beispiele für eine Integration urbaner Funktionen in und mit dem Projekt und geben dem Gebäude eine städtische Bedeutung. In Abstimmung mit Feuerwehr und Bauprüfern konnten sieben statt der baurechtlich vorgesehenen fünf Geschosse im Holzskelettbau durchgesetzt werden. Die hölzernen Bauteile sind in eine nicht brennbare „Kapselung“ aus Gips eingekleidet, um die erforderliche Brandschutzklasse F90 zu erreichen.

Das Ziel des Baugruppenprojektes ten in one der Architekten Roedig Schop in der Anklamer Straße in Berlin-Mitte war es, die individuellen Vorstellungen der zehn Bauherren in den Gestaltungsprozess einfließen zu lassen und darüber eine hohe Zufriedenheit und eine funktionierende Nachbarschaft zu erzeugen.

Partizipation wurde – nachdem bestimmte „Spielregeln“ und Termine für Entscheidungen festgelegt waren – ein wichtiges Element der Planung. Der Dachbereich wurde als offener Gemeinschaftsbereich mit einer Terrasse von über 100 qm gestaltet. Zusätzlich befindet sich hier eine Gästewohnung, die von allen Parteien mitgenutzt werden kann. Der Dachbereich nähert sich somit in seiner Funktion einem erweiterten Stadtraum an. Die individuellen Wohnformen erweisen sich als nachhaltig, weil offene und wandelbare Grundrisse die persönliche Aneignung begünstigen oder auch Zusammenlegungen von Wohnungen und damit die Anpassung an sich verändernde Bedingungen ermöglichen.

Selbstbau
Das begrenzte finanzielle Budget der Bauherren, hohe Grundstückspreise und die oftmals fehlende Flexibilität ausführender Firmen können individuelle Bauprojekte verhindern. „Selbstbau ist eine Möglichkeit“, so Peter Grundmann, „um sich diesen Zwängen zu entziehen“ und gleichzeitig den architektonischen Spielraum zu erweitern. „Es kann aber auch ein Weg sein, sich sozialen Ausgrenzungstendenzen und ästhetischen Homogenisierungen zu widersetzen.“ Dabei schränkt Grundmann ein, dass sich Selbstbau nicht auf alle Bauvorhaben oder Baugewerke anwenden lässt. Selbstbau sei vielmehr die Chance zu einem „Ausscheren aus den Gesetzen des Marktes“, um der Architektur Einzigartigkeit, Kontextualität und Performativität zurückzugeben (vgl. den Beitrag von Peter Grundmann in dieser Ausgabe).

Die Projekte Haus Weiler und Haus Neiling entsprechen diesen Vorstellungen. In einer individuellen Architektursprache realisierte Peter Grundmann hier großzügige, frei organisierte Grundrisse in einem angemessenen finanziellen Rahmen. Da der Grundstückspreis zu einem nicht unerheblichen Teil die Baukosten eines Projektes bestimmt, greift Grundmann in einem weiteren Projekt, Haus Neumann, auf eine ungewöhnliche Lage für dieses Stadthaus zurück – eine Baulücke zwischen zwei mehrgeschossigen Plattenbauten. Den Rohbau lässt der Architekt normalerweise von Fachfirmen ausführen, während er einen großen Teil des Ausbaus in Eigenleistung erbringt, wodurch sich besonders viel Geld einsparen lässt (Abb. Haus Neumann).

Thesen
- Gemeinschaftliche oder selbstbestimmte Bauprojekte bieten durch die Umgehung von Investoren, hohes Eigenengagement und soziale Integration der Planungsbeteiligten die Möglichkeit zu kostengünstigem und gleichzeitig nachhaltigem Bauen.

- Partizipative Strategien sowie ein umfassendes „Community Design“ tragen zur Realisierung wohnungsübergreifender Stadtbausteine bei. Dieses kommunitäre Handeln weist über die Selbstversorgungsmotive hinaus und greift in die städtische Infrastruktur ein. Baugruppen werden dadurch zu Akteuren im sozialen Netzwerk der Stadt.

II. Fertigungstechnische Strategien – Von der Vorfertigung zur Mass Customization

Barry Bergdoll, Kurator der Ausstellung Home Delivery am Museum of Modern Art (MoMA) in New York, sieht in der Mass Customization die Zukunft der industriellen Vorfertigung. In der Geschichte des Bauens gehen Veränderungen oder Neuerungen meist mit großen gesellschaftlichen Umwälzungen einher. So entstanden zum Beispiel die ersten fabrikmäßig gefertigten Gebäude und Bauelemente im frühen 19. Jahrhundert in Zusammenhang mit dem rapiden Technologieschub in Amerika, Frankreich und England.

Ähnliche Technologieschübe stellen heute für den Entwurf das parametrische Design und für die Bauausführung die CNC-Technologien dar. Sie tragen der Tendenz zur Individualisierung des Wohnens Rechnung und können dabei helfen, auf den gesellschaftlichen Wandel in der Familienstruktur, in den Geschlechterverhältnissen und im Verhältnis zwischen den Generationen zu reagieren.

„Die CNC-Techniken für die Architektur zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Möglichkeit bieten, den Entwurf innerhalb der Fabrikations- und Bauprozesse strategisch neu zu positionieren, so dass sich das, was Architekten tatsächlich produzieren – nämlich Zeichnungen –, von lockeren Gebäudedarstellungen zu ungemein präzisen Sets von Instruktionen und Daten verschiebt, welche die Herstellungsprozesse als Teil der koordinierten und integrierten Deskription eines Bauwerks steuern.“ (vgl. den Beitrag von Barry Bergdoll in dieser Ausgabe)

Diese technische Entwicklung führt letztlich zur Überwindung der seit der Renaissance herrschenden Differenz zwischen Entwerfen und Bauen (vgl. Mario Carpo in ARCH 186/87). Dadurch eröffnet der parametrische Entwurf jenseits bloßer Formspielereien Optimierungspotenziale bezüglich der Energie-, Material- und Kosteneffizienz und bezüglich neuartiger Nutzungsperspektiven.

Die Architekten Gramazio & Kohler verbinden in ihrer Lehre und Praxis digitale Entwurfs- und Fertigungstechnologien mit einem neuen Verständnis von Materialität, das sie „digitale Materialität“ nennen. Damit ist gemeint, dass das Material durch die enge Verknüpfung von CAD und CNC digital „informiert“ werden kann. Das Bauwerk ist dadurch bereits vor Produktionsbeginn mittels eines digitalen, parametrischen Modells definiert, sodass die Daten ohne weiteren Übersetzungsaufwand von der Maschine oder dem Roboter verarbeitet werden können.

Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die geschwungene Ziegelwand Pike Loop (siehe dazu den Beitrag von Gramazio & Kohler in dieser Ausgabe). Sie wurde von einem Industrieroboter produziert, wie er beispielsweise auch in der Autoindustrie zum Einsatz kommt. Durch Automatisierungsprozesse können heute hochkomplexe Bauelemente, die früher nur durch kostenintensive handwerkliche Arbeit erreicht werden konnten, hergestellt werden. Paradoxerweise ermöglicht die Digitalisierung damit wieder handwerkliche und materielle Qualitäten (wenngleich verrichtet von Maschinen), die zuvor nur durch kostenintensive Handarbeit zu erreichen waren. Es eröffnet sich so die Möglichkeit zur Individualisierung des Gebäudes, wobei optimierte Produktionsabläufe dabei helfen, die Kosten zu senken. Insgesamt eröffnet sich die Möglichkeit, Konstruktion und Entwurf wieder enger zu verknüpfen, wie dies auch von Barry Bergdoll gefordert wird.

Thesen
- Durch die CNC-Technologie verändert sich die Bedeutung der architektonischen Zeichnung von der bloßen Repräsentation eines Gebäudes zu einem präzisen Datenset an Instruktionen und Informationen, die den Produktionsprozess gestalten.

- Diese technische Entwicklung führt zur Überwindung der seit der Renaissance herrschenden Differenz zwischen Entwerfen und Bauen. Dadurch eröffnet der parametrische Entwurf jenseits bloßer Formspielereien Optimierungspotenziale bezüglich der Energie-, Material- und Kosteneffizienz sowie der der Produktionsabläufe und Nutzungsperspektiven.

III. Räumlich-organisatorische Strategien

Auf der räumlichen und organisatorischen Ebene lassen sich zwei Tendenzen hervorheben, die beide um Kosteneffizienz bemüht sind: ein Maximum an Raumangebot oder ein Minimum an Raumverbrauch.

