Pläne

Details

Adresse
Friedhofstraße 169, 1140 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Ulrich Huhs (PL 2000-2004), Patrick Fessler (PL 2005-2007), Katrin Steinbacher, Zeljko Ivosevic, Dominic Schmid, Julia Steinert, Annette Großkinsky
Landschaftsarchitektur
Anna Detzlhofer
Mitarbeit Landschaftsarchitektur
Heidelinde Holzinger
Fotografie
Pez Hejduk
Funktion
Wohnbauten
Planung
2000
Ausführung
2006 - 2007
Bruttogeschossfläche
7.515 m²
Nutzfläche
4.783 m²
Bebaute Fläche
6.916 m²

Ausführende Firmen

GU: STRABAG AG
AluKönig Stahl GmbH
Österreichische Doka Schalungstechnik GmbH
Pittsburgh Corning Österreich GesmbH
Lafarge Perlmooser AG
Franz Oberndorfer GmbH & Co
Ernstbrunner Kalktechnik GmbH
Schiedel Kaminwerke GmbH

Publikationen

Archbau

Genereller introtext zu Archbau der von nextroom geschrieben wird.

Archfoto

Genereller introtext zu Archfoto der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

03. März 2008Axel Simon
TEC21

9=12 IN WIEN

Neun international renommierte Architekturbüros haben in Wien eine Mustersiedlung gebaut. Der Masterplan stammt von Adolf Krischanitz, der selbst zwei Häuser realisiert und die anderen Teams eingeladen hat. Die Häuser tragen unverkennbar die Signatur ihrer Entwerfer – was zwar intendiert war, der formalen Einheit der Siedlung jedoch alles andere als förderlich ist.

Neun international renommierte Architekturbüros haben in Wien eine Mustersiedlung gebaut. Der Masterplan stammt von Adolf Krischanitz, der selbst zwei Häuser realisiert und die anderen Teams eingeladen hat. Die Häuser tragen unverkennbar die Signatur ihrer Entwerfer – was zwar intendiert war, der formalen Einheit der Siedlung jedoch alles andere als förderlich ist.

Eine Mustersiedlung will Mustergültiges aufzeigen, Vorbild sein. Das war schon 1927 auf dem Stuttgarter Weissenhof so, und das hatte auch der Wiener Architekt Adolf Krischanitz im Sinn, als er im Jahr 2000 die Idee einer Siedlung lancierte, die dem verdichteten Wohnen an der Peripherie seiner Stadt neue Impulse geben sollte – wie die dortige Werkbundsiedlung von 1932, die Krischanitz in den 1980er-Jahren renoviert hatte, oder wie seine Siedlung Pilotengasse von 1987–92, bei der auch Herzog & de Meuron und der Münchner Otto Steidle mitgewirkt hatten. Letzteren und sieben weitere Kollegen lud Krischanitz nun wieder ein, in der neuen Siedlung im Westen Wiens ein Haus beizusteuern: Max Dudler und Hans Kollhoff aus Berlin, Meili Peter Architekten und Peter Märkli aus Zürich, Diener Diener aus Basel sowie Hermann Czech und Heinz Tesar aus Wien. Von Krischanitz selbst stammt nicht nur der Masterplan, sondern er hat auch zwei Häuser realisiert. Neun Architekten bauen zwölf Häuser – so kam man auf den sperrigen Namen «9=12 Neues Wohnen in Wien». Aus Sparmassnahmen wurde aus den drei kleinsten ein grosses Haus; die Landschaftsarchitektin Anna Detzlhofer machte aus der reinen Männergesellschaft schliesslich ein «10=10».

Zusammenarbeit mit der Industrie

Obwohl er früh den traditionellen Begriff «Villenkolonie» benutzte, peilte Krischanitz noch ein weiteres Ideal der klassischen Moderne an: die kreative Zusammenarbeit von Architekt und Industrie. Daher formierte er eine Projektgruppe mit Vertretern vor allem aus der Betonindustrie. Die beteiligten Firmen fi nanzierten die aufwändige Entwurfsphase, bei der die internationalen Architektenteams sich an mehreren Wochenenden in Wien trafen und in einer Art freundschaftlichem Wettstreit die Grundzüge der einzelnen Gebäude erarbeiteten – gemeinsam mit den Industrievertretern, was zu einem «gemeinsamen qualitativen Lernprozess zumNutzen der Architektur» führen sollte. Dieses Ideal findet sich in der fertigen Siedlung jedoch nur schwerlich wieder.
Die zehn Häuser stehen dicht aneinander gereiht auf dem leicht nach Süden abfallenden Grundstück in Wiens öder Peripherie inmitten von Kleingartenkolonien. Die Häuser bilden zwei Reihen, halten sich mit ihren unterschiedlichen Volumina jedoch kaum an eine gemeinsame Baulinie, sondern springen leicht vor und zurück. Zwischen den Reihen weiten sich die ansonsten engen gemeinschaftlichen Zwischenräume zu einem durchgehenden, grünen Aussenraum, durch dessen Mitte sich ein Weg schlängelt. Dieser dürfte von den meisten auch als Zugang zu ihrem Haus benutzt werden, denn er startet beim halb eingegrabenen Parkhaus am Fusse der Siedlung.

