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02. Dezember 2022Axel Simon
Neue Zürcher Zeitung

Schweizer Architekten hassen Solartechnik

Wozu braucht es Solaranlagen in den Alpen, wenn die Dächer und Fassaden unserer Städte reichlich Strom produzieren könnten? Die Technik stört die Ästhetik.

Wozu braucht es Solaranlagen in den Alpen, wenn die Dächer und Fassaden unserer Städte reichlich Strom produzieren könnten? Die Technik stört die Ästhetik.

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01. Juni 2011Axel Simon
db

Duft und Klang – Auratischer Ort

In den abgelegenen Tälern am Vorderrhein ist Kultur nur zu haben, wenn man sie selber macht. So veranstaltet der örtliche Filmclub zusätzlich zum Kinoprogramm auch Konzerte, lädt zu Lesungen oder Theaterabenden ein und schuf dadurch ein kleines Kulturzentrum. Die Architekten sind selbst Mitglieder des Vereins und sorgten innerhalb der bestehenden Räumlichkeiten für Anpassungen der Haus-, Sicherheits- und Kinotechnik sowie den nötigen Lärmschutz. Durch minimale, aber hochpräzise Eingriffe und unter Verwendung archaisch anmutender Materialien wie z. B. Lehm sind stimmungsvolle Räume entstanden.

In den abgelegenen Tälern am Vorderrhein ist Kultur nur zu haben, wenn man sie selber macht. So veranstaltet der örtliche Filmclub zusätzlich zum Kinoprogramm auch Konzerte, lädt zu Lesungen oder Theaterabenden ein und schuf dadurch ein kleines Kulturzentrum. Die Architekten sind selbst Mitglieder des Vereins und sorgten innerhalb der bestehenden Räumlichkeiten für Anpassungen der Haus-, Sicherheits- und Kinotechnik sowie den nötigen Lärmschutz. Durch minimale, aber hochpräzise Eingriffe und unter Verwendung archaisch anmutender Materialien wie z. B. Lehm sind stimmungsvolle Räume entstanden.

In einem Kino zählt das Immaterielle, Licht und Ton schaffen die Welt. Kinosäle, die darüber hinaus einem architektonischen Anspruch gerecht werden, sind rar. In Ilanz erwartet man einen solchen am allerwenigsten. Architekten ist das Städtchen mit rund 2 300 Einwohnern nur deshalb ein Begriff, weil der Weg nach Vals dort hindurchführt. Von der Rhätischen Bahn steigt man hier ins Postauto, das sich zu Zumthors Therme hinaufschlängelt. Ab jetzt ist Ilanz aber ebenfalls eine Übernachtung, weil einen Kinobesuch wert.

Die Geschichte beginnt vor rund 20 Jahren. Das Kino Darms schließt als letztes Kino der Region Surselva. Um die Lücke zu füllen, gründet sich der Filmclub Ilanz. Der befriedigt im Laufe der Zeit nicht nur cinephile Bedürfnisse, sondern organisiert auch Lesungen und Diskussionsrunden, Konzerte und Theatervorführungen. Als Openair-Wanderkino zieht er in verschiedene Gemeinden, auf Bio-Bauernhöfe und Kuhalpen, er berät Schulklassen bei Filmprojekten und hilft bei der Organisation von Dorffesten. Im Laufe der Jahre wird aus dem Film- ein Kulturclub, ein Zentrum für Kleinkunst der Surselva mit 150 Mitgliedern. Lange trifft man sich in ungemütlichen Provisorien, 1999 schlägt der Versuch fehl, die leerstehende Markthalle in Ilanz zum ständigen Quartier zu machen. Dann findet man das Haus Vieli im Zentrum des Dorfs. Eine mächtige Einzelsäule, die weiße Putzfassade und der fehlende Dachüberstand zeigen Kennern den früheren Umbau von Rudolf Olgiati (dem Vater Valerios) – ein stattliches Haus mit Wohnungen, Büros, einem Therapieraum und einem Café. Und mit Besitzern, die Kultur fördern. Seit Herbst 2004 vermieten sie dem Filmclub den rückseitigen Anbau, Räume und Keller im Haupthaus. In dieser ehemaligen Weinhandlung, die laut den Architekten einst auch als Schmiede genutzt wurde, findet in den folgenden Jahren ein vielseitiges Winterprogramm seinen Ort – mit Veranstaltungen auch für Kinder, Jugendliche und Senioren, für Einheimische und Weltoffene, auf Plastikstühlen und mit zünftigem Barbetrieb danach.

Sinn für Form und Handwerk

Ein Umbau ist notwendig, denn die Wohnungen im Haus und in der Nachbarschaft sind vom kulturellen Lärm geplagt. Auch muss Kino- und Brandschutztechnik installiert, diejenige der sanitären Anlagen, von Heizung und Lüftung erneuert werden. Die Planung übernehmen zwei noch relativ junge ETH-Architekten. Sie engagieren sich bereits länger im Filmclub, erforschen von Ilanz aus das bauliche Erbe ihrer Heimat und bauen auch immer wieder daran weiter: Gordian Blumenthal und Ramun Capaul. Ihren Anspruch an Architektur und ihr Können zeigt das neue Cinema Sil Plaz sehr schön: Zuerst, indem es sich eben nicht »neu« präsentiert. Nicht von außen – wo lediglich die neu aufgedoppelten Fensterrahmen eine Veränderung zeigen – und auch nicht im Innern, im langen Raum des Anbaus, der Eingang und Bar, Konzertraum und »Beiz« also Kneipe gleichzeitig ist. Nichts haben die Architekten hier verkleidet – die, übrigens, wie viele andere Vereinsmitglieder auch, selbst zum Werkzeug griffen. Den vorhandenen Kalkverputz beließen sie, die anderen Wände und die offene Holzdecke kalkten sie neu. Auf der alten Holzempore stehen nun einige Beizentische; freigeräumt dient sie den Künstlern als Bühne. Eine lange Bartheke teilt die andere Hälfte des Raums. Die einfache Gestalt und die praktischen Kniffe der Steh- und Einbaumöbel – ein Möbel dient z. B., geklappt und geschoben, an Club-Abenden als DJ-Pult – zeigen Sinn für Form und Handwerk.

Fragt sich der Besucher im ersten Raum noch, was dort neu sei, so wird er beim Gang in Richtung WC hellhörig. Im zentralen Foyerraum passiert er riesige, unbehandelte Stahltore, die an Rollen hängen und auch die Wände und Türen der WC-Kabinen sind nicht aus gängigen, kunstharzbeschichteten Platten, sondern aus brachialem Metall. Meint man vorn in der Beiz noch den einst hier abgefüllten Wein zu riechen, so klingt hier förmlich der Schmiedehammer im Ohr. Der fein gearbeitete Waschtisch aus bläulichem Gneis (Ilanzer Verrucano) versöhnt allzu zarte Seelen, er ist das Werk des ebenfalls im Club und auf der Baustelle engagierten Christian Aubry, Steinmetz und damaliger Vereinspräsident. Und der Stein, mit seinem gestalterischen Anspruch irgendwie fremd an diesem Ort, bereitet auf den großen Moment vor: den Eintritt in den Kinosaal, durch einen unscheinbaren Holzkasten am Kopf des Foyers.

Kein Schmiedehammer, kein Wein – aber was sonst? Die Schritte über den harten Boden sind fest, werden zwar leicht gedämpft aber nicht geschluckt. Es riecht eigenartig exotisch. Die Wände zeigen ein natürliches Ornament in bräunlichen Tönen. Doch sie sind weder aus Holz, noch aus Naturstein, sie fühlen sich rau und glatt zugleich an, weich und warm. Überhaupt möchte man hier alles anfassen, streicheln: den Stampflehm der Wände, die Bänke aus Eiche, die Polster aus ungefärbtem Leder darauf. Der Boden ist ebenfalls gestampfte Erde, gewachst, um robuster zu sein. Die Lehmbauplatten der Decke überzieht ein Lehmputz und selbst der kleine Treppenblock vor der Fluchttüre besteht aus diesem Material. Der vorarlberger Lehmbauexperte Martin Rauch hat die Architekten beraten und die Handwerker auf der Baustelle angeleitet. Die stampften einen Raum mit abgerundeten Kanten, mit runden Öffnungen zum Projektionsraum, mit einem halbrunden Gewölbe unter der Leinwand, aus dem die tiefen Töne kommen. Rund ist der Raum auch in der gesamten Wirkung für Auge, Nase und Ohr. Der exotische Geruch stammt von den Lederpolstern, die eine in Marokko lebende Freundin der Architekten dort fertigen ließ.

Ein Fremdling ist dieser Raum, keine Frage. Der Lehm kommt zwar aus einer Grube in Surrein, einem Dorf, nicht weit von Ilanz entfernt, doch vertraut ist er nicht. Zumal in einem Kino. Die Macher des Filmclubs, also auch die Architekten, fragten sich zu Beginn der Planung: Was muss heute ein Kleinkino bieten, um existieren zu können? Die Technik war und ist budgetbedingt nicht die neueste, weder digital, noch 3D, ein Großteil der Filme und Veranstaltungen erklärtermaßen anspruchsvoll. Der Raum sollte die technischen Mängel wettmachen, sollte gut genug sein, das Kinoerlebnis zu stützen, sollte auch über das Programm hinaus Menschen anlocken – und nicht nur Architekten. Das ist geglückt, denn für die Ausstrahlung von Stampflehmwänden sind nicht nur Experten empfänglich. Von Donnerstag bis Samstag läuft nun das Kulturprogramm, das von der regional-genossenschaftlichen Raiffeisenbank gesponsert wird. An den anderen Tagen werden in den Räumen auch schon mal Hochzeitstorten oder Geburtstagskuchen angeschnitten. Der Ort taugt nicht nur dafür, sich von Filmen aus aller Welt in eine Traumwelt entführen zu lassen. Er verzaubert auch den Alltag. Welche Leistung!

db, Mi., 2011.06.01



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db 2011|06 Hören und Sehen

23. Februar 2011Axel Simon
hochparterre

Leben im Manifest

Der solothurnische Gärtnermeister Ueli Flury hat eine fixe Idee. Er möchte möglichst autark leben, ökologisch und gesund. Die Kinder sind weg, nun kann...

Der solothurnische Gärtnermeister Ueli Flury hat eine fixe Idee. Er möchte möglichst autark leben, ökologisch und gesund. Die Kinder sind weg, nun kann...

Der solothurnische Gärtnermeister Ueli Flury hat eine fixe Idee. Er möchte möglichst autark leben, ökologisch und gesund. Die Kinder sind weg, nun kann er ein Stöckli bauen, im hintersten Eck des Gartens neben dem Glashaus seines Blumenladens und dem alten Bauernhaus. Es war bisher der Familie Heim, doch bald wird es jenes einer anderen sein. Den Weg zur Erfüllung seiner Idee nimmt er ernst: Planer evaluierten ihm Bedürfnisse und Möglichkeiten, schliesslich unterbreiteten vier Architekturbüros ihre Studien. Die siegreichen und jungen Bieler spaceshop planten das Haus, das Flury zu einem guten Teil selbst baute. Heute lebt er auf 100 Quadratmetern in drei grossen Räumen, gebildet von zwei dicken Lehmwänden und raumhohen Fensterfronten mit Blick in den schönen Garten.

Nachhaltig und gesund ist das Haus: Der Grossteil des natürlichen Baumaterials hat keine zehn Kilometer Weg hinter sich. Abbruchsteine und alte Grabsteine bilden mit Trasskalkfugen die Kellermauern. Das Traggerüst ist aus Fichtenholz, kurz vor dem winterlichen Neumond im nahen Wald gefällt. Im nahen Dorf vermischte man den Lehm einer Baugrube mit Stroh. Aufgeschichtet und seitlich abgestochen bildet er die achtzig Zentimeter dicken Wände. Strohballen vom Feld des Nachbarn dämmen Boden und Decke. Fichtenbretter drauf, fertig. Kein Silikon, kein Kitt, kein Beton. Nur die Dachabdichtung aus Kautschuk, Fenster und Spenglerbleche entstammen der gemiedenen Welt der Industrie.

Das autarke Leben sichern zwei Kreisläufe: Im Energiekreislauf sorgt Photovoltaik auf dem Dach des Bauernhauses für mehr Strom als nötig und Stückholz aus dem nahen Wald für Wärme. Dem Bewohner wird warm beim Holzhacken, das Haus heizt ein zentraler Herd, der über einen Speicher im Keller die Heizkörper mit warmem Wasser versorgt und auch zum Kochen nützt. Im Wasserkreislauf kommt frisches Nass aus der eigenen Quelle, um nach Gebrauch in einer Sandpflanzen-Filteranlage gereinigt und zum Giessen in der Gärtnerei genutzt zu werden. Die Komposttoilette liefert zweimal jährlich Dünger. Nicht allgemeingültig sei sein Haus, sagt der Gärtnermeister, er sei kein Vorreiter. Sein Alltag ist nun ritueller, qualitätsvoller, umgeben von bergenden und borstigen Erdmauern.

hochparterre, Mi., 2011.02.23



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07. Dezember 2010Axel Simon
hochparterre

Cinema Sil Plaz

Auf dem Rückweg vom Baden in Vals fährt man darauf zu: das Haus Vieli im Zentrum von Ilanz. Im hinteren Anbau zeigt der hiesige Filmclub seit einigen Jahren...

Auf dem Rückweg vom Baden in Vals fährt man darauf zu: das Haus Vieli im Zentrum von Ilanz. Im hinteren Anbau zeigt der hiesige Filmclub seit einigen Jahren...

Auf dem Rückweg vom Baden in Vals fährt man darauf zu: das Haus Vieli im Zentrum von Ilanz. Im hinteren Anbau zeigt der hiesige Filmclub seit einigen Jahren ein farbiges Kinoprogramm, veranstaltet Konzerte und lädt zu Lesungen oder Theaterabenden ein — und schuf so ein informelles Kulturzentrum der Region Surselva. Die bald nötigen baulichen Anpassungen für Haus-, Sicherheits- und Kinotechnik sowie Lärmschutz planten die beiden Architekten Gordian Blumenthal und Ramun Capaul als engagierte Mitglieder des Vereins und legten beim Bau auch selbst mit Hand an. Im Bar- und Bühnenraum beschränkten sie sich auf das Nötigste. Rohe Eisentore führen zu den Toiletten und den Raum mit den Filmprojektoren, man riecht noch den Wein, der früher hier abgefüllt wurde.

Den Kinoraum jedoch implantierten sie als schönen Fremdling: Massige Stampflehmwände, Lehmdecke und -boden bilden den archaischen Raum, in dem das bewegte Licht die Besucher an fiktive Orte entführt. Mit ihrer überraschenden Wahl würdigt die Jury die Intensität des Projekts. Die Architekten reagierten feinsinnig auf das Vorhandene. Ihre minimalen, aber hochpräzisen Massnahmen zielten auf das Notwendige und schufen doch etwas Reiches und gänzlich Neues.

[Kommentar der Jury Cinema Sil Plaz]

hochparterre, Di., 2010.12.07



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hochparterre 2010-12

07. Dezember 2010Axel Simon
hochparterre

Hospiz St. Gotthard

Miller & Maranta bauen für die Stiftung Pro San Gottardo das älteste Haus auf dem Pass um. Sie entfernen marode Wände und Balken, erhöhen den Giebel der...

Miller & Maranta bauen für die Stiftung Pro San Gottardo das älteste Haus auf dem Pass um. Sie entfernen marode Wände und Balken, erhöhen den Giebel der...

Miller & Maranta bauen für die Stiftung Pro San Gottardo das älteste Haus auf dem Pass um. Sie entfernen marode Wände und Balken, erhöhen den Giebel der Umfassungsmauer und setzen eine moderne Holzkonstruktion hinein. Ein tonnenschweres Bleidach gibt dem Haus nun Abschluss und Einheit. Hochparterre schrieb im Septemberheft: ein Gipfel alpiner Beherbergung! Die Jury fragte sich: Ist der Umbau eines solchen Hauses ein Steilpass für die Architekten? Will heissen, sind Aufgabe und Ort per se so schön, dass daraus ein schönes Haus resultieren muss? Wohl kaum, kommt man zum Schluss, und spricht dem Basler Architekturbüro Miller & Maranta für ihr Projekt den Preis zu. Weil sie aus dem vorhandenen Konglomerat ein komplexes, aber stimmiges Ganzes geschaffen haben. Weil sie dem Volumen mit der Überhöhung eine schöne Geste und eine gestärkte Wirkung verliehen haben. Und weil sie Alt und Neu überzeugend und stimmungsvoll miteinander verschmolzen haben.
Der Pass ging ins Tor.

[Kommentar der Jury Hospiz St. Gotthard]

hochparterre, Di., 2010.12.07



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07. Dezember 2010Axel Simon
hochparterre

Eingang Grossratsgebäude

Die Aufgabe: dem Eingang zum Bündner Parlament mehr Prominenz verleihen. Die Lösung: ein kraftvolles Objekt vor das Gebäude stellen, unabhängig und eigenständig....

Die Aufgabe: dem Eingang zum Bündner Parlament mehr Prominenz verleihen. Die Lösung: ein kraftvolles Objekt vor das Gebäude stellen, unabhängig und eigenständig....

Die Aufgabe: dem Eingang zum Bündner Parlament mehr Prominenz verleihen. Die Lösung: ein kraftvolles Objekt vor das Gebäude stellen, unabhängig und eigenständig. Das tonnenschwere Gebilde erscheint aus wenigen Teilen zusammengesetzt und ist aus einem Material gegossen. Mit seiner präzis-monumentalen Geste beeindruckt es und irritiert gleichzeitig mit scheinbarer Instabilität. Die Jury kürt Valerio Olgiatis Eingang zum Grossratsgebäude als eine herausragende Einzelleistung. Er ist mehr Installation als Vordach, mehr Kunst als Architektur.

[Kommentar der Jury Grosser Eingang]

hochparterre, Di., 2010.12.07



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08. November 2010Axel Simon
hochparterre

Ursuppenküche

Wissenschaftler und Aussteller sind zwei verschiedene Spezies. Die einen forschen im stillen Kämmerlein, die anderen wollen diese Forschung unter die Leute...

Wissenschaftler und Aussteller sind zwei verschiedene Spezies. Die einen forschen im stillen Kämmerlein, die anderen wollen diese Forschung unter die Leute...

Wissenschaftler und Aussteller sind zwei verschiedene Spezies. Die einen forschen im stillen Kämmerlein, die anderen wollen diese Forschung unter die Leute bringen. An der Berliner Humboldt- Universität kam es 1869 zum Eklat, als ein präpariertes Walross den Studenten den Zugang zur Aula versperrte. Die üppige naturwissenschaftliche Sammlung der Universität drohte das Hauptgebäude Unter den Linden zu sprengen. Als man dieser Sammlung schliesslich ein eigenes Haus zugestand, träumte der Museumsdirektor von einer Einheit des Forschens und Ausstellens. Er liess den Architekten zwei opulente Treppenhäuser planen, die sämtliche Teile der Sammlung zugänglich machen sollten. Doch als die Tore des Hauses 1889 öffneten, war der Direktor tot, und sein Nachfolger hatte einen anderen Traum. Er liess den Zugang zu den oberen Etagen sperren und im Erdgeschoss eine reine Schausammlung einrichten. Das ist in den Naturkundemuseen der Welt üblich und bis heute so: Die Forscher arbeiten in ihrem Elfenbeinturm, die Besucher stehen zu Füssen der Prachtstufen vor roten Kordeln.

Grandezza und Zerstörung

Nicht, dass die Berliner Säle im Erdgeschoss weniger prächtig wären. Die fast sechs Meter hohen Schausäle zeigen feinsinnig und farbig die Bewunderung ihres Architekten August Tiede für Karl Friedrich Schinkel. Besonders der zentrale Lichthof, den man gleich nach dem Eingangsfoyer betritt, bringt einen ins Staunen, auch weil sich hier der Hals des weltweit grössten Dinosaurierskeletts bis zum Glasdach reckt. Der etwas schematische Flügelbau gruppiert sich, neben dem Sauriersaal, um weitere Lichthöfe und erinnert mit gusseisernen Säulen, Geländern und Lüftungsgittern an die vorangegangene Nutzung des Areals durch die Königliche Eisengiesserei. Da die Sammlung rasant wuchs, vor allem durch das «Ausräumen» der deutschen Kolonien, erweiterte der Architekt schon während des Ersten Weltkriegs sein Gebäude pragmatisch auf dem hinteren Restgrundstück. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs traf dann eine Bombe den Ostflügel, bis vor wenigen Jahren noch die «letzte Kriegsruine Berlins». Der weiterhin benutzte Rest des Museums litt am mangelnden Unterhalt während der DDR-Zeit. Bei der Neuordnung des Hauses scheinen Wissenschaftler und Aussteller nun endlich an einem Strang zu ziehen. Den Wettbewerb zur Komplettsanierung gewannen Diener & Diener 1995 mit dem Ziel, auch die oberen Etagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bis 2007 reparierten die Basler Architekten fünf Säle im Erdgeschoss, ergänzten kaputte Fliesen und Farbflächen, ertüchtigten Bauteile, darunter die alten Fenster, die sie an heutige Sicherheitsauflagen anpassten. Die neue Technik blieb dabei beinahe unsichtbar.

Grossvitrine für Präparate

Die Architekten gingen aber noch weiter. Schon im Wettbewerb schlugen sie vor, im wiederaufgebauten Ostflügel einen der grössten Schätze der Sammlung zu präsentieren: die «Nasspräparate», rund 276 000 mit Alkohol gefüllte Gläser, in denen Fische, Reptilien oder Säugetiere unbeschadet die Zeit überstehen, zum Teil vor mehr als 200 Jahren von Humboldt selbst nach Berlin gebracht. Darunter finden sich viele «Typenexemplare», Tiere, die als Erste ihrer Art untersucht wurden und vielen internationalen Forschern noch immer als Vergleichsobjekte dienen. Roger Diener stiess mit seiner Idee einer saalgrossen Vitrine — wie sollte es anders sein — bei den Forschern zu Beginn auf Skepsis. Zu wertvoll der Schatz, zu kompliziert das Miteinander von musealer Einsehbarkeit, gesichertem Forscherzugriff und angemessener Lagerung, denn bei Temperaturen über 15 Grad verdunstet der Alkohol, legt die Präparate frei und droht sich zu entzünden. Schliesslich aber überzeugte die Idee und auch die Vorstellung, mit der Inszenierung der Präparate viel Volk anzulocken und ihm die wissenschaftliche Arbeit näher zu bringen.

Mehr Besucher

Der Neubau des Ostflügels bekam grünes Licht, und seine Eröffnung im September 2010 setzte den Schlussstein auf die erste Umbauetappe. Ein Teil der Nasssammlung ist nun im Erdgeschoss des Ostflügels zu bestaunen. Der Grossteil lagert in den Etagen darüber und ist weiterhin nicht öffentlich zugänglich. In den kommenden Jahren soll der Umbau weiterer Hauptsäle des Museums im Erdgeschoss und in den Obergeschossen folgen. Der neue Flügel wird wohl den Popularitätsschub weiter anfeuern, den die Eröffnung der aufgefrischten Säle vor drei Jahren auslöste. Allen voran die Neupräsentation des knochigen Brachiosaurus machte aus dem Museum den «grössten Kinderspielplatz Berlins», wie der Ausstellungsleiter sein Haus gerne nennt. Auf die neuen Displays hatten die Architekten keinen Einfluss. Die stammen vom spezialisierten Büro Art Com — mit Bertron & Schwarz — und setzen auf interaktive Technik und Einbauten, die sich für die architektonische Fassung nicht weiter interessieren. Auch Diener & Diener bewarben sich — gemeinsam mit dem Filmer Peter Greenaway — um die Ausstattung, scheiterten aber schon in der Präqualifi- kation am Einbezug des Künstlers. Anders beim Ostflügel.

Als Einheit von räumlicher Hülle und inszeniertem Inhalt entworfen fällt er nun spannungsvoll aus dem musealen Rahmen. Offenen Mundes umkreisen die Besucherinnen und Besucher den gläsernen Raum, auf dessen Regalen sich fast sechs Meter hoch die Exponate stapeln. Nach rein wissenschaftlichen Kriterien sortiert glotzen hier Fische auf das Publikum herab, liegen Schlangen in bernsteinfarbenen Flüssigkeiten aufgerollt. Die Säugetiere liess man im Depot, um den Kinderschrecken in Grenzen zu halten.

Leuchtstoffröhren im Inneren machen die Regale zum mystisch-strahlenden Schrein. Unbeschriftet zielen sie allein auf den visuellen Eindruck. Aus Sicherheitsgründen wird man allerdings keine Forscher mit den Schätzen hantieren sehen, der Zutritt ist ihnen nur ausserhalb der Öffnungszeiten gestattet.

Geflicktes Bombenloch

Weil die Exponate lichtempfindlich sind, hat der Raum keine Fenster. Flache Nischen in den mit dem kalten Rotpigment Caput mortuum gefärbten Wänden deuten die Lage der einstigen Fenster an. Zum westlichen Innenhof hin war die Fassade erhalten geblieben, zur anderen Seite hin gab es nur noch Mauerfragmente. Die flickten Diener & Diener nicht einfach, sondern ergänzten sie auf eine Art, die — besonders unter Architekten und Denkmalpflegern — für viel Aufmerksamkeit sorgt. Die erhalten gebliebenen Fensteröffnungen der gelben Ziegelfassade liessen sie zumauern, die Bombenlücke füllten sie mit Betonkopien erhalten gebliebener Fassadenteile. Wer nun durch den seitlichen Hof des Museums zu den hinteren Universitätsgebäuden geht, der erlebt ein irritierendes Schauspiel.

Jeder Ziegel, jede Fenstersprosse, jeder Pilasterkopf der zerstörten Fassade ist wiederauferstanden. Gespenstisch farblos, bleich wie die eingelegten Fische. Es ist, als stehe man vor einem jener Schwarz- Weiss-Fotos, mit denen man sich in Berlin so gern an die «gute alte Zeit» erinnert. Damals, als der Krieg noch nicht war und alle Häuser und auch das Schloss noch standen. Doch die Fassade ist aus kaltem Beton und wenig geeignet, nostalgische Seelen zu wärmen.

«Das Museum ist keine Rekonstruktion, aber es handelt von ihr.»
In München und Berlin stehen die grossen Vorbilder der von Diener & Diener wiederaufgebauten Museumsfassade. Roger Diener über Parallelen und Unterschiede.

Der Wiederaufbau eines kriegszerstörten Gebäudes ist eine aufgabe, die wir in der Schweiz nicht kennen. Sind Sie als aussenstehender unbefangener ans Werk gegangen? Mit unserer vor zehn Jahren fertiggestellten Schweizer Botschaft sind wir ja hier in Berlin mitten in die Diskussion über Rekonstruktion und Erhaltung hineingeraten. Spätestens seit dieser Zeit beschäftigen uns Fragen des Umgangs mit dem Baudenkmal, auch in der Schweiz und anderen Ländern. Als Mitglied des Berliner Landesdenkmalrates verfolgte ich später die grosse Rekonstruktionsdebatte. Die wird hier in Deutschland sehr emotional geführt.

Die ergänzte Fassade des Ostflügels hat etwas Geisterhaftes. Ist das Ihr Beitrag zu dieser Debatte? Die Verwendung von normalem Beton spielt eine wichtige Rolle. Es ist der Versuch eines ungeschönten Umgangs mit der Geschichte. So weit ist es an das grosse Beispiel von Hans Döllgast angelehnt, der Alten Pinakothek in München. Deren Wiederaufbau liesse sich allerdings jederzeit vollenden, die Fassade rekonstruieren. Der Berliner Ostflügel schliesst seine kommende Rekonstruktion aus. Ein weiterer Unterschied: Unsere Fassade ist ein Einzelfall, der nur bei der gegebenen Aufgabe Sinn macht. Döllgasts Vorgehen ist ein allgemeines Prinzip, das sich wiederholen lässt.

Und ist das Geisterhafte der Fassade ein Kommentar, beispielsweise zum geplanten Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses? Die in Beton gegossene Hülle mit dem Abguss der Holzfenster in Kunststein hat eine surrealistische Qualität, und von ihr geht tatsächlich eine besondere Wirkung aus. Es ist eine Fassade, aber es ist nicht die Fassade, die sie abbildet. Es ist keine Rekonstruktion der früheren Fassade, aber es handelt von ihr. Von einem Kommentar würde ich aber nicht sprechen. Mit dem leidigen Wiederaufbau des Stadtschlosses hat die Neufas- sung des Ostflügels nichts zu tun.

Obwohl unsere Hülle eine immer wieder geforderte Rekonstruktion ausschliesst, sind die Reaktionen andere als bei der Schweizer Botschaft. So empört sich ein Vertreter der sehr konservativen Berliner Denkmalfraktion bis heute über unsere Botschaftserweiterung, doch das hier sei ein guter Weg.

Das letztes Jahr wiederaufgebaute Neue Museum ist ein viel gepriesenes Paradebeispiel und hat das Denken beim Umgang mit Baudenkmälern in Berlin verändert. Spielte es beim Museum für Naturkunde eine Rolle? Es spielte insofern keine Rolle, als dass David Chipperfield und wir parallel entworfen haben. Die Projekte sind auch ganz verschieden angelegt. Für das Neue Museum hat Chipperfield alle Spuren sorgfältig gesichert und mit grosser ästhetischer Energie herausgearbeitet. Es ist die subtile Inszenierung eines ruinösen Gebäudebestands. Das ist sehr überzeugend vorgetragen und in einer engen Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege entstanden. Bei uns war das anders. Wir haben einen ganzen Flügel des Museums neu gebaut, und weil wir im diesem Neubau für die Nasssammlung die höchsten Anforderungen an Klima und Sicherheit erfüllt haben, konnten wir in den übrigen Sälen auf aufwendige Eingriffe verzichten. Es kann nicht nur eine Formel geben.

Die Präparatoren des Museums gehen ganz ähnlich vor wie ihr bei der Fassade: Sie ergänzen Fehlstellen, zum Beispiel von Saurierskeletten, sichtbar mit nachgeformten Gipsteilen. (lacht) Anscheinend ist es sogar die gleiche Firma, die die Silikonabgüsse gemacht hat. Ich wusste das nicht. Aber ich finde es schön.

hochparterre, Mo., 2010.11.08



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20. Oktober 2010Axel Simon
hochparterre

Der Nebel lichtet sich

Es ist die beste Biennale aller Zeiten. Kunst macht Räume schwerelos und die Stars mussten für einmal zu Hause bleiben.

Es ist die beste Biennale aller Zeiten. Kunst macht Räume schwerelos und die Stars mussten für einmal zu Hause bleiben.

«Die Biennale 2010 sollte eine Ausstellung über Architektur sein.» So lautet der Kuratorin erster Satz im Programmheft. An der weltweit wichtigsten Architekturausstellung muss erstmal klargestellt werden, dass es um Architektur geht. Wie viel sagt ein solcher Satz über den aktuellen Zustand der Profession? Er kommt einer Bankrotterklärung gleich.

Wundern muss einen das nicht. Als 2004 Kurt W. Forster die Leitung der Architekturbiennale übernahm, wollte er uns die «Zeichen einer neuen Zeit» vorführen. Wir gähnten ob all der digitalen Wölbungen und Blähungen der üblichen Verdächtigen. Architektur sah man dort nicht. 2006 machte der Londoner Richard Burdett aus dem Jahrmarkt der formalen Eitelkeiten eine Problemschau. Sorge um die Entwicklung der Megastädte trieb ihn um, Unmengen an Fakten schlug er den Besuchern um die Ohren: Fotos und Filme von Caracas bis Shanghai. Architektur? Fehlanzeige. 2008 schliesslich suchte der Amerikaner Aaron Betsky die Architektur «jenseits des Bauens», schickte schräge Objekte auf den Laufsteg, bunt und schrill. Unfreiwillig geriet seine Schau zu einem Abgesang auf die sich nur noch selbst zitierenden «Stararchitekten». Und zu einem Tiefpunkt in der dreissigjährigen Geschichte der Architekturbiennale.
Aus diesem Loch schwebt nun eine Lichtgestalt. Mit Kazuyo Sejima berief die Biennale seit Langem wieder eine praktizierende Architektin an die Spitze. Und eine, die 2010 mit ihrem Büro Sanaa einen rasanten Sprung hinlegte: Im Januar stellte sie ihr Biennaleprogramm vor, im Februar eröffnete sie ihr hoch gelobtes «Learning Center» an der ETH Lausanne siehe HP 4 / 10 und im März wurde bekannt gegeben, dass der diesjährige Pritzkerpreis an Sanaa geht. Im Vorfeld der Ausstellung konnte man sich nicht sicher sein, ob die 54jährige Japanerin den hohen Erwartungen gerecht zu werden vermag. Als Kuratorin war sie unerfahren, sie spricht schlecht Englisch und tritt bescheiden auf, fast scheu. Und was sollte dieser Allgemeinplatz «People meet in Architecture» als Titel? Ihr Konzept, jedem Ausstellungsteilnehmer einen eigenen Raum zuzuweisen und sich selbst zu kuratieren, wurde skeptisch beäugt.

Weg von der männlichen Leistungsschau

Seit Ende September sind die Skeptiker im SanaaRausch. Ähnlich wie die Räume des «Learning Center», in denen man seinen gesunden Menschenverstand wegstaunt, betört die Hauptschau in Venedig ihre Besucher, macht sie glücklich. Atmosphärische Installationen zaubern aus der 300 Meter langen ehemaligen Seilerei in den Arsenalen eine sorgfältig komponierte Folge von Raumerlebnissen: Dunkel folgt auf hell, schwer auf leicht. Sejima lässt Wasser tanzen, Klänge einen Raum formen, der sich im Nebel wieder verliert. Ihr gelang es, aus einer männlichen Leistungsschau ein träumerisches Ereignis zu machen. Dabei liess sie alle Stars der Szene aussen vor: Keine Hadid, kein Gehry, kein Nouvel ist hier vertreten. Als einzigen weiteren PritzkerpreisTräger lud sie Rem Koolhaas ein. Mit einer brillanten Analyse zu unserem Verhältnis gegenüber Baudenkmälern findet der zu alter Form zurück und liefert damit den Beweis, dass er den diesjährigen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk verdient.

Auch Sejimas Motto «Menschen treffen sich in Architektur» ist mehr als ein Lippenbekenntnis. Neben der Hauptausstellung auf 10 000 Quadratmetern, den 55 Länderbeiträgen und rund zwei Dutzend weiteren Ausstellungen gibt es unzählige Nebenveranstaltungen, Diskussionsrunden und der Ausstellung führte Hans Ulrich Obrist Interviews mit allen vertretenen Architekten und Künstlern, die am gleichen Ort auf Bildschirmen (und auf Youtube) zu sehen sind. Aber auch die besten Länderbeiträge stellen Menschen in den Mittelpunkt. Zum Beispiel der von Bahrein, ein Werk des Lapa (Laboratoire de la production d’architecture) von Harry Gugger an der ETH Lausanne. In einer Installation aus drei zusammengenagelten Strandhütten wirft man hier einen kritischen Blick auf die für die Öffentlichkeit immer unzugänglicher werdenden Strände des Inselstaates – Gugger und die Seinen wurden dafür mit dem Goldenen Löwen belohnt.

