Editorial

Der vorliegende „Schwellenatlas“ liefert – nach zahlreichen bautechnischen Kompendien wie dem Fassaden-, Dach- oder Holzbauatlas – endlich das umfassende Handbuch zur gebrauchsorientierten, kulturell und geschichtlich reflektierten Gestaltung von baulichen Ein-, Aus-, Durch- und Übergängen. Wann wird bei Entwurfsentscheidungen schon je in Betracht gezogen, wie ein automatischer Türschließer seine Nutzer diszipliniert, wie biometrische Zugangskontrolle den Körper fragmentiert oder was Spiegelglas über den Spätkapitalismus aussagt? Dabei verrät eine Auseinandersetzung mit den Hintergründen konkreter architektonischer Bauteile und technischer Gegenstände einiges über die Konventionen und Bedingungen gegenwärtigen Bauens.

Ausgangspunkt dieser Ausgabe ist eine Reihe von Forschungsseminaren über Mikroarchitekturen des Öffnens und Schließens, die an der Assistenzprofessur für Architekturtheorie am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich stattfanden. Mit einem interdisziplinären Ansatz, der aktuelle Untersuchungen zur anonymen Architektur mit Fragestellungen der Technik- und Kulturgeschichte verbindet, richteten die Seminare einen differenzierten Blick auf die Objekte der gebauten Umwelt und ihre Entstehungsgeschichte. Im vorliegenden Heft wird diese Forschung weiterentwickelt und zugespitzt: Ausgehend von spezifischen Bauteilen und technischen Apparaturen der Schwelle addressieren die Autorinnen und Autoren unterschiedliche Diskursfelder des Übergangs, die das Verhältnis zwischen Innen und Außen gedanklich fassen und gleichzeitig die architektonische Praxis mitbestimmen. Das Heft widmet sich der Frage, welchem Wandel die Konstruktion und Bedeutung baulicher Schwellen unterliegen und wie sich Raumauffassungen damit verändern.

Die Beiträge in diesem Heft sind alphabetisch geordnet. Ein Glossar erzählt Episoden der Technik- und Kulturgeschichte von 45 Schwellenelementen, die auf ihre Relevanz für die aktuelle architektonische und räumliche Praxis befragt werden. Für zehn Elemente trugen Autoren aus verschiedenen Disziplinen einen längeren Essay bei: automatischer Türschließer, Drehtür, Fahrstuhl, Fenster, Jalousie, Körper-Scanner, Müllschlucker, Spiegelglas, Strichcode und Telefon. Sie reflektieren die Zusammenhänge zwischen Architektur, Technik, sozialen und kulturellen Bedingungen und fragen damit nach dem Stellenwert von Diskursen über Privatheit, Hygiene oder Sicherheit für die Architektur. Interviews zeigen auf, wie unterschiedlich die Schwelle in den Kulturwissenschaften und in der architektonischen Praxis gedacht wird. Die Bildtafeln des Glossars dokumentieren an Schwellen generierte visuelle Informationen, Anweisungen für den Gebrauch, sowie bauliche Abwandlungen und Umdeutungen von Öffnungen.

Unser besonderer Dank gilt Georges Teyssot, auf dessen grundlegenden Arbeiten zur Schwelle in der Architektur dieses Heft aufbaut.

Elke Beyer, Kim Förster, Anke Hagemann, Laurent Stalder


Dank
Wir danken der Gastredaktion für die hervorragende Aufbereitung des Forschungsmaterials sowie für die gute und unermüdliche Zusammenarbeit während der letzten anderthalb Jahre.
Unser Dank gilt auch der Firma Siedle, die mit einer großzügigen Förderung die Publikation der umfangreichen Forschungsergebnisse ermöglichte.

Nikolaus Kuhnert, Anh-Linh Ngo

Inhalt

02 In memoriam Jonas Geist
05 die stadt von morgen
06 Das neue Porschemuseum
10 Haus Neumann
13 Call for Papers: Urban Reset
14 Das Stachusbauwerk in München
15 An ARCH
18 Global Street Food

132 Baufokus

Schwellenatlas

23 Editorial
24 Einleitung

a
Abfallzerkleinerer
Absperrgitter
Air Curtain
Alarmanlage
Automatische Gesichtserkennung
Automatischer Türschliesser, Bruno Latour

b
Babyklappe
Barrikade
Briefkasten

d
Drehkreuz
Drehtür, James Buzard

e
Elektronische Fussfessel

f
Fahrsteig
Fahrstuhl, Andreas Bernard
Fenster, Georges Teyssot
Fenster
Fensterladen
Firewall
Fussmatte

g
Ganzkörper-Scanner
Garagentor
Gardine
Glory Hole

j
Jalousie, Bettina Köhler

k
Körperscanner, Gillian Fuller
Kontrollraum

l
Lärmsirene
Lüftungsklappe

m
Medienfassade
Mobile Desinfektionsschleuse
Müllschlucker, Alessandra Ponte
Muzak