Variationen in Beton

Auch wenn Krischanitz nur befreundete Architekten eingeladen hat, mit ihm zu bauen, sind die einzelnen Häuser denkbar unterschiedlich ausgefallen – ein gesuchter Reichtum verschiedener Haltungen, durchaus auch geprägt von den jeweiligen Baukulturen der drei vertretenen Länder. Beton taucht als Fassadenmaterial in unterschiedlichster Ausprägung auf: als Fertigteile bei Dudler, als Echo handwerklicherer Schalungstechniken bei Diener, als leicht schräge Fläche bei Tesar oder als Bodenplatten, die sich als Balken abzeichnen, bei Märkli. Nur Meili Peter entwickelten nahezu avantgardistischen Ehrgeiz: Ihre Fassadenwurden vor Ort aus normalem und gelblich eingefärbtem Beton gegossen, wobei die Flächen ineinander greifen. Das technisch komplizierte und teure Verfahren führte allerdings zu einem Ergebnis, das man – vor dem Hintergrund mehrerer gnadenloser Einsparungsrunden, unter denen die Ausführung und die Ausstattung aller Häuser empfindlich litten – hinterfragen kann.

Diagonalen, Verschachtelungen, Komplexität und Konvention

Die innere Organisation der Häuser folgt unterschiedlichen Strategien. Meili Peter und Märkli haben die Wohnungen mit diagonalen Raumfi guren und Fenstern an den Ecken der Baukörper von den engen Zwischenräumen weg und hin zur gemeinsamen grünen Mitte orientiert. Czech, Diener und Steidle versuchten, den Wohnungen durch eine komplexe Verschachtelung teilweise überhoher Räume mehr Luft zu verschaffen. Flexibilität machte lediglich Krischanitz bei einem seiner Häuser zum Thema – in Form von Wohneinheiten, die als offene Halle zwischen drei Erschliessungs- und Installationstürmen liegen und entweder in fünf Räume unterteilt oder offen belassen werden können.
Czech und Kollhoff verweigerten sich dem Beton in der äusseren Erscheinung ihrer Häuser. Während Czech sein plastisch differenziertes Haus aussen dämmen und verputzen liess und mit einer hohen Betonpergola krönte, fiel Kollhoffs Projekt bereits bei der ersten Präsentation völlig aus dem Rahmen. Zwar musste der anfangs vorgesehene Säulenportikus aus Kostengründen gestrichen werden, doch noch immer zeigt sich das klassizistische Volumen mit seinen Lisenen und Gesimsen aus Putz wenig beeindruckt von der parallel entworfenen Nachbarschaft. Ironie des Marktes: Die Kollhoff’schen Wohnungen, die konventionell geschnitten sind, relativ eng über drei Geschosse gehen und so gar nicht zu der hochherrschaftlichen Geste des Baukörpers passen wollen, waren als erste vermietet.



verknüpfte Zeitschriften
tec21 2008|09 Mustersiedlungen

04. November 2007Walter Zschokke
Spectrum

Beton, wohnfähig

Man verbindet ihn eher mit Zweckbauten und feuchtkalten Durchgängen: Beton kann aber auch farbig sein oder textil wirken. Eine Mustersiedlung in Wien ist dem Baustoff gewidmet – und hat nichts zu verstecken.

Man verbindet ihn eher mit Zweckbauten und feuchtkalten Durchgängen: Beton kann aber auch farbig sein oder textil wirken. Eine Mustersiedlung in Wien ist dem Baustoff gewidmet – und hat nichts zu verstecken.

Ein sanfter Südwesthang über dem Wienfluss, vorstädtische Lage im äußersten Westen Wiens, Busstation vor der Nase und Schnellbahnstation um die Ecke. Da nimmt man die Bahnlinie davor und die Verzweigung Aufhof in Kauf. Jedenfalls überstieg das Interesse das Angebot etwa um das Zehnfache. Und gegen Luftschall ist der Beton unter den Baustoffen das Mittel der Wahl. Doch das war bloß ein Nebenargument, denn das Ziel dieser Mustersiedlung lautete, die Möglichkeiten des Baustoffs Beton „nachhaltig wirksam“ darzustellen. Darstellen heißt – auch – sichtbar machen, was heute aufgrund der erforderlichen Dämmwerte etwas mehr geistige Leistung erfordert als in den ölseligen Jahren vor 1973. Doch das sind bewältigbare technische Aspekte. Das eigentliche Problem ist die Anmutung.

Unsichtbar kommt Beton in fast allen Häusern vor. Auch Ziegel- und Holzbauweise können kaum darauf verzichten. Doch Herzeigen ist eine anspruchsvollere Aufgabe, denn sichtbar präsent ist Beton vor allem bei Tiefbauten der technischen und Verkehrsinfrastruktur, am unangenehmsten wohl in feuchtkalten Straßen- und Bahnunterführungen, während er bei Brücken, Tunnels und Stützmauern oder bei Tiefgaragen, Industrie- und Versorgungsbauten selbstverständlich erscheint. Das Problem lautet daher nicht, wie gewöhne ich die Menschen an den Tiefbaubeton, sondern: Wie wird Beton architekturfähig, sodass er auch im Wohnungsumfeld Anklang findet. Dies sollte mit einer Mustersiedlung demonstriert werden. Mit der Wahl von neun Architekten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, die ihre Kompetenz im Beton- wie im Wohnbau bereits ausreichend bewiesen hatten, durfte die Trägergruppe, angeführt von Lafarge Perlmoser, auf ein achtbares Resultat hoffen. Weiters sollten die Siedlungen nach den Auflagen für geförderten Wohnbau errichtet werden, wofür sich das Österreichische Siedlungswerk und die Gesellschaft für Stadtentwicklung und Stadterneuerung zur Bauträgerschaft zusammenfanden.