Beglückender Besuch So heterogen die Beiträge auch sind, im Blick zurück erscheint das Bild einer «japanischen» Biennale. Zarte Häuser, leuchtende Räume, das sei die Zukunft der Architektur, gibt uns die Kuratorin mit auf den Weg. Wie ein Exempel eröffnet ein 3DFilm von Wim Wenders über das «Learning Center» die Hauptausstellung, lässt uns durch Raumhügel gleiten. Sanaas Hausfotograf Walter Niedermayr zeigt Bilder von Moscheen, die sich in Helligkeit verlieren. Sejimas Lehrer Toyo Ito hat ebenso einen Raum wie einige ihrer Schüler, auch Werke von Sanaa sind vertreten. Der japanische Pavillon zeigt ein Haus des Büropartners Ryue Nishizawa. Christian Kerez stellt seine grossen Modelle in zwei Räumen aus, Valerio Olgiati füllt einen weiteren. Auch hier: Reinheit, Klarheit, Kunst, wiewohl um einiges muskulöser als in Fernost. Jürg Conzetts Blick auf Brücken und Stützmauern bringt mit Eigensinnigkeit und Sorgfalt — aber der Dichte vielleicht etwas zu viel — den Schweizer Pavillon ins Gespräch siehe Seite 60. Die vorausgegangenen Architekturbiennalen scheiterten an den grossen Fragen, wie Metropolenwachstum oder Nachhaltigkeit, oder aber am Hype des Starsystems. Die diesjährige möchte ihre Besucher schlicht beglücken — sie schafft es. Dass aber auch die Sehnsucht nach schwerelosen Räumen scheitern kann, das zeigt der Beitrag, den die Jury als beste Installation der Hauptausstellung ehrte. Mit ihr versucht der 36jährige Junya Ishigami, ebenso ehrgeizig wie spielerisch Architektur zu entmaterialisieren — und überflügelt dabei fast seine Lehrmeisterin Sejima. Zusammen mit einem halben Dutzend Helfern baute er ein Volumen in die Arsenalehalle, das nur aus Kanten besteht. 4 Meter hoch, 4 Meter breit und 14 Meter lang füllte es das Mittelschiff beinahe aus, doch sichtbar war es kaum, denn die Linien bestanden aus 0,2 Millimeter dünnen, weissen Kunststoffstäbchen, die wiederum von unsichtbaren Fäden abgespannt waren. Leider kamen nur wenige Besucher in den — irritierenden — Genuss, diese feine Zeichnung im Raum zu bewundern. Wenige Tage vor der Eröffnung brachte eine Katze das fragile Hausgespinnst zum Einsturz. Das Team arbeitete vier Tage und vier Nächte am Wiederaufbau und schliesslich triumphierte das Schwebende wieder über die Schwerkraft. Wenig später lief ein Putzmann in die Installation. Zurück blieben ein paar weisse Striche am Boden, ein Mahnmal der Leichtigkeit. Ihr Autor ist nun der Ikarus der Architektur.

hochparterre, Mi., 2010.10.20



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Presseschau 12

02. Dezember 2022Axel Simon
Neue Zürcher Zeitung

Schweizer Architekten hassen Solartechnik

Wozu braucht es Solaranlagen in den Alpen, wenn die Dächer und Fassaden unserer Städte reichlich Strom produzieren könnten? Die Technik stört die Ästhetik.

Wozu braucht es Solaranlagen in den Alpen, wenn die Dächer und Fassaden unserer Städte reichlich Strom produzieren könnten? Die Technik stört die Ästhetik.

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01. Juni 2011Axel Simon
db

Duft und Klang – Auratischer Ort

In den abgelegenen Tälern am Vorderrhein ist Kultur nur zu haben, wenn man sie selber macht. So veranstaltet der örtliche Filmclub zusätzlich zum Kinoprogramm auch Konzerte, lädt zu Lesungen oder Theaterabenden ein und schuf dadurch ein kleines Kulturzentrum. Die Architekten sind selbst Mitglieder des Vereins und sorgten innerhalb der bestehenden Räumlichkeiten für Anpassungen der Haus-, Sicherheits- und Kinotechnik sowie den nötigen Lärmschutz. Durch minimale, aber hochpräzise Eingriffe und unter Verwendung archaisch anmutender Materialien wie z. B. Lehm sind stimmungsvolle Räume entstanden.

In den abgelegenen Tälern am Vorderrhein ist Kultur nur zu haben, wenn man sie selber macht. So veranstaltet der örtliche Filmclub zusätzlich zum Kinoprogramm auch Konzerte, lädt zu Lesungen oder Theaterabenden ein und schuf dadurch ein kleines Kulturzentrum. Die Architekten sind selbst Mitglieder des Vereins und sorgten innerhalb der bestehenden Räumlichkeiten für Anpassungen der Haus-, Sicherheits- und Kinotechnik sowie den nötigen Lärmschutz. Durch minimale, aber hochpräzise Eingriffe und unter Verwendung archaisch anmutender Materialien wie z. B. Lehm sind stimmungsvolle Räume entstanden.

In einem Kino zählt das Immaterielle, Licht und Ton schaffen die Welt. Kinosäle, die darüber hinaus einem architektonischen Anspruch gerecht werden, sind rar. In Ilanz erwartet man einen solchen am allerwenigsten. Architekten ist das Städtchen mit rund 2 300 Einwohnern nur deshalb ein Begriff, weil der Weg nach Vals dort hindurchführt. Von der Rhätischen Bahn steigt man hier ins Postauto, das sich zu Zumthors Therme hinaufschlängelt. Ab jetzt ist Ilanz aber ebenfalls eine Übernachtung, weil einen Kinobesuch wert.

Die Geschichte beginnt vor rund 20 Jahren. Das Kino Darms schließt als letztes Kino der Region Surselva. Um die Lücke zu füllen, gründet sich der Filmclub Ilanz. Der befriedigt im Laufe der Zeit nicht nur cinephile Bedürfnisse, sondern organisiert auch Lesungen und Diskussionsrunden, Konzerte und Theatervorführungen. Als Openair-Wanderkino zieht er in verschiedene Gemeinden, auf Bio-Bauernhöfe und Kuhalpen, er berät Schulklassen bei Filmprojekten und hilft bei der Organisation von Dorffesten. Im Laufe der Jahre wird aus dem Film- ein Kulturclub, ein Zentrum für Kleinkunst der Surselva mit 150 Mitgliedern. Lange trifft man sich in ungemütlichen Provisorien, 1999 schlägt der Versuch fehl, die leerstehende Markthalle in Ilanz zum ständigen Quartier zu machen. Dann findet man das Haus Vieli im Zentrum des Dorfs. Eine mächtige Einzelsäule, die weiße Putzfassade und der fehlende Dachüberstand zeigen Kennern den früheren Umbau von Rudolf Olgiati (dem Vater Valerios) – ein stattliches Haus mit Wohnungen, Büros, einem Therapieraum und einem Café. Und mit Besitzern, die Kultur fördern. Seit Herbst 2004 vermieten sie dem Filmclub den rückseitigen Anbau, Räume und Keller im Haupthaus. In dieser ehemaligen Weinhandlung, die laut den Architekten einst auch als Schmiede genutzt wurde, findet in den folgenden Jahren ein vielseitiges Winterprogramm seinen Ort – mit Veranstaltungen auch für Kinder, Jugendliche und Senioren, für Einheimische und Weltoffene, auf Plastikstühlen und mit zünftigem Barbetrieb danach.

Sinn für Form und Handwerk

Ein Umbau ist notwendig, denn die Wohnungen im Haus und in der Nachbarschaft sind vom kulturellen Lärm geplagt. Auch muss Kino- und Brandschutztechnik installiert, diejenige der sanitären Anlagen, von Heizung und Lüftung erneuert werden. Die Planung übernehmen zwei noch relativ junge ETH-Architekten. Sie engagieren sich bereits länger im Filmclub, erforschen von Ilanz aus das bauliche Erbe ihrer Heimat und bauen auch immer wieder daran weiter: Gordian Blumenthal und Ramun Capaul. Ihren Anspruch an Architektur und ihr Können zeigt das neue Cinema Sil Plaz sehr schön: Zuerst, indem es sich eben nicht »neu« präsentiert. Nicht von außen – wo lediglich die neu aufgedoppelten Fensterrahmen eine Veränderung zeigen – und auch nicht im Innern, im langen Raum des Anbaus, der Eingang und Bar, Konzertraum und »Beiz« also Kneipe gleichzeitig ist. Nichts haben die Architekten hier verkleidet – die, übrigens, wie viele andere Vereinsmitglieder auch, selbst zum Werkzeug griffen. Den vorhandenen Kalkverputz beließen sie, die anderen Wände und die offene Holzdecke kalkten sie neu. Auf der alten Holzempore stehen nun einige Beizentische; freigeräumt dient sie den Künstlern als Bühne. Eine lange Bartheke teilt die andere Hälfte des Raums. Die einfache Gestalt und die praktischen Kniffe der Steh- und Einbaumöbel – ein Möbel dient z. B., geklappt und geschoben, an Club-Abenden als DJ-Pult – zeigen Sinn für Form und Handwerk.

Fragt sich der Besucher im ersten Raum noch, was dort neu sei, so wird er beim Gang in Richtung WC hellhörig. Im zentralen Foyerraum passiert er riesige, unbehandelte Stahltore, die an Rollen hängen und auch die Wände und Türen der WC-Kabinen sind nicht aus gängigen, kunstharzbeschichteten Platten, sondern aus brachialem Metall. Meint man vorn in der Beiz noch den einst hier abgefüllten Wein zu riechen, so klingt hier förmlich der Schmiedehammer im Ohr. Der fein gearbeitete Waschtisch aus bläulichem Gneis (Ilanzer Verrucano) versöhnt allzu zarte Seelen, er ist das Werk des ebenfalls im Club und auf der Baustelle engagierten Christian Aubry, Steinmetz und damaliger Vereinspräsident. Und der Stein, mit seinem gestalterischen Anspruch irgendwie fremd an diesem Ort, bereitet auf den großen Moment vor: den Eintritt in den Kinosaal, durch einen unscheinbaren Holzkasten am Kopf des Foyers.

Kein Schmiedehammer, kein Wein – aber was sonst? Die Schritte über den harten Boden sind fest, werden zwar leicht gedämpft aber nicht geschluckt. Es riecht eigenartig exotisch. Die Wände zeigen ein natürliches Ornament in bräunlichen Tönen. Doch sie sind weder aus Holz, noch aus Naturstein, sie fühlen sich rau und glatt zugleich an, weich und warm. Überhaupt möchte man hier alles anfassen, streicheln: den Stampflehm der Wände, die Bänke aus Eiche, die Polster aus ungefärbtem Leder darauf. Der Boden ist ebenfalls gestampfte Erde, gewachst, um robuster zu sein. Die Lehmbauplatten der Decke überzieht ein Lehmputz und selbst der kleine Treppenblock vor der Fluchttüre besteht aus diesem Material. Der vorarlberger Lehmbauexperte Martin Rauch hat die Architekten beraten und die Handwerker auf der Baustelle angeleitet. Die stampften einen Raum mit abgerundeten Kanten, mit runden Öffnungen zum Projektionsraum, mit einem halbrunden Gewölbe unter der Leinwand, aus dem die tiefen Töne kommen. Rund ist der Raum auch in der gesamten Wirkung für Auge, Nase und Ohr. Der exotische Geruch stammt von den Lederpolstern, die eine in Marokko lebende Freundin der Architekten dort fertigen ließ.

Ein Fremdling ist dieser Raum, keine Frage. Der Lehm kommt zwar aus einer Grube in Surrein, einem Dorf, nicht weit von Ilanz entfernt, doch vertraut ist er nicht. Zumal in einem Kino. Die Macher des Filmclubs, also auch die Architekten, fragten sich zu Beginn der Planung: Was muss heute ein Kleinkino bieten, um existieren zu können? Die Technik war und ist budgetbedingt nicht die neueste, weder digital, noch 3D, ein Großteil der Filme und Veranstaltungen erklärtermaßen anspruchsvoll. Der Raum sollte die technischen Mängel wettmachen, sollte gut genug sein, das Kinoerlebnis zu stützen, sollte auch über das Programm hinaus Menschen anlocken – und nicht nur Architekten. Das ist geglückt, denn für die Ausstrahlung von Stampflehmwänden sind nicht nur Experten empfänglich. Von Donnerstag bis Samstag läuft nun das Kulturprogramm, das von der regional-genossenschaftlichen Raiffeisenbank gesponsert wird. An den anderen Tagen werden in den Räumen auch schon mal Hochzeitstorten oder Geburtstagskuchen angeschnitten. Der Ort taugt nicht nur dafür, sich von Filmen aus aller Welt in eine Traumwelt entführen zu lassen. Er verzaubert auch den Alltag. Welche Leistung!

db, Mi., 2011.06.01



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23. Februar 2011Axel Simon
hochparterre

Leben im Manifest

Der solothurnische Gärtnermeister Ueli Flury hat eine fixe Idee. Er möchte möglichst autark leben, ökologisch und gesund. Die Kinder sind weg, nun kann...

Der solothurnische Gärtnermeister Ueli Flury hat eine fixe Idee. Er möchte möglichst autark leben, ökologisch und gesund. Die Kinder sind weg, nun kann...

Der solothurnische Gärtnermeister Ueli Flury hat eine fixe Idee. Er möchte möglichst autark leben, ökologisch und gesund. Die Kinder sind weg, nun kann er ein Stöckli bauen, im hintersten Eck des Gartens neben dem Glashaus seines Blumenladens und dem alten Bauernhaus. Es war bisher der Familie Heim, doch bald wird es jenes einer anderen sein. Den Weg zur Erfüllung seiner Idee nimmt er ernst: Planer evaluierten ihm Bedürfnisse und Möglichkeiten, schliesslich unterbreiteten vier Architekturbüros ihre Studien. Die siegreichen und jungen Bieler spaceshop planten das Haus, das Flury zu einem guten Teil selbst baute. Heute lebt er auf 100 Quadratmetern in drei grossen Räumen, gebildet von zwei dicken Lehmwänden und raumhohen Fensterfronten mit Blick in den schönen Garten.

Nachhaltig und gesund ist das Haus: Der Grossteil des natürlichen Baumaterials hat keine zehn Kilometer Weg hinter sich. Abbruchsteine und alte Grabsteine bilden mit Trasskalkfugen die Kellermauern. Das Traggerüst ist aus Fichtenholz, kurz vor dem winterlichen Neumond im nahen Wald gefällt. Im nahen Dorf vermischte man den Lehm einer Baugrube mit Stroh. Aufgeschichtet und seitlich abgestochen bildet er die achtzig Zentimeter dicken Wände. Strohballen vom Feld des Nachbarn dämmen Boden und Decke. Fichtenbretter drauf, fertig. Kein Silikon, kein Kitt, kein Beton. Nur die Dachabdichtung aus Kautschuk, Fenster und Spenglerbleche entstammen der gemiedenen Welt der Industrie.

Das autarke Leben sichern zwei Kreisläufe: Im Energiekreislauf sorgt Photovoltaik auf dem Dach des Bauernhauses für mehr Strom als nötig und Stückholz aus dem nahen Wald für Wärme. Dem Bewohner wird warm beim Holzhacken, das Haus heizt ein zentraler Herd, der über einen Speicher im Keller die Heizkörper mit warmem Wasser versorgt und auch zum Kochen nützt. Im Wasserkreislauf kommt frisches Nass aus der eigenen Quelle, um nach Gebrauch in einer Sandpflanzen-Filteranlage gereinigt und zum Giessen in der Gärtnerei genutzt zu werden. Die Komposttoilette liefert zweimal jährlich Dünger. Nicht allgemeingültig sei sein Haus, sagt der Gärtnermeister, er sei kein Vorreiter. Sein Alltag ist nun ritueller, qualitätsvoller, umgeben von bergenden und borstigen Erdmauern.

hochparterre, Mi., 2011.02.23



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07. Dezember 2010Axel Simon
hochparterre

Cinema Sil Plaz

Auf dem Rückweg vom Baden in Vals fährt man darauf zu: das Haus Vieli im Zentrum von Ilanz. Im hinteren Anbau zeigt der hiesige Filmclub seit einigen Jahren...

Auf dem Rückweg vom Baden in Vals fährt man darauf zu: das Haus Vieli im Zentrum von Ilanz. Im hinteren Anbau zeigt der hiesige Filmclub seit einigen Jahren...

Auf dem Rückweg vom Baden in Vals fährt man darauf zu: das Haus Vieli im Zentrum von Ilanz. Im hinteren Anbau zeigt der hiesige Filmclub seit einigen Jahren ein farbiges Kinoprogramm, veranstaltet Konzerte und lädt zu Lesungen oder Theaterabenden ein — und schuf so ein informelles Kulturzentrum der Region Surselva. Die bald nötigen baulichen Anpassungen für Haus-, Sicherheits- und Kinotechnik sowie Lärmschutz planten die beiden Architekten Gordian Blumenthal und Ramun Capaul als engagierte Mitglieder des Vereins und legten beim Bau auch selbst mit Hand an. Im Bar- und Bühnenraum beschränkten sie sich auf das Nötigste. Rohe Eisentore führen zu den Toiletten und den Raum mit den Filmprojektoren, man riecht noch den Wein, der früher hier abgefüllt wurde.

Den Kinoraum jedoch implantierten sie als schönen Fremdling: Massige Stampflehmwände, Lehmdecke und -boden bilden den archaischen Raum, in dem das bewegte Licht die Besucher an fiktive Orte entführt. Mit ihrer überraschenden Wahl würdigt die Jury die Intensität des Projekts. Die Architekten reagierten feinsinnig auf das Vorhandene. Ihre minimalen, aber hochpräzisen Massnahmen zielten auf das Notwendige und schufen doch etwas Reiches und gänzlich Neues.

[Kommentar der Jury Cinema Sil Plaz]

hochparterre, Di., 2010.12.07



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07. Dezember 2010Axel Simon
hochparterre

Hospiz St. Gotthard

Miller & Maranta bauen für die Stiftung Pro San Gottardo das älteste Haus auf dem Pass um. Sie entfernen marode Wände und Balken, erhöhen den Giebel der...

Miller & Maranta bauen für die Stiftung Pro San Gottardo das älteste Haus auf dem Pass um. Sie entfernen marode Wände und Balken, erhöhen den Giebel der...

Miller & Maranta bauen für die Stiftung Pro San Gottardo das älteste Haus auf dem Pass um. Sie entfernen marode Wände und Balken, erhöhen den Giebel der Umfassungsmauer und setzen eine moderne Holzkonstruktion hinein. Ein tonnenschweres Bleidach gibt dem Haus nun Abschluss und Einheit. Hochparterre schrieb im Septemberheft: ein Gipfel alpiner Beherbergung! Die Jury fragte sich: Ist der Umbau eines solchen Hauses ein Steilpass für die Architekten? Will heissen, sind Aufgabe und Ort per se so schön, dass daraus ein schönes Haus resultieren muss? Wohl kaum, kommt man zum Schluss, und spricht dem Basler Architekturbüro Miller & Maranta für ihr Projekt den Preis zu. Weil sie aus dem vorhandenen Konglomerat ein komplexes, aber stimmiges Ganzes geschaffen haben. Weil sie dem Volumen mit der Überhöhung eine schöne Geste und eine gestärkte Wirkung verliehen haben. Und weil sie Alt und Neu überzeugend und stimmungsvoll miteinander verschmolzen haben.
Der Pass ging ins Tor.

[Kommentar der Jury Hospiz St. Gotthard]

hochparterre, Di., 2010.12.07



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07. Dezember 2010Axel Simon
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Eingang Grossratsgebäude

Die Aufgabe: dem Eingang zum Bündner Parlament mehr Prominenz verleihen. Die Lösung: ein kraftvolles Objekt vor das Gebäude stellen, unabhängig und eigenständig....

Die Aufgabe: dem Eingang zum Bündner Parlament mehr Prominenz verleihen. Die Lösung: ein kraftvolles Objekt vor das Gebäude stellen, unabhängig und eigenständig....

Die Aufgabe: dem Eingang zum Bündner Parlament mehr Prominenz verleihen. Die Lösung: ein kraftvolles Objekt vor das Gebäude stellen, unabhängig und eigenständig. Das tonnenschwere Gebilde erscheint aus wenigen Teilen zusammengesetzt und ist aus einem Material gegossen. Mit seiner präzis-monumentalen Geste beeindruckt es und irritiert gleichzeitig mit scheinbarer Instabilität. Die Jury kürt Valerio Olgiatis Eingang zum Grossratsgebäude als eine herausragende Einzelleistung. Er ist mehr Installation als Vordach, mehr Kunst als Architektur.

[Kommentar der Jury Grosser Eingang]

hochparterre, Di., 2010.12.07



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08. November 2010Axel Simon
hochparterre

Ursuppenküche

Wissenschaftler und Aussteller sind zwei verschiedene Spezies. Die einen forschen im stillen Kämmerlein, die anderen wollen diese Forschung unter die Leute...

Wissenschaftler und Aussteller sind zwei verschiedene Spezies. Die einen forschen im stillen Kämmerlein, die anderen wollen diese Forschung unter die Leute...

Wissenschaftler und Aussteller sind zwei verschiedene Spezies. Die einen forschen im stillen Kämmerlein, die anderen wollen diese Forschung unter die Leute bringen. An der Berliner Humboldt- Universität kam es 1869 zum Eklat, als ein präpariertes Walross den Studenten den Zugang zur Aula versperrte. Die üppige naturwissenschaftliche Sammlung der Universität drohte das Hauptgebäude Unter den Linden zu sprengen. Als man dieser Sammlung schliesslich ein eigenes Haus zugestand, träumte der Museumsdirektor von einer Einheit des Forschens und Ausstellens. Er liess den Architekten zwei opulente Treppenhäuser planen, die sämtliche Teile der Sammlung zugänglich machen sollten. Doch als die Tore des Hauses 1889 öffneten, war der Direktor tot, und sein Nachfolger hatte einen anderen Traum. Er liess den Zugang zu den oberen Etagen sperren und im Erdgeschoss eine reine Schausammlung einrichten. Das ist in den Naturkundemuseen der Welt üblich und bis heute so: Die Forscher arbeiten in ihrem Elfenbeinturm, die Besucher stehen zu Füssen der Prachtstufen vor roten Kordeln.

Grandezza und Zerstörung

Nicht, dass die Berliner Säle im Erdgeschoss weniger prächtig wären. Die fast sechs Meter hohen Schausäle zeigen feinsinnig und farbig die Bewunderung ihres Architekten August Tiede für Karl Friedrich Schinkel. Besonders der zentrale Lichthof, den man gleich nach dem Eingangsfoyer betritt, bringt einen ins Staunen, auch weil sich hier der Hals des weltweit grössten Dinosaurierskeletts bis zum Glasdach reckt. Der etwas schematische Flügelbau gruppiert sich, neben dem Sauriersaal, um weitere Lichthöfe und erinnert mit gusseisernen Säulen, Geländern und Lüftungsgittern an die vorangegangene Nutzung des Areals durch die Königliche Eisengiesserei. Da die Sammlung rasant wuchs, vor allem durch das «Ausräumen» der deutschen Kolonien, erweiterte der Architekt schon während des Ersten Weltkriegs sein Gebäude pragmatisch auf dem hinteren Restgrundstück. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs traf dann eine Bombe den Ostflügel, bis vor wenigen Jahren noch die «letzte Kriegsruine Berlins». Der weiterhin benutzte Rest des Museums litt am mangelnden Unterhalt während der DDR-Zeit. Bei der Neuordnung des Hauses scheinen Wissenschaftler und Aussteller nun endlich an einem Strang zu ziehen. Den Wettbewerb zur Komplettsanierung gewannen Diener & Diener 1995 mit dem Ziel, auch die oberen Etagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bis 2007 reparierten die Basler Architekten fünf Säle im Erdgeschoss, ergänzten kaputte Fliesen und Farbflächen, ertüchtigten Bauteile, darunter die alten Fenster, die sie an heutige Sicherheitsauflagen anpassten. Die neue Technik blieb dabei beinahe unsichtbar.

Grossvitrine für Präparate

Die Architekten gingen aber noch weiter. Schon im Wettbewerb schlugen sie vor, im wiederaufgebauten Ostflügel einen der grössten Schätze der Sammlung zu präsentieren: die «Nasspräparate», rund 276 000 mit Alkohol gefüllte Gläser, in denen Fische, Reptilien oder Säugetiere unbeschadet die Zeit überstehen, zum Teil vor mehr als 200 Jahren von Humboldt selbst nach Berlin gebracht. Darunter finden sich viele «Typenexemplare», Tiere, die als Erste ihrer Art untersucht wurden und vielen internationalen Forschern noch immer als Vergleichsobjekte dienen. Roger Diener stiess mit seiner Idee einer saalgrossen Vitrine — wie sollte es anders sein — bei den Forschern zu Beginn auf Skepsis. Zu wertvoll der Schatz, zu kompliziert das Miteinander von musealer Einsehbarkeit, gesichertem Forscherzugriff und angemessener Lagerung, denn bei Temperaturen über 15 Grad verdunstet der Alkohol, legt die Präparate frei und droht sich zu entzünden. Schliesslich aber überzeugte die Idee und auch die Vorstellung, mit der Inszenierung der Präparate viel Volk anzulocken und ihm die wissenschaftliche Arbeit näher zu bringen.

Mehr Besucher

Der Neubau des Ostflügels bekam grünes Licht, und seine Eröffnung im September 2010 setzte den Schlussstein auf die erste Umbauetappe. Ein Teil der Nasssammlung ist nun im Erdgeschoss des Ostflügels zu bestaunen. Der Grossteil lagert in den Etagen darüber und ist weiterhin nicht öffentlich zugänglich. In den kommenden Jahren soll der Umbau weiterer Hauptsäle des Museums im Erdgeschoss und in den Obergeschossen folgen. Der neue Flügel wird wohl den Popularitätsschub weiter anfeuern, den die Eröffnung der aufgefrischten Säle vor drei Jahren auslöste. Allen voran die Neupräsentation des knochigen Brachiosaurus machte aus dem Museum den «grössten Kinderspielplatz Berlins», wie der Ausstellungsleiter sein Haus gerne nennt. Auf die neuen Displays hatten die Architekten keinen Einfluss. Die stammen vom spezialisierten Büro Art Com — mit Bertron & Schwarz — und setzen auf interaktive Technik und Einbauten, die sich für die architektonische Fassung nicht weiter interessieren. Auch Diener & Diener bewarben sich — gemeinsam mit dem Filmer Peter Greenaway — um die Ausstattung, scheiterten aber schon in der Präqualifi- kation am Einbezug des Künstlers. Anders beim Ostflügel.

Als Einheit von räumlicher Hülle und inszeniertem Inhalt entworfen fällt er nun spannungsvoll aus dem musealen Rahmen. Offenen Mundes umkreisen die Besucherinnen und Besucher den gläsernen Raum, auf dessen Regalen sich fast sechs Meter hoch die Exponate stapeln. Nach rein wissenschaftlichen Kriterien sortiert glotzen hier Fische auf das Publikum herab, liegen Schlangen in bernsteinfarbenen Flüssigkeiten aufgerollt. Die Säugetiere liess man im Depot, um den Kinderschrecken in Grenzen zu halten.

Leuchtstoffröhren im Inneren machen die Regale zum mystisch-strahlenden Schrein. Unbeschriftet zielen sie allein auf den visuellen Eindruck. Aus Sicherheitsgründen wird man allerdings keine Forscher mit den Schätzen hantieren sehen, der Zutritt ist ihnen nur ausserhalb der Öffnungszeiten gestattet.

Geflicktes Bombenloch

Weil die Exponate lichtempfindlich sind, hat der Raum keine Fenster. Flache Nischen in den mit dem kalten Rotpigment Caput mortuum gefärbten Wänden deuten die Lage der einstigen Fenster an. Zum westlichen Innenhof hin war die Fassade erhalten geblieben, zur anderen Seite hin gab es nur noch Mauerfragmente. Die flickten Diener & Diener nicht einfach, sondern ergänzten sie auf eine Art, die — besonders unter Architekten und Denkmalpflegern — für viel Aufmerksamkeit sorgt. Die erhalten gebliebenen Fensteröffnungen der gelben Ziegelfassade liessen sie zumauern, die Bombenlücke füllten sie mit Betonkopien erhalten gebliebener Fassadenteile. Wer nun durch den seitlichen Hof des Museums zu den hinteren Universitätsgebäuden geht, der erlebt ein irritierendes Schauspiel.

Jeder Ziegel, jede Fenstersprosse, jeder Pilasterkopf der zerstörten Fassade ist wiederauferstanden. Gespenstisch farblos, bleich wie die eingelegten Fische. Es ist, als stehe man vor einem jener Schwarz- Weiss-Fotos, mit denen man sich in Berlin so gern an die «gute alte Zeit» erinnert. Damals, als der Krieg noch nicht war und alle Häuser und auch das Schloss noch standen. Doch die Fassade ist aus kaltem Beton und wenig geeignet, nostalgische Seelen zu wärmen.

«Das Museum ist keine Rekonstruktion, aber es handelt von ihr.»
In München und Berlin stehen die grossen Vorbilder der von Diener & Diener wiederaufgebauten Museumsfassade. Roger Diener über Parallelen und Unterschiede.

Der Wiederaufbau eines kriegszerstörten Gebäudes ist eine aufgabe, die wir in der Schweiz nicht kennen. Sind Sie als aussenstehender unbefangener ans Werk gegangen? Mit unserer vor zehn Jahren fertiggestellten Schweizer Botschaft sind wir ja hier in Berlin mitten in die Diskussion über Rekonstruktion und Erhaltung hineingeraten. Spätestens seit dieser Zeit beschäftigen uns Fragen des Umgangs mit dem Baudenkmal, auch in der Schweiz und anderen Ländern. Als Mitglied des Berliner Landesdenkmalrates verfolgte ich später die grosse Rekonstruktionsdebatte. Die wird hier in Deutschland sehr emotional geführt.

Die ergänzte Fassade des Ostflügels hat etwas Geisterhaftes. Ist das Ihr Beitrag zu dieser Debatte? Die Verwendung von normalem Beton spielt eine wichtige Rolle. Es ist der Versuch eines ungeschönten Umgangs mit der Geschichte. So weit ist es an das grosse Beispiel von Hans Döllgast angelehnt, der Alten Pinakothek in München. Deren Wiederaufbau liesse sich allerdings jederzeit vollenden, die Fassade rekonstruieren. Der Berliner Ostflügel schliesst seine kommende Rekonstruktion aus. Ein weiterer Unterschied: Unsere Fassade ist ein Einzelfall, der nur bei der gegebenen Aufgabe Sinn macht. Döllgasts Vorgehen ist ein allgemeines Prinzip, das sich wiederholen lässt.

Und ist das Geisterhafte der Fassade ein Kommentar, beispielsweise zum geplanten Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses? Die in Beton gegossene Hülle mit dem Abguss der Holzfenster in Kunststein hat eine surrealistische Qualität, und von ihr geht tatsächlich eine besondere Wirkung aus. Es ist eine Fassade, aber es ist nicht die Fassade, die sie abbildet. Es ist keine Rekonstruktion der früheren Fassade, aber es handelt von ihr. Von einem Kommentar würde ich aber nicht sprechen. Mit dem leidigen Wiederaufbau des Stadtschlosses hat die Neufas- sung des Ostflügels nichts zu tun.

Obwohl unsere Hülle eine immer wieder geforderte Rekonstruktion ausschliesst, sind die Reaktionen andere als bei der Schweizer Botschaft. So empört sich ein Vertreter der sehr konservativen Berliner Denkmalfraktion bis heute über unsere Botschaftserweiterung, doch das hier sei ein guter Weg.

Das letztes Jahr wiederaufgebaute Neue Museum ist ein viel gepriesenes Paradebeispiel und hat das Denken beim Umgang mit Baudenkmälern in Berlin verändert. Spielte es beim Museum für Naturkunde eine Rolle? Es spielte insofern keine Rolle, als dass David Chipperfield und wir parallel entworfen haben. Die Projekte sind auch ganz verschieden angelegt. Für das Neue Museum hat Chipperfield alle Spuren sorgfältig gesichert und mit grosser ästhetischer Energie herausgearbeitet. Es ist die subtile Inszenierung eines ruinösen Gebäudebestands. Das ist sehr überzeugend vorgetragen und in einer engen Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege entstanden. Bei uns war das anders. Wir haben einen ganzen Flügel des Museums neu gebaut, und weil wir im diesem Neubau für die Nasssammlung die höchsten Anforderungen an Klima und Sicherheit erfüllt haben, konnten wir in den übrigen Sälen auf aufwendige Eingriffe verzichten. Es kann nicht nur eine Formel geben.

Die Präparatoren des Museums gehen ganz ähnlich vor wie ihr bei der Fassade: Sie ergänzen Fehlstellen, zum Beispiel von Saurierskeletten, sichtbar mit nachgeformten Gipsteilen. (lacht) Anscheinend ist es sogar die gleiche Firma, die die Silikonabgüsse gemacht hat. Ich wusste das nicht. Aber ich finde es schön.

hochparterre, Mo., 2010.11.08



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20. Oktober 2010Axel Simon
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Der Nebel lichtet sich

Es ist die beste Biennale aller Zeiten. Kunst macht Räume schwerelos und die Stars mussten für einmal zu Hause bleiben.

Es ist die beste Biennale aller Zeiten. Kunst macht Räume schwerelos und die Stars mussten für einmal zu Hause bleiben.

«Die Biennale 2010 sollte eine Ausstellung über Architektur sein.» So lautet der Kuratorin erster Satz im Programmheft. An der weltweit wichtigsten Architekturausstellung muss erstmal klargestellt werden, dass es um Architektur geht. Wie viel sagt ein solcher Satz über den aktuellen Zustand der Profession? Er kommt einer Bankrotterklärung gleich.

Wundern muss einen das nicht. Als 2004 Kurt W. Forster die Leitung der Architekturbiennale übernahm, wollte er uns die «Zeichen einer neuen Zeit» vorführen. Wir gähnten ob all der digitalen Wölbungen und Blähungen der üblichen Verdächtigen. Architektur sah man dort nicht. 2006 machte der Londoner Richard Burdett aus dem Jahrmarkt der formalen Eitelkeiten eine Problemschau. Sorge um die Entwicklung der Megastädte trieb ihn um, Unmengen an Fakten schlug er den Besuchern um die Ohren: Fotos und Filme von Caracas bis Shanghai. Architektur? Fehlanzeige. 2008 schliesslich suchte der Amerikaner Aaron Betsky die Architektur «jenseits des Bauens», schickte schräge Objekte auf den Laufsteg, bunt und schrill. Unfreiwillig geriet seine Schau zu einem Abgesang auf die sich nur noch selbst zitierenden «Stararchitekten». Und zu einem Tiefpunkt in der dreissigjährigen Geschichte der Architekturbiennale.
Aus diesem Loch schwebt nun eine Lichtgestalt. Mit Kazuyo Sejima berief die Biennale seit Langem wieder eine praktizierende Architektin an die Spitze. Und eine, die 2010 mit ihrem Büro Sanaa einen rasanten Sprung hinlegte: Im Januar stellte sie ihr Biennaleprogramm vor, im Februar eröffnete sie ihr hoch gelobtes «Learning Center» an der ETH Lausanne siehe HP 4 / 10 und im März wurde bekannt gegeben, dass der diesjährige Pritzkerpreis an Sanaa geht. Im Vorfeld der Ausstellung konnte man sich nicht sicher sein, ob die 54jährige Japanerin den hohen Erwartungen gerecht zu werden vermag. Als Kuratorin war sie unerfahren, sie spricht schlecht Englisch und tritt bescheiden auf, fast scheu. Und was sollte dieser Allgemeinplatz «People meet in Architecture» als Titel? Ihr Konzept, jedem Ausstellungsteilnehmer einen eigenen Raum zuzuweisen und sich selbst zu kuratieren, wurde skeptisch beäugt.