Maximales Raumangebot bei minimaler technischer Ausstattung
Bei diesem Ansatz führt die Verwendung von preiswerten standardmäßigen Materialien und Systemen zur Kostenersparnis (Low-Tech-Ansatz). Der Verlust an Wohnkomfort wird durch intelligente architektonische Lösungen und ein Mehr an Raum und Nutzungsoptionen kompensiert.

Lacaton & Vassal Architectes verwenden für das Haus Latapie preiswerte Baumaterialien (Abb. Haus Latapie). Eine zweite Hülle aus transparentem Polykarbonat, ein gängiges Material für serielle Gewächshäuser, umhüllt das Haus und erweitert es um das doppelte Volumen. Wenige feste Wände und viele zu öffnende Elemente in der Außenhaut bieten den Bewohnern Freiheiten bei der Aneignung und Benutzung des Wohnhauses. Durch das großzügige Raumangebot ist es auch möglich, verschiedene Aktivitäten saisonal zu verlagern.

Lacaton & Vassal plädieren für die Suffizienzstrategie (siehe Punkt 1). Sie stellen dabei die Maxime in Frage, wonach sich die technische Ausstattung der Räume an den kältesten bzw. wärmsten Tagen im Jahr ausrichten solle. Ihr flexibler und großzügiger Raumplan ermöglicht es stattdessen, sich in kälteren Zeiten in bestimmte Bereiche des Hauses zurückzuziehen und an warmen Tagen das Haus bis in den Garten hinaus zu erweitern. Auch Behnisch Architekten wählen einen vergleichbaren Ansatz für ihren Wettbewebsbeitrag und unterscheiden zwischen einem Sommer- und einem Winterhaus (siehe Behnisch in dieser Ausgabe). Nach einem ähnlichen Prinzip hat man im Mittelalter im Hinterhof eines Wohnhauses häufig Kemenaten aus Stein errichtet. Da Bauen mit Stein sehr teuer war, konzentrierte sich das Leben in den Wintermonaten in diesem Raum, der als einziger beheizt werden konnte und die Wärme speicherte. Auch das Projekt von Lacaton & Vassal Architectes in Mulhouse weist ähnliche klimatische Überlegungen auf. Der Sockel besteht aus Beton, während der zweite Stock ein Gewächshaus ist.

Minimaler Raumverbrauch bei maximaler technischer Ausstattung
Die Gegenstrategie dazu liegt in einem Minimum an Raumverbrauch, was durch eine funktionale Determination bei Verwendung hochwertiger aber in der Menge reduzierter Materialien/Technologien (High-Tech-Ansatz) erreicht wird. Der minimale Raum wird durch eine äußerst effiziente Raumorganisation kompensiert. Urbild dieses Ansatzes ist die Mönchszelle, wie sie Le Corbusier ein Leben lang, bis zur petite cabane, beschäftigte.

Das Konzept des Minimums an Raumverbrauch vertritt Richard Horden mit seinem 7 qm großen Micro Compact Home (Abb. Micro Compact Home). Die Zielgruppe für den „high performance“ Wohnwürfel sind Singles mit mobilen Arbeits- und Lebensstilen. Horden spricht sich gegen eine Anhäufung von Eigentum (Möbel und ähnliches) im digitalen Zeitalter aus und nennt als neuen Luxus Mobilität. Um auf so engem Raum leben zu können, ist die gesamte Einrichtung bis ins Detail einschließlich aller Bewegungsabläufe vorgegeben. Die eingesetzten Materialien und Technologien sind hochwertig, um den Materialeinsatz minimieren zu können.

Zwischen den beiden Extremen der Maxima- und Minima-Strategie lässt sich das Projekt System 3 von Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf einordnen (Abb. System 3). Diese größtenteils vorfabrizierte Wohneinheit wurde im Zuge der Home Delivery Ausstellung des MoMA in New York vorgestellt. Kaufmann und Rüf unterscheiden zwischen dem „serving space“ und dem „naked space“. Ersterer ist eine komplett vorfabrizierte Einheit, die den „naked space“ mit den Funktionsräumen Küche, Bad, Waschraum, Erschließung und mit der Infrastruktur wie Strom, Internet; Heizung, Kühlung, Lüftung versorgt. Während die Versorgungseinheit aus rostfreiem Stahl vorgefertigt wird, setzt sich der „naked space“ aus CNC-gefrästen, flachen Holzplatten zusammen. Die Möblierung ist nicht Teil des Entwurfs und kann vom Benutzer, anders als bei Richard Hordens Micro Compact Home, individuell ausgesucht werden. System 3 setzt beim „serving space“ auf serielle Vorfabrikation und beim „naked space“ auf Mass Customization mit größeren Wahlfreiheiten für den Benutzer.

Thesen
- Die Verwendung von preiswerten standardisierten Materialien und Systemen führt zur Kostenersparnis (Low-Tech-Ansatz). Der Verlust an Wohnkomfort wird durch intelligente architektonische Lösungen und ein Maximum an Raum und Nutzungsoptionen kompensiert.

- Ein minimaler Raumverbrauch wird durch eine funktionale Determination bei gleichzeitiger Verwendung hochwertiger, aber in der Menge reduzierter Materialien/Technologien erreicht (High-Tech-Ansatz). Der minimale Raum wird durch effiziente Raumorganisation kompensiert.

Architektonische Auswirkungen auf Smart Price Houses

Kostengünstiges Bauen erfordert die geschickte Kombination der genannten sozialen, fertigungstechnischen und räumlichen Strategien. Jede Strategie schöpft andere Möglichkeiten der Kostenersparnis aus. Soziale Strategien bieten alternative Finanzierungsmethoden und die Möglichkeiten der baulichen Selbsthilfe. Gleichzeitig sorgt Partizipation für eine demokratisch legitimierte Planung und damit für eine nachhaltige Investition. Die Tendenz zur Individualisierung des Wohnbaus ist sowohl bei den sozialen als auch den fertigungstechnischen Strategien die wesentliche Grundlage.

Die neuen Produktionstechniken bringen mit der Mass Customization von Wohneinheiten ein neues Raumkonzept hervor, das sich zwischen den Extremen der Maxima- und Minima-Strategie verorten lässt. Die Maxima-Strategie integriert die Tendenz zur Individualisierung des Wohnens durch ein Mehr an Raum und an Wahloptionen. Demgegenüber begrenzt die Minima-Strategie durch funktionale Determination die Optionen und reduziert den Raum auf sein Minimum. Die technische Ausstattung spielt jeweils eine andere Rolle. Bei der Maxima-Strategie wird sie auf ein Minimum eingeengt, während sie bei der Minima-Strategie auf ein Maximum ausgeweitet wird.

Die Tendenz zur Individualisierung des Wohnens wird kompensiert durch die gegenläufige Tendenz zum Kommunitarismus. Freiräume wie Terrassen oder andere Nutzungseinheiten werden der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Es zeichnet sich damit ein neuer städtischer Haustypus ab.

Der Text basiert auf der Auswertung des internationalen Workshops „Smart Price Houses“, den die IBA Hamburg in Kooperation mit ARCH im Sommer 2009 in Hamburg durchgeführt hat. Führende Experten aus Architekur, Städtebau, Forschung, Bauwirtschaft und Bauindustrie versammelten sich, um die Möglichkeiten kostengünstigen Bauens zu erörtern und zukunftsfähige Perspektiven aufzuzeigen. Wir danken allen, die dazu beigetragen haben. Das vollständige Programm und Videomitschnitte sind auf www.archplus.net abrufbar.

ARCH+, So., 2010.05.30



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30. Mai 2010ARCH+ Verlag GmbH
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Sommer-Winter-Haus

Der Entwurf von Behnisch Architekten basiert auf der jahreszeitlichen Differenzierung zwischen einem kompakten, energiesparenden „Winterhaus“ und einem...

Der Entwurf von Behnisch Architekten basiert auf der jahreszeitlichen Differenzierung zwischen einem kompakten, energiesparenden „Winterhaus“ und einem...