Grundrisse bestechend großzügig

Die „Spielleitung“ für das ambitiöse Unternehmen übernahm der in Berlin lehrende Wiener Architekt Adolf Krischanitz. Die Begrünung der Außenräume wird nach den Ideen der Landschaftsarchitektin Anna Detzlhofer heranwachsen. Mit einem vergleichsweise rigiden städtebaulichen Konzept strebte Krischanitz eine Ordnung an, die bei den zu erwartenden individuellen Konkretisierungen der einzelnen Gebäude dennoch einen Zusammenhalt garantierte. So stehen nun in zwei Kolonnen zehn prinzipiell längliche, dreigeschoßige Quader parallel zum Hang. Während die Längsseiten sich relativ nahe kommen, verfügen die Stirnseiten über mehr Luft, indem sich zwischen den beiden Häuserkolonnen ein Anger den Hang hinaufzieht und an den Seiten der Straßenraum zum Abstand von den Nachbarhäusern beiträgt. Funktional lässt sich dies mit der von Süden steiler einfallenden Sonne begründen. Wie zu erwarten, sind die Häuser sehr individuell geraten. Sei es aufgrund der Möglichkeit, Beton mit heutigen Technologien architektonisch vielfältig einzusetzen, oder sei es wegen des reichhaltigen Wohnungsangebots.

In vorderster westlicher Position steht das von Peter Märkli, Zürich, entworfene Haus. Der immer schon eigenständige Schweizer hat den Baukörper durch einen Versatz und die Betonung der Geschoßdecken stark plastisch akzentuiert. Die Fugen der Schalungselemente gliedern in zurückhaltender Weise die Mauerflächen. Die Wohnungsgrundrisse entwickeln sich in diagonaler Raumfolge vom offenen Treppenhaus an der Nordecke bis zur Loggia an der Südecke in bestechender Großzügigkeit. Wie bei allen Häusern mit Sichtbetonfassade besteht die Wärmedämmung an der Innenseite aus geschäumtem Glas.

Ostseitig steht zuvorderst ein blockhafter Bau mit betonten Ecken von Adolf Krischanitz. Verputzte Flächen und solche aus Sichtbeton gliedern das Bauwerk, dessen eher kleine Fenster und eingezogene Loggien an den Stirnseiten an der exponierten Lage dem Schallschutz Rechnung tragen. Die jeweils zwei Wohnungen pro Geschoß verfügen beidseits der zentralen Wohnhalle über flexibel zuordenbare Räume.

In der zweiten Reihe fällt der historisierende Bau von Hans Kollhoff, Berlin, in blendendem Weiß auf. Die vier Maisonnette-Wohnungen sind geschoßweise verschränkt, sodass alle vier Wohnungen Anteil an den beiden Stirnseiten haben. Das Thema Beton tritt allerdings hinter der Fassade zurück. Die Stuckelemente enthalten jedoch als Bindemittel Zement.

Das Nachbarhaus in der zweiten Reihe stammt von Otto Steidle, München. Nach dessen überraschendem Tod hat Johannes Ernst die Arbeit abgeschlossen. Dieses Haus ist von der inneren Organisation beachtenswert und belegt die hohe Kompetenz Steidles für den Mehrwohnungsbau. Vier Reihenhäuser stehen im Erd- und im zweiten Obergeschoß wie üblich nebeneinander. Im ersten Obergeschoß wechselt die Unterteilung in längs und einmal quer, sodass jeder Wohnung eine Zimmerzeile bis zur Gebäudeecke zugeteilt wird. Die geschützte Dachterrasse im obersten Geschoß vervollständigt den hohen Wohnwert. Die Sichtbetonfassade wird mit Fenstern und Schalungsfugen sparsam, aber sorgfältig proportioniert.

In der mittleren Reihe haben die Zürcher Gegenklassiker Marcel Meili und Markus Peter sowie der verhalten klassisch agierende Roger Diener aus Basel gearbeitet. Erstere zeigen mit einem diagonal sich entwickelnden Grundriss ihre raumgestalterische Kompetenz. Beim Beton spielen sie mit der Einfärbung der Gussmasse, wobei die willkürliche Grenzziehung technisch sehr anspruchsvoll war. Eine dritte geplante Farbe hätte den Kostenrahmen gesprengt. Roger Diener gibt jeder Einheit einen eineinhalb mal höheren Wohnraum und erzielt an der Fassade durch seitlich mit einer Fase versehene Schalbretter einen feinen, nahezu textilen Effekt.

Die nächste Reihe teilen sich Heinz Tesar und Max Dudler, Berlin. Tesar gliedert das Volumen in vier doppelgeschoßige Einheiten, die räumlich und bezüglich der Öffnungen eine hohe Qualität bieten.

Kabinettstücke des Wohnbaus

Den Sichtbeton hält er glatt und flächig und kontrastiert ihn mit einzelnen großen Fenstern, die den Fassadeneindruck dominieren. Dudler arbeitet mit dunkelgrau eingefärbtem Beton und vorgefertigten Elementen. Der stark ornamentale Charakter der Fassade mit schmalhohen Fenstern birgt jedenfalls brauchbare, zu den Stirnseiten orientierte Grundrisse.