Weg von der männlichen Leistungsschau

Seit Ende September sind die Skeptiker im SanaaRausch. Ähnlich wie die Räume des «Learning Center», in denen man seinen gesunden Menschenverstand wegstaunt, betört die Hauptschau in Venedig ihre Besucher, macht sie glücklich. Atmosphärische Installationen zaubern aus der 300 Meter langen ehemaligen Seilerei in den Arsenalen eine sorgfältig komponierte Folge von Raumerlebnissen: Dunkel folgt auf hell, schwer auf leicht. Sejima lässt Wasser tanzen, Klänge einen Raum formen, der sich im Nebel wieder verliert. Ihr gelang es, aus einer männlichen Leistungsschau ein träumerisches Ereignis zu machen. Dabei liess sie alle Stars der Szene aussen vor: Keine Hadid, kein Gehry, kein Nouvel ist hier vertreten. Als einzigen weiteren PritzkerpreisTräger lud sie Rem Koolhaas ein. Mit einer brillanten Analyse zu unserem Verhältnis gegenüber Baudenkmälern findet der zu alter Form zurück und liefert damit den Beweis, dass er den diesjährigen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk verdient.

Auch Sejimas Motto «Menschen treffen sich in Architektur» ist mehr als ein Lippenbekenntnis. Neben der Hauptausstellung auf 10 000 Quadratmetern, den 55 Länderbeiträgen und rund zwei Dutzend weiteren Ausstellungen gibt es unzählige Nebenveranstaltungen, Diskussionsrunden und der Ausstellung führte Hans Ulrich Obrist Interviews mit allen vertretenen Architekten und Künstlern, die am gleichen Ort auf Bildschirmen (und auf Youtube) zu sehen sind. Aber auch die besten Länderbeiträge stellen Menschen in den Mittelpunkt. Zum Beispiel der von Bahrein, ein Werk des Lapa (Laboratoire de la production d’architecture) von Harry Gugger an der ETH Lausanne. In einer Installation aus drei zusammengenagelten Strandhütten wirft man hier einen kritischen Blick auf die für die Öffentlichkeit immer unzugänglicher werdenden Strände des Inselstaates – Gugger und die Seinen wurden dafür mit dem Goldenen Löwen belohnt.

Beglückender Besuch So heterogen die Beiträge auch sind, im Blick zurück erscheint das Bild einer «japanischen» Biennale. Zarte Häuser, leuchtende Räume, das sei die Zukunft der Architektur, gibt uns die Kuratorin mit auf den Weg. Wie ein Exempel eröffnet ein 3DFilm von Wim Wenders über das «Learning Center» die Hauptausstellung, lässt uns durch Raumhügel gleiten. Sanaas Hausfotograf Walter Niedermayr zeigt Bilder von Moscheen, die sich in Helligkeit verlieren. Sejimas Lehrer Toyo Ito hat ebenso einen Raum wie einige ihrer Schüler, auch Werke von Sanaa sind vertreten. Der japanische Pavillon zeigt ein Haus des Büropartners Ryue Nishizawa. Christian Kerez stellt seine grossen Modelle in zwei Räumen aus, Valerio Olgiati füllt einen weiteren. Auch hier: Reinheit, Klarheit, Kunst, wiewohl um einiges muskulöser als in Fernost. Jürg Conzetts Blick auf Brücken und Stützmauern bringt mit Eigensinnigkeit und Sorgfalt — aber der Dichte vielleicht etwas zu viel — den Schweizer Pavillon ins Gespräch siehe Seite 60. Die vorausgegangenen Architekturbiennalen scheiterten an den grossen Fragen, wie Metropolenwachstum oder Nachhaltigkeit, oder aber am Hype des Starsystems. Die diesjährige möchte ihre Besucher schlicht beglücken — sie schafft es. Dass aber auch die Sehnsucht nach schwerelosen Räumen scheitern kann, das zeigt der Beitrag, den die Jury als beste Installation der Hauptausstellung ehrte. Mit ihr versucht der 36jährige Junya Ishigami, ebenso ehrgeizig wie spielerisch Architektur zu entmaterialisieren — und überflügelt dabei fast seine Lehrmeisterin Sejima. Zusammen mit einem halben Dutzend Helfern baute er ein Volumen in die Arsenalehalle, das nur aus Kanten besteht. 4 Meter hoch, 4 Meter breit und 14 Meter lang füllte es das Mittelschiff beinahe aus, doch sichtbar war es kaum, denn die Linien bestanden aus 0,2 Millimeter dünnen, weissen Kunststoffstäbchen, die wiederum von unsichtbaren Fäden abgespannt waren. Leider kamen nur wenige Besucher in den — irritierenden — Genuss, diese feine Zeichnung im Raum zu bewundern. Wenige Tage vor der Eröffnung brachte eine Katze das fragile Hausgespinnst zum Einsturz. Das Team arbeitete vier Tage und vier Nächte am Wiederaufbau und schliesslich triumphierte das Schwebende wieder über die Schwerkraft. Wenig später lief ein Putzmann in die Installation. Zurück blieben ein paar weisse Striche am Boden, ein Mahnmal der Leichtigkeit. Ihr Autor ist nun der Ikarus der Architektur.

hochparterre, Mi., 2010.10.20



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01. September 2010Axel Simon
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Massiv auf dem Gotthard

Miller & Maranta zeigen Berührungsmut mit Traditionen und schaffen einen Gipfel alpiner Beherbergung.

Miller & Maranta zeigen Berührungsmut mit Traditionen und schaffen einen Gipfel alpiner Beherbergung.

Der St. Gotthard ist nicht nur ein Mythos. Die baumlos strahlende Landschaft der Passhöhe hat keine Mühe, sich gegen den touristischen Sommerbetrieb durchzusetzen. Die vielen verschiedenen Wege und Strassen, die sich hier bis auf 2114 Meter über Null schrauben, zeugen von den Entwicklungsschritten des Reisens: Säumer, Kutschen, Autos. Ebenso die wenigen Gebäude.

Das «Albergo San Gottardo» (1866), die Jugendherberge im ehemaligen Stall, die Alte Sust (1837), früher Warenlager und Remise, heute Museum und Selbstbedienungsrestaurant, und schliesslich das Alte Hospiz, das seit dem 1. August als komfortable Dependance des Hotels dient. Es ist das älteste Haus zwischen den beiden Bergseelein. Die Kapelle, die sich in seinem hinteren Teil befindet, weihte der Mailänder Erzbischof vor achthundert Jahren. Kurz darauf baute man daneben das erste Hospiz, als Unterkunft der Pilger, Händler, Armen und Elenden.

Mehrfach gingen Lawinen, Kriege oder Feuer über das Haus, man baute es wieder auf und um, zuletzt vor hundert Jahren. Die einstige Herberge romantischer Grössen wie Goethe, Mendelssohn oder Wagner geriet in Vergessenheit und verkam. Zuletzt hauste hier das portugiesische Hotelpersonal im Durchzug. Die Stiftung Pro St. Gotthard besitzt seit 1972 alle Gebäude auf der Passhöhe. Eins nach dem anderen hat sie renoviert und wieder nutzbar gemacht. Doch es dauerte drei Jahrzehnte, bis sie den historischen Wert des Alten Hospizes erkannte, dessen Giebelseite so traurig nach Süden blickte. 2005 richtete die Stiftung einen Studienauftrag zu dessen Umbau und Erweiterung aus.

Doch wie geht man mit solch einem historisch bedeutenden Haus um, das sowohl technisch als auch architektonisch heutigen Beherbergungsansprüchen nicht mehr genügt? Man besinnt sich auf die Tradition des Hauses und baut es kräftig weiter. Und das taten die siegreichen Architekten aus Basel, Miller & Maranta. Sie machten sich zum Ziel, die architektonische Wirkung des Gebäudes zu klären und zu stärken. Dafür erhielten sie zwar seine Giebelform, erhöhten es jedoch um ein Geschoss, höhlten es aus und setzten eine neue Holzstruktur ins Innere und eine grosse schwere Dachhaube aus Blei darüber. Deren 25 Tonnen drücken das Haus nun auf den Fels des Gotthardmassivs.

Monumentale Melancholie

Frisch nach ihrem ETH-Studium hatten Quintus Miller und Paola Maranta die Fussgängerpasserelle Werdenberg über die A 13 gebaut. Die war aus Holz und schön verziert und zeigte, dass ihre Entwerfer bei Fabio Reinhard und Miroslav Šik studiert hatten. Die Fachwelt handelte die Brücke als die erste gebaute «Analoge Architektur», die bestehende Vorbilder mit verfremdeten Elementen vorgeschlagen hat. Zwanzig Jahre und viele abstrakte Miller-Maranta-Bauten später, kommt das Déjà-vu: Das Alte Hospiz riecht nach den Ölkreidebildern der «Analogen», denen monumentale Melancholie stets wichtiger war als der Nutzen eines Gebäudes. Gedrungen und käferhaft, die tief heruntergezogene Bleihaut einer Kathedrale würdig. Gespickt ist sie mit zahllosen Gauben. Mit mutiger Hand gingen Miller & Maranta ans Werk. Ein verhaltener Umgang mit dem Flickwerk des Bestandes wäre an dessen erbärmlichem Zustand gescheitert. Oberhalb der ersten Etage entkernten sie das Haus. Der in den 1980er-Jahren renovierte Kapellenraum blieb unverändert, die beiden Geschosse daneben sind neu aufgeteilt, im Erdgeschoss mit knappem Eingangsraum, Technik und Lager, im ersten Obergeschoss mit den Gemeinschaftsräumen hinter den markanten Rundbogenfenstern.

Darüber ist alles neu: Ein betoniertes Treppenhaus mit grosszügigem Gang, rechts und links davon eine eingestellte Holzkonstruktion mit 14 Zimmern bis unters Dach. Da der Pass nur in der Sommerhälfte vom Jahr geöffnet ist und nur in der Zeit gebaut werden konnte, wählten die Architekten eine Konstruktion, die die Zimmerleute vorfertigen konnten. Das Holzständerwerk, dass mit liegenden Bohlen ausgefacht ist, ist ein altes Prinzip, das neben einer schnellen Montage noch einen weiteren Vorteil hat: Gegenüber einem Strickbau schwindet es weniger — das «Innenhaus» darf sich gegenüber der steinernen Hülle nicht verändern. Ein Zimmer nimmt jeweils zwei Felder des Balkenrasters ein. Der Raum spannt sich zwischen Treppenhaus und Aussenwand, zwischen Eingangstür und Fenster, darin eine Kommode mit Sekretär, Sessel und Stehleuchte.

Zwei dicke Stützen und ein tiefer Unterzug trennen die Nische ab, in der das Bett steht. Die metallisch glänzenden Wände des Bades erinnern an die Schimmer-Landschaft vor der Tür. Die unbehandelte Fichte der Zimmerwände, Decken, Böden und Möbel duften nach dem Wald, der draussen nicht steht.

Aus dem Fundus

Ein einfaches Gasthaus hatte sich die Stiftung mit Blick auf die Geschichte des Hauses gewünscht. Aber eines, das gleichzeitig den Komforterwartungen heutiger Gäste Rechnung trägt — eine Aufgabe, der sich Miller & Maranta nicht zum ersten Mal widmen. Die schlichten Fichtenbetten im Alten Hospiz erinnern an diejenigen des Wohnturms der Villa Garbald im Bergell, die beiden Stuben erhellen Stehleuchten, von den Architekten für das Hotel Waldhaus in Sils-Maria entworfen. Ihr Tisch in der kleineren Stube lädt mit Eckbank zum Jassen ein, die grössere heizt ein Specksteinofen wie seit hundert Jahren. Bilder aus dem Fundus des St. Gotthard Museums hängen an den dunklen Kalkputzwänden, tagsüber schmückt sie der Ausblick aus den gedrungenen Fenstern. Es ist die verhaltene Pracht dieser Rundbogenfenster, die nun wieder das Innere des Hauses prägt, eine vom rauen Bergklima in Zaum gehaltene Kultiviertheit. Aussen lassen eine kaum sichtbare Naht im groben Kalkputz und die Fenster der Giebelfassade den letzten «Wuchs» des Hauses erahnen. Über den restaurierten Kastenfenstern der ersten beiden Etagen sitzen zwei Reihen neue, minimal grössere mit Doppelverglasung, aber noch mit Mittelsprosse. Den Abschluss macht eine grosse Öffnung mit nur einem Glasfeld und kündet vom spektakulären Raum dahinter, der sich bis unter den First öffnet. Der gehört zur «Suite», doch passt weder Name noch Nutzung. Für diesen Raum und Ort wünscht man sich ein rechtes Massenlager.

Das Alte Hospiz ist wiederbelebt, seine Zeitschichten zu einem neuen, ebenso stimmungsvollen wie stimmigen Ganzen verschliffen. Das ist den Architekten, der Bauherrschaft und der Denkmalpflege hoch anzurechnen, denn ein solcher Umgang mit dem Vorhandenen ist keineswegs selbstverständlich. Dieser Umgang ist ein Erbe der «Analogen Schule», die ihren Schülern Berührungsmut gegenüber Traditionen, Stimmungen und Atmosphären einimpfte. Nach zwei Jahrzehnten brauchte es aber auch den Mut der Architekten, sich auf ihre eigene Tradition einzulassen. Danke dafür


Kommentar „Weltoffener St. Gotthard“
Eine Passage der Multimediaschau im Passmuseum könnte von Roger Köppel, dem Verleger der Weltwoche, geschrieben sein: «Freiheit und Wohlstand muss man gegen viele Neider verteidigen.» Dieser Spruch, der die kulturelle Lufthoheit über den Mythos Gotthard auf Seiten der Nationalisten halten will, ist eine unzulässige Verdrehung von Tatsachen und Geschichten. Der St. Gotthard ist Ort und Symbol, an dem «Freiheit und Wohlstand» geteilt wurden und werden. Die ruhmreiche Geschichte vom Säumerweg bis zur Autobahn erzählt, wie Wohlstand gemehrt und Freiheiten hergestellt werden — zugunsten unsere hehren Bergler-Ahnen von Tell bis Guisan. Wenn in ein paar Jahren die Neat unter dem Pass hindurchfährt, wird hier nicht mehr das Herz der Schweizer Freiheit schlagen, sondern dasjenige des europäischen Transportwesens. Welch weltoffenes Teilen! Und die Menschen aus Portugal, Osteuropa, Spanien und Italien, die die Wurst-Rösti-Bier-Wirtschaft auf dem Pass gewährleisten, teilen ihre Freiheit mit dem Gotthard, auf dass er gastronomisch überhaupt funktioniert — und den Besitzern Wohlstand bringt. Also sieht es die blaue, frisch vom Bundesamt für Kultur am neuen Alten Hospiz angeschlagene Plakette richtig: «Europäisches Kulturerbe. Stätte mit grenzüberschreitendem oder gesamt europäischem Charakter.» Öffnen, einladen, teilen statt «gegen die Neider verteidigen» — das strahlt die Architektur von Quintus Miller und Paola Maranta aus. Ihr Haus ist ein Begegnungsort, zwar trutzig, aber keine Trutzburg. Die heitere Stimmung im Innern wird Japanerinnen, Griechen und Türken ebenso gefallen wie den Schweizern. Dort kann das geteilt werden, von dem wir so viel haben: Freiheit und Wohlstand. Und die aufgeregten Nationalisten können gut Nachtlager nehmen in der zum Hotel «La Claustra» umgebauten Reduit-Festung von San Carlo oder in der neuen Kaserne von Airolo. [Köbi Gantenbein]

hochparterre, Mi., 2010.09.01



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23. August 2010Axel Simon
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Eine Strasse bekennt Farbe

Knapkiewicz & Fickert machen mit zwei malerischen Wohnhäusern einen Verkehrskanal zum städtischen Raum. Und beenden so eine endlose Zürcher Planungsgeschichte.

Knapkiewicz & Fickert machen mit zwei malerischen Wohnhäusern einen Verkehrskanal zum städtischen Raum. Und beenden so eine endlose Zürcher Planungsgeschichte.

«Erdbeer-Vanille», so werden die beiden neuen Häuser im Quartier, meist liebevoll, genannt. Unten ein kühles Rot, darüber ein grünliches Beige. Schauen wir uns die Fassade genauer an, entdecken wir die Feinheiten, wird aus der Eiscreme Architektur: Die Fenster der beiden unteren, roten Wohngeschosse sind breiter und unregelmässiger gesetzt als die der beiden hellen Etagen darüber.

Die untere Hälfte betont die Horizontale, die obere die Vertikale; unten Strasse, oben Himmel. Zwischen den beiden Farben liegt nicht nur die vom Maler gezogene Grenze, sondern ein beträchtlich breiterer Fenstersturz — unauffällige Zeichen hoher Könnerschaft.

Zwei schöne Häuser sind heutzutage schon selten. An einer solch schwierigen Lage sind sie ein grosser Wurf. Ihre Fassaden richten sich auf eine der Hauptausfallstrassen Zürichs, der Universitäts/ Winterthurerstrasse, die zwei Tramlinien und eine Buslinie mit sich entlang des Zürichbergs führt. Die beiden voneinander getrennten Grundstücke sind im Besitz der Stadt, die sie im Baurecht an die Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Zürich abgetreten hat. Lange schirmte man sich gegenüber solchen Strassen mit ihren Blechströmen einfach nur ab, errichtete Bollwerke, innen Nebenräume, aussen Schallschutzwände.

So auch beim Rigiplatz nebenan, der sich mit niedriger Wand, Gestrüpp und unbenutzten Bänken von der Strasse abwendet. Auf seiner nackten Fläche werden mal Velos, mal Weihnachtsbäume verkauft, ansonsten werfen die Designerleuchten lange Schatten.

Den Tischgruppen des «Alten Löwen» fehlt trotz des alten Kastaniendaches das Flair eines Biergartens. Das rund 200 Jahre alte Haus spielt in dieser Geschichte eine zentrale Rolle. Die beiden neuen Häuser auf seiner anderen Seite wenden sich der Strasse nicht ab. Sie nehmen sie als Stadtraum ernst, zeigen stolz ihre städtischen Fassaden und verbreitern mit Arkaden das Trottoir. Das eigentliche Zentrum von Zürich-Oberstrass, das namenlose Plätzchen vor Migros, Seilbahn Rigiblick und Apotheke, setzt sich nun jenseits von Strasse und Tramhaltestelle fort, auch in den neuen Läden des Erdgeschosses.

Gesicht zur Strasse

Das Innere der 19 Wohnungen und 4 Ateliers trägt dieser urbanen Haltung Rechnung: Wohnräume und Küchen blicken über raumhohe, vierfach verglaste Fenster lautlos auf die Strasse, die anderen Räume öffnen sich über spezielle Lüftungserker immer auch über die Kopfseiten der Häuser. Deren öffentliches Gesicht richtet sich zur Strasse, das genossenschaftliche Herz der Wohnungen aber schlägt auf der Rückseite. Dort löst sich die städtische Strenge auf, wird zum luftig sonnigen Wohnidyll mit atemberaubender Aussicht über Zürich.

Die offenen Treppenhäuser gehen in die Wohnungszugänge über, die gleichzeitig private Aussenräume mit Gartentor sind — urbane Anonymität ist da nicht gefragt, es sind Familienwohnungen, die mit den zuschaltbaren Ateliers im grossen Haus auch moderne Lebensentwürfe ermöglichen —nicht wunderlich, wohnen da viele Architekten.

«Erdbeer-Vanille» — noch vor zwölf Jahren gab man der geplanten Überbauung ganz andere Namen: «Plattenbau», «Schuhschachteln», «Dorferneuerungspolitik à la Ceausescu». Als 1998 die Architekten Kaschka Knapkiewicz und Axel Fickert den Wettbewerb am Rigiplatz gewannen, nahm eine bisher unerreichte Schmähkampagne ihren Anfang, mit dem Stadtzürcher Heimatschutz als Drahtzieher siehe «Unendliches Planen am Rigiplatz», Seite 40.

Der Grund: Ein drittes Gebäude der Architekten sollte den räudigen «Alten Löwen» ersetzen, durch den sich seit einigen Jahrzehnten das Trottoir bohrt und der so Gesicht und Adresse verlor. Die Neubaugegner erreichten, dass das alte Haus stehen blieb, zwei Biedermeierhäuser mussten jedoch weichen. Obwohl die beiden neuen Baukörper in ihren Grundzügen dem Wettbewerbsentwurf entsprechen, änderte sich in der Überarbeitung viel: Aus Bandfenstern wurden Lochfenster, aus rechtwinkligen Kuben wurden «weichere» Baukörper, die sich trotz ihrer Grösse an die kleinmassstäblichen Häuser nebenan schmiegen. Dafür sorgen vor allem eigenwillig geformte Anbauten, die sich dem Vorhandenen entgegenstrecken und sich über eine leichte Treppe sogar mit dem «Löwen» verbinden, um einer seiner Wohnungen als Terrasse zu dienen.

Mit sprechenden Details und Materialideen haben die Architekten ihre Häuser in die Umgebung «hineingemalt»: Die leicht geneigten und begrünten Satteldächer enden in Regenrinnen, die verzinkten Stäbe der Loggiengeländer «tanzen», und Sparrenköpfe tragen die Dachüberstände der kupfergedeckten Anbauten, auch wenn diese gar kein Sparrendach haben. «Unsere Häuser wachsen aus dem Milieu heraus», sagen die Architekten. Und: «Am Ende war uns der willkommen.»

Farbig und lustvoll

Die Architektur von Knapkiewicz & Fickert wird zusehends malerischer, das zeigen nicht nur ihre Häuser am Rigiplatz, sondern auch andere Projekte wie die Wohnüberbauung «Lokomotive» in Winterthur siehe HP 12 / 06. Ihre typologische Sicherheit beim Wohnungsbau paart sich mit einem immer breiter werdenden Spektrum stilistischer Möglichkeiten — Berührungsängste kennen sie kaum. Dass es dem Architektenpaar darum geht, ihre Bauten einzupassen, nicht jedoch zu verniedlichen, das zeigt die mächtige Betonstütze an der Rückseite des grossen Hauses: Sie steht frei vor den Loggien und macht die dortige Höhe von sieben Geschossen körperlich spürbar. Unmittelbar daneben malte der Künstler Franz Wanner ein Fresko, das die Baustelle des Hauses als eine Art Gründungsmythos zeigt. Kleine Landschaften schmücken die farbkräftigen Treppenhäuser. Die Irritation, die diese Kunstwerke auslösen, setzt sich im Innern der Wohnungen auf andere Art fort.

Lustvoll und augenzwinkernd kombinierten die Architekten da Materialien, um Allerweltslösungen zu vermeiden — das Budget war eng, und genossenschaftliche Bauherren sind nicht immer geschmackssicher. So schmücken honigfarbige Glasmosaike die Bäder und Tropenholzimitat die Küchenschranktüren — manche potenzielle Mieter konnten da gar nicht drüber lachen und sprangen ab, so hört man. Die Liste der Interessenten war trotzdem lang, denn neben Lage und Aussicht ist auch die räumliche Qualität hoch: Jeder der nur 2,40 Meter niedrigen Räume hat mindestens zwei Türen, auch die Bäder. So werden in der Wohnung viele Wege möglich, und eine relativ kleine Wohnung wirkt grösser.

Im Quartier sind die Schmährufe rar geworden. Vielleicht liegt es an der Bewohnerstruktur, die sich in den letzten Jahren aufgefrischt hat. Vielleicht liegt es am neuen Quartierladen, der Produkte aus der Region verkauft. Vielleicht liegt es aber auch an der Erscheinung der beiden Neubauten und daran, dass sie aus dem Hindernis und der Lärmquelle Strasse wieder einen Stadtraum gemacht haben. Heute hört man Sätze wie: «Die Häuser sind so schön, dass man zu Architekten wieder Vertrauen gewinnt.»

hochparterre, Mo., 2010.08.23



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23. August 2010Axel Simon
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Wasser zähmen

Conzett und Zumthor bauen gemeinsam den neuen Hochwasserschutz in Vals. Und dem Dorf ein neues Wahrzeichen. Wasser zähmen

Conzett und Zumthor bauen gemeinsam den neuen Hochwasserschutz in Vals. Und dem Dorf ein neues Wahrzeichen. Wasser zähmen

Regen und Schmelzwasser verwandelten den Dorfbach in einen reissenden Strom und liessen ihn schliesslich über die Ufer treten. Die Einwohner von Vals standen auf ihrem verwüsteten Dorfplatz und diskutierten, geschlossen in die USA auszuwandern. Dank kantonaler Hilfe blieben sie. Das war vor 142 Jahren. Im Juni 2010 feiern sie ihre neuen Hochwasserschutzbauten und mit ihnen ein neues Wahrzeichen, eine Brücke aus Stein. Ein Schülertheater spielt die historische Gemeindeversammlung auf dem Dorfplatz nach. Die Sonne scheint, der Valser Rhein plätschert, und es braucht schon viel Fantasie, die wuchtigen Mauern, die nicht weniger wuchtige Brücke und das Rinnsal darunter in einen Zusammenhang zu bringen.

Der Fluss

Jeder Valser erinnert sich an die Jahre, als der Rhein es besonders toll trieb. Mit Stausee, Mineralwasser und Therme brachte das Wasser den Wohlstand in die Gemeinde, es brachte aber auch immer wieder Leid. Und die Dorfbewohner reagierten. Nach dem Hochwasser von 1927 bauten sie die Dorfbrücke neu, ein schlichtes Stahlfachwerk, nach dem von 1954 kam die Staumauer, deren Rückhalt eine Katastrophe verhinderte, als 1987 die Regenmenge sogar jene von 1868 übertraf. Als 1999 abermals einige Häuser im Wasser standen, stattete die Gemeinde die Dorfbrücke mit einer Hebevorrichtung aus und gab Studien in Auftrag. Sie zeigten die prekäre Lage: Die Kirche und mit ihr der Dorfkern lagen in der Gefahrenzone. Damit mehr Wasser abfliessen kann, musste das Durchflussprofil des Flusses vergrössert werden. Das Projekt eines Ingenieurbüros schlug die technisch übliche Lösung vor, eine Erhöhung der seitlichen Dämme. Die Böschungen liefen bedrohlich weit in die Gärten hinein und rückten der ersten Häuserreihe auf den Leib. Die Valser protestierten, und der Gemeinderat stellte eine Begleitgruppe zusammen, die das Projekt Hochwasserschutz zur Dorftauglichkeit bringen sollte. In Gestaltungsfragen suchte die Gruppe, der auch der ehemalige Bündner Denkmalpfleger Diego Giovanoli angehörte, den Rat von Peter Zumthor und Jürg Conzett.

Die beiden schlugen vor, die vorhandenen Dämme durch Schutzmauern zu ergänzen, was die Gemeinde schliesslich annahm — nach einer «freundschaftlichen und harten Entscheidungsfindung», wie sich Giovanoli erinnert.

Die Mauern

Die neuen Mauern und die Brücke sind aus Valser Gneis, dem Stein, der etwas oberhalb des Dorfes aus dem Berg gebrochen wird. Er deckt die Dächer des Tales, und die Welt kennt ihn, seit Peter Zumthor daraus vor 14 Jahren seine Therme baute. 2006 begannen die Bauarbeiten der Schutzmauern. Zumthor, Conzett und Steinlieferant Truffer tüftelten ein günstiges Zurichten der Gneisbrocken aus. Ein paralleler Schnitt sorgte für eine einheitliche Breite und glatte Vorder- und Rückseiten, die grob belassenen Umrisse führten zu handbreiten, unregelmässigen Fugen. Als neues Rückgrat des Dorfes ragen die Mauern bis zu fünf Meter vom Boden des Flussbetts auf. Dorfauswärts verringern Wiesenböschungen die Höhe der Mauern, bis diese schliesslich in den Böschungen enden und das verbreiterte Bett nur noch von diesen gefasst wird. Statt wie bisher Erlen säumen nun neue Leuchten die für Vals wichtigen Spazierwege entlang des Wassers. Die von Peter Zumthor gestalteten, eleganten, dunklen Peitschen zeichnen zarte Lichtpunkte auf den Mergelboden.

Als Teil der Flussverbauung mussten drei neue Brücken her: eine neue Dorfbrücke, je eine kleinere flussauf- und flussabwärts. Conzetts Skizzen überzeugten die Berater, und die Gemeinde beauftragte ihn mit dem Bau aller drei Brücken. Die beiden kleineren bestehen aus je einem geraden Hohlkastenträger aus Cortenstahl mit Edelstahlgeländern und sind auch im Rollstuhl gut zu queren — das Altersheim liegt unmittelbar am Dammweg. Die obere Milchbrücke klappt im Fall der Fälle hydraulisch über die brausende Flut. Die Rovanadabrücke in der Nähe des Ortseingangs ersetzt zwei bestehende Betonbrücken und sitzt fest zwischen den neuen, etwas unsensibel angelegten Böschungen.

Die Hauptbrücke

Das Prunkstück ist die steinerne Brücke in der Mitte von Vals. Sie führt die Kantonsstrasse auf den Dorfplatz. Die geometrischen Bedingungen waren eng: Die steile Rampe zwischen Brücke und Platz sollte nicht noch steiler werden, gleichzeitig musste das Durchflussprofil der Brücke möglichst gross sein. Das sprach entweder für eine komplizierte Hubvorrichtung oder für eine Brücke, die schwer genug ist, den Wassermassen standzuhalten. Conzett baute die Brücke massiv aus Valser Stein, wie einst Zumthor seine Therme — wohlgemerkt: Bei beiden Bauten ist der Stein nicht bloss Verkleidung, er trägt. Eine Bogenbrücke legte das Material nahe. Der Ingenieur kreuzte sie mit einer Trogbrücke, um einen freien Durchfluss zu garantieren und das Wasser von der Strasse und dem Platz fernzuhalten. Die expressive Form, die sich daraus ergab, markiert nun den Ort des Übergangs.

Eine starke Form, doch erscheint die Brücke einfacher, als sie ist, geometrisch wie konstruktiv. Die beiden seitlichen Mauerscheiben sind zwar gleich und auch in sich symmetrisch, allerdings sind sie durch die schräge Lage der Brücke gegeneinander verschoben. Damit sich die Fahrbahnplatte dabei nur in eine Richtung wölbt, gab Conzett ihr die Form eines Zylinderausschnitts. Konstruktiv wollte er auf Klammern, Bügel oder Stangen verzichten, stattdessen Stein und Beton kraftschlüssig verbinden, miteinander verzahnen. Angeregt durch die Mauerkronen der Albulabahn-Viadukte mit ihren Konsolsteinen und Abdeckplatten ersann er eine leicht gewölbte und vorgespannte Betonplatte mit zwei seitlichen Reihen stehender, leicht konischer Betonbalken. Um diese herum schichteten die Arbeiter aus Steinplatten die flachen Bögen. Eine komplizierte Konstruktion: Die Fahrbahnplatte hängt mit den Betonbalken an den Bögen und übernimmt gleichzeitig mit Vorspannkabeln deren Zugkräfte.

Der Stein

Da die Steinplatten dasselbe Format haben wie jene der Therme, ist uns die Oberfläche vertraut. Das allerdings sei keine Marketing-Idee, so die Planer, sondern resultiere — ebenso wie die Steine der Mauer — aus einer möglichst ökonomischen Produktion, konkret aus einer Maschine des Steinbruchs, die aus einem Block mehrere Platten parallel sägt. Am unteren Rand der Mauerscheiben wird die Verzahnung von Stein und Beton zum gestalterischen Thema: Betonzinken und Pakete aus jeweils vier Steinplatten greifen ineinander. In den Mauerkronen bedecken quadratische Steinplatten die Köpfe der Betonbalken. Laut Conzett kostete die Steinkonstruktion nur 300 000 Franken mehr als andere Konstruktionen. Auch wenn der Tourismusverein «visitvals» die Brücke schon als neues Wahrzeichen feiert: Das Dorf empfängt die Brücke nicht nur mit offenen Armen, tat es nie. Viele Dorfbewohner zweifeln daran, dass sie sich im Alltag bewährt. Sie sei vom Auto aus schwer einsehbar, die gebuckelte Fahrbahn aus Stein würde schnell vereisen, ein Blick aufs Wasser sei nicht möglich. Eins jedoch ist sicher: Der Ort ist anders, seit es die Brücke gibt. Ihre elegant gefügte Schwere zeigt schön, worum es ihrem Erbauer geht: mit einer besonderen Konstruktion dem besonderen Ort eine Form zu geben. Ihre schräge Achse nimmt die Richtung der Kirche auf, deren Turm und schmuckloses Schiff den Dorfplatz von schräg hinten dominieren. Wer über den mit Stein belegten Brückenbuckel geht, durchschreitet überrascht einen Raum. Dieser blendet einen Teil der Umgebung einen Moment lang aus, fokussiert dafür einen anderen Teil. Nicht umsonst fand die Pressekonferenz zur Eröffnung der Brücke an einem Tisch mitten auf ihr statt. Ein Fragezeichen bleibt: Die Beziehung zwischen den Zyklopenmauern und der Dorfbrücke.

Zwar ist ein und dasselbe Material da rau, dort fein, da grob geschichtet, dort komplex gefügt, doch fehlt ein Übergang: Die beiden Massstäbe prallen unvermittelt aufeinander. Die gestapelten Steinkolosse der Mauer heben kurz vor den kunstvollen Bögen an, nehmen sie unverfroren in die Zange, statt sie als Verfeinerung ihrer selbst zu feiern. Die Brücke jedoch ist ein Kunstwerk, ist nun, zusammen mit der Kirche, das monumentale Bauwerk am Platz.

Beide, Brücke und Kirche, erzeugen eine Spannung, setzen den Raum dazwischen unter Strom. Mit selbstverständlichem Pathos erzählt uns das Brückenbauwerk aus Stein von der drohenden Gefahr des Wassers in Vals.


Von Vals nach Venedig mit Jürg Conzett
Interview: Axel Simon

Ende Monat öffnet die diesjährige Architekturbiennale in Venedig ihre Tore, vom 29. August bis 21. November). Das Bundesamt für Kultur beauftragte den Ingenieur Jürg Conzett (54) mit der Ausrichtung des Schweizer Beitrags. Bei einem Spaziergang entlang des Valser Rheins gab er Auskunft.

Ein Ingenieur vertritt die Schweiz an der Architekturbiennale?
Ich war überrascht und erfreut, als die Anfrage kam: Ingenieurbauten sind Teil der Architekturlandschaft!

Was wird uns im Schweizer Pavillon in den Giardini erwarten?
Bei der Frage, was stellen wir aus, war ich vollkommen frei. Eine Werkschau interessierte mich nicht. Das kennt man. Stattdessen mache ich zusammen mit dem Fotografen Martin Linsi eine Ausstellung mit dem Thema «Landschaft und Kunstbauten». Wir haben Brücken und andere technische Bauten in der Schweiz besucht, die mir persönlich etwas bedeuten. Zu den Fotos gibt es dann Texte von mir. Eine relativ konventionelle Ausstellung, aber keine kunsthistorische Einordnung. Ich möchte die Tradition der konstruierten Bauten aufzeigen und damit auch Stellung beziehen gegen den starken Designanteil im heutigen Brückenbau.

Haben Sie ein konkretes Beispiel einer ausgewählten Brücke?
Der Goldach-Viadukt aus den Sechzigerjahren ist eine schnörkellose Betonkonstruktion. Martin Linsi fotografiert langsam. Erst nach einer Weile bemerkst du viele Sachen: Die Pfeilerstellung als Rahmung der Landschaft, die ganzen Verhältnisse — das ist alles durchdacht. Da wurde nie gross drüber geschrieben, aber man merkt: Es ist ein wohlüberlegtes Bauwerk mit einem Landschaftsbezug. Das ist das Thema!

Gibt es einen zeitlichen Rahmen für die Auswahl?
Ich habe relativ wenige zeitgenössische Bauten ausgewählt, viele alte, bis zurück ins Mittelalter. Auch ein paar eigene Arbeiten sind reingerutscht, was aber nicht gross auffällt.

