Details

Adresse
Museumsplatz 1, 1070 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Alfred Pleyer (PL), Michael Wistawel (PL), Gerhard Abel, Nathalie Arzt, Walter Beer, Marc Berutto, Rosa Borscova, Margarete Dietrich, Mona El Khafif, Mehmet Even, Angela Hareiter, Roswitha Kauer, Helmut Kirchhofer, Martina Küng, Leszek Liszka, Harald Lutz, Heimo Math, Judith May, Karl Meinhart, Richard Messner, Christian Nuhsbaumer, Eva Maria Rebholz, Georg Smolle, Szczepan Sommer, Wolfgang Steininger, Philipp Tiller, Michael Wildmann, Melih Yerlikaya, Josef Zapletal
Tragwerksplanung
FCP
Weitere Konsulent:innen
Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär, Elektro, Fördertechnik: Austroconsult, Wien
Bodengutachten: Erik Würger, Wien
Geometer: Harald Meixner, Wien
Licht-Planung: Kress & Adams, Köln
Bauphysik, Bauakustik: Büro Pfeiler GmbH., Graz; Quiring Consulting, Innsbruck
Maßnahme
Neubau
Planung
1990
Ausführung
1998 - 2001

Presseschau

15. Februar 2003Walter Chramosta
Spectrum

Wenigstens ein Grenzwächter?

Das Museumsquartier ist in Wien als Rufzeichen und Verwunderungskammer für die Kunst etabliert. Das intendierte Stadtstück ist es noch lange nicht, eher eine Kulturinsel, deren Festlandverbindungen nicht regelmäßig verkehren. Anmerkungen zu einem vergessenen Fahrplan.

Das Museumsquartier ist in Wien als Rufzeichen und Verwunderungskammer für die Kunst etabliert. Das intendierte Stadtstück ist es noch lange nicht, eher eine Kulturinsel, deren Festlandverbindungen nicht regelmäßig verkehren. Anmerkungen zu einem vergessenen Fahrplan.

Zufallspassanten sind erregt, selbst Lagekenner überrascht: Plötzlich temporäre Kunst als ermunternde Einladung vor dem Museumsquartier? Vorzeichen verschärfter öffentlicher Raumwahrnehmung auf einem so ganz und gar nicht hauptstädtisch genutzten Hauptkulturgelände der Republik? Gar der Beginn einer permanenten Schau- und Begegnungszone am wichtigsten österreichischen Museumsplatz?

Bisher leistet er aber als prominente Innenstadtbrache mit baukünstlerisch gut kaschiertem Garagenüberbrückungscharakter nicht viel mehr, als glattes Auf- und Abmarschgelände der Kunstinteressierten zu sein. Das Sempersche Kaiserforum hat keine adäquate räumliche Fortsetzung gefunden. Zur Langfassade von Fischer von Erlach hat sich mangels rechtzeitiger argumentativer Klärung vor der Fertigstellung des Museumsquartiers stadtplanerisch und denkmalpflegerisch nur der Fluchtbegriff „freihalten“ finden lassen.

Das Museumsquartier endet zentrumsseitig auch ein Dutzend Jahre nach dem Wettbewerbs entscheid als Wirkungseinheit an der barocken Fassadenflucht. Hier verläuft noch immer eine Interessengrenze der Betreiber, hier scheiden sich die Interventionsgeister der betroffenen Körperschaften, hier türmen sich wilde Angstpotentiale auf einem touristisch fetten Nährboden, genannt Weltkulturerbe. Könnte als Minimalziel zur urbanistischen Aufrüstung des Vorlandes, fragen sich viele Fachleute, nicht wenigstens ein architektonischer Grenzwächter errichtet werden, der die Sinne mit der Zeit so weit schärft und die Zweifel so weit schwächt, bis eines Tages architektonische Grenzverächter, die man mit den 1987 vorgestellten Wettbewerbsprojekten von Ceska/Hofstätter/Pauzenberger, Riegler/Riewe oder Turnovsky/Hauser noch in inspirierender Erinnerung hat, an ihre Stelle treten können?

Vorerst täuschen große Werbeankündigungen, Leuchtstelen im Raster, Lichtdeckel für die U-Bahn, die zuwenig tief errichtete Garage, Fahrrampen, Stationszugänge, Restrasen, Strauchfallen, eine wohl nach Blattflächenverlust bei der Rodung und nicht nach räumlichem Kalkül gesetzte Alibi-Allee et cetera über den dysfunktionalen Zwischenraum inmitten städtebaulich starker, aber hier nie ganz in kontrollierte Berührung gekommener Baueinheiten der Stadt hinweg. Die derzeitige Installation weißer Igluteile aus Hartschaumkörpern, die zum letztjährigen Weihnachtspunschhütten-Projekt der Architekten Anna Popelka und Georg Poduschka im Museumsquartier gehören, macht eindrücklich Dimension und Bedeutung des scheinbar von Investoren und Politik in seinem Potential übersehenen Stadtraumes bewußt.

Auch wenn die serielle Skulptur von PPAG kommentarlos und nur teilweise das Vorfeld des Museumsquartiers zwischen der auf die Hofmuseen bezogenen Mittelachse und der Mariahilfer Straße besetzt, ihre Stellung und Wirkung zeigt eine schon seit der Wettbewerbsauslobung nicht mehr hart angerissene Problematik auf. Die nun dominierenden städtebaulichen Alleinstellungsmerkmale des Museumsquartiers entsprechen weder der Intention des Bauherrn noch dem Siegerprojekt von Laurids und Manfred Ortner im internationalen Wettbewerb. Vielmehr haben mediale Diffamierung und postwendende politische Redimensionierung bewirkt, daß sich die Bauten hinter dem barocken Rahmen ducken mußten.

Die „Krone“, die sich der dem Ortner-Projekt immanenten lokalen Stadtkrone erfolgreich widersetzte, und ihre ideologischen Zulieferer werden nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können. Aber auch diese Kräfte werden noch erleben müssen, wie Bürger und Architekturinstanzen die Oberhand gegenüber ihrer Angst vor dem besseren Neuen gewinnen. Zubauten werden das Museumsquartier vervollständigen und dem ursprünglichem Gehalt etwas näher bringen.

Die Ideenkonkurrenz hatte klare Prämissen und ebenso eindeutige Ergebnisse, die in der Projektrealisierung verwässert wurden. In der ersten Phase des Architektenwettbewerbes „Messepalast“ im Areal der ehemaligen Hofstallungen war der städtebauliche Rahmen nicht zu eng gespannt: „Das Wettbewerbsgebiet umfaßt das Areal des ,Messepalasts' einschließlich der als ,Messeplatz' bezeichneten Freifläche. Unter der sich die ,Messeplatzgarage' befindet. Das Wettbewerbsgebiet liegt unmittelbar hinter den beiden großen Museen an der Ringstraße, den Anschluß des geschlossenen, historisch gewachsenen Baugebiets des 7. Gemeindebezirks bildend und südlich und nördlich von der Mariahilfer Straße und der Burggasse als Radialstraße begrenzt. Das Wettbewerbsgebiet ist somit zentral im Stadtgebiet gelegen.“ Die Ausschreibung zur zweiten Phase bestätigte das: „Die Gestaltung des gesamten ,Vorfeldes' wird als wesentliche Aufgabe des Wettbewerbes betrachtet.“

Das Juryprotokoll der zweiten Wettbewerbsstufe vom November 1990 stellte als bestärkende Eigenschaft des Siegerprojekts der Gebrüder Ortner fest: „Der Entwurf geht nun von dem Gedanken aus, das Areal des Messepalastes sei von einer ,Stadtmauer' umfriedet, unterstreicht aber mit der Vielfalt der Zugänge die funktionelle Verflechtung mit dem Stadtraum in optimaler Weise. Konsequenterweise wird im Bereich ,Vorplatz Mariahilfer Straße' der Zugang ins Areal als Unterführung des Fischer-von-Erlach-Baues gesucht. Die Aufteilung des Medienforums auf drei voneinander getrennte Baukörper, von denen sich einer außerhalb der ,Stadtmauer' befindet, entspricht der Auslobung, da es sich um verwaltungsmäßig getrennte Einheiten handelt.“

Das Siegerprojekt zeigt einen quaderförmigen Baukörper parallel zur Lastenstraße, teilweise die Garage überbauend, aber über einen tiefergelegten Hof die Vorlandnutzung in das Quartierinnere ziehend. Die Höhe dieses Baukörpers und seine Stellung orientieren sich an der Traufe und den Fassadenfluchten des Kunsthistorischen Museums, zumindest ein möglicher städtebaulicher Anhaltspunkt. Das Vorfeld ist mit Baureihen und Bodenbelägen grob in rektanguläre Felder in der Ordnung des Kaiserforums gegliedert, vor Fischers Mitteltrakt einen Bereich offen haltend. In den Überarbeitungen verkleinert sich das Medienhaus immer weiter, bis es 1992 aus dem Projekt verschwindet. 1999 steht wieder ein Medienkubus im Entwurf, allerdings nach Süden von der Tiefgarage und dem Grundeigentum der Republik Österreich abgerückt, zur Gänze auf dem als Park gewidmeten Boden der Stadt Wien nahe der U2-Station Mariahilfer Straße. Erst die absehbare Fertigstellung des Museumsquartiers und das Insistieren von Ortner & Ortner auf einer Gesamtlösung im Sinne des von ihnen zur Gänze, inklusive Vorplatzarrondierung- und -bebauung gewonnenen, aber dann von der Errichtungsgesellschaft nie zur Gänze zugeschlagenen Auftrags bringt also konkrete politische und behördliche Überlegungen zum Vorplatz in Gang.

Die Stadt Wien läßt Ortner & Ortner Entwurfsoptionen für das Vorfeld untersuchen, zugleich versuchen die Architekten Investoren von dem Standort zu überzeugen. Die großen Chancen des trapezförmigen Gebiets werden freilich erst bei der Rodung erkennbar. Eine Installation aus einer Parallelschar in grellem Orange gehaltener Netze von „Querkraft Architekten“ erweckt für die Öffentlichkeit erstmals die räumliche Brisanz des Vorgeländes. In einer profunden städtebaulichen Studie für die Magistratsabteilung 19 stellen Erich Raith und Reinhardt Gallister im Sommer 2000 klar, daß die Mariahilfer Ecke eine auf mehrere Arten architektonisch gut bespielbare, städtebaulich vielfältig determinierte und auch mit Gewinn determinierbare Situation darstellt. Eine der drei von ihnen überprüften und für tauglich befundenen Bebauungsoptionen, der Solitär, wird freilich gleichzeitig von Ortner & Ortner schon mit der BAWAG als „Designcenter“ ventiliert.

Obwohl das um neunzig Grad verwundene Ellipsoid für das „Designcenter“ die städtebaulichen Determinanten als autonomes Stück, als alle stadtgeometrischen Anfechtungen weitgehend abweisende Signalarchitektur erfüllte, scheiterte das Projekt am Kleingedruckten. Das Angebot der Stadt, auf bestehendem Grünland auf zehn Jahre ein ephemeres Objekt zu erstellen, erschien der Bank pragmatisch zuwenig fundiert. Eine neue Flächenwidmung war wegen der öffentlichen Ansprüche an jede private Nutzung an diesem prominenten Ort zeitlich zu aufwendig; zudem stimmte wohl die entscheidende Dreiecks-Chemie zwischen Architekt, Investor und Stadt nicht ganz. Das soll kein böses Omen sein: Der Standort ist heiß, kombinierte kunst-, kultur- oder wissenschaftsbezogene Nutzungen zeichnen sich mehrfach ab, der stadtpolitische Wille steht keinem beherzten Investor und auch keiner Institution entgegen.

Wer es ernsthaft wagt, diesen vergessenen Fahrplan aufzuschlagen, dem ist eine direkte Fahrt zu architektonischen und somit medialen Weltwirkungen sicher. Im übrigen ist dieser Ansporn Hans Dichand als Himmelshüter über sämtlichen Hofstallungen anläßlich seines Ausscheidens aus dem aktiven Berufsleben gewidmet, das ihm nun endlich erlauben könnte, im Rahmen einer Honorarprofessur für Populistik im Städtebau seine urbanistischen Argumente auf akademischem Boden prüfen zu lassen.

04. Mai 2002Thomas Trenkler
Der Standard

Neue Suche nach einem Wahrzeichen

Hochfliegende Pläne fürs Museumsquartier

Hochfliegende Pläne fürs Museumsquartier

Der Leseturm als architektonisches Wahrzeichen für das Museumsquartier ist längst Geschichte. Auch der Laserturm, dessen Strahlen nachts den Weg zum Kulturareal weisen, wird es bald sein: Die Installation soll noch im Juni abgebaut werden.

Ein weithin sichtbares Signal aber brauche es, meint Edelbert Köb, der neue Direktor des Museums moderner Kunst. Denn wer ahne schon, was sich hinter der Fassade der ehemaligen Hofstallungen verstecke. Flugs flogen seine Gedanken hoch: Köb träumte von einem riesigen Spiegel über der Szenerie. Diesen an einem Kran zu montieren scheiterte aber: Weil die Decke der Tiefgarage keine großen Lasten verträgt.

Köb beauftragte daraufhin Michelangelo Pistoletto - und was dem 1933 in Turin geborenen Universalkünstler, der schon öfters mit Spiegeln gearbeitet hat, einfiel, liegt nahe: Er lässt den Spiegel an einem Ballon, rund wie das MQ- Logo, in die Lüfte schweben.

Wolfgang Waldner, der Chef des Quartiers, meint, er sei für alle guten Ideen zu haben. Die technische Machbarkeit müsse allerdings erst einmal geprüft werden. Demnächst will er eine Konferenz der Nutzer einberufen, um mögliche Signale zu diskutieren. Kostenschätzung für die Installationgibt es noch keine.

11. Januar 2002Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung

Mangelkubus

Umbau des Mumok Wien

Umbau des Mumok Wien

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05. Januar 2002Ute Woltron
Der Standard

Adaptierung im Basaltblock

Das Mumok wird seinem Neubetrieb im MQ gemäß zurechtgeschliffen

Das Mumok wird seinem Neubetrieb im MQ gemäß zurechtgeschliffen

Wien - Das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig (Mumok) im Wiener Museumsquartier soll, so will es sein neuer Chef Edelbert Köb, noch im Frühjahr adaptiert und auch räumlich seinem neuen Ausstellungskonzept angepasst werden. Das gesamte Haus - es handelt sich um den schwarzen Basaltblock - stehe vor einer inhaltlichen Neukonzeption, die auch architektonische Eingriffe erfordere, sagte Köb zum STANDARD.

Dringend gebraucht werde vor allem eine klar definierte Ausstellungsebene, die sich vom musealen Bereich, in dem künftig „größere thematische, didaktisch und pädagogisch aufbereitete Teile der Sammlung“ gezeigt werden sollen, auch optisch unterscheiden müsse.

Der Mumok-Direktor hat den Künstler Heimo Zobernig aufgefordert, verschiedene Lösungen für dieses Problem auszuarbeiten. Im Idealfall, so Köb, könnte der prominente hohe Liftschacht des Gebäudes im Geschoß unter dem Kuppelsaal überdeckt werden, was eine geräumige Ausstellungshalle erzeugen würde. Museumsquartier-Architekt Laurids Ortner steht den Plänen auf Anfrage des STANDARD aufgeschlossen gegenüber: „Adaptionen gehören dazu, ein Haus wie dieses muss so etwas aushalten können. Es wird sich im gesamten Areal sicherlich noch einiges tun, da soll es ruhig wuchern.“

Notwendig ist auch ein außen geführter neuer Erschließungssteg zum Restaurant des Museums, das derzeit nur äußerst schwer auffindbar ist. Dieser neue Weg wird Besucher künftig auch in neue Mumok-Repräsentationsräumlichkeiten innerhalb der alten Hofstallungen leiten. Edelbert Köb: „Wir machen dort aus einem barocken, marmorverkleideten Stall einen Bankettsaal, denn wie sollen wir Geld verdienen, wenn für Sponsoringaktivitäten kein Raum vorhanden ist.“

Das kolportierte enorme Ausmaß der Bauschäden dementiert der Mumok-Chef, es seien „viele Kleinigkeiten zu adaptieren, die allerdings bei Projekten dieser Größenordnung das Übliche nicht übersteigen“ würden. Um sowohl die Schäden auszubessern - die Terrazzoböden müssen etwa neu geschliffen und versiegelt werden - als auch die Ausstellungsorganisation zu perfektionieren und die diversen Räumlichkeiten zu adaptieren, wird das Museum ab April voraussichtlich vorübergehend geschlossen werden. Köb: „Wir machen zu, um die Sammlung umzustellen und beseitigen in dieser Zeit auch die diversen Mängel. Wir hoffen, alles in fünf, sechs Wochen erledigt zu haben.“

21. September 2001Günther Frohmann
Salzburger Nachrichten

Das Haus eines Sammlers

Am Samstag öffnet das Leopold-Museum im Wiener Museumsquartier. Es dokumentiert Werke der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts.

Am Samstag öffnet das Leopold-Museum im Wiener Museumsquartier. Es dokumentiert Werke der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts.

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17. September 2001ORF.at

Eröffnung, die zweite

Erstmals in seiner Geschichte ist die Sammlung des Museums Moderner Kunst unter einem Dach zu sehen sein. Am Samstag wurde die Sammlung eröffnet.

Erstmals in seiner Geschichte ist die Sammlung des Museums Moderner Kunst unter einem Dach zu sehen sein. Am Samstag wurde die Sammlung eröffnet.

Im Juni wurde das Museumsquartier Wien offiziell eröffnet. Von Sommerpause war seither jedoch keine Rede, denn während der vergangenen Wochen wurden jene beiden Häuser mit Kunst bestückt, die als Attraktion des Geländes fungieren und zur Eröffnung nur ihre leere Hülle präsentierten. Den Auftakt zur nächsten Eröffnungswelle im Museumsquartier machte das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (MUMOK) an diesem Samstag.

„Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt. Der weite Weg entschuldigt Euer Säumen“: Alt-Vizekanzler und -Wissenschaftsminister Erhard Busek als Festredner bemühte am Samstag Schillers „Wallenstein“ zur Eröffnung des Museums moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (MUMOK) im MuseumsQuartier, um sich als einer der Gründerväter dieses Hauses und des MQ auch des „weiten Wegs“ und seiner Hindernisse (und Verhinderungsversuche) zu erinnern.


„Diese Sammlung repräsentiert statt banaler Klischees die Struktur der mitteleuropäischen Moderne“, meinte Paul Lendvai, sie schlage transnationale Brücken. Jean-Hubert Martin (vormals Centre Pompidou und nun Direktor des erst vor wenigen Tagen eröffneten Museum Kunst Palast in Düsseldorf) hob das „globale Repertoire“ des Hauses hervor, das über die „Nato-Kunst“ hinweggewachsen sei.


Schwerpunkte

Es könne mit speziellen Schwerpunkten aufwarten: Dank der Schenkungen des Ehepaar Ludwigs (Pop Art, Hyperrealismus), dank der Sammlung Hahn (Fluxus und Nouveau Realism), dank der Ankaufsmittel der Stiftung Ludwig, mit der es möglich wurde, dass hier eine Kollektion der Arte povera zu finden ist, die auch in Italien ihresgleichen suche, die wohl größte Werkblock von Bertrand Lavier, bedeutende Arbeiten von Tony Cragg, Franz West, Ilya Kabakov oder Gilbert und George, die dem Museum Akzente Verleihen.

Lavier, Kabakov und Gilbert und George waren denn auch unter den Künstlern, die zur Eröffnung kamen, ebenso wie viele Museumsleiter. Den Auftakt zum Eröffnungsfest machte die Videopräsentation „The World of Gilbert und George“ in Anwesenheit der Künstler.


20er Haus wird saniert

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer als Eröffnungsrednerin bekannte sich „zur wichtigen Aufgabe, die Kunst und Kultur zu fördern“ und versicherte, dass man nun nach dem Erreichen eines wichtigen Zieles weitere vor Augen habe.

Sie verwies auf die zusätzlichen 800 Millionen Schilling für Investitionen in den Ausbau von Museen. Unter Applaus versprach die Ministerin auch, dass das 20er Haus weiter für Ausstellungen zur Verfügung stehen und alsbald saniert werde.


Weitere Eröffnungen im MQ

Danach werden nahezu im Wochenrhythmus das Leopold Museum, das ZOOM Kindermuseum, das Tanzquartier Wien sowie das Architektur Zentrum Wien (AZW) folgen.


Sechs Ausstellungs-Ebenen

Eröffnet wurde das neue Haus, das über eine Ausstellungsfläche von 4.800 Quadratmetern verfügt, mit einer Präsentation seiner Sammlung. Unter dem Motto „Die Sammlung“ werden etwa 400 Werke des Museums bis zum 17. März des kommenden Jahres gezeigt.

Auf sechs Ausstellungsebenen werden die Schwerpunkte der Kollektion - Pop-Art und Fotorealismus, Fluxus und Wiener Aktionismus - in chronologischer Anordnung sowie weitere kleinere, thematisch orientierte Werkgruppen. - präsentiert.
Mit der Schau „Diskursive Malerei“, die in der im untersten Tiefgeschoss gelegenen „Factory“ ausgestellt wird, wird die Erstpräsentation ergänzt.


Symposium

Von 20. bis 22. September wird bei einem Symposium zu aktueller Kunst aus Osteuropa unter dem Titel „Split Reality - East&East“ schließlich die Theorie nachgereicht.

Und bereits bald nach der Eröffnung des neuen Hauses dürfte die Stafettenübergabe der Direktoren erfolgen: denn offiziell zum Jahreswechsel folgt Edelbert Köb auf Lorand Hegyi.


Von Pop-Art bis Objektkunst

Mit den Sammlungsschwerpunkten Pop-Art und Fotorealismus, Fluxus und Nouveau Realisme sowie Wiener Aktionismus verbindet das MUMOK auf einzigartige Weise die Höhepunkte gesellschafts- und realitätsbezogener sowie performativer Kunst des 20. Jahrhunderts.

Dazu kommen Werke der Concept-Art, Minimal-Art und Land- Art, Arte-Povera, Installations- und Objektkunst der jüngsten Vergangenheit und medienbezogene Positionen der Gegenwartskunst.


Kunstbetrachtung aus 2 Jahrzehnten

Die Eröffnungspräsentation zeigt einerseits die einzelnen Tendenzen in chronologischer Anordnung und andererseits kleinere, thematisch orientierte Werkgruppen. Sie manifestieren die Verschränkung der Kunstbetrachtung in den letzten zwei Jahrzehnten.

14. September 2001Günther Frohmann
Salzburger Nachrichten

Die Moderne hat eine Heimstatt

Am Samstag wird im Wiener Museumsquartier das basaltgraue Museum moderner Kunst der Architekten Ortner & Ortner feierlich eröffnet.

Am Samstag wird im Wiener Museumsquartier das basaltgraue Museum moderner Kunst der Architekten Ortner & Ortner feierlich eröffnet.

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04. August 2001Almuth Spiegler
Die Presse

Rosa Automaten gegen die Schwere

Einen Architekturführer durch das MQ, den ersten und einzigen, kann man ab heute aus vier Spendern am Museumsareal ziehen.

Einen Architekturführer durch das MQ, den ersten und einzigen, kann man ab heute aus vier Spendern am Museumsareal ziehen.

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04. Juli 2001Hans-Peter von Däniken
TagesAnzeiger

Die Demokratie ist der schlechteste Architekt

Das neue Museumsquartier in Wien ist ein einzigartiges Projekt - und ein erschütterndes Beispiel für den Mangel an architektonischer Zivilcourage.

Das neue Museumsquartier in Wien ist ein einzigartiges Projekt - und ein erschütterndes Beispiel für den Mangel an architektonischer Zivilcourage.