Der Entwurf von Behnisch Architekten basiert auf der jahreszeitlichen Differenzierung zwischen einem kompakten, energiesparenden „Winterhaus“ und einem raumgreifenden, offenen „Sommerhaus“. Den Kern bildet das kompakte Winterhaus, das durch auskragende Geschossdecken an der Süd-, Ost- und Westfassade Raumpuffer bietet, die in den wärmeren Jahreszeiten die Wohnbereiche des Winterhauses erweitern und das Gebäude in ein großzügiges, gut belüftetes und lichtdurchflutetes Terrassenhaus verwandeln. Neben den interessanten räumlichen Qualitäten bietet das Konzept eines Winter-Sommer-Hauses vor allem zahlreiche Vorteile in der Optimierung des Energiehaushaltes. Dem kompakten Kern wird eine durchlässige Hülle vorgelagert, die sowohl auf räumlicher als auch auf klimatischer Ebene allmähliche Übergänge schafft.

Das kompakte Winterhaus erfüllt alle Anforderungen eines Passivhausstandards. Die außenliegende Fassade des Sommerhauses ist – bedingt durch eine jahreszeitabhängige Nutzung – in beweglichen einfachverglasten Elementen ausgeführt und kann bei Bedarf in eine offene Terrasse verwandelt werden. Die Auskragungen der Geschossdecken bieten hier eine natürliche Verschattung der Räume. Zusätzlich ist an der außenliegenden Fassade ein Low-E-beschichteter textiler Vorhang als aktiver Sonnenschutz vorgesehen.

Konstruktionselemente in Massivbauweise werden auf ein Minimum reduziert; lediglich Fundamente, Bodenplatte und Erschließungskern werden so ausgeführt. Alle anderen tragenden Elemente sind als vorgefertigte Holzbauelemente ausgebildet. Die offenen Wohnungsgrundrisse können intern über ein mobiles Trennwandsystem, das aus dem neu entwickelten Material „SwissCell“ besteht, zoniert werden.

Neben dem baulichen Fassaden- und Raumklimakonzept, das unter verschiedenen klimatischen Bedingungen für ein ausgeglichenes Raumklima und behagliche Temperaturen sorgt, kommen auch Technologien zum Einsatz, die eine umweltschonende, auf lokalen Ressourcen basierende Energienutzung ermöglichen: Geothermie mit Erdsonden zur Heizung, Kühlung und Lüftung, Solarthermie für Warmwasser, Regen- und Brauchwassernutzung sowie Photovoltaikmodule auf den Dachflächen sorgen für eine CO2-neutrale Energieversorgung der haustechnischen Anlagen.

ARCH+, So., 2010.05.30



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12. Februar 2010ARCH+ Verlag GmbH
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Arabische Stadt

Die traditionelle arabische Stadt schafft durch Form und Orientierung der Baumassen und Freiräumen ein angenehmes Mikroklima und dient damit als Vorbild...

Die traditionelle arabische Stadt schafft durch Form und Orientierung der Baumassen und Freiräumen ein angenehmes Mikroklima und dient damit als Vorbild...

Die traditionelle arabische Stadt schafft durch Form und Orientierung der Baumassen und Freiräumen ein angenehmes Mikroklima und dient damit als Vorbild für Masdar City. Das Wissen um klimagerechte Planung, das sich hier manifestiert, kann heute mittels neuer technologischer Möglichkeiten simuliert und systematisch angewendet werden.Bereits in den 1950er Jahren haben Architekten wie Candilis Josic Woods bei Siedlungsprojekten in Nordafrika arabische Bautraditionen in neue Strukturformen zu übersetzen versucht. Damals wie heute dient die karge, vielerorts noch unbesiedelte Wüste als Testgelände für ein neues Verständnis von Architektur und Städtebau. Über die intensive Auseinandersetzung mit außereuropäischen Lebensweisen gelangten anthropologische und soziologische Aspekte in den modernistischen Diskurs. Auch die Auseinandersetzung mit klimatischen Aspekten der arabischen Stadt kann – transportiert über Projekte wie Masdar – Impulse für klimagerechte und energieeffiziente Planung in Europa geben.

Die arabische Stadt ist charakterisiert durch die Polarität privater und öffentlicher Lebensbereiche, die auch die Gebäudetypologie prägt. Zellen verschiedener Größenordnung und Komplexität können durch gleiche räumliche und architektonische Logik miteinander verkettet werden und ermöglichen ein Erschließungssystem, das vom großen offenen Raum in immer kleinere, private Bereiche führt.

Das Gebetshaus markiert das Zentrum eines selbstversorgten Viertels. Der maximale Abstand zwischen den Wochentags- und Freitags-Moscheen orientiert sich traditionell an deren fußläufiger Erreichbarkeit. Heute hingegen richten sich die Distanzen am Auto oder in Masdar City am PRT-System aus.

Klimagerechter Städtebau lässt sich in der Altstadt von Damaskus studieren. Über das regelmäßige römisch-hellenistische Straßennetz wuchs nach der muslimischen Eroberung im Jahr 636 ein engmaschiges System von Gassen. Durch zahlreiche Sackgassen wird die heiße Luft aus der Stadt herausgehalten, während durchgängige Ost-West Straßen für Durchlüftung sorgen.

Eine ähnliche Struktur findet sich im Kairoer Straßennetz des 19. Jahrhunderts: Dem städtischen Außenraum kommt kaum Bedeutung zu. Die Alternative zu öffentlichen Plätzen sind die klimatisch abgeschirmten Moscheen.

Enge Gassen halten das unerwünschte direkte Sonnenlicht ab. Die an das Haupthaus angebauten „Masrîya“ kragen als Nebenhäuser wie hier in Fès über die darunterliegende Gasse und verschatten diese zusätzlich. Der Straßenraum bleibt dadurch verhältnismäßig kühl.

Windtürme dominieren, wie hier im iranischen Chupanan, häufig die Dachlandschaft. In ihren unterschiedlichen regionalen Ausformungen erfüllen sie die Funktion der Gebäudekühlung, indem sie die Luftzirkulation im Haus, aber auch in den Straßen regulieren.

ARCH+, Fr., 2010.02.12



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Energie-Inkubator Tempelhof

Der „Stadt- und Energie-Inkubator“ für Tempelhof zielt darauf ab, das Areal des ehemaligen Flughafens nicht nur als neu angelegten Stadtteil ins urbane...

Der „Stadt- und Energie-Inkubator“ für Tempelhof zielt darauf ab, das Areal des ehemaligen Flughafens nicht nur als neu angelegten Stadtteil ins urbane...

Der „Stadt- und Energie-Inkubator“ für Tempelhof zielt darauf ab, das Areal des ehemaligen Flughafens nicht nur als neu angelegten Stadtteil ins urbane Gefüge zu integrieren, sondern das Gebiet darüber hinaus für die Erzeugung alternativer Energien nutzbar zu machen. Hierfür hat das Ingenieurbüro Happold ein Konzept entwickelt, das auf die Einsparung von Ressourcen einerseits und die Verwendung und Förderung regenerativer Energien andererseits setzt. Es soll in drei parallel zur stadträumlichen Entwicklung des Gebiets verlaufenden Phasen umgesetzt werden. Zentrale Anlaufstelle und erstes zu realisierendes Gebäude des neuen Stadtteils ist die „Urban Gallery“, die als interaktives Diskussionsforum im Zentrum einer prozessualen, partizipativen Planung steht. Durch die Einbindung der Anwohner und die Schaffung eines kreativen, wissenschaftsfreundlichen Klimas soll Tempelhof nicht nur zu einem Standort für Energieproduktion im materiellen Sinne werden, sondern als synergetische Ideenfabrik im Bereich „Stadt und Klima“ fungieren.

Die Konzeptskizze von Raoul Bunschoten zum Umgang mit dem Gebiet um das Tempelhofer Feld zeigt die unterschiedlichen Entwicklungszonen des „Stadt- und Energie-Inkubators“. Bestehende Elemente wie das geschwungene Flughafengebäude sind ebenso zu erkennen wie die geplante Vernetzung mit den umliegenden Vierteln.

Blick über das Planungsgebiet mit der Unterteilung in die drei Teilbereiche: Das Tempelhofer Feld (A), der eigentliche Bereich des Inkubators mit dem ehemaligen Flughafengebäude (B) und die angrenzenden Entwicklungsgebiete (C), in denen die zu entwickelnden Kernbereiche optisch hervorgehoben sind.

Projekte und Aktionspläne, die in der Urban Gallery auf der Basis von methodischen Szenario-Spielen, Prototyp-Entwicklungen und einer interaktiven Datenbank entwickelt werden, führen zu einer synergetischen Wachstumsdynamik.

Phase I: Die Entfernung der das Gebiet umgrenzenden Zäune und die Initiierung der „Urban Gallery“ ermöglichen die öffentliche Aneignung des Raumes. Dabei werden sowohl Zwischennutzungskonzepte wie Park- und Freizeitanlagen als auch die ersten längerfristigen Entscheidungen über die Grundstruktur des Gebiets wirksam.