Zuhinterst steht ostseitig das von Hermann Czech entworfene Haus, der auf die Hanglage mit einem feinen Raumplan antwortet und den Quader mit Versätzen und Terrassen auflöst. Unbekümmert bringt er die verputzte Dämmung außen auf und zeigt Rohbeton im Inneren. Westseitig ersetzt der oberste Baukörper drei Einzelhäuser des ursprünglichen Konzepts. Adolf Krischanitz hat hier kompensatorisch einen äußerst kostengünstigen, aber nicht minder durchdachten Entwurf realisiert. Insgesamt ist es sicher gelungen, eine breite Palette architekturfähiger Ausdrucksweisen in Beton zu realisieren. Darüber hinaus entstanden jedoch mehrere Kabinettstücke des Wohnbaus von außerordentlicher Qualität.

06. Oktober 2007Wojciech Czaja
Der Standard

Die nackte Wahrheit

Beton spaltet die Gemüter. Während Architekten von Glückshormonen überschüttet werden, runzeln die Bewohner ihre Stirn. Ausflug in die Mustersiedung 9=12 in Wien-Mauerbach.

Beton spaltet die Gemüter. Während Architekten von Glückshormonen überschüttet werden, runzeln die Bewohner ihre Stirn. Ausflug in die Mustersiedung 9=12 in Wien-Mauerbach.

Unter einem rattert das Geleis, seitlich zieht in schnellen Bildern die Landschaft vorbei. Es gibt keine schönere Beschäftigung, als während der Zugfahrt im Speisewagen zu sitzen und Melange schlürfend beim Fenster hinauszuschauen. Westbahnstrecke, Wienerwald, Wiesen links und rechts. Die Ellbögen sind aufgestützt, Hände wärmend wird die Tasse umklammert. Kurz vor Wien ein flüchtiger Blick nach Norden: Ruckartig verdreht man bei 120 Sachen den Kopf und schüttet sich den Kaffee über die Finger. Zehn betonierte Häuschen purzeln den Hang herab und lassen einen kurz am eigenen Sehsinn zweifeln. War das jetzt echt?

Die Mustersiedlung 9=12, die in Wien-Mauerbach dieser Tage fertig gestellt wird, ist ein Vorzeigeprojekt der Beton- und Zementindustrie. Sie ist der ambitionierte Versuch, sich mit vereinten Kräften dem unaufhaltsamen Erfolg der Holzlobbyisten und der Ziegelindustrie zu stellen. Das Projekt dürfte von besonderer Wichtigkeit sein, denn sämtliche betonaffine Unternehmen zogen an einem Strang und stellten nicht unwesentliche Mengen an Naturalien und Arbeitszeit zur Verfügung.

Wie rohe Betonskulpturen sind die Häuser auf dem Grundstück verteilt. Ein Satteldach wird man hier nicht zu Gesicht bekommen, stattdessen erscheinen die einzelnen Gebäude als minimalistische Klötze. Nur die wenigsten von ihnen sind verputzt oder gestrichen, die meisten erstrahlen in nacktem Beton. Wo Architekten das Herz aufgeht, zucken Max und Monika Mustermann innerlich zusammen. Alles nur Beton? „Vor ein paar Tagen hatten wir im Büro einen Anruf von einer zukünftigen Mieterin“, erzählt Patrick Fessler, Projektleiter im Architekturbüro Adolf Krischanitz, „sie hat sich recht besorgt darüber erkundigt, ob die Oberfläche ihres Hauses etwa schon die endgültige ist.“ Für die Dame dürfte das Telefonat alles andere als erfreulich gewesen sein.

Doch man kann hoffen, dass sich die Einstellung zu authentischem Bauen - so heißt es unter Architekten, wenn man ganz verrückt danach ist, alles so zu zeigen, wie es ist - in Bälde ändern wird. Für Materialfetischisten und Ästheten ist das Grundstück nämlich ein Dorado der Möglichkeiten. Einmal ist der Beton aalglatt, dann wieder grob und zerfurcht und zeigt die sägeraue Oberfläche der Schalungsbretter. Meist ist er grau, gelegentlich aber ist er auch mit beigen, braunen oder schwarzen Farbpigmenten versetzt. Architekt Adolf Krischanitz: „Wir haben hier nicht versucht, lustige Häuser und Gags zu machen, sondern wollten den Leuten demonstrieren, wozu Bauen in Beton imstande ist.“

Ein zynisches Lächeln kann man sich nicht verkneifen. Wer jemals schon in einem Plattenbau der Siebzigerjahre gestanden hat, der weiß: Diese Grundrisse sind für die Ewigkeit betoniert. Unter halbwegs wirtschaftlichen Bedingungen erlauben sie den Bewohnerinnen und Bewohnern kaum mehr, nachträglich irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Ganz zu schweigen von Behaglichkeit oder Bauökologie. „In Wien ist die Grundriss-Kultur völlig verschlampt, die Architektur hört meist schon an der Fassade auf“, beklagt Krischanitz, „was dann drinnen passiert und wie die Leute mit der meist geringen Wohnfläche zurande kommen, ist den Wohnbauträgern völlig egal.“

Mit der Mustersiedlung 9=12 will Bauträger ÖSG (Stadtentwicklung und Wohnbaumanagement GesmbH) Abhilfe schaffen und mit gutem Beispiel vorangehen. Und die besten Beispiele kommen bekanntlich aus der Schweiz. „Dort lebt die Grundriss-Kultur fort wie in keinem anderen Land in Europa“, sagt Krischanitz, „die Schweizer begreifen es einfach, mit wenigen gekonnten Handgriffen dem Menschen Behaglichkeit und Flexibilität zu vermitteln.“ Nicht zuletzt deshalb ist die Siedlung ein Jointventure der Architekturnationen geworden. Insgesamt neun Architekturbüros - jeweils drei aus Österreich, Deutschland und der Schweiz - zerbrachen sich den Kopf über neue Grundriss-Lösungen. In Österreich waren dies Hermann Czech, Heinz Tesar und Adolf Krischanitz als Planer und Koordinator, aus Deutschland beteiligten sich Otto Steidle (+), Max Dudler und Hans Kollhoff, aus der Schweiz schließlich Peter Märkli, Roger Diener sowie Marcel Meili und Markus Peter.