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30. Juni 2001Barbara Petsch
Die Presse

„Das ist Architektur vom Feinsten!“

Architekt Laurids Ortner zeigt sich von Kritik am MQ unbeeindruckt und ist stolz auf seine „subversive Klassik“.

Architekt Laurids Ortner zeigt sich von Kritik am MQ unbeeindruckt und ist stolz auf seine „subversive Klassik“.

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29. Juni 2001Salzburger Nachrichten

Endgültig eröffnet

Nach mehreren Eröffnungen von Teilen des Wiener Museumsquartiers zieht heute, Freitag, Bundespräsident Klestil die Summe der Eröffnungen.

Nach mehreren Eröffnungen von Teilen des Wiener Museumsquartiers zieht heute, Freitag, Bundespräsident Klestil die Summe der Eröffnungen.

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28. Juni 2001Leopold Dungl
Kurier

MQ: Operation gelungen, Patient tot

21 Jahre hat es gedauert, bis das Wiener Museumsquartier fertig geworden ist.

21 Jahre hat es gedauert, bis das Wiener Museumsquartier fertig geworden ist.

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28. Juni 2001Thomas Trenkler
Der Standard

Der Nutzungsmix

Museumsquartier Wien

Museumsquartier Wien

Die Sozialdemokraten, die der Vision Guggenheim auf der Donauplatte nachhingen, mussten 1994 wieder neu für das Museumsquartier begeistert werden - was Günter Bischof, dem Muqua-Chef, und Gerda Themel, seiner engsten Mitarbeiterin, auch gelingen sollte: Sie gewährten bis auf Widerruf neuen, kleinen Institutionen Platz. Zudem wurde ein Konzept verfasst, das Elisabeth Gehrer im Ministerrat vortrug: In diesem ist von einem „bunten Nutzungsmix“ und einem „offenen Besiedlungskonzept“ die Rede.

Jetzt galt es noch, die Zustimmung des Bundesdenkmalamtes zu erhalten. Waren das Nervenschlachten! Die Brüder Ortner gingen schließlich eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Denkmalschutzexperten Manfred Wehdorn ein, das Museumsquartier wurde wieder einmal neu geplant (vierte Redimensionierung). Denkmalamtspräsident Gerhard Sailer hielt Wort: Im Oktober 1997, wenige Wochen vor seiner Pensionierung, überreichte er den Bescheid. „Dem Antrag auf Veränderung des Gebäudekomplexes Museumsquartier wird stattgegeben.“ Mit der Umsetzung konnte begonnen werden.

28. Juni 2001Ute Woltron
Der Standard

Baustelle betreten erlaubt!

Das Wiener Museumsquartier der Architekten Ortner & Ortner und Manfred Wehdorn ist noch nicht fertig gestellt, wird aber sicherheitshalber eröffnet. Bereits jetzt steht fest: Bevor das alte Gemäuer mit dem Neuen die Ehe vollziehen konnte, sind beide aneinander verstorben.

Das Wiener Museumsquartier der Architekten Ortner & Ortner und Manfred Wehdorn ist noch nicht fertig gestellt, wird aber sicherheitshalber eröffnet. Bereits jetzt steht fest: Bevor das alte Gemäuer mit dem Neuen die Ehe vollziehen konnte, sind beide aneinander verstorben.

Wien - Es war nicht die Thuje, es war die Eibe. Es war die Eibe, für die man sich entschied, um den Vorplatz des neuen Wiener Museumsquartiers zu gestalten. Frisch gesetzte Heckchen in größeren und kleineren U-Formen sticken ein imperial-grafisches Muster in das Areal vor dem frisch gefärbelten ehemaligen Messepalast, der heute noch so tut wie vor 100 Jahren, als hinter dem stattlichen Riegel kaiserliche Rosse wieherten.

Pferde und Kaiser sind von uns gegangen, bleiben musste die alte Architektur, kommen durfte nur zaghaft und versteckt Neues. Die Eibenhecken verraten Flaneuren, Hunden und Vorbeiradelnden nicht, dass hinter der gelben Fassade einer der größten Kulturbezirke Europas liegt. Warum sollten sie auch? Alt und neu ringen dort im Verborgenen miteinander wie die Capulets und Montagues, und vor allem in den Zwischenzonen fließt schmerzlich Blut.


Versteckspiel

Die gesamte Anlage zelebriert ein kompromisslerisches Versteckspiel auf allen Ebenen, die Architektur zu bieten hat: Die neuen Museumsblöcke in Weiß und Schwarz verstecken sich vor den Augen der Stadt hinter historischer Bausubstanz. Die neue Kunsthalle in Ziegelrot verbirgt sich hinter der ehemaligen Winterreithalle. Die reichen, schwülstigen Stukkaturen derselben verschwinden - frisch und aufwendig restauriert und fürderhin nur von Spinnen und Mäusen zu besichtigen - hinter den neu eingebauten Wänden der Veranstaltungshalle sowie hinter Vorhängen rattengrauer Raffung, wie man sie vielleicht einst in den Vorstadtkinos zu schätzen wusste.

Verwirrend und ein Vexierspiel auch die Wegeführung durch den Komplex: Die Besucher gehen in Zwischengängen, Treppenhäusern, Foyers und Vor-Foyers verloren, stets auf der Suche nach dem Ein- oder Ausgang der diversen Institutionen. Die dunkel verspiegelten neuen alten Fenster der Reithalle glotzen als blinde Attrappen in den Hof, der pompös treppenbeflankte historische Eingang führt schon lange nirgendwohin, die Steintapetentüren darunter ins Unbekannte.

Der jahrzehntelange und in ermüdende Medien- und Besserwissergemetzel ausgeartete Versuch, hier Altes mit Neuem zu einem überregional einflussreichen Kulturbezirk zu verheiraten, ist in einer erstaunlichen, zuweilen hilflosen, gelegentlich fast ordinären Material- und Detailflut grandios abgesoffen. So gibt es etwa eine unverständliche Vielfalt verschiedenartigster Geländer - hier verglast, dort in lackiertem, geschwungenem Metallgeflecht ausgeführt, dann wieder mächtig hirschgeweihartig verröhrt.

Allein die diversen Inschriften auf der Fassade der Winterreithalle malen deutlich an die Wand, wie viele Kräfte hier sinnlos walteten: In der Mitte verkündet Schwarz auf Rosa der Schriftzug des Franz Joseph die Botschaft untergegangener, jetzt scheinbar entstaubter Zeit. Gleich rechts davon beeilt sich in Neonorange und flott elektroverkabelt die Kunsthalle auf ihre Existenz hinzuweisen, und wieder daneben prangt in Weiß eine Lichtanzeige für die dort befindliche Nebenhalle.


Trügerische Hoffnung

Im Jänner dieses Jahres war noch Hoffnung gewesen. Damals übergab man die neuen Einbauten der Architekten Ortner & Ortner ihren Betreibern, und Zement- und Kiesstaub deckten noch gnädig jene Zwischenzonen zu, die nun das Gesamtprojekt architektonisch völlig zur Strecke gebracht haben. Die einzelnen Blöcke des Museums Leopold und des Museums moderner Kunst - man mag zu den althergebrachten und im Vergleich zu den meisten zeitgenössischen Museumsbauten sehr konservativ ausgefallenen Raumkonzepten stehen, wie man will - lagen durchaus proper in der Quartierlandschaft. Das Neue war mit dem Alten noch nicht wirklich verbunden, der gestalterische Pas de deux der Architekten Ortner und Manfred Wehdorn setzte erst später so richtig ein.

Die nun präsentierte Architekturinszenierung ist misslungen, sie nimmt sich ähnlich absurd aus wie der Tanz der kleinen Schwäne, patschert vorgetragen von Otto Schenk und Helmut Lohner.

Die neuen Stahl-Glas-Portale etwa in den alten Trakten schreien das dem Betrachter förmlich entgegen: Horizontal verläuft unverständlicherweise ein wellig-konturierter, historisierender Sturz - wahrscheinlich ein Versuch, die Architektursprache der Vergangenheit ins Zeitgenössische zu übersetzen. Unmittelbar darunter befinden sich gerade Türen im Portalensemble. Hinter diesen Formalmassakern lagen einmal alte, durchaus charmante Stiegenhäuser. Sie mussten terrazzoversiegelten Treppenanlagen weichen, die nun den Charme des sozialen Wohnbaus der Sechzigerjahre atmen.

Während das Neue also unbeholfen mit dem Alten zu kommunizieren versucht, ist auch die gemütlich patinierte Aura der historischen Gemäuer nach der Restaurierung einer seltsamen, unwirklichen Stummheit gewichen. Zu diesem Nichts-mehr-sagen-können-oder-Wollen passt letztlich auch die erdrückende Gestaltung des großen Platzes.

Dort befinden sich 14 fein säuberlich in Linie aufgestellte, aus Stein gehauene und sorgfältig polierte Sitzblöcke. Die Trümmer liegen stumm und ergeben da wie große Sarkophage, unter jedem könnte man einen Architekten, einen Bürgermeister, einen Zeitungsbaron mitsamt seinem persönlichen, idealen Museumsquartier argwöhnen. Die Szene hat etwas Schauerliches und wird verstärkt durch das Gerücht, der Sammler Rudolf Leopold habe schon für die Ewigkeit vorgebaut und ein marmornes Nischerl in seinem Museumsblock für seine Urne reservieren lassen.

Auch die schnurgerade Reihe der hölzernen Sitzbänke gegenüber hat etwas Friedhofsartiges, Stimmung kommt hier keine auf. Der Platz wirkt wie tot, und dass hier die schlampigsten Steinarbeiten zu besichtigen sind, die in den vergangenen Jahrzehnten in Europa verbrochen wurden, verstärkt die Aura der Freudlosigkeit, die über dem gesamten Areal liegt.

Die Errichtung des MQ war ein gut dokumentiertes, oft durchgespieltes Drama in vielen Akten. Eröffnet werden nun leere Häuser, in die das Leben wahrscheinlich langsam über die vielen Wege der Kunst einkehren wird. Doch die Liebe zur Architektur, die wirklich gute Gebäude erst leben und atmen lässt, hatte hier nie eine Chance. Sie ruhe sanft hinter Eibenhecken, in wienerischer Selbstbeweihräucherung.

28. Juni 2001Ute Woltron
Der Standard

Architekturzentrum

Zu Beginn, im Jahr 1993, war alles noch ziemlich improvisiert, doch sehr rasch etablierte sich das Architektur Zentrum Wien (AZW) samt seinem Chef und Vordenker Dietmar Steiner zur quirligsten Architekturinstitution der Bundeshauptstadt.

Zu Beginn, im Jahr 1993, war alles noch ziemlich improvisiert, doch sehr rasch etablierte sich das Architektur Zentrum Wien (AZW) samt seinem Chef und Vordenker Dietmar Steiner zur quirligsten Architekturinstitution der Bundeshauptstadt.

Zu Beginn, im Jahr 1993, war alles noch ziemlich improvisiert, doch sehr rasch etablierte sich das Architektur Zentrum Wien (AZW) samt seinem Chef und Vordenker Dietmar Steiner zur quirligsten Architekturinstitution der Bundeshauptstadt. Architektonisches Geschick verwandelte mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln die alten Hallen im Messepalast zu einem tadellosen Treffpunkt der Szene, organisatorischer Weitblick und Steiners weltweite Architekturkontakte holten interessante Ausstellungen, vor allem aber internationale Gäste nach Wien. Rem Koolhaas trug hier sein Architekturcredo genauso vor wie die französischen Newcomer Anne Lacaton und Philippe Vassal. Letztere zeichnen auch für die Gestaltung des neuen Zentrums-Cafés verantwortlich.

Steiners Absicht war immer, internationale Trends nach Wien zu holen, nicht aber, als deklarierte PR-Agentur für die heimischen Baukünstler zu wirken. Dennoch strahlt das Zentrum auch ins Ausland: Zum Beispiel wanderte die Ausstellung über die Nachwuchsriege der Architektur mit dem Titel emerging architects nach Kopenhagen und Frankfurt, ab dem Herbst wird sie in Budapest zu sehen sein.

Das neue AZW wird sich über 2000 Quadratmeter erstrecken. Während die Bibliothek im Oktogon, die neue Halle und das Archiv noch fertiggestellt werden, hat die alte Halle mit der Ausstellung Detonation Deutschland bereits eröffnet. Die Inbetriebnahme der Cafeteria erfolgt am 12. September, die endgültige Eröffnung findet am 10. Oktober mit der Ausstellung Sturm der Ruhe. What is architecture? statt.

28. Juni 2001Thomas Trenkler
Der Standard

Museumsquartier Wien (6)

Das Denkmalamt gibt grünes Licht

Das Denkmalamt gibt grünes Licht

September 1994 Kunstraum und Depot werden eröffnet.
November 1994 Erste Ausstellung des Kindermuseums Zoom.
März 1995 Public Netbase t0 bezieht Quartier.
April 1995 Elisabeth Gehrer löst Erhard Busek ab.
Mai 1995 Die Brüder Ortner gehen eine Arbeitsgemeinschaft mit Manfred Wehdorn ein. Die Neuplanung beginnt.
September 1995 Die Vorentwürfe für das neuerlich redimensionierte Projekt werden beim Bundesdenkmalamt eingereicht.
Dezember 1995 Die Kunsthalle eröffnet ihre Dependance.
März 1996 Das Denkmalamt lässt die Kubaturen der Neubauten mit Kränen simulieren. Der Beirat (Vorsitz: Gustav Peichl) empfiehlt mit 3:2 Stimmen die Umsetzung des Vorentwurfs.
Oktober 1996 Gehrer spricht sich im Ministerrat für einen „bunten Nutzungsmix“ und ein „offenes Besiedlungskonzept“ aus.
November 1996 Peter Marboe (VP) folgt Ursula Pasterk als Kulturstadtrat nach. Görg plädiert nun für eine rasche Umsetzung.
April 1997 Bischof regt ein Tanzhaus im Museumsquartier an.
Juni 1997 Die endgültigen Pläne werden eingereicht.
Juli 1997 Das Denkmalamt lehnt einen Glasvorbau für die Winterreithalle und einen Aufbau für die Kunsthalle ab.
Oktober 1997 Positiver Bescheid des Denkmalamts.

28. Juni 2001Matthias Boeckl
ORF.at

Amnestie für die Realität

Den Originalbeitrag von Matthias Boeckl zur Planungsphilosophie von Ortner & Ortner finden Sie in architektur aktuell.

Den Originalbeitrag von Matthias Boeckl zur Planungsphilosophie von Ortner & Ortner finden Sie in architektur aktuell.

Nach fünfzehn Jahren Konzept-, Planungs- und Bauzeit kann über die architektonischen Aspekte der Idee von Ortner & Ortner für das MuseumsQuartier eine erste Bilanz gezogen werden. Im Mittelpunkt muss dabei ihr Konzept der dichten Monolithen und des darüber gelegten layers an filigranen Nutzungsarten stehen.


Reaktion auf „Kraftfelder“

Der strukturelle Grundansatz aller Projekte von Ortner & Ortner für das MuseumsQuartier ist die Reaktion auf „Kraftfelder“ der Stadt - eine Reaktion, die sich oberflächlich in bestimmten Ausrichtungen der Bauten manifestiert, in der inneren Neuinterpretation etwa des Typus „Museum moderner Kunst“ jedoch weit über diese formale Ebene hinausgeht.

Dahinter steht eine Vorstellung von Stadt, die Ortner & Ortner seit ihren Experimenten der 1960er Jahre (damals noch in der Formation der „Haus-Rucker-Co“) während einer internationalen Karriere als in Österreich lange Zeit unterschätzte Teilnehmer der weltweiten urbanistischen Debatte entwickelt haben. Die „Amnestie für die Realität“ und der Abschied von idealistischen Denkmustern der Stadtplanung ist die Leitlinie dieses Bewusstseins, das in europäischen Regionen fortgeschrittener Urbanisierung und eines hohen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Entwicklungsstandes (vor allem in den Niederlanden) inzwischen selbstverständlich ist und bald auch die anderen urbanen Zentren Europas dominieren wird.

Die urbane Zivilisation - das ist das Prinzip dieser Überzeugung - bildet mit ihren unüberschaubaren, durch demokratische, wirtschaftliche und technologische Entwicklung forcierten heterogenen Kultur- und Lebenspraktiken ein System von Kräften, das sichtbar gemacht und infrastrukturell unterstützt werden muss, um dieser demokratischen Vielfalt neue Räume und damit auch neue gesellschaftlich/wirtschaftliche Produktivität zu geben.


Antimodernistische Tradition

Hier liegt eine traditionelle Schwachstelle im österreichischen Verständnis von Zivilisation. Denn Infrastrukturen sind in der Regel auch sichtbar, sei es die traditionelle „hardware“ der Straßen und öffentlichen Versorgungsstränge - oder die bauliche Vernetzung und Überlagerung mit neuartigen Funktionen, wie es Ortner & Ortner noch radikal im ersten Wettbewerbsprojekt vorschwebte.

Aber sichtbare Modernisierung, das gebietet die lokale Kultur des schönen Scheins, ist in Österreich weniger beliebt als eine getarnte, versteckte. Exakt an diesem Punkt entwickelte sich jene Diskussion, die sich in der nunmehrigen Realisierung des „größten Kulturbaus der Ersten und Zweiten Republik“ abbildet. Es waren weniger die Funktionen, die Kritik hervorriefen, als vielmehr die Formen, in denen sie sich darstellten.


Die Kraft der Beharrung

In der Ausdauer der Ortners, all diese Hoffnungen und auch die Bedingungen in ihrem Projekt abzubilden, liegt die auf den ersten Blick nicht sichtbare Kraft dieser Architektur. Gefordert ist ein immaterielles statt einem bloß mechanischen Wahrnehmungsvermögen. Erwartet wird ein „fluid environment“, das sich aus dem gewerblich dominierten Stadtbezirk Neubau hinter dem MuseumsQuartier über die „dunklen Gassen“ seiner rückseitigen Trakte über Treppen, Terrassen und Freiräume bis in die imperiale Sphäre des Heldenplatzes entwickelt. Und nötig ist die wesentlich entschlossenere Forcierung dieser zeitrichtigen Stadtidee der Ortners durch weitere Durchbrüche, Vernetzungen, unter- und oberirdische Verbindungen sowie das bauliche Signal alles dessen im öffentlichen Raum vor dem Quartier.

Sollte das gelingen, dann sind die anderen europäischen innerstädtischen Kulturkomplexe wie der Pariser Grand Louvre und die Berliner Museumsinsel nicht nur die gegebenen Klassenpartner, sondern könnten in der Durchmischung und im Urbanisierungsgrad vom Wiener Beispiel sogar noch profitieren.

28. Juni 2001ORF.at

Und ewig lockt der Turm

Nach Jahren erbitterter Diskussionen und mehreren Konzept-Korrekturen wird das Wiener Museumsquartier nun eröffnet.

Nach Jahren erbitterter Diskussionen und mehreren Konzept-Korrekturen wird das Wiener Museumsquartier nun eröffnet.

Etliche Vorschusslorbeeren und jede Menge Querelen und Tadel - noch vor seiner offiziellen Eröffnung am Donnerstag erhitzt das Wiener Museumsquartier (MQ), das zu den zehn größten Kultur-Arealen der Welt zählt, die Gemüter. Die Verbindung von Alt und Neu im Areal der vom Barockbaumeister Fischer von Erlach errichteten ehemaligen Hofstallungen geht manchen zu weit, anderen wieder nicht weit genug.


Sichtbares Zeichen fehlt

„Überall fragt man mich, warum wir kein deutlich sichtbares Zeichen nach außen haben. Ich wünsche mir ein Signal, ein Zeichen, wenn Sie so wollen: Einen Turm. Denn das Museumsquartier spielt in der obersten Liga der Welt“, stellte Wolfgang Waldner, sonst stolzer und zufriedener MQ-Geschäftsführer, kürzlich fest.

Klar gegen den Leseturm als neues Wahrzeichen des Museumsquartiers hat sich unterdessen Wiens Kulturstadtrat Mailath-Pokorny ausgesprochen. Stattdessen befürwortet er das Designzentrum auf dem Vorplatz. Dafür gäbe es bereits einen Entwurf. Hingegen würde der Leseturm keine Funktion erfüllen und überdies einen abermaligen Eingriff in einen bereits gestalteten Raum bedeuten, so der Kulturchef.


„Eigenverantwortliche Perlen“

Bereits davor hatte sich Vitus H. Weh, Leiter des Projekts „Kunst auf der Baustelle“ heftig gegen die Forderungen Waldners ausgesprochen. „Das letzte, was das Museumsquartier jetzt noch brauchen würde, ist ein Leseturm. Das ist nur ein monumentales architektonisches Zeichen. Was wir wirklich brauchen, ist das, was das Museumsquartier immer ausgezeichnet hat: Eigenverantwortliche Perlen.“ Vitus H. Weh ist, gemeinsam mit Markus Wailand, Koautor des Konzepts für das „Quartier 21“, das die Unterbringung kleinerer Institutionen wie depot, basis Wien oder public netbase regeln soll.


Aus der Sicht des Architekten

Und wie beurteilt der planende Architekt die unterschiedlichen Standpunkte zu Wiens neuem Kulturzentrum? Das Museumsquartier sei „von der ersten Minute an ein Objekt der Begierde“ aller Seiten und „meilenweit aus der Griffweite der Architekten entfernt“, stellte Laurids Ortner fest. Es sei vor allem den Architekten zuzuschreiben, dass das Museumsquartier realisiert worden sei. Auf politischer Ebene hätte es diesbezüglich immer an Ansprech- und Diskussionspartner gefehlt.

In Zusammenhang mit Kritik an manchen Architektur-Details verglich Ortner das Projekt mit dem Looshaus am Michaelerplatz: Es habe eine erstaunliche Frische behalten. Auch wenn man bis heute nicht wisse, was es an diesem Platz soll. Aber: „Es ist nachhaltig - das ist auch ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit, die eben nicht auf den Tageserfolg ausgerichtet ist. Wir bauen hier kein Bilbao, es geht um eine Form von Vermischung von Altem und Neuem in neuer Qualität. Die kulturkämpferische Position ist im letzten Jahrhundert abgehandelt worden“, so Laurids Ortner.


Probleme mit „Public Netbase t0“

Probleme gibt es auch mit Public Netbase t0, dem Institut für Neue Kulturtechnologien. Man werde zwar an den kommenden Eröffnungsfeierlichkeiten teilnehmen, wisse jedoch nicht, ob eine weitere Zukunft im Museumsquartier gesichert ist, heißt es in einer Aussendung. Trotz mehrfacher Ankündigung der MuQua GesmbH. sei der Netzkultur-Institution bisher der Abschluss von Mietverträgen für einen Wiedereinzug im Jahr 2002 vorenthalten worden. Damit gäbe es rechtliche Unsicherheit.


„Projekt der Metamorphosen und der Erpressung“

„Bei der Eröffnung werden Sie begeisterte Reden auch von jenen hören, die den Turm verhindert haben“, stellte Erhard Busek - als ehemaliger Wissenschaftsminister einer der „teilzeit-teilverantwortlichen Bauherren“ anlässlich der Buch-Präsentation von „Größere Gegner gesucht! - Kulturbauten im Spannungsfeld von Politik-Medien-Architektur“ fest.

„Das Museumsquartier ist ein Projekt der Metamorphosen, ein Projekt der Erpressung, ein Projekt der Charakterdarsteller, ein Projekt der Hoffnung gegen die Hoffnung“, so Busek. Er habe bei der Durchsetzung mehr die Befürworter mit ihren immer neuen Änderungsvorschlägen gefürchtet als die deklarierten Gegner. Er sei „selig“, dass das Museumsquartier nun realisiert worden sei. Schon wegen der inneren Reputation der Republik, die nun endlich diesen großen Kulturbau verwirklicht habe, meinte Busek.


