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Texte

09. Juli 2024Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Irrwitzige Riesenbauten, Designer-Inseln im Meer – solange das Erdöl sprudelt, ist Saudiarabien ein Paradies für Architekten

Das Weltkulturzentrum Ithra in Dhahran ist derzeit das eindrücklichste zeitgenössisches Bauwerk im Golfstaat – aber nicht das einzige Ausnahmeprojekt.

Das Weltkulturzentrum Ithra in Dhahran ist derzeit das eindrücklichste zeitgenössisches Bauwerk im Golfstaat – aber nicht das einzige Ausnahmeprojekt.

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17. Juni 2022Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lausannes Meisterleistung: Die Harmonie des neuen Museumsviertels lässt dessen Entstehungsgeschichte vergessen

Städtebaulich ist Lausanne ein Glanzstück gelungen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Ein genauer Blick verrät, wieso der Minimalismus am Genfersee nicht zu karg wirkt.

Städtebaulich ist Lausanne ein Glanzstück gelungen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Ein genauer Blick verrät, wieso der Minimalismus am Genfersee nicht zu karg wirkt.

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10. Mai 2021Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bangkoks exzentrische Wolkenkratzer bilden eine Kulisse, die an Science-Fiction erinnert

Im Höhenrausch drängt die Skyline von Bangkok das Bild der beschaulichen Kolonialstadt zurück, auch wenn die Architekturführer weiterhin fast nur dieses abbilden.

Im Höhenrausch drängt die Skyline von Bangkok das Bild der beschaulichen Kolonialstadt zurück, auch wenn die Architekturführer weiterhin fast nur dieses abbilden.

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07. August 2020Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Natur in der Stadt spriesst und blüht auch im Klimawandel

Die vielfältige Pflanzenwelt der Stadt Zürich lässt uns Flaneure vom Süden träumen

Die vielfältige Pflanzenwelt der Stadt Zürich lässt uns Flaneure vom Süden träumen

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18. April 2020Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Herzog & de Meurons mehrfache Synthesen in Hongkong

Im Tai-Kwun-Kulturzentrum verbanden Herzog & de Meuron Bauten aus der Kolonialzeit mit einer aluminiumverkleideten Science-Fiction. In ihrem laufenden Projekt M+ im West Kowloon Cultural District aber fehlt der städtische Kontext.

Im Tai-Kwun-Kulturzentrum verbanden Herzog & de Meuron Bauten aus der Kolonialzeit mit einer aluminiumverkleideten Science-Fiction. In ihrem laufenden Projekt M+ im West Kowloon Cultural District aber fehlt der städtische Kontext.

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05. März 2020Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lausanne zelebriert die Unendlichkeit von Rippen und Treppen

Mit dem Musée cantonal des Beaux-Arts schaffen die spanischen Architekten Barozzi Veiga ein Raumwunder. Seine Vorgeschichte ist allerdings vertrackt.

Mit dem Musée cantonal des Beaux-Arts schaffen die spanischen Architekten Barozzi Veiga ein Raumwunder. Seine Vorgeschichte ist allerdings vertrackt.

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27. November 2019Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Tel Aviv und sein Bauhaus-Erbe: ein Meer aus weissen Zuckerwürfeln

Im Bauhaus-Jahr feiert sich Tel Aviv mit der Eröffnung des White City Center als Inbegriff der modernen Stadt.

Im Bauhaus-Jahr feiert sich Tel Aviv mit der Eröffnung des White City Center als Inbegriff der modernen Stadt.

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16. August 2019Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ideen für die Stadt im Dichtestress: Erst die Vielfalt macht das Vergnügen

Das Rotterdamer Architekturbüro MDRDV denkt über einen intelligenten Umgang mit unseren Landressourcen nach und macht gleich vor, wie viel Spass im vertikalen Dorf und in der vertikalen Stadt steckt.

Das Rotterdamer Architekturbüro MDRDV denkt über einen intelligenten Umgang mit unseren Landressourcen nach und macht gleich vor, wie viel Spass im vertikalen Dorf und in der vertikalen Stadt steckt.