Was, glauben Sie, interessiert die internationale Architektenschaft an alten Schweizer Brückenbauwerken?
(lacht) Das ist das, was ich liefern kann: eine persönliche Sicht auf Bauten, die sonst nicht wahrgenommen werden. Ich hoffe, das, was einen persönlich packt, strahlt auch aus und stösst auf Interesse.

hochparterre, Mo., 2010.08.23



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30. Juni 2010Axel Simon
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Block im Blockrand

Manchem wird es wohl so gehen: Beim Spaziergang in Zürich-Wiedikon geht der Blick beiläufig durch eine Hofeinfahrt. Einige Schritte weiter hält man inne,...

Manchem wird es wohl so gehen: Beim Spaziergang in Zürich-Wiedikon geht der Blick beiläufig durch eine Hofeinfahrt. Einige Schritte weiter hält man inne,...

Manchem wird es wohl so gehen: Beim Spaziergang in Zürich-Wiedikon geht der Blick beiläufig durch eine Hofeinfahrt. Einige Schritte weiter hält man inne, geht zurück und betritt neugierig den Hof. Denn was der Spaziergänger sieht, ist alles andere als gewöhnlich: grosse Fenster, messerscharf gerahmt von dunklem Backstein und glattem Beton. Er assoziiert kraftvoll, elegant, grosszügig — Architektur! Schon der kleine Ausschnitt, den die Einfahrt freigibt, zeigt: Hinterhofmief sieht anders aus.

Starker Umbau 

Das frische Haus ist das Architekturbüro von Roger Boltshauser. Dass es sich um einen Umbau handelt, ahnt man nicht, die alte Substanz ist an keiner Stelle mehr zu sehen. Das zweigeschossige Gewerbehaus wurde, wie viele andere Hofbauten im Zürcher Kreis 3, bereits zusammen mit den Wohnhäusern des Blockrandes gebaut. Das war Ende des 19. Jahrhunderts. Nach einem massiven Umbau mit Erweiterung wurde aus der damaligen Schreinerei 1978 ein Textilbetrieb, in den Neunzigerjahren zog das Institut für Individualpsychologie ein. Vor einigen Jahren wurde Roger Boltshauser auf das Gebäude aufmerksam und kaufte es. Er legte den Rohbau frei, baute ihn aus und umhüllte ihn. Die innere Raumstruktur veränderte er dabei nicht wesentlich: ein geräumiger Eingangsraum in der Mitte jedes der beiden Hauptgeschosse, drumherum Treppenhaus mit Sanitärkern und Büroräume, Letztere nun hinter grossen Schiebetüren. Die alten Fensteröffnungen fasste der Architekt paarweise zu je einer grossen zusammen, bei der einst angefügten Schicht schloss er die aufgelöste Fassade und im Eingangsbereich entfernte er einen Lift. «Es war ein chaotisches Flickwerk aus Beton, Stahlträgern und Backstein», sagt er, doch damit musste er arbeiten, nicht zuletzt aus Kostengründen. Ein Neubau hätte ausserdem von der jetzigen Baugrenze zurückweichen müssen.

Boltshausers Handschrift

Trotzdem: Wer Boltshausers bisherige Bauten kennt, der erkennt auch den Urheber des Hofhauses. Manche Elemente und Materialien wendet der Mittvierziger immer wieder an und variiert sie: Das Fenster mit den geschlossenen, seitlich in der Tiefe der Mauer liegenden Lüftungsflügeln findet sich auch beim Lehmhaus Rauch im vorarlbergischen Schlins, die inneren Glasbausteinwände des Treppenhauses erinnern an die Schulhauserweiterung in Zürich-Hirzenbach, die beiden kubischen Betonoberlichter an die Gerätehäuser der Sportanlage Sihlhölzli, ebenfalls in Zürich. Dem Architekten dienen diese Elemente als «Vokabeln», Teile der architektonischen Sprache, die je nach Anwendung und Zuordnung eine andere Aussage machen und nicht für jede Aufgabe neu erfunden werden müssen.

Raffinierte Feinheiten

Zum Beispiel gewichtet der Architekt mit wenigen Elementen die vier Fassaden: Dort, wo sich der Blockrand zwischen zwei Häusern öffnet, gelangt man zur Eingangsseite des Hauses, seiner Adresse. Die Klinkermauer ragt geschlossen auf, lediglich ein «Portal» sitzt in der mächtigen Fläche, mit der Eingangstüre und je einem oberen und einem unteren Fenster. Über die übrigen drei Seiten des Baukörpers laufen breite Betonbänder und rahmen die Fenster oben und unten. Dort, wo sich der knappe Hofraum etwas weitet und wo eine Palme und eine in Regenbogenfarben bemalte Rückfassade vom gewandelten Image des Hinterhofs erzählen, da bildet das Bürohaus so etwas wie seine Hauptfassade aus: Als symmetrische Einheit präsentieren sich hier die sechs Fenster, stolz und prächtig.

Und hier kann der Spaziergänger genügend weit zurücktreten, um die Feinheiten der Fassadenstruktur zu studieren. Denn, was man erst bei genauerem Hinsehen merkt: Die Fenster der beiden Etagen sind keineswegs gleich. Oben sind sie etwas schmaler, dafür höher, unten breiter und niedriger — es scheint, als werde das untere Geschoss durch das Gewicht des oberen gepresst. Auch das untere Betonband ist niedriger als das obere, das den Baukörper abschliesst.

Handgemachte Klinker

Der «gepresste» untere Teil weist darauf hin, dass der Boden der Erdgeschossräume einen halben Meter tiefer liegt als das Hofniveau. Es ist aber auch ein Hinweis auf die Interessen des Architekten, der viel über die Wirkung von Proportionen nachdenkt. Es liegt wohl an den Massen der Fassaden und ihrer «Feinjustierung», wie das Boltshauser nennt, weshalb das nicht allzu grosse Gebäude kraftvoller wirkt als seine hofrahmenden Nachbarn. Und es liegt am Material der Fassade, am schweren Klinker. Denn obwohl sich in der direkten Umgebung zahlreiche Ziegelfassaden finden lassen, auch berühmte, wie das Künstlerhaus an der Wuhrstrasse von Ernst Gisel aus den Fünfzigerjahren, ist das Fassadenmaterial hier ungewohnt.

Exotisch ist das «römische Format» des Ziegels, den Peter Zumthor für sein Kölner Museum in Dänemark von Hand fertigen lies, weshalb er «Kolumba-Ziegel» heisst. In Zürich kam nicht das hellgraue Original zum Einsatz, sondern ein schwarz-braunes, mehrfach gebranntes Modell, das dadurch rauer wirkt. Ausserdem liess Boltshauser den Wilden Verband nicht flächig verfugen, sondern mit vertieften Lagerfugen, damit die Verwerfungen der Steine stärker in Erscheinung treten. In der Horizontalen stossen die 53 Zentimeter langen und keine vier Zentimeter dünnen Klinker stumpf aneinander, was sie noch länger erscheinen lässt. Rund 9500 Stück von ihnen umhüllen das Haus.

Lehm im Innern

In der kraftvollen Schale steckt ein weicher Kern. Trotz klarer Formen, weiter Durchblicke und grosszügiger Flächen ist hier nichts nüchtern. Das scharfkantige Grau der Stahlfenster, Deckenleuchten, Treppengeländer oder Glasbausteine kontrastiert spannungsvoll mit erdigen Farbtönen und reichen, samtigen Oberflächen. Es ist, als betrete man das Versuchslabor eines Alchemisten. Wie bei vielen Projekten arbeitete Boltshauser auch hier mit dem Lehmbaupionier Martin Rauch zusammen siehe HP 12 / 09 «Massarbeit».

Ihr umfangreichstes Gemeinschaftswerk war bislang Rauchs eigenes Haus in Schlins, das fast zur Gänze aus Lehm besteht. Beim Zürcher Bürohaus konzentriert sich der Einsatz des Materials auf die Oberflächen der Innenräume: Acht Tonnen Lehm verarbeite Rauch zu Putzen, Spachtelungen, Fliesen, Waschbecken bis hin zur einfachen Farbe. Beim Spachtel bindet Kasein, also Quark, das Material. Er findet sich nicht nur an den vielen eingebauten Schrankelementen und Schiebetüren, sondern auch dunkel eingefärbt auf dem Boden. Metallpartikel im Spachtel oder Metallschienen unter dem 1,5 Zentimeter starken Putz lassen Magnete an den Wänden haften. Öl und Wachs machen die Oberflächen in den Nasszellen wasserabweisend. So manche Mischung feiert hier Premiere.

Auch die schwarzen Fliesen im Treppenhaus sind Schlinser Handarbeit und wären nicht bezahlbar, würden sich Boltshauser und Rauch nicht gegenseitig mit Arbeitsleistung bezahlen. Hinter der Eingangstür und auf dem oberen Podest empfängt ein «Teppich» aus ornamentierten Boden-platten die Besucher. Marta Rauch formte die Platten, das kubische Ornament zeichnete Sohn Sebastian. Die treppenbegleitende Stampflehmwand zeigt das Material in seiner ursprünglichsten Verarbeitungsform, wenn auch nur sechs Zentimeter dick und vorgehängt: Sie wurde in der Werkstatt hergestellt, zerschnitten und auf der Baustelle wieder zusammengefügt. Hier ist er zu sehen, der «Dreck», dessen Wandlungsformen überall im Haus schön und unaufdringlich glänzen.

«Räumlich tut die Wand gut», meint der Architekt. Doch auch aufs Raumklima wirken sich die Oberflächen aus: Bis zu 100 Liter Feuchtigkeit sollen sie pro Geschoss innert kürzester Zeit aufnehmen und wieder abgeben können. Bezüglich Grauer Energie und Rezyklierfähigkeit ist Lehm unübertroffen.

Stolz und Bürde

In Erd- und Obergeschoss arbeiten zurzeit bis zu 24 junge Architektinnen und Architekten an Bildschirmen und weissen Modellen. 35 können es werden, wenn auch das Untergeschoss ausgebaut sein wird. Bei 40 würde es knapp, sagt der Architekt. Sein Büro hat zu tun, projektiert öffentliche Häuser und Wohnbauten, zum Beispiel ein Wohnhochhaus in Zürich-Hirzenbach oder eine Siedlung in Winterthur-Wülflingen. Und es vergeht kaum ein Monat, in dem es nicht auf einem der vorderen Ränge eines Wettbewerbs landet.

Warum wurde der Architekt sein eigener Bauherr? In seinen alten, gemieteten Räumen habe er sich nicht mehr wohlgefühlt. «Ich verbringe viel Zeit im Büro und Räume inspirieren mich.» Das wenige Eigenkapital, das er hatte, hätte zwar kaum für den Kauf gereicht. Der frühere Besitzer kam ihm dann aber mit dem Preis etwas entgegen — die Situation des Jungarchitekten erinnerte ihn an seine eigene, als er einst mit seinem Textilbetrieb dort einzog. Das Bauen für sich selbst ist laut Boltshauser nicht nur Wohltat, sondern auch Bürde: Man stellt sich aus. Repräsentation spielte beim Haus aber nicht die Hauptrolle. «Es ging um unsere Befindlichkeit. Und wir wollten Dinge ausprobieren, Themen weiterentwickeln!»

hochparterre, Mi., 2010.06.30



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10. Mai 2010Axel Simon
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Gleiten zum Brausen

Schokolade, Kühe, Taschenmesser — im Souvenirshop wird schnell klar, dass man sich an einem der Hot-Spots des Schweizer Tourismus befindet: Schloss Laufen...

Schokolade, Kühe, Taschenmesser — im Souvenirshop wird schnell klar, dass man sich an einem der Hot-Spots des Schweizer Tourismus befindet: Schloss Laufen...

Schokolade, Kühe, Taschenmesser — im Souvenirshop wird schnell klar, dass man sich an einem der Hot-Spots des Schweizer Tourismus befindet: Schloss Laufen am Rheinfall. Das neue Besucherzentrum, in dem sich der Shop befindet, bemüht sich auch aussen eifrig um Swissness: Leicht verfremdete Schweizerkreuze perforieren seine rostige Schale, machen aus dem Haus mit altem Ziegeldach eine zeitgenössische «Box». Sie zeugt vom letzten Akt einer langen Geschichte. Schon im 16. Jahrhundert zog es die ersten Reisenden an den Rheinfall. Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte ein Landschaftsmaler das Schloss, zu dessen Füssen die Wassermassen brausen. Er machte das Naturschauspiel fürs zahlende Publikum zugänglich und begründete damit den Massentourismus. Seitdem hat sich wenig verändert: Anreise per Reisebus, Hinabstiefeln in die Gischt, wieder hinauf, Souvenir, Reisebus, Tschüss.

Erster Wettbewerb

Der Hot-Spot kühlte in den letzten Jahren etwas ab. Die Besucherzahl schwand von rund 700 000 im Jahr 1966 auf unter 450 000. Und diejenigen, die kamen, liessen sich kaum mehr dazu bewegen, im Schloss zu speisen. Woher also sollte der Kanton Zürich, seit 1941 wieder Besitzer des Bauwerks, das Geld nehmen, um die dringenden Erneuerungen an Wegen und Bauten zu finanzieren? Der Ort musste attraktiver werden, sollte wieder mehr Menschen anlocken und sie vor allem dort länger verweilen lassen. Einen ersten Wettbewerb gewannen 2005 die Zürcher Architekten Leuppi  &  Schafroth: Die Erweiterung eines kleinen Personalhauses von 1960 zum Besucherzentrum mit Kasse, Imbiss, Shop, Toiletten und einem Saal.

Die Architekten verlängerten wie im Wettbewerb vorgeschlagen das Volumen des biederen Altbaus und umhüllten Alt wie Neu mit rostiger Stahlhaut. Vordächer am Kopf und zum seitlichen Vorplatz erscheinen wie hochgeklappt, lediglich ahnen lässt sich, was hinter den perforierten Blechen im Obergeschoss liegt: die aufgefrischte Fassade des Altbaus mit Lochfenstern und Klappläden sowie das verglaste Gesicht des «Rheinfallsaales». Der öffnet sich, schön und licht, bis unters Dach und wird von einem Strahlenkranz aus Schweizerkreuzen belichtet. Darüber raunt ein Filzbaldachin noch einmal: Swissness.

Zweiter Wettbewerb

Etwas mehr als ein Jahr nach dem ersten Studienauftrag folgte ein zweiter. Diesmal lud die kantonale Baudirektion vier Büros aus dem Bereich Ausstellung, Messedesign und Event ein, um ein «touristisches Inszenierungskonzept» für das Umfeld des Schlosses vorzuschlagen: Die Innen- und Aussenräume galt es zu bespielen, die Besucherströme zu lenken. Bellprat Associates gewannen mit farbig-lustvollen Bildern eines Abenteuerwegs vom Parkplatz zum Rheinfall: Vorbei am vor Ideen sprühenden Spielplatz «Sinnesgarten» und über den «Jahreszeitengarten» im Burggraben hinweg in den Schlosshof, durch ein neues Museum im Nordtrakt, über altem Weg und neuem Steg übers grausam wogende Wasser, wieder hinauf durch einen «Sinneswald» und durch einen Rolltreppentunnel zurück zum Schlosshof. Die Jury lobte die Dramaturgie dieser «Erweiterung des Live-Erlebnisses des Rheinfalls», räumte jedoch ein, das phantasievolle Konzept sei «vielerorts noch überinstrumentiert».

Die ausgeführte Schnittmenge

Dreieinhalb Jahr später lässt sich nun begutachten, was vom Konzept übrig blieb: Das «Historama» im Nordtrakt des Schlosses erzählt Geschichte und Geschichten: Wie in einer grossen Spieluhr erfährt der Besucher hier beispielsweise etwas zum Streit zwischen Industrievertretern, die den Rheinfall beseitigen wollten, und Naturbewunderern. Neu gesicherte Wege führen hinunter zu den traditionellen Aussichtspunkten «Belvedere» und «Känzeli». Über einen Holzsteg, der sich zackig um den Burgfelsen legt, gelangt man schliesslich zu einem frei stehenden Liftturm, schon im Wettbewerb als Alternative zu den Rolltreppen vorgeschlagen, der mit spektakulärer Aussicht zum Burghof hochsaust. Der Weg zum Rheinfall wurde so behindertengängig und zu einem Rundgang geschlossen.

Von einer grossartigen Inszenierung des «Live-Erlebnisses» ist heute — glücklicherweise — wenig zu spüren. Die Mittel sind klassischer, also räumlicher Art: Geht man entlang des geflickten Bruchsteinwegs, steuert der neu gepflanzte Hangbewuchs die Wahrnehmung des wogenden Naturschauspiels. Geäst legt sich dem Blick in den Weg oder gibt ihn an ausgewählten Punkten frei — ein vertikaler Landschaftsgarten, dessen Qualitäten nun wieder erkennbar sind.

Eichengeländer und Maschendraht geben neuen Halt auf diesem Gang in die brodelnde Tiefe. Tafeln mit Infos und alten Veduten begleiten ihn und lediglich ein paar Stahlgeräte, angetreten, «die Hörgewohnheiten zu verfremden», wirken reichlich hilflos gegenüber den brüllenden Wassermassen ein paar Meter tiefer. Die Exponate zeugen vom szenografischen Anspruch, der dem Naturschutz, vor allem aber dem knappen Budget zum Opfer gefallen ist — unerwartet teuer war die Sicherung des Felsens.

Die Reise in der dreiseitig verglasten Liftkabine macht aus der letzten Etappe des Wegs ein Erlebnis — sofern man auf der dem Rhein zugewandten Seite fährt und nicht mit Blick auf den Hang. Kein stolzes Ingenieurbauwerk haben sich die Gestalter vorgestellt, was auch die Denkmalpflege nicht erfreut hätte. An der Aussenseite eines massiven, aber zurückhaltenden Turms gleiten die beiden gläsernen Kabinen auf und ab — ein schmaler Betonsporn, der mit seiner graubraunen Schichtung das benachbarte Bruchsteinmauerwerk nachahmt. Auch ihn werden schon bald Moose und Flechten überwachsen.

Fragliche Zusammenhänge

Die Neuerungen rund um das Schloss Laufen rücken den Rheinfall wieder glücklich in den Fokus. Den Betrachter beschleicht jedoch ein mulmiges Gefühl. Was hat der Vorbereich des Besucherzentrums mit dem schön-schlichten Spielplatz am Schlossgraben zu tun? Was die Terrasse der neuen Erlebnisgastronomie mit dem sorgfältig rekonstruierten Schlosshof? Das «touristische Gesamtkonzept», wie der Kanton die zusammengewürfelten Ergebnisse beider Wettbewerbe nennt, verteilte die Zuständigkeiten: Die Architekten bauten das Besucherzentrum und fügten im Nordtrakt ein weiteres Treppenhaus ein, um ihn als «Historama» nutzbar zu machen.
Die Arbeit der Szenografen beschränkte sich nicht nur auf die Einrichtung des «Historamas», auf Exponate und Signaletik am Weg.

Sie entwarfen auch Lift und Steg und erneuerten die Wege. Für den abgespeckten Spielplatz, den Burghof und die Bepflanzung des Nordhangs zogen sie den Landschaftsarchitekten André Schmid bei.

Warum war ein solcher Spezialist bei den Wettbewerben nicht vorgeschrieben, obwohl der Ort ein Naturdenkmal von nationaler Bedeutung ist? Der Kanton begründet dies mit der intensiven Begleitung durch Denkmalpflege und Eidgenössischer Natur- und Heimatschutzkommission nach dem Wettbewerb. Fazit: Viele Hände waren hier am Werk. Eine gestalterisch steuernde Hand fehlte.

hochparterre, Mo., 2010.05.10



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15. April 2010Axel Simon
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Der Kraftakt zum Wohlgefallen

«Seht her!», ist die architektonische Mitteilung des EPFL-Learning Centers in Lausanne. Der Umgang mit dem neuen Raumerlebnis will noch erlernt sein.

«Seht her!», ist die architektonische Mitteilung des EPFL-Learning Centers in Lausanne. Der Umgang mit dem neuen Raumerlebnis will noch erlernt sein.

Der Raum des «Learning Centers» ist neu. Wir kennen keinen gleichartigen. Doch was wir zur Genüge kennen, sind die Mechanismen der «iconic buildings»: Der Auftraggeber bestellt bei einem «Stararchitekten» kein Gebäude, er bestellt globales Medieninteresse. Die gebauten Räume werden den visuellen Versprechungen, die schon zum Wettbewerb gemacht werden, nur selten gerecht. Patrick Aebischer, Neurologe und seit zehn Jahren Präsident der EPFL, macht aus seiner Strategie keinen Hehl. Spricht er vom Architekturwettbewerb, den er 2004 für das «Learning Center» initiierte, so fehlt ein Hinweis nie: dass sich unter den zwölf geladenen Architekturbüros fünf Pritzkerpreisträger befanden. Ein «Nobelpreis der Architektur» müsse her, da mit die EPFL internationale Forschergrössen nach Lausanne locken kann, die wiederum für den lang ersehnten «richtigen» Nobelpreis sorgen würden. Gewonnen haben den Wettbewerb die Japaner SANAA (Kazuyo Sejima und Ryue Nishi zawa) — keiner der Pritzkerpreisträger, aber ein Büro, das mit seinem Lausanner Werk diesem Preis einen grossen Schritt näher gekommen ist. So geht das Spiel namens «How to be a Star».

Rolex zahlt Mehrwert

Die globale Medienaufmerksamkeit gehörte also zum Programm und die Rechnung des EPFLPräsidenten ging auf: Das filigrane Modell des Siegerentwurfs betörte nicht nur die Jury, sondern auch die Chefetage von Rolex. Zusammen mit weiteren Sponsoren steuerte die Uhrenfirma 50 Millionen der 110 Millionen Franken Baukosten bei, weshalb der Bau nun offiziell den Namen «Rolex Learning Center» (RLC) trägt. Der Bund, als Betreiber der EPFL, bezahlte mit 60 Millionen ungefähr so viel, wie ein konventioneller Bau kosten würde.

Den üppigen Raum und die aufwendige Konstruktion zahlen also die Sponsoren, und somit trägt sich die mediale Aufmerksamkeit selbst. Das RLC ist jedoch nicht nur das neue mediale Gesicht der EPFL. Es ist auch eine wissenschaftliche Bibliothek mit 500 000 Bänden (ein Viertel davon im Hauptgeschoss, der Rest im Untergeschoss zugänglich) und 700 Arbeitsplätzen, mit Büros und Archiven, mit Räumen des Hochschulverlags und von Craft, einem Labor, das neue Lerntechnologien erforscht und zukünftig direkt im RLC testen will.

Neben dem Auditorium locken ein Restaurant, Cafés und eine Buchhandlung mit Kiosk auch Auswärtige auf den Campus. Das Haus will nicht nur die kreative Zusammenarbeit der Disziplinen fördern, sondern es soll auch der Ort sein, an dem die Hochschule ihre Gäste empfängt. Ineinanderfliessende Räume des Austauschs und des Treffens, von sieben Uhr früh bis Mitternacht geöffnet. Kann die gebaute Realität diesen Erwartungen überhaupt gerecht werden? Und ihrem medialen Bild?

Schwächen und Stärken

Der erste Plan des Campus ist von Zweifel, Strickler und Partner und stammt aus den Siebzigerjahren. Der rund 170 auf 120 Meter grosse, flache Neubau breitet sich südlich seiner strukturalistischen Vorgänger aus. Dort beansprucht der eingeschossige Solitär einen Grossteil der Landreserve der Hochschule siehe HP 4 / 07. Von der Metrostation im Norden müssen sich Ortsunkundige ihren Weg durch das ineinandergreifende Flickwerk der bisherigen drei Bauetappen bahnen. Das Haus, über das momentan die Welt spricht, erscheint zunächst überraschend plump. Der Schwung, mit dem sich das einzige Geschoss noch im Wettbewerbsmodell hoch und nieder wölbte, ist, um den Faktor 500 vergrössert, weitaus weniger betörend. Der reizvolle Blick von weit oben, der schon einige Beschreibende zu Käseanalogien verführt hat, bleibt Hobbyfliegern vorbehalten. Die Stärken des RLC zeigen sich auf dem Weg zum Eingang, der überraschenderweise im Zentrum des Gebäudes liegt.

Der Besucher schreitet durch weite Gewölbe aus speckig glänzendem Beton, deren Leichtigkeit vergessen macht, dass man sich unter dem Gebäude befindet. Der Kraftakt, der notwendig war, solch stützenfreie Räume zu schaffen, löst sich auf in Wohlgefallen. Dass die Hügellandschaft aus Beton eigentlich eine aus Stahl ist und ihre Errichtung eine komplexe Ingenieurleistung, berichtete Hochparterre bereits bei einem Baustellenbesuch vor bald zwei Jahren siehe HP 10 / 08: Fünf Zentimeter dicke Zugstangen in der Kellerdecke hindern die Betonschalen daran, nachzugeben. Der Stahlanteil im Beton ist fünfmal höher als üblich. Im Innern wellt sich der eine grosse Raum in weiten Bögen. Bei einer lichten Höhe von bis zu 4,5 Metern steigt er, sinkt wieder, um sich erneut in voller Breite hinaufzuwölben. Elf unterschiedlich grosse Patios durchstanzen Dach und Boden und teilen die Raumlandschaft in helle und dunklere Zonen. Die Höfe ermöglichen den Blick durch und über das Dach, vom «Hügel» am einen Ende des Raumes bis zum «Tal» am anderen. Aber auch hinaus: in die ruhigen Kieshöfe, hinüber zu den alten Hochschulbauten, bis auf die schneebedeckten Alpengipfel jenseits des Lac Léman.

Gestraffte Ausführung

Ein Blick auf den Grundriss zeigt, was sich zwischen Wettbewerbsentwurf und Bau verändert hat. Der Plan wirkt straffer, aufgeräumter, ohne an exotischer Wunderlichkeit verloren zu haben.

Manche Zeichenkürzel müssen selbst erfahrene Planleserinnen erst deuten. Die Patios, an Luftblasen unter einer Eisfläche erinnernd, sind jedoch generell kleiner geworden — die Armierungseisen brauchten Platz. Viele kleine Höfe wurden gestrichen. Weitere blasenartige Formen umschreiben als raumhohe Glaswände Besprechungszellen oder als nach oben offene Gipskartonboxen-Büroräume. Die «Hügellandschaft» ist folgerichtig mit Höhenlinien dargestellt. Im Wettbewerbsplan waren auf den «Hängen» noch Tische und Stühle verteilt, die finden sich nun konzentrierter auf Zonen in den «Talböden» oder liegen erhöht auf Podesten, die hier und da eine «Kuppe» vergrössern. Waren einst die nach oben führenden Wege mit Strichelchen nur zart angedeutet, verbinden sie nun, als markante und raumbestimmende Rampen, im Zickzack die wichtigsten Orte miteinander, unterstützt von drei Schrägliften. Die von SANAA bevorzugte Farbpalette bestimmt auch ihr Werk in Lausanne: weisser Akustikputz an der Decke, weiss gestrichene Einbauten aus Gips und ein durchgehender hellgrauer Nadelfilzteppich am Boden. Materialsinnlichkeit ist nicht ihr Thema.

Es gäbe viele Einsparungswunden, in die ein Kritiker seine Finger legen könnte. Zum Beispiel die groben Rafflamellen des Sonnenschutzes oder die facettierten Glaskurven der Besprechungszellen. Dagegen zeigen die gerundeten Scheiben beim Eingang der Lounge der Credit Suisse — ein weiterer Sponsor —, wie es geht, wenn man Geld hat.

Dass das RLC für Behinderte nicht nutzbar sei, bewegte die Gemüter schon früh. Gegen das Baugesuch reichten Behindertenverbände Einsprache ein und forderten, das öffentlichste Gebäude einer Hochschule müsse in der heutigen Zeit behindertengerecht gebaut werden. Die EPFL und die Verbände setzten eine Vereinbarung auf und passten das Projekt an. Die wichtigen Orte sind nun sämtlich über horizontale oder flach geneigte Ebenen erreichbar. Neben den Rampen und Aufzügen für Mobilitätsbehinderte zerschneiden Leitlinien für Sehbehinderte die Nadelfilzfläche.

Raumerlebnis nicht für alle

Ein Eingriff ist aber grundlegend: In der Vereinbarung verpflichtet sich die Hochschule, die schrägen Flächen, die für Rollstuhlfahrer zu steil sind, unzugänglich zu machen. Hierfür seien Elemente in der Formensprache des Projekts vorzusehen, genannt werden zum Beispiel Trennwände oder Pflanzen. Bei der Inbetriebnahme am 22. Februar standen sie noch nicht. Sie sich vorzustellen, fällt schwer, sind es doch gerade die fliessende Offenheit des Raums, die überraschenden Wege, von denen das Haus lebt. EPFLSprecher Nicholas Henchoz bestätigt, dass man über geeignete Abtrennungen nachdenke, um eine Gleichberechtigung herzustellen. Die an der Hochschule beschäftigten Gehbehinderten fühlten sich ausgeschlossen, weil sie bestimmte Wege nicht nutzen könnten.

Aber, so betont Henchoz, es brauche Zeit, um den Umgang mit diesem neuartigen Raum zu erlernen, das betreffe auch die Behinderten. Die offizielle Eröffnungsveranstaltung habe man auch daher erst für Ende Mai geplant.

Raum braucht Beinkraft

Die Studenten und die Mitarbeiter der Hochschule haben ihr neues Haus in Besitz genommen. Der Ansturm an den ersten Tagen war ebenso gross wie die Neugierde. Die Studierenden werden sich kaum an irgendwelche Absperrungen halten. Zu reizvoll ist der Gang über die Hügel, das Erlebnis, diese ungewohnte Indoor-Landschaft zu erkunden. Der Raum — und das ist die grosse Überraschung — funktioniert im Gebrauch besser als auf den Fotos. Die Raumlandschaft ist physisch, sie verlangt vom Nutzer körperlichen Einsatz. Man spürt seine Waden, wenn man länger auf einer der schrägen Flächen steht — zur Unterhaltung setzt man sich einfach auf den Boden oder lehnt zurück und geniesst die Übersicht. Es ist schade, dass Menschen im Rollstuhl diese Erfahrungen nicht machen können. Schaut man jedoch auf die enorme Kraft und Neuartigkeit dieses Raumes, kommen einem kaum Restriktionen in den Sinn, sondern Möglichkeiten: Die junge Generation nimmt die «Hügel» in Besitz, erfindet im grossen offenen Raum, in dem nichts im Verborgenen geschieht, neue Formen der Begegnung, der Bewegung, der Solidarität. Und bezieht Behinderte dabei selbstverständlich mit ein. Hoffentlich bleibt das kein blosses Bild.


«Das Gebäude erzeugt Behinderungen»

Für die Schweizer Behindertenverbände ist das Learning Center diskriminierend. Sie reichten Ein Sprache ein und setzten zahlreiche Anpassungen durch. Hochparterre sprach mit Joe Manser, dem Geschäftsführer der Fachstelle für Behindertengerechtes Bauen.

Wie beurteilen Sie das neue Learning Center der EPFL?
Das Gebäude ist nicht nachhaltig, weder in ökologischer, ökonomischer, noch in sozialer Hinsicht. Das Raumprogramm hätte man mit der Hälfte des Volumens und Geldes bauen können. Für Menschen mit einer Seh- oder Gehbehinderung ist das Gebäude schwer nutzbar. Die steilen Schrägen und weiten Distanzen sowie die komplexe Orientierung erzeugen Behinderungen bei der Nutzung.

Während dem Bewilligungsverfahren hat die Fach stelle mit anderen Behindertenorganisationen Einsprache eingereicht. Mit welchem Ergebnis?
Der Bau ist ein Flickwerk, wie wir es von einem bestehenden Gebäude kennen, nicht von einem Neubau. Die mäandrierenden Rampen und langsamen Schräglifte werden Mobilitätsbehinderten keine gleichwertige Nutzung ermöglichen. Sie brauchen täglich mehr Kraft und Zeit, um beispielsweise ins Café zu kommen.

Hat die EPFL neben diesen baulichen Anpassungen auch mit veränderten Nutzungen auf Ihre Einwände reagiert?
Der Entwurf sieht eine Hügellandschaft vor, über die man kreuz und quer gehen kann — was für einen «Modulor-Menschen » auch stimmt. Auf den Vorwurf der Diskriminierung sagte die EPFL: Die wichtigen Verbindungswege sind auch für Behinderte möglich, mit Lift oder Rampe, der Rest, also alle anderen Schrägen, sei sowieso nicht begehbar. Die Frage, mit welchen Mitteln das umgesetzt wird, blieb offen.

Wenn diese Absperrungen nun den Charakter des Raums zerstören, was sagen Sie dann?
Ich sage: Der Vorschlag kam nicht von uns.

Ist die Einschränkung aller besser als die Benachteiligung weniger?
Das ist eine grundsätzliche Frage: Dürfen Diskriminierungen aus rein gestalterischen Gründen legitimiert werden? Ich hatte den Eindruck, schon die Jury ging mit dem Thema Behindertengerechtigkeit nachlässig um. Es ist Mode geworden, dass man sich in einem Gebäude nicht nur horizontal bewegt. Das mag für eine Expo oder ein Museum in Ordnung sein, aber hier geht es um das tägliche Leben, um die für behinderte Menschen besonders wichtige Ausbildung. Gerade für eine Ausbildungsstätte wird hier ein völlig falsches Zeichen gesetzt.

Wie viel Prozent der EPFL-Studenten und Mitarbeiter sind behindert
Das ist irrelevant. Menschenrechtlich gesehen ist egal, ob Sie einen Menschen diskriminieren oder viele.

[Joe A. Manser, Architekt, Geschäftsführer Schweizerische Fachstelle für Behindertengerechtes Bauen.]

hochparterre, Do., 2010.04.15



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Genial oder banal?

Das neue Schulhaus Leutschenbach spaltet die Architekturkritiker. Sechs kontroverse Meinungen zum Bau von Christian Kerez.

Das neue Schulhaus Leutschenbach spaltet die Architekturkritiker. Sechs kontroverse Meinungen zum Bau von Christian Kerez.

Es ist das zweitgrösste Schulhaus der Stadt Zürich und von der Kindergärtlerin bis zum Sekschüler gehen hier alle ein und aus. Der Bau dauerte ein Jahr länger als vorgesehen. Die Erscheinung ist für ein Schulhaus so ungewöhnlich, dass sie polarisieren muss. Seit August ist das Schulhaus Leutschenbach nun in Betrieb und Hochparterres Redaktorinnen und Redaktoren besichtigten es mit dem Architekten Christian Kerez.

Die Heiligsprechung des Banalen

Ivo Bösch: Die Jury traute dem Entwurf von Christian Kerez nicht zu, dass er baubar ist. Im Wettbewerb aus dem Jahr 2003 liess sie zwei Projekte überarbeiten. Zwar gefielen damals die Zonen zwischen den Schulzimmern. Doch dieser Bereich war Fluchtweg, also nicht nutzbar. Erst nach der Überarbeitung schlug Kerez die Fluchtbalkone vor. Der Feuerpolizist entwarf also beträchtlich mit. Eine Turnhalle auf dem Dach, eine Doppeltreppe, aneinander gereihte, hohe Schulzimmer und eine stützenfreie Fassade im Erdgeschoss: Mehr steckt nicht im Entwurf. Der Kern des Projekts ist die Konstruktion.