p
Peepshow
Personenschleuse
Pförtnerloge
Puffer Machine

r
RFID
Rohrpost
Rolltreppe

s
Schachtabdeckung
Schalter
Schaufenster
Schiebetür
Schloss
Schlüssel
Schwelle (1), Christina von Braun im Gespräch
Schwelle (2), Diller Scofidio Renfro im Gespräch
Schwingtür
Sicherheitsschleuse
Spiegelglas, Reinhold Martin
Stechuhr
Steckdose
Strichcode, Christoph Rosol

t
Tapetentür
Telefon, Christoph Asendorf
Thür
Türschild
Türspion
Türsprechanlage

u
Überwachungskamera

w
Wasserhahn
WC

z
Zeitmaschine

Briefkasten

Briefkästen sind die Orte, an denen Postsendungen bei ihrem Transport vom Absender zum Adressaten Station machen. Der klassische Postweg beginnt im öffentlichen Postbriefkasten und endet im privaten Briefkasten des Empfängers. Aber auch im Zusammenhang der elektronischen Post wird von Briefkasten bzw. Mailbox gesprochen, als digitaler Ort, an dem die Mitteilungen eingehen und bleiben, bis sie geöffnet werden.

Öffentliche Briefkästen erlauben das Versenden von Post unabhängig von den Öffnungszeiten eines Postamtes. Sie sind im Besitz der jeweiligen Post eines Landes, befinden sich meistens im öffentlichen Stadtraum und sollen durch einheitliche Kennzeichnung leicht erkennbar sein. Der Privatbriefkasten ermöglicht das anonyme Deponieren von Briefen und Sendungen unabhängig von der Anwesenheit des jeweiligen Empfängers. Als Kasten mit Briefschlitz und Namensschild ist er vor oder hinter der Hauseingangstür platziert. Oft ist er auch als Türklappe oder eigenständiges Objekt außerhalb des Gebäudes ausgebildet. Neben Klingel oder Fußmatte gehört der Briefkasten zu den obligatorischen Einrichtungen im Eingangsbereich eines Hauses. Einen Sonderfall stellt der klassische amerikanische Briefkasten der Vorstädte dar, der Post- und Privatbriefkasten vereint, da aufgrund geringer Besiedlungsdichte die Post durch den Briefträger sowohl geliefert als auch abgeholt wird.

Während der vergangenen Jahrhunderte war die persönliche Übergabe von Botschaften wichtigster Bestandteil des Nachrichtenwesens. Boten wurden beauftragt, Briefe über größere Strecken zu transportieren und unmittelbar dem Empfänger zu überbringen. Dieses System war jedoch hauptsächlich Königen und Regenten vorbehalten. Als Ausnahme lässt sich eine frühe Form der anonymisierten Überbringung in der Seefahrerkultur finden: Im Zeitalter der Entdeckungsreisen legte man Nachrichten an Land unter markierte Steine, damit sie von zurücksegelnden Mannschaften mitgenommen werden. Auf die Oberseite der Steine ritzte man Angaben über Schiff, Kapitän und Datum der Hinterlegung ein.

Im deutschsprachigen Raum findet sich erstmals um 1630 in Breslau die Möglichkeit, Post in einem Kasten am Wachtor zu deponieren. Die Boten auf der Strecke nach Leipzig waren angehalten, sämtliche dort hinterlassenen Briefe gebührenfrei mitzunehmen und abzugeben. Doch obwohl der Briefkasten an Wohnhäusern schon mit Aufkommen des allgemeinen Postverkehrs im 18. Jahrhundert eingeführt wurde, entstanden erst mit der Einführung der Briefmarke (in Deutschland 1849/50) in großer Zahl öffentliche Postbriefkästen, die zu geregelten Zeiten geleert wurden.

Auch heutzutage gibt es noch Postgut, das persönlich überbracht wird. So wird das Einschreiben dem Empfänger direkt in die Hände gegeben und mit Unterschrift gegengezeichnet, um ein sicheres Entgegennehmen zu gewährleisten und dieses auch nachweisbar zu machen. Der Briefkasten selbst wird nicht als sichere Einrichtung begriffen. Vor allem in den USA wird er heute oftmals durch zusätzliche Sicherheitsausstattungen geschützt. Aus Angst vor Postdiebstahl oder der kriminellen Nutzung der eigenen Identität wird der klassische aufgeständerte Blechbriefkasten beispielsweise durch gemauerte Konstruktionen oder aus Stahl geschweißte „Anti-Vandalismus-Tresore am Bordstein“ ersetzt, die mit einem persönlichen Identifikationssystem ausgestattet sind.


Anmerkungen:
Klaus Beyrer (Hg.), Der Brief. Eine Kulturgeschichte der schriftlichen Kommunikation, Heidelberg 1996.
Akiko Busch, The Uncommon Life of Common Objects. Essays on Design and the Everyday, New York 2004.
Manfred Stephan, „Zahlreiche Kasten sieht man hängen“. Kleine Kulturgeschichte deutscher Briefkästen, Heidelberg 1989.