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Presseschau 12

09. Juli 2024Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Irrwitzige Riesenbauten, Designer-Inseln im Meer – solange das Erdöl sprudelt, ist Saudiarabien ein Paradies für Architekten

Das Weltkulturzentrum Ithra in Dhahran ist derzeit das eindrücklichste zeitgenössisches Bauwerk im Golfstaat – aber nicht das einzige Ausnahmeprojekt.

Das Weltkulturzentrum Ithra in Dhahran ist derzeit das eindrücklichste zeitgenössisches Bauwerk im Golfstaat – aber nicht das einzige Ausnahmeprojekt.

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17. Juni 2022Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lausannes Meisterleistung: Die Harmonie des neuen Museumsviertels lässt dessen Entstehungsgeschichte vergessen

Städtebaulich ist Lausanne ein Glanzstück gelungen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Ein genauer Blick verrät, wieso der Minimalismus am Genfersee nicht zu karg wirkt.

Städtebaulich ist Lausanne ein Glanzstück gelungen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Ein genauer Blick verrät, wieso der Minimalismus am Genfersee nicht zu karg wirkt.

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10. Mai 2021Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bangkoks exzentrische Wolkenkratzer bilden eine Kulisse, die an Science-Fiction erinnert

Im Höhenrausch drängt die Skyline von Bangkok das Bild der beschaulichen Kolonialstadt zurück, auch wenn die Architekturführer weiterhin fast nur dieses abbilden.

Im Höhenrausch drängt die Skyline von Bangkok das Bild der beschaulichen Kolonialstadt zurück, auch wenn die Architekturführer weiterhin fast nur dieses abbilden.

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07. August 2020Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Natur in der Stadt spriesst und blüht auch im Klimawandel

Die vielfältige Pflanzenwelt der Stadt Zürich lässt uns Flaneure vom Süden träumen

Die vielfältige Pflanzenwelt der Stadt Zürich lässt uns Flaneure vom Süden träumen

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18. April 2020Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Herzog & de Meurons mehrfache Synthesen in Hongkong

Im Tai-Kwun-Kulturzentrum verbanden Herzog & de Meuron Bauten aus der Kolonialzeit mit einer aluminiumverkleideten Science-Fiction. In ihrem laufenden Projekt M+ im West Kowloon Cultural District aber fehlt der städtische Kontext.

Im Tai-Kwun-Kulturzentrum verbanden Herzog & de Meuron Bauten aus der Kolonialzeit mit einer aluminiumverkleideten Science-Fiction. In ihrem laufenden Projekt M+ im West Kowloon Cultural District aber fehlt der städtische Kontext.

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05. März 2020Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lausanne zelebriert die Unendlichkeit von Rippen und Treppen

Mit dem Musée cantonal des Beaux-Arts schaffen die spanischen Architekten Barozzi Veiga ein Raumwunder. Seine Vorgeschichte ist allerdings vertrackt.

Mit dem Musée cantonal des Beaux-Arts schaffen die spanischen Architekten Barozzi Veiga ein Raumwunder. Seine Vorgeschichte ist allerdings vertrackt.

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27. November 2019Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Tel Aviv und sein Bauhaus-Erbe: ein Meer aus weissen Zuckerwürfeln

Im Bauhaus-Jahr feiert sich Tel Aviv mit der Eröffnung des White City Center als Inbegriff der modernen Stadt.

Im Bauhaus-Jahr feiert sich Tel Aviv mit der Eröffnung des White City Center als Inbegriff der modernen Stadt.

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16. August 2019Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ideen für die Stadt im Dichtestress: Erst die Vielfalt macht das Vergnügen

Das Rotterdamer Architekturbüro MDRDV denkt über einen intelligenten Umgang mit unseren Landressourcen nach und macht gleich vor, wie viel Spass im vertikalen Dorf und in der vertikalen Stadt steckt.

Das Rotterdamer Architekturbüro MDRDV denkt über einen intelligenten Umgang mit unseren Landressourcen nach und macht gleich vor, wie viel Spass im vertikalen Dorf und in der vertikalen Stadt steckt.

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14. Dezember 2018Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Digitale Zukunftswelten: Ein neues Museum in Helsinki schafft Platz auch für die Kunst von morgen

Coole, alt und neu verschmelzende Architektur: das Amos Rex zeigt, dass die einst vielbewunderte finnische Baukunst wieder zu kreativen Höhenflügen fähig ist. Und die dynamische Eröffnungsschau spricht unmittelbar die Sinne an: Gezeigt werden die neusten interaktiven Möglichkeiten der Kunst.