Phase II: Der Blick über den Columbiaplatz zeigt exemplarisch, wie erste Baufelder, öffentliche Plätze und temporäre Flächen im Zuge der IBA entstehen. Über ein Biogas-Kraftwerk werden das Columbiaquartier sowie Kreuzberg versorgt. Die Stadtteile erreichen eine für nachhaltige Systeme rentable Dichte.

Phase III: Die langfristige Entwicklung eines innerstädtischen Kraftwerks steht im Vordergrund. Auf dem ehemaligen Tempelhof-Areal ist ein sozio-kulturelles Netzwerk aus Kitas, betreutem Wohnen, Büros und energieorientierten Bildungseinrichtungen entstanden, das Innovation fördern und anziehen soll.

Der Planausschnitt mit Teilen des Lilienthal- und des Columbiaquartiers veranschaulicht die Dichte infrastruktureller und kultureller Einrichtungen, die aus der sukzessiven Entwicklung des Gebiets hervorgehen soll. Im durch die IBA entwickelten Gebiet dominieren Freizeitanlagen und Parks.

Das Energiekonzept für Tempelhof basiert auf einer Analyse der Potentiale verschiedener regenerativer Energien. Diese werden nach Kriterien wie Effizienz und Finanzierbarkeit, aber auch hinsichtlich ihrer Signalwirkung und Sichtbarkeit bewertet.

Die drei Phasen des Energiekonzepts nutzen unterschiedliche Methoden der CO2-freien Energiegewinnung. In der letzten Phase wird durch die breite Palette und die gesteigerte Effizienz nicht nur der Bedarf des neuen Quartiers gedeckt, sondern auch ein Vielfaches der hier benötigten Wärme und Strom an die Stadt abgeführt.

Neben der Produktion regenerativer Energien setzt das Konzept für Tempelhof auch auf die Einsparung von Ressourcen, die durch architektonische Leitlinien und neue technische Lösungen, aber auch durch ein verändertes Verbraucherverhalten erreicht werden sollen. Die Graphik veranschaulicht die stufenweise Steigerung der Energieeffizienz.

Die Verringerung der CO2-Emissionen der Gebäude wird anhand von architektonischen Leitlinien festgelegt. Auch zur Reduzierung des Frischwasserverbrauches durch neue technische Systeme bestehen konkrete Zielvorgaben.

ARCH+, Fr., 2010.02.12



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Smart Price Houses

Unter „Smart Price“ werden Strategien für ein kostengünstiges Bauen verstanden. Sie setzen die Vorteile von Produktionstechniken wie Fertigbau, Systembau,...

Unter „Smart Price“ werden Strategien für ein kostengünstiges Bauen verstanden. Sie setzen die Vorteile von Produktionstechniken wie Fertigbau, Systembau,...

Unter „Smart Price“ werden Strategien für ein kostengünstiges Bauen verstanden. Sie setzen die Vorteile von Produktionstechniken wie Fertigbau, Systembau, Vorfertigung, Automatisation und Mass Customization oder von alternativen Bau- und Finanzierungsstrategien wie Selbstbau und Baugruppen intelligent ein, um eine preisgünstige innerstädtische Stadthaustypologie zu entwickeln, die es auch mittleren und unteren Einkommensschichten ermöglicht, sich innerstädtischen Wohnraum als Eigentum oder zur Miete zu leisten. Der folgende Text umreißt thesenhaft die Ziele eines „Smart Price“ und entwirft in diesem Zusammenhang ein neues Raumkonzept.

Was ist ein „Smart Price“?

Die Strategie des Smart Price zielt darauf ab, bei aller finanziellen Ersparnis eine ästhetisch anspruchsvolle und zeitgemäße Architektur zu schaffen. Unter zeitgemäß wird dabei nicht nur die architektonische Ausdrucksweise der Bauten verstanden, sondern auch ihre Reaktion auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen der Ökologie, Nachhaltigkeit, Energie- und Ressourcenschonung sowie Veränderung sozialer Muster des Zusammenlebens.
Die IBA Hamburg greift mit ihrem Wettbewerb „Smart Price House“ diese Thematik auf und fragt nach den planerischen und architektonischen, produktionstechnischen und baukonstruktiven sowie ökonomischen und sozialen Strategien für kostengünstiges Bauen in der Stadt.

Case Study Houses

Im Rahmen eines internationalen Fachworkshop, den die IBA Hamburg in Kooperation mit ARCH im Sommer 2009 durchführte, haben führende Experten aus Architekur, Städtebau, Forschung, Bauwirtschaft und Bauindustrie die Möglichkeiten kostengünstigen Bauens erörtert und zukunftsfähige Perspektiven aufgezeigt. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden für die anschließenden Grundstücksausschreibungen mit eingebetteten Wettbewerbsverfahren zur Realisierung des Modellvorhabens zwölf interdisziplinäre Teams aus einer großen Anzahl von Bewerbungen ausgewählt, die sich zum Teil auf sehr unterschiedliche Weise der Thematik des kostengünstigen Bauens annähern. Nach einer Entwurfsphase hat das Auswahlgremium im März 2010 sechs der abgegebenen Arbeiten für innovativ und realisierungswürdig befunden. Den ersten Rang belegten die Arbeiten von Adjaye Associates (London), Fusi & Ammann Architekten (Hamburg) sowie des Berliner Instituts für urbanen Holzbau (IfuH). Adjaye Associates und IfuH machen sich die „Modellierbarkeit“ und Flexibilität einer Massivholzbauweise zu Nutze und bedienen mit individuell zusammenschaltbaren Modulen und Grundrissoptionen eine breite Nutzerschicht. Fusi & Ammann entwerfen für den Fertighaushersteller Schwörer Haus KG ein Stadthaus mit Loftwohnungen, das ebenfalls auf einem modularen System – hier aus industriell vorgefertigten Elementen – basiert. Den experimentellen Ansatz des Kölner Büros BeL Sozietät für Architektur und des Linzer Büros x architekten würdigte die Jury mit einem Sonderrang. Beide Projekte basieren auf partizipativen Ansätzen und dem Selbstbaugedanken und ermöglichen zukünftigen Nutzern, das Gebäude sukzessive zu bebauen und nach ihren Bedürfnissen zu modifizieren. Beide Projekte konkurrieren um die mögliche Realisierung auf einem der Baufelder. Nach einer Überarbeitungsphase soll eines der beiden Projekte ebenfalls zur Realisierung empfohlen werden. Als Nachrücker wurde der Entwurf des Berliner Büros Kaden & Klingbeil ausgewählt, der einen modularisierten Holzskelettbau konzipiert, der Kostenersparnis durch einen hohen Anteil an Eigenleistung ermöglicht.

Strategien für kostengünstiges Bauen

Bei der Frage nach den Bedingungen und Perspektiven des Wohnens und Lebens, die Aspekte der Nachhaltigkeit und der Kosteneinsparung berücksichtigen, lassen sich zwei oftmals gegensätzliche Tendenzen ablesen:

a) Suffizienz:
Lebensstile werden grundsätzlich überdacht und verändert bzw. neue Verhaltensweisen erprobt und praktiziert. Dies kann einhergehen mit der Forderung, überkommene Standards zugunsten nachhaltiger Handlungsmuster aufzugeben.

Die Ansprüche an raumklimatische Bedingungen in Mitteleuropa sind in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Die meisten Nutzer fordern eine über das ganze Jahr gleichbleibende Temperatur von 22 bis 27 Grad Celsius in allen Räumen, was in Anbetracht der ebenfalls gestiegenen Flächenansprüche die Energiekosten entscheidend in die Höhe treibt. Im Vergleich dazu war es früher üblich, nur einen Aufenthaltsraum auf einer bestimmten Temperatur zu halten – in den Mittelmeerländern ist es noch heute so. Daher muss beim Thema kostengünstiges Bauen auch die Frage diskutiert werden, inwieweit unsere heutigen Komfort-Ansprüche überzogen sind. Die Bereitschaft der Nutzer, auf den einmal gewonnenen Komfort zu verzichten, ist jedoch gering. Interessanterweise beschäftigt sich Philippe Rahm im Rahmen des Modellvorhabens „Smart Material Houses“ mit genau diesem Thema und leitet daraus ein neues Architekturkonzept ab (siehe dazu den Beitrag zu den Smart Material Houses).

b) Effizienz:
Bei gesteigerter Energie-, Material- und Kosteneffizienz soll der gewohnte Lebensstandard beibehalten oder sogar erhöht werden können. Dies fordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem aktuellen Stand der Technik.