ARCH+, Mi., 2009.03.25

25. März 2009 Alexandra Correll

Drehkreuz

Das Drehkreuz (englisch turnstile) hat seinen Vorläufer in Durchgängen von Weidezäunen: Der Begriff Stile bezeichnet eine Stiege, mit der Menschen die Zäune oder Mauern von Viehweiden übersteigen können.

Drehkreuze bestehen in der Regel aus einem Metallgestänge mit vier Flügeln, die um eine senkrechte Achse kreisen. Die platzsparende Variante, bei der sich drei Arme um einen schräg gestellten Drehpunkt bewegen, wird auch als Drehsperre bezeichnet. Drehkreuze werden in Eingangs- und Durchgangsräumen als Mittel der Zutrittskontrolle verwendet und erfüllen dabei unterschiedliche Funktionen: Bei Massenandrängen regulieren sie den Fußgängerfluss durch eine Vereinzelung der Personen, die nur nacheinander ein Drehkreuz passieren können. Wie ein Ventil können Drehkreuze mit Hilfe eines Sperrmechanismus die Durchgangsrichtung festlegen.

Darüber hinaus können eingebaute Zähler die Anzahl der Durchgänge festhalten. Ihre Passierbarkeit kann von einem/r PförtnerIn sowie automatisch – durch Münzeinwurf, Ticketscanner oder maschinelle Identifizierung – gesteuert werden. Der Mechanismus des Drehkreuzes automatisiert also den Übertritt räumlicher Grenzen; er ist der physische Erfüllungsgehilfe für die Disziplinierung, Kontrolle und Selektion der Personen, die diese Grenzen überschreiten. Die wichtigsten Anwendungsbereiche des Drehkreuzes sind stark frequentierte oder regulierte Räume wie Sportstadien, Bahnhöfe, öffentliche Verkehrsmittel und Supermärkte oder Büro- und Gewerbebauten mit eingeschränkter Zugänglichkeit.

Im 19. Jahrhundert verbreitet sich das Drehkreuz zunächst in Parks, Zoos, an Piers und Sportstätten. Mit dem Aufkommen des Massensports erlebt es dann gegen Ende des Jahrhunderts einen starken Aufschwung, da es die Besucherströme reguliert und die effiziente Einnahme von Eintritt gewährleistet. 1895 meldet der Engländer Samuel Alfred Nelson Deluce ein Patent über das „Rush Preventive Turnstile“ an, das die Firma WT Ellison aus Salford, Manchester, in den folgenden Jahrzehnten in hoher Stückzahl produzieren wird. Ellison’s Drehkreuz verfügt über ein Fußpedal, mit dem die KassiererInnen das Drehkreuz steuern können, um nur zahlenden BesucherInnen den Durchgang zu gewähren. Ein verplombter Zähler kontrolliert wiederum den/die KassiererIn und verhindert, dass dieser Gäste umsonst auf das Gelände lässt.

Im Lauf des 20. Jahrhunderts wird die Funktionsweise des Drehkreuzes durch zahlreiche technische Entwicklungen verbessert, ergänzt und an unterschiedliche Anwendungsbereiche angepasst. So spielt das Drehkreuz beim Siegeszug des Supermarkts eine wichtige Rolle: Am Eingang bestimmt es die Bewegungsrichtung der Kunden und gewährleistet, dass der Verkaufsraum nur durch die Kassenschleuse verlassen werden kann. Schon im ersten Supermarkt, dem Piggly Wiggly Store, der 1916 in Memphis eröffnet, sind Drehkreuze am Eingang installiert. In öffentlichen Verkehrsmitteln wird durch Drehkreuze die Zahlung und Kontrolle der Fahrscheine automatisiert. Bereits 1911 sollen verbesserte Drehkreuzmechanismen in amerikanischen Personenzügen eine „Pay-as-you-enter“-Funktion ermöglichen und damit nachlässige KondukteurInnen ersetzen. Die U-Bahnen von New York, London oder Paris werden durch die Installation von Drehkreuzen an Ein- und Ausgängen zu geschlossenen Systemen gemacht. So kommen in New York ab 1920 automatisierte Drehkreuze zum Einsatz, in die die Fahrgäste Fünf-Cent-Münzen, später durch tokens abgelöst, einwerfen müssen. Seit den 1990er Jahren werden viele der Einwurf- und Ticketsysteme durch wiederaufladbare oder zeitbasierte smart cards ersetzt, die auf der Basis von Magnetstreifen (Metrocard, New York) oder RFID (Oyster Card, London) funktionieren und am Ende einer Fahrt den jeweiligen Fahrpreis automatisch abbuchen.