Coole, alt und neu verschmelzende Architektur: das Amos Rex zeigt, dass die einst vielbewunderte finnische Baukunst wieder zu kreativen Höhenflügen fähig ist. Und die dynamische Eröffnungsschau spricht unmittelbar die Sinne an: Gezeigt werden die neusten interaktiven Möglichkeiten der Kunst.

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30. Juli 2018Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Himmlische Grenzen. In Mumbai schiessen die luxuriösen Wohnhäuser in die Höhe

Für die wachsende Zahl Wohlhabender entstehen in der indischen Metropole Mumbai Hunderte von Wohnhochhäusern. Manche verfügen nicht nur über einen Heliport auf dem Dach, sondern auch über hängende Gärten.

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09. April 2018Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Warum der König von Neapel dafür sorgte, dass nicht jeder nach Pompeji konnte

Am Anfang durften nur ausgewählte Besucher in die frisch entdeckte Römerstadt am Vesuv. Zeichnen durfte dort erst recht nicht jeder. Das Museo Max in Chiasso zeigt nun frühe Bilder der Ausgrabungen. Dabei wird klar, wie begierig Informationen über die geheimnisumwitterten Fundorte aufgenommen wurden.

Am Anfang durften nur ausgewählte Besucher in die frisch entdeckte Römerstadt am Vesuv. Zeichnen durfte dort erst recht nicht jeder. Das Museo Max in Chiasso zeigt nun frühe Bilder der Ausgrabungen. Dabei wird klar, wie begierig Informationen über die geheimnisumwitterten Fundorte aufgenommen wurden.

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15. Januar 2018Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Herzog & de Meuron perfektionieren die Villa als Reihenhaus

Eine Upper-Class-Wohnanlage von Herzog & de Meuron zelebriert die Schönheit des Ortes auf wirklich vornehme Weise.

Eine Upper-Class-Wohnanlage von Herzog & de Meuron zelebriert die Schönheit des Ortes auf wirklich vornehme Weise.

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21. November 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Mailand in den Alpen

Die bildhaften Bauten von Armando Ronca werden von Architekten verehrt und drohen trotzdem zu verfallen. Eine Ausstellung in Südtirol erinnert an das grosse Erbe des Baukünstlers.

Die bildhaften Bauten von Armando Ronca werden von Architekten verehrt und drohen trotzdem zu verfallen. Eine Ausstellung in Südtirol erinnert an das grosse Erbe des Baukünstlers.

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03. August 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein architektonisches Meisterwerk sorgt für Glamour am Lago Maggiore

Locarno hat sich zum Jubiläum des Filmfestivals einen neuen Kinopalast geschenkt. Der spanische Architekt Alejandro Zaera-Polo verwandelte ein schmuckes Schulhaus in einen spektakulären Kunsttempel.

Locarno hat sich zum Jubiläum des Filmfestivals einen neuen Kinopalast geschenkt. Der spanische Architekt Alejandro Zaera-Polo verwandelte ein schmuckes Schulhaus in einen spektakulären Kunsttempel.

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verknüpfte Bauwerke
Palacinema Locarno

18. Juli 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Was Baukunst zu leisten vermag

Im Zeichen der Verdichtung wird immer mehr wertvolle Bausubstanz zerstört. Das Beispiel der Franzensfeste in Südtirol lehrt nun, wie Altbauten ebenso subtil wie kunstvoll revitalisiert werden können.

Im Zeichen der Verdichtung wird immer mehr wertvolle Bausubstanz zerstört. Das Beispiel der Franzensfeste in Südtirol lehrt nun, wie Altbauten ebenso subtil wie kunstvoll revitalisiert werden können.

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11. Mai 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Suburbia am Zürichsee

Auch Zürich tendiert dazu, das Aussehen eines seelenlosen Vororts anzunehmen – eine Architekturkritik.

Auch Zürich tendiert dazu, das Aussehen eines seelenlosen Vororts anzunehmen – eine Architekturkritik.