Ein wiederkehrendes Beispiel für Energie-, Material- und Kosteneffizienz stellt die Anwendung von Holzmassivbau dar. In allen vier Modellvorhaben der IBA war dies eine bevorzugte Bauart. Der Einsatz von Holz erzielt eine Effizienzsteigerung, da der Holzbau im direkten Vergleich zum Massivbau nicht generell teurer ist, gleichzeitig jedoch eine bessere CO2-Bilanz besitzt. Die CO2 bindende Eigenschaft von Holz wirkt sich positiv auf die Stoffzyklusbetrachtung eines Gebäudes aus.

Der Kostenaspekt darf daher nicht auf die reinen Erstellungskosten reduziert werden, sondern muss den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigen. In dem Sinne wird die Auseinandersetzung mit Rohstoffgewinnung, Produktion, Betrieb, Abbau und Recycling Teil des Entwurfskonzeptes und der Kostenbilanz. Die Zukunftsaufgabe wird darin bestehen, den eventuell dadurch entstehenden Mehraufwand soweit zu reduzieren bzw. gering zu halten, dass nachhaltiges Bauen kein Luxusgut ist und sich verbreiten kann.

Im Folgenden werden drei unterschiedliche, jedoch auch miteinander kombinierbare Strategien kostengünstigen Bauens vorgestellt. Sie geben einen exemplarischen Überblick über die derzeit virulenten Fragestellungen im Wohnhausbau und zeichnen darüber hinaus Entwicklungslinien einer intelligenten Architektur nach, die auf die gesellschaftlichen Anforderungen reagiert und kostenbewusst ist.

I. Soziale Strategien

Baugruppen/Baugemeinschaften
Partizipative Planungsstrategien, die informelles und individuelles Handeln ermöglichen, gewinnen an Bedeutung. Eine Form sind gemeinschaftliche Wohnprojekte, die mittleren und unteren Einkommensschichten Wohneigentum in der Stadt ermöglichen. Das kommunitäre Wohnen zeichnet sich durch Prinzipien der Selbst- und Mitbestimmung in Bezug auf den eigenen Wohnraum und das Wohnumfeld aus, deren Organisationsstruktur die Gruppe ist. Baugruppen und Baugemeinschaften können im Prozess der Eigentumsbildung dadurch Kosten einsparen, dass sie durch Selbstorganisation nicht die übliche Gewinne an Investoren und Projektentwickler abtreten müssen.

Die Kommunen können diesen Prozess unterstützen, indem sie eigene Grundstücke zum Verkehrswert und nicht, wie sonst üblich, zum Höchstpreis an die Bewerber veräußern. Neben der politischen Unterstützung bestimmt ein hohes zivilgesellschaftliches Engagement wesentlich den Erfolg solcher Strategien.

Derartige Wohnprojekte zeichnen sich nicht nur durch ihre sozialen Aspekte aus, sondern fördern meist auch ein ökologisches Planen, Bauen und Leben. Zudem begünstigen partizipative Strategien sowie ein umfassendes „Community Design“ auch die Realisierung wohnungsübergreifender Stadtbausteine. So tragen viele Baugruppen dazu bei, Kommunikationsräume zu schaffen, Dienstleistungen wie Kinder- und Altenpflege anzubieten und Tauschbörsen einzurichten. Dieses kommunitäre Handeln weist über die Selbstversorgungsmotive hinaus und greift in die städtische Infrastruktur ein (vgl. Günther Uhlig in ARCH 103 und ARCH 176/177). Dieser Aspekt sollte als wichtiges Merkmal einer neuen Stadthaustypologie verstanden werden, die im Gegensatz zu den investorenorientierten, solitären Townhouses ein tatsächliches städtisches Potenzial entfalten.

Das 2008 fertiggestellte Wohnhaus e3 von Kaden Klingbeil Architekten in Berlin gilt als Pilotprojekt des innerstädtischen Holzbaus (Abb. e3). Es wurde als Baugruppenprojekt entwickelt. Dadurch konnte ein hohes Maß an individueller Mitbestimmung in Fragen der Gestaltung, im Bezug auf ökologische Aspekte und die finanzielle Modellierung des Vorhabens gewährleistet werden. Durch die gemeinsame Projektentwicklung konnten Aspekte des kollektiven Wohnens revitalisiert werden. Die halb-öffentlichen Terrassen und der außenliegende Treppenhausbereich sind Beispiele für eine Integration urbaner Funktionen in und mit dem Projekt und geben dem Gebäude eine städtische Bedeutung. In Abstimmung mit Feuerwehr und Bauprüfern konnten sieben statt der baurechtlich vorgesehenen fünf Geschosse im Holzskelettbau durchgesetzt werden. Die hölzernen Bauteile sind in eine nicht brennbare „Kapselung“ aus Gips eingekleidet, um die erforderliche Brandschutzklasse F90 zu erreichen.

Das Ziel des Baugruppenprojektes ten in one der Architekten Roedig Schop in der Anklamer Straße in Berlin-Mitte war es, die individuellen Vorstellungen der zehn Bauherren in den Gestaltungsprozess einfließen zu lassen und darüber eine hohe Zufriedenheit und eine funktionierende Nachbarschaft zu erzeugen.

Partizipation wurde – nachdem bestimmte „Spielregeln“ und Termine für Entscheidungen festgelegt waren – ein wichtiges Element der Planung. Der Dachbereich wurde als offener Gemeinschaftsbereich mit einer Terrasse von über 100 qm gestaltet. Zusätzlich befindet sich hier eine Gästewohnung, die von allen Parteien mitgenutzt werden kann. Der Dachbereich nähert sich somit in seiner Funktion einem erweiterten Stadtraum an. Die individuellen Wohnformen erweisen sich als nachhaltig, weil offene und wandelbare Grundrisse die persönliche Aneignung begünstigen oder auch Zusammenlegungen von Wohnungen und damit die Anpassung an sich verändernde Bedingungen ermöglichen.

Selbstbau
Das begrenzte finanzielle Budget der Bauherren, hohe Grundstückspreise und die oftmals fehlende Flexibilität ausführender Firmen können individuelle Bauprojekte verhindern. „Selbstbau ist eine Möglichkeit“, so Peter Grundmann, „um sich diesen Zwängen zu entziehen“ und gleichzeitig den architektonischen Spielraum zu erweitern. „Es kann aber auch ein Weg sein, sich sozialen Ausgrenzungstendenzen und ästhetischen Homogenisierungen zu widersetzen.“ Dabei schränkt Grundmann ein, dass sich Selbstbau nicht auf alle Bauvorhaben oder Baugewerke anwenden lässt. Selbstbau sei vielmehr die Chance zu einem „Ausscheren aus den Gesetzen des Marktes“, um der Architektur Einzigartigkeit, Kontextualität und Performativität zurückzugeben (vgl. den Beitrag von Peter Grundmann in dieser Ausgabe).

Die Projekte Haus Weiler und Haus Neiling entsprechen diesen Vorstellungen. In einer individuellen Architektursprache realisierte Peter Grundmann hier großzügige, frei organisierte Grundrisse in einem angemessenen finanziellen Rahmen. Da der Grundstückspreis zu einem nicht unerheblichen Teil die Baukosten eines Projektes bestimmt, greift Grundmann in einem weiteren Projekt, Haus Neumann, auf eine ungewöhnliche Lage für dieses Stadthaus zurück – eine Baulücke zwischen zwei mehrgeschossigen Plattenbauten. Den Rohbau lässt der Architekt normalerweise von Fachfirmen ausführen, während er einen großen Teil des Ausbaus in Eigenleistung erbringt, wodurch sich besonders viel Geld einsparen lässt (Abb. Haus Neumann).

Thesen
- Gemeinschaftliche oder selbstbestimmte Bauprojekte bieten durch die Umgehung von Investoren, hohes Eigenengagement und soziale Integration der Planungsbeteiligten die Möglichkeit zu kostengünstigem und gleichzeitig nachhaltigem Bauen.

- Partizipative Strategien sowie ein umfassendes „Community Design“ tragen zur Realisierung wohnungsübergreifender Stadtbausteine bei. Dieses kommunitäre Handeln weist über die Selbstversorgungsmotive hinaus und greift in die städtische Infrastruktur ein. Baugruppen werden dadurch zu Akteuren im sozialen Netzwerk der Stadt.