Das Potpourri könnte nicht vielfältiger und widersprüchlicher sein. Die einen setzten auf klare Kisten und wohl proportionierte Räume, die anderen auf ein paar vereinzelte Wandscheiben, die mittels Schiebetüren und Faltwänden immer wieder zu neuen Raumkonstellationen inspirieren. Eine einheitlich durchgehende Linie wird man nicht erkennen. „Ich mag dieses Kabinett an Möglichkeiten, ich mag die gebotene Vielfalt“, sagt Krischanitz, „zudem ist sie äußerst konsumentenfreundlich, weil sich jeder das aussuchen kann, was ihm gefällt.“ Zur Auswahl stehen luftige Apartments mit einem Hauch von Loft, Split-Level-Wohnungen und sogar mehrgeschoßige Reihenhäuser - verschachtelt und ineinander verkeilt, als hätten die Architekten Tetris gespielt.

„Als Vorzeigeprojekt ist die Mustersiedung 9=12 durchaus ein Erfolg“, sagt Architekt Adolf Krischanitz, „mit einer einzigen Ausnahme: Die finanzielle Komponente haut überhaupt noch nicht hin.“ Ohne das Sponsoring der beteiligten Firmen sei ein solches Projekt niemals möglich gewesen. Lafarge Perlmoser lieferte den Zement, Oberndorfer die Betonfertigteile, Pittsburgh Corning die gesamte Wärmedämmung, und die gelben Betonschaltafeln, die man von jeder Baustelle kennt, kommen vom österreichischen Unternehmen Doka. Die Liste ist noch länger. Ein nicht unwesentlicher Zuschuss ist schließlich der Baufirma selbst, der Strabag, zu verdanken - sie steuerte einen Teil der Baukosten bei.

„Wir sind alle in einem Boot gesessen und waren uns völlig darüber im Klaren, dass das Projekt im Rahmen des herkömmlichen geförderten Wohnbaus nicht funktionieren kann“, sagt Gernot Tritthart, Marketingleiter des Zementproduzenten Lafarge Perlmooser, „um das Bauvorhaben mit Fördermitteln realisieren zu können, mussten wir alle unseren Obolus leisten.“ Wenn sich schon die Gelegenheit ergibt, sich zu formieren und gemeinsamen ein Demonstrationsbauvorhaben aus der Taufe zu heben, dann müsse man sie auch nutzen.

Deutlich weniger euphorisch zeigt sich der hauptverantwortliche Architekt: „Genau das ist mein größter Kritikpunkt. Denn selbst bei derartigen innovativen und zukunftsweisenden Sonderprojekten wie 9=12 werden die strengen Regelungen für geförderten Wohnbau keinen Millimeter gelockert. Wir kriegen keinen Euro mehr als für jedes andere, normale Bauvorhaben auch.“

Das Werk ist vollbracht, Ende Oktober werden die ersten Bewohner einziehen. Eine Betonsiedlung nach derartig radikalem Strickmuster und mit derartig konsequentem Materialeinsatz wird es kein zweites Mal geben - das liegt in der Natur von Mustersiedlungen. Was bleibt, ist die Irritation in der vorbeiziehenden Landschaft. Viele Jahre noch werden die ÖBB-Passagiere der Westbahnstrecke kurz vor Wien den Kopf verdrehen und sich ob der ewigen Baustelle wundern. Ist denen das Geld für den Außenputz ausgegangen? Die Kenner unter ihnen wissen nun Bescheid.

04. April 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Thema und Variationen

Wiener Wohnungsbau in Basel

Wiener Wohnungsbau in Basel

Wohnen im vorstädtischen Grün ist aus ökologischen und urbanen Gründen in Verruf geraten. Darauf reagierte Adolf Krischanitz mit der Initiative zu einem städtisch verdichteten Wohnprojekt, in welchem sich die Siedlungsidee der Moderne mit dem Trend zur Stadtvilla verbindet. Krischanitz lud acht Kollegen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ein, in Wien-Hadersdorf je ein Haus mit drei bis fünf Wohnungen zu entwerfen. Die Resultate, die zurzeit im Architekturmuseum Basel zu sehen sind, bieten Variationen zu einem interessanten Thema. Sie sagen aber auch einiges aus über die architektonische Kultur in den jeweiligen Ländern. Im Zentrum der Schau stehen zwölf kistengrosse, aus grauem Zement gegossene Modelle, die bald an Fischli & Weiss, bald an Rachel Whiteread erinnern. Während die komplizierten Entwürfe der beiden Österreicher Hermann Czech und Heinz Tesar im Modell noch manierierter wirken, kommen die Gussformen den strengen Kuben von Krischanitz und Roger Diener entgegen. Ihre Projekte überzeugen zudem mit unkonventionellen Grundrissen, die sich bei Diener in enigmatischen Fassaden spiegeln. Max Dudler hingegen treibt den Formalismus der Aussenhülle so weit, dass sein Mehrfamilienhaus kaum von einem Bürobau unterschieden werden kann. Dem Motto «Form follows function» folgend, schafft Peter Märkli komplexe, aber gut belichtete Räume, die zudem über grosszügige Balkone verfügen. Klingen in diesem Dreifamilienhaus die sechziger Jahre leise nach, so wird man dereinst in Kollhoffs rationalistischen Säulenhallen ganz im Geist des Klassizismus wohnen. Gleichsam als Quintessenz dieser kleinen, für die mittlere Architektengeneration repräsentativen Schau zeigt sich, dass der bereits totgesagten Schweizer Kiste im Wohnungsbau noch immer einiges Potenzial innewohnt.