Einer der wichtigsten Einsatzbereiche für Drehkreuze sind nach wie vor Sportstadien. Viele der großen Fußballarenen sind in den letzten 10 bis 15 Jahren auf Drehkreuze mit elektronischen Zugangskontrollsystemen umgerüstet worden. Zur Speicherung und Weitergabe der Informationen auf den Tickets kommen dabei Techniken wie Magnetstreifen, Strichcodes oder RFID zur Anwendung, die von Scannern oder Lesegeräten am Drehkreuz ausgelesen werden. Die automatisierte Ticketkontrolle reduziert nicht nur den Personalbedarf, sondern ermöglicht es auch, zusätzliche Funktionen an den Einlassprozess zu knüpfen. Zum Beispiel können Anzahl, Ort und Zeitpunkt der Durchgänge zentral registriert und ausgewertet werden, was das Crowd Management im Stadion erleichtert. Häufig dient die Eintrittskarte gleichzeitig als bargeldloses Zahlungssystem für Parkscheine, Speisen, Getränke oder Fanartikel. So wirbt das Berner Stade de Suisse mit einer Swatch-Armbanduhr als wiederaufladbarem „tickenden Ticket“ für „Zier, Zeit, Zutritt, Zahlen“. Dies optimiert zwar die Abläufe im Stadion, macht aber gleichzeitig das Konsumverhalten der BesucherInnen für den Betreiber transparent.

Um potenzielle UnruhestifterInnen aussondern zu können, wird es darüber hinaus zunehmend zum Ziel der Sicherheitsverantwortlichen, die StadionbesucherInnen zu personalisieren. So waren etwa die Tickets der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 mit individuellen RFID-Tags versehen, mit denen die persönlichen Kundendaten der TickethalterInnen aufgerufen werden konnten. Die RFID-Funktechnik zur berührungslosen Auslesung der Tickets wurde von dem österreichischen Drehkreuzhersteller SkiData zunächst für Skilifte eingesetzt, um das lästige Hervorkramen der Skipässe zu vermeiden. Diese Technik ermöglicht aber auch eine unbemerkte Auslesung des Tickets jenseits der Drehkreuze: Mit entsprechend verteilten Lesegeräten ist es technisch möglich, Aufenthaltsorte und Bewegungsprofile der TickethalterInnen zu ermitteln. Zur tatsächlichen Identifizierung der BesucherInnen werden in Stadien sogar bereits biometrische Systeme getestet.

Während sich die mechanische Funktionsweise des Drehkreuzes über mehr als hundert Jahre hinweg kaum verändert hat, werden die Steuerungssysteme des Drehkreuzes technisch immer ausgefeilter. Der Prozess der Zugangskontrolle und Identifizierung wird zunehmend automatisiert und durch Funktionen ergänzt, die einen immer größeren Wirkungsradius haben. Trotz einer Etablierung flächendeckender Überwachungstechnologien wird also die Bedeutung von physischen Grenzen und Kontrollpunkten nicht aufgehoben: das Drehkreuz spielt als regulierbarer Filtermechanismus weiterhin eine wichtige, wenn nicht sogar wachsende Rolle.


[Anke Hagemann, „Filter, Ventile und Schleusen. Die Architektur der Zugangsregulierung“, in: Volker Eick/Jens Sambale/Eric Töpfer (Hg.), Kontrollierte Urbanität. Zur Neoliberalisierung städtischer Sicherheitspolitik, Bielefeld 2007, S. 301-328.
Simon Inglis, „Turnstiles“, in: ders., Played in Manchester, London 2004, S. 64-69.
Stefan Nixdorf, „Die Komposition von Stadien. Zwischen Multifunktion und Rückbau“, in: Detail 9 (2005).]

ARCH+, Mi., 2009.03.25

25. März 2009 Anke Hagemann

Pförtnerloge

Die Pförtnerloge ist ein Kontrollpunkt an der Grenze von Gebäuden oder Grundstücken. Sie ist in öffentlichen Bauten wie Behörden, Bibliotheken, Universitäten oder Krankenhäusern, in Büro- und Geschäftshäusern, auf dem Gelände von Industrieanlagen und Gewerbebetrieben, aber auch in Wohngebäuden zu finden. Baulich ist die Pförtnerloge entweder ein eigenständiger, meist eingeschossiger Bungalow an der Einfahrt eines Grundstücks, oder sie befindet sich als Nische, Einbau oder Raum im Raum im Eingangsbereich von Gebäuden. Oft bildet sie auch eine zentrale Schaltstelle, an der Informationen über Besucher, Gebäudetechnik und andere Belange zusammenlaufen.

Die Pförtnerloge ist der Arbeitsplatz des Pförtners, der dafür sorgt, dass nur berechtigte oder erwünschte Personen das Gebäude betreten und dass die Hausordnung bzw. das private Hausrecht eingehalten werden. Zudem übernimmt er oft weitere Funktionen wie den Wachschutz der gesamten Anlage oder die Weitergabe von Informationen. Über Überwachungskameras kann sich der Pförtner in vielen Fällen einen Überblick über das gesamte Gebäude samt seiner Ein- und Ausgänge verschaffen. Zu den Aufgaben eines Pförtners gehören aber meist auch Dienstleistungsangebote – besonders in Wohngebäuden. Diese stehen zum Beispiel bei den vorwiegend weiblichen Concierges im Paris des 19. und 20. Jahrhunderts im Vordergrund. Sie entsprechen der Hausmeisterin eines Wohnhauses und nehmen zudem die Post an, führen Instandhaltungsarbeiten aus, bringen die Wäsche oder rufen den Chauffeur.