[Tipps
„Größere Gegner gesucht! - Kulturbauten im Spannungsfeld von Politik-Medien-Architektur“ von Dietmar M. Steiner, Saha Pirker, Katharina Ritter Architekturzentrum Wien, Birkhäuser, 207 Seiten, ISBN: 3-7643-6463-7

Der ORF bittet zur Preopening-Party und überträgt am Donnerstag ab 20.30 Uhr aus dem Wiener Museumsquartier.

Das vollständige Programm der Eröffnungsfeierlichkeiten finden Sie auf der neu gestalteten Seite des Wiener Museumsquartiers

Ein Klassiker der - damals noch - Muqua-Debatte ist das Themenheft Zur Sache aus dem Jahr 1995.]

28. Juni 2001Dieter Bogner
ORF.at

Zufallsergebnis oder geplante Vielfalt?

Den Originalbeitrag von Dieter Bogner zum Konzept des MuseumsQuartiers finden Sie in der aktuellen Ausgabe von architektur aktuell.

Den Originalbeitrag von Dieter Bogner zum Konzept des MuseumsQuartiers finden Sie in der aktuellen Ausgabe von architektur aktuell.

Steckt hinter dieser schwer zu überschauenden Fülle der inhaltlichen Angebote des Museumsquartiers zielorientierte Planung oder handelt es sich um das chaotische Ergebnis eines Zufallsprozesses?

Aus der Sicht des bis 1994 für die Entwicklung des Konzepts verantwortlichen Leiters der MuseumsQuartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft ist die Antwort eindeutig: Eine 1989 entwickelte Vision hat sich durchgesetzt und ist schrittweise Wirklichkeit geworden. Nicht alles wurde erreicht, schmerzliche Lücken sind zu beklagen. Doch! Für weitere Bauten ist Platz, oberirdisch ebenso wie unterirdisch!


Was beibt von den Kritikern?

Die Gegner des Projekts konnten sich mit ihrer Forderung nach bedingungslosem Konservieren des Bestehenden nicht durchsetzen. Sie haben aber - das ist eine traurige Tatsache - dem Projekt Schaden zugefügt, vor allem dem urbanistischen und architektonischen Konzept von Ortner & Ortner (Link auf Ortner & Ortner-Geschichte). Das vertikale Zeichen des Medien- und Leseturms fiel diesen Diskussionen ebenso zum Opfer wie das System unterirdischer Anlieferungen, wodurch das gesamte Hofareal verkehrsfrei (!) geblieben wäre. Hochwertige kulturelle Werte haben die Gegner durch ihre Aktionen weder erhalten noch geschaffen.


Flache Hierarchie

Überraschend ist, dass im Laufe der inzwischen schon legendär gewordenen Auseinandersetzungen über das Architekturprojekt, die inhaltliche Komponente, die Besiedlungsphilosophie des MuseumsQuartiers, wenig diskutiert und kaum angetastet wurde. Die wichtigste Qualität liegt in der geplanten Komplexität und im Kontrastreichtum eines kulturellen Beziehungsgeflechts, das seine Stärke und Aktualität aus der Verknüpfung von nur zwei großen Museen - Museum moderner Kunst und Leopold Museum - mit einer Vielzahl mittlerer und kleiner typologisch höchst unterschiedlicher kultureller Einrichtungen und Initiativen mit zeitgenössischer Orientierung bezieht.

Mit dieser Besiedlungsphilosophie setzt das MuseumsQuartier einer traditionellen vertikalen Entscheidungsstruktur und zentralistischen Steuerung die Idee einer durch Unübersichtlichkeit geprägten losen „Konföderation“ mit flacher Hierarchie entgegen. In diesem Anspruch liegt die für die Zukunftsentwicklung entscheidende, weltweit wohl einzigartige Qualität des MuseumsQuartiers.


Shopping City Kultur

Der Gesamtkomplex MuseumsQuartier ist damit einer Shopping City verwandter als traditionellen Kulturzentren. Dieser Vergleich sorgt - weil fälschlicherweise inhaltlich und nicht wie gemeint strukturell verstanden - laufend für große Erregung in der Kulturszene. Der beabsichtigte Vorteil dieses Konzepts liegt im Erschweren des politischen Zugriffs auf die Gesamtheit der Nutzer bzw. einer Machtaneignung durch einen „Generaldirektor“.

Damit soll - soweit dies unter den gegebenen Umständen in Österreich überhaupt möglich ist - ein pluralistisches, demokratischeres System erreicht werden, das im Gegensatz zu Entwicklungen in der Wiener Museumsszene steht. Denn bestimmt dort nicht derzeit eher das Recht des Stärkeren das Geschehen, d.h. ein mehr oder weniger freundliches Übernehmen kleinerer Einheiten, ein offensives Erweitern des jeweiligen Einfluss- und Machtbereiches, ein Übertrumpfen der Konkurrenten?

Dieter Bogner ist von 1990-94 als Geschäftsführer der Museumsquartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft für die kulturpolitische und inhaltliche Entwicklung des Projekts verantwortlich.

27. Juni 2001Der Standard

Eine Chronologie: Museumsquartier (5)

Die dritte Redimensionierung

Die dritte Redimensionierung

Juli 1994 Der Unternehmer Karlheinz Essl schlägt vor, im nun inhaltsleeren Turm seine Sammlung zu zeigen. Busek spricht von einem „großartigen Signal für die österreichische Kunst“.
August 1994 Die Vorentwürfe werden doch nicht beim Denkmalamt eingereicht. Muqua-Geschäftsführer Bogner gibt seinen Rücktritt bekannt. Als Gründe führt er u. a. die Verkleinerung des Projekts und die personelle Zusammensetzung der Stiftung Leopold an. Bischof bleibt allein Geschäftsführer. Swoboda fordert ein Überdenken wegen Guggenheim. Laut Ortner könne der „Leseturm sinnvoll zur Essl-Ellipse adaptiert werden“.
September 1994 Pasterk wendet sich vom Leseturm ab.
Oktober 1994 Bürgermeister Zilk spricht sich (wie sein designierter Nachfolger Michael Häupl) für eine Sparversion ohne Leseturm und für eine sanfte Renovierung aus. Er propagiert Guggenheim, entworfen von Hans Hollein: „Das nenne ich Architektur!“ Peter Pilz, Klubobmann der Grünen, spricht vom „größten politischen Kniefall“ der SP vor den Freiheitlichen.
November 1994 Zilk übergibt sein Amt Häupl. Architekt Wilhelm Holzbauer präsentiert einen Entwurf für eine „sanfte“ Revitalisierung. Häupl findet Gefallen, die Kronen Zeitung ist begeistert. Görg konstatiert erleichtert: „Das Ortner-Projekt ist tot.“
Jänner 1995 Pasterk verhandelt in New York mit Guggenheim. Direktor Thomas Krens verlangt von Wien eine Absichtserklärung, das ehemalige Expo-Gelände in eine funktionierende City zu verwandeln. Das Projekt verläuft daraufhin im Sand.

März 1995 Der Rechnungshof kritisiert in seinem Rohbericht, dass Dietmar Steiner von der Muqua rund eine Million Schilling erhielt - obwohl seine Tätigkeiten „verspätet erbracht“ wurden und für das Projekt „nur von geringem Wert“ waren. Die neue Baumassenstudie (dritte Redimensionierung) wird vorgestellt: Die Kubatur ist gegenüber dem Wettbewerbsprojekt um die Hälfte verkleinert, der Turm gekappt, die maximale Höhe beträgt 24 Meter. Das MMK verliert ein Stockwerk, die Grundfläche ist um 25 Prozent kleiner. Die Winterreit- soll zur Kunsthalle werden, dahinter ist nun die Veranstaltungshalle geplant.

27. Juni 2001Thomas Trenkler
Der Standard

Der Gartenzwerg

Museumsquartier Wien

Museumsquartier Wien

Da schien die schwerste Hürde genommen (mit dem Ankauf der Sammlung Leopold), doch wie aus dem Nichts tauchte schon wieder eine auf, und sie war, weil keiner der Museumsquartier-Errichter darauf vorbereitet war, um nichts weniger hoch. Vielleicht war sie sogar noch höher. Denn bezüglich Leopold waren sich die beiden großen Parteien einig. Nun aber brach die SP unvermutet den Pakt: Guggenheim klang viel verlockender.

Aber beide Projekte zu verwirklichen, dafür reichte das Geld nicht. Also musste das Museumsquartier madig gemacht werden: Damit es einen Grund gab, aus dem Vertrag auszusteigen, der Wien verpflichtete, sich am Bau der Kunst- und Veranstaltungshalle zu beteiligen. Die SP besorgte daher im Herbst/Winter 1994 das Geschäft der Freiheitlichen - sehr gründlich: Sie brachte den Turm zu Fall. Die Realisierung der Guggenheim-Dependance gelang ihr dennoch nicht.

Als Erste wandte sich Ursula Pasterk ab, die sich daran stieß, dass Busek die Verwendung des Symbols als Bibliothek aufgegeben und die Präsentation der Sammlung Essl befürwortet hatte: „Ich kann doch nicht zu einem Projekt stehen, dessen Inhalte sich jede Woche ändern.“

Zilk, gerade noch Bürgermeister, sprach sich für eine sanfte Renovierung aus: „Wenn der Turm nicht dort steht, stört das keinen.“ Nachfolger Michael Häupl: „Das Projekt von Ortner, der Leseturm, ist nicht Ausdruck sozialistischer Kulturpolitik, sondern Schrott.“ Und: „Ich will ihn nicht, weil mir niemand sagen kann, wofür er gut sein soll. Ich muss ja den Leuten erklären, wofür wir das Geld ausgeben.“ Allerdings: Die Errichtung des Turms um geschätzte 80 Millionen Schilling hätte der Bund gezahlt - und nicht die Stadt Wien.

Als Verteidiger des Turms traten die Liberalen auf - und die Grünen unter einem geläuterten Peter Pilz: Er forderte Pasterk auf, den Hut zu nehmen, und überreichte Häupl, der das Ortner-Projekt „entstellt und verstümmelt“ hätte, einen Gartenzwerg.

Aber der Leseturm lebt weiter: Er existiert in den Plänen zumindest als gestrichelte Linie.

26. Juni 2001Der Standard

Eine Chronologie: Museumsquartier (4)

Gegenmodell Guggenheim

Gegenmodell Guggenheim

Jänner 1993 Die Messe GmbH erhält 370 Millionen Schilling Ablöse für Räumung des Areals bis Jahresende. Der Rechnungshof wird diesen Betrag als zu hoch erachten: Gerechtfertigt wären nur 104 Millionen gewesen. Die Grünen befürworten ab nun das Museumsquartier: Zusammen mit der SP beschließen sie im Gemeinderat die Flächenwidmung und die Errichtung einer redimensionierten Variante. Die VP stimmt unter Görg dagegen, Generalsekretär Ferdinand Maier gegen Parteilinie mit Ja, Gemeinderätin Gertrud Brinek verlässt den Saal.
Frühjahr 1993 Massive Kampagne der Kronen Zeitung gegen das „Museumsmonster“. Die Planungsarbeiten werden eingestellt.
Juni 1993 Eröffnung des Architekturzentrums. Leiter: Dietmar Steiner, der am Museumsquartier-Konzept mitgearbeitet hatte.
Oktober 1993 Gipfelgespräch mit Vranitzky, Busek u. a.: Einigung über Verwirklichung des Museumsquartiers und des Leopold-Museums: Die Übernahme der Sammlung wird paktiert.
Jänner 1994 Görg bezeichnet den Ortner-Entwurf als „Running Gag“ und fordert eine Neuausschreibung.
Februar 1994 Busek erteilt der Muqua die Weisung, die Planungsarbeiten wieder aufzunehmen.
März 1994 Der Rechnungshof prüft die Muqua. Eröffnung der Ausstellung „Meisterwerke aus dem Guggenheim“ im Kunstforum. Wilfried Seipel, Direktor des KHM, fordert „Guggenheim ins Museumsquartier!“ Kunstforum-Chef Klaus A. Schröder, bisher ein Befürworter, kritisiert den Ortner-Entwurf. Bogner entgegnet: „Offenbar hat sich Schröder beim Besuch der alten Dame Guggenheim vor dieser flach auf den Teppich gelegt.“
Mai 1994 Die Nutzung des Turmes als Bibliothek wird fallen gelassen, da der Bund den Betrieb nicht finanzieren will.
Juli 1994 Der Nationalrat beschließt das „Bundesgesetz über die Finanzierung des Erwerbs der Sammlung Leopold“. Rudolf Leopold bekommt 2,2 Milliarden Schilling in Tranchen und wird zum Direktor des Museums auf Lebenszeit bestellt.
August 1994 Gründung der Stiftung Leopold.
Oktober 1994 Die SP schwenkt um: Bürgermeister Helmut Zilk und sein designierter Nachfolger Michael Häupl kritisieren den Ortner-Entwurf samt Leseturm - und propagieren ein Guggenheim-Museum auf der Donauplatte, entworfen von Hans Hollein: „Das nenne ich Architektur!“, so Zilk.

26. Juni 2001Thomas Trenkler
Der Standard

Die Junktimierung

Museumsquartier Wien

Museumsquartier Wien

Rudolf Leopold betont es immer wieder, und er betonte es zuletzt in der Illustrierten News vom 21. Juni: „Ich habe fünf Milliarden hergeschenkt.“ Doch ist dem wirklich so?

1993 hing die Realisierung des Museumsquartiers trotz Redimensionierung an einem seidenen Faden: Sie war nur durchzuboxen, wenn die Krone, die gegen das „Museumsmonster“ anschrieb, ihren Widerstand aufgab. Und diesen würde sie - war jedenfalls die Einschätzung - nur dann aufgeben, wenn die Republik die Sammlung des Wiener Augenarztes erwirbt und nicht irgendwo, sondern bewusst im Messepalast unterbringt.

Die Junktimierung brachte natürlich Verzögerungen mit sich: Bevor umgeplant werden konnte, musste der Ankauf über die Bühne gegangen sein. Grundlage bildete ein Schätzgutachten, das von Herbert Giese und Gerbert Frodl erstellt wurde. Aufgrund des Zeitdrucks und der Platznot in Leopolds Grinzinger Winzerhaus kam es im Frühsommer 1994 zu einem nicht ganz unwesentlichen Fehler: Ein Meisterwerk von Egon Schiele wurde zweimal gelistet und unterschiedlich bewertet.

Für die 5300 Objekte errechnete man schließlich einen Gesamtwert von rund 7,7 Milliarden Schilling (ein anderes Gutachten kam auf 6,5 Milliarden): Es wurde jedes Kunstwerk einzeln bewertet - bei einem angenommenen Verkauf im Inland. Bei einer Veräußerung in Bausch und Bogen hingegen wäre dieser Wert nie erzielt worden, sind sich die Experten einig. Leopold schenkte daher keine fünf Milliarden her: Er erhält bis zum Jahr 2007 insgesamt 2,2 Milliarden Schilling von der öffentlichen Hand. Rund ein Drittel der Summe wendete er auf, um seine Bankschulden zu begleichen.

Im Sommer 1994 war der Deal perfekt, im August wurde die Sammlung abtransportiert. Die ganze Sammlung? Nein. Einige der besten Stücke (im Wert von 1,4 Milliarden Schilling) blieben in Grinzing. Weil sie nicht transportfähig gewesen seien.

Die Rechnung von Busek ging trotzdem nicht auf. Wie sich noch zeigen wird.

25. Juni 2001Der Standard

Eine Chronologie: Museumsquartier (3)

Die ersten Verzögerungen

Die ersten Verzögerungen

Juni 1990 Nationalratsbeschluss zur Schaffung einer Museumsquartier Planungs- und Errichtungsgesellschaft (Muqua). Zeitplan: 1991 Baubewilligung, 1992/93 Realisierung der ersten Etappe, 1994 Probebetrieb. Die FPÖ bekennt sich zum Projekt.
Juli 1990 Die Bürgerinitiative formiert sich. Dieter Bogner wird zum Konzeptkoordinator und Muqua-Geschäftsführer bestellt.
August 1990 Busek spricht sich gegen die von der Bürgerinitiative geforderte Historisierung des Messepalasts aus. Krone-Kulturredakteur Erwin Melchart bezeichnet die Bürgerinitiative als „Querulantenstadel“, Herausgeber Hans Dichand (als Aurelius) und die Lokalredaktion übernehmen die Berichterstattung.
Oktober 1990 Zweiter Muqua-Chef: Günter Bischof.
November 1990 Unterzeichnung des Syndikatsvertrags zwischen Republik (75 Prozent) und Stadt Wien (25 Prozent).
Jänner 1991 Die Bürgerinitiative erwägt mit 6000 Unterschriften Klage wegen Verstoßes gegen das Denkmalschutzgesetz.
März 1991 Planungsstadtrat Hannes Swoboda kann sich einzelne Museumsprojekte (Medienzentrum) jenseits der Donau auf dem Expo-Gelände vorstellen. Bürgermeister Helmut Zilk und Swoboda wollen noch „über Höhen, Kubaturen und Gestaltung“ reden. Erhard Busek steht „voll zu dem Projekt“.
Juni 1992 Peter Pilz, Parteiobmann der Grünen, spricht sich für einen Standort jenseits der Donau aus. Klubklausur der VP: klare Mehrheit für das Projekt. FP und Bürgerinitiative wollen mit Luftballons und Netzen ein 1:1-Modell errichten, um den „Skandal“ aufzuzeigen. Der Wind verhindert das Unterfangen. Die Flächenwidmung wird auf den Herbst verschoben.
September 1992 Beginn der Kronen Zeitung-Kampagne. Zilk schließt sich den Kritikern an. Der designierte VP-Klubobmann Bernhard Görg gibt die Parole „Nein“ aus, er lässt sich von Busek nicht umstimmen. Auch die FP ist gegen das „Museumsmonster“. Die Flächenwidmung wird von der Tagesordnung des Gemeinderats gestrichen: Die SP will keinen Alleingang riskieren.
Oktober 1992 Das Werben um Rudolf Leopold beginnt.
November 1992 Kontroverse im Kunstsenat: Hans Hollein und Friedensreich Hundertwasser attackieren Präsident Roland Rainer, der das Projekt unterstützt.
Jänner 1993 Zweite Redimensionierung: Der Leseturm wird von 67 auf 56 Meter gekürzt, die Kubatur des MMK um 20 Prozent verringert, die Veranstaltungshalle nun für die Sammlung Leopold verwendet. Görg bezeichnet die Variante als Pfusch.


[Quelle u. a.: Zur Sache Museumsquartier, Nr. 0, Wien 1995]

25. Juni 2001Thomas Trenkler
Der Standard

Der „Kulturreaktor“

Museumsquartier Wien

Museumsquartier Wien

Aus einstigen Mitstreitern - sie kämpften Schulter an Schulter für die Erhaltung der Hainburger Au - wurden plötzlich, ab Mitte 1990, erbitterte Gegner: Der Biologe Bernd Lötsch begann, gegen das geplante Museumsquartier zu wettern, das Dieter Bogner, der Geschäftsführer der Errichtungsgesellschaft, zu verteidigen hatte.

Lötsch war um Vergleiche nicht verlegen. In der Krone bezeichnete er das Museumsquartier als „Tumor“, gegenüber dem Kurier sagte er: „Ein hochwertiges Ensemble soll durch Industrie-Architektur entstellt werden. Der Museumsklotz wird dem Messepalast brutal aufgepfropft.“ Und: „Das wird ein Kultur-AKH, welches mit großen Dimensionen zu imponieren versucht. Wenn jetzt ein hoch bezahlter Propaganda-Feldzug der Ortner-Partie über uns hereinbricht, ist das ein Missbrauch der Demokratie.“

Die Bürgerinitiative, unterstützt von der FPÖ, ließ keine Gelegenheit aus, gegen den „Kulturreaktor samt Schlot“ Stimmung zu machen: Sie überreichte Bogner (in Vertretung von Erhard Busek) die „goldene Spitzhacke“ - worauf dieser mit der Überreichung der „goldenen Scheuklappen“ konterte. Sie stellte Schautafeln auf, sie sammelten Unterschriften, sie wollten Klage einbringen . . .

Gegenüber standen sich die Verteidiger (u. a. Christian L. Attersee, André Heller, Fritz Muliar, Claus Peymann, Emmy Werner, Gustav Peichl, Roland Rainer) und die Verhinderer (u. a. Günther Nenning, Arik Brauer, Friedensreich Hundertwasser, Hermann Fillitz, Artur Rosenauer).

Einer der Gegner war der Anwalt Martin Eder. Nun sitzt er im Vorstand der Stiftung Leopold, deren Museum im September eröffnet wird. Auch Bernd Lötsch hat seine Attacken längst eingestellt: Seit März 1994 ist er Direktor des Naturhistorischen Museums.

23. Juni 2001Walter Zschokke
Spectrum

Es hätte schlimmer kommen können

Fast zwei Dutzend Jahre benötigte die Republik im heftigen Infight mit „Kronen Zeitung“ und Stadt Wien, um von der Idee eines zeitgenössischen Kulturbezirks zu dessen baulicher Realisierung zu gelangen. Noch stehen die meisten Neubauten stumm, aus Steinen ohne was herum und harren ihrer Bespielung. Zur Eröffnung des Museumsquartiers: ein kritischer Rundgang.

Fast zwei Dutzend Jahre benötigte die Republik im heftigen Infight mit „Kronen Zeitung“ und Stadt Wien, um von der Idee eines zeitgenössischen Kulturbezirks zu dessen baulicher Realisierung zu gelangen. Noch stehen die meisten Neubauten stumm, aus Steinen ohne was herum und harren ihrer Bespielung. Zur Eröffnung des Museumsquartiers: ein kritischer Rundgang.

Das meiste ist bekannt. Unendlich langes Gezerre im Vorfeld. Intrigenspiele, Schach- und Winkelzüge sowie Kompromisse gäben Stoff für mehrere Tragikomödien - doch wir sind in Wien, wo derlei Alltag ist. Die Architekten Ortner & Ortner, Gewinner des Wettbewerbs, planten jedenfalls mehr als einmal um. Doch seit 1995 stand das städtebauliche Konzept in großen Zügen fest - Präzisierungen im Detail wie immer vorbehalten -, und heute ziehen sich die Bautruppen unter Hinterlassung der üblichen Rückstände mehr oder weniger geordnet zurück.

Der Blick vom Burgtor offenbart einiges: Hinter dem pfirsichrosa leuchtenden Prospekt der ehemaligen Hofstallungen des Johann Bernhard Fischer von Erlach, wie sie halt nach Kriegszerstörungen im frühen 19. Jahrhundert und amtlicher Wiederherstellung nach Beschädigungen im Revolutionsjahr 1848 ins 20. Jahrhundert gedämmert sind, wächst rechter Hand eine dunkle Wölbung über den langen First, die sich vor der hohen Häuserzeile an der Breiten Gasse deutlich abhebt. Linker Hand schiebt sich, bloß schwach erkennbar, ein heller Baukörper unter die lagerhafte Attikabebauung über der Karl-Schweighofer-Gasse. Und seit über einem halben Jahrhundert darf der Flakturm in der Stiftskaserne die Blickachse dominieren.

Der schwache Kompromiß aus der Forderung der Neugläubigen, daß sich die Neubauten über den niederen Altbestand hinaus zeichenhaft manifestieren dürften und auch sollten, und der Reaktion der Altgläubigen, daß dies keinesfalls geschehen dürfe, hat ein eklatantes Ungleichgewicht hinterlassen. Kein Wunder in einem kulturpolitischen Klima, das von allen möglichen Seiten permanent und wider bessere Erkenntnis vergiftet wurde. Einem Klima, in dem sich Kontrahenten gegenseitig selbst die Eiterzähne neiden, wie man weiter westlich zu sagen pflegt. Allein die nüchterne Chronologie der Ereignisse mit den Schlagzeilen der Gehsteigpresse, zusammengestellt von Architekturzentrum und Museumsquartier, spricht Bände (siehe „hintergrund Nr. 11“, eine Publikation des Architekturzentrums Wien).