Das Haus steht nur auf sechs Dreifachstützen. Für den Handstand auf dem kleinen Finger scheute der Architekt keine Kosten. Doch bestimmte der Bauingenieur, wo welche Querschnitte welche Lasten tragen. Was Kerez mit dem kompakten Entwurf gewinnt, verliert er mit dieser Konstruktion. Obwohl beim Ausbau gespart wurde und obwohl es die zweitgrösste Schule der Stadt Zürich ist, ist der Bau im Kubikmetervergleich (BKP 1– 9: CHF 1108.–/m3, Stand August 2009) eines der teuersten Schulhäuser. Schon die Jury schrieb nach der ersten Stufe: «Die durch die kompakte Gebäudeform gegebene Ausgangslage für eine günstige Ökonomie wird durch zu erwartende erhöhte konstruktive Aufwendungen gemindert.» Dass diese Aufwendungen so gross werden und der Ausbau so leiden musste, konnte sie nicht voraussehen: Wände aus Industrieglas, in den Schulgeschossen Kunststeinplatten am Boden, sichtbare PE-Abwasserleitungen. Alles wirkt banal, Kerez würde es reduziert nennen. Glück für ihn, dass das Schulhaus in Schwamendingen steht und die Stadt endlich ein Signal für die Quartierentwicklung neben der Kehrichtverbrennungsanlage setzen musste.

Alles schrumpft

Roderick Hönig: 1994 stellte Pipilotti Rist im Kunstmuseum St. Gallen zwei überdimensionale Fernsehsessel neben eine meterhohe Stehlampe. Wer versuchte, die gigantischen, kaum handhabbaren Möbel zu besteigen, lernte physisch seine Lektion in Raumwahrnehmung. Die drei ungewöhnlich hohen Klassenzimmergeschosse erinnern an Rists Installation. Nur ists im Schulhaus Leutschenbach umgekehrt: Die Räume sind überdurchschnittlich hoch — satte 3,6 Meter, das Minimum schreibt 3 Meter vor. Die Überhöhe verleiht weiten Atem und Grosszügigkeit und lässt, wie in Rists Arbeit, Schülerin und Lehrer auf Kindergrösse «schrumpfen ». Die Architektur stellt so die Machtverhältnisse im Schulhaus in Frage, sie demokratisiert Subjekt und Objekt. Kerez sichert mit seinen überhohen Klassenzimmern und Pausenhallen aber auch die Souveränität seines Werks. Die Überhöhe sorgt dafür, dass Möblierung und Raum kaum in ein Verhältnis treten und dass man nicht plötzlich vor lauter Schulmöbel und farbigem Kinderleben Kerez’ «architecture brut» nicht mehr sieht. Elegant ist, dass der eitle Wunsch nach Wahrung der Reinheit der eigenen Architektur nicht auf Kosten der Nutzer geht — im Gegenteil: Die überdurchschnittliche Raumhöhe ist die Attraktion und Qualität des Schulhauses. Der Luxus, bezahlt auf Kosten des Ausbaus.

Die Paulista-Schule

Axel Simon: Wo ist da die Angemessenheit? Und was ist mit den hohen Kosten? Spätere Erweiterungsmöglichkeiten? Es gibt Bauwerke, an denen perlen solche Fragen ab. Radikalität imprägniert sie zum Manifest. In Leutschenbach steht man vor einem solchen, schaut einfach nur, blöd vor Staunen. Hier liegt Zürich nicht in der Schweiz, sondern am Rande São Paulos. Sicher, Kerez’ Konstruktionen sind komplizierter als diejenigen von Artigas, Bo Bardi oder Mendes da Rocha, die hiesigen Anforderungen sind es sowieso. Die räumliche Idee jedoch ist ähnlich: eine weite Landschaft rundum, die sich im Inneren widerspiegelt, sowie ein Raum, der mit zunehmender Schwere des Hauses an Leichtigkeit gewinnt. Die eidgenössische Komplexität der scheinbar einfachen Struktur überspielt der Architekt, indem er sich jede Oberflächengüte versagt. Der sichtbaren Stapelung der Etagen entsprechen der sichtbar gegossene Beton, der sichtbar geschweisste Stahl, das sichtbar gefügte Gussglas. Die Rohheit des Materials und der immense Raum machen aus der Schule eine Werkstatt, einen Ort, an dem man ohne die Bürde des Perfekten schaffen, sich ausbreiten, auf dem Trottinette durchjagen kann. Keine gebeugten Rücken, keine Schulkrüppel! Diese Forderung, die der spätere Bauhausdirektor Hannes Meyer 1926 seinem konstruktivistischen Petersschul-Entwurf beilegte, könnte auch auf den Leutschenbacher Beton gesprüht stehen — als Kunst am Bau versteht sich.

Ein starkes Stück

Werner Huber: Wie ein Equilibrist steht das Schulhaus auf der Wiese am Rand von Leutschenbach, scheint unter Hochspannung zu sein. Es berührt den Boden kaum, die Tragstruktur balanciert die Lasten der aufeinandergetürmten Nutzungen ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Die gleiche Spannung ist im Innern zu spüren, auch wenn die Fachwerkträger nicht immer zu sehen sind und es nicht auf Anhieb klar ist, wie die Statik überhaupt funktioniert. Kräfte werden über Umwege spazieren geführt, bevor sie den Boden erreichen. Es wäre einfacher gegangen. Ein paar Stützen hier und da diskret platziert — wer würde den Unterschied schon sehen? Kaum jemand, doch spüren würde man ihn bestimmt.

Der Architekt ist seinen Weg konsequent gegangen und hat alles seinem Konzept untergeordnet. Das ist seine grosse Leistung. Die Betonoberflächen sind nicht perfekt, der Ausbau ist karg, konstruktive Ausnahmen gibt es zuhauf. An irgendeinem anderen Bau würde man das beklagen, hier ist das sekundär. Kerez hat die richtigen Prioritäten gesetzt. Nur im Erdgeschoss musste das Konzept vor der Nutzung zurücktreten — und prompt ist
es daneben geraten: Nie und nimmer dürfte es verglast sein.

Republikanisch geschärft

Benedikt Loderer: Zwei Gründe, warum ich das Schulhaus Leutschenbach gut finde: Es ist republikanisch und es ist geschärft. In Schwamendingen leben viele jener Leute, denen man eine bildungsferne Herkunft nachsagt und die ihre Kinder nicht vor allem zum Lernen anstacheln. Für sie baute die Stadt Zürich ein republikanisches Schulhaus. Es ist ein Versprechen. Nie, sagt die Stadt, werden wir vom Prinzip der allgemeinen und obligatorischen Volksschule abweichen. Wir wollen weder Kloster-, noch Koran- oder Eliteschulen. Vor der Schule ist jedes Kind gleich und wir geben keines auf. Wir bilden sie zu Zürchern. Wir bauen Integrationsschulen. Dort, wo die Kinder am schwierigsten sind, machen wir nicht weniger, sondern mehr. Wir sparen nicht an den Bedürftigen. Gut genug gibt es nicht, wo es ein Mehr braucht. Das Schulhaus repräsentiert den Bildungsanspruch der Stadt. Dieses republikanische Schul- und Selbstverständnis strahlt das neue Schulhaus aus. Das Konzept ist einfach: Kerez stapelt. Er setzt die Nutzungen nicht neben-, sondern schichtet sie übereinander. Den Rest des Grundstücks lässt er frei. Das Konzept überzeugte im Wettbewerb, doch dann begann die Arbeit. Es nahm die Hürden der Feuerpolizei, bewältigte das gerade geltende pädagogische Programm, überwand die Schwierigkeiten seiner eigenen Statik, besiegte den Kostendruck, kurz, es wurde verwirklicht.

Selbstverständlich sieht es heute anders aus als im Wettbewerb — aber nicht verwässert, sondern geschärft. Kerez ist einer der wenigen Architekten, die Konzessionen machen können, ohne Schaden an ihrem architektonischen Konzept zu nehmen. Er ist nicht stur, er ist nur konsequent. Er weiss: Wer alles verteidigt, verteidigt nichts. Und er weiss, was er aufgeben kann, um das zu behalten, was er unbedingt haben will. Selektives Wichtignehmen heisst diese Schärfungskunst. Kerez ist ein Meister darin.

Die Konsequenzen der Konsequenz

Rahel Marti: Christian Kerez will konsequente Architektur schaffen. Er kämpft für die Reinheit der einen, einfachen Idee. Offenbar gelang es ihm, die Beteiligten für diese heroische Haltung zu gewinnen. Kerez stapelt, der Park soll frei bleiben. Er baut Glaswände, dazwischen soll Raum zum Lernen entstehen. Er will ein klares und rohes Schulhaus, in dem sich Schülerinnen und Lehrer entfalten. Paradoxerweise braucht es dafür ein komplexes Tragwerk und Bauarbeiten, die ein Jahr länger dauerten als geplant. Was aussieht wie eine strukturalistische Höchstleistung, ist eine Reihung von Ausnahmen und Kompromissen. Um etwa den Park ins Haus fliessen zu lassen — und dies bildlich, denn in der Tat gibt es ja eine Glasfassade —, ist das Gebäude an einer komplexen Fachwerkkonstruktion aufgehängt. Um die Reinheit dieser statischen Idee zu belassen, nimmt der Architekt verschiedenste Fachwerkdimensionen und damit verschiedenste Deckenfelder in Kauf, was zu zahllosen konstruktiven Anpassungen führt. Um den freien Grundriss in den Treppenhallen zu ermöglichen, sind breite, umlaufende Fluchtbalkone nötig. Damit hier keine Kinder herumrennen, werden sich Lehrerinnen und Lehrer Regeln ausdenken müssen. Um die Transluzenz des Industrieglases nicht zu stören, sind an den Wänden der Schulzimmer und der Turngarderoben nicht metallene Kleiderhaken montiert, sondern kleine, ab - bruchgefährdete Plastikhaken aufgeklebt. Die Konsequenz reicht soweit, dass Kerez auch Massnahmen durchsetzt, die mit pädagogischen Zielen nichts mehr zu tun haben. Etwa, dass keine Leuchten, dass nichts von den hohen Decken hängen darf, was aufwändige Betoneinlegearbeiten erforderte. Man wird sehen, denn nun muss sich das aussergewöhnliche Schulhaus bewähren. Sonst war die reine Idee architektonischer Selbstzweck und der Preis dafür hoch.

hochparterre, Mo., 2009.10.12



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01. April 2009Axel Simon
db

Von der Grau- zur Grünzone

Als Siedlung Bernerstrasse war sie ein sozialer Brennpunkt, dann entschloss sich die Stadt zur Radikalmaßnahme des Abrisses und für einen kompletten Neubau. Als Siedlung Werdwies ist sie heute ein Ort, an dem Familien sehr gut leben können. Und der frei und offen gestaltete Außenraum bereichert als neues Zentrum nicht nur die Siedlung, sondern wirkt sich positiv auf ein insgesamt nicht unproblematisches Quartier aus. Die neuen Wohnungen sind doppelt so groß wie die alten und beglücken preisbewusste Pragmatiker wie ästhetisch Anspruchsvolle gleichermaßen.

Als Siedlung Bernerstrasse war sie ein sozialer Brennpunkt, dann entschloss sich die Stadt zur Radikalmaßnahme des Abrisses und für einen kompletten Neubau. Als Siedlung Werdwies ist sie heute ein Ort, an dem Familien sehr gut leben können. Und der frei und offen gestaltete Außenraum bereichert als neues Zentrum nicht nur die Siedlung, sondern wirkt sich positiv auf ein insgesamt nicht unproblematisches Quartier aus. Die neuen Wohnungen sind doppelt so groß wie die alten und beglücken preisbewusste Pragmatiker wie ästhetisch Anspruchsvolle gleichermaßen.

Eine wenig idyllische Bebauungsinsel im Norden der Stadt Zürich, gerahmt von Autobahn, Flusslauf, Klärwerk, Sport- und Parkplätzen. Diese »Insel« heißt Grünau und war bis vor Kurzem nur durch Unterführungen oder per Fallschirm zu erreichen. Der Filmemacher Fredi Murer hat der Siedlung Bernerstrasse, dem Kern der Grünau, 1979 ein Denkmal gesetzt. Nicht von ungefähr heißt der Film »Grauzone«: Trist war die 1959 billig hochgezogene Siedlung schon nach zwanzig Jahren. Weitere zwanzig Jahre später waren die Hausfassaden mit ihrem Ausschlag unzähliger Satellitenschüsseln nicht mehr grau, sondern schwarz und ihr Abriss beschlossene Sache. Der Zustand der 267 kleinen Wohnungen war schlecht, längst genügten sie heutigen Wohnansprüchen nicht mehr. Sie durch halb so viele, im Schnitt aber doppelt so große zu ersetzen, war das Ziel, ein weiteres die Aufwertung des gesamten Quartiers. Die sozial schwache Bewohnerschaft der ehemaligen Siedlung Bernerstrasse, die sich aus über dreißig verschiedenen Nationalitäten zusammensetzte, entlockte Politikern immer wieder das Reizwort Slum – eine sicherlich übertriebene Bezeichnung, doch fehlte eine ausgeglichene soziale Durchmischung, selbst innerhalb des Quartiers war die Siedlung ein stigmatisierter Ort. Nun sollte sie sein städtisches Zentrum werden.

Grösser, schöner, ökologischer

Zwar wurden in Zürich in den letzten Jahren bereits einige genossenschaftliche Siedlungen durch Neubauten ersetzt, doch niemals zuvor so viele gemeinnützige Wohnungen auf einen Schlag abgerissen wie an der Bernerstrasse. War der Ersatzneubau in dieser Stadt rund 25 Jahre lang tabu, so greift man heute mehr und mehr zu diesem radikalen Mittel – muss es sogar, denn die meisten Züricher Wohnungen kommen in die Jahre und sind zu kleinräumig für heutige Ansprüche an Wohnraum. Mit einzelnen Verbesserungen wie neuen Balkonen oder einer zusätzlichen Wärmedämmung hat man am Ende oft weder gute Architektur noch wird viel Geld gespart, darum baut man lieber ganz neu.

Doch der Abbruch bestehender Wohnhäuser geht nie ohne Widerstand und Kritik über die Bühne. Denn auch wenn es sich um keine Traumwohnlage handelt, haben sich über die Jahre Nachbarschaften gebildet und die Mieter sich in ihren oft sehr günstigen Verhältnissen eingerichtet, nicht anders an der Bernerstrasse. Denn im heutigen Zürich findet man kaum noch eine Dreizimmerwohnung für 600 Franken. Die Stadt reagierte auf diese schwierige Situation mit der Einrichtung eines Mieterbüros in der Grünau. Es half den 670 Bewohnern der alten Siedlung erfolgreich bei der Suche nach neuem Wohnraum, am Ende hatten die allermeisten eine Bleibe in Zürich gefunden. Warum nur wenige der ehemaligen Bewohner in die neue Siedlung zurückkehrten, hat seine Gründe: Den meisten waren die größeren Wohnungen einfach zu teuer, ansonsten regelte die Stadt als Vermieterin mit einem obligaten Bewerbungsverfahren die gewünschte neue Durchmischung der Bewohnerschaft.

Die Stadt als Hausbesetzerin

Während der mehrjährigen Übergangszeit von der Bekanntgabe des geplanten Abrisses bis zum Auszug der letzten Mieter im Januar 2004 wurde die Stadt zur Hausbesetzerin: Die frei werdenden Wohnungen überließ sie mehreren hundert Künstlern und Studenten zur Ateliernutzung. Die »Fuge«, »Europas grösste Künstlerkolonie«, wie die Presse vollmundig schrieb, verhinderte zwar eine Geisterstadt, Vandalismus und »echte« Hausbesetzungen, die Performances, Feuerwerke und durchbohrten Wände der Künstlerbesetzer stießen jedoch bei den verbliebenen Bewohnern in der Regel auf wenig Gegenliebe – sie hatten andere Probleme als sich mit Kunst zu beschäftigen.

Heute steht anstelle der Siedlung Bernerstrasse die Siedlung Werdwies, keine Grau-, sondern eine Grünzone mit frischer Architektur. Ihr Architekt, der heute Anfangvierziger Adrian Streich, gewann den an guten Vorschlägen nicht armen Wettbewerb 2002 und realisierte mit der Siedlung sein erstes großes Projekt. Mittlerweile gilt er als Fachmann für Wohnungsbau unter schwierigen Bedingungen. Seine statt der ehemals 267 nun auf 152 reduzierten, schönen Wohnungen in der Werdwies sind doppelt so groß wie in der Vorgängersiedlung – die meisten von ihnen weisen bei viereinhalb Zimmern 106 bis 112 Quadratmeter auf, die größten mit sechseinhalb Zimmern gar 154 Quadratmeter. Auch die Mieten haben sich verdoppelt, sind aber für Züricher Verhältnisse noch immer günstig, ein Drittel der Wohnungen wird zur angestrebten sozialen Durchmischung für weniger Verdienende subventioniert. Und Schöngeister können sich eines von 28 schallgedämmten Musikzimmern dazumieten.

Städtischer Raum statt Siedlungsraum

Die sieben neuen Häuser sind mit jeweils acht Geschossen alle gleich hoch. Sie besetzen in drei unterschiedlich großen Typen das Grundstück: Die vier kleinen Häuser öffnen den Raum der Siedlung in Richtung Quartier, das größte bildet wie ein Block den westlichen Schlusspunkt. In diesem Block sitzt über einem erdgeschossigen Supermarkt ein großer, offener Innenhof mit Laubengängen. Bei den mittelgroßen Baukörpern erschließt ein glasgedeckter Lichthof im Zentrum jeweils vier Wohnungen pro Geschoss, die kleinen Häuser sind zweispännig organisiert und besitzen ein Treppenhaus an der nördlichen Fassade – schon dieser Reichtum an verschiedenen Typen belebt den Raum dazwischen. In den hohen Erdgeschossen finden sich öffentliche und gemeinschaftliche Einrichtungen: neben dem Supermarkt ein Bistro, Kindergarten und Kinderkrippe sowie Fahrradräume und Waschküchen, die sich über große Fenster nach außen öffnen, zusätzlich – wie bei gemeinnützigen Siedlungen in der Schweiz üblich – ein Gemeinschaftsraum, außerdem Ateliers und drei Gewerberäume. Tiefe Loggien prägen die Fassaden – bei den kleinen Baukörpern auf der Südseite, bei den beiden größeren Typen im Osten und Westen – und vermitteln auch in den oberen Geschossen zwischen dem Außenraum der Siedlung und den privaten Räumen.

Dieser Außenraum umfließt die neuen Wohnblöcke, die keine definierte Vorder- und Rückseite haben. Bäume und »Rasenkissen« geben der offenen Fläche einen Rhythmus und schieben sich beim Durchschreiten der Anlage wie Kulissen vor die Häuser. Diesen Freiraum definierte der Landschaftsarchitekt André Müller als »städtischen Bewegungsraum« – das nahe Limmatufer dient dem gesamten Quartier als natürliche Grünfläche. Was innerhalb der Grünau fehlte, waren belebte Räume, städtische Räume. So geht der Asphalt der umgebenden Straßen und Gehsteige nahtlos in die Siedlung über, die Erdgeschossfassaden sind aus robustem Beton. In Gruppen gepflanzte Eschen und Erlen, aber auch Exoten wie Tulpenbäume wachsen in großen Baumscheiben aus dem Hartbelag. Mit Eisenträgern gefasst und Schotter gefüllt, funktionieren die Baumscheiben wie überdimensionierte Gullys: Das Regenwasser der gesamten Siedlung sammelt sich hier und wird versickert. Überhaupt war die Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema: Die Häuser wurden zu achtzig Prozent aus recyceltem Material aus dem Abbruch der Siedlung gebaut, die Wohnungen genügen dem Schweizer Minergie-Standard. Die Konstruktion setzt sich zusammen aus einer tragenden Gebäudehülle in Ortbeton und Mauerwerk und einem tragenden Betonskelett im Inneren. Die meisten Wohnungs- und Zimmertrennwände sind nichttragend ausgeführt. Außer den Erdgeschossfassaden (zweischalig auch aus Beton) und den Loggien (selbsttragende Konstruktionen aus Betonelementen) besteht die Gebäudehülle aus einer verputzten Außenwärmedämmung mit mineralischem Aufbau.

Bürgerliche Vorbilder

Tritt man aus den drei unterschiedlichen Erschließungsräumen in eine Wohnung, steht man zunächst in einer großzügigen Eingangshalle mit Wandschränken, die bei Bedarf auch als Essraum dienen kann. Seitlich gruppieren sich gleichwertige Zimmer, der große Wohn- und Essraum wird von einer riesigen Loggia begleitet. Die Räume sind robust und einfach materialisiert, ihr Vorbild war jedoch der großzügige Zuschnitt bürgerlicher Häuser der Jahrhundertwende.

Die geschundene Grünau besitzt nun ein belebtes Quartierzentrum mit sieben stattlichen Häusern, gepflegten Rasenflächen, öffentlichen Einrichtungen und einem Brunnen des New Yorker Künstlers Ugo Rondinone als Treffpunkt. 500 Bewohner leben in Werdwies, davon die Hälfte Kinder, der Ausländeranteil liegt bei vierzig Prozent, hier wohnt der Gastarbeiter neben dem Chef eines bekannten Kunstbuchverlages. Nicht nur portugiesische, kosovarische oder Schweizer Flaggen schmücken hier die grünen Brüstungen der Balkone, auf jedem der sieben Häuser flattert außerdem eine große Fantasiefahne, installiert vom Genfer Künstler Frédéric Post. Wie eine Neugründung in Übersee liegt nun die Grünau-Insel inmitten von Autobahn, Flusslauf, Industrie und Sportplätzen. Eine neue Fußgängerbrücke führt auch hinüber. Die neue Architektur passt zu diesem Ort: Sie ist robust und pragmatisch, erfüllt aber auch die nicht geringen Ansprüche der Kreativen Zürichs.

db, Mi., 2009.04.01



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db 2009|04 Europäische Stadtquartiere

15. Januar 2009Axel Simon
Bauwelt

Erweiterung Kunsthaus Zürich

Mit Spannung wurde das Ergebnis des wichtigsten Schweizer Wettbewerbs 2008, die Erweiterung des Kunsthauses Zürich, erwartet. Der siegreiche Entwurf von David Chipperfield ist – wie sollte es anders sein – ein „gemäßigter“ Monolith.

Mit Spannung wurde das Ergebnis des wichtigsten Schweizer Wettbewerbs 2008, die Erweiterung des Kunsthauses Zürich, erwartet. Der siegreiche Entwurf von David Chipperfield ist – wie sollte es anders sein – ein „gemäßigter“ Monolith.

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Kunsthaus Zürich - Erweiterungsbau



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Bauwelt 2009|01-02 Das erste Haus zum 6. Mal

10. Oktober 2008Axel Simon
Bauwelt

Golfclub Sempachersee

Seit der jüngsten Erweiterung um eine zweite 18-Loch-Anlage ist der Golfplatz Sempachersee bei Luzern der flächenmäßig größte der Schweiz. Architekturinteressierte werden bei der Anfahrt auf das neue Clubhaus an eine Ikone des expressionistischen Bauens denken, nämlich an Erich Mendelsohns Hutfabrik in Luckenwalde, überragt doch hier wie dort ein mächti­ges Dach den ansonsten flachen Baukörper. Eingeweihte sehen in dem Haus aber noch ein anderes Vorbild, das der „Analogen Architektur“, jener einflussreichen Lehre, die in den achtziger Jahren von Fabio Reinhard und seinem Oberassistenten Miroslav Sik an der ETH Zürich begründet wurde (Heft 32.2004). Der Blick der „Analogen“ richtete sich auf die Baugeschichte ebenso wie auf anonyme Alltagsarchitekturen und wandte sich damit gegen den an dieser Hochschule damals noch vorherrschenden Modernismus vieler Le-Corbusier-Jünger. Vom Stil der Entwürfe, die auf so großen wie düsteren Ölkreide-Perspektiven detailliert dargestellt wurden, fand kaum etwas den Weg ins wirkliche Leben. Joseph Smolenicky, damals Student und später Assistent bei Reinhard/Sik, ist bisher vor al­lem auf dem Feld der Innenarchitektur aufgefallen. Anfangs mit Jasmin Grego als Partnerin, schuf er elegante Läden, Bars und Firmensitze. Sein Clubhaus kann als eines der wenigen gebauten „analogen“ Häuser gelten.

Seit der jüngsten Erweiterung um eine zweite 18-Loch-Anlage ist der Golfplatz Sempachersee bei Luzern der flächenmäßig größte der Schweiz. Architekturinteressierte werden bei der Anfahrt auf das neue Clubhaus an eine Ikone des expressionistischen Bauens denken, nämlich an Erich Mendelsohns Hutfabrik in Luckenwalde, überragt doch hier wie dort ein mächti­ges Dach den ansonsten flachen Baukörper. Eingeweihte sehen in dem Haus aber noch ein anderes Vorbild, das der „Analogen Architektur“, jener einflussreichen Lehre, die in den achtziger Jahren von Fabio Reinhard und seinem Oberassistenten Miroslav Sik an der ETH Zürich begründet wurde (Heft 32.2004). Der Blick der „Analogen“ richtete sich auf die Baugeschichte ebenso wie auf anonyme Alltagsarchitekturen und wandte sich damit gegen den an dieser Hochschule damals noch vorherrschenden Modernismus vieler Le-Corbusier-Jünger. Vom Stil der Entwürfe, die auf so großen wie düsteren Ölkreide-Perspektiven detailliert dargestellt wurden, fand kaum etwas den Weg ins wirkliche Leben. Joseph Smolenicky, damals Student und später Assistent bei Reinhard/Sik, ist bisher vor al­lem auf dem Feld der Innenarchitektur aufgefallen. Anfangs mit Jasmin Grego als Partnerin, schuf er elegante Läden, Bars und Firmensitze. Sein Clubhaus kann als eines der wenigen gebauten „analogen“ Häuser gelten.

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Bauwelt 2008|38 Für den Sport

15. Mai 2008Axel Simon
A10

Golf club, Sempachersee

Joseph Smolenicky realizes one of the first Analogue works.

Joseph Smolenicky realizes one of the first Analogue works.

With its most recent expansion, Golf Sempachersee near Lucerne became Switzerland’s largest golf course in terms of area. Driving up to the new clubhouse, architecture enthusiasts are reminded of an icon of Expressionist architecture: Erich Mendelsohn’s hat factory in Luckenwalde. Here too a massive „hat“ of a roof towers above an otherwise low body of a building. Initiates, however, also see another model: that of Analogue Architecture, a very influential theory developed in the 1980s by Fabio Reinhardt and his senior research assistant Miroslav Sik at ETH Zurich. The nostalgic gaze of the Analogues focused on architectural history and the homeland, rejecting the Modernism still predominating at that university. Hardly anything in the style of their designs, depicted in large oil-pastel paintings in great detail and gloomy tones, found its way into real life. This clubhouse by Joseph Smolenicky, first a student then an assistant of Reinhardt, can be regarded as one of the first built Analogue works.

The building enthroned high above Lake Sempach is expressive in appearance but was nevertheless conceived from the inside out. The shape of its ground plan is completely irregular, and the walls – painted a different colour on each side – lead a screen-like life of their own without right angles. They each run out from under the roof-hat’s brim and brace themselves against the slope with their slanted ends. These walls shape the rooms – half are reserved for club members, half are open to the public – around the large core. This contains the „back of house“, in particular the very spacious kitchen serving not only the two restaurants and a large, divisible hall, but also the conference room underneath, a total capacity of 450 guests. The roof-hat’s crown over the kitchen conceals the all the building services.

What a roof! The architect chose it because the client wanted the „atmosphere of a small Grand Hotel“. Although the building with its almost 60-metre length is not small, it is only one storey high, at least on the entrance side. Even so, the heightened silhouette lends, if not grandeur, at least power. The interior does justice to the pretensions of the sport of golf – in a very sporty style. Casual elegance is what you might call it in the world of fashion. Bold colours in good taste define the rooms; a lot of white-painted wood frames the surfaces and structures them, reading as joinery. Smoothness is nowhere to be found. The structures and patterns covering almost every­thing – such as the Oriental floral ornament in the red bar – pick up traditional motifs and bring them up to date with the help of furniture that changes from room to room. Backlighting the walls and ceilings of the restaurants and the lobby freshens and ennobles the familiar materials and forms, and accentuates the indoor surfaces vis à vis the fantastic view of the golf course, lake and mountains. There’s no denying that surfaces activated in this way seem oddly laboured, lose some of their substance, become visual background noise. Many an architect may not like that. Golfers, who have just spent hours on green expanses, maybe do.

A few hundred metres away from the clubhouse, the rectangular red wooden maintenance building, reprises the roof motif somewhat more calmly. Between the two is the low reception building which also houses a shop and the secretary’s office; this the architect merely altered. Linking all three is an asphalt path with very wide, white-painted borders curving dynamically across the green terrain. The path and the house bring many an image to mind – of the sea, wide open spaces, the New England of Edward Hopper – and not only on the splendid wooden veranda of the conference room. If there’s one thing this cheerful work by Joseph Smolenicky is not, it’s gloomy - in that respect it is miles away from its architect’s beginnings. According to Smolenicky, there is a common conception of a golf club and he wanted to sweep it away. He has succeeded. After this building, who can still say what a golf club should look like?

A10, Do., 2008.05.15



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A10 #21

16. April 2008Axel Simon
A10

Hirzenbach School extension

Roger Boltshauser employs „precision adjustments“ in his extension to a 1950s school building.

Roger Boltshauser employs „precision adjustments“ in his extension to a 1950s school building.

Built between 1955 and 1965, the dormitory suburb of Zurich-Hirzenbach features point and slab high-rises and few low public buildings. At the time, the development was hailed by the city of Zurich for its exemplary architecture; today it is a social hot spot. The school in its midst was built by Charles Steinmann in 1959. Its buildings and grounds were badly in need of renovation and a competition was held for a new kindergarten and day care centre as well as a double gym and additional classrooms.

Although most people have trouble feeling any sympathy for the functionalist architecture of this suburban development and school, Roger Boltshauser managed to do so – and won the competition. His two annexes, north and south of the existing school building, pick up the strictly orthogonal alignment of the suburb and submit to its logic with their low forms. It is not through their height that these carefully calibrated public buildings stand out from the residential blocks, but through the very opposite: their horizontal spread.

The annexes took their cue not only from the suburban development but also from the architectural grammar of the existing school building. In the new buildings the concrete structural grid extends into the third dimension: deep concrete frames protruding slightly above ground level provide permanent sun protection and create a spatial transition between indoors and the unstructured outdoor space. Thanks to these storey-high brise-soleils, the building volumes appear almost to float.

A fond homage to the modernist district is also apparent in the large, box-shaped skylights which enlarge the rooms in a similar way to the brise-soleils and mould the incident light. They also shape the buildings’ flat exteriors, lending them a sculptural force and appearing to repeat the surrounding development in miniature on both rooftops. Thus the new architecture’s most striking elements – concrete grid and skylight boxes – echo the existing architecture and in so doing turn the deficiencies of functionalist planning into good architectural quality.

The aforementioned light management, the extension of space outwards and upwards together with the well-judged spatial proportions, give the interiors of these buildings their unexcited matter-of-factness. A wide variety of educational situations becomes possible in the kindergarten building, for instance, through the group rooms that can be added by means of sliding doors or through the fully usable hallways. The kindergarten’s small courtyard flows into a roofed-over play and entrance area which provides access to the kindergarten on the left and the day care centre on the right.
The entrance and the courtyard can be separated from one other by a sliding lattice gate. The use of such an ordinary grille at this most public part of the institution and not – as is customary nowadays – a CNC lasered, organoid, pixelated something-or-other, is typical of the overall architectural approach. The chief materials are exposed concrete and glass blocks, which are used both for the kindergarten building’s longitudinal facades and for internal walls. The other materials and their subdued palette of colours are also geared to a robust, everyday world: warm grey linoleum in the classrooms, reddish-brown asphalt tiles in the halls, dark grey synthetic stone sinks, greenish glass mosaics and an olive shade for the surfaces of cupboards and shelves enlivened by the merest traces of pale turquoise. Rather than anticipating the children’s presumably colourful everyday experience, these sober colours serve as a background for it.

In addition to the brise-soleils and the skylight boxes, there is one other design element that not only underscores the massiveness of the buildings but also has an impact on the atmosphere of the indoor spaces: the curtains by the artist Alex Herter. With their broad horizontal stripes in green/white, red/white or yellow/black they function as sunshades, screens or tent-like rooms within rooms. Depending on the colour combination, they suggest connections or create interesting spatial tensions.

On the three window facades of the gym – one-third of which is below ground level so that it appears to only two storeys high – curtains were dispensed with. In the concrete grid on the front of this building the windows bulge slightly outward, angling at the point where the casements and glazing meet. The glass mosaic-covered side walls of the brise-soleils are also slightly bevelled. The aim of such barely perceivable shifts, which the architect calls „precision adjustments“, is to make the attached concrete grid look as if it is an integral part of the building. And thus we gradually become aware of the source of these low buildings’ forceful appearance – not Hirzenbach after all, but works of architecture a few hundred years older.

A10, Mi., 2008.04.16



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Schulanlage Hirzenbach - Erweiterung



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A10 #20

03. März 2008Axel Simon
TEC21

9=12 IN WIEN

Neun international renommierte Architekturbüros haben in Wien eine Mustersiedlung gebaut. Der Masterplan stammt von Adolf Krischanitz, der selbst zwei Häuser realisiert und die anderen Teams eingeladen hat. Die Häuser tragen unverkennbar die Signatur ihrer Entwerfer – was zwar intendiert war, der formalen Einheit der Siedlung jedoch alles andere als förderlich ist.

Neun international renommierte Architekturbüros haben in Wien eine Mustersiedlung gebaut. Der Masterplan stammt von Adolf Krischanitz, der selbst zwei Häuser realisiert und die anderen Teams eingeladen hat. Die Häuser tragen unverkennbar die Signatur ihrer Entwerfer – was zwar intendiert war, der formalen Einheit der Siedlung jedoch alles andere als förderlich ist.

Eine Mustersiedlung will Mustergültiges aufzeigen, Vorbild sein. Das war schon 1927 auf dem Stuttgarter Weissenhof so, und das hatte auch der Wiener Architekt Adolf Krischanitz im Sinn, als er im Jahr 2000 die Idee einer Siedlung lancierte, die dem verdichteten Wohnen an der Peripherie seiner Stadt neue Impulse geben sollte – wie die dortige Werkbundsiedlung von 1932, die Krischanitz in den 1980er-Jahren renoviert hatte, oder wie seine Siedlung Pilotengasse von 1987–92, bei der auch Herzog & de Meuron und der Münchner Otto Steidle mitgewirkt hatten. Letzteren und sieben weitere Kollegen lud Krischanitz nun wieder ein, in der neuen Siedlung im Westen Wiens ein Haus beizusteuern: Max Dudler und Hans Kollhoff aus Berlin, Meili Peter Architekten und Peter Märkli aus Zürich, Diener Diener aus Basel sowie Hermann Czech und Heinz Tesar aus Wien. Von Krischanitz selbst stammt nicht nur der Masterplan, sondern er hat auch zwei Häuser realisiert. Neun Architekten bauen zwölf Häuser – so kam man auf den sperrigen Namen «9=12 Neues Wohnen in Wien». Aus Sparmassnahmen wurde aus den drei kleinsten ein grosses Haus; die Landschaftsarchitektin Anna Detzlhofer machte aus der reinen Männergesellschaft schliesslich ein «10=10».