II. Fertigungstechnische Strategien – Von der Vorfertigung zur Mass Customization

Barry Bergdoll, Kurator der Ausstellung Home Delivery am Museum of Modern Art (MoMA) in New York, sieht in der Mass Customization die Zukunft der industriellen Vorfertigung. In der Geschichte des Bauens gehen Veränderungen oder Neuerungen meist mit großen gesellschaftlichen Umwälzungen einher. So entstanden zum Beispiel die ersten fabrikmäßig gefertigten Gebäude und Bauelemente im frühen 19. Jahrhundert in Zusammenhang mit dem rapiden Technologieschub in Amerika, Frankreich und England.

Ähnliche Technologieschübe stellen heute für den Entwurf das parametrische Design und für die Bauausführung die CNC-Technologien dar. Sie tragen der Tendenz zur Individualisierung des Wohnens Rechnung und können dabei helfen, auf den gesellschaftlichen Wandel in der Familienstruktur, in den Geschlechterverhältnissen und im Verhältnis zwischen den Generationen zu reagieren.

„Die CNC-Techniken für die Architektur zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Möglichkeit bieten, den Entwurf innerhalb der Fabrikations- und Bauprozesse strategisch neu zu positionieren, so dass sich das, was Architekten tatsächlich produzieren – nämlich Zeichnungen –, von lockeren Gebäudedarstellungen zu ungemein präzisen Sets von Instruktionen und Daten verschiebt, welche die Herstellungsprozesse als Teil der koordinierten und integrierten Deskription eines Bauwerks steuern.“ (vgl. den Beitrag von Barry Bergdoll in dieser Ausgabe)

Diese technische Entwicklung führt letztlich zur Überwindung der seit der Renaissance herrschenden Differenz zwischen Entwerfen und Bauen (vgl. Mario Carpo in ARCH 186/87). Dadurch eröffnet der parametrische Entwurf jenseits bloßer Formspielereien Optimierungspotenziale bezüglich der Energie-, Material- und Kosteneffizienz und bezüglich neuartiger Nutzungsperspektiven.

Die Architekten Gramazio & Kohler verbinden in ihrer Lehre und Praxis digitale Entwurfs- und Fertigungstechnologien mit einem neuen Verständnis von Materialität, das sie „digitale Materialität“ nennen. Damit ist gemeint, dass das Material durch die enge Verknüpfung von CAD und CNC digital „informiert“ werden kann. Das Bauwerk ist dadurch bereits vor Produktionsbeginn mittels eines digitalen, parametrischen Modells definiert, sodass die Daten ohne weiteren Übersetzungsaufwand von der Maschine oder dem Roboter verarbeitet werden können.

Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die geschwungene Ziegelwand Pike Loop (siehe dazu den Beitrag von Gramazio & Kohler in dieser Ausgabe). Sie wurde von einem Industrieroboter produziert, wie er beispielsweise auch in der Autoindustrie zum Einsatz kommt. Durch Automatisierungsprozesse können heute hochkomplexe Bauelemente, die früher nur durch kostenintensive handwerkliche Arbeit erreicht werden konnten, hergestellt werden. Paradoxerweise ermöglicht die Digitalisierung damit wieder handwerkliche und materielle Qualitäten (wenngleich verrichtet von Maschinen), die zuvor nur durch kostenintensive Handarbeit zu erreichen waren. Es eröffnet sich so die Möglichkeit zur Individualisierung des Gebäudes, wobei optimierte Produktionsabläufe dabei helfen, die Kosten zu senken. Insgesamt eröffnet sich die Möglichkeit, Konstruktion und Entwurf wieder enger zu verknüpfen, wie dies auch von Barry Bergdoll gefordert wird.

Thesen
- Durch die CNC-Technologie verändert sich die Bedeutung der architektonischen Zeichnung von der bloßen Repräsentation eines Gebäudes zu einem präzisen Datenset an Instruktionen und Informationen, die den Produktionsprozess gestalten.

- Diese technische Entwicklung führt zur Überwindung der seit der Renaissance herrschenden Differenz zwischen Entwerfen und Bauen. Dadurch eröffnet der parametrische Entwurf jenseits bloßer Formspielereien Optimierungspotenziale bezüglich der Energie-, Material- und Kosteneffizienz sowie der der Produktionsabläufe und Nutzungsperspektiven.

III. Räumlich-organisatorische Strategien

Auf der räumlichen und organisatorischen Ebene lassen sich zwei Tendenzen hervorheben, die beide um Kosteneffizienz bemüht sind: ein Maximum an Raumangebot oder ein Minimum an Raumverbrauch.

Maximales Raumangebot bei minimaler technischer Ausstattung
Bei diesem Ansatz führt die Verwendung von preiswerten standardmäßigen Materialien und Systemen zur Kostenersparnis (Low-Tech-Ansatz). Der Verlust an Wohnkomfort wird durch intelligente architektonische Lösungen und ein Mehr an Raum und Nutzungsoptionen kompensiert.

Lacaton & Vassal Architectes verwenden für das Haus Latapie preiswerte Baumaterialien (Abb. Haus Latapie). Eine zweite Hülle aus transparentem Polykarbonat, ein gängiges Material für serielle Gewächshäuser, umhüllt das Haus und erweitert es um das doppelte Volumen. Wenige feste Wände und viele zu öffnende Elemente in der Außenhaut bieten den Bewohnern Freiheiten bei der Aneignung und Benutzung des Wohnhauses. Durch das großzügige Raumangebot ist es auch möglich, verschiedene Aktivitäten saisonal zu verlagern.

Lacaton & Vassal plädieren für die Suffizienzstrategie (siehe Punkt 1). Sie stellen dabei die Maxime in Frage, wonach sich die technische Ausstattung der Räume an den kältesten bzw. wärmsten Tagen im Jahr ausrichten solle. Ihr flexibler und großzügiger Raumplan ermöglicht es stattdessen, sich in kälteren Zeiten in bestimmte Bereiche des Hauses zurückzuziehen und an warmen Tagen das Haus bis in den Garten hinaus zu erweitern. Auch Behnisch Architekten wählen einen vergleichbaren Ansatz für ihren Wettbewebsbeitrag und unterscheiden zwischen einem Sommer- und einem Winterhaus (siehe Behnisch in dieser Ausgabe). Nach einem ähnlichen Prinzip hat man im Mittelalter im Hinterhof eines Wohnhauses häufig Kemenaten aus Stein errichtet. Da Bauen mit Stein sehr teuer war, konzentrierte sich das Leben in den Wintermonaten in diesem Raum, der als einziger beheizt werden konnte und die Wärme speicherte. Auch das Projekt von Lacaton & Vassal Architectes in Mulhouse weist ähnliche klimatische Überlegungen auf. Der Sockel besteht aus Beton, während der zweite Stock ein Gewächshaus ist.

Minimaler Raumverbrauch bei maximaler technischer Ausstattung
Die Gegenstrategie dazu liegt in einem Minimum an Raumverbrauch, was durch eine funktionale Determination bei Verwendung hochwertiger aber in der Menge reduzierter Materialien/Technologien (High-Tech-Ansatz) erreicht wird. Der minimale Raum wird durch eine äußerst effiziente Raumorganisation kompensiert. Urbild dieses Ansatzes ist die Mönchszelle, wie sie Le Corbusier ein Leben lang, bis zur petite cabane, beschäftigte.

Das Konzept des Minimums an Raumverbrauch vertritt Richard Horden mit seinem 7 qm großen Micro Compact Home (Abb. Micro Compact Home). Die Zielgruppe für den „high performance“ Wohnwürfel sind Singles mit mobilen Arbeits- und Lebensstilen. Horden spricht sich gegen eine Anhäufung von Eigentum (Möbel und ähnliches) im digitalen Zeitalter aus und nennt als neuen Luxus Mobilität. Um auf so engem Raum leben zu können, ist die gesamte Einrichtung bis ins Detail einschließlich aller Bewegungsabläufe vorgegeben. Die eingesetzten Materialien und Technologien sind hochwertig, um den Materialeinsatz minimieren zu können.