Nun, es hätte schlimmer kommen können. Einmal durch den Haupteingang spaziert, in den vorläufig Mittelhof genannten, zentralen Außenraum - es wird sich nächstens gewiß der Name eines verdienten (Kultur-)Politikers des Volkes finden, nach dem er dann benannt wird -, steht man also auf einem geräumigen Platz, erblickt zur Linken einen neuen weißen Baukörper, zur Rechten einen neuen dunkelgrau changierenden und in der Mitte einen brav neobarock erneuerten querstehenden Trakt mit einem dreibogigen Vorbau, dessen Attika weiterhin eine Uhr trägt, damit alle wissen, was es geschlagen hat und ob sie noch rechtzeitig zur angepeilten Veranstaltung kommen.

Von seiner Zeichenhaftigkeit sollte man sich aber nicht irritieren lassen. Hier geht es nicht hinein. Die seitlichen Treppen führen nur hinauf und wieder herunter. Aber die Eindeutigkeit der übrigen Disposition, große Baukörper, helle und dunkle Oberflächen, lassen solche Verwirrspielchen der alten Bausubstanz abblitzen, denn deutlich signalisieren die breiten, je beiden Neubauten angefügten Treppen, daß es hier weitergeht. Der Platzraum wird von den genannten vier Gebäudevolumen - dem ehemaligen Palais des Oberhofstallmeisters, der ehemaligen Winterreithalle, dem Leopold Museum und dem Museum Moderner Kunst - als Spannungsfeld von zwei sich kreuzenden Baukörperbeziehungen definiert, wobei die Relation der Neubauten etwas freier interpretiert ist als die axialsymmetrische Gegenüberstellung der zentralen Gebäude des Bestands. Er wirkt nicht so groß, wie er ist, da die beiden Neubauten ein Ablesen von Geschoßen zumindest erschweren. Aus Distanz erscheinen sie kleiner - also vermeintlich näher. Weder kann man daher übermäßige Monumentalität vorwerfen, noch daß sich ihre Proportionen außerhalb des vorhandenen städtebaulichen Maßstabs bewegten.

Das Vorstoßen der beiden neuen Baukörper in den weiten Freiraum hinter der bestehenden Randbebauung gliedert diesen in mehrere platzartige Zonen, die trotz des Kontinuums Eigenständigkeit erlangen. Sie versprechen abwechslungsreiches Flanieren und vielfache Bespielbarkeit. Dabei wird die Rückseite des Frontprospekts, die eben eine Rückseite ist, von zwei Reihen Ahornbäumen, die das Mittelpalais flankieren, abgeschirmt und neutralisiert. Begleitende Holzbänke geben dieser Platzkante eine unkomplizierte, urbane Wohnlichkeit. Im Kontext des Rahmens, der vom zu erhaltenden Bestand vorgegeben wurde, ist das Konzept, die beiden Neubauvolumen auf zwei Hauptbaukörper zu konzentrieren, diese aber aus dem Raster zu lösen und mit einer Drehung auf benachbarte städtebauliche Richtungen zu beziehen, durchaus geglückt. Hinter der von der Winterreithalle markierten Linie ist das Museumsquartier nicht zu Ende: Eine Art Hintergasse, die sich zwischen Bestand und den Rückseiten der Neubauten durchwindet, entwickelt ein spezifisches Flair derartiger Zonen, mit Müllcontainern, Servicefahrzeugen, Berufstätigen und verirrten Touristen.

Hier stößt man auf den dritten großen Neubaukörper, jenen der Kunsthalle Wien, der parallel zur ehemaligen Winterreithalle, der nun zwei Veranstaltungshallen eingeschrieben sind, unmittelbar an diese anschließt. Der knappe verbleibende Umraum wird vom sogenannten Ovaltrakt gefaßt, dem hintersten Teil des Altbestands. Der lange Gassenraum dazwischen ist in seiner Kontrastwirkung nicht unattraktiv. Etwas problematisch scheint jedoch die beziehungsneutrale Distanzlosigkeit von Reithalle und Kunsthalle in städtebaulicher Hinsicht. Obwohl sie über einen gemeinsamen Eingang verfügen, signalisiert von einem hohen gemauerten Torbogen, dessen ziegelrote Schmucklosigkeit der Symmetrie der Reithalle ein Schnippchen schlägt, bilden sich hier die Zwänge am deutlichsten ab; die Durchfahrt für die Anlieferung, die Unverrückbarkeit der Winterreithalle, der knappe Platz erschwerten ein Interagieren von Neu mit Alt. Die zwei langen Baukörper sind aneinandergequetscht, die eigenartig asymmetrische Dachform des neuen läßt den Betrachter ratlos. Die Zugänge halten sich im wesentlichen an das Angebot des Bestands, der das Museumsquartier umschließt. Man betritt die (Klein-)Stadt der Museen in der musealen Stadt durch Torbogen. Oft zieren deren Schlußsteine süßlich modellierte Pferdeköpfe, die eher aus dem verklemmten 19. Jahrhundert als aus der Barockzeit stammen. Nur von Westen, aus dem siebten Bezirk wurde von der Breiten Gasse her eine Bresche in die Häuserzeile geschlagen. Ein Steg führt auf den umlaufenden offenen Gang, der auf Höhe Dachgeschoß des Ovaltrakts verläuft. Die beiden Arme dieses Weges leiten nach links und nach rechts durch Durchlässe, über weitere Stege und Treppen - ja, auch Aufzüge - auf die Terrassen hinunter, welche die Reithalle flankieren und als Zugangsebenen der beiden großen Museen dienen.

Auf die reale Hinterhofatmosphäre der alten Feuermauern und des noch zu regenerierenden Glacis-Beisels reagierten die Architekten mit einem gleichsam synthetischen Backstage-Design, dessen von der Kunsthalle entlehnter Ziegelbodenbelag befremdlich wirkt. Überhaupt scheint man sich hier in der Wahl der Mittel vertan zu haben. Die überkandidelten Geländer sind eben nicht anspruchslos, die verzogene, angeschnittene Rückseite des Ovaltrakts ist zu kleinkrämerisch. Mag sein, daß die Zeit die schlimmsten Wunden heilt, doch die Selbstverständlichkeit eines Wiener Hinterhofzugangs wurde nicht erreicht, die selbstgestellten Ansprüche, sofern sie bestanden, wurden nicht eingelöst.

Auch der südliche Zugang, von der Mariahilfer Straße her, läßt Fragen offen. Wer hat bloß die unsäglichen eckigen Betonkisten für die zahlreichen Bäume im Klosterhof zu verantworten, die den kleinen Hofraum zerstören?

Der Städtebau ist also halbwegs zufriedenstellend, wenn auch nicht sensationell ausgefallen. Die Vitalität der Nutzungen, vor allem die der Besucher wird sich der Plätze, Höfe und Gassen bemächtigen, sie beleben und permanent umfunktionieren. Neben Straßencafés werden sich wohl zwar keine Schuhputzer ansiedeln, aber vielleicht fliegende Fußmasseure, die den brennenden Sohlen der Besucher nach den vielen durchwanderten Sälen Linderung verschaffen. Nach dem Städtebau soll nun der Blick auf die Architektur der einzelnen Neubauten gerichtet sein, die nach dem Prinzip der harten Schale - weiß, anthrazit, rotbraun; Kalkstein, Basalt, Ziegel - gestaltet und unterschieden sind. Der augenfälligste Neubau ist das Museum Moderner Kunst, dessen hochgewölbte Dachform Signifikanz verleiht und dessen allseitige Fassade in dunklen braungrauen bis anthrazitschwarzen Farbtönen changiert. Mauerwerkstruktur und Farbtextur erzeugen ein faszinierendes Spannungsverhältnis. Lichtwechsel und Lichtfarbe - etwa bei Dämmerung - werden den Ausdruck ständig verändern, Regen auch. Der klare Baukörper wird immer wieder anders erscheinen, neugierig machen auf das Innere und sich längerfristig zu behaupten wissen. Die nach oben strebende Großform wächst wie ein Pilz aus dem Platzbelag heraus. Eine kragenartige Scheide aus hellem Stein definiert dessen Rand. Die anfangs gerundeten, nach oben gleitend schärfer werdenden Gebäudekanten verstärken die aufstrebende Wirkung. Warum ist aber der Abstand des weißen Wulstes zum Baukörper vorne und seitlich ungleich? Will uns der Architekt hier etwas mitteilen, wenn ja, was? Jedenfalls wirkt dieses Detail unentschieden in einem sonst starken und schlüssigen Konzept. Der niedrige Eingang, der von der Terrasse auf halber Höhe erfolgt, muß nach der breiten Freitreppe, die als Signal für die Besucher wirkt, nicht noch gesondert betont werden. Die scheinbare Beiläufigkeit ist sympathisch und beeinträchtigt den zugleich als Freiluftcafé genutzten Zwischenbereich wenig. Ein pompöser Eingang hätte die geschlossene Einheit des Baukörpers zerstört. Das Kunsthaus Bregenz oder die Landesbibliothek und das Landesarchiv in St. Pölten legten für einen Gebäudezugang in zurückhaltender Art und Weise die Spur. Wenn die Lage des Zugangs wie hier städtebaulich bereits definiert ist, braucht es kein auffälliges Portal mehr.

Im Inneren empfängt den Besucher eine hohe, ebenfalls mit Basalt verkleidete Halle, dessen Porosität raumakustisch angenehm dämpfend wirkt. Ein verglaster Lift ist heute offenbar ein Muß, während die gußeisernen Treppenstufen zumindest originell wirken, aber zugleich etwas erzwungen. Unverständlich immer wieder die Glasbrüstungen, auf die man sich nicht bequem stützen kann, auch wenn der eindrückliche Tiefblick - oder ein müder Rücken - dies nahelegen möchten. Das mittlerweile erforderliche Verbundsicherheitsglas mit zwei Glasscheiben, also vier Spiegelungsebenen, weist wegen der Glasstärke einen leichten Farbton auf und hat nicht mehr die Durchsichtigkeit einer einzelnen Scheibe - oder eines einfachen Metallgeländers aus schlanken Stäben.

Die Säle sind flexibel unterteilbar, das System der Beleuchtung drängt sich allerdings vor Hängung oder Aufstellung der Kunstwerke noch relativ stark in den Vordergrund. Die Raumakustik weist wegen der harten, glatten Oberflächen einen langen Nachhall auf, was bei Führungen problematisch sein wird. Und Lautsprecherdurchsagen wird man kaum verstehen. Das Prinzip der neutralen, weißen Räume, ausschließlich mit Kunstlicht, war ein Nutzerwunsch. Doch hier gibt es rasch wechselnde Moden. Nur im obersten Geschoß durchbricht ein breites Fenster, das den Blick auf Dächer und Kuppeln der Innenstadt freigibt, die hermetische Schale. Hier oben folgt die Decke auch der äußeren Wölbung, eine Galerie gibt dem für Veranstaltungen und die Vernissagen gedachten Raum individuelles Flair. Insgesamt hinterläßt das Bauwerk für das Museum Moderner Kunst, trotz einiger diskussionswürdiger Teilaspekte in architektonischer Hinsicht, einen guten, ja den besten Eindruck. Der große Quader für das Museum Leopold bildet dazu das städtebauliche Gegenstück. Er ist weniger hermetisch, mit Fensteröffnungen in der blendend weißen Natursteinschale. Mit einer breiten Treppe zur Eingangsterrasse hinauf und dem bescheidenen Eingang ist es gleich erschlossen wie das dunkle Schwestergebäude. Der Grundriß ist nach dem Windradprinzip um eine hohe zentrale Halle organisiert, was außen mittels schmalhoher Fensterschlitze ablesbar gemacht ist. Eine eigenartige Stelle in der Fassade ist jedoch dort, wo die Steinbank, die den Übergang der Gebäudebasis zum Platz formuliert, unvermittelt abbricht und nur mehr als steinerne Leiste fortgesetzt wird. Und gerade an dieser Stelle endet irgendwie der hohe Fensterspalt. Die primäre strukturelle Ebene mischt sich in nicht nachvollziehbarer Weise mit tertiären Detailaspekten. Diese Unstetigkeit oder Störung wirkt unbeholfen, wie „passiert“ und läßt die sorgende Hand des Architekten vermissen. Sollte sie jedoch gewollt sein, fehlt ihr der nötige Kick. Wenig gelungen sind auch die flachen, feldweisen Kanneluren des Kalksteinmantels. Auch hier fehlt eine architektonische Beziehung dieser Applikation zum Ganzen oder zu den eingeschnittenen Fenstern. Für eine kontrastierende Maßnahme ist sie wiederum zu schwach.

Die Kalksteinverkleidung zieht sich auch in die allgemeinen Räume der Innenwelt des Leopold-Museums. Oft deckt sie alle sechs begrenzenden Flächen der Räume. Die glatten Oberflächen schaffen raumakustische Probleme, auch wenn Konzerttauglichkeit nicht im Pflichtenheft gestanden ist. Der alles deckende Naturstein wirkt in diesem Ausmaß eher verkrampft und bemüht, was gewiß auch mit der nicht übermäßig sorgfältigen handwerklichen Bearbeitung zusammenhängt. Insgesamt verläßt der Betrachter das leere Haus nicht sonderlich befriedigt. - Der Entscheid, die Kunsthalle mit Ziegeln zu verfliesen, erscheint im Gesamtzusammenhang nicht sorgfältig genug durchgearbeitet. Immerhin ist die Gestaltung der langen Mauer zum Ovaltrakt gelungen. Der Gassenraum ist angenehm unprätentiös und ruhig, gewinnt sogar als der schönste der Hintergassenzüge eigenständige Qualität. Aber das Gebäude verliert seine Objekthaftigkeit im Vergleich mit den anderen beiden Museen, weil die Ziegel über alles und jedes und sogar noch bis zur Breiten Gasse hinauf gezogen sind. Das Innere einer Kunsthalle wird gewöhnlich einem permanenten Wandel unterworfen, doch auch hier tritt das Beleuchtungssystem stark in Erscheinung.

Die Erneuerung des ursprünglich von Fischer von Erlach geplanten langen Hauptprospekts durch Manfred Wehdorn ist noch nicht abgeschlossen. Die Chance, das Bauwerk im Sinne des Entwurfs Fischers in städtebaulicher und architektonischer Hinsicht mit einer deutlicher differenzierten Dachlandschaft und einer Betonung der Eckrisalite zu stärken, wurde nicht wahrgenommen. Es zeigt sich bei diesem konservatorischen Ansatz ein Problem, indem selbst bei dieser architektonisch eher durchschnittlichen Bausubstanz und - bezogen auf die Renovationen des 19. Jahrhunderts - einem relativ geringen Gebäudealter der technisch-denkmalpflegerischen vor einer architektonisch-kritischen Erneuerung der Vorzug gegeben wurde.

In der gesamten Anlage waren zahlreiche Detailaspekte architektonisch zu lösen. Das sind Geländer, Treppenrampen, Anschlüsse von Alt und Neu, der Einbau von Liften, die Verteilung von Platzbelägen und so weiter. Ob es nun die in Steinbrüstungen eingeschnittenen zusätzlichen Glasgeländer oder überhaupt die gestalterisch stark hervortretenden, verschiedenen Geländerarten sind, die großen Glaslifte im rückwärtigen Bereich oder die sarkophagartigen Steinbänke vor der Reithalle: in dieser Maßstabsebene, in der der Mensch den Architekturelementen körperlich sehr nahe kommt, machen sich mangelnde Durcharbeitung in Hinblick auf Selbstverständlichkeit und Unkompliziertheit schnell bemerkbar. Wegen der angestrebten großen Keilform der Außentreppen werden beispielsweise die den Eindruck wieder schwächenden Glaseinsätze in Kauf genommen. Oder die attraktiven Gitter vor den Glasliften werden durch ihre anschließende Degradierung zu Geländern entwertet und entwerten ihrerseits die Liftprismen in ihrer Wirkung. Und wo stellt das erwartete, zahlreiche junge Publikum seine Räder hin?

Mag sein, daß bei so umfangreichen Projekten die Detailliebe nicht omnipräsent sein kann. Vielleicht handelt es sich auch um eine Entwicklung, die in anderen Ländern längst abgeschlossen ist und hier gerade nachvollzogen wird. Schade ist es allemal.

23. Juni 2001Der Standard

Eine Chronologie: Museumsquartier (2)

Die Geschichte des Wettbewerbs

Die Geschichte des Wettbewerbs

Oktober 1987 Unter 88 Projekten ermittelt die Jury sieben Preisträger, die für die zweite Wettbewerbsstufe empfohlen werden.
April 1988 Wissenschaftsminister Tuppy stellt mit einer Sparvariante (1,5 Milliarden Schilling) die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs infrage. Protest der Architektenschaft. Es gibt Befürchtungen, die zweite Wettbewerbsphase könnte ausfallen.
Jänner 1989 Tuppy tritt für ein „Museum Völker und Kulturen“ ein. Kulturstadträtin Ursula Pasterk übt Kritik an Tuppy und fordert ein „Museum der Zukunft“.
März 1989 Kanzler Franz Vranitzky kündigt Verhandlungen mit Rudolf Leopold über den Erwerb von dessen Sammlung an.
April 1989 Der neue Wissenschaftsminister Erhard Busek formuliert als Ziel für die Legislaturperiode die Ausgestaltung des Messepalastes zur Ausstellungshalle und eine Fertigstellung bis zur geplanten Weltausstellung 1995.
Mai 1989 Busek beauftragt den Architekturkritiker Dietmar Steiner und in der Folge Dieter Bogner mit der Erstellung eines Gutachtens als Vorbereitung der zweiten Wettbewerbsphase.
Juni 1989 Hearing zur zweiten Wettbewerbsphase. Erwartet wird ein „städtebauliches Leitprojekt“.
Juli 1989 Busek und Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel geben bekannt, dass ein Konsens mit der Messe AG, die eine Ablösesumme in der Höhe von 250 bis 300 Millionen Schilling fordert, gefunden werden konnte: 1991 werden die Hallen, 1993 die Büroräumlichkeiten geräumt.
September 1989 Busek bezeichnet das Areal erstmals als „Museumsquartier“, dieses sei die „kulturelle Manifestation der Republik“. Zusammen mit Schüssel präsentiert er ein von Bogner/ Steiner erarbeitetes, „enthistorisiertes“ Konzept: Schwerpunkt ist nunmehr zeitgenössische Kunst und Kultur.
Dezember 1989 Das präzisierte Raumprogramm enthält die Forderung nach Erhaltung der barocken Bauteile; die Einbeziehung der Winterreithalle wird nahe gelegt.
März 1990 Zwei Wochen vor dem Abgabetermin am 26. März sucht Hollein um eine Verlängerung an, die aufgrund vehementer Einsprüche der anderen Teilnehmer nicht gewährt wird. Hollein reicht daher sein nicht überarbeitetes Projekt von der ersten Wettbewerbsstufe ein - und wird disqualifiziert.
April 1990 Die Jury empfiehlt den Ortner-Entwurf einstimmig zur Ausführung. Er wird öffentlich im Messepalast präsentiert.


[Quelle u. a.: Zur Sache Museumsquartier, Nr. 0, Wien 1995 ]

23. Juni 2001Thomas Trenkler
Der Standard

Der „Bahnhof“

Die Geschichte des Museumsquartiers ist eine der permanenten Redimensionierungen.

Die Geschichte des Museumsquartiers ist eine der permanenten Redimensionierungen.

Die Geschichte des Museumsquartiers ist eine der permanenten Redimensionierungen: Der preisgekrönte Entwurf von Laurids und Manfred Ortner sah 1990 nicht nur einen, sondern sogar zwei Türme (einen schlanken mit elliptischem Grundriss für die Bibliothek und einen zylindrischen für Büros) vor. Errichtet wurde schließlich keiner: Der erste fiel noch im Herbst 1990, der zweite 1995. Und die Kubaturen der übrigen Solitärbauten wurden bis 1997 immer wieder verkleinert - wenn sie nicht überhaupt gestrichen wurden (wie im Fall des Medienzentrums).

Die „Schuld“ nur bei den Verhinderern der Moderne und den Denkmalschützern zu suchen greift allerdings zu kurz: Sowohl die Architekten als auch die Bauherrn hatten anfangs zu hoch fliegende Pläne. Denn schon in der Wettbewerbsunterlage aus 1986 heißt es: „Das Gebiet soll sich auch nach seiner Umgestaltung in die gegebene Stadtlandschaft einfügen; dies gilt insbesondere für die vorzuschlagenden Höhenentwicklungen.“

Fatale Folgen sollte die folgende Passage haben: „Die Zustimmung des Bundesdenkmalamtes zu einer Zerstörung oder Veränderung der im 19. Jahrhundert und bis 1918 errichteten Gebäude kann erwartet werden.“ Denn die meisten Architekten schlugen vor, die 1850/54 errichtete Winterreithalle abzutragen. Auch die Brüder Ortner.

Erst in der zweiten Phase des Wettbewerbs 1990 (sieben Teilnehmer) ließen die Ortners die Winterreithalle bestehen - und verwendeten sie als „Bahnhof“, als zentrales Foyer für die beiden Neubauten. Diese Einbeziehung der Halle war einer der Hauptgründe, warum die Ortners den Wettbewerb gewonnen haben dürften: Denkmalamtspräsident Gerhard Sailer soll in der Jurysitzung erklärt haben, dass er einem Abriss keine Zustimmung geben würde, dass die anderen Entwürfe daher ausscheiden müssten.

Das Denkmalamt bestand schließlich sogar auf eine hochwertige Nutzung: Jene eines Foyers wurde als zu minder erachtet. Und so wurde aus der Winterreit-die Veranstaltungshalle.

22. Juni 2001Der Standard

Eine Chronologie: Museumsquartier (1)

Die Vorgeschichte

Die Vorgeschichte

1713 Johann Bernhard Fischer von Erlach erhält von Kaiser Karl VI. den Auftrag, die Hofstallungen zu entwerfen.
1720 Der Entwurf sieht u. a. Stallungen, einen „Wagenschupfen“, ein Amphitheater und eine Pferdeschwemme vor.
1723 Nach dem Tod Fischer von Erlachs übernimmt sein Sohn Josef Emanuel die Bauausführung.
1725 Fertiggestellt wird nur die palastartige Hauptfront.
1850-54 Umgestaltung, Errichtung der Winterreithalle.
1884 Fertigstellung der Hofmuseen (KHM und NHM).
1921 Nutzung der Hofstallungen durch die Wiener Messe.
1940-45 Um- und Zubauten, NS-Propagandaveranstaltungen.
1946 Die Wiener Messe nimmt ihre Tätigkeit wieder auf.
November 1977 Erste Erwähnung des Messepalasts als Möglichkeit der Kapazitätserweiterung der Bundesmuseen durch SPÖ-Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg in Beantwortung einer Anfrage des ÖVP-Kultursprechers Erhard Busek bezüglich der Errichtung eines Zentrums für Gegenwartskunst.
Mai 1980 Gespräch zwischen Kulturstadtrat Helmut Zilk und Firnberg über die Verwendung des Areals als Kulturzentrum.
1981 Firnberg setzt eine Arbeitsgruppe (Hermann Fillitz, John Sailer, Oswald Oberhuber, Harald Sterk) für die Neustrukturierung der Bundesmuseen ein. Diese empfiehlt die Einbeziehung des Messepalastes in den Museumskomplex.
1982 Streit um die Nutzung des Areals als Shopping-City (Bautenminister Karl Sekanina), Kulturforum (Wissenschaftsminister Heinz Fischer) oder Hotel (Finanzstadtrat Hans Mayr).
November 1983 Fischer legt die Nutzung Kulturforum fest.
Februar 1984 Kronen Zeitung-Herausgeber Hans Dichand und John Sailer werden von Sekanina mit der Vorbereitung eines zweistufigen Architektenwettbewerbs beauftragt. Dichand soll als Honorar 30 Mio. Schilling, Sailer drei Mio. erhalten.
Juni 1984 Präsentation des Reformpapiers zur Neustrukturierung der Bundesmuseen. Einigkeit über eine „Museumsinsel“.
März 1985 Die Konsulentenverträge mit Dichand und Sailer werden von Bautenminister Henrich Übleis anulliert.
November 1986 Ausschreibung der ersten Wettbewerbsstufe.
Oktober 1987 Unter 88 Projekten ermittelt die Jury sieben Preisträger, darunter Hans Hollein und Laurids/Manfred Ortner.