[Bis 27. April. Begleitheft: «Hintergrund 16», Fr. 7.-.]

08. Januar 2003Jan Tabor
Falter

Hart wie Hadersdorf

Neun Architekten sollen eine Mustersiedlung bei Wien errichten. Die Vorgaben sind grausam einfach: Es darf nur Beton verwendet werden.

Neun Architekten sollen eine Mustersiedlung bei Wien errichten. Die Vorgaben sind grausam einfach: Es darf nur Beton verwendet werden.

Adolf Krischanitz hat eine Obsession: das Mustergültige. Neuerdings arbeitet er am „Projekt Mustersiedlung Wien“. Darunter ist eine Gruppe von zwölf Häusern zu verstehen, die „weder Einfamilienhaus noch Geschoßwohnungsbau sind, ohne jedoch eine Reihenbebauung zu sein“ - also Häuser, die etwas dazwischen oder beides zusammen sind. Krischanitz nennt die kompakt aneinander gedrängte Doppelreihe von Häusern altmodisch „Villenkolonie“. Die „stille Sehnsucht nach dem Einzelhaus“ soll mit dem sparsamen Umgang mit der Baulandschaft vereint werden - und das auf höchstem architektonischem Niveau. Vorzeigbar und vorbildlich von allerbesten Architekten erdacht, entworfen und erbaut. Die neue Mustersiedlung in Hadersdorf bei Wien ist als temporäre Bauausstellung konzipiert: Nach deren Fertigstellung sollen die Häuser mehrere Monate lang zu besichtigen sein, erst nachher können sie gekauft werden. Hoffentlich geht es Krischanitz dabei nicht wie seinem Vorbild Josef Frank vor siebzig Jahren.

Adolf Krischanitz' Leidenschaft dürfte 1984/1985 entstanden sein. Damals renovierten er und Otto Kapfinger - mustergültig für den Umgang mit der klassischen Moderne - eine der bedeutendsten Vorzeigesiedlungen der Architekturgeschichte: die Werkbundsiedlung in Wien. Von Josef Frank initiiert und geplant, wurde sie zusammen mit weltberühmten Architekten wie Rietveld, Loos, Hoffmann, Schütte-Lihotzky, Neutra, Häring oder den Brüdern Luçart 1932 errichtet. Die siebzig eingerichteten Häuser konnten besichtigt und erworben werden. Verkauft wurde ein einziges Haus - das des damals noch kaum bekannten Wiener Architekten Oskar Haerdtl.

1988 hat Krischanitz die Architekten Jaqcues Herzog/Pierre de Meuron aus Basel und Otto Steidle aus München eingeladen, gemeinsam in Wien-Aspern die Siedlung Pilotengasse zu bauen. Sie zählt zu den anspruchsvollsten in Wien, in Österreich, in Europa. Bei dem neuen Experiment ist Steidle wieder dabei. Mit dem Haus Nummer 4 legt er einen ungemein ausgeklügelten Entwurf von Wohnungen vor, die von „unterschiedlicher Mentalität der Räume“ ausgehen und über drei Geschoße reichen. Im Video-Interview nennt Steidle den anderen Schwerpunkt bei diesem Krischanitz-Projekt: die allgemeine Sehnsucht nach Leben im Eigenheim und ihre Folgen - was in Deutschland rund zwei Millionen Einfamilienhäuser ergeben würde. Aneinander gereiht würden diese die Strecke von München nach Hamburg und zurück säumen.

Krischanitz' neue Mustersiedlung wird nun unter dem rätselhaften Titel „9=12. Neues Wohnen in Wien“ im Architektur Zentrum Wien vorgestellt. Die Ausstellung ist klein, spröde und wirkt grausam, weil das gänzlich aus Beton gegossene Architekturmodell, das im Mittelpunkt der Schau steht, wie die archäologische Rekonstruktion einer antiken Nekropolis wirkt. Nicht zuletzt wegen des Hauses Nummer 3 von Hans Kollhoff (Berlin), das wie ein antiker Kleintempel oder ein antikes, tempelartiges Grabmal aussieht. Der Modell-Hang ist aus Beton, ebenso wie die zwölf prototypischen Einzelhäuser, die demnächst in einem Zersiedlungsgebiet im Weichbild Wiens von neun ehrgeizigen Architekten - ebenfalls zur Gänze aus Beton - errichtet werden sollen. Daher die ehrgeizig von den Mathematikregeln abweichende Gleichung 9=12 im Titel. Sie ist dennoch falsch, weil die mitarbeitende Grüngestalterin Anna Detzlhofer zur erlesenen Männerrunde nicht hinzugezählt wird, obwohl sie ein überaus interessantes Konzept vorgelegt hat. Sie darf aber mitreden - in einem der zehn Interviewvideos. Für die Gestaltung der Freiräume auf dem 4100 Quadratmeter großen Baugrundstück am südexponierten Hang in der Nähe der Westbahn hat sie sich am Camouflage-Design orientiert: Auf dem Grünraum-Plan sieht das dann so aus, als wären aus einer Tarnplane zwölf viereckige Löcher ausgeschnitten.