Zwischen den beiden Extremen der Maxima- und Minima-Strategie lässt sich das Projekt System 3 von Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf einordnen (Abb. System 3). Diese größtenteils vorfabrizierte Wohneinheit wurde im Zuge der Home Delivery Ausstellung des MoMA in New York vorgestellt. Kaufmann und Rüf unterscheiden zwischen dem „serving space“ und dem „naked space“. Ersterer ist eine komplett vorfabrizierte Einheit, die den „naked space“ mit den Funktionsräumen Küche, Bad, Waschraum, Erschließung und mit der Infrastruktur wie Strom, Internet; Heizung, Kühlung, Lüftung versorgt. Während die Versorgungseinheit aus rostfreiem Stahl vorgefertigt wird, setzt sich der „naked space“ aus CNC-gefrästen, flachen Holzplatten zusammen. Die Möblierung ist nicht Teil des Entwurfs und kann vom Benutzer, anders als bei Richard Hordens Micro Compact Home, individuell ausgesucht werden. System 3 setzt beim „serving space“ auf serielle Vorfabrikation und beim „naked space“ auf Mass Customization mit größeren Wahlfreiheiten für den Benutzer.

Thesen
- Die Verwendung von preiswerten standardisierten Materialien und Systemen führt zur Kostenersparnis (Low-Tech-Ansatz). Der Verlust an Wohnkomfort wird durch intelligente architektonische Lösungen und ein Maximum an Raum und Nutzungsoptionen kompensiert.

- Ein minimaler Raumverbrauch wird durch eine funktionale Determination bei gleichzeitiger Verwendung hochwertiger, aber in der Menge reduzierter Materialien/Technologien erreicht (High-Tech-Ansatz). Der minimale Raum wird durch effiziente Raumorganisation kompensiert.

Architektonische Auswirkungen auf Smart Price Houses

Kostengünstiges Bauen erfordert die geschickte Kombination der genannten sozialen, fertigungstechnischen und räumlichen Strategien. Jede Strategie schöpft andere Möglichkeiten der Kostenersparnis aus. Soziale Strategien bieten alternative Finanzierungsmethoden und die Möglichkeiten der baulichen Selbsthilfe. Gleichzeitig sorgt Partizipation für eine demokratisch legitimierte Planung und damit für eine nachhaltige Investition. Die Tendenz zur Individualisierung des Wohnbaus ist sowohl bei den sozialen als auch den fertigungstechnischen Strategien die wesentliche Grundlage.

Die neuen Produktionstechniken bringen mit der Mass Customization von Wohneinheiten ein neues Raumkonzept hervor, das sich zwischen den Extremen der Maxima- und Minima-Strategie verorten lässt. Die Maxima-Strategie integriert die Tendenz zur Individualisierung des Wohnens durch ein Mehr an Raum und an Wahloptionen. Demgegenüber begrenzt die Minima-Strategie durch funktionale Determination die Optionen und reduziert den Raum auf sein Minimum. Die technische Ausstattung spielt jeweils eine andere Rolle. Bei der Maxima-Strategie wird sie auf ein Minimum eingeengt, während sie bei der Minima-Strategie auf ein Maximum ausgeweitet wird.

Die Tendenz zur Individualisierung des Wohnens wird kompensiert durch die gegenläufige Tendenz zum Kommunitarismus. Freiräume wie Terrassen oder andere Nutzungseinheiten werden der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Es zeichnet sich damit ein neuer städtischer Haustypus ab.

Der Text basiert auf der Auswertung des internationalen Workshops „Smart Price Houses“, den die IBA Hamburg in Kooperation mit ARCH im Sommer 2009 in Hamburg durchgeführt hat. Führende Experten aus Architekur, Städtebau, Forschung, Bauwirtschaft und Bauindustrie versammelten sich, um die Möglichkeiten kostengünstigen Bauens zu erörtern und zukunftsfähige Perspektiven aufzuzeigen. Wir danken allen, die dazu beigetragen haben. Das vollständige Programm und Videomitschnitte sind auf www.archplus.net abrufbar.

ARCH+, So., 2010.05.30



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30. Mai 2010ARCH+ Verlag GmbH
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Sommer-Winter-Haus

Der Entwurf von Behnisch Architekten basiert auf der jahreszeitlichen Differenzierung zwischen einem kompakten, energiesparenden „Winterhaus“ und einem...

Der Entwurf von Behnisch Architekten basiert auf der jahreszeitlichen Differenzierung zwischen einem kompakten, energiesparenden „Winterhaus“ und einem...

Der Entwurf von Behnisch Architekten basiert auf der jahreszeitlichen Differenzierung zwischen einem kompakten, energiesparenden „Winterhaus“ und einem raumgreifenden, offenen „Sommerhaus“. Den Kern bildet das kompakte Winterhaus, das durch auskragende Geschossdecken an der Süd-, Ost- und Westfassade Raumpuffer bietet, die in den wärmeren Jahreszeiten die Wohnbereiche des Winterhauses erweitern und das Gebäude in ein großzügiges, gut belüftetes und lichtdurchflutetes Terrassenhaus verwandeln. Neben den interessanten räumlichen Qualitäten bietet das Konzept eines Winter-Sommer-Hauses vor allem zahlreiche Vorteile in der Optimierung des Energiehaushaltes. Dem kompakten Kern wird eine durchlässige Hülle vorgelagert, die sowohl auf räumlicher als auch auf klimatischer Ebene allmähliche Übergänge schafft.

Das kompakte Winterhaus erfüllt alle Anforderungen eines Passivhausstandards. Die außenliegende Fassade des Sommerhauses ist – bedingt durch eine jahreszeitabhängige Nutzung – in beweglichen einfachverglasten Elementen ausgeführt und kann bei Bedarf in eine offene Terrasse verwandelt werden. Die Auskragungen der Geschossdecken bieten hier eine natürliche Verschattung der Räume. Zusätzlich ist an der außenliegenden Fassade ein Low-E-beschichteter textiler Vorhang als aktiver Sonnenschutz vorgesehen.

Konstruktionselemente in Massivbauweise werden auf ein Minimum reduziert; lediglich Fundamente, Bodenplatte und Erschließungskern werden so ausgeführt. Alle anderen tragenden Elemente sind als vorgefertigte Holzbauelemente ausgebildet. Die offenen Wohnungsgrundrisse können intern über ein mobiles Trennwandsystem, das aus dem neu entwickelten Material „SwissCell“ besteht, zoniert werden.

Neben dem baulichen Fassaden- und Raumklimakonzept, das unter verschiedenen klimatischen Bedingungen für ein ausgeglichenes Raumklima und behagliche Temperaturen sorgt, kommen auch Technologien zum Einsatz, die eine umweltschonende, auf lokalen Ressourcen basierende Energienutzung ermöglichen: Geothermie mit Erdsonden zur Heizung, Kühlung und Lüftung, Solarthermie für Warmwasser, Regen- und Brauchwassernutzung sowie Photovoltaikmodule auf den Dachflächen sorgen für eine CO2-neutrale Energieversorgung der haustechnischen Anlagen.

ARCH+, So., 2010.05.30



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12. Februar 2010ARCH+ Verlag GmbH
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Arabische Stadt

Die traditionelle arabische Stadt schafft durch Form und Orientierung der Baumassen und Freiräumen ein angenehmes Mikroklima und dient damit als Vorbild...

Die traditionelle arabische Stadt schafft durch Form und Orientierung der Baumassen und Freiräumen ein angenehmes Mikroklima und dient damit als Vorbild...

Die traditionelle arabische Stadt schafft durch Form und Orientierung der Baumassen und Freiräumen ein angenehmes Mikroklima und dient damit als Vorbild für Masdar City. Das Wissen um klimagerechte Planung, das sich hier manifestiert, kann heute mittels neuer technologischer Möglichkeiten simuliert und systematisch angewendet werden.Bereits in den 1950er Jahren haben Architekten wie Candilis Josic Woods bei Siedlungsprojekten in Nordafrika arabische Bautraditionen in neue Strukturformen zu übersetzen versucht. Damals wie heute dient die karge, vielerorts noch unbesiedelte Wüste als Testgelände für ein neues Verständnis von Architektur und Städtebau. Über die intensive Auseinandersetzung mit außereuropäischen Lebensweisen gelangten anthropologische und soziologische Aspekte in den modernistischen Diskurs. Auch die Auseinandersetzung mit klimatischen Aspekten der arabischen Stadt kann – transportiert über Projekte wie Masdar – Impulse für klimagerechte und energieeffiziente Planung in Europa geben.

Die arabische Stadt ist charakterisiert durch die Polarität privater und öffentlicher Lebensbereiche, die auch die Gebäudetypologie prägt. Zellen verschiedener Größenordnung und Komplexität können durch gleiche räumliche und architektonische Logik miteinander verkettet werden und ermöglichen ein Erschließungssystem, das vom großen offenen Raum in immer kleinere, private Bereiche führt.