In vielen Großstädten der Welt soll heute ein 24-Stunden-Pförtnerdienst in mehrgeschossigen Wohn- und Apartmenthäusern vor Einbruch, Vandalismus und anderen kriminellen Handlungen schützen und gleichzeitig das soziale Prestige der Bewohner erhöhen. Dabei können einzelne Wohnhäuser oder auch ganze Wohnareale mit eigener Infrastruktur abgeriegelt und durch Pförtner kontrolliert werden. Die Segregation einer homogenen Bewohnergruppe ist oft Grundlage des Sicherheitssystems wie auch der sozialen Identität solcher Wohnanlagen. So sind beispielsweise in Berlin in den letzten Jahren in steigender Zahl luxuriöse Wohnkomplexe mit Pförtnerloge, Lobby und bewachter Einfahrt entstanden. Der Einsatz von Wach- und Servicepersonal wird seitens der Investoren teilweise mit der zunehmenden Internationalisierung der betreffenden Klientel begründet, die solche Strukturen gewohnt sei. Der Pförtner wird hier zum Teil des Vermarktungskonzepts und seine Dienste sind im Kauf- bzw. Mietpreis der Wohneinheiten inbegriffen. Aber auch in Stadtbezirken, in denen der Quadratmeterpreis weitaus günstiger ist, lässt sich eine wachsende Präsenz von Pförtnern in Wohngebäuden beobachten. So wurden im Berliner Stadtteil Marzahn von Wohnungsbaugesellschaften Wach- und Servicedienste für mehrere Wohnblocks eingestellt. Ihre Präsenz soll gegen Kriminalität, Vandalismus und Verwahrlosung wirken. Auf der einen Seite wird den Bewohnern damit Schutz geboten, auf der anderen Seite werden sie dazu angehalten, sich ebenfalls an bestehende Regeln zu halten. Mit Dienstleistungen wie der Ausgabe von Ersatzschlüsseln oder dem Gießen der Blumen bei Abwesenheit soll darüber hinaus die Wohnsituation aufgewertet und die Anonymität reduziert werden. Entgegen weit verbreiteter Trends, Personal durch den Einsatz von Technik zu ersetzen, wird also mit dem zunehmenden Einsatz von Pförtnern bewusst wieder auf die disziplinierende Wirkung einer persönlichen Präsenz und auf die Qualität von Dienstleistungen durch vertrautes Personal gesetzt.


Anmerkungen:
Georg Glasze/Robert Pütz/Manfred Rolfes (Hg.), Diskurs - Stadt - Kriminalität.
Städtische (Un-)Sicherheiten aus der Perspektive von Stadtforschung und kritischer Kriminalgeographie, Bielefeld 2005.
Anja Karrasch/Oliver Burgard, „Der Portier im Plattenbau“, in: DIE ZEIT, 18. Juni 2003.

ARCH+, Mi., 2009.03.25

25. März 2009 Alexandra Correll

Schwelle (1) Christina von Braun im Gespräch mit Elke Beyer und Laurent Stalder

Welche Bedeutung hat der Begriff der Schwelle in den Kulturwissenschaften?

CvB: Die Schwelle wird in erster Linie historisch gedacht. Schwellenzeiten, Übergangszeiten und Umbruchzeiten – das ist eine ganz andere Dimension als in der Architektur. Weiterhin spricht man von „interkulturellen Schwellen“, also Schwellen zwischen verschiedenen Kulturen, die auch räumlich gesehen werden können. Sie beeinflussen die Bewegungen zwischen Kulturen, die Art und Weise, wie sich Übergänge verschließen oder öffnen, und schließlich, wie intermingling (Vermischung) stattfinden kann.

In der Anthropologie betrachtet man die Schwelle am Beginn des 20. Jahrhunderts in engem Bezug zu den Ritualen des Übergangs, so zum Beispiel Arnold Van Gennep in seinem Buch Les rites de passage (1909).

CvB: Das erweitert den Schwellenbegriff noch um eine zusätzliche, biografische Dimension. Die Schwelle ist der Moment oder der Ritus, durch den ein Individuum entweder in die Gemeinschaft integriert oder aus ihr ausgeschlossen wird. Die Schwelle spielt also in der Beziehung von Individuum und Gesellschaft oder Gemeinschaft eine wichtige Rolle. Sie ist dabei nicht unbedingt räumlich, sondern vor allem psychologisch zu sehen. Ein junger Mann oder eine junge Frau werden hinübergeführt in ein neues Lebenszeitalter, in eine andere Form der Integration in die Gemeinschaft.

Diese Schwellen und die damit verbundenen Rituale werden ja materialisiert, sei es in Form von Prozessionen oder konkreten Bauelementen. Gibt es einen Moment, an dem diese Handlung ...