Zusammenarbeit mit der Industrie

Obwohl er früh den traditionellen Begriff «Villenkolonie» benutzte, peilte Krischanitz noch ein weiteres Ideal der klassischen Moderne an: die kreative Zusammenarbeit von Architekt und Industrie. Daher formierte er eine Projektgruppe mit Vertretern vor allem aus der Betonindustrie. Die beteiligten Firmen fi nanzierten die aufwändige Entwurfsphase, bei der die internationalen Architektenteams sich an mehreren Wochenenden in Wien trafen und in einer Art freundschaftlichem Wettstreit die Grundzüge der einzelnen Gebäude erarbeiteten – gemeinsam mit den Industrievertretern, was zu einem «gemeinsamen qualitativen Lernprozess zumNutzen der Architektur» führen sollte. Dieses Ideal findet sich in der fertigen Siedlung jedoch nur schwerlich wieder.
Die zehn Häuser stehen dicht aneinander gereiht auf dem leicht nach Süden abfallenden Grundstück in Wiens öder Peripherie inmitten von Kleingartenkolonien. Die Häuser bilden zwei Reihen, halten sich mit ihren unterschiedlichen Volumina jedoch kaum an eine gemeinsame Baulinie, sondern springen leicht vor und zurück. Zwischen den Reihen weiten sich die ansonsten engen gemeinschaftlichen Zwischenräume zu einem durchgehenden, grünen Aussenraum, durch dessen Mitte sich ein Weg schlängelt. Dieser dürfte von den meisten auch als Zugang zu ihrem Haus benutzt werden, denn er startet beim halb eingegrabenen Parkhaus am Fusse der Siedlung.

Variationen in Beton

Auch wenn Krischanitz nur befreundete Architekten eingeladen hat, mit ihm zu bauen, sind die einzelnen Häuser denkbar unterschiedlich ausgefallen – ein gesuchter Reichtum verschiedener Haltungen, durchaus auch geprägt von den jeweiligen Baukulturen der drei vertretenen Länder. Beton taucht als Fassadenmaterial in unterschiedlichster Ausprägung auf: als Fertigteile bei Dudler, als Echo handwerklicherer Schalungstechniken bei Diener, als leicht schräge Fläche bei Tesar oder als Bodenplatten, die sich als Balken abzeichnen, bei Märkli. Nur Meili Peter entwickelten nahezu avantgardistischen Ehrgeiz: Ihre Fassadenwurden vor Ort aus normalem und gelblich eingefärbtem Beton gegossen, wobei die Flächen ineinander greifen. Das technisch komplizierte und teure Verfahren führte allerdings zu einem Ergebnis, das man – vor dem Hintergrund mehrerer gnadenloser Einsparungsrunden, unter denen die Ausführung und die Ausstattung aller Häuser empfindlich litten – hinterfragen kann.

Diagonalen, Verschachtelungen, Komplexität und Konvention

Die innere Organisation der Häuser folgt unterschiedlichen Strategien. Meili Peter und Märkli haben die Wohnungen mit diagonalen Raumfi guren und Fenstern an den Ecken der Baukörper von den engen Zwischenräumen weg und hin zur gemeinsamen grünen Mitte orientiert. Czech, Diener und Steidle versuchten, den Wohnungen durch eine komplexe Verschachtelung teilweise überhoher Räume mehr Luft zu verschaffen. Flexibilität machte lediglich Krischanitz bei einem seiner Häuser zum Thema – in Form von Wohneinheiten, die als offene Halle zwischen drei Erschliessungs- und Installationstürmen liegen und entweder in fünf Räume unterteilt oder offen belassen werden können.
Czech und Kollhoff verweigerten sich dem Beton in der äusseren Erscheinung ihrer Häuser. Während Czech sein plastisch differenziertes Haus aussen dämmen und verputzen liess und mit einer hohen Betonpergola krönte, fiel Kollhoffs Projekt bereits bei der ersten Präsentation völlig aus dem Rahmen. Zwar musste der anfangs vorgesehene Säulenportikus aus Kostengründen gestrichen werden, doch noch immer zeigt sich das klassizistische Volumen mit seinen Lisenen und Gesimsen aus Putz wenig beeindruckt von der parallel entworfenen Nachbarschaft. Ironie des Marktes: Die Kollhoff’schen Wohnungen, die konventionell geschnitten sind, relativ eng über drei Geschosse gehen und so gar nicht zu der hochherrschaftlichen Geste des Baukörpers passen wollen, waren als erste vermietet.

TEC21, Mo., 2008.03.03



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24. August 2007Axel Simon
TEC21

Erfrischendes Baudenkmal

Das Freibad Seebach war in die Jahre gekommen. Die Architekten Hermann Kohler und Enrico Ilario erneuerten die Technik, sanierten die Gebäude und frischten...

Das Freibad Seebach war in die Jahre gekommen. Die Architekten Hermann Kohler und Enrico Ilario erneuerten die Technik, sanierten die Gebäude und frischten...

Das Freibad Seebach war in die Jahre gekommen. Die Architekten Hermann Kohler und Enrico Ilario erneuerten die Technik, sanierten die Gebäude und frischten die gesamte Anlage auf. Die ist nun zeitgemässes Freibad und junges Baudenkmal in einem.

Die Sport- und Freizeitanlage Seebach liegt in einer lang gezogenen Mulde des Katzenbaches und besteht aus pavillonartigen Gebäuden, die eine kunstvoll modellierte Parklandschaft begrenzen. Neben dem Heuried ist sie die grösste in der Stadt Zürich. Das Hochbauamt der Stadt Zürich plante die Anlage unter der Leitung des damaligen Stadtbaumeisters Adolf Wasserfallen zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Willi Neukom. Die Realisierung erfolgte in Etappen: 1963–1966 wurde das Freibad erstellt, 1967 das Volierengebäude in der Nähe des Badeinganges und 1968–1970 das Gemeinschaftszentrum, das die Anlage nach Westen hin abschliesst.
Das Freibad besteht aus drei Schwimm-, einem Planschbecken und vier Gebäuden: einem Dienstgebäude am Eingang mit separater Dienstwohnung, dem benachbarten Garderobengebäude sowie dem ehemaligen Restaurant am anderen Ende des Bades
mit Sportgarderoben und einem Anbau für die Filteranlage. Die Häuser huldigen einer materialbetonten Sachlichkeit. In den Worten ihres Architekten sind sie «dem Zweck der ­Anlage entsprechend architektonisch einfach gehalten und in robusten Materialien ausgeführt» – eine unaufgeregte Architektur, wie man sie heute wieder schätzt. Auskragende Flachdächer mit stark in Erscheinung tretenden Betonrippen prägen ihre ­horizontale Erscheinung. Die darunter liegenden Fassaden sind entweder aus Sichtbackstein oder aus rötlichem Sipoholz. Der nach Norden ansteigende Rasen der An-lage ist weich moduliert und von einzelnen Bäumen und horizontalen Betonbändern durchsetzt.
Die Freiräume sind im Inventar der schützenswerten Anlagen und Gärten der Stadt ­Zürich aufgeführt, die Gebäude bei der Denkmalpflege inventarisiert. Das Bad befand sich gröss­tenteils noch im Originalzustand, musste jedoch nach vierzigjährigem Gebrauch dringend instand gesetzt werden. Die Wasseraufbereitungstechnik war veraltet, Leitungen waren desolat, der Beton sanierungsbedürftig und die Kacheln der Becken defekt. Bei der Instandsetzung der Anlage galt es aber auch, funktionelle Mängel zu ­beheben, sie allgemein aufzufrischen und für heutige Bedürfnisse attraktiver zu machen.
Das mit Planung und Ausführung beauftragte Architekturbüro Kohler Ilario begann in einer ersten Phase (Winter 2004/05) mit einer vollständigen Erneuerung der technischen Anlage sowie der Becken. Hier setzten die Architekten den erneuten Einsatz bläulicher Keramik durch statt einer heute oft verwendeten Edelstahl-Oberfläche. Nach Plänen des Landschaftsarchitekten Andreas Geser wurden ausserdem Spielgeräte, Rampen und Pflanzkübel entfernt, der Baumbewuchs ergänzt, ein zusätzlicher Weg angelegt sowie die einstigen beckennahen Staudenbepflanzungen wiederhergestellt. Beim Kleinkinderbereich findet sich nun ein Wasserspiel und beim Nichtschwimmerbecken ein grosser Rutschbahnturm. Das ungenutzte Lehrbecken überdeckt ein Liegerost – so konnte hier eine Erfindung Adolf Wasserfallens vor dem völligen Verschwinden bewahrt werden: Die «Zürcher Überlaufrinne» entwickelte der Architekt für das Freibad Seebach. Sie sorgte für einen gleichmässigen Wasseraustausch der Becken und wurde zum Vorbild für viele andere Bäder.
Im Winter 2005/06 folgten die Massnahmen an den Gebäuden. Die Betonoberflächen sämtlicher Häuser wurden saniert, die Backsteinwände sowie die wertvolle Holzverschalung gründlich gereinigt und teilweise ergänzt. Die Nutzungen der Gebäude veränderten sich zum Teil stark. Den bereits provisorisch eingerichteten Verpflegungskiosk am Eingang erweiterte man mit moderner Küchentechnik und einer WC-Anlage. Er ersetzt nun definitiv das ehemalige Selbstbedienungsrestaurant im Obergeschoss des Sportumkleidengebäudes im hinteren Teil der Anlage. Das Restaurant wurde dort zu wenig frequentiert, weshalb an dessen Stelle nun weitere Saisonkabinen eingebaut wurden. Die einstige Restaurantterrasse wurde zur Liegefläche – die darüber liegenden Sonnenschutzlamellen aus Beton nehmen nun auch den ehemals geschlossenen Teil des Daches ein. Im Geschoss darunter wurden die Sammelgarderoben zu einem Spiel- und Sportraum hinter einer Faltschiebewand umgebaut – der Bedarf an Umkleiden hat sich im Laufe der Zeit mehr und mehr reduziert.
Das zeigt auch der grösste Eingriff in die historische Anlage im unteren Geschoss des Garderobengebäudes. Die Männer teilen sich nun mit den Frauen die obere Etage. Ihre ehemalige Umkleide im Untergeschoss steht nun als Mehrzweckraum der Öffentlichkeit das ganze Jahr über zur Verfügung, was auch im Winter zur Belebung dieses sozial nicht ganz einfachen Ortes beiträgt. Sein Zugang befindet sich ausserhalb des Bades: ein ehemaliger Serviceweg entlang des Katzenbaches. Die einstige Werkstatt ist nun ein Entree mit WC und durch eine innere Glasfront vom frei teilbaren Raum getrennt. Schwarze Platten an den Wänden und naturbelassener Steinholzbelag kontrastieren mit den gelbgrünen Vorhängen, die für gute Akustik und Intimität sorgen – hier zeigt sich der neue Eingriff in zeitgemässer Frische. In der hallenartigen Garderobe darüber scheint sich dagegen kaum etwas verändert zu haben: Die hölzernen Umkleidekabinen wurden leicht erhöht, einige Schliessfächer vergrössert und der Dusch- und WC-Bereich erneuert.
Eine diskrete Arbeit der Künstlerin Franziska Koch macht die Erneuerung des Freibades Seebach zum Thema: Über der Brüstung der ehemaligen Restaurantterrasse hängt ein Badetuch, vor Schmutz starrend und tropfend, als hätte es dort jemand vergessen. Erst bei genauerer Betrachtung sieht man: Es ist aus Metall gegossen. Sämtliche Möbel in der Anlage wie Tische, Stühle, Liegestühle und Sonnenschirme sind kräftig rot und bilden so einen satten Kontrast zum Grün der Bepflanzung, zum Blau der Wasserbecken und zur zurückhaltenden Tonigkeit der Gebäude.

TEC21, Fr., 2007.08.24



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tec21 2007|31-32 Bäder

04. Mai 2007Axel Simon
Bauwelt

Umbau und Sanierung in Schellenberg: Das Brendlehaus

Hören sie „Ballenberg“, zucken Schweizer Architekten unwillkürlich zusammen. Im gleichnamigen Schweizerischen Freilichtmuseum lassen sich 100 originale historische Häuser betrachten und betreten. Aus dem ganzen Land wurden von Verfall und Abriss bedrohte bauliche Schätze in die Innerschweiz transloziert, um dort als Teil eines Patchwork-Dorfes wiedergeboren zu werden, Kühe und Käse inklusive. „Bei uns ist die Schweiz, wie sie einmal war“, lautet das Motto von Ballenberg. Schellenberg ist anders. Erstens liegt der Ort im angrenzenden Fürstentum Liechtenstein, zweitens hat man hier eine andere Auffassung vom Umgang mit Baudenkmälern. In diesem 1000-Seelen-Dorf findet sich der geglückte Umbau eines alten Bauernhauses mit Scheune zu zwei Wohnungen, die von der Gemeinde für wenig Geld vermietet werden.

Hören sie „Ballenberg“, zucken Schweizer Architekten unwillkürlich zusammen. Im gleichnamigen Schweizerischen Freilichtmuseum lassen sich 100 originale historische Häuser betrachten und betreten. Aus dem ganzen Land wurden von Verfall und Abriss bedrohte bauliche Schätze in die Innerschweiz transloziert, um dort als Teil eines Patchwork-Dorfes wiedergeboren zu werden, Kühe und Käse inklusive. „Bei uns ist die Schweiz, wie sie einmal war“, lautet das Motto von Ballenberg. Schellenberg ist anders. Erstens liegt der Ort im angrenzenden Fürstentum Liechtenstein, zweitens hat man hier eine andere Auffassung vom Umgang mit Baudenkmälern. In diesem 1000-Seelen-Dorf findet sich der geglückte Umbau eines alten Bauernhauses mit Scheune zu zwei Wohnungen, die von der Gemeinde für wenig Geld vermietet werden.

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Brendlehaus



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Bauwelt 2007|18 Arbeiten am Baudenkmal

27. April 2007Axel Simon
Bauwelt

Museum Rietberg in Zürich

Im Jahr 1945 schenkte der aus Wuppertal stammende Bankier Eduard von der Heydt, der auf dem Monte Verità oberhalb von Ascona residierte, seine Sammlung außereuropäischer Kunst der Stadt Zürich. Ein dauerhafter Ort für die Präsentation wurde mit der Villa Wesendonck im Stadtquartier Enge gefunden, welche die Stadt 1944 erworben hatte. Bei der Villa Wesendonck, die der Architekt Leonhard Zeugheer 1853–57 in einer zwischen Spätklassizismus und Neorenaissance oszillierenden Formensprache errichtete, handelt es sich um einen architektur- wie kultur­ge­schichtlich bedeutsamen Bau.

Im Jahr 1945 schenkte der aus Wuppertal stammende Bankier Eduard von der Heydt, der auf dem Monte Verità oberhalb von Ascona residierte, seine Sammlung außereuropäischer Kunst der Stadt Zürich. Ein dauerhafter Ort für die Präsentation wurde mit der Villa Wesendonck im Stadtquartier Enge gefunden, welche die Stadt 1944 erworben hatte. Bei der Villa Wesendonck, die der Architekt Leonhard Zeugheer 1853–57 in einer zwischen Spätklassizismus und Neorenaissance oszillierenden Formensprache errichtete, handelt es sich um einen architektur- wie kultur­ge­schichtlich bedeutsamen Bau.

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Bauwelt 2007|17 Sakrale Architektur?

18. September 2006Axel Simon
TEC21

Aufpolierte Stadtkrone

Mit einem dreiteiligen Projekt gewannen Burkard Meyer Architekten 2003 den Studienauftrag um die Gebäude der Berufsschule Baden. Das 1954 von Armin Meili gebaute Wohlfahrtsgebäude wurde mit einem Turnhallentrakt erweitert und durch ein neues Schulhaus an der Bruggerstrasse ergänzt. Beginnen die beiden Neubauten das ehemalige BBC-Areal und damit den Kontext des Meili-Baus grundlegend umzudeuten, lässt sein Umbau ihn in neuem Glanz erstrahlen.

Mit einem dreiteiligen Projekt gewannen Burkard Meyer Architekten 2003 den Studienauftrag um die Gebäude der Berufsschule Baden. Das 1954 von Armin Meili gebaute Wohlfahrtsgebäude wurde mit einem Turnhallentrakt erweitert und durch ein neues Schulhaus an der Bruggerstrasse ergänzt. Beginnen die beiden Neubauten das ehemalige BBC-Areal und damit den Kontext des Meili-Baus grundlegend umzudeuten, lässt sein Umbau ihn in neuem Glanz erstrahlen.

Das Gemeinschaftsgebäude der Brown, Boveri & Cie. (BBC) thront seit 1954 auf dem Martinsberg oberhalb des Werkgeländes (Bild 3). Einer Stadtkrone gleicht nicht nur seine Lage, sondern auch das «neuartige, aus hohem sozialem Verantwortungsgefühl entstandene Bauprogramm», so der Architekt Armin Meili. Er wurde Anfang der 1950er-Jahre von der BBC beauftragt, Räume für einen «fröhlichen und beschaulichen Feierabend» und für die Pflege von «Gemeinschaft und Weiterbildung» zu schaffen. So entstanden Freizeitwerkstätten, Kegelbahnen und ein Festsaal, dessen «Lichtspielanlage» Vorträgen «belehrender oder unterhaltender Art» diente. Ein weiterer Programmpunkt war die Bewirtung von 3000 Arbeitern zur Mittagszeit.
Der bauliche Ausdruck des Hauses entspricht sowohl seiner patriarchalischen Programmatik als auch der Monumentalität einer Stadtkrone: Zwar thront es quer zum Hang, doch schwächt es die Wucht seiner Erscheinung mittels ornamentaler Gliederung der Fassade. Im Aufbau des Gebäudes lässt sich die direkte Umsetzung des Programms auf dem schwierigen Bauplatz ablesen: Das Hauptgeschoss ist so ausgedehnt, dass die Räume der Bewirtung (Mensa und Aula) auf einer Ebene um die Küche herum gruppiert sind. Eine Pfeilerreihe stemmt diese Ebene mit der darunter liegenden in die Höhe – die unteren Geschosse sind um mehr als die Hälfte schmaler und liegen daher hinter der grossen Auskragung der Obergeschosse. Die monumentalen Elemente der Erschliessung machen die ehemalige Nutzung des Hauses ablesbar: Die Arbeiter überwanden auf einer gedeckten Kaskadentreppe die Höhe der Pfeiler und gelangten nach einer Wendung und einer weiteren Treppe auf die Hauptebene. An ihrem hinteren Ende verliessen sie über eine grosse Wendeltreppe die Speisehalle und befanden sich nun unterhalb der Auskragung wieder im Freien (Bilder 4, 5).

Der Umbau

Im Laufe seiner über fünfzigjährigen Geschichte wurde das Gemeinschaftshaus immer wieder an die sich wandelnden Bedürfnisse seiner Nutzer angepasst. Bereits im Gutachten der Denkmalpflege vor dem Umbau durch das Architekturbüro Burkard Meyer findet sich das übergeordnete Ziel, das auch diesem zugrunde lag: Der Entwurf von Armin Meili solle «weitergedacht» werden. Weniger «die detailtreue Rekonstruktion des Originals» sollte man anstreben «als das Wiedererstellen der ursprünglichen Atmosphäre und des Charakters des Hauses». Schwer genug beim Umfang der nötigen baulichen Eingriffe.
Da wäre zunächst einmal die unmittelbare Umgebung, die durch den Bau des benachbarten Sporthallenkomplexes der gleichen Architekten praktisch vollständig umgedeutet wird (Bild 2). Stand das Gemeinschaftshaus in einem leicht abgetreppten, parkartig gestalteten Hang, so ist das Schulhaus nun Teil einer von hohen Stützmauern geprägten Kunstlandschaft. Diese neue Rolle mag der von Meili angestrebten «erholsamen, heiteren Note» zunächst widersprechen. Andererseits passt sich das Gebäude durch seine strukturelle Erscheinung gut in den veränderten Ort ein. Die unsichtbare Seite des Hauses – die enormen Hangsicherungs- und Fundierungsmassnahmen, denen die «Schweizerische Bauzeitung» im März 1955 allein mehrere Seiten widmete – tritt so zu Tage, und die Stadtkrone erhält mit den Sporthallen ihr Postament – auch wenn es daneben steht.

Fassadensanierung

Äusserlich gleicht das Haus nun wieder mehr seiner ursprünglichen Erscheinung, trotz umfangreicher, energetisch und programmatisch bedingter Eingriffe. Die prägnant strukturierten Süd- und Ostfassaden – von den ersten Curtain-Walls der Schweiz – waren ursprünglich in Holz ausgeführt (Bild 1). Sie wurden bis auf ein Teilstück durch eine Holzmetallkonstruktion ersetzt. Die übrigen doppelverglasten Holzfenster der Hauptfassaden blieben erhalten, wurden sorgfältig saniert, teilweise mit Isoliergläsern ergänzt und wieder eingesetzt. Zudem konnten die einst entfernten blauen Sonnenstoren rekonstruiert und der noch vorhandene Reinigungslift überholt werden.
Die erforderliche neue Dämmung beschränkt sich in der Hauptsache auf die Nordfassade, die vom Schulgelände nur wenig zu sehen ist. Deren Aussendämmung ermöglicht es nun in der Gesamtenergiebilanz, die Sichtbetonfassaden der Süd- und der Ostseite lediglich minimal im Inneren zu dämmen und so zu erhalten.

Innere Eingriffe

Auch die inneren Eingriffe wollen die Architekten nicht als neu erkannt wissen. Stattdessen schälen sie die Substanz des Meili-Baus aus zahlreichen Um- und Einbauten heraus und bemühen sich bei neuen Einbauten, analog zum eingangs genannten Ziel, seine Stimmung zu treffen. So wird zum Beispiel der auffällig gemusterte Boden des Foyers, Gartensaal genannt, erhalten und mit neuen keramischen Platten ergänzt (Bild 7). Ein kleiner Teil der alten Garderobenstangen konnte erhalten werden. Die gesamte hintere Hälfte des Foyers wurde allerdings als Mediathek umgenutzt und durch eine Holz-Glas-Wand abgetrennt. Auch wenn der Bodenbelag und die der alten Decke nachempfundene Akustikdecke die beiden Raumteile zusammenbinden – bei der neuen Trennwand steht nicht die Transparenz im Vordergrund. Stattdessen kokettiert sie, gelblich gestrichen, mit dem Baustil des Hauses.
Auch die enormen Abmessungen der anderen Haupträume – einst das Hauptcharakteristikum des Hauses – mussten für die neue Schulnutzung leider verringert werden. Da die Täfer aus Lärchensperrholz und das Eichenparkett in Aula und Mensa in schlechtem Zustand waren, mussten die originalen Oberflächen ersetzt werden. In der Aula im bergseitigen Quertrakt wurden die in den 1970er-Jahren hinzugekommene Quergalerie entfernt und die Wände neu mit Holz verkleidet (Bild 8). Lediglich die neue Technik verlangte ihren Tribut, am sichtbarsten in Form von Leuchtschienen, die über der originalen schlangenförmigen Lampenstange hängen. Ausserdem wurde der Raum um eine Fensterachse gekürzt, um so zwischen heraufkommender Treppe und Aula einen Stichgang zur Dachterrasse anlegen zu können.
Die eindrucksvolle Länge der Mensa musste leider gekappt werden (Bild 9). Wie im Gartensaal betritt man nunmehr knapp die Hälfte des ehemaligen Raumes, der mit seiner Doppelgeschossigkeit und der zur ornamentierten Fensterwand hin hochklappenden Decke jedoch noch immer grosszügig ist. Die Wände sind nicht mehr mit Holz, sondern mit einer weiss gestrichenen Plattenstruktur verkleidet, und die überdimensionierten weissen Lampenschirme zitieren Meilis verschwundene Originale, die einst den «Eindruck einer grossen Stube» vermitteln sollten.

Veränderte Raumfolge

Die heimelige Mensa und die festliche Aula standen ursprünglich in einem unmittelbaren funktionalen wie räumlichen Zusammenhang: Lediglich eine grosse Faltwand trennte die beiden Säle. Beim mittäglichen Mahl stand sie offen und ermöglichte so einen durchgehend möblierten Raum, der die Küche an drei Seiten umschloss. Hier fügten die Architekten nun einen Vorraum ein, links und rechts von geschlossenen Wänden gebildet. Beim Gang die Treppe hinauf blickt man heute daher nicht mehr in die Weite des Speisesaales, sondern an eine geschlossene Wand und wendet sich oben nach links, um Aula oder Mensa durch neue Türen zu betreten. Dies ist der wohl grösste Eingriff der Architekten, verändert er doch die Hauptwegführung massiv. Trotzdem: Die neue Raumfolge ist selbstverständlich und logisch und gibt auch im Detail nur dem genauen Beobachter einen Hinweis auf ihr Baujahr.
Das gilt auch für die Eingriffe im hinteren Teil des Hauptgeschosses und in allen darunter liegenden, die nun vor allem klassischen Schulzwecken dienen. Die nicht tragenden Wände bilden eine klare Folge von Räumen – klarer als selbst im Urzustand des Hauses. Lediglich die ungewohnte, aber nicht störende Gedrungenheit der Klassenräume zeugt von der Enge des gegebenen Rahmens – nicht zuletzt gewannen Burkard Meyer den Wettbewerb, weil es ihnen gelang, alle geforderten Nutzungen im Altbau unterzubringen und auf störende Anbauten zu verzichten. Insgesamt ist der Umbau des ehemaligen Gemeinschaftshauses ein gelungenes Beispiel dafür, dass sich ein behutsamer Umgang mit einem Baudenkmal und dessen selbstbewusste Neuinterpretation nicht widersprechen müssen.

TEC21, Mo., 2006.09.18



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Berufsschule Baden - Umbau ehem. Wohlfahrtsgebäude



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tec21 2006|38 Baden macht Schule

13. September 2006Axel Simon
A10

Coach terminal, Baden-Rütihof

The more one looks, the more Knapkiewicz & Fickertís structure becomes an intriguing adventure.

The more one looks, the more Knapkiewicz & Fickertís structure becomes an intriguing adventure.

The task was relatively banal: the construction of a departure hall for touring coaches. The Twerenbold firm is one of the biggest coach companies in Switzerland. Its specialty is European tours lasting several days. The existing 1980s terminal needed to be redesigned and expanded. A symmetrical three-storey building with a tall facade now stands in front of the 75-metre-long old hall, like a locomotive in front of a train. The design by architects Kaschka Knapkiewicz and Axel Fickert extends the hall at its far end, literally and figuratively unfolding the terminal out of the existing fabric and raising it. The new roof creates a fresh new emphasis. The direction of the train is reversed and the old locomotive turned into an unobtrusive tender.

The experience of travellers with tour reservations begins with the typically early-morning departure: the tourists drive their cars into the two parking levels underneath the terminal, take the stairway or lift up to the 320 m≤ waiting area and gaze into the impressive space of the new terminal and the old hall beyond while sipping a cup of coffee. The terminal, which is trapezoid in plan and around 33 to 56 metres along the sides, has space for two coaches one behind the other and six side by side. A folded roof spans both coach and passenger areas. Its irregularly shaped, steel-ribbed underside is clad with green PVC sheeting printed with a map of Europe. On the outside the roof is clad with green-and-yellow striped corrugated plastic. The shape of the semi-transparent folded section conforms to the conditions of the space under it: the angular ground plan allows the coaches to pull into the station without manoeuvring as they swing out of their old hall into the new and from there back out into the street. The roof elevates this procedure into a gesture: the highest point of the entry side is diagonally opposite that of the exit side.

The details reveal the architectsí pleasure in disrupting clarity and generating contradictions. For instance, the otherwise concealed steel construction is exposed on the side faces. On each side, an exposed beam up to three metres high joins the main support at its far end at an acute angle that resists bending. At the point where beam and support converge, the inner roof cladding continues on the side end wall. But grey sheeting, not the corrugated sheeting of the roof, covers its outer side. The masonry in this wall supports not only the roof but also part of the floor above the underground car park. The car park entrance thus becomes a cleft in the terrain instead of a hole.

The other end of the roof rests on two sloping concrete supports in the waiting area. With a length of over 60 metres, the longest roof beam extends diagonally across the space and requires the additional support of cables underneath, this being the only part of the structure that protrudes from the green covering. The architects talk about ëpragmatic solutionsí and are prepared to accept the untidy junctions occasioned by the complicated geometry of the structural steelwork: ëThe space is more important than some corner or other.

Pragmatic or not, it is exactly the ëpoorí details of the structure that the architects use to generate atmosphere in their design. For example, they attach the sheeting with visible cords, like sails, to plain steel pipes. Elsewhere they are deliberately more elaborate. Delicate neon tubes trace the undersides of the main beams, and handmade cement tiles from Morocco domesticate the wall of the waiting area, providing a buffer against the almost overwhelming spaciousness of the terminal. The coach terminal brings the whole wide world into provincial Switzerland.

A10, Mi., 2006.09.13



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Busterminal Twerenbold



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A10 #11

08. September 2006Axel Simon
TEC21

Kernschmelze

Jüngling und Hagmann haben den Hauptsitz der Graubündner Kantonalbank in Chur erweitert. Ihre Eingriffe erscheinen zunächst widersprüchlich: An der Strasse verlängert ein Haus im Geist der «Kritischen Rekonstruktion» den geschützten Altbau. Im Innenhof überspannt eine expressive Konstruktion die Kundenhalle und lässt zum rückwärtigen Park Bilder aufscheinen vom Spätmodernismus der 1970er-Jahre und von den Orangerien, die einst hier standen.

Jüngling und Hagmann haben den Hauptsitz der Graubündner Kantonalbank in Chur erweitert. Ihre Eingriffe erscheinen zunächst widersprüchlich: An der Strasse verlängert ein Haus im Geist der «Kritischen Rekonstruktion» den geschützten Altbau. Im Innenhof überspannt eine expressive Konstruktion die Kundenhalle und lässt zum rückwärtigen Park Bilder aufscheinen vom Spätmodernismus der 1970er-Jahre und von den Orangerien, die einst hier standen.

Prominent beherrscht das Stammhaus der Graubündner Kantonalbank (GKB) den Churer Postplatz. 1911 von Otto Schäfer und Martin Risch gebaut, gilt es als ein Paradestück des Bündner Heimatstils. 2000 gewannen die Architekten Dieter Jüngling und Andreas Hagmann den eingeladenen Wettbewerb zur Erweiterung des Hauses, mit der die Bank ihren Kundenauftritt verstärken und ihre Beratungsfunktionen an einem Ort bündeln will. Wegen der heiklen Lage in der Altstadt verlängerte sich die Planungsphase etwas. 2003 wurde mit dem Bau begonnen, vor kurzem konnten die neuen Räume bezogen werden.

Einordnen

Der kürzere Schenkel des winkelförmigen GKB-Gebäudes richtet sich mit Arkade, Läden und Café zur Poststrasse, die vom Platz aus in die Churer Altstadt führt. Ein Neubau ersetzt hier ein historisches, aber bereits in den 1960er-Jahren entkerntes Haus mit annähernd gleichem Volumen. Mit seinen Proportionen, Arkaden, vertikalen Fensterbändern und dem leicht zurückspringenden dritten Obergeschoss führt es die Hauptmerkmale des Stammhauses weiter. Die Fassadenplatten und Stützen aus gelblichem Kunststein sind vollständig mit einem vertieften floralen Ornament überzogen, mit dem auch die Fensterläden aus Metall perforiert sind. Als Motivvorlage diente ein Bandornament eines Säulenkapitells im Altbau. Was im ersten Moment an eine «tätowierte» Fassade à la Herzog&de Meuron denken lässt, wird von einer tektonischen Gliederung in den Hintergrund gerückt. Fenstergewände, Brüstungen und Gesims heben sich stark von den ornamentierten Flächen ab: Sie sind glatt, ockerfarben und springen aus der Fassade vor, ebenso das Faltwerk der geschlossenen Fensterläden.

Auffüllen

Zwischen der GKB und dem benachbarten barocken Palais weitet sich die Poststrasse zu einem kleinen Platz. Hier zeigt sich, dass der Ersatzneubau nur ein Teil der Erweiterung ist. Hinter seiner Ecke schaut ein Gebäude hervor, das eine vollkommen andere Sprache spricht. Erst der Blick vom rückwärtigen Fontanapark, der von Guido Hager interpretierend rekonstruiert wurde, klärt die Zusammenhänge. Kaskadenartig ragt hier ein Neubau hinter dem historischen Parkmäuerchen auf, der den Innenhof des GKB-Baus vollständig auffüllt. Massstab, Form und Material (bronzefarben eloxiertes Aluminium) sowie sein knirschender Anschluss an das Küchenhäuschen des Palais erinnern an spätmodernistische Zeiten und lösen die Frage nach der Urheberschaft aus: Sind das die gleichen Architekten wie bei der «kritischen Rekonstruktion» an der Poststrasse?

Interpretieren

Sie sind es. Und auf den zweiten Blick enthüllt das Hausgebirge seine Qualitäten: Assoziationen an den barocken Park, der sich hier einst hinter dem Palais symmetrisch aufspannte und mit Orangerien zur einstigen Stadtmauer hin abschloss. Jener Bautyp inspirierte die Architekten zu einem neuartigen Sonnenschutz: Matten aus Aluminiumstäben sind als offene Rollen über den Glasflächen installiert oder hängen im geschlossenen Zustand leicht durch. Sie erinnern an Bambusmatten, die Gewächshäuser vor der Sonne schützen. Sind sie geöffnet, zeigt sich oberhalb der denkmalgeschützten Gartenmauer ein Fensterband, dahinter ein raumhoher Fachwerkträger. Rankpflanzen an der Mauer, auf dem Dach sowie an partiellen Drähten vor den Fenstern sollen in Zukunft Alt und Neu, Garten und Gebäude zusammenwachsen lassen.

Verschränken

Die eindrucksvolle weisse Kundenhalle, die sich hinter diesen bronzefarbigen Terrassen befindet, liegt dreieckig zwischen den beiden Flügeln des Altbaus. Mit diesem verbindet sie sich lediglich über die alte Schalterhalle, deren einstige Hoffenster nun Durchgänge sind. Beide Räume sprechen jedoch eine eigenständige Sprache: In der eher dunklen alten Halle stehen nun Besprechungsinseln, umschlossen von gerundeten Holzwänden aus schwärzlich gebeizter Buche. Auf den restlichen Altbau hatten die Architekten keinen Zugriff.

Überspannen

In der lichten neuen Kundenhalle verteilen sich fünf inselartige Schalter, die zu allen Seiten eine Bedienung ermöglichen. Der Hallenraum teilt sich in sehr unterschiedliche Zonen. Der spitz zulaufende Hauptbereich wird von vier Sheddächern überspannt. Dass die Decke kontinuierlich ansteigt, nimmt man durch die Geometrie der Halle kaum war. Eine Galerie begleitet zwei Seiten des Raumes. Sie erschliesst Büroräume, die sich zweigeschossig über den hinteren, sehr niedrigen Teil der Halle spannen. Deren Brückenkonstruktion mit raumhohen Betonfachwerken korrespondiert mit dem ebenfalls aus Dreiecken gebildeten Stahltragwerk der Sheddächer. Der Raumeindruck der Halle und vor allem derjenige der «Brückenbüros» werden vom Fachwerk stark geprägt, zumal es längs gebogen ist. Eine schmale doppelgeschossige Querhalle mit Glasdach schliesst den Schaltersaal hinter den eingehängten Büroetagen ab. Hier befindet sich der Zugang von der Poststrasse.
Anfangs sollte sich hier die Kundenhalle über einen Saal zum schmalen Hof hin öffnen, der sich hinter der alten Gartenmauer befindet. Das ist der Grund der durchgehenden Stützenfreiheit auch dieses Teils, über dem ein weiterer Büroraum «schwebt». Leider befinden sich darunter nun auch Büros, die eine normale Leichtbauwand von der Halle trennt. Dadurch wird der konstruktive Kraftakt der Architektur hier nicht nachvollziehbar. An anderer Stelle generiert er jedoch ausdrucksstarke Räume, die den gewaltigen und auch gewalttätigen Eingriff in den Bestand nicht leugnen.