[Quelle: Zur Sache Museumsquartier, Nr. 0, Wien 1995]

22. Juni 2001Thomas Trenkler
Der Standard

Der „Geniestreich“

Museumsquartier Wien

Museumsquartier Wien

Im April 1990 beugten sich vier Politiker - die Minister Erhard Busek (Wissenschaft) und Wolfgang Schüssel (Wirtschaft) sowie die Stadträte Ursula Pasterk (Kultur) und Hannes Swoboda (Planung) - über das siegreiche Modell, lobten die Architektenbrüder Laurids und Manfred Ortner über alle Maßen und erklärten, dass dieses Museumsquartier jenes ihrer Träume sei. Jurymitglied Werner Hofmann, Leiter der Hamburger Kunsthalle, bezeichnete das Projekt als „Geniestreich“: „Wenn Wien diesen Ort einmal hat, wird er enorme Anziehung entwickeln.“

Auch der Architekturkritiker Jan Tabor war euphorisch - und sollte Recht behalten, als er schrieb: „Nur eines stimmt verdächtig: Dass die Zustimmung zu dieser mutigen Gegenwartsarchitektur im heiligen Bezirk des Wiener Baukonservatismus so begeistert ist.“ Denn schon wenig später formierte sich eine Bürgerinitiative mit Bernhard Lötsch, Arik Brauer, Günther Nenning und einem Teil der Grünen. Die FPÖ eröffnete den Kulturkampf, die Kronen Zeitung schrieb gegen das „Monster“ an. Swoboda bekam kalte Füße, und Mitte der 90er-Jahre sprachen sich selbst Pasterk und Bürgermeister Michael Häupl gegen den „Leseturm“ aus.

Der Einzige, der dem Druck standhielt, war Busek, der auch von VP-Kollege Bernhard Görg angegriffen wurde. Die Kampagne, die Hans Dichands Blatt gegen ihn führte, änderte sich auch nicht, als er der Errichtung eines Leopold-Museums zustimmte: 1995 hatte Busek das Feld zu räumen. Nachfolgerin Elisabeth Gehrer war anfangs völlig ahnungslos: Auf die Frage, wie es mit dem Museumsquartier weiterginge, antwortete sie, dieses werde doch ohnedies schon gebaut. Dann machte sie sich mit den Fakten vertraut - und stellte sich hinter das Vorhaben. Bis zur Eröffnung sollte es aber noch ein weiter Weg sein . . .

20. Juni 2001Jan Tabor
Falter

Nekropolis statt Akropolis

Das MuseumsQuartier erweist sich als Ganzes und in seinen Hauptbauten als architektonisches Desaster. Die entscheidenden Fehler liegen Jahrzehnte zurück.

Das MuseumsQuartier erweist sich als Ganzes und in seinen Hauptbauten als architektonisches Desaster. Die entscheidenden Fehler liegen Jahrzehnte zurück.

Das MuseumsQuartier - das gemeinsame Werk von Aurelius (Hans Dichand), Günther Bischof (Geschäftsführer), Dieter Bogner (Museumsexperte), Gertrude Brinek (Politikerin), Erhard Busek (Minister), Peter Czernin (Architekt), Hans Dichand (Zeitungsbesitzer), Günther Domenig (Juror), Wolf Dieter Dube (Juror), Martin Eder (Anwalt), Brigitte Ederer (Finanzstadträtin), Rudolf Edlinger (Minister), Karlheinz Essl (Kunstsammler), Hermann Fillitz (Kunsthistoriker), Elisabeth Gehrer (Ministerin), Ernst Gisel (Juror), Bernhard Görg (Planungsstadtrat), Eberhard Graf (Juror), Michael Häupl (Bürgermeister), Lorand Hegyi (Museumsdirektor), Werner Hofmann (Juror), Wilhelm Holzbauer (Architekt), Arnold Klotz (Stadtplanungsdirektor), Wolfgang Kos (Journalist), Ferdinand Lacina (Minister), Rudolf Leopold (Kunstsammler), Bernd Lötsch (Biologe), Ferdinand Maier (Politiker), Peter Marboe (Kulturstadtrat), Boris Marte (Politiker), Johann Marte (Juror), Gerald Matt (Kunsthallendirektor), Hans Mayr (Finanzstadtrat), Günther Nenning (Journalist), Walter Nettig (Wirtschaftskammerdirektor), Laurids Ortner (Architekt), Manfred Ortner (Architekt), Ursula Pasterk (Kulturstadträtin), Rainer Pawkowitz (Politiker), Gustav Peichl (Architekt), Peter Pilz (Politiker), Roland Rainer (Juror), Sepp Rieder (Finanzstadtrat), Georg Rizzi (Bundesdenkmalamtspräsident), Karlheinz Roschitz (Journalist), Arthur Rosenauer (Kunsthistoriker), Gerhard Sailer (Bundesdenkmalamtspräsident), Klaus Albrecht Schröder (Geschäftsführer), Richard Schmitz (Politiker), Wolfgang Schüssel (Minister), Dietmar Steiner (Architekturkritiker), Martin Stelzl (Fiaker), James Stirling (Juror), Hannes Swoboda (Planungsstadtrat), Herbert Tachmina (Bezirksvorsteher), Gexi Trostmann (Trachtenhändlerin), Klaus Vatter (Juror), Franz Vranitzky (Bundeskanzler), Wolfgang Waldner (Geschäftsführer), Peter Weibel (Kunstpolitiker), Manfred Wehdorn (Architekt), Helmut Zilk (Bürgermeister), Walter Zschokke (Architekturkritiker) sowie vielen anderen - ist ein Desaster.

Was hat man uns nicht alles versprochen, aus dieser einmaligen Jahrhundertchance zu machen? Eine Akropolis der Gegenwartskultur! Ein weit sichtbares Exempel demokratischer Architektur im konservierten Stadtbild der imperialen Ringstraße! Ein Laboratorium für die Kunst des 21. Jahrhunderts! Das Wiener Centre Pompidou oder gar das „beste Kulturzentrum der Welt“!

Kein Versprechen wurde erfüllt. Statt Akropolis eine Nekropolis, statt eines weltoffenen Laboratoriums des Neuen eine Reservation des österreichischen Provinzialismus, statt einer demokratischen Architektur-Antithese zum imperialen Gehabe des Kaiserforums dessen Fortsetzung, statt Centre Pompidou in Wien seine Wiener Antithese: das MuseumsQuartier.

Gehen wir es von hinten an und von dem Versprechen aus, das MuQua würde sich zum 7. Bezirk hin öffnen und das großstädtische Leben zwischen derCity und dem Spittelberg zum Strömen bringen. Für den einzigen Durchgang vom 7. Bezirk steht eine schmale Baulücke in der Breiten Gasse zur Verfügung. Dort befindet sich ein Steg, der, obwohl seine geringe Neigung eine Rampe problemlos zugelassen hätte, als achtstufige Stiege ausgebildet ist. Damit ist der Zugang zu einem der beiden Aufzüge für die Rollstuhlfahrer versperrt. Selbstredend muss man jetzt die Brücke umbauen. So wie man nachträglich den Monumentalstiegen zu den zwei Museen die scheußlichen Glasbrüstungen und Zinkeisenhandläufe aufsetzen hat müssen.

Der unerfreuliche Weg führt über eine Dachterrasse an einem Bärengraben vorbei, der früher der Garten des berühmten Glacisbeisls war. Angeblich soll das einst wegen seines Verstecktseins beliebte Gartenrestaurant wieder zurückkehren, wer aber wird da noch speisen wollen, wenn von oben die Passanten direkt in die Teller schauen können? Dieser ins Dach hineingeschnittene Weg ist auf die einfallsloseste Dachaufstockungsart gestaltet, die man sich nur vorstellen kann.

Der gänzlich mit Klinkerziegelattrappen verkleidete Bunker ist die bestversteckte kommunale Kunsthalle für die zeitgenössische Kunst auf der Welt. Natürlich ist darunter alles aus Stahlbeton - so wie bei den beiden Museen auch. Eine völlig banale Stahlbetonkiste, verkleidet mit roten Ziegeln. Wohl deshalb, weil rote Klinker einst beliebtes Dekorelement der kommunalen Wohnhäuser des Roten Wien waren. Auch der komische Bogen, der der verputzten Winterreithalle hinzugefügt wurde, damit die Menschen den Eingang zur Kunsthalle überhaupt finden, ist aus roten Ziegeln. Diese Form ist allerdings ein für die faschistische Architektur der Mussolini-Zeit charakteristisches Element.

Durch einen Tunnel im Satteldach des einstigen Lagergebäudes erreicht man einen mit einer Stiege verbunden Steg. Der dunkle Bunker mit den schmalen Schießscharten statt der Fenster ist der sichtbare architektonische Höhepunkt des MuQua: das MUMOK SLW, wie das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien nun heißt. „Dieser Begriff ist einprägsam und weltweit unverwechselbar“, berichtet die erste Nummer des MUMOK SLW Newsletter. MUMOK kommt nur im Wörterbuch der Zine-Sprache in Tschad vor und ist ein Synonym für „bak-bak“, was „fest und lang“ bedeutet. Die MUMOK SLW Newsletters berichten darüber, wie Journalisten aus aller Welt auf unterschiedlichste Weise inspiriert wurden. Als „ernstes Symbol der Unbestechlichkeit“ liege das MUMOK neben der „barocken Leichtigkeit“ der Kunsthalle, urteilt der Mann von der Neuen Zürcher. Fraglich bleibt, ob er die barocke Leichtigkeit an der plumpen alten Winterreithalle oder an der noch plumperen neuen Kunsthalle entdeckt hat. Er ist aber nicht der Einzige, der diesen Blödsinn schreibt. Während die Neue Passauer Zeitung feststellt, dass der „gewaltige gewölbte Bau trotz seiner Ausmaße durch die unregelmäßige Oberfläche aus anthrazitfarbenem Lavagestein leicht und einladend wirkt“, kommt das MUMOK SLW-Blatt zu anderen Assoziationen: „Schlachtschiff, U-Boot, Space-Shuttle. Tatsächlich wirkt der Neubau von außen wie (...) ein dunkler, geschlossener Block, der unmittelbar aus der Tiefe aufzutauchen scheint“. Man kann es freilich auch umgekehrt betrachten: Er versinkt in der Tiefe.

Wohin auch immer. Der kleine, unauffällige Einschnitt in diesem „Lava-Fels in Kultur-Brandung“ (die Presse) ist der Eingang und symptomatisch für die ausgeklügelte Symbolik im ganzen MuQua: Der Zugang zur Kunst soll erheblich erschwert werden. Der Eingang in das gegenüber liegende Cafe ist unvergleichbar größer und einladender als der ins MUMOK SLW. Die Gastronomie funktioniert.

Es gibt viele Absurditäten in diesem MuQua; die größten sind wohl die beiden Monumentalstiegen, über die man den Kunstgenuss ersteigen muss. Für Rollstuhlfahrer stehen Lifte zur Verfügung, die allerdings nicht leicht zu finden sind. Während im Centre Pompidou (eröffnet 1977) oder in Tate Modern (2000) der Platz draußen gleichsam hineinfließt, wird in Wien das Gegenteil angestrebt: verbauen. Weshalb die Eingänge nicht ebenerdig situiert sind, bleibt rätselhaft.

Drinnen im MUMOK SLW merkt man, dass - erstens - der nach außen so kompakt wirkende Block aus zwei voneinander getrennten Teilen besteht, die durch Brücken in jeder Etage miteinander verbunden sind; und dass - zweitens - das Museum tief in der Erde vergraben ist. Es gibt kein Foyer. Man steht gleich vor einem tiefen Loch. Der Schacht mit den drei Personenaufzügen, auf den Laurids Ortner besonders stolz ist, soll den Bergbau symbolisieren. „Dieses Haus wirkt wie ein Bergwerk der Künste, in das man einfahren kann zu Minimal, Pop-Art oder Arte povera und in dem etwas von den vulkanischen Aus- und Umbrüchen, auch vom Schwarz und Weiß des 20. Jahrhunderts, fortzuleben scheint“: Der Zeit-Kunstknappe Hanno Rauterberg hat eine der zahlreichen Metaphern, mit denen Laurids Ortner die Journalisten laufend versorgt, dankbar aufgenommen.

Doch das alles sind bloß Urteile, und die sind beweglich. Fest hingegen steht die Aufteilung der Ausstellungsflächen auf die Geschoße und der Geschoße auf die beiden Trakte:Die Ausstellungssäle sind jeweils um einen halben Stock versetzt, sodass der Besucher nach der Besichtigung eines der verhältnismäßig kleinen Säle entscheiden muss, ob er mit dem Aufzug um eine Etage weiterfährt oder über die Stiege geht.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Säle auf der linken Seite viel kleiner sind, sodass die Ausstellungsmacher (jetzt Lorand Hegyi, dann Engelbert Köb) ihre Konzepte nach der Größe der Werke durchdenken müssen: eine - sagen wir es sehr wohlwollend - völlig unorthodoxe Lösung für ein Museum der Gegenwartskunst. Hinzu kommt, dass die wichtigsten Wände von Fluchtwegtüren oder mit Infrastrukturkasten besetzt sind.

Die wahre Katastrophe des MuQua aber ist die kommunale Kunsthalle. Die Kombination mit den in die Winterreithalle äußerst mühevoll hineingestopften Tanz- und Theatersälen erweist sich als überaus ungünstig. Man geht hinein, zahlt an der Kassa und weiß nicht, wo es weitergeht. Mehrere Eingangslöcher stehen zur Verfügung. Drinnen setzt sich die Irritation fort. In der umgebauten Restreithalle sieht es aus wie in einem renovierten Vorstadtkino, das früher einmal ein Tanzsaal war. Allerdings ist das Durcheinander an Materialien und Formen samt der entsetzlichen neubarocken Stukkatur derart stark, dass es erforderlich geworden ist, viele Teile hinter textilen Vorhängen zu verstecken: die Spiegel, die unangenehm grell leuchtenden Milchglaswände, den gläsernen Aussichtsaufzug.

Das „Ziegelfoyer“ erinnert an ein evangelisches Kirchenzentrum aus den früher Siebzigerjahren irgendwo bei Hamburg. Dort waren Klinkerwände wegen der großen Ziegelbautradition gleichsam obligatorisch - allerdings echt gemauert und nicht bloß aufgeklebt wie hier. Laut der MuQua-Metaphorik soll es eine Fabrik symbolisieren: sozusagen die Werkhalle, in der die neue, heiße Kunst geschmiedet wird, während im Basalt-Museum jene Kunst untergebracht ist, die den Vulkan bereits verlassen hat und nun einen verdienten Platz für die Auskühlung in der Kunstgeschichte bekommt. Das außen wie innen mit weißem Muschelkalkstein verkleidete Leopold Museum hingegen soll „die konsolidierte Geschichtlichkeit der Sammlung Leopold symbolisieren“ (MuQua-Presseinformation).

Der Hauptsaal der Kunst- und Werkhalle ist eine Art Hommage a Fischer von Erlach. Er weist eine Gewölbedecke auf, die durch prägnante Streifen mit Ausstellungstechnik und Licht zusätzlich sakralisiert wird. Weil die Schächte mit den Aufzügen und Stiegen in den Saal hineingestellt wurden, wirkt der Raum klein, bedrängt und unbestimmt. Wie mühsam es sein wird, unter der verhältnismäßig niedrigen Gewölbedecke gute Ausstellungsarchitektur zu schaffen, lässt bereits die Gestaltung der „barocken Party“ ahnen, mit der auch so gute Architekten wie Berger + Parkkinen gescheitert sind.

Das Leopold Museum ist farblich mit dem hellen Kalksteinbelag des geräumigen kahlen Innenhofes verbunden und beherrscht dadurch visuell das ganze MuQua-Hauptfeld, das mit der imperialen Loggia der Winterreithalle den Charme eines Kasernenplatzes verströmt - allerdings in einer mediterranen Stadt. Rudolf Leopold muss man gratulieren. Er ist der klare Sieger der MuQua-Wettlaufes. Der kluge, neureiche Mann aus Grinzing hat von dem neureichen, klugen Mann aus Aachen, Peter Ludwig, gelernt, wie man es am besten macht, wenn man Kunst stiftet. Wahrscheinlich als Einziger hat Leopold genau das bekommen, was er sich gewünscht hat: ein prachtvolles Mausoleum zur Lebzeiten. Drinnen maßgeschneidert für seine Sammlung, draußen blendend aufpoliert für das Selbstgefühl.

Dass die Stadt Wien zugestimmt hat, ihre Prestigeinstitution der Kunst unsichtbar im Hinterhof des toten Reithauses verstauen zu lassen, macht den Triumph Leopolds noch strahlender. Unwahrscheinlich, dass sich die Rathaussozialisten von der roten Farbe der Klinkerverkleidung allein blenden haben lassen. Vielmehr haben sie der Verfügung von Aurelius fast wortwörtlich Folge geleistet, wie sie dieser bereits im Herbst 1992 in der Kronen Zeitung bekannt gab: „Verkleinert man das Museum moderner Kunst und die Ausstellungshalle um etwa ein Drittel, fände die letztgenannte leicht Platz anstelle der unwichtigen Veranstaltungshalle und das Leopold Museum auf dem früheren Platz der Ausstellungshalle.“ Das ist der Grundstein des Desasters: Die Freundschaft der zwei neureichen, klugen Männer aus Grinzing. Dazu kamen einige Verfahrensfehler.

Der erste Kardinalfehler passierte 1990 der Jury unter dem Vorsitz Ernst Gisels. Ortner & Ortner reichten für die zweite Runde ein völlig anderes Projekt ein. Eines, von dem Hans Hollein behauptete, es sei von seinem Entwurf abgekupfert. Wie auch immer: Ortner & Ortner übernahmen Holleins Strategie einer städtebaulichen Collage. Die weitgehend unverbindliche Verteilung und Ausformung der Bauten im Entwurf ermöglichte Rochaden, Verkleinerungen, Auslassungen und den Austausch von Bautypen (Stahlbetonbau statt Glas-Eisen-Bau). Durch die Veränderungen und Abweichungen vom tatsächlich prämierten Entwurf lassen sich viele unverständliche Aspekte der nun vollendeten Neugestaltung erklären. Zum Beispiel, weshalb der Weg so obskur über die Dachböden geführt wird: weil die Altbauten nicht durch Neubauten ersetzt wurden. Oder weshalb das MUMOK von der rechteckigen Ausrichtung der barocken Anlage abweicht: weil die Achse des MUMOK auf einen der letztendlich doch nicht gebauten Neubauten ausgerichtet war und als Residuum der ursprünglichen, durchaus sinnvollen Komposition übernommen wurde - nun völlig sinnlos und falsch. Eine Abweichung übrigens, die den Eindruck hervorruft, dass die Winterreithalle die beiden Museumsblöcke fast gewaltsam auseinander hält. Ganz im Sinn der katholischen Ikonographie übrigens, die Ortner & Ortner der gesamten Komposition - bewusst oder unbewusst - zugrunde gelegt haben: Das Helle ist das Gute, das Dunkle ist das Böse, und das Böse wird zurückgehalten.

Der zweite Kardinalfehler bestand darin, mit einer derart riesigen Aufgabe nur ein einziges Architektenteam zu beauftragen. Ortner & Ortner waren hoffnungslos überfordert - genauso wie Politiker, Museumsexperten, Denkmalschützer ... Es wäre ratsam gewesen, die einzelnen Kunsthäuser von verschiedenen Architekten ausführen zu lassen. Die Konkurrenz der Architekten untereinander hätte dem Gesamtprojekt gut getan; hätte die federführenden Architekten gegen die widrigen Umstände gestärkt. Ein starker, unter Umständen ausländischer Architekt hätte es sich nicht gefallen lassen, mit der Kunsthalle in den Hinterhof abgeschoben zu werden. Ortner & Ortner konnte es egal sein, immerhin haben sie noch zwei andere prächtige Platzhirsche im Areal vorzuweisen.

Der dritte Kardinalfehler war der staatliche Ankauf der Schiele-Klimt-Ozeanien-et-cetera-Sammlung von Rudolf Leopold. Durch sie hat die Idee des MuseumsQuartiers eine neue Bestimmung bekommen, die im fundamentalen Widerspruch zur ursprünglichen Intention eines ausschließlich gegenwartsbezogenen Kulturzentrums steht. Symptomatisch: Das MuQua wirbt nun nicht mit Architektur, sondern mit Gastronomie. Und so wird es wohl bleiben.

Der vierte Kardinalfehler schließlich bestand darin, dass Ortner & Ortner die Gestaltung des Vorplatzes vor dem Fischer-von-Erlach-Bau nicht entzogen wurde. Offensichtlich haben sich die Architekten vom Zentralfriedhof inspirieren lassen: Die heckenumrahmten Rasenflächen erinnern an die Ehrengräber der Stadt Wien. So wie die Steinsitzbänke vor der Winterreithalle wie Grabsteine aussehen und genauso bequem sind.

12. Juni 2001Rainer Elstner
ORF.at

Eine barocke Party

Am Montag (11. Juni) feiert die Kunsthalle ihre „Gesamteröffnung“. Am 28. Juni wird dann das komplette MuseumsQuartier eingeweiht.

Am Montag (11. Juni) feiert die Kunsthalle ihre „Gesamteröffnung“. Am 28. Juni wird dann das komplette MuseumsQuartier eingeweiht.

Gerald Matt wurde ein Strich durch seine Rechnung zur Eröffnungsfeier der Kunsthalle im MuseumsQuartier gemacht: Geplant war eine „pyromanische Serenade“ unter dem Titel „Entrée Baroque“ auf dem Platz vor der Kunsthalle. Die Betriebsgesellschaft des MuseumsQuartiers mit ihrem Leiter Wolfgang Waldner hat sich das „ius primae noctis“ nicht nehmen lassen und die Eröffnung vor der Eröffnung nicht gestattet.


„In den Hof pinkeln“

Den Triumph der „Bürokratie über die Kunst“ sah Kunsthallen-Direktor Gerald Matt in dem Entscheid. Die seit zwei Jahren geplante Ausstellung „Eine barocke Party“ sei in Kombination mit dem Eröffnungsevent „eine klare Referenz auf diesen Ort“. Waldner konterte, Matt wolle „alleine vorpreschen“, das Gelände solle aber in einer „koordinierten Aktion“ eröffnet werden.

Via „Falter“ goss Galerist und Grätzel-Nachbar Hubert Winter Öl ins Feuer: „Es geht Matt als Profilierungsneurotiker lediglich darum, als erster in den Hof des MuseumsQuartiers zu pinkeln.“


Dreimal Ortner

Betritt man den umfehdeten Innenhof durch den Haupteingang, erhebt sich links das weiße Leopoldmuseum, rechts das graue Museum Moderner Kunst (mumok). Dazwischen streckt sich die weiß verputzte ehemalige Winterreithalle in die Breite. Die langen Hofstallungen beherbergen jetzt die von den Festwochen genutzten Hallen E und G. An die Hinterseite des historischen Gebäudes schmiegt sich die zweistöckige Kunsthalle. Alle drei Bauten sind vom Architekturbüro Ortner & Ortner geplant.