CvB: ... geografisch festgemacht wird? Nicht unbedingt. Es gibt durchaus kulturelle und soziale Schwellenphänomene, die nicht an einen bestimmten Ort oder einen geografischen Raum gebunden sind. Das Verhältnis zwischen Materialisierung und Handlung oder Ritual ist wechselseitig und kann sich in einer historischen oder kulturellen Situation auch sehr stark verändern. Dazu ein Beispiel: Charlotte Beradt hat in ihrem wunderbaren Buch Das Dritte Reich des Traums (1962) untersucht, wie die Leute während des Nationalsozialismus geträumt haben. Ein Arzt erzählte ihr, wie er beim Nachmittagsschlaf träumte, dass plötzlich alle Wände weg sind – dass er sich in einem wandlosen Haus befindet, und dass auch die anderen Häuser keine Wände haben. Er erklärte sich den Traum im Nachhinein damit, dass der Blockwart gekommen war und ihn gefragt hatte, warum er bei einer Parade nicht die Fahne herausgehängt habe. Und er versuchte, ihn zu beschwichtigen, und sagte sich dabei innerlich, in meinen vier Wänden kann ich tun und lassen, was ich will. Doch im Traum waren plötzlich diese vier schützenden Wände weg. Es gibt also historische Situationen wie eine totalitäre Herrschaft, wo materielle Wände nicht mehr als schützend erfahren werden, sozusagen die Umkehrung einer Dematerialisierung der architektonischen Wände.

Räumliche und kulturelle oder psychologische Schwellen scheinen sich also zu überlagern.

CvB: Die psychologischen, sozialen Phänomene haben sehr stark mit der Tatsache zu tun, dass die Gemeinschaft als ein Körper gedacht wird, zu dem ein individueller Körper hinzugefügt, integriert oder eben auch ausgeschlossen wird. Man kann kulturwissenschaftlich den Begriff der Schwelle ohne den Begriff der Reinheit gar nicht denken. Alle Kulturen und Religionen kennen Gesetze der Reinheit und Unreinheit. Das Wort „rein“ selbst kommt von „hreni“, althochdeutsch für „säubern, sieben“. Die Selektionsmechanismen, die bei der Reinheit eine Rolle spielen, werden darin sehr deutlich. Wer gehört hinein, wer wird herein genommen? Und wer wird ausgeschlossen, oder muss unter Umständen durch Reinigungsrituale einschließbar werden?
Um etwas über die Reinheitsgesetze zu begreifen, lohnt es sich darauf zu achten, wieviel stärker man Schmutz in anderen Städten oder Ländern wahrzunehmen scheint als zu Hause, wie sich also das Gefühl, im Ausland zu sein, mit dem Gefühl, in einem unreinen Raum zu sein, verbindet. Die ungeheure Sauberkeit unserer Städte ist ein Symptom dafür, dass wir selber so domestiziert sind und uns diesen Reinheitsgesetzen freiwillig so sehr unterwerfen. Susan Sontag hat einmal sehr schön gesagt, wenn man heute Menschen in einer säkularen, nicht mehr religiösen Gesellschaft fragen würde, was gut und was schlecht sei, dann wäre ganz schnell ein Konsens darüber herzustellen, dass Sauberkeit und Hygiene gut sind, und alles, was mit Schmutz und Krankheit einhergeht, böse ist, ungut. Die Reinheitsgesetze sind von einer religiösen Ebene hinuntergewandert in den Raum der Hygiene. Und das ist vermutlich die Religion der Moderne, durch die Gemeinschaft hergestellt wird.

Die eigentliche Zugehörigkeit zu einer Gruppe beginnt im Übrigen nicht an oder auf der Schwelle, sondern innen. Ein Begriff aus der internationalen Ökonomie wie der des „Schwellenlandes“ ist ausgesprochen symptomatisch. Er besagt: „Ihr gehört noch nicht ganz dazu.“ Ähnliches gilt für soziale und ökonomische Grenzen innerhalb unserer Gesellschaften. Gegenüber sozial Unterprivilegierten galt lange das Versprechen, dass ein Aufstieg über die große Schwelle der Mittelschicht möglich ist. Was immer diese Schwelle wirklich war - durch das Wegfallen dieser ökonomischen Mittelschicht, die ja zunehmend auch in prekärer Situation lebt, ist in den letzten Jahren die Schere immer weiter aufgegangen.

Gehört es zur Vorstellung eines Gemeinschaftskörpers nicht dazu, dass es eine physische Festlegung von bestimmten Schwellensituationen gibt?