TEC21, Fr., 2006.09.08



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Erweiterung Graubündner Kantonalbank



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tec21 2006|35 transformiert

28. April 2006Axel Simon
db

Kraftwerk Birsfelden

Für die Maschinenhalle des oberhalb der Basler Innenstadt gelegenen Wasserkraftwerks entwarf Hans Hofmann Anfang der fünfziger Jahre einen beidseits verglasten Riegel mit gegabelten Pfeilern. Aus den Formen der gesamten Anlage sprechen die Munterkeit und die relative Unbefangenheit jener Zeit.

Für die Maschinenhalle des oberhalb der Basler Innenstadt gelegenen Wasserkraftwerks entwarf Hans Hofmann Anfang der fünfziger Jahre einen beidseits verglasten Riegel mit gegabelten Pfeilern. Aus den Formen der gesamten Anlage sprechen die Munterkeit und die relative Unbefangenheit jener Zeit.

In Basel pflegt man ein besonderes Verhältnis zum Rhein, der hier die Schweiz verlässt. Winzige Strömungsfähren kreuzen an mehreren Stellen den Flusslauf und dienen den Baslern als alltägliches Transportmittel; ebenso winzige Angelhütten, Fischergalgen genannt, besetzen beidseitig das Ufer, das über durchgehende Fußwege mit zum Teil abenteuerlichen Passagen begangen werden kann; schließlich dient der Rhein vielen Baslern als stadtdurchmessendes Schwimmbecken - was Touristen aus, sagen wir Düsseldorf, mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Entsetzen quittieren. Sogar die Fußballfans des FC Basel besingen regelmäßig ihren Fluss im so genannten Baslerlied „Z'Basel an mym Rhy“.

Kein Wunder also, dass dem Kraftwerk Birsfelden, als es im Laufe der 1940er Jahre geplant wurde, besondere Aufmerksamkeit zukam. Studien zu einem Wasserkraftwerk bei Birsfelden, einer kleinen Gemeinde rheinaufwärts unmittelbar an der Basler Stadtgrenze gelegen, gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Seitdem verging kein Jahrzehnt, ohne dass ein neues Projekt oder eine Variante desselben diskutiert wurde - schließlich handelt es sich um einen landschaftsräumlich heiklen Ort, der von den Ufern und Brücken der Stadt aus sichtbar ist. In den Jahren von 1942 bis 1947 bat die Basler Sektion der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz ihren Zentralvorstand, den Architekten Hans Hofmann (1897-1957), um Rat. Aus der Beratertätigkeit wurde ein Planauftrag, dessen Ergebnis Technik und anspruchsvolle Architektur mit einem neuen städtischen Naherholungsgebiet verband.

Hofmann, damals Professor an der ETH Zürich, war in Fachkreisen umstritten, außerhalb dieser aber populär wie kein zweiter in seinem Land. Dies hing auch mit seiner Tätigkeit als Chefarchitekt der legendären „Landi“ zusammen, der Landesausstellung 1939 in Zürich, an der die Schweiz Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein demonstrierte. Hofmann verstand es, die Forderungen der Moderne mit dem Bedürfnis nach Repräsentation, monumentalen Raumfolgen aber auch ornamentalen Fassaden zu verbinden. Seine so genannte Höhenstraße - umfangreiches Hauptgebäudeensemble der Landi - wurde zum Publikumserfolg und zum Schlüsselwerk des „Landi-Stils“, der spezifisch schweizerischen Ausprägung einer moderat modernen Architektur, die mit Farbe, Ornament und Leichtigkeit auch Nicht-Architekten-Herzen für sich gewinnen konnte.

Dass dem Architekten die Wahrnehmung des wohlgestimmten Betrachters wichtiger war als irgendeine hehre Theorie, lässt sich gut in seiner Baubeschreibung des Kraftwerks Birsfelden nachlesen, die er 1957, drei Jahre nach Fertigstellung der Hochbauten, in der Zeitschrift „Werk“ veröffentlichte. Sein Vorgehen bezeichnet Hofmann dort als „schöpferische künstlerische Arbeit“, die sich jedoch nicht erklären und noch weniger beweisen ließe, „denn sie ist immer eine Synthese von Verstand, Begabung und Eingebung“. Dass er den Beton der Bauten dunkelgrün streichen und mit weißen Linien und Fensterrahmen einfassen ließ, meinte er später im Text verteidigen zu müssen: „Es gibt eine Theorie, daß man Beton roh belassen soll. Ich bin aber gegen Theorien und die Einengung der künstlerischen Freiheit. Ich liebe den verfleckten und verschmutzten Beton großer Flächen und seine nüchterne, kalte Ausstrahlung nicht.“

Heitere Maschinenwelt

Und tatsächlich ist die Maschinenhalle des Kraftwerks alles andere als nüchtern und kalt. Ebenso expressiv wie leicht ruht das gefaltete Dach auf zwei Reihen Y-förmiger kannelierter Stützen, die sowohl die längs auftretenden Windlasten als auch die enormen Schublasten der Kranbahn aufnehmen, mit der bei Revisionen die vier je 140 Tonnen schweren Turbinen bewegt werden. Er habe sich bei der Turbinenhalle auf die notwendigen Bauelemente „Stützen, Kranbahn und Dach“ beschränkt, so der Architekt - in der Ansicht vom Fluss aus wird die Filigranität der Hallenhülle im Vergleich zur massiven Turbinenwelt darunter deutlich. Nachts schwebt das Gebäude als gleißender Lichtkörper über dem Wasser, dank der sechzig kleinen Punkt-Hängeleuchten und der indirekten Beleuchtung der Decke.

Die Transparenz des Baus ist aber nicht nur von der Fernsicht her gedacht: „Nicht nur sollte die Landschaft gleichsam durch die Halle blicken, sondern auch der Bürger und Stromabnehmer sollte in das Innere der Halle schauen können.“ Hofmann hatte sogar geplant, einen öffentlichen Fußweg durch die Halle zu legen - in der gebauten Version führt dieser nun als öffentliche Brücke für Fußgänger und Fahrradfahrer unmittelbar an der Turbinenhalle entlang über das Stauwehr. Über eine elegante Spindeltreppe aus Stahl ist von dieser Brücke aus ein in der Halle liegender Zuschauerbalkon zu erreichen, von dem aus man einen Blick auf Technik und Raum werfen kann. Dem Architekten ist ein heiterer Bau gelungen, der zum populärsten gehört, was die moderne Schweizer Architektur hervorgebracht hat - für die Gemeinde Birsfelden ist das Kraftwerk ein Wahrzeichen, das auf Plakaten und anderen Drucksachen häufig anzutreffen ist.

Hofmanns Haltung einer atheoretischen und empfindungsreichen Architektur findet sich jedoch nicht nur im Juwel der Maschinenhalle, die übrigens in den 1960er Jahren zusammen mit anderen Bauten des Architekten von italienischen Architektursemiotikern für ihr Forschungsgebiet entdeckt und untersucht wurde - auch aus einer ablehnenden Haltung gegenüber Theorien lässt sich Theorie machen. Hofmanns Entwurf gliedert den gesamten Landschaftsraum im Birsfeldener Rheinknie: Zur Energiegewinnung wird der Fluss hier je nach Wasserstand zwischen vier und neun Meter hoch aufgestaut. An das 120 Meter lange Maschinenhaus schließen über 150 Meter Stauwehr an, von sechs markanten Türmchen gegliedert. In diesen figurativen Pfeilern befinden sich die Windwerke, die die fünf Wehre senken und heben. Auf der anderen Seite des Maschinenhauses liegt die Schleuse, die dafür sorgt, dass die Rheinschiffe den Höhensprung überwinden. Zwischen Schleuse und Kraftwerk modellierte Hofmann eine halbmondförmige Insel (im Volksmund „Inseli“), die die Betreiber der Öffentlichkeit als Park zur Verfügung stellen.

Hofmanns „fröhliches“ Kraftwerk, wie er selber es nannte, wurde erstaunlich wenig verändert. Aus ehemals einer Schleuse wurden zwei und am gegenüber liegenden Ufer sorgt eine Fischtreppe dafür, dass auch die Tiere den Höhenunterschied überwinden können. Die Anlage steht nicht unter Schutz, ist aber seit 2002 im Bauinventar der Kantonalen Denkmalpflege in der obersten Kategorie eingestuft, würde also bei geplanten Veränderungen sicher zum Baudenkmal. Doch auch ohne diesen Schutz ging man bei einer umfassenden Modernisierung des Kraftwerks 1999/2000 behutsam vor.

Der Basler Architekt Peter Fierz hatte bereits Hofmanns Basler Mustermesse umgebaut - einen Bau, der gleichzeitig mit dem Kraftwerk entstand. In Birsfelden integrierte Fierz in einen fensterlosen Teil des ehemaligen Dienstgebäudes Räume für Verwaltung und Leitung und gab ihm einen repräsentativen Eingang. Die Turbinenhalle restaurierte er fachgerecht: Die verblassten Farbanstriche (gedecktes Grün außen, gelbe, rote und blaue Teile innen) wurden analysiert und erneuert und die vier Maschinenleitstände neu gestaltet - parallel zu einer umfassenden technischen Modernisierung, die den Arbeitsablauf automatisierte und den Energiegewinn um fünf Prozent steigerte. Was aus dem Kraftwerk Birsfelden auch heute noch ein exemplarisches Bauwerk macht, ist nicht nur seine hochstehende architektonische Gestaltung. Es ist das Ineinandergreifen von Arbeitswelt und öffentlichem Raum, der das Ensemble erlebbar und durchquerbar macht - auch außerhalb der viel besuchten öffentlichen Führungen.

db, Fr., 2006.04.28



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db 2006|05 Städtische Dienste

07. August 2005Axel Simon
hochparterre

Das Haus der Schmetterlinge

Der erste Neubau auf dem Novartis Campus in Basel ist vollendet. Roger Diener, Helmut Federle und Gerold Wiederin haben als Team für den Pharmariesen ein exquisites Bürohaus entworfen. Und der Fachwelt eine Überraschung beschert.

Der erste Neubau auf dem Novartis Campus in Basel ist vollendet. Roger Diener, Helmut Federle und Gerold Wiederin haben als Team für den Pharmariesen ein exquisites Bürohaus entworfen. Und der Fachwelt eine Überraschung beschert.



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Forum 3

24. Juli 2005Axel Simon
zuschnitt

Ruhe in der Kiste

Ein Ort wie viele in der Schweiz: Die banal-alltägliche Mischung kleiner und großer Wohnhäuser, mittleren Gewerbes, übrig gebliebener Bauernhöfe und Wiesen...

Ein Ort wie viele in der Schweiz: Die banal-alltägliche Mischung kleiner und großer Wohnhäuser, mittleren Gewerbes, übrig gebliebener Bauernhöfe und Wiesen...

Ein Ort wie viele in der Schweiz: Die banal-alltägliche Mischung kleiner und großer Wohnhäuser, mittleren Gewerbes, übrig gebliebener Bauernhöfe und Wiesen strahlt eine gewisse Ruhe aus, die der Blick auf See und Alpen bekräftigt. Diese Ruhe bleibt jedoch eine visuelle: Baukräne künden vom Wunsch vieler, sich im Steuerparadies Zug niederzulassen. Zwischen der Sackgasse namens Lorzenstrasse und dem Ufer des Zugersees wälzt sich unaufhörlich der Agglomerationsverkehr und parallel dazu gleitet die Bahn auch nicht gerade geräuschlos auf ihrer leicht erhöhten Trasse. Baut man an einem solchen Ort, ist der Schallschutz zwangsläufig ein Thema – auch wenn er in diesem Fall eher ein hausgemachtes ist, wie immer im Mehrfamilienwohnhausbau aus Holz.

Das Haus, um das es hier gehen soll, entstand im Rahmen eines ungewöhnlichen Wettbewerbs. Die Allgemeine Wohnbaugenossenschaft Zug (awz) bat fünf Architekturbüros um einen Vorschlag für das Grundstück in der Lorzenebene am westlichen Stadtrand von Zug. Das Ziel, das die Genossenschaft sich und den Planern steckte, war hoch: flexible Wohnnutzung, nachhaltige Bauweise, ökologische Materialien, sparsamer Energieverbrauch und hoher Wohnwert. Über den üblichen Rahmen eines Wettbewerbs hinaus wurden von den Architekten Nachweise verlangt. So zum Beispiel über die graue Energie der Konstruktion, die Wartungskosten, die Möblierbarkeit und Flexibilität der Grundrisse, den Tageslichteinfall und die Sicht ins Freie.

Das Siegerprojekt, das die Architekten Hegi Koch Kolb aus Zug zusammen mit dem Holzbauingenieur Pirmin Jung erarbeitet hatten, war der einzige Holzbau im Wettbewerb. Er überzeugte den Bauherrn vor allem in Bezug auf seine Nachhaltigkeit. Der viergeschossige, holzverkleidete Baukörper, in den Worten seiner Autoren ein „ruhiger, ausdrucksstarker, geschlossener Holzquader“, zeichnet die nördliche Grenze des Baufeldes nach und liegt damit am Rand einer weiten, über längere Zeit noch unbebaut bleibenden Wiese. Im Süden ist ihm eine Balkonschicht aus Betonplatten und Stahlstützen vorgelagert, die auch die beiden offenen Treppenhäuser sowie die verglasten Eingangsbereiche der einzelnen Wohnungen aufnimmt – eine Schallschutzmaßnahme zur nahen Straße und Bahntrasse. Ein begrünter Spielhof bildet das Zentrum des Grundstücks, im Süden begrenzt von einem eingeschossigen Nebengebäude. Das nimmt zum Hof hin die vielen Fahrräder und einen gemeinschaftlichen Grillplatz auf, an seiner Rückseite dient es als Carport.

Im westlichen Kopf des Wohngebäudes liegt im Erdgeschoss ein großzügiger Gemeinschaftsraum – Usus bei genossenschaftlichen Häusern in der Schweiz. Ein Spielplatz, Kreidezeichnungen auf dem Asphalt und herumliegende Spielgeräte lassen bereits den Kinderreichtum dieses Hauses ahnen und damit die Wichtigkeit eines internen Schallschutzes. Die Gliederung der 15 Wohnungen ist einfach: Wohn- und Essbereich mit offenem, architektonisch stark forciertem Küchenblock in der Mitte orientieren sich nach Süden und damit zum Eingangshof und zur Aussicht auf See und Alpen. An der Nordseite liegt eine Schicht kleiner Räume, die sich an der Fassade als Reihe identischer Fenster abzeichnet. Durch Versetzen der Trennwand im Gang davor können die äußeren Räume auch der jeweiligen Nachbarwohnung zugeschaltet werden. So entsteht die mögliche Bandbreite von Wohnungen mit 2, 3, 4 und 5 Zimmern.

Sogar eine noch größere räumliche Flexibilität wäre denkbar, da sämtliche Zimmertrennwände nicht tragen. Zwei Betonkerne im Anschluss an die Treppenhäuser übernehmen zusammen mit je einer Stütze pro Wohnung diese Funktion sowie die Aussteifung des Baukörpers. Sie beherbergen die beiden Lifte, die Bäder sowie die vertikalen Installationsschächte. Durch den Einsatz vorfabrizierter Holzelemente konnte das Haus effizient erstellt und der Primärenergieverbrauch gering gehalten werden. Die Außenwände bestehen aus großformatigen, bis zu 12 m langen Holzrahmenelementen, die Holzständer sind 220mm stark. Ihre Breite variiert aufgrund der abnehmenden Belastung vom Erd- zum Dachgeschoss zwischen 120 und 60mm. Beidseitig mit Gipsfaserplatten beplankt und mit Mineralfaserwolle gedämmt, wurden sie am Bau luftdicht abgeklebt und abschließend innen mit Gipskartonplatten und außen mit sägerauen, horizontalen Brettern aus Schweizer Douglasie verschalt.

Um den Schallschutzanforderungen der Norm sia 181 (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Schallschutz im Hochbau) gerecht zu werden, reichte bei den nicht tragenden Wohnungstrennwänden eine Metallständerkonstruktion mit doppelter Gipskartonschale. Bei den Decken bediente man sich eines noch relativ neuen Systems: einer Holz-Beton-Verbunddecke. Der Verbund besteht aus Brettstapelelementen, deren stehende Lamellen abwechselnd 100 und 120mm hoch sind, und einer ebenso starken, vor Ort eingebrachten Betonschicht. Diese 220mm dicke Rohbaudecke wurde unten mit zwei Gipskartonplatten verkleidet. Auf dem Beton liegt Trittschalldämmung, Trennfolie und Unterlagsboden, darauf im Wohnbereich Eichenparkett und in den Zimmern grüner Linoleum. Die sehr guten Schallschutzwerte, die während der Planung berechnet wurden, bestätigen die Bewohner nach dreijährigem Gebrauch: lediglich starker „Hackengang“ des oberen Nachbarn wird als störend empfunden.

Da das Haus die Schweizerischen Minergie-Anforderungen erfüllen musste, besitzen die Wohnungen eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung und Erdregister. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach produziert Strom. Zusätzlich sorgen 100m² Sonnenkollektoren für warme Räume und warmes Wasser, den fehlenden Rest liefert eine Holzpellets-Feuerung im Keller.
Brandschutz: Seit dem 1. Januar 2005 dürfen in der Schweiz Wohnhäuser aus Holz sechs statt vorher zwei Geschosse hoch gebaut werden. Bei dem Haus in Zug haben die Architekten und Ingenieure bereits in der Wettbewerbsphase mit der kantonalen Gebäudeversicherung zusammengearbeitet und ein projektbezogenes Brandschutzkonzept aufgestellt:
Alle Außen- und Wohnungstrennwände und auch die Decken besitzen einen Feuerwiderstand von
60 Minuten. Pro Geschoss finden sich zwei Brandschutzabschottungen in der Hinterlüftungsebene der Holzfassade. Die Flächen aus Chromstahlblech, die zwischen den Fenstern an der Nordseite sind, haben übrigens keine Brandschutzaufgabe – sie sind reine Gestaltung.

zuschnitt, So., 2005.07.24



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Zuschnitt 18 Schallschwellen

30. Juni 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

„Schwierig ist es, wenn man hinterherhinkt“

Gespräch mit Philipp Maurer, Geschäftsführer des Schweizer Heimatschutzes

Gespräch mit Philipp Maurer, Geschäftsführer des Schweizer Heimatschutzes

30. Juni 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Mit Schoggitaler und Wakker-Preis für besseres Bauen und schöneres Wohnen

100 Jahre nach ihrer Gründung will die Schweizerische Vereinigung für Heimatschutz nicht nur Baudenkmäler schützen, sondern auch zukunftsträchtige Stadtentwicklung fördern.

100 Jahre nach ihrer Gründung will die Schweizerische Vereinigung für Heimatschutz nicht nur Baudenkmäler schützen, sondern auch zukunftsträchtige Stadtentwicklung fördern.

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12. Mai 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Hier leuchten die Farben des Fussballs

München kann sich auf ein Fussballstadion freuen, wie es noch keines gibt. Die neue Arena von Herzog & de Meuron hat eine weiche Schale und einen harten Kern.

München kann sich auf ein Fussballstadion freuen, wie es noch keines gibt. Die neue Arena von Herzog & de Meuron hat eine weiche Schale und einen harten Kern.

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Allianz-Arena

20. April 2005Axel Simon
Steeldoc

Die Passage – Bewegung unter dem Glashimmel

Transiträume: Flughäfen verbinden Länder und Kontinente, Bahnhöfe lassen fremde Städte zusammenwachsen, Passagen führen von einer Strasse zur anderen. Doch anders als die beiden erstgenannten Gebäude dient die Passage nicht dem zeitweiligen Stillstand von Verkehrsmitteln – in ihr findet die Bewegung selbst statt. Ein kurzer Abriss der bewegten Geschichte eines Bautyps.

Transiträume: Flughäfen verbinden Länder und Kontinente, Bahnhöfe lassen fremde Städte zusammenwachsen, Passagen führen von einer Strasse zur anderen. Doch anders als die beiden erstgenannten Gebäude dient die Passage nicht dem zeitweiligen Stillstand von Verkehrsmitteln – in ihr findet die Bewegung selbst statt. Ein kurzer Abriss der bewegten Geschichte eines Bautyps.

Glas überdeckt und durch die Mitte eines Baublocks führend ist die Passage der transitorische Raum schlechthin. Schon ihr Name löst vielfältige Bedeutungszusammenhänge aus, auch ausserhalb der Architektur: Durchfahrt, Schiffsüberfahrt, Durchreise, eine melodische Figur in der Musik, die Stelle eines literarischen Textes, in der Astronomie der Durchgang eines Gestirns durch den Meridian – immer aber hat die Passage etwas mit Bewegung zu tun. Abgeleitet ist das Wort vom lateinischen Passus, der Schritt.

Es ist also kein Wunder, dass Literaten und Philosophen von der Passage angeregt wurden, wie von keinem anderen Bautyp. Sie ist das Bauwerk des 19. Jahrhunderts par excellence, vielleicht auch weil sie, in ihrer ursprünglichen Form, gemeinsam mit ihrem Jahrhundert untergegangen ist. Walter Benjamin, der ausgehend von den Passagen ein Portrait des 19. Jahrhunderts schreiben wollte und es nach seinem Freitod 1940 als Fragment hinterliess, schrieb über sie: «An ihnen lässt sich schliesslich ablesen, wie die Epoche geworden ist und was aus ihr noch werden wird.»

Ihre Anfänge haben etwas mit einer Bewegung anderer Art zu tun: Der Sturm auf die Bastille wurde in den Gängen des Palais Royal ausgerufen – unmittelbar neben der ersten der Pariser Passagen, der Galeries des Bois. Das ist kein Zufall: Das Palais-Royal war der erste öffentliche Stadtraum, der vom rasenden Verkehr der Kutschen und Reiter, dem Dreck und Unrat der damaligen engen Strassen ungestört blieb – Promenade und Luxusmarkt, Ort der Agitation und des Amusements zugleich. Die Französische Revolution setzte die Gesellschaftsschicht frei, welche die bald rund ums Palais-Royal entstehenden Passagen bevölkerte: das Bürgertum. 1799 brachte der ägyptische Feldzug Napoleons den Pariser Bürgern nicht nur die ägyptische Mode, sondern auch eine Adaption des orientalischen Bazars – in der Passage reihen sich Einzelladen an Einzelladen, der Passant ist draussen und dennoch drinnen, betrachtet vom Wetter ungestört die Auslagen und spürt trotzdem die schützende Anonymität der Strasse unter seinen Füssen.

Um diese Illusion zu schaffen bedurfte es baulicher Mittel, die sich bei nahezu allen Passagen finden: Die Verbindung zweier belebter Strassen, weitgehend schwellenlose Eingänge, damit Strassenraum und Passagenraum zusammenfliessen können, und die architektonische Formulierung einer Aussenraum- Atmosphäre innerhalb der Passage mittels Hausfassaden und eines möglichst hautartigen, transparenten Daches. Wie auch bei den Bahnhöfen und grossen Hallen des 19. Jahrhunderts, findet sich auch hier die merkwürdige Mischung aus architektonischer Eklektik und ingeniöser Sachlichkeit – bekanntlich zählte man die filigranen Bauteile aus Eisen und Glas nicht zum baukünstlerischen Repertoire, sondern zur nackten Bedürfnisbefriedigung. Das «kalte Eisen machte die Gemüter frösteln», wie es Manfred Sack einmal umschrieb. In diesen glasgedeckten Räumen des Handels und der gesellschaftlichen Aktion vermischten sich Illusion und Wirklichkeit. Ihre Eigentümlichkeit sei es, schrieb Siegfried Kracauer, «Durchgänge zu sein, Gänge durchs bürgerliche Leben, das vor ihren Mündungen und über ihnen wohnte» – Transiträume eben.

Doch so poetisch diese Passagen manchen Zeitgenossen und uns heute erscheinen – sie verdanken sich einzig und allein dem beginnenden Kapitalismus, waren die «premier fruit de la spéculation mercantile», wie ein Pariser Fremdenführer schon 1815 schrieb. Mit ihnen war es möglich, die Grundstückspekulation auf die bis dahin noch unerschlossenen Hinterhöfe auszuweiten. Nach 1830 begann die Blüte der Pariser Passagen. Sie schossen förmlich aus dem Boden, brachten Rendite, wo es vorher keine gab, erschlossen alte Quartiere, ohne dass man die verfallenden Gebäude sehen musste und deckten den Finanzbedarf eines restaurativen Staates, der immer weitere Gebiete seiner Hauptstadt privatisierte. Dieser Bodenmarkt sowie die aufkommende Börse waren die Voraussetzungen dieser ersten Zentren des Einzelhandels und der Luxuswaren.

Der deutsche Emigrant Ludwig Börne fand 1830 für die neue Galerie d’Orléans enthusiastische Worte: «Sie ist breit und von einem Glashimmel bedeckt. Die Glasgassen die wir in früheren Jahren gesehen, so sehr sie uns damals gefielen, sind düstere Keller oder schlechte Dachkammern dagegen. Es ist ein grosser Zaubersaal, ganz dieses Volkes von Zauberern würdig.» Passagen waren nun en vogue. Dank neuer Fertigungsmethoden wuchsen die Spannweiten der Glasdächer mit ihren filigranen Eisenkonstruktionen, die Dachformen wurden vielgestaltiger, die Passagen breiter, höher und prächtiger. Sie waren mit Gas beleuchtet, zu einer Zeit, in der die Strassen noch im Dunkel lagen. Mit Marmorböden, Spiegeln, goldenen Dekorationen und den ersten Reklametafeln ausgestattet, avancierten sie zum Träger des öffentlichen Lebens, zur Bühne einer neuen Gesellschaft, die sich aus Ständen zusammenmischte, die vorher streng getrennt waren.

Doch wo viel Licht, da viel Schatten: Eine Passage konnte dem Dichter Heinrich Heine als Wohnort und Teil seines Lieblingsspaziergangs dienen, in den Romanen eines Emile Zola oder Honoré de Balzac konnte sie aber auch zum düsteren Schauplatz sozialkritischer Tragödien werden. Als in Paris früh der Niedergang der Passage begann, wurde für die Literaten aus dem «Glashimmel» ein «Maulwurfsgang», aus dem «Kristallpalast» ein «Glassarg». Die ersten Passagen verschwanden schnell, weil sie dem Anspruch der Flaneure nicht mehr genügten. Oder sie befanden sich schlicht am falschen Ort. In Paris hiess er «rive gauche» – fern der Zentren des Luxus und der Moden fristeten die Passagen ein Schattendasein – und tun es meist noch heute.

Mitte des Jahrhunderts legte der Baron Haussmann die prachtvollen Boulevards an, gab der Stadt Trottoirs und Kanalisation. Gleichzeitig kam ein Bautyp auf, der die Passage zu verdrängen begann: 1852 wurde das «Bon Marché» als erstes Warenhaus eröffnet. War die Passage emanzipatorischer Ausdruck der Bürger nach der Revolution, so war das Warenhaus Ausdruck der Industrialisierung, der Massenproduktion und des Massenkonsums. Die Art und Weise des Verkaufs war ein vollkommen anderer, ebenso die Räume in denen er stattfand: Riesige Glaskuppeln ersetzten die gerichteten Sattel- und Tonnendächer der Passagen, geräumige Etagen blickten über Galerien in diese Zentralräume. Für Benjamin waren die Warenhäuser «der letzte Strich des Flaneurs. War ihm anfangs die Strasse zum Interieur geworden, so wurde ihm dieses Interieur nun zur Strasse, und er irrte durchs Labyrinth der Ware wie vordem durch das städtische.» Die Bewegung, konstituierendes Element der Passage, wurde zu ihrem Totengräber: Die Mobilität der Eisenbahn machte Ware und Käufer mobil, sorgte für schnelle Zirkulation und weltweiten Absatz. Aus dem Flaneur wurde der Konsument.

Doch als in Paris ihr Niedergang eingeläutet wurde, feierte die Passage in anderen Ländern freudigen Einstand – als nationales Symbol. So zeugte 1873 die Pracht der Berliner Kaisergalerie vom Selbstbewusstsein der neuen Deutschen Metropole des Handels und der Politik. Sechs Jahre zuvor eröffnete die Galleria Vittorio Emanuele II, mit einem Raumkreuz, dessen Ausmasse die der bekannten Passagenräume um ein Vielfaches übertraf. Zusammen mit der prachtvollen Ausgestaltung symbolisierte ihre schiere Grösse den Anspruch eines wiedervereinigten Italien – mit Seitenhieb in Richtung des römischen Kirchenstaates: Die zentrale Glaskuppel in Mailand hat exakt die Masse der Petersdomkuppel. Solch ein Raum ist nicht mehr auf den Zufallsverkehr abkürzender Passanten angewiesen – er ist selber Ereignis genug, um Menschen anzuziehen. Auch die Motivation, die zu diesem Höhepunkt der Passagenentwicklung geführt hat, war weniger eine Bewegung innerhalb der Gesellschaft, als ein statisches Moment: das Konstituieren einer Nation.

Die Moderne des 20. Jahrhunderts brachte den Passagen wenig Liebe entgegen. Erst in den 80er-Jahren entdeckte man sie wieder, ja es kam zu einer regelrechten Renaissance der Passage: Viele alte wurden sorgfältig aufpoliert, noch mehr neue entstanden aus dem mehr oder weniger glücklichen Versuch, das Prinzip Passage mit heutigen Mitteln und Ausnutzungsziffern umzusetzen – der Glashimmel musste dabei meist dran glauben. Kein Zufall ist es allerdings, dass sich viele neue so genannte Passagen an Orten des Verkehrs befinden – in Bahnhöfen oder Flughäfen. Sie machen sich die vorhandene Bewegung zunutze – das Shop- Ville im Zürcher Hauptbahnhof verzeichnet die höchsten Umsätze pro Quadratmeter in der Schweiz. Dieser kürzlich erst umgebaute Shopping-Untergrund wurde bereits 1970 angelegt: Als Zwangsweg der Passanten, die von der Bahnhofstrasse in den Bahnhof wollten. Nicht so verkehrsgünstig gelegene Passagen haben heute oft Probleme ihre Pächter zu halten – zu wenig potentielle Käufer verirren sich in ihre mehr oder weniger noblen Hallen.

Die Mall, später Nachfahre der Passage, hat vor den Toren der Stadt ihre eigene Lösung dieses Bewegungsmangels gefunden: Sie lockt die Passanten, mittlerweile zu Autofahrern geworden, in die Agglomerationen, wo es billigen Raum für ihr räumlich-mediales Spektakel gibt. Hier erlebt der einstige Illusionsraum eine Wiedergeburt als Raum des Events und der Animation. Die Glasdächer der Malls scheinen heute keine konstruktiven Beschränkungen mehr zu kennen, nur noch feuerpolizeiliche. Der Raum, den sie überspannen, soll den Besucher zu Kauf und Verzehr anregen. «Musik» berieselt ihn und zwei gegenüberliegende «Magnete» – meist ein grosses Kaufhaus und ein Fastfood-Tempel – ziehen ihn, scheinbar willenlos, durch die mehrstöckigen Wandelgänge. Nicht zufällig wählte der Regisseur George A. Romero 1977 eine frühe Shopping-Mall zum Schauplatz seines ersten Zombie-Films. Hier bewahrheitet sich spät das, was R. M. Schaper über die Passagen nach 1900 schrieb: An ihnen könne man «das physiognomische Altern der Moderne studieren: Wo die Architektur mit Eisen und Glas erprobt und erste Versuche in Richtung auf eine demokratische Öffentlichkeit unternommen wurden, sieht man jetzt lediglich abwärts führende Wege: In eine Vergangenheit, die der Fortschritt überwunden zu haben glaubt.»

Doch viele innerstädtische Beispiele lassen hoffen: Sie unterstützen das städtische Leben, indem sie die Wege der pendelnden Öffentlichkeit begleiten und verdichten. Sie bieten – meist relativ unspektakulär – beiläufige Räume des Alltags an, in denen die Menschen und ihre Bewegung das Ereignis sind. Wie unter den Glashimmeln vor 200 Jahren.

Steeldoc, Mi., 2005.04.20



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23. März 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Doyen der Architektur

Der Japanische Architekt Kenzo Tange prägte die Architektur seines Landes. Er starb im Alter von 91 Jahren.

Der Japanische Architekt Kenzo Tange prägte die Architektur seines Landes. Er starb im Alter von 91 Jahren.

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23. März 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Der glimmende Kunstglaswürfel

Stuttgart hat sich ein neues Kunstmuseum geschenkt und ein städtebauliches Problem glänzend gelöst.

Stuttgart hat sich ein neues Kunstmuseum geschenkt und ein städtebauliches Problem glänzend gelöst.

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Kunstmuseum Stuttgart

22. März 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Ziemlich opulente Moderne

Ein Mehrfamilienhaus in Winterthur verbindet moderne Formen mit scheinbar altmodischen Dingen wie Komfort und Repräsentation.

Ein Mehrfamilienhaus in Winterthur verbindet moderne Formen mit scheinbar altmodischen Dingen wie Komfort und Repräsentation.

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Mehrfamilienhaus in Winterthur

12. März 2005Axel Simon
Der Standard

Lofts im sozialen Wohnbau

Die französischen Architekten Anne Lacaton & Jean-Philippe Vassal haben in Mulhouse mit vorgefertigten Gewächshäusern den Geist einer Arbeitersiedlung aktualisiert.

Die französischen Architekten Anne Lacaton & Jean-Philippe Vassal haben in Mulhouse mit vorgefertigten Gewächshäusern den Geist einer Arbeitersiedlung aktualisiert.

Vor 150 Jahren gründete sich im Zuge des industriellen Aufschwungs in Mulhouse die Somco. Die Gesellschaft hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die untragbaren Wohnbedingungen der Arbeiter zu verbessern und errichtete 1853 die Cité Manifeste, die erste Arbeitersiedlung Frankreichs. Heute gibt es fast keine Industrie mehr in Mulhouse, und die über 1200 Arbeiterwohnungen genügen heutigen Ansprüchen nicht mehr, viele stehen leer. Die Häuser der historischen Siedlung bieten einen abenteuerlichen Anblick: Jede Wohnung ist im Laufe der Zeit anders erweitert, aufgestockt und überformt worden.

Unmittelbar daneben macht nun die Somco anlässlich ihres Jubiläums einen mutigen Schritt, um der geänderten Bewohnerstruktur gerecht zu werden: Sie besinnt sich auf den innovativen Geist ihrer Anfänge, stellt die strengen Regeln des sozialen Wohnungsbaus infrage und lässt anspruchsvolle Architekten qualitativ hochwertige Reihenhäuser mit Garten errichten - für das gleiche Budget wie herkömmliche Sozialwohnungen.

Die Gesellschaft beauftragte Jean Nouvel mit der Entwicklung eines Masterplans für ein ehemaliges Fabriksareal. Nouvel lud vier junge Architektenteams ein, mit ihm zusammen rund 60 Wohnungen zu entwerfen. Jedem Team stand ein annähernd gleich großes Grundstück zur Verfügung, alle Architekten wählten einen mehr oder weniger traditionellen Reihenhaustyp mit Wohnungen zwischen zwei und fünf Zimmern und direktem Zugang von außen. Nun, kurz vor Fertigstellung, enttäuschen die meisten Häuser mit einem allzu bildhaften Bezug auf ihre historischen Vorgänger und ihren kunterbunten Zustand: Dächer, die sich einmal nach oben, einmal nach unten neigen, oder ein Obergeschoß in Form einer Reihe bunter „Hütten“. Nouvels Wohnhaus erinnert an die industriellen Hallen, die vorher auf dem Grundstück standen.