Im Erdgeschoß des Ausstellungsgebäudes sind seit 9. Mai Video-Arbeiten von Steve McQueen zu sehen. Mit der Ausstellung Eine barocke Party im ersten Stock wird die Kunsthalle am Montag offiziell eröffnet. In jeder Etage werden pro Jahr vier Ausstellungen zu sehen sein.

„Wir werden als Kunsthalle dafür sorgen, dass es nicht nur ein Ort der Attraktion wird, sondern auch ein Ort der Irritation“, verspricht Matt. „Betrachten sie das vielleicht als kleines Versprechen für die Zukunft. Aber durchaus für ein breiteres Publikum auch mit schwieriger, spannender, zeitgenössischer Kunst.“ Man habe Lösungen für dieses Problem gefunden, die Besucherzahl sei von knapp 50.000 auf über 160.000 Besucher gestiegen.


Event adaptiert

Der Open-Air-Eröffnungsevent von Sonja Bender (Videosampling), Frieder Butzmann (Sounds), Friederike Feldmann (Fassadenaltäre) und Peter Frank (Fire Art) wurde nun für das Foyer adaptiert.

Mit der „barocken Party“ will Gerald Matt zeigen, dass das 17. Jahrhundert nicht nur an historischen Fassaden zu finden ist, sondern auch in der zeitgenössischen Kunst eine besondere Rolle spielt. Die Ausstellungskuratoren Sabine Folie und Michael Glasmeier betonen, dass die moderne und zeitgenössische Kunst sich eher in Zusammenhang „mit ästhetischen Konzepten des Barock als mit der Idee des Gesamtkunstwerks des 19. Jahrhunderts“ bringen ließe.


Verdauungstrakt als Installation

Die Ausstellungsmacher haben Künstler mit Haltungen aufgespürt, die einem barocken Kunstkonzept verwandt sind. Darunter die „Technologischen Reliquare“ von Paul Thek oder Wim Delvoyes „Cloaca“, eine 12 Meter lange, dem Verdauungstrakt nachgebildete Installation. Das „Verdauungslabor“ wird auf der einen Seite gefüttert und produziert am anderen Ende Exkremente. „Ornament ist für mich Verschwendung. Diese Arbeit ist eine Arbeit der Verschwendung. Ich habe viel Geld, Material und menschliche Arbeitskraft in die Produktion von einem Nichts investiert. Ein Nichts, das jeder Mensch jeden Morgen wegwirft“, so Delvoyes.

Wenn am 28. Juni das gesamte MuseumsQuartier eröffnet wird, setzen die Betreiber einen Schlusspunkt nach einer vom Boulevard angeheizten Planungsphase und einer nach außen offen und aktiv kommunizierten Bauzeit. Zuletzt hat Wolfgang Waldner die Diskussion um den Leseturm, der geplant, aber nicht gebaut worden ist, wieder aufgenommen.
Die geplanten Eröffnungstermine für das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien und das Leopold Museum: September 2001. Im Jahr 2002 soll ein Theaterhaus für Kinder eingeweiht und das „Quartier 21“ im Fischer-von-Erlach-Trakt seiner Bestimmung übergeben werden.


Europride

Abgeschlossen werden die Eröffnungsevents des Museumsquartiers am 30.6. gleichzeitig mit der Abschlussveranstaltung des Lesben- und Schwulenfestivals Europride. Mit der von Kunsthalle und Museumsquartier veranstalteten „Europride Night“ im Anschluss an die Regenbogenparade beweisen die Museums-Chefs, dass die Institutionen auch gemeinsam Feste feiern können.


[Tipp:
„Eine barocke Party“, 12. Juni bis 16. September, Kunsthalle Wien.
Die Eröffnungsfeiern des MQ:
30.6.: open area day - Die Entdeckung eines Kulturbezirks
ab 10.00 Uhr: Kulturpicknick, Kulturwandertag, Kinderprogramm, Bühne im Haupthof. 22.00 Uhr: „Quart“ - Sound-Vision-Projekt von Robert Spour; Projektionen, Pyrotechnik, Laser- und Klanginstallation, Tanzperformance ab 22.00 Uhr: „Europride Night“, Halle E+G.]

07. Juni 2001ORF.at

Kein sichtbares Zeichen

„Überall fragt man mich, warum wir kein deutlich sichtbares Zeichen nach außen haben“, stellt Museumsquartier-Geschäftsführer Wolfgang Waldner vor der offiziellen Eröffnung des neuen Kulturbezirks fest.

„Überall fragt man mich, warum wir kein deutlich sichtbares Zeichen nach außen haben“, stellt Museumsquartier-Geschäftsführer Wolfgang Waldner vor der offiziellen Eröffnung des neuen Kulturbezirks fest.

Wenn Museumsquartier-Chef Wolfgang Waldner vor ausländischen Journalisten den neuen Wiener Kunstbezirk vorstellt, der vom 28. bis 30. Juni mit einer dreitägigen Reihe von Festen eröffnet wird, dann gibt es einen Moment, den er besonders liebt: die Präsentation von Grundriss-Grafiken, auf denen weltweit bekannte Kunstzentren wie das Tate Modern in London, das Pariser Centre Pompidou oder das Paul-Getty-Center in Los Angeles und das Areal des Museumsquartiers übereinandergelegt werden - und dabei ziemlich klein aussehen.

„Die ausländischen Kollegen sind dann sehr beeindruckt, dass so etwas heute entstehen kann.“ Denn das Museumsquartier (MQ) ist das achtgrößte Kunst- und Kulturzentrum der Welt, für das jährlich 1,1 Millionen Besucher erwartet werden. Es wird zwei Milliarden Schilling kosten. 75 Prozent davon kommen vom Bund, 25 Prozent von der Gemeinde Wien. Seit 1998 wird - nach zahlreichen vorangegangenen Diskussionen, Planungen und Umplanungen - nun gebaut.


Noch Großbaustelle

Obwohl seit drei Wochen die ersten Räume - die kleinere Ausstellungshalle der Kunsthalle Wien und die beiden Veranstaltungshallen in und unter der ehemaligen Winterreithalle - bereits bespielt werden, ist das Museumsquartier derzeit noch eine Großbaustelle. In den letzten Tagen haben sich die Bauarbeiten nun auf den Innenhof des neuen Museumsviertels verlagert. Nach Aufstellung der Beleuchtungskörper und der Sitzbänke hat man bereits einen ersten Eindruck vom endgültigen Aussehen des Areals. Auf dem 18.000 Quadratmeter großen Vorplatz herrscht dagegen noch Chaos.


Ungelöste Probleme

Vor der endgültigen Fertigstellung gibt es aber noch ungelöste Probleme: So wird z.B. der erhöhte Vorplatz vor dem Eingang des Museums Moderner Kunst (Mumok) sowohl von den Lokalbetreibern der Kunsthalle als auch vom Mumok beansprucht. In diesem Fall steht noch eine Einigung aus. Die Gesamteröffnung der Kunsthalle am 11. Juni muss nun umgeplant werden, nachdem Waldner keine Zustimmung zur Nutzung des Hofes durch „pyromantische Serenaden“ gegeben hat. Der Grund: er will sich vor seiner eigenen Eröffnungsparty nicht die Show stehlen lassen.


Neues „Quartier 9“

Währenddessen gehen die Planungen für die noch nicht endgültig vergebenen
Flächen weiter. So soll der Durchbruch zur Breite Gasse künftig auch mit Kunst- und Architekturprojekten bespielt werden. Das „Quartier 21“ hat „Zuwachs“ bekommen: das sogenannte „Quartier 9“. „Das ist vorläufig nur ein Arbeitstitel“, präzisiert Waldner die von Kunststaatssekretär Franz Morak kürzlich bei der Kulturreferententagung in Linz vorgestellten Pläne.

Damit wolle man dem Interesse der Bundesländer Rechnung tragen, die wesentlich zur Finanzierung beitrügen. Da die Präsenz der Bundesländer sowohl aus Platz- als auch aus Finanz-Gründen abgelehnt wurde, soll nun ein eigener Q9-Kurator auf Vorschlag der Bundesländer und in Abstimmung mit dem Q21-Beirat ein eigenes Programm erstellen. Vorgesehen für das Projekt sind dafür rund 150 Quadratmeter, erklärt Waldner.


MQ-Eröffnung am 29. Juni

Am 29. Juni, wenn um 11.00 Uhr der Bundespräsident das Museumsquartier festlich eröffnen wird, soll alles fertig sein. „Zeitlich ist alles im Plan, auch der Vorplatz wird rechtzeitig fertig“, beruhigt Waldner. Während im Fischer-von-Erlach-Trakt noch hektisch gearbeitet wird, herrscht im Inneren der beiden größten Baukörper bereits Ruhe. Denn der Muschelkalkbau des Leopold-Museums und der graue Basalt-Kubus des Museums Moderner Kunst sind im Wesentlichen fertig. In den nächsten Wochen wird mit den Hängungen begonnen. Denn erst im September - lange nach der allgemeinen Eröffnung - werden das „Mumok“ am 15. und das Leopold-Museum am 21. September ihre Pforten öffnen.


Waldner will Leseturm

„Ich wünsche mir ein Signal, ein Zeichen, wenn Sie so wollen: Einen Turm. Denn wir brauchen uns nicht zu verstecken. Das Museumsquartier spielt in der obersten Liga der Welt“, weist der sonst zufriedene Waldner auf jenes Defizit hin, auf das er bei seinen Auslandsaufenthalten immer wieder angesprochen wird. Es ist also zu erwarten, dass Waldner auch in den Eröffnungstagen die Politiker wieder auf den zu Fall gebrachten Leseturm hinweisen wird.


Weh gegen Turm

„Das letzte, was das Museumsquartier jetzt noch brauchen würde, ist ein Leseturm. Das ist nur ein monumentales architektonisches Zeichen. Was wir wirklich brauchen, ist das, was das Museumsquartier immer ausgezeichnet hat: eigenverantwortliche Perlen“, widerspricht Vitus H. Weh, Leiter des „Kunst auf der Baustelle“-Projektes, heftig den Forderungen des MQ-Geschäftsführers.


„Kunst auf der Baustelle“
Als letzte Aktivität von „Kunst auf der Baustelle“ wird die Ausstellung „Unsichtbare Architekturen“ am 8. Juni im barocken Haupttrakt sowie in einem von Studentinnen und Studenten des niederländischen Ateliers van Lieshout gebauten Mini-Gebäude namens „Keks“ eröffnet. Sie soll die Geschichte der vielfältigen Aktivitäten auf dem Areal zeigen. „Damals war das Museumsquartier lebendig, heute läuft es Gefahr, dass es in kristalliner Härte erstarrt “, sagt Weh. Er hat daher vier kleine Architekturwettbewerbe für weitere Gestaltungen im MQ initiiert, deren Ergebnisse ebenfalls gezeigt werden.


Plattform statt Leseturm?

„Wir wollten kein Abschluss-Event unserer Aktionen, sondern den Ansatz der kleinen, unsichtbaren architektonischen Eingriffe weiterführen, überall dort, wo noch etwas aussteht. Und es steht noch viel aus“ meint Weh. Unter den Wettbewerbs-Siegern findet sich auch ein Vorschlag, der eventuell als Ersatz für den Leseturm realisiert werden könnte.

Die Gruppe „The Next Enterprise“ schlägt für den Durchgang zur Breite Gasse eine Aussichtsplattform vor, die einen Rundblick nicht nur über das Museumsquartier, sondern über die ganze Stadt bieten würde. Der Bezirksvorsteher sei davon ebenso begeistert wie Wolfgang Waldner. Allerdings gebe es noch kein Geld dafür. „Da ist Waldner jetzt gefordert“, so Weh. Die weiteren Wettbewerbe betrafen u.a. die Kunstbuchhandlung Prachner im alten Trakt, die Innengestaltung der Künstlerateliers - eines davon wird Heimo Zobernig gestalten - sowie die Einrichtung des Glacis-Beisls.


[Tipp:
„Unsichtbare Architekturen. Systemerweiterung im MQ Areal“, Ausstellung im Museumsquartier, Halle H1 im barocker Haupttrakt und im „Keks“ auf Vorplatz oder Innenhof, Eröffnung: 8. Juni, 19.00 Uhr, geöffnet vom 9. Juni - 29. Juli, 13.00 - 19.00 Uhr.]

11. Mai 2001Günther Frohmann
Salzburger Nachrichten

Endspurt im Quartier

Der größte Museumsneubau Europas geht seiner Vollendung entgegen. Die Stätten des Wiener Museumsquartiers werden jetzt sukzessive eröffnet.

Der größte Museumsneubau Europas geht seiner Vollendung entgegen. Die Stätten des Wiener Museumsquartiers werden jetzt sukzessive eröffnet.

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26. März 2001Sabine Oppolzer
ORF.at

Kunst und Stadtentwicklung

Sabine Oppolzer über eine international besetzte Diskussionsreihe über mögliche Entwicklungen des Museumsquartiers.

Sabine Oppolzer über eine international besetzte Diskussionsreihe über mögliche Entwicklungen des Museumsquartiers.

Ende Juni eröffnet das Museumsquartier in Wien. Werden die Feierlichkeiten den Schlussstrich unter ein phasenweise sehr umstrittenes Projekt ziehen? Oder werden die Sektkorken der Startschuss für ein international Aufsehen erregendes Kultur-Jahrhundert-Projekt sein?
Was kommt dann? Eine Flut von Touristen aus aller Welt, die diese einzigartige Konstruktion kultureller Vielfalt überschwemmen werden? Werden auch die angrenzenden Bezirke damit einen sensationellen Aufschwung erleben? Viele unbeantwortete Fragen also.

Die Errichtung der Tate Modern, eines gigantischen Ausstellungsraumes für moderne Kunst, der vor einem Jahr in London eröffnet wurde, könnte die Antwort darauf geben. Denn die städtebauliche Signalwirkung dieses von Herzog & DeMeuron konzipierten Gebäudes in einem der ärmsten Stadtviertel Londons ist mehr als beachtlich.

Bereits im ersten Jahr nach der Eröffnung war der Tate Modern ein Besucherstrom von drei Millionen Menschen prognostiziert worden. Damien Whitmore, der für die Öffentlichkeitsarbeit in der Tate Modern zuständig ist, präzisiert: „Drei Millionen hatten wir schon im Oktober 2000. Innerhalb des ersten Jahres, also bis Mai 2001 werden wir auf 5 Millionen kommen.“


Aufschwung durch Architektur

Der erste Besucherstrom galt allein der Architektur. Das Architektenteam Herzog & DeMeuron hatten das Redbrick-Elektrizitätswerk aus dem vorigen Jahrhundert mit einer Aufsehen erregenden Dachkonstruktion aus Glas umgebaut. Damit ist das Zentrum Londons durch eine neue Ikone zeitgenössischer Architektur bereichert. Dem ursprünglichen Architekten, Charles Gilbert Scott, ist bereits eine Ikone des Londoner Stadtbildes zu verdanken: die traditionellen roten Telefonzellen.

Dennoch ist Charles Gilbert Scott, dessen Vater Bahnhöfe entworfen hat, ein vergessener Designer. Damien Whitmore ist begeistert: „Wir haben also nicht nur ein wunderbares Gebäude in London wiederentdeckt, sondern eine ganze Design-Dynastie, die immerhin hundert Jahre hier gewirkt hat.“


Kehrseite der Medaille

Bis vor kurzem war das Gebiet südlich der Themse, obwohl nur einen Steinwurf von London City entfernt, ein sehr entlegener Stadtteil, der von brach liegenden Industriegeländen dominiert wurde. Das hat sich seit Errichtung der Tate Modern geändert. Heute ist der Bezirk, zumindest im Bereich der Themse, schick geworden. Ein Effekt, der durch die traditionellermaßen kaum gelenkte Stadtentwicklung in London zu rasch kam und übers Ziel hinausschoss. Denn für jene Schichten, die davon eigentlich profitieren sollen, ist Southwalk als Wohngegend nicht mehr finanzierbar.


Kulturelles Brachland

Der Großteil des Stadtteils Southwalk, der sich weit in den Süden erstreckt, ist zwar teurer geworden, aber kulturell kaum neu belebt. Die Moral von der Geschichte: Es sollte nicht verabsäumt werden, in der Umgebung eines solchen Großprojektes Satelliten wie Ateliers oder Galerien anzusiedeln.

Wie gelingt es also die Dynamik, die kulturelle Großprojekte wie die Tate Modern oder das Museumsquartier mit sich bringen, möglichst produktiv für das gesamte Umfeld auszunützen? Welche Lehren kann Wien aus den Erfahrungen Londons ziehen? Eine vom Museumsquartier initiierte Veranstaltungsreihe wird Fragen wie diese erörtern. Den Beginn machte am Mittwoch Damien Withmore von der Tate Gallery, der im RadioKulturhaus über „Kunst und Kultur als Motor der Stadtentwicklung“ referierte.


Diskussionsreihe

Die nächste Veranstaltung der Serie „1:2001“ am 27. April wird die Möglichkeit bieten, die Rolle der so genannten „Cultural Industries“ im zukünftigen „Quartier 21“ zu analysieren. Das Impulsreferat zur Diskussion über die gesamteuropäische Bedeutung dieses Sektors wird Justin O'Connor vom Manchester Institute of Popular Culture halten. Am 29. Mai gibt es dann eine Diskussion zum Thema „Hubs, Networks und Links. Kulturorganisationen im globalen Kontext“.

23. Januar 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Wiener Museumsquartier - ganz nach Mehrheitsgeschmack

In Wien steht nach jahrzehntelangem Ringen das MuseumsQuartier vor seiner Vollendung: Ein ganzer Stadtteil nur für Kunst, Kultur und Kaiserschmarren.

In Wien steht nach jahrzehntelangem Ringen das MuseumsQuartier vor seiner Vollendung: Ein ganzer Stadtteil nur für Kunst, Kultur und Kaiserschmarren.

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19. Januar 2001Ute Woltron
Der Standard

Auch das Ruhige kann Spektakel sein

(SUBTITLE) Das Museumsquartier steht vor der Vollendung, die Häuser wurden übergeben

Allen Unkenrufen zum Trotz ist mit dem Museumsquartier ein beschaulicher Kulturbezirk entstanden, in dem der Besucher selbst Muse sein darf. Ein erster Rundgang mit Architekt Laurids Ortner

Allen Unkenrufen zum Trotz ist mit dem Museumsquartier ein beschaulicher Kulturbezirk entstanden, in dem der Besucher selbst Muse sein darf. Ein erster Rundgang mit Architekt Laurids Ortner

In den vergangenen Jahren hat jeder, der irgendwie mit Architektur zu tun hat, über das vom Volks- und Politikerwillen zurechtgestutzte Museumsquartier (MQ) gelästert. Schuld daran war das Prozedere seines Entstehens. Erst hatte es einen Wettbewerb gegeben, dann ein Siegerprojekt, schließlich eine endlose Dreckschleuderdebatte um die Architektur, in die sich fachlich völlig Unbedarfte mit einer sagenhaften Selbstverständlichkeit einmischen durften. Solchermaßen, das schien allen wackeren Architekturstreitern der Nation klar, könne nur schwächliche Kompromissarchitektur entstehen. Sie haben sich geirrt.

Wer dazu über all die Jahre beharrlich schwieg, war das Architektenbrüderpaar Manfred und Laurids Ortner. Gestern wurden schließlich die drei neuen Hallen in den alten Hofstallungen ihren künftigen Betreibern übergeben. Die Sammlung Leopold bekam einen weißen Museumsblock, das Museum moderner Kunst einen schwarzen, die Kunsthalle einen ziegelroten Riegel, und obwohl die Angelegenheiten noch nicht ganz fertig gestellt und vor allem die Außenräume noch nicht hergerichtet sind, darf Folgendes festgestellt werden: Die Wiener werden dieses MQ annehmen, sie werden es in ihren Besitz nehmen, sie werden es früher oder später immer schon gewusst haben, dass ohne Museumsquartier Wien nicht Wien wäre. Die acht „Beisln“ auf dem Gesamtareal dürften zu diesem Zweck sozusagen enzymatische Wirkung im Dienste leichterer Verdaulichkeit entwickeln.

Doch diese Architektur hat das eigentlich gar nicht nötig. Sie ist kein Spektakel, will es auch nicht sein. Die Hallen sind, so Laurids Ortner, „grundsolide Häuser - und aus“. Er hat erstaunlicherweise vollkommen Recht. Der Besucher durchschreitet grundsolide Architektur, an der es nichts zu meckern gibt, es sei denn die teils ärgerlich schlamperte Ausführung.

Zu Kaisers Zeiten hätte etwa der Steinmetz der hingeschluderten weißen Kalksteinfassade des Leopold-Blocks wahrscheinlich für den Rest seines Lebens im tiefsten Banat Wache schieben müssen. Heutzutage kann er erklären, dass die Ritzen zwischen den Platten halt zu schmal seien, um verfugt zu werden. Er möge diese Aussage überdenken, denn erst wenn diese Falten geglättet sind, wird der Steinblock seine Monolithwirkung entwickeln.

Im Museumsinneren geht es ruhig und unspektakulär weiter. Ein hohes Atrium empfängt den Besucher, rundherum schließen sich entspannt Ausstellungshallen windflügelartig an. Weiße Wände, dunkle Eichenparketten, die Verkehrsflächen auch bodenseits Kalkstein - alles ist groß, schwer, tief, quasi zurückhaltend im Dienste der großen Schieles und Klimts und anderer Malervorväter, die hier im Mittelpunkt stehen werden. Das Haus bohrt sich so tief in den Boden hinein, wie es herausschaut, es ist insgesamt fast 40 Meter hoch.

Das Gleiche gilt für den schwarzen Basaltlavablock, in dem das Museum moderner Kunst residiert. Hier wird's ein bisschen spannender, weil zum einen ein großzügiger Liftschacht das gesamte Haus durchbohrt und seine enormen Dimensionen eröffnet, und weil zum anderen die verwendeten Materialien eine interessante Kombination bilden. Schwarzer, poröser Stein trifft auf sattes, speckiges Gusseisen. Dazwischen schießen glänzende Stahllifts mit grünem Glas auf und ab. Die dazugehörigen Ausstellungshallen: ebenfalls ruhig, unaufgeregt, ihrem Zweck entsprechend. Tadellos.

Die eingeschobene Sitztribüne inmitten der ehemaligen Winterreithalle ist auf der Unterseite mit blitzendem Aluminium verkleidet, das sich flott vom Sisi-Schnörkelbestand abhebt und ein schönes Foyer (samt einem Café von Eichinger oder Knechtl) schafft. Hinter dieser Veranstaltungshalle liegt die großzügig dimensionierte Kunsthalle im Ziegelkleid.

Was das MQ grundlegend von Architekturheulern wie Guggenheim-Bilbao unterscheidet: Es wird mit seinen vielfältigen Außen- und Innenbiotopen vor allem von den Ortsansässigen belebt werden. Touristen sind willkommen, aber nicht Mittelpunkt. Was allerdings schmerzlich fehlt, ist das architektonische Rufzeichen. Ein fescher „Leseturm“ wäre dringend angesagt.

19. Januar 2001ORF.at

MQ - Die Museumsmeile

Der großflächige Komplex des Museumsquartiers ist auf dem Weg, zu einem der bedeutendsten Kulturbezirke der Welt zu werden.

Der großflächige Komplex des Museumsquartiers ist auf dem Weg, zu einem der bedeutendsten Kulturbezirke der Welt zu werden.