Die Ausstellung im Architektur Zentrum besteht aus drei Teilen: aus dem grauenvollen Großmodell; aus Schautafeln mit Schnitten, Grundrissen und Kleinmodellen; und aus einer Doppelreihe von Monitoren. Die Videos, die da zu sehen sind, geben Auskunft darüber, wie die Architektenmänner die harte Nuss knacken wollen: Es gilt, das unbehagliche Baumaterial Beton bekömmlich zu machen für die Romantiker des gediegenen Wohnens im Grünen. Das harte Experiment wird von der Zementindustrie finanziert. „Das Projekt ist grausam“, gesteht der Zürcher Architekt Roger Diener in seinem Videoauftritt, meint damit aber nicht den vorgeschrieben Baustoff Beton, sondern die grausam einfachen Bedingungen, die so wenig komplex sind, dass man sich alles ausdenken kann, ohne auf irgendwelche technischen Hilfsmittel zurückgreifen zu müssen. Den Baustoff Beton lobt Diener über alles, er schätzt dessen „Eindeutigkeit, die Direktheit seiner Erscheinung“.

Das Projekt mag grausam einfach sein und seine Präsentation grausam erscheinen. Sobald man sich die Zeit nimmt - viel Zeit übrigens, um sich in die meist ungemein originellen Wohnungskonzepte einzudenken und sich die gescheiten Aussagen der teilnehmenden Architekten in den vortrefflichen Videoaufnahmen von Othmar Schmiderer anzuhören -, wird eines klar: „9=12“ ist die interessanteste Ausstellung, die bisher im Architektur Zentrum Wien zu sehen gewesen ist. Und die lehrreichste: Sie stellt Krischanitz' bisher härtestes Architekturexperiment vor. Daher sollte man die Werkvorträge der neun beteiligten Architekten nicht versäumen.

15. Oktober 2002Franziska Leeb
Der Standard

„Architekten brauchen die Herausforderung“

(SUBTITLE) Wohnen

Eine Wiener Mustersiedlung setzt neue Akzente in puncto Qualität. Die Projektentwicklung wird von der Industrie unterstützt. Im Jahr 2004 soll die Hütteldorfer Villenkolonie mit feinsten Betondetails fertig sein.

Eine Wiener Mustersiedlung setzt neue Akzente in puncto Qualität. Die Projektentwicklung wird von der Industrie unterstützt. Im Jahr 2004 soll die Hütteldorfer Villenkolonie mit feinsten Betondetails fertig sein.

Zwölf Häuser von neun Architekten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich sollen am Wiener Stadtrand bald als Musterbeispiel dafür dienen, zu welch hochqualitativen Ergebnissen die engagierte Zusammenarbeit von Architekten und Bauindustrie führen kann.

Der Architekt Adolf Krischanitz, der in den 80er-Jahren gemeinsam mit Otto Kapfinger die Renovierung der Werkbundsiedlung leitete, initiierte das Projekt gemeinsam mit dem Zementkonzern Lafarge-Perlmooser. Auf dem Grundstück in Hütteldorf am Mauerbach soll eine „Villenkolonie“ entstehen, die sowohl das Bedürfnis nach dem Einzelhaus im Grünen befriedigt als auch in dichter Bauweise städtebaulicher und ökonomischer Vernunft entspricht.

Ein zusätzliches Thema: das Potenzial des Werkstoffs Beton auszuschöpfen, der im Wohnbau meist versteckt und in seinen simpelsten Ausführungen zur Anwendung kommt. Die Projektentwicklung wird von einer Sponsorengruppe aus der (Bau-)Industrie finanziert. Die Bauträger Österreichisches Siedlungswerk und GSG werden die Siedlung bis 2004 realisieren. Um moderne Siedlungskonzepte oder innovative Baumethoden zu forcieren, erwies sich die Errichtung von Mustersiedlungen schon öfter als probates Mittel.

Die Wiener Werkbundsiedlung, errichtet 1930-32 unter der Leitung von Josef Frank, ist hierzulande wohl das bedeutendste Beispiel für eine dichte Packung hochqualitativer Wohnhäuser innerhalb einer städtebaulichen Idee. Nach diesem Meilenstein wird mit „9 - Neues Wohnen in Wien“ ein weiteres - wenn auch im Umfang bescheideneres - Vorzeigeprojekt auf höchstem Qualitätslevel in Angriff genommen. Für das angepeilte Niveau sollten die von Architekt Krischanitz ausgewählten Kollegen stehen.

Hermann Czech, Roger Diener, Max Dudler, Peter Märkli, Marcel Meili und Markus Peter, Hans Kollhoff, Otto Steidle und Heinz Tesar stehen als Garanten dafür, dass die Siedlung kein Experiment im negativen Sinn eines riskanten Unterfangens ist. Experimentell ist der gemeinsame Entwicklungsprozess in Kooperation mit der Industrie. „Architekten brauchen die Herausforderung“, sagt Krischanitz. Er erstellte einen Masterplan, bebaut davon zwei Eckparzellen selbst, die übrigen Parzellen wurden per Los zugewiesen.

Die Herausforderung hat offenbar stimulierend gewirkt. An räumlich und funktionell bestens disponierten Wohnungstypen und feinsten Beispielen in Sachen Betonanwendung mangelt es nicht. Krischanitz wartet zum Beispiel mit fünf vertikalen Funktionsachsen auf, in denen die gesamte Infrastruktur konzentriert ist, während die dazwischen gespannten Wohnflächen frei disponierbar bleiben. Seinen zweiten Bauteil gliedert er in drei Einzelhäuser mit einer außen liegenden Dämmschicht aus Foamglas als Träger eines „Pflanzenkleides“.