Das Gebetshaus markiert das Zentrum eines selbstversorgten Viertels. Der maximale Abstand zwischen den Wochentags- und Freitags-Moscheen orientiert sich traditionell an deren fußläufiger Erreichbarkeit. Heute hingegen richten sich die Distanzen am Auto oder in Masdar City am PRT-System aus.

Klimagerechter Städtebau lässt sich in der Altstadt von Damaskus studieren. Über das regelmäßige römisch-hellenistische Straßennetz wuchs nach der muslimischen Eroberung im Jahr 636 ein engmaschiges System von Gassen. Durch zahlreiche Sackgassen wird die heiße Luft aus der Stadt herausgehalten, während durchgängige Ost-West Straßen für Durchlüftung sorgen.

Eine ähnliche Struktur findet sich im Kairoer Straßennetz des 19. Jahrhunderts: Dem städtischen Außenraum kommt kaum Bedeutung zu. Die Alternative zu öffentlichen Plätzen sind die klimatisch abgeschirmten Moscheen.

Enge Gassen halten das unerwünschte direkte Sonnenlicht ab. Die an das Haupthaus angebauten „Masrîya“ kragen als Nebenhäuser wie hier in Fès über die darunterliegende Gasse und verschatten diese zusätzlich. Der Straßenraum bleibt dadurch verhältnismäßig kühl.

Windtürme dominieren, wie hier im iranischen Chupanan, häufig die Dachlandschaft. In ihren unterschiedlichen regionalen Ausformungen erfüllen sie die Funktion der Gebäudekühlung, indem sie die Luftzirkulation im Haus, aber auch in den Straßen regulieren.

ARCH+, Fr., 2010.02.12



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12. Februar 2010ARCH+ Verlag GmbH
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Energie-Inkubator Tempelhof

Der „Stadt- und Energie-Inkubator“ für Tempelhof zielt darauf ab, das Areal des ehemaligen Flughafens nicht nur als neu angelegten Stadtteil ins urbane...

Der „Stadt- und Energie-Inkubator“ für Tempelhof zielt darauf ab, das Areal des ehemaligen Flughafens nicht nur als neu angelegten Stadtteil ins urbane...

Der „Stadt- und Energie-Inkubator“ für Tempelhof zielt darauf ab, das Areal des ehemaligen Flughafens nicht nur als neu angelegten Stadtteil ins urbane Gefüge zu integrieren, sondern das Gebiet darüber hinaus für die Erzeugung alternativer Energien nutzbar zu machen. Hierfür hat das Ingenieurbüro Happold ein Konzept entwickelt, das auf die Einsparung von Ressourcen einerseits und die Verwendung und Förderung regenerativer Energien andererseits setzt. Es soll in drei parallel zur stadträumlichen Entwicklung des Gebiets verlaufenden Phasen umgesetzt werden. Zentrale Anlaufstelle und erstes zu realisierendes Gebäude des neuen Stadtteils ist die „Urban Gallery“, die als interaktives Diskussionsforum im Zentrum einer prozessualen, partizipativen Planung steht. Durch die Einbindung der Anwohner und die Schaffung eines kreativen, wissenschaftsfreundlichen Klimas soll Tempelhof nicht nur zu einem Standort für Energieproduktion im materiellen Sinne werden, sondern als synergetische Ideenfabrik im Bereich „Stadt und Klima“ fungieren.

Die Konzeptskizze von Raoul Bunschoten zum Umgang mit dem Gebiet um das Tempelhofer Feld zeigt die unterschiedlichen Entwicklungszonen des „Stadt- und Energie-Inkubators“. Bestehende Elemente wie das geschwungene Flughafengebäude sind ebenso zu erkennen wie die geplante Vernetzung mit den umliegenden Vierteln.

Blick über das Planungsgebiet mit der Unterteilung in die drei Teilbereiche: Das Tempelhofer Feld (A), der eigentliche Bereich des Inkubators mit dem ehemaligen Flughafengebäude (B) und die angrenzenden Entwicklungsgebiete (C), in denen die zu entwickelnden Kernbereiche optisch hervorgehoben sind.

Projekte und Aktionspläne, die in der Urban Gallery auf der Basis von methodischen Szenario-Spielen, Prototyp-Entwicklungen und einer interaktiven Datenbank entwickelt werden, führen zu einer synergetischen Wachstumsdynamik.

Phase I: Die Entfernung der das Gebiet umgrenzenden Zäune und die Initiierung der „Urban Gallery“ ermöglichen die öffentliche Aneignung des Raumes. Dabei werden sowohl Zwischennutzungskonzepte wie Park- und Freizeitanlagen als auch die ersten längerfristigen Entscheidungen über die Grundstruktur des Gebiets wirksam.

Phase II: Der Blick über den Columbiaplatz zeigt exemplarisch, wie erste Baufelder, öffentliche Plätze und temporäre Flächen im Zuge der IBA entstehen. Über ein Biogas-Kraftwerk werden das Columbiaquartier sowie Kreuzberg versorgt. Die Stadtteile erreichen eine für nachhaltige Systeme rentable Dichte.

Phase III: Die langfristige Entwicklung eines innerstädtischen Kraftwerks steht im Vordergrund. Auf dem ehemaligen Tempelhof-Areal ist ein sozio-kulturelles Netzwerk aus Kitas, betreutem Wohnen, Büros und energieorientierten Bildungseinrichtungen entstanden, das Innovation fördern und anziehen soll.

Der Planausschnitt mit Teilen des Lilienthal- und des Columbiaquartiers veranschaulicht die Dichte infrastruktureller und kultureller Einrichtungen, die aus der sukzessiven Entwicklung des Gebiets hervorgehen soll. Im durch die IBA entwickelten Gebiet dominieren Freizeitanlagen und Parks.

Das Energiekonzept für Tempelhof basiert auf einer Analyse der Potentiale verschiedener regenerativer Energien. Diese werden nach Kriterien wie Effizienz und Finanzierbarkeit, aber auch hinsichtlich ihrer Signalwirkung und Sichtbarkeit bewertet.

Die drei Phasen des Energiekonzepts nutzen unterschiedliche Methoden der CO2-freien Energiegewinnung. In der letzten Phase wird durch die breite Palette und die gesteigerte Effizienz nicht nur der Bedarf des neuen Quartiers gedeckt, sondern auch ein Vielfaches der hier benötigten Wärme und Strom an die Stadt abgeführt.

Neben der Produktion regenerativer Energien setzt das Konzept für Tempelhof auch auf die Einsparung von Ressourcen, die durch architektonische Leitlinien und neue technische Lösungen, aber auch durch ein verändertes Verbraucherverhalten erreicht werden sollen. Die Graphik veranschaulicht die stufenweise Steigerung der Energieeffizienz.

Die Verringerung der CO2-Emissionen der Gebäude wird anhand von architektonischen Leitlinien festgelegt. Auch zur Reduzierung des Frischwasserverbrauches durch neue technische Systeme bestehen konkrete Zielvorgaben.

ARCH+, Fr., 2010.02.12



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ARCH+ 196/197 Post-Oil City

Profil

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet eingehend ein besonderes Thema und greift dabei aktuelle Diskussionen aus anderen Disziplinen in Hinblick auf architektonische und urbanistische Fragestellungen auf. Gegründet im Gefolge des 1968er Aufbruchs, liegt der Schwerpunkt von ARCH+ auf der kritischen Reflexion des gesellschaftlichen Anspruchs der Architektur.

Die Zeitschrift sieht sich damit als Katalysator experimenteller Praktiken. Vor diesem Hintergrund war das Redesign von ARCH+ im Jahre 2008 durch Mike Meiré das Ergebnis einer inhaltlichen Vorarbeit, begonnen im Rahmen des Zeitschriftenprojekts der Documenta 12, mit der sich die Redaktion schrittweise der Frage nach dem heutigen Selbstverständnis und dem Potential einer kritischen Architekturzeitschrift als Vermittler zwischen Architektur, kulturellem, politischem und gesellschaftlichem Diskurs genähert hat. Damit begibt sich ARCH+ vor dem Hintergrund der digitalen Omnipräsenz vernetzten Wissens erneut auf die Suche nach neuen Formen der Wissensvermittlung, um gesellschaftsrelevante architektonische und urbanistische Problemstellungen zu verhandeln. Heute agiert ARCH+ als Diskursplattform in der Verschränkung von Zeitschrift und unterschiedlicher Medien wie Ausstellungen, Preise, Symposien, Veranstaltungsreihen, Kooperationen.

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