Im künftigen Kulturbezirk MQ mit dabei sind das Museum Moderner Kunst, das Leopold-Museum, die Kunsthalle Wien und Veranstaltungshallen. Im Folgenden eine Beschreibung der Gebäude:


Museum Moderner Kunst

Rechts im Haupthof der ehemaligen Hofstallungen, dem
größten geschlossenen Platz der Stadt, liegt das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien - MMKSLW. Mit seiner dunklen Fassade und einem gekrümmten, an den Ecken weit nach unten gezogenen Dach aus anthrazitgrauer Basaltlava wirkt es wie ein aus der Erde wachsender geschlossener Block.

Das MMKSLW verfügt über zwei Unter- und drei Obergeschoße, die im Inneren von einem durchgehenden, 41 Meter hohen Raum verbunden werden. Die Eingangsebene liegt vier Meter über dem Hofniveau und wird von einer zehn Meter breiten Freitreppe erschlossen, womit der Besucher höhenmäßig in der Mitte des Gebäudes eintrifft und zwei Ausstellungsebenen über und zwei unter sich hat.

Ein weiteres Untergeschoß ist für Depots und Haustechnik vorbehalten. Die hohe Halle erschließt auf der einen Seite fünf übereinander liegende, ca. 700 Quadratmeter große und fünf Meter hohe stützenfreie Ausstellungsebenen, die flexibel unterteilbar sind. Auf der anderen Seite gibt es intime „Kabinette“, je 3,50 Meter hoch und 250 Quadratmeter groß.


Verbindungen

Die unterschiedlichen Ebenen werden durch Stege in der zentralen Halle verbunden, wo auch die Personenliftgruppe sowie der Lastenlift frei hineingestellt wurden. Insgesamt stehen 4.800 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung.

Der separat bespielbare Veranstaltungsbereich liegt unter der Freitreppe. Das Café liegt im Zwischengeschoß am Übergang (Spange) zum Altbau. Die Büros der Verwaltung wurden (wie auch im Leopold-Museum) im Altbautrakt untergebracht. Die Anlieferung und Werkstätten des MMKSLW sind im Ovaltrakt (hinter der ehemaligen Winterreithalle, wo auch die neue Kunsthalle errichtet wurde) untergebracht und mit einem unterirdischen Tunnel an den Neubau angeschlossen.

Die Ausstellungshallen des MMKSLW werden durch ein flexibles Kunstlichtsystem beleuchtet. Tageslicht bekommt der oberste Ausstellungsraum über eine Aussparung in der gekrümmten Decke. Ausblicke bieten schlitzartige Öffnungen sowie ein Panoramafenster im obersten Geschoß.


Das Leopold-Museum

Mit seiner Fassade aus weißem Muschelkalk ist das Leopold-Museum ein heller Kubus, der ein wenig schräg im Haupthof der ehemaligen Hofstallungen steht, weil er auf die Achse der gegenüber liegenden Hofmuseen ausgerichtet wurde. Der Zugang zum Leopold-Museum (LM), 3,4 Meter über dem Hofniveau, wird über eine Freitreppe erschlossen, die am Museum vorbei den Durchgang in den 7. Wiener Gemeindebezirk ermöglicht.


Leopold-Museum

Zentraler Raum des Gebäudes ist das völlig mit weißem Stein ausgekleidete lichtdurchflutete Atrium mit einer Höhe von rund 21 Meter, um das sämtliche Räume windflügelartig kreisen. Deren Höhe variiert, je nachdem ob sie sich über ein oder zwei Geschoße erstrecken, zwischen 4,60, 7,60 und 10,2 Meter.


Ergebnis der Proteste

Unter dem „hohen Atrium“ liegt ein weiteres „Atrium“ das sich über die Untergeschoße des Museums erstreckt. Denn nach den langen Diskussionen um eine Redimensionierung der Gebäude, die nach Protesten optisch nicht über die Hofstallungen hinausragen durften, ist das LM sozusagen in die Erde gedrückt worden, mit einem „unterirdischen Museum“ mit zwei Ausstellungsgeschoßen und einem Depotgeschoß, und einem darüber liegenden Museum mit jeweils eigenem Atrium. Das Museumscafe im Obergeschoß ist auch separat von außen (über den Treppenweg zum 7. Bezirk) und über eine eigene Terrasse erreichbar.

Am Leopold-Museum fallen, zusätzlich zu den schmalen Fensterbändern, große Fenster in den Fassaden auf. Die wie zufällig eingesetzten Fenster wurden, wie es heißt, auf Verlangen von Direktor Rudolf Leopold eingeplant, der damit aber auch für in der heutigen Museumsszene geradezu exotische Besonderheiten gesorgt hat: Richtige Fenster, die nicht nur mehr Tageslicht, sondern Ausblicke bieten und damit auch die Möglichkeit, sich zu orientieren.


Die Sammlung

Insgesamt stehen 5.400 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung. Die Sammlung Leopold besteht aus 5.266 inventarisierten Werken mit einem Gesamtschätzwert von 7,9 Milliarden Schilling. Sie wurden 1994 von Rudolf und Elisabeth Leopold mit Unterstützung der Republik Österreich und der Österreichischen Nationalbank in eine Privatstiftung eingebracht.

Seit 1995 wurden von der Stiftung immer wieder erfolgreiche Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert. 13 Ausstellungen der Sammlung Leopold wurden von insgesamt 1,2 Millionen Besuchern gesehen. Die Ausstellungskataloge erzielten eine Auflagenhöhe von 123.000 Stück. Daneben wurden weltweit Hunderte Kunstwerke aus der Sammlung an über 60 Leihnehmer temporär für internationale Ausstellungen verliehen.


Kunsthalle + Veranstaltungshallen

Die neue Kunsthalle Wien liegt anstelle einer abgerissenen Messehalle aus der Nachkriegszeit hinter der Winterreithalle - der nunmehrigen Halle E+G, die als Veranstaltungshalle u.a. von den Wiener Festwochen genutzt werden wird. Die Kunsthalle zeigt sich von außen als liegender Kantblock, mit einem Grundriss von 22 mal 47 Meter. Fassade und Dach sind gleichermaßen mit einem roten Sichtziegelmauerwerk überzogen.

Im Erdgeschoß liegt eine kleinere, ca. 500 Quadratmeter große Halle, im Obergeschoß die große korbbogenüberwölbte Halle mit rund 1.000 Quadratmeter. Multimediaraum, Künstlergarderoben, Depots und Haustechnik sind im Untergeschoß untergebracht. Tageslicht ist für die Ausstellungshallen nicht vorgesehen, sie verfügen über ein flexibles Kunstlichtsystem.


Schnittstelle

Kunst- und Veranstaltungshalle haben ein gemeinsames Foyer. Dieses liegt unter der Tribüne, die in die Winterreithalle eingebaut wurde. Von hier gelangt man auch zu den Zugängen zur Tribüne, zu den Abgängen in die darunterliegende Halle G, den Garderoben und Sanitärräumen. Von der ehemaligen Kaiserloge der Reithalle kann man nun nicht mehr in diese, sondern ins Foyer blicken. Die Kaiserloge wird künftig als Café genutzt.

Die Veranstaltungshalle E in der ehemaligen Reithalle kann bis zu 1.000 Besucher aufnehmen, die darunter liegende neu erbaute Halle G ca. 350 Besucher. Die gemeinsamen Einrichtungen für Kunst- und Veranstaltungshalle sollen Synergien für alle drei Spielorte bringen. Es ist auch möglich, den Ausstellungsbereich der Kunsthalle um die Veranstaltungshalle zu erweitern.


Daten zum Baukomplex

1716: Kaiser Karl VI. beauftragt Johann Bernhard Fischer von
Erlach mit der Errichtung eines Hofstallgebäudes vor dem äußeren
Burgtor.

1725: Fertigstellung der Hauptfront durch Fischer von Erlachs Sohn Johann Emanuel.

Ab 1850: Umgestaltung und Erweiterung der Hofstallungen, Errichtung u.a. der Winterreithalle durch Leopold Mayer.

Ab 1921: Nutzung als Messe- und Ausstellungsareal, Errichtung größerer Zu- und Umbauten („Messepalast“).

1977: Beginn der Überlegungen, das Areal künftig für die Bundesmuseen zu nutzen.

1985: Erstmalige Bespielung des Areals durch die Wiener Festwochen.

1986: Ausschreibung eines Wettbewerbs zur musealen Nutzung.

1990: Die Architekten Laurids und Manfred Ortner gewinnen den
Wettbewerb, die MuseumsQuartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft wird gegründet.

Ab 1990: Ständige Umplanungen und Veränderungen des ursprünglichen Siegerprojekts.

1993: Die Gemeinde Wien entschließt sich zu Errichtung und Betrieb einer Kunst- und Veranstaltungshalle im Areal.

1994: Der Bund erwirbt die Sammlung Leopold, die im Museumsquartier ihre Heimstatt finden soll.

1995: Absiedlung der Wiener Messen, Architekt Manfred Wehdorn, Spezialist für Renovierungen, wird beigezogen, der geplante Leseturm fällt nach heftigen Diskussionen und einer Kampagne der Kronenzeitung.

Ab 1995: Verschiedene kleine Initiativen und Institutionen sorgen
für beständiges kulturelles Leben im Areal.

1997: Erteilung eines positiven Denkmalschutzbescheids und der
Baubewilligung. Mit einem „Startfest“ feiert man am 8. 12. den endgültigen Startschuss zur Verwirklichung des Projektes.

April 1998: Baubeginn

Oktober 1999: Dachgleiche der Neubauten (Leopold Museum, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien sowie Kunst- und
Veranstaltungshalle)

Dezember 2000: Ein Konzept für das „Quartier 21“ wird von
Bildungsministerin Gehrer angenommen, die bisherigen „Drittnutzer“ können bleiben.

Jänner 2001: Die Neubauten im Museumsquartier werden von den
Auftraggebern (Bund und Gemeinde Wien) an ihre Nutzer zur Einrichtung, Möblierung und Besiedelung übergeben.

15. Juli 2000Markus Mittringer
Der Standard

Freibier auf Österreichs größter Baugrube

(SUBTITLE) Tag der offenen Baustelle im Wiener Museumsquartier

Wien - Seit 2. April wird gebaut. Auf 45.000 Quadratmetern Grund wächst das Museumsquartier. Die ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen wurden zunächst von 92.000 Kubikmetern umbautem Raum gereinigt und um 85.000 Kubikmeter oder 6000 Lkw-Ladungen Aushub erleichtert. Und so kam es also zunächst zu drei gewaltigen Löchern. Jenes, aus dem dann das Museum moderner Kunst wuchs, reichte gleich 17,5 Meter in die Tiefe.

Wien - Seit 2. April wird gebaut. Auf 45.000 Quadratmetern Grund wächst das Museumsquartier. Die ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen wurden zunächst von 92.000 Kubikmetern umbautem Raum gereinigt und um 85.000 Kubikmeter oder 6000 Lkw-Ladungen Aushub erleichtert. Und so kam es also zunächst zu drei gewaltigen Löchern. Jenes, aus dem dann das Museum moderner Kunst wuchs, reichte gleich 17,5 Meter in die Tiefe.

Jetzt muss man schon die Freitreppe nach oben nehmen, um hineinzukommen. Um dort - im Foyer - gleich zu erfahren, wozu ein derartiges Loch vonnöten war. Erst im Eingangsbereich wird die volle Dimension des Baues erfahrbar. Der Schacht mit den Personenliften und dem Materialaufzug bleibt, in die Tiefe und die drei Geschoße hoch, offen. Nach außen hin öffnet sich der mit Basaltlava verkleidete Museumsblock nur in wenigen Lichtschlitzen - Architekt Laurids Ortner spricht von Orientierungspunkten. Lediglich im oberen, dem einzigen Saal mit natürlichem (Ober-)Licht, findet sich ein größeres Fenster zur Stadt hin. Es holt die Kuppeln von Natur- und Kunsthistorischem Museum als „Exponat“ in den Ausstellungsraum.

Im Juni 2001 wird alles fertig und eingerichtet sein, werden Museum Moderner Kunst, Leopold Museum und Kunsthalle offiziell eröffnet, werden sich 32.000 Kubikmeter Beton vor Publikum beweisen müssen. Gefeiert wird jetzt schon. Am Sonntag kommt es zum „Tag der offenen Baustelle“. während des ganzen Tages gilt in der Kunsthalle, im Architekturzentrum und im Kindermuseum freier Eintritt, bieten Sonderführungen die Gelegenheit, die neuen Kulturkubaturen kennen zu lernen.

Und was wäre eine Baustelle ohne Freibier. Unter www.mqw.at können Informationen zur Architektur, zur Geschichte des Quartiers und zum Programm der einzelnen Institutionen abgerufen werden. Und im Infopool, dem Besucherzentrum in der rechten Ovalhalle beim Haupteingang bieten 1:200 Modell und 3D-Visualisierung den sauberen Kontrast zur Baustelle.

Und was ein publikumsintensives Event zur Implantation des neuen Zentrums sein will, kann auf ein Rahmenprogramm, das allen etwas bietet, nicht verzichten. Im Halbstundentakt treten Künstler auf, spielt eine Combo Dixieland, üben Jongleure und Pantomimen ihr Handwerk aus. Kinder sind aufgefordert, am Versuch teilzunehmen, die größte Seifenblase Wiens zustande zu bringen, während die Väter mit Leberkäse zum ersten kulinarischen Genuss im Quartier kommen. Ein breiteres kulinarisches Angebot wird vom Pächter für das Glacis-Beisls erwartet. Ein solcher wird noch gesucht.

10. September 1999Thomas Haunschmid
ORF.at

Ein Stück Kulturgeschichte

1990 war der Wettbewerbsentscheid, 2001 soll es eröffnet werden: das Museumsquartier. Das Architektur Zentrum Wien präsentiert ab 15.9. erstmalig das gesamte Projekt der Öffentlichkeit. Die Ausstellung lässt zehn Jahre des Kampfes, der Resignation, der Ablehnung, der Wiederaufnahme und der Zustimmung Revue passieren. Die Planungsphasen und die Rekonstruktion der politischen Diskussionen - begleitet und geleitet von den Medien - sollen die BesucherInnen in ein „Stück Kulturgeschichte eintauchen lassen“.

1990 war der Wettbewerbsentscheid, 2001 soll es eröffnet werden: das Museumsquartier. Das Architektur Zentrum Wien präsentiert ab 15.9. erstmalig das gesamte Projekt der Öffentlichkeit. Die Ausstellung lässt zehn Jahre des Kampfes, der Resignation, der Ablehnung, der Wiederaufnahme und der Zustimmung Revue passieren. Die Planungsphasen und die Rekonstruktion der politischen Diskussionen - begleitet und geleitet von den Medien - sollen die BesucherInnen in ein „Stück Kulturgeschichte eintauchen lassen“.

Am 15. 9. wird das Museumsquartier erstmals in seiner Gesamtheit der Öffentlichkeit vorgestellt. In einer Ausstellung des Architektur Zentrums Wien soll aufgezeigt werden, welche Schwierigkeiten bei der Errichtung von Kulturbauten zu überwinden sind, bzw. welche medialen und politischen Kontroversen und Verantwortungen dann doch zu einer Realisierung führen.


Internationaler Kontext

„Ausgangspunkt war eine Präsentation des Museumsquartiers und zwar in einem internationalen Kontext“, erläutert Sasha Pirker, die gemeinsam mit Katharina Ritter die Schau kuratiert. „Wie werden Kulturbauten ähnlicher Größe generell gebaut, wobei es nicht nur um die architektonische, sondern auch um die politische, mediale Frage geht. Das ist das Ziel der Ausstellung.“


Von den Hofstallungen zum „Messepalast“

Am mühevollen Weg von den Hofstallungen über den Wiener Messepalast zum Museumsquartier lagen zahlreiche Stolpersteine. Das 1723 von den beiden Fischer von Erlachs geplante Gebäude wurde nach der Vergrößerung um die Winterreithalle (1850-54) 1921 schließlich der Wiener Messe AG zugeschlagen.


Die verblasste Jahrhundertchance

1977, als mit der Ausstellung „Art Around 70“ mit Exponaten der Sammlung Ludwig im Künstlerhaus sich die Möglichkeit der Gründung eines Modernen Museums/Stiftung Ludwig eröffnet hat, war der „Messepalast“ schon im Gespräch als Ausstellungsraum. Da der Bestandsvertrag mit der Wiener Messe jedoch erst 1986 kündbar wird, wird das Museum im Palais Liechtenstein eingerichtet. Was geblieben ist, war zunächst die „Jahrhundertchance Messepalast“.

Nach dem zweistufigen Wettbewerb, den schließlich Ortner und Ortner gewonnen haben, nach Boulevard-Attacken, Bürgerinitiativen, endlosen Debatten, zahllosen Untergriffen und einem weitgehend veränderten Entwurf (Leseturm!), nach zwei verschlissenen MUQUA-Geschäftsführern (Dieter Bogner und Günter Bischof) nähert sich das Projekt nun doch seiner Endphase und wird, seiner Baugeschichte entsprechend, nach wie vor von Querelen begleitet.


Gestaltungsfragen und Bestandssicherung

Die Frage, welches Gebäude dem Komplex vorgelagert werden soll, ist ebenso umstritten, wie die Gestaltung des Vorplatzes insgesamt, für dessen Überquerung man zu Fuß immerhin drei bis fünf Minuten braucht. Beide Projekte fallen übrigens in die Zuständigkeit der Gemeinde.

Die kleineren Institutionen, wie „depot“, „public netbase“ oder „basis wien“ fürchteten oder fürchten um ihren Verbleib in den Räumlichkeiten. Die Nonkonformisten fürchten mit ihnen, weil sie eine hochkulturelle Monokultur heraufziehen sehen. Und immer mehr Stimmen fordern - jetzt eben vom neuen MUQUA-Geschäftsführer Wolfgang Waldner - doch endlich für die Bespielung Konzepte auf den Tisch zu legen und vor allem das Projekt zu vermarkten.

Aber bereits mit seinem Vorschlag, mit einer Lichtfackel, die den ehrwürdigen Fischer-von-Erlach-Trakt überragen sollte, ein weithin sichtbares Logo zu errichten, trat der vielgeprügelte Laurids Ortner Boulevard-Proteste los, die an die Auseinandersetzungen um den Leseturm erinnerten.


Das unsichtbare Museum

Auf das Problem, „ein Ding herzuzeigen“, das man aber nicht sehen kann, weil es hinter der Fassade von Fischer von Erlachs Hofstallungen nicht sichtbar werden durfte, verwies auch der Direktor des Museums Moderner Kunst, Lorand Hegyi. Ohne spektakulärer zeitgenössischer Architektur wie das Guggenheim-Museum Bilbao oder das Centre Pompidou wird das Museumsquartier schwer die internationalen Gäste anlocken können, meinte Hegyi. Dennoch ist er heilfroh, dass er selbst nicht in eine solche spektakuläre, aber für den Museumsbetrieb nicht unbedingt brauchbare Architektur einziehen muss.

Auch Kunsthallenleiter Gerald Matt sowie Dietmar Steiner zollten der Qualität und vor allem Funktionalität der Architektur ihr Lob. „Ich glaube, dass die Architektur besser geworden ist“, erklärte Steiner.


Goldgräberstimmung im Umfeld

Das Projekt hat zwar erst die Dachgleiche gefeiert, aber im angrenzenden Bezirk, Neubau, hat sich mittlerweile eine Entwicklung vollzogen, die Dietmar Steiner, der Leiter des Architektur Zentrums, am Beispiel großer kultureller „Attraktoren“ in Metropolen wie Paris, New York, London oder Barcelona beschreibt: Der Aufwertung der Quartiere, dem Zuzug der Galerien und vor allem der Gastronomie als Hauptprofiteur folgt bald auch wieder der Exodus der Galerien, die im steigenden Mietenniveau nicht mithalten können.


Abbildung: Das Museumsquartier in der Modellphase / ©Bild: Gerald Zugmann

24. Juli 1999Peter Huemer
Der Standard

Zwischen „zawos“ und „ehwurscht“

Über das Wiener Museumsquartier wird nicht einmal mehr gestritten

Über das Wiener Museumsquartier wird nicht einmal mehr gestritten

Berlin: Ursache für den unbestreitbaren Erfolg, den - bei aller Kritik, die es selbstverständlich auch gibt - der neue Potsdamer Platz hat, ist vor allem, daß man die Architekten, unbehelligt von Zeitungsherausgebern, diesen verbundenen Politikern und anderen Unzuständigen, hat bauen lassen, gemäß den Plänen, die sie vorgelegt hatten. Wesentlich für die breite Publikumsakzeptanz zeitgenössischer Architektur war ferner, daß man das riesige Bauprojekt vom Start weg mit gründlicher Information für die Allgemeinheit versehen hatte, untergebracht in einem eigens errichteten architektonisch äußerst pfiffigen zweistöckigen Gebäude, der knallroten „InfoBox“.

Wer mehrmals dort war, weiß, daß diese Box mit ihren Modellen, Schautafeln, Videoinformationen samt Aussichtsplattform für den Blick auf die Baustelle dem Andrang des Publikums, das täglich zu Tausenden kam, gelegentlich kaum gewachsen war. So wurde der Potsdamer Platz eine Attraktion, Jahre bevor er begehbar war. So macht man das.

Wien: Hier befindet sich, lese ich, seit Jahren die größte Kulturbaustelle Europas. Zuerst gab es gar keine Information dazu. Jetzt steht ein schmales Kammerl im Durchgang ins Museumsquartier mit einem Video und einem Computer zur Verfügung. Für das, was er bietet, ist selbst dieser Raum nicht zu klein. Denken Sie jetzt an die InfoBox am Potsdamer Platz, und der Vergleich macht Sie sicher.

Nicht einmal ein Modell ist in Wien zu besichtigen. Das ist auch gut so, weil immer noch nicht zu sagen ist, angesichts der unzähligen Interventionen der Unzuständigen, was letztlich gebaut werden wird und wie es aussehen wird.

Am Anfang stand ein gelungenes, klug durchdachtes Siegerprojekt der Architektenbrüder Ortner und Ortner. Dann fielen die Unzuständigen, der Zeitungsherausgeber, die untertänigen Politiker, die Neider, die Lodenmäntel und das Denkmalamt darüber her. Zuerst verschwanden die besonders wichtigen Gebäude vor den Hofstallungen an der Zweierlinie, dann der Leseturm, dann wurden die Kubaturen grotesk verkleinert. Um alles mußten die Architekten kämpfen, bis zur Verkleidung der Außenwände.

Dazu die kleineren und größeren Querschüsse: Ein schönes, aber unrealistisches Wiener Guggenheim-Projekt von Hollein, das plötzlich als eine Art Gegenentwurf zur Diskussion stand. Das Auftauchen des Architekten Wehdorn bei den Ortners, weil er so gute Beziehungen zum Denkmalamt habe, hieß es. Lauter so Beziehungsgeschichten der österreichischen Art.


Kaputtgelacht

Sollte, was nach all den Reduktionen, Interventionen übrig bleibt, architektonisch dennoch gelingen, so ist das einzig den Architekten Ortner zu danken, den Bauherren bestimmt nicht. Fest steht aber schon heute, daß der große Wurf, den das Projekt ursprünglich dargestellt hat, zerstört worden ist - während überall auf der Welt kühne, rahmensprengende Entwürfe gerade für Museumsbauten zu neuen Wahrzeichen von Städten geworden sind.

Daß auch das Wiener Projekt eine sogenannte „Jahrtausendchance“ darstellte, ist diesfalls kein reines Festrednergewäsch - es wäre wirklich eine (gewesen). Aber wer braucht das schon, wo doch mir mir san?