Der fraglos interessanteste Teil des neuen Quartiers ist derjenige der Pariser Anne Lacaton & Jean Philippe Vassal, in Wien bekannt durch ihr Café Una im Museumsquartier. Ihr Credo „Viel Wohnraum für wenig Geld“, das sie bisher nur bei Einfamilien- und Ferienhäusern erproben konnten, haben sie hier zum ersten Mal im sozialen Wohnungsbau umgesetzt. Bereits seit über zehn Jahren experimentieren die beiden Franzosen mit billig erstellten Leichtbauhäusern, die zur Hälfte aus unbeheizten Wintergärten bestehen. Bisheriger Höhepunkt ist ihr Haus in Coutras: Sie stellten zwei identische Industriegewächshäuser Seite an Seite auf eine Wiese, bauten in die eine Hälfte einige beheizte Räume, die andere ließen sie als Wintergarten, wie sie war - 300 m² Wohnfläche für unter 65.000 Euro.

Dieses Haus wurde zum Modell für ihren Siedlungsteil in Mulhouse. Dort bilden drei Reihen Gewächshäuser das lichte Obergeschoß der Anlage, das auf einem aus Betonfertigteilen erstellten drei Meter hohen Erdgeschoß ruht. Im Innern trennen Leichtbauwände die 14 Wohnungen voneinander, und die beheizten Räume im Gewächshaus erhalten eine Decke. Sämtliche Wohnungen reichen über die gesamte Bautiefe von zwanzig Metern und verfügen über zwei unterschiedlich große Wohnebenen: eine kleine Fläche im Obergeschoß und eine große im Erdgeschoß oder umgekehrt. Lacaton & Vassal sind hier ihrer Prämisse einmal mehr gerecht geworden: weiträumiger, offener, heller und vor allem kostengünstiger zu bauen als üblich. Ihre kleinste Zweizimmerwohnung ist stolze 102 Quadratmeter groß, die größte mit vier Zimmern 187 Quadratmeter - statt der 80 Quadratmeter einer herkömmlichen Sozialwohnung dieses Typs. Der Wintergarten hat mit 47 Quadratmetern die gleiche Größe wie eine ganze Wohnung der historischen Cité Manifeste.

Von Zwei-, Drei- oder Fünfzimmerwohnungen zu reden erweist sich bei den offenen Grundrissen jedoch als schwierig, und auch bei der Anwendung der sonstigen Normen stießen die französischen Behörden hier an Grenzen. Die einzigen Räume mit Türen sind die kleinen Badezimmer und WCs sowie die Garagen, die allerdings vom Wohnraum nur mit einer gewellten Plastikwand getrennt sind und den Wohnungen als Eingangsraum dienen. Nicht nur dadurch wird die Wohnung zum Loft. Auch ihre „armen“ Materialien und die - sagen wir es wohlwollend - legere Bauausführung verbreiten den Charme einer Werkstatt: Die Bauteile aus Beton sind unverkleidet, die kräftigen Stützen stehen im Wohnraum, ebenso die rohen Stahlwendeltreppen. In mancher Wohnung befinden sich Badewanne oder Dusche offen in der Raumecke, im Garagen-Entree hängen Gastherme und Sicherungskasten an der Wand. Die vertikalen Stoffstores der Wintergärten oder die speziellen Vorhänge, die im Wohnraum vor zu starkem Kälteeinfall im Winter oder Hitze im Sommer schützen sollen, mildern diese Rohbauatmosphäre nur wenig.

Eine sehr unkonventionelle Art zu wohnen lässt sich in diesen Räumen vorstellen: wenige Möbel, Teppiche lässig auf dem fleckigen Betonestrich verteilt, manche Ecke bei Bedarf mit einem Vorhang abgetrennt, die Küche steht mitten im Raum - aber Sozialwohnungen? Doch genau die Robustheit der Räume von Lacaton & Vassal wird eine Aneignung auch durch weniger hippe Bewohner ermöglichen. Sicherlich wird hier mancher Bastler neue Wände einziehen, Böden verlegen, Decken abhängen und sich mit Inbrunst seine Gute Stube hineinbauen. Wie bei der benachbarten Cité Manifeste wird mit dem Bezug bald das Eigenleben jeder Wohnung beginnen und dafür gibt es hier Raum, viel Raum.

Der Standard, Sa., 2005.03.12



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Cité Manifeste - Bauteil Lacaton & Vassal

10. März 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Theorielabyrinthe aus Gipskarton

Das Museum für angewandte Kunst in Wien widmet dem Architekten und Denker Peter Eisenman eine Retrospektive.

Das Museum für angewandte Kunst in Wien widmet dem Architekten und Denker Peter Eisenman eine Retrospektive.

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02. März 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Architekturbücher - vier Kurztipps

Andrea Bassi, Christophe Girot, Daniel Libeskind und ein Architekturführer Christliche Sakralbauten in Europa

Andrea Bassi, Christophe Girot, Daniel Libeskind und ein Architekturführer Christliche Sakralbauten in Europa

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Figuren - Andrea Bassi
Kleine urbane Naturen – Christophe Girot
Breaking Ground. Entwürfe meines Lebens
Architekturführer Christliche Sakralbauten in Europa

29. Januar 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Ein Autodidakt im Schatten der Stars

Ein Filmportrait der Televisiun Rumantscha zeigt Leben und Arbeit des Modellbauers Dumeng Raffainer.

Ein Filmportrait der Televisiun Rumantscha zeigt Leben und Arbeit des Modellbauers Dumeng Raffainer.

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28. Januar 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Der Architekt als Chamäleon

Der Architekt Philip Johnson galt als umstrittener Nestor der amerikanischen Architektur. Nun ist er im Alter von 98 Jahren verstorben.

Der Architekt Philip Johnson galt als umstrittener Nestor der amerikanischen Architektur. Nun ist er im Alter von 98 Jahren verstorben.

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Johnson Philip

11. Januar 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Der Traum vom grenzenlosen Raum

Grenzen zwischen Ländern, Kantonen und Gemeinden werden immer unbedeutender. Überraschende Gedankenspiele und bunte Bilder sollen die überregionale Planung anregen.

Grenzen zwischen Ländern, Kantonen und Gemeinden werden immer unbedeutender. Überraschende Gedankenspiele und bunte Bilder sollen die überregionale Planung anregen.

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11. Januar 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

„Die Schweiz ist dann intelligent, wenn sie über sich hinaus geht“

In der Schweiz wird vor allem in den Agglomerationen immer noch in zu engen Grenzen gedacht – ein Gespräch mit dem Planungshistoriker Angelus Eisinger

In der Schweiz wird vor allem in den Agglomerationen immer noch in zu engen Grenzen gedacht – ein Gespräch mit dem Planungshistoriker Angelus Eisinger

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08. Januar 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Explosion und sanfte Umarmung

Die Architektin Zaha Hadid baut in aller Welt. Ihre ersten beiden Häuser stehen in der Nähe von Basel, wo sie nun das neue Stadt-Casino bauen soll.

Die Architektin Zaha Hadid baut in aller Welt. Ihre ersten beiden Häuser stehen in der Nähe von Basel, wo sie nun das neue Stadt-Casino bauen soll.

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Hadid Zaha M.

06. Januar 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Vom Architekturwilden zum Klassiker

Der Berliner Hans Kollhoff gehört zu den kontrovers diskutierten Architekten unserer Zeit. Dass er auch als Professor provoziert, zeigt nun ein Buch über seine Lehre an der ETH Zürich.

Der Berliner Hans Kollhoff gehört zu den kontrovers diskutierten Architekten unserer Zeit. Dass er auch als Professor provoziert, zeigt nun ein Buch über seine Lehre an der ETH Zürich.

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Hans Kollhoff, Architekturlehre

28. Dezember 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Kunst, Raketen, Architekten und Fischotter

Auf der Insel Hombroich bei Düsseldorf sollen sich Natur, Künste und Wissenschaften vereinen. Eine Begutachtung der neuesten Entwicklungen zwischen lieblicher Aue und verlassener Raketenstation.

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Museum Insel Hombroich

14. Dezember 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Üppige und geometrische Stadtlandschaften

Das Architekturmuseum Basel zeigt eine Ausstellung des Zürcher Landschaftsarchitekten Günther Vogt, die mehr ist als nur eine Werkschau.

Das Architekturmuseum Basel zeigt eine Ausstellung des Zürcher Landschaftsarchitekten Günther Vogt, die mehr ist als nur eine Werkschau.

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24. November 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Drei Architekturführer erkunden Zürich, Basel und Luzern

Wer den architektonischen Reichtum von Schweizer Städten entdecken will, braucht Hilfe. Drei Neuerscheinungen bieten sie jetzt an.

Wer den architektonischen Reichtum von Schweizer Städten entdecken will, braucht Hilfe. Drei Neuerscheinungen bieten sie jetzt an.

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Spaziergänge durch Raum und Zeit – Architekturführer Luzern
Architekturführer Basel 1980-2004
Zürich wird gebaut – Architekturführer Zürich 1990-2005

22. November 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Einsame Stadtmenschen in der 800. Etage

Im Kult-Computerspiel SimCity wird der Spieler zum Bürgermeister einer Stadt, die er nach seinem Gusto zusammenstellt. Er baut Häuser, Fabriken und Giftmülldeponien und seine Bürger, die Sims, zahlen Steuern, pflanzen sich fort und, wenn es schlecht läuft für den Bürgermeister, ziehen fort. In SimCity ist also alles wie im wirklichen Leben, was fehlt sind die Individuen.

Im Kult-Computerspiel SimCity wird der Spieler zum Bürgermeister einer Stadt, die er nach seinem Gusto zusammenstellt. Er baut Häuser, Fabriken und Giftmülldeponien und seine Bürger, die Sims, zahlen Steuern, pflanzen sich fort und, wenn es schlecht läuft für den Bürgermeister, ziehen fort. In SimCity ist also alles wie im wirklichen Leben, was fehlt sind die Individuen.

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01. November 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Schöne Architektur zum Blättern

Die Bücher des Luzerner Quart Verlages sind aus der architekturpublizistischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Dahinter steckt ein idealistischer Kopf: Heinz Wirz.

Die Bücher des Luzerner Quart Verlages sind aus der architekturpublizistischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Dahinter steckt ein idealistischer Kopf: Heinz Wirz.

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Quart Verlag

23. Oktober 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Seine Kugel ging um den Erdball

Eine kleine verchromte Stahlkugel mit sechs Löchern machte Fritz Haller schon zu Lebzeiten unsterblich – heute feiert er seinen 80. Geburtstag. Die Kugel...

Eine kleine verchromte Stahlkugel mit sechs Löchern machte Fritz Haller schon zu Lebzeiten unsterblich – heute feiert er seinen 80. Geburtstag. Die Kugel...

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12. Oktober 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Schön unzeitgemäss: Architektur als Hintergrund

Die Gastlokale des Architekten Hermann Czech geniessen in Fachkreisen Kultstatus. Nun lehrt der Wiener für ein Jahr an der ETH Zürich.

Die Gastlokale des Architekten Hermann Czech geniessen in Fachkreisen Kultstatus. Nun lehrt der Wiener für ein Jahr an der ETH Zürich.

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Czech Hermann

05. Oktober 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Provokant unauffällig

Das Münchner Architekturmuseum zeigt die erste grosse Einzelschau der Basler Architekten Diener & Diener.

Das Münchner Architekturmuseum zeigt die erste grosse Einzelschau der Basler Architekten Diener & Diener.

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04. Oktober 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Architekt der Expo 64 gestorben

Alberto Camenzind, bedeutender Architekt, Lehrer und Vermittler zwischen den Schweizer Kulturen, starb im Alter von 90 Jahren.

Alberto Camenzind, bedeutender Architekt, Lehrer und Vermittler zwischen den Schweizer Kulturen, starb im Alter von 90 Jahren.

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Camenzind Alberto

11. September 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Am schönsten ist immer das Modell

Unter dem Titel „Metamorph“ wird am Sonntag die 9. Inter- nationale Architekturbiennale in Venedig offiziell eröffnet.

Unter dem Titel „Metamorph“ wird am Sonntag die 9. Inter- nationale Architekturbiennale in Venedig offiziell eröffnet.

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04. September 2004Axel Simon
Der Standard

Katalanischer Riesenkäse

Die Party in Barcelona ist fast vorbei, aber das Kongresszentrum von Herzog & de Meuron bleibt.

Die Party in Barcelona ist fast vorbei, aber das Kongresszentrum von Herzog & de Meuron bleibt.

El quesito - kleiner Käse, nennen die Angestellten des Forums in Barcelona ihr Haus. Auch wenn einem das Adjektiv bei einer Fassadenlänge von 180 Metern einigermaßen unpassend vorkommt: Das Gebäude hat Löcher, stammt von Schweizer Architekten und ist dreieckig, wie die Käsescheiben auf dem Frühstücksbuffet des unmittelbar angrenzenden Forumhotels.

Doch beginnen wir von vorn: Am meerseitigen Ende der berühmten Avenida Diagonal, wo nun das Edificio Forum den Anfang eines neuen öffentlichen Raumes markiert. Vor drei Jahren war hier noch der Mülleimer der Stadt: Zwischen aufgelassenen Industriebrachen wurde Abfall verbrannt, Abwasser geklärt und Energie gewonnen, während das angrenzende Einwandererquartier verslumte. Heute erinnern an diese Zeit nur noch die drei Kraftwerkschlote, die unmittelbar an der Mündung des Rio Besòs noch immer rauchen. Zu ihren Füßen jedoch tat sich in kürzester Zeit eine neue Welt auf. Seit dem Frühjahr diesen Jahres wird sie mit einem bunten Kulturprogramm bespielt, dem „Forum Barcelona 2004“, dessen multikulturelles Programm aber letztlich dazu dient, ein neues Viertel mit den Weihen der Kultur zu eröffnen, im dem ab kommendem Jahr mit Kongressen sehr viel Geld verdient wird. Mit einer großen Geste hat sich Barcelona seiner Sorgenecke entledigt, sie zu einem der „Schlüsselorte“ der Stadt umgestaltet.

Motor dieser Anlage ist ein Kongresszentrum, unmittelbar vor dem Edificio Forum gelegen. Von dort schwingt sich eine 15 Hektar große, Esplanada genannte Betonplatte über Kläranlage und Küstenautobahn, um anschließend auf den Dächern der Bauten eines neuen Sporthafens zu enden und mit breiten Treppen zu ihm hinunterzuführen. Über zwei große, ambitioniert gestaltete Parkanlagen gelangt man zu Badebucht oder Strand, darüber blickt ein 4000 Quadratmeter großes Fotovoltaik-Segel aufs Meer. Als ökologisches Symbol spendet es nicht nur Strom und Schatten, sondern auch Legitimation für den baulichen Kraftakt. Für viele Kritiker der Planung ist deren Nachhaltigkeit jedoch zuallererst eine ökonomische: Die Luxuswohnungen und -hotels, die rund um das Kongresszentrum aus dem Boden schießen, treiben die Immobilienpreise in ungeahnte Höhen - unmittelbar neben einem Quartier voller Armut. Die tausend Anlegeplätze der Marina sind schon jetzt vergeben und an der Avenida Diagonal eröffnete ein Shoppingcenter nach amerikanischem Vorbild.

Zurück zum Käse. Dem Ankommenden präsentiert sich Herzog & de Meurons Vortrags-, Konzert- und Ausstellungsgebäude wundersam schwebend. Eine hermetische Fassade aus blauem Grobputz und verspiegelten Fensterschlitzen verbirgt das frei einteilbare Obergeschoß. Darunter fließt die Esplanada hindurch, nur ab und zu unterbrochen von einem der Zugänge und dem Auditorium als Kern des Ganzen - alles transparent und offen für Blicke hinein und hinaus. Der 3200 Personen fassende Saal wölbt sich vom Untergeschoß bis unters Dach und ist unterirdisch mit dem Kongresszentrum verbunden. Auch wenn der Platzraum unter dem schwebenden Volumen sich von neun Meter Höhe auf wenig mehr als zwei Meter reduziert, kommt nie Beklemmung auf. Der Grund ist die spiegelnde Decke - die Architekten nennen auch sie Fassade -, in deren dreieckige Edelstahlpanele ein unregelmäßiges Ornament geprägt ist, das sich ohne Unterbrechung fortsetzt. Keines der 28.000 Panele gleicht einem anderen.

Das in der Struktur der unteren Fassade abstrahierte Wolkenmuster findet man auf dem Dach wieder: nicht nur am Himmel, sondern auch auf einer Wasserfläche gespiegelt, die verschiedene Inseln und Einschnitte umschließt. In einem der Höfe läuft das Wasser die Fassade hinab und tröpfelt in ein Becken, ein anderer dient als Hochzeitskapelle, einen dritten betritt man vom Untergeschoß aus und blickt überrascht nach oben: Er setzt sich leicht verschoben und verspiegelt durch das Ausstellungsgeschoß hindurch in den Himmel fort, von oben schauen Touristen herunter.

Wer bei der Fassade nicht an Blauschimmel denkt, der assoziiert womöglich Wasser: Grob aufgespritzter Putz, den man von Tunnelwänden kennt, wurde mit leuchtend blauem Pigment nobilitiert. Je nach Lichteinfall wirken die drei Fassaden ultramarin-hart oder violett und dann wieder weich wie ein Schwamm oder auch fast schwarz, immer unterbrochen durch die scharf spiegelnden Fensterblitze.

Dass ein solches Stahlgebilde mit 180 Metern Länge, bis zu 30 Meter weiten Auskragungen und lediglich 17 Stützen aufwändig zu erstellen ist, kann man sich denken. Dass dieses Gebäude nach bloß einem Jahr Planungs- und zwei Jahren Bauzeit entstand, macht staunen. Doch das „Forum Barcelona 2004“ drängte, das als Mischung aus Expo und Weltsozialgipfel nun mit Großausstellungen und Hunderten von Veranstaltungen das gesamte Gelände 141 Tage bespielt und besetzt. Mit mäßigem Erfolg - die allzu optimistische Zahl von fünf Millionen erwarteten Besucher musste erst kürzlich auf drei Millionen korrigiert werden. Ende September wird die Esplanade von allen Zelten, Gerüsten und Containern geräumt und das Edificio Forum und der Zugang zum Meer werden frei betretbar sein. Momentan kostet die Eintrittskarte 20 Euro. Erst dann wird sich weisen, ob Barcelona hier tatsächlich einen lebendigen neuen Teil der Stadt erhalten hat.

Der Standard, Sa., 2004.09.04



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Forum 2004

27. August 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Der Architekt, der Mussolini verehrte

Eine Stadt feiert ihren Sohn. Mit Ausstellungen, Installationen, Vorträgen und Gebäudebesichtigungen begeht Como den hundertsten Geburtstag des vielleicht...

Eine Stadt feiert ihren Sohn. Mit Ausstellungen, Installationen, Vorträgen und Gebäudebesichtigungen begeht Como den hundertsten Geburtstag des vielleicht...

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31. Juli 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Wider die Platz-Angst der Schweizer

Nach elfjähriger Planung wird der neue Bundesplatz in Bern morgen eröffnet. Nun muss er sich im Alltag bewähren.

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Bundesplatz

29. Juli 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Ruhe und Inspiration im Bergell

Die Villa Garbald von Gottfried Semper in Castasegna, neues Seminarzentrum der ETH Zürich, lohnt eine Besichtigung.

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Villa Garbald - Erweiterung

09. Juli 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Unter den Gleisen der Strand

Zum dritten Mal feiert Lausanne den zeitgenössischen Garten – diesmal erstaunlich Problem orientiert.

Zum dritten Mal feiert Lausanne den zeitgenössischen Garten – diesmal erstaunlich Problem orientiert.

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07. Juli 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Mit Sofas und Töggelikästen

Auskunft über den „Stand der Dinge“ im internationalen Schulhausbau gab eine Tagung in Zürich.

Auskunft über den „Stand der Dinge“ im internationalen Schulhausbau gab eine Tagung in Zürich.

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23. Juni 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Frische Räume für Kunst und Architektur

Die Kunsthalle Basel präsentiert sich mit aufgefrischten Räumen und mit dem Architekturmuseum als neuen Nachbarn.

Die Kunsthalle Basel präsentiert sich mit aufgefrischten Räumen und mit dem Architekturmuseum als neuen Nachbarn.

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Kunsthalle Basel - Umbau

01. Juni 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Der unhandliche Architekt

Ein verstorbener Architekt. Sein Werk besteht aus kleinen Bauten in Flims und Umgebung. Was macht ihn so interessant, über sein Werk ein dickes Buch zu veröffentlichen, ja ihm dort gar „pionierhafte Bedeutung“ zuzusprechen?

Ein verstorbener Architekt. Sein Werk besteht aus kleinen Bauten in Flims und Umgebung. Was macht ihn so interessant, über sein Werk ein dickes Buch zu veröffentlichen, ja ihm dort gar „pionierhafte Bedeutung“ zuzusprechen?

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Olgiati Rudolf

11. Mai 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Landschaftsarchitektur ist nicht einfach Gartenkunst

Christophe Girot ist Landschaftsarchitekt, einer der Leiter des ETH Netzwerkes Stadt und Landschaft und ein urbaner Franzose.

Christophe Girot ist Landschaftsarchitekt, einer der Leiter des ETH Netzwerkes Stadt und Landschaft und ein urbaner Franzose.

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Girot Christophe

10. Mai 2004Axel Simon
TagesAnzeiger

Modelle, Zeichnungen, Krimskrams

Die Architekten Herzog & de Meuron zeigen im Basler Schaulager ein flirrendes Potpourri aus ihrer Werkstatt.

Die Architekten Herzog & de Meuron zeigen im Basler Schaulager ein flirrendes Potpourri aus ihrer Werkstatt.

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24. Juli 2002Axel Simon
TagesAnzeiger

In der Ewigen Stadt bewegt sich etwas

Am Tiber wird gebaut. Prestigeprojekte internationaler Architekten sollen aus Rom eine moderne Metropole machen.

Am Tiber wird gebaut. Prestigeprojekte internationaler Architekten sollen aus Rom eine moderne Metropole machen.

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22. Juli 2002Axel Simon
TagesAnzeiger

Unbeeindruckt von den Dogmen ihrer Lehrer

In der Schweizer Architektur zeichnet sich ein Generationswechsel ab. Festgeschriebene Dogmen weichen einem neuen Pragmatismus.

In der Schweizer Architektur zeichnet sich ein Generationswechsel ab. Festgeschriebene Dogmen weichen einem neuen Pragmatismus.

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29. Mai 2002Axel Simon
TagesAnzeiger

Ein Maurer, der Latein spricht

Der australische Architekt Glenn Murcutt wird heute mit dem hoch dotierten Pritzker Architecture Prize ausgezeichnet.

Der australische Architekt Glenn Murcutt wird heute mit dem hoch dotierten Pritzker Architecture Prize ausgezeichnet.

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11. Februar 2002Axel Simon
TagesAnzeiger

Die gläserne Verheissung von VW

Volkswagen überholt sie alle: In der Gläsernen Manufaktur in Dresden wird erstmalig nicht bloss der Kauf, sondern schon die Herstellung eines Autos zum Event.

Volkswagen überholt sie alle: In der Gläsernen Manufaktur in Dresden wird erstmalig nicht bloss der Kauf, sondern schon die Herstellung eines Autos zum Event.

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VW Gläserne Manufaktur

28. Januar 2002Axel Simon
TagesAnzeiger

Altes und Neues, zu poetischer Einheit verschmolzen

Eine Ausstellung an der ETH Hönggerberg erschliesst die raue Poesie des britischen Architektenpaares Alison und Peter Smithson.

Eine Ausstellung an der ETH Hönggerberg erschliesst die raue Poesie des britischen Architektenpaares Alison und Peter Smithson.

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18. Dezember 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Radikale architektonische Landschaften

Die Ausstellung „Visionäre Gärten“ an der ETH Zürich Hönggerberg widmet sich dem Werk des legendären Schweizer Landschaftsarchitekten Ernst Cramer.

Die Ausstellung „Visionäre Gärten“ an der ETH Zürich Hönggerberg widmet sich dem Werk des legendären Schweizer Landschaftsarchitekten Ernst Cramer.

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13. November 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Heimat entsteht dort, wo wirklich gelebt wird

Morgen würdigt der Schweizer Heimatschutz mit einer Preisverleihung das Engagement des Brugger Architektur- und Planungsbüros Metron.

Morgen würdigt der Schweizer Heimatschutz mit einer Preisverleihung das Engagement des Brugger Architektur- und Planungsbüros Metron.

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14. September 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Auch Unorte sollen gestaltet werden

Heute diskutiert man am Internationalen Architektur-Symposium in Pontresina über Bewegung und Mobilität. Die Berliner Kunsthistorikerin Kristin Feireiss leitet das Gespräch.

Heute diskutiert man am Internationalen Architektur-Symposium in Pontresina über Bewegung und Mobilität. Die Berliner Kunsthistorikerin Kristin Feireiss leitet das Gespräch.

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22. August 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Die Kultivierung des Leeren und Spröden

Rotterdam entdeckt sich wieder neu: Die diesjährige Kulturhauptstadt baut Brücken, Plätze und neue Stadtteile und pflegt weiterhin ihren herben, pragmatischen Charme.

Rotterdam entdeckt sich wieder neu: Die diesjährige Kulturhauptstadt baut Brücken, Plätze und neue Stadtteile und pflegt weiterhin ihren herben, pragmatischen Charme.

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16. August 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Basler Stille im Holländer Trubel

Zwei grosse Wohnhäuser des Basler Architekturbüros Diener + Diener setzen den Schlussstein in der neuen Überbauung des östlichen Hafengebietes von Amsterdam.

Zwei grosse Wohnhäuser des Basler Architekturbüros Diener + Diener setzen den Schlussstein in der neuen Überbauung des östlichen Hafengebietes von Amsterdam.

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Gebäudepaar

27. Juli 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Holz muss nicht heimelig sein

Eine Ausstellung im Architekturmuseum Basel zeigt die Arbeit von Marcel Meili, Markus Peter Architekten aus Zürich

Eine Ausstellung im Architekturmuseum Basel zeigt die Arbeit von Marcel Meili, Markus Peter Architekten aus Zürich

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17. Juli 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Wenn der Architekt nach dem Kameraauge linst

Der Pariser Stararchitekt Jean Nouvel weiss, wie man medienwirksam baut. Das illustriert eine Bildrevue seiner Arbeiten im Neuen Kunstmuseum Luzern.

Der Pariser Stararchitekt Jean Nouvel weiss, wie man medienwirksam baut. Das illustriert eine Bildrevue seiner Arbeiten im Neuen Kunstmuseum Luzern.

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15. Juni 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

„Mit Schulen verhält sichs wie mit Menschen“

Die Architekturschulen der Schweiz formieren sich, um gegenüber der Bildungspolitik ihre Stimme zu vertreten.

Die Architekturschulen der Schweiz formieren sich, um gegenüber der Bildungspolitik ihre Stimme zu vertreten.

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07. Mai 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Von der Zeitungswerft zum Medienhafen

Die Bauten am Hafen - hier ein Schuppen der Deutschen Afrika-Linien - rücken wieder ins Blickfeld der Architekten. Hamburg orientiert sich mit der neuen HafenCity nach über hundert Jahren wieder zur Elbe und erweitert seine Innenstadt um fast die Hälfte.

Die Bauten am Hafen - hier ein Schuppen der Deutschen Afrika-Linien - rücken wieder ins Blickfeld der Architekten. Hamburg orientiert sich mit der neuen HafenCity nach über hundert Jahren wieder zur Elbe und erweitert seine Innenstadt um fast die Hälfte.

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HafenCity Hamburg

17. April 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Erinnerung an ein echtes Stück Germanien

Das Zürcher Architektenteam Gigon & Guyer und Badener Landschaftsarchitekten zeigen der deutschen Provinz, wie sie vor zweitausend Jahren einmal war.

Das Zürcher Architektenteam Gigon & Guyer und Badener Landschaftsarchitekten zeigen der deutschen Provinz, wie sie vor zweitausend Jahren einmal war.

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16. März 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Die Brüche der Stadt inszeniert

Keine der neuen Auslandsbotschaften in Berlin hat eine so prominente Lage wie die Schweizerische. Und keines dieser Gebäude ist so umstritten.

Keine der neuen Auslandsbotschaften in Berlin hat eine so prominente Lage wie die Schweizerische. Und keines dieser Gebäude ist so umstritten.

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Schweizerische Botschaft, Berlin

03. März 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

In Wien wird an den Wolken gekratzt

Gleichzeitig mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs vor zehn Jahren überwand die österreichische Hauptstadt ihre Hochhausphobie. Ein Rundgang durch die neue Donau-City.

Gleichzeitig mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs vor zehn Jahren überwand die österreichische Hauptstadt ihre Hochhausphobie. Ein Rundgang durch die neue Donau-City.

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27. Februar 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Berlin auf der Suche nach seiner Mitte

Der Streit um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses geht in die letzte Runde. Ein Provisorium in Form eines Parks soll Zeit zum Nachdenken geben.

Der Streit um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses geht in die letzte Runde. Ein Provisorium in Form eines Parks soll Zeit zum Nachdenken geben.

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22. Februar 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Der Architekt der Rathausbrücke

Manuel Pauli, der frühere Stadtarchitekt von Luzern, prägte auch Zürichs Gesicht. Ein neuer Band stellt sein Werk ausführlich vor.

Manuel Pauli, der frühere Stadtarchitekt von Luzern, prägte auch Zürichs Gesicht. Ein neuer Band stellt sein Werk ausführlich vor.

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23. Januar 2001Axel Simon
TagesAnzeiger

Wiener Museumsquartier - ganz nach Mehrheitsgeschmack

In Wien steht nach jahrzehntelangem Ringen das MuseumsQuartier vor seiner Vollendung: Ein ganzer Stadtteil nur für Kunst, Kultur und Kaiserschmarren.

In Wien steht nach jahrzehntelangem Ringen das MuseumsQuartier vor seiner Vollendung: Ein ganzer Stadtteil nur für Kunst, Kultur und Kaiserschmarren.

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MuseumsQuartier Wien - MQ

08. Dezember 2000Axel Simon
TagesAnzeiger

Der Zauberberg über dem Zürichsee

Fünf Jahre lang planten und bauten die Architekten Marcel Meili und Markus Peter das „Zentrum für den globalen Dialog“ der Swiss Re in Rüschlikon. Der Komplex wird höchsten Ansprüchen gerecht.

Fünf Jahre lang planten und bauten die Architekten Marcel Meili und Markus Peter das „Zentrum für den globalen Dialog“ der Swiss Re in Rüschlikon. Der Komplex wird höchsten Ansprüchen gerecht.

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Seminarzentrum und Gästehaus

30. November 2000Axel Simon
TagesAnzeiger

Skizzieren, entwerfen, bauen

Der Zürcher Architekt Peter Märkli ist einer der Interessantesten seiner Zunft. Er kaschiert nichts, sondern macht Bauprobleme sichtbar.

Der Zürcher Architekt Peter Märkli ist einer der Interessantesten seiner Zunft. Er kaschiert nichts, sondern macht Bauprobleme sichtbar.

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07. November 2000Axel Simon
TagesAnzeiger

Wo Architektur zum Logo wird

Trends und Brands bestimmen unser Leben wie nie zuvor. Nicht nur beim Kauf von Jeans und Leder- schuhen, auch in der Architektur zählt das Label oft mehr als die Bauqualität.

Trends und Brands bestimmen unser Leben wie nie zuvor. Nicht nur beim Kauf von Jeans und Leder- schuhen, auch in der Architektur zählt das Label oft mehr als die Bauqualität.

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17. Oktober 2000Axel Simon
TagesAnzeiger

Ein Pneuhaus als Sehnsuchtsort

Am Zürcher Mythenquai irritiert eine künstlerisch- architektonische Installation die Pendler.

Am Zürcher Mythenquai irritiert eine künstlerisch- architektonische Installation die Pendler.

Ein Pneuhaus zu bauen, ist für Architekten nicht der spannendste Auftrag. Liegt das Grundstück noch zwischen dem Bahnhof Wollishofen und dem Mythenquai, einer der befahrensten Strassen Zürichs, scheint der Entwurf eines billigen, funktionalen Gebäudes fast unausweichlich.

Genau das haben die beiden jungen Zürcher Architekten Stefan Camenzind und Michael Gräfensteiner mit ihrem zweigeschossigen Gebäude vermieden. Über dem Erdgeschoss mit Montage und Verkauf liegt das Lager, in dem die Reifen der Kundschaft überwintern bzw. -sommern. Der Clou: Dieses fensterlose Lagergeschoss tritt abends als strahlende Vitrine in Erscheinung. Eine beleuchtete, gläserne Raumschicht umhüllt das Stockwerk auf allen Seiten. Der Auftraggeber konnte davon überzeugt werden, mehr als 30 Quadratmeter seines Lagers der Kunst zu opfern. Diese „drive-by-gallery“, wie die Architekten sie nennen, zieht nun die Aufmerksamkeit der pendelnden Öffentlichkeit auf sich.

Derzeit macht eine Fotoinstallation von Martina Issler aus dem Gebäude ein Kunstobjekt. Hier, wo die Autofahrer dem vor ihren Blicken verborgenen Wasser am nächsten sind, trägt die Künstlerin den See an die Strasse, macht aus dem Reifenhaus ein riesiges Aquarium, das von einer - nicht lebenden - Schwimmerin ruhig durchschwommen wird. Issler bewahrt so die Architektur davor, unangemessen, weil zu ambitioniert für den Ort zu sein. Es ist ihr gelungen, einen poetischen Ort zu schaffen, der Sehnsucht weckt und die Gedanken schweifen lässt, „dahin, wo Ferne naht“.

Zu hoffen ist, dass auch in Zukunft kein Michelin-Männchen von dort oben heruntergrinst, sondern dass der Bauherr weiterhin jungen Künstlerinnen und Künstlern die Chance geben wird, diesen unwirtlichen Ort zu verzaubern.

TagesAnzeiger, Di., 2000.10.17



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Reifenshop/Art Exchange

Profil

1983 – 1986 Schriftsetzerlehre
1989 – 1996 Architekturstudium an der FH Düsseldorf (Diplom) und der HdK Berlin
1996 – 1999 Selbständige und angestellte Tätigkeit als Architekt in Berlin, Düsseldorf, Freiburg und Zürich
1998 – 2000 Nachdiplomstudium am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur gta der ETH Zürich
1999 – 2001 Redaktionelle Tätigkeit bei Trans - Publikation am Departement Architektur der ETH Zürich
2002 Kurs Fachpresse am Medienausbildungszentrum MAZ Kastanienbaum bei Luzern
Seit 2000 Selbständige Tätigkeit in der Architekturvermittlung, zahlreiche Beiträge in Fach- und Publikumspresse, Führungen und Vorträge
2000 – 2005 Freier Architekturkritiker des Tages-Anzeigers, Zürich
Seit 2004 Korrespondent von A10 - magazine for new European architecture
2005 – 2006 Redaktioneller Mitarbeiter der Weltwoche, Zürich
2006 Ausgezeichnet mit dem Swiss Art Award 2006 in der Sparte Kunst- und Architekturvermittlung.
Seit 2006 Redaktor des wöchentlichen Architektur-Newsletters MAGAZIN von swiss-architects.com
2007 – 2009 «Eduard Neuenschwander – Architekt und Umweltgestalter» ein Forschungsprojekt der Professur Peter Märkli, der Professur Christophe Girot und dem gta Verlag an der ETH Zürich (zusammen mit Claudia Moll)
2009 Redaktor ad interim der Zeitschrift Hochparterre, Zürich

Lehrtätigkeit

1999 – 2002 Assistent am Lehrstuhl für Entwurf von Axel Fickert, Departement Architektur, ETH Zürich
2002 – 2004 Assistent, Professur für Entwurf und Konstruktion von Peter Märkli und Markus Peter, Departement Architektur, ETH Zürich
2008 Lehrauftrag für zeitgenössische Architektur am Kunsthistorischen Seminar der Universität Basel

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
2007 Aufnahme als assoziiertes Mitglied des Bundes Schweizer Architekten BSA

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