CvB: Wenn Sie die Schwelle metaphorisch verstehen, ja. Aber die Metapher muss nicht unbedingt in Stein oder in Holz ausgedrückt sein, um für die Gemeinschaft eine genauso große Bedeutung zu haben wie etwas, das tatsächlich in konkrete materielle Wände übertragen wurde. Ein Beispiel ist der Hijab, der Schleier bzw. das Kopftuch. Hijab bedeutet ursprünglich der „Vorhang“ in einem Haus, der die Gemächer der Frauen von denen der Männer unterscheidet. Das Kopftuch heißt genauso und ist praktisch dieser Vorhang, hinausgetragen in den öffentlichen Raum. Ein transportables Stück Stoff wird zu einem transportablen Stück Wand im öffentlichen Raum. Und das ist mehr als eine Metapher, es ist eine materialisierte Metapher. Der Grund dafür, dass dieses Stück Stoff solch eine große Bedeutung hat, liegt darin, dass diese Metapher für die Segregation von Männern und Frauen so wichtig ist.

Sie geben das Stichwort der Abgrenzung zwischen den Geschlechtern. Wie verhält es sich damit, nachdem wir bereits von interkulturellen und sozialen Schwellen sprachen? Und wie wirken sich solche kulturellen Ordnungsvorstellungen auf die räumliche Organisation unserer Umwelt letztlich aus?

CvB: Einerseits wird die Schwelle zwischen den Geschlechtern, also die Art, wie Machtverteilung stattfindet, wie Männlichkeit und Weiblichkeit definiert werden, immer fließender. Auf der anderen Seite gibt es aber eine Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit, wo diese beiden Pole immer wieder hergestellt werden – kosmetisch, technisch und anders. Die Aufhebung der Segregation zwischen den Geschlechtern, wie sie sich tatsächlich seit 1900 mentalitätsgeschichtlich sehr schnell vollzogen hat, muss auch im Kontext dieser polaren Zuschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit gesehen werden, die nicht zuletzt ökonomischen Gesetzen folgen. Es geht nicht nur um ungleiche Bezahlung, sondern darum, dass Reproduktion und die Sexualität selbst zunehmend ökonomischen Prinzipien unterworfen werden. Das hat weitreichende soziale Konsequenzen und schlägt sich in der räumlichen Ordnung sehr deutlich nieder. Nehmen Sie das Bild von der Festung Europa, welches ja ein architektonisches Bild ist. Die Festung Europa schließt sich ab gegen die Einwanderung, gleichzeitig werden aber jedes Jahr 500.000 Frauen und Kinder für Pornografie und zur Prostitution nach Europa gebracht. Offenbar kann von der Festung Europa nur bedingt die Rede sein.

Aus einer architektonischen Perspektive interessiert uns die Differenzierung auch auf der Mikroebene. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage der Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Räumen.

CvB: Die westliche Gesellschaft, die die Trennung zwischen privat und öffentlich so stark in Frage gestellt hat, ist meiner Ansicht nach die Ausnahme. Ich sehe darin eines der Symptome dafür, dass die Gesellschaft so stark in unsere einzelnen Körper eingegriffen hat, sie domestiziert hat – wie die Räderwerkuhr, die ab dem 13. Jahrhundert immer stärker das ganze Leben organisiert und die Körper synchronisiert hat. In anderen Kulturen gibt es eine Fülle von Sittengesetzen, an die sich der Einzelne und die Einzelne halten, Gesetze der Höflichkeit untereinander. Aber die Art, wie eine Technik dahergekommen ist, sich in die Körper hinein verlagert hat, und dann allmählich diesen synchron geschalteten Menschen hervorgebracht hat, ist wirklich etwas Spezifisches der westlichen Kultur. Einerseits hat das die technische Produktivität mitbestimmt, andererseits aber eben auch einen domestizierten Menschen, der nicht mehr die Geschlechtergrenzen braucht und nicht mehr eine Trennung zwischen Außen und Innen, weil das Gesamte, das Kollektive schon längst innen angekommen ist.

Inwiefern spielen Schwellen in der heutigen Zeit dann überhaupt noch eine Rolle?

CvB: Sie spielen eine absolut wichtige Rolle. Wenn ich ins Kino gehe, zum Beispiel, befinde ich mich in einem gebauten Raum. Eine ganze Architektur von Technik um mich herum versetzt mich aber in einen anderen Raum, in einen imaginären Raum, wo ich mich mit meinen Augen, meinen Ohren und der Psyche hineinbegebe – vorausgesetzt es ist ein guter Film. Diese Art von technischen Räumen bildet nochmals eine ganz andere Form von Schwelle.

Sie bezeichnen solche Phänomene in Ihrem Buch Versuch über den Schwindel als immersive environment. Wie verhalten sich dabei die medialen Räume zur gebauten Umwelt?

CvB: Welche Technik braucht es, damit ich mich in einen imaginären anderen Raum hineinbegeben kann? Alles, was meine Psyche, meine Sinnlichkeit, meine Sinneswahrnehmung anregt, mich in einen anderen Raum, eventuell in eine andere Person hinüber zu bewegen, ist ein immersive environment. Da ein immersive environment im Allgemeinen eine Technik braucht, um hergestellt zu werden, um es potenziellen Nutzern anzubieten, braucht es auch eine gebaute Architektur. Das kann zwar ein offener Raum sein, aber irgendwo muss die Technik verortet sein.