Während man in Berlin stolz ist auf das Geplante und es seit Baubeginn entsprechend präsentiert hat, ist man in Wien den umgekehrten Weg gegangen: Man hat das Ganze versteckt, wie man einen toten Hund begräbt. Vielleicht war es ein Rest von Schamgefühl angesichts des angerichteten Schadens, vielleicht war es Indolenz: Is eh wurscht. Wer weiß, die Motive sind auch egal.

Nicht egal ist dagegen, daß mit dem Riesenprojekt, das immerhin eine Menge unseres Geldes kostet, keinerlei Freude verbunden ist, keinerlei spannende Erwartung, keine Diskussionen, nicht einmal mehr Streit. Es wäre für diese Stadt eine Chance gewesen. Is eh wurscht. Und wer ist verantwortlich? Is eh wurscht.

Es gibt ein Photo vom 8. Dezember 1997, aufgenommen am Tag des Startfests im Wiener Museumsquartier. Darauf sieht man Ministerin Gehrer, Bundeskanzler Klima, Bürgermeister Häupl und Stadtrat Marboe gemeinsam auf die Knöpfe eines kleinen Kastls drücken. Ein symbolischer Akt für den bevorstehenden Baubeginn. Und alle vier lachen. Es ist nicht zu fassen: Sie lachen!

Am Tag der Eröffnung werden sie wieder lachen.

Wir nicht - es sei denn, die verantwortlichen Politiker besinnen sich und die Architekten erhalten doch noch die Chance, ihr Projekt zu verwirklichen.

22. Dezember 1998Wolfgang Kos
Der Standard

Größe braucht Signalwirkung - Bringt den Turm wieder ins Spiel!

Andernorts (siehe Kunsthaus/Graz) wird über zentrale Projekte der Stadtarchitektur das Volk befragt. In Wien genügt das Veto eines Zeitungsherausgebers. Die Amputation des „Leseturms“ war einst jener Kompromiß, der den Bau des Museumsquartiers möglich machte. Platz für den Turm gibt es aber nach wie vor. Und gute Gründe, ihn zurückzufordern, meint Wolfgang Kos. Eine Intervention.

Andernorts (siehe Kunsthaus/Graz) wird über zentrale Projekte der Stadtarchitektur das Volk befragt. In Wien genügt das Veto eines Zeitungsherausgebers. Die Amputation des „Leseturms“ war einst jener Kompromiß, der den Bau des Museumsquartiers möglich machte. Platz für den Turm gibt es aber nach wie vor. Und gute Gründe, ihn zurückzufordern, meint Wolfgang Kos. Eine Intervention.

Jede Stadt hat versteckte Winkel und Oasen des Besonderen. Fortgeschrittene Stadtbenützer, ob ansässig oder auswärtig, schätzen solche Orte, in denen man vor dem tosenden urbanen Leben gleichsam in Deckung gehen kann. Aber macht es Sinn, den größten Wiener Museums-und Kulturbau seit der Monarchie als verborgene, klösterlich eingefriedete Binnenstadt zu inszenieren?

Seit einigen Monaten sind im „Museumsquartier“ gigantische Aushubarbeiten im Gang, denn es gilt, auf einem Areal von 45.000 m² bedeutende Museen, dringend erforderliche Spielstätten und kulturelle Knotenpunkte zu errichten: Museum für Moderne Kunst, Kunsthalle mit unterirdischer Mehrzweckhalle, Leopold-Museum, Architektur-Zentrum, Spezialmuseen, Diskussionsforen à la Depot, Ateliers, Shops u.v.a. Doch die kribbelnde Vorfreude hält sich in Grenzen.


Alles unter Kontrolle

Daran mag einerseits schuld sein, daß das jahrelange Aufschieben, Umplanen und Zerreden der Wiener „Museumschance“ gleich mehrere Generationen von ideellen Offensivdenkern mürbe und wurstig gemacht hat. Also fand man sich mit der momentan beobachtbaren „Planung nach Vorschrift“ ab, die offenbar - unter Aufsicht obrigkeitlich eingesetzter Schrankenwärter - wie auf Schienen läuft. Alle, die irgendwo ihre Zehe in einer Museumsquartier-Drehtür haben, scheinen darauf zu achten, daß keinerlei unkontrollierbare Dynamik Unruhe ins große Werk trage. Jetzt, wo endlich alle notwendigen Stempel auf den Papieren sind! Und irgendwann wird gleißendes Kultur-Manna vom Himmel fallen, und alle werden davon naschen (und/oder darüber lästern).

Der zweite Grund für die trotz größter Promotion-Bemühungen der Baustellen-Manager auffällige Unsichtbarkeit der Bau- und Planungsarbeiten liegt in der Beschaffenheit des Areals. Bekanntlich hat das künftige Museumsquartier eine ziemlich massive Außenwand: die fünf Gehminuten lange, denkmalgeschützte Front zur Lastenstraße. Da sich parallel zu dieser eine sechsbahnige Schnellstraße befindet, wird auch in Zukunft mit einem ziemlich unwirtlichen Vorfeld zu rechnen sein. Gelegentlich aufblitzende Ideen für eine Überbrückung der Zweier-Linie zwecks psychologischer Annäherung an die Ringstraßen-Museen blieben Schimäre. Die Grundidee des Siegerprojekts von Ortner & Ortner, die anno 1990 die Jury begeistert hat, war die Interpretation des Museumsbezirks als urbanes Kraftfeld, das stark genug sein sollte, das nach außen so hermetisch wirkende Areal gewissermaßen „aufzusprengen“.


Nur keine Wellen ...

Die Ortners wollten, und dazu dienten nicht zuletzt die beiden Türme - einer im Inneren, einer vor der Fischerschen Außenfassade -, die Stadt spüren lassen, daß sie neue bauliche Mitbewohner hat. Dieser lebensfrohe Ansatz wurde in jahrelangen Verkleinerungs- und Silhouettendebatten einem mürrischen Defensivkonzept untergeordnet. „Nein zu Monstren!“, stand in der Kronen Zeitung, das Museumsquartier sei ein „Tumor“, wetterte Bernd Lötsch. Die, die an der Vision festhielten, flüsterten einander zu: „Pssst! Sonst ist es ganz aus!“. Aus dem angepeilten Dialog mit dem denkmalwürdigen Altbestand wurde ein herrisches Vorrecht des Alten. Das Neue soll sich nun hinter diesem wie ein Untermieter, der nirgends Nägel einschlagen darf, verstecken (die künftige Kunsthalle, nun hinter der Winterreitschule positioniert, gleich doppelt): Nur ein Turm wird künftig das vertikale Prinzip in der Museumsquartier-Silhouette repräsentieren - der Flakturm aus der NS-Zeit.

Auch wenn die einzelnen Museumsbauten imposante Solitäre von lakonischer Bigness und Kuben mit aufregenden Außenhäuten werden dürften - für den Gesamtorganismus Museumsquartier ist eine strukturelle Unsichtbarkeit zu befürchten. Es könnte sein, daß im Jahr 2001 mit viel Trara ein sündteures Superquartier der Künste eröffnet wird, das Probleme mit seiner Signalwirkung nach außen hat und einer verborgenen Stadt ähnlicher sein könnte als jenem klaren urbanen Ruf-und Aufbruchzeichen, das Republik und Stadt einem zentral gelegenen Museumsquartier eigentlich setzen wollten. Es gehe beim Museumsquartier, so Laurids Ortner anno 1995, also noch vor der Turm-Amputation, „um die Darstellung des Staates als intelligente Gesellschaftsform mit einem dreidimensionalen Outfit“.

Kurioserweise mehren sich in den letzten Monaten Wortmeldungen, in denen von kulturellen Vorzeigeprojekten für Wien geträumt wird. Stadtpolitiker und Planer schwärmen von Kulturbauten mit großer, also optimal sichtbarer architektonischer Geste, sei es auf der Donauplatte oder sonstwo. „Endlich“ sollte sich auch Wien etwas Innovatives beschaffen, um damit international Aufsehen erregen zu können.


Strategische Geste

Nicht nur um vor abstrusen Parallelaktionen der Großmannssucht zu warnen, sei daran erinnert, daß das Gewünschte fertig in der Planungslade liegt: der sogenannte „Leseturm“. (Der Bauplatz wurde freigehalten, es besteht weiterhin ein gültiger Flächenwidmungsplan.) Durch ihn bekäme das Museumsquartier genau jene Balance und Markanz zurück, die es in den Ortnerschen Plänen immer schon hatte. Der Turm besitzt nicht nur Grazie, Visibilität und Symbolkraft, sondern er ist auch eine folgenreiche strategische Geste - nicht nur für Ansichtskartenverleger. Es war übrigens die unglückselige und opportunistische Kappung des Turms, die in Wiens Kunst-Community jene Museumsquartier-Müdigkeit auslöste, die heute als Grauschleier über dem gesamten Projekt zu liegen scheint. Das neuerliche Schwärmen von Kulturbauten als Stadtzeichen läßt sich unschwer auf das starke Medienecho zurückführen, das neue Super-Museen, ob in Bilbao oder in Helsinki, in jüngster Zeit auslösten. Ich möchte hier an das im Frühjahr '98 eröffnete finnische KIASMA erinnern - weil es dem Wiener Problem näher ist als der wie ein Ufo gelandete Gehry-Bau. Auch in Helsinki ging es um den späten Neubau eines staatlichen Museums für aktuelle Kunst, auch in Helsinki wurde jahrelang gestritten, nicht zuletzt, weil es um einen Bau in zentralster Lage mitten in einer Hauptstadt ging: gleich neben dem Denkmal des Nationalheros Mannerheim, schräg vis-à-vis des neoklassizistischen Parlaments und ums Eck von Saarinens Jugendstil-Bahnhof.


Offensive Präsenz

Nun steht dort eine begehbare Raumskulptur, das höchst eigenwillige KIASMA, erbaut von US-Star Steven Holl, vom Volksmund schnell mit Spitznamen wie „gestrandeter Wal“ und in Architekturmedien mit Superlativen bedacht. „Is this the new Bilbao?“, fragt etwa das britische Magazin Blueprint, um zu konstatieren: „Europe's latest architectural sensation“.

Der schnelle Erfolg des KIASMA, das auch dem Zweck diente, das periphere Finnland im internationalen Kunstnetz neu zu positionieren, ist vor allem in der Stadt Helsinki zu spüren: sensationelle Besucherzahlen, Öffnung bis 22 Uhr. Das wichtigste an diesem Bau: Niemand kann ihn übersehen, denn er steht dort, wo sich täglich Hunderttausende Wege kreuzen. „Wir hätten keinen besseren Platz für ein Museum für zeitgenössische Kunst finden können“, sagt Gründungsdirektorin Tuula Arkio, deren kämpferischer Elan das Museum letztlich auf den Weg brachte: „Am Anfang sagten viele, wir sollten irgendwo hingehen, wo es Platz für einen Skulpturenpark gebe und wo wir Frieden hätten. Aber wir sagten: Frieden - das ist das Letzte, was wir wollen. Wir wollten dorthin, wo die Menschen sind.“ Es geht also um offensive Präsenz und um Signalwirkung. Also sollte man in Wien auf den Museumsturm nicht verzichten.

Ein besonders guter Grund für den Turmbau, ja geradezu eine Pflicht, ergibt sich aus den Muskelspielen, die um 1995 zu seiner Verhinderung führten. Ein Beispiel für viele: „Zilk hat ausgesprochen, was die Krone seit langem fordert: Fort mit dem Turm!“ (Kronen Zeitung, 13. 10. 94). Einer kleinen Gruppe alternder Machtträger und verschnupfter Platzhirschen war es gelungen, die Republik in Geiselhaft zu nehmen. Vielleicht war es klug und diplomatisch, ihrem Druck nachzugeben, um das Gesamtprojekt zu retten. Doch jetzt, wo endlich gebaut wird, sollte es keinen Grund mehr dafür geben, den Turm wegzulassen. Es geht immerhin um einen Kulturbau mit Langzeitperspektive. Und es wäre lächerlich, ihn durch kurzatmige Ränke und den Erscheinungsrhythmus der auflagenstärksten Tageszeitung auf Dauer zu beschädigen. Doch das ist nur ein Aspekt von vielen. Entscheidend ist, daß man den Turm benötigen wird - real und symbolisch, äußerlich und innerlich.

06. Dezember 1997Walter Zschokke
Spectrum

Die Schräglage der Neunziger

Zu Unrecht geschmäht: Das kürzlich abgesegnete Projekt für die Neugestaltung des Wiener Museumsquartiers ist keine zurechtgestutzte Variante des ursprünglichen Entwurfs, sondern ein neuer städtebaulicher Ansatz. Eine Revision.

Zu Unrecht geschmäht: Das kürzlich abgesegnete Projekt für die Neugestaltung des Wiener Museumsquartiers ist keine zurechtgestutzte Variante des ursprünglichen Entwurfs, sondern ein neuer städtebaulicher Ansatz. Eine Revision.

Abschied nehmen heißt es von der Vorstellung, das aktuelle Projekt für die Neugestaltung des Wiener Museumsquartiers sei eine redimensionierte, gebändigte Variante des vieldiskutierten, vielgeschmähten und zögerlich verteidigten Entwurfs, der vor drei Jahren die Gemüter erregte, weil da noch ein Turm zuviel aus dem Modell ragte.

Ein neuer städtebaulicher Ansatz aus den neunziger Jahren ersetzt jenen aus dem vorangegangenen Jahrzehnt. Während mit dem Vorgängerprojekt versucht wurde, über die Firstlinie des sogenannten Fischer-Trakts städtebauliche Zeichen Richtung Heldenplatz und Innenstadt zu senden, erzeugt der neue Ansatz in der Weite hinter dem Altbestand einen großen querliegenden Platz.

Dieser städtische Binnenraum wird von vier ungefähr gleichwertigen Baukörpern definiert: dem zentralen Palais des Marstallkommandanten, dem zum Kubus tendierenden Quader des Leopold-Museums und dem langgestreckten, sphärisch überdachten Quader des Museums Moderner Kunst. Diese vier wichtigsten Bauten sind entweder nur durch niedrige Nebentrakte oder gar nicht miteinander verbunden und erzeugen durch die kreuzweise Gegenüberstellung in der freien Mitte ein räumliches Spannungsfeld.

Die polare Disposition des Palais zur Reithalle wird von den konzentrierten Volumen von Leopold-Museum und Museum Moderner Kunst flankiert. Die beiden Neubauten sind aber gegenüber den Hauptachsen des Bestands um einige Winkelgrade verdreht. Der erste bezieht sich auf die städtebauliche Ordnung der ehemaligen Hofmuseen, der zweite nimmt die Richtung der Parzellenstruktur am Spittelberg auf, die von den hohen Feuermauern der Häuserzeile an der Breiten Gasse weitervermittelt wird.

Diese spezifische Schrägstellung läßt die beiden Quader im alten Gefüge scheinbar frei floaten, sodaß im Umfeld Außenräume differenzierten Zuschnitts entstehen. In der Querrichtung des fußballfeldgroßen Binnenplatzes bilden sie daher weniger einen seitlichen Abschluß als zwei Einschnürungen, welche die gesamte Freifläche zwischen Fürstenhof und Staatsratshof zonieren.

Hinter der Reithalle, die zur Veranstaltungshalle umgebaut wird, schließt parallel ein längsrechteckiger Neubau an: die Kunsthalle. Der hintere Bereich des Quartiers ist das genaue Gegenteil der weiträumigen Höfe und der Weite davor: Verwinkelte Gassenräume und kleine Höfe unregelmäßigen Zuschnitts lassen den Neubau nur auf kurze Distanz in Erscheinung treten. Es entsteht ein dichtes Gemenge mit zahlreichen Brüchen und Störungen, die für Wien ebenso typisch sind wie die Großräumigkeit der Ringstraße.

Das neue städtebauliche Konzept der konzentrierten Intervention bewahrt einerseits die vielbeschworene Identität der ehemaligen Hofstallungen, andererseits treten die Neubauten mit dem Bestand in ein gleichwertiges, durchaus spannungsreiches Verhältnis.

Wenn nun das Neue konzentriert wird und jeweils zwei bis drei Geschoße tief unter den Boden reicht, stellt sich die Frage, was vom Altbestand übrigbleibt. Es ist dies der lange Fronttrakt zur Stadt, dessen Ursprünge auf Fischer von Erlach zurückzuführen sind und der, obwohl im 19. Jahrhundert von Amtsarchitekten historistisch überformt, Fischer-Trakt genannt wird. An dem der Mariahilfer Straße zugewandten Teil ist es der größere Fürstenhof mit angrenzenden Bauten und an der Burggasse spiegelbildlich der Staatsratshof mit seiner Bausubstanz, die bewahrt werden. Die uminterpretierte Winterreithalle mit Kaiserloge und der dahinterliegende Halbrundbau und natürlich das Glacis-Beisl bleiben ebenso erhalten.

Das neue Leopold-Museum besteht aus vier windradförmig um einen Lichthof gefügten Teilkörpern. Eine äußere Hülle aus hellem Kalkstein, die aus gemauerten Blöcken ähnlich jenen von Bibliothek und Archiv in St. Pölten besteht, bestimmt die architektonische Erscheinung.

Das neue Museum Moderner Kunst wird von einer vertikalen Erschließungsschicht mit Aufzügen und Treppen in einen größeren vorderen und in einen hinteren Abschnitt geteilt. Auch dieser Bau erhält eine massive Natursteinverkleidung. Um das Monolithische zu betonen, wird bei beiden Gebäuden das Material über die Dachfläche gezogen. Die neue Kunsthalle erfährt eine ähnliche Materialisierung in Ziegelstein, sodaß sich in der Flugsicht auf das Quartier eine Art fünfte Fassade ergibt.

Über breite, sockelartige Stiegenrampen gelangt man zu den beiden Museen. Vor den Eingängen dehnen sich jeweils größere Terrassen, von denen weitere Treppenläufe zum Durchgang in den siebten Bezirk führen, der von beiden Aufgängen her hinter dem Halbrundbau zusammengefaßt wird. Diese Durchgänge erscheinen im derzeitigen Planungsstand noch etwas ungeschlacht, wie überhaupt das ganze Quartier erst in der baulichen Konkretisierung abschließend zu beurteilen ist.

Die zurückhaltendere und auch sparsamere Art weist diesen zweiten Entwurf als Produkt der neunziger Jahre aus, das sich von jenem frecheren aus der zweiten Wettbewerbsstufe mit insgesamt drei (!) Türmen klar unterscheidet. In der Reduktion war es eher schwächer geworden, und mit der gläsernen Hülle des Museums Moderner Kunst taten sich manche schwer.

Im aktuellen Projekt erweist es sich städtebaulich als richtig, die imperiale Achse des Kaiserforums nach dem Triumphbogenmotiv des zentralen Palais auf dem großen Querplatz ausklingen zu lassen und nicht in die alte Reithalle hinein weiterzuführen, die in Zukunft von der nördlichen Stirnseite her zugänglich sein wird.

Das Nutzungskonzept postuliert ein urbanes Nebeneinander von auf lange Dauer ausgelegten Institutionen, wie es die beiden Museen oder die Kunst- und die Veranstaltungshalle sind, mit rascher sich verändernden oder in Entwicklung befindlichen Instituten wie dem Kindermuseum, dem Architekturzentrum, dem Kunstdepot und vielen kleineren und kleinsten Elementen der Wiener Kulturlandschaft. In diese Mischung finden sich wie selbstverständlich eingelagert auch zahlreiche Wohnungen, einige Ateliers und zirka 2000 Quadratmeter Büroflächen.

Diese Kombination läßt auf ein urbanes Museumsquartier hoffen, nicht zuletzt deshalb, weil ein Teil dieser Nutzungen bereits heute das Leben im Museumsquartier bestimmt und Anlaufschwierigkeiten vorbeugt. Das Verhältnis wird sich zwar etwas verschieben, wenn die großen Brocken der zwei neuen Museen in Betrieb gehen, aber auch sie werden vom bunten Leben rundherum profitieren.

Man kann sich natürlich fragen, ob das eher unspektakuläre Projekt, wie es jetzt vorliegt, allen Ansprüchen auf internationale Repräsentation zu genügen vermag. Doch wird es sich als wichtiger herausstellen, wie das ganze Ensemble bespielt wird und wie es im Stadtleben verankert ist. Ich neige dazu, das zurückhaltende, als neu einzustufende zweite Projekt als besser zu bewerten als die reduzierte Endstufe des vorherigen, wo der Reithalle die etwas problematische Rolle eines Mehrfachfoyers zugekommen wäre; doch muß alles erst gebaut werden, bevor ein differenzierteres Urteil möglich wird.

Ein Aspekt, der nicht außer acht gelassen werden darf, ist die Erneuerung des sogenannten Fischer-Trakts. Während die Architekten sich in zwei Wettbewerbsstufen maßen und das erstprämierte Projekt mittlerweile neu konzipiert wurde, hat man von den 150 Kunsthistorikern wenig Substantielles gehört, die vor ein paar Jahren den Fischer-Trakt vom Rang her knapp unter der Karlskirche einstufen wollten. Niemand hat sich die Mühe gemacht nachzuforschen, wieviel an dem Trakt nach dem Artilleriebeschuß von 1809 noch von Fischer stammt. Damals verschwanden die Dachaufsätze auf den Außenrisaliten, die 1986 von Hermann Czech als wesentlich reklamiert wurden. Es war aber auch die von Fischer differenzierte Dachlandschaft durch eine amalgamierte Form ersetzt worden.

Diese städtebaulich und architektonisch wichtigen Komponenten, die dem Fronttrakt erst wieder zum Präfix „Fischer“ verhelfen könnten, würden diesem gegenüber den je zwei benachbarten Museumsbauten jenes städtebauliche Gewicht geben, das für den langen, mehrheitlich niedrigen Baukörper mit einer Fassadenrenovation nicht zu erreichen ist.

Wenn es möglich ist, dem Mittelrisalit der Gloriette unter Mißachtung der architektonischen Klarheit Fenster einzusetzen, weil es sie einmal gegeben hat, dann muß es doch möglich sein, den Fronttrakt des Museumsquartiers wieder mit jenen wesentlichen Elementen zu versehen, die es einmal gegeben hat und die ihm zu jener architektonisch-städtebaulichen Klarheit verhelfen, unter der er den Namen Fischer-Trakt auch verdient. Daß diese Aufgabe nicht mit denkmalpflegerischer Technologie, sondern mit dem kreativen Einfühlungsvermögen eines Architekten zu bearbeiten ist, steht auf einem anderen Blatt.

31. Oktober 1997Thomas Trenkler
Der Standard

Das Ende einer unendlichen Geschichte

Das Denkmalamt stimmt der Realisierung des Museumsquartiers vorbehaltlos zu. Präsident Gerhard Sailer hat Wort gehalten: Wie versprochen, übergab er der Museumsquartier-Errichtungsgesellschaft noch im Oktober den Bescheid des Denkmalamtes. Dem Antrag auf Neugestaltung des Messepalast-Areals wird darin stattgegeben. Spatenstich ist am 8. Dezember.

Das Denkmalamt stimmt der Realisierung des Museumsquartiers vorbehaltlos zu. Präsident Gerhard Sailer hat Wort gehalten: Wie versprochen, übergab er der Museumsquartier-Errichtungsgesellschaft noch im Oktober den Bescheid des Denkmalamtes. Dem Antrag auf Neugestaltung des Messepalast-Areals wird darin stattgegeben. Spatenstich ist am 8. Dezember.

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22. Februar 1997Barbara Petsch
Die Presse

Messepalast: Einreichung im April 1997

Architekt Wehdorn rechnet mit einer Einreichung des Museumsquartiers bei Denkmalamt und Stadt Wien im kommenden April: „Alles läuft stinknormal“.

Architekt Wehdorn rechnet mit einer Einreichung des Museumsquartiers bei Denkmalamt und Stadt Wien im kommenden April: „Alles läuft stinknormal“.

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