Innerhalb von Roger Dieners strengem Baukörper mit gewellter Betonfassade bilden vier jeweils zweigeschoßige Wohnungen mit überhohen Wohnräumen ein komplexes Geflecht. Dudler zelebriert im anthrazitfarbenen Quader mit langen schmalen Fensterschlitzen die Intimität der Privatsphäre.

Märkli schichtet drei Terrassenwohnungen übereinander, wobei der Offenheitsgrad der Zimmer durch Faltwände variabel ist. Herman Czech bringt in seinem Block drei ein- bis dreigeschoßigen Wohnungen mit gemeinsamem Glashaus unter und verzichtet nach außen auf das Manifestieren eines bestimmten Images.

Auch Tesar, Steidle sowie Meili und Peter warten mit mehrgeschoßigen Wohnungen auf. Auf den ersten Blick wie ein retrospektiver Gag wirkt der Beitrag Hans Kollhoffs mit einer repräsentativen Säulenloggia.

Die historisierende Hülle ist durchaus ernst gemeint und soll ein „unmissverständlich städtisches Haus“ ausweisen.

17. September 2002Isabella Marboe
Die Presse

Wohnbeton in Hütteldorf am Mauerbach

Das Architekturzentrum Wien zeigt „9=12 - Neues Wohnen in Wien.“ Eine wirkliche Neuerung im Wohnbau bringt das präsentierte Modell nicht.

Das Architekturzentrum Wien zeigt „9=12 - Neues Wohnen in Wien.“ Eine wirkliche Neuerung im Wohnbau bringt das präsentierte Modell nicht.

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29. September 2001Ute Woltron
Der Standard

Ganz nackig ist der Beton am schönsten

Adolf Krischanitz organisiert eine Massivbau-Mustersiedlung für Wien

Adolf Krischanitz organisiert eine Massivbau-Mustersiedlung für Wien

Neun internationale Architekten wollen am Wienerwald-Rand im 14. Bezirk eine Mustersiedlung errichten, die nicht nur ihren künftigen Bewohnern, sondern vor allem dem hierzulande imagemäßig ein wenig unterkühlten Baustoff Beton huldigt. Beton ist sozusagen verflüssigter, in Form gegossener, wieder hart gewordener Stein, und er kann ein fades, aber auch ungemein aufregendes Architekturmaterial sein. Wenn er präzise verarbeitet wurde, ist er nackt, wie die Schalung ihn schuf, eigentlich am schönsten.

Dass der traditionsreiche Baustoff sich heutzutage viel zu oft von aufgepappten Oberflächen und Fassaden verkleiden lassen muss, schmerzt seine Liebhaber, und die befinden sich natürlich vor allem unter den Architekten. Der Wiener Adolf Krischanitz, dem angesichts seiner meist ordentlich massiven Architekturen ein fast erotisches Verhältnis zu Betonmischern nachgesagt werden darf, hatte deshalb gemeinsam mit den Betonierern von Lafarge-Perlmooser die Idee zu einer architektonischen Beton-Offensive in Form einer Mustersiedlung: Im vergangenen Jahr planten die Architekten Peter Märkli, Marcel Meili & Markus Peter, Roger Diener (alle Schweiz), Hans Kollhoff, Otto Steidle (Deutschland) sowie die österreichischen Kollegen Hermann Czech, Heinz Tesar und Adolf Krischanitz eine solche, fanden in der GSG und dem Österreichischen Siedlungswerk Bauträger sowie aktive Unterstützung aus der Bauindustrie, die sich zu einem Sponsorenkonsortium (Alu König Stahl, doka, Ernstbrunner Kalktechnik, Foamglas, Lafarge-Perlmooser, Oberndorfer, Schiedel, UTA) vereinigt hat. Gruppensprecher Johann Marchner: „Wir sind auf der gemeinsamen Suche nach Innovation, die den Wohnwert und Wohnnutzen hebt.“

Nach Krischanitz' säuberlichem, übersichtlichem Masterplan werden zwölf Mehrfamilien-Wohnhäuser entstehen, eingebettet in eine ansehnliche Menge Grün. Wiens Planungschef Rudolf Schicker steht dem Projekt nicht zuletzt deshalb wohlwollend gegenüber, weil die relativ lockere, das Platzangebot dennoch ökonomisch nutzende Siedlung Vorbild für ein „neues Wohnen in Wien“ sein könnte. Die einzelnen Entwürfe sind höchst unterschiedlich, nicht alle wirklich kreativ, einige jedoch durchaus interessant. Kollhoff stellt eine Art Südstaatenvilla auf die Wiener-Wald-Wiese, Märkli hat sich offenbar De-Stijl-Villen genauer angeschaut, Tesar ist es deklariertermaßen wurscht, wer den Einkauf über das Stiegerl in den zweiten Stock schleppen darf. Kreativ sind hingegen die drei Wohnskulpturen, die Krischanitz aus dem ihm - übrigens via Los - zugeteilten Block sprengt, erfrischend auch der Ansatz von Czech, der die zur Verfügung stehenden betonenen Speichermassen mit einem Wintergarten zum energiesparenden Passivhaus veredelt, und interessant, wie Roger Diener mit verschiedenen Raumhöhen jongliert.

Die Planungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen, die Tugenden des Betons werden weiter erforscht, und im Frühjahr sollen die endgültigen Projekte einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert werden.

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