Wie wird man von einem Raum oder einer Umgebung in die andere übergeleitet? Wird die Schwelle aufgelöst oder so weit wie möglich versteckt?

CvB: Es bedarf zunächst einer hohen Bereitschaft, hinüberzuwandern in den anderen Raum, ähnlich wie bei der Hypnose, wo es bei manchen Menschen einen hohen Grad an Suggestibilität gibt und bei anderen einen niedrigen. Je weniger ich die Schwelle wahrnehme und je stärker ich sie wegdenken kann, desto besser kann ich mich hinüberbegeben. Insofern wird jedes gute immersive environment oder jede gute architektonische Konstruktion, die ein immersive environment herstellen möchte, dazu beitragen, dass mir nicht bewusst wird, wie ich mich in den anderen Raum hinüberbewege. An nichts arbeitet Hollywood so stark wie daran, die Technik vergessen zu machen, mit der das Kino funktioniert. Die akustischen Verbesserungen der letzten Jahrzehnte, dolby surround sound und so weiter, waren alles mediale Techniken, die den Zuschauer vergessen lassen sollten, dass er sich im Kino befindet und damit in einem technisch konstruierten Raum.

Interessant ist, dass der Begriff des environment in der Architekturdebatte in den 1960er Jahren auftaucht, als über den architektonischen „fließenden Raum“ hinaus die Technik eingebunden und wirklich auch ausgenutzt wird, um eine möglichst frei gestaltbare Umgebung zu schaffen. In der Konsequenz löst sich die Grenze des Gebäudes in eine Abfolge von Zonen oder Schwellenräumen auf. Man kann nicht mehr von einer Grenze zwischen Innen und Außen sprechen, sondern nur noch von Zwischenbereichen – zwischen kalt und warm, sicher und unsicher, privat und öffentlich. Man befindet sich eigentlich immer zwischen unterschiedlichen Sphären, von denen jede spezialisiert und funktionalisiert ist. Entspricht dies nicht einem immersive environment?

CvB: Sie beschreiben, wie dieser Schwellenraum immer größer geworden ist, immer mehr Platz einnimmt. Dazu gibt es auch kulturelle Parallelen. Nach dem Ersten Weltkrieg etwa entstand zunehmend eine Kultur des Dazwischen-Seins. Intellektuelle in Berlin zum Beispiel schätzten es hoch, nicht einer bestimmten Kategorie zugeordnet werden zu können, sondern gerade das Dazwischen auszuleben. Die Bohème, die Intelligenzia der 1920er Jahre hat permanent von diesem kulturellen Zwischenraum gelebt, wo sie nicht Deutsche sein wollten, nicht Franzosen, nicht Juden oder Nicht-Juden, sondern gerade das Undefinierbare zu ihrer eigentlichen Heimat erklärten. Das heißt, etwa gleichzeitig mit der immer größer werdenden technischen Schwelle bildet sich auch kulturhistorisch ein Ort heraus, wo mehr Wert darauf gelegt wird, nicht dazu zu gehören, als dabei zu sein. Dieses historisch neue, international übergreifende Phänomen galt für einen guten Teil der Kulturszene, die kulturelle Moderne, sowohl in Deutschland als auch in Frankreich, England, Amerika und anderswo.

Walter Benjamin schreibt im Passagenwerk, dass es eigentlich fast keine materiellen Schwellen mehr gebe. Die einzige Schwelle, die er sieht, ist die Schwelle zwischen dem Traum und dem Wachzustand.

CvB: In der Moderne spielen die gebauten Räume, die es gemeinsam mit der Technik ermöglichen, in einen anderen Raum hinüberzugehen, eine sehr große Rolle, vor allem bei medialen Inszenierungen wie der Oper und dem Kino. Insofern würde ich Benjamin in diesem Punkt widersprechen. Hier liegt jedoch immer ein Paradox. Einerseits lässt sich wirklich historisch beobachten, wie in der westlichen Gesellschaft die Grenze zwischen Innen und Außen, privat und öffentlich zunehmend geschmolzen ist. Auf der anderen Seite können wir beobachten, wie stets wieder Grenzen aufgebaut werden, wozu zum Beispiel ein imaginärer Feind herhält, der hinter dem eisernen Vorhang oder hinter dem Kopftuch, dem Hijab, verortet wird. In dieser Doppelbewegung beantwortet gerade die westliche Gesellschaft offenbar die Auflösung von Grenzen oder Schwellen immer, indem sie gleichzeitig irgendwo wieder eine Grenze setzt. Die sozialen Konventionen ersetzen willkürlich gesetzte Grenzen, die je nach historischer oder kultureller Situation immer wieder neu imaginiert und festgehalten werden.

Berlin, 25. August 2008

Christina von Braun ist Kulturtheoretikerin, Autorin und Filmemacherin. Seit 1994 ist sie Professorin für Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.

ARCH+, Mi., 2009.03.25

25. März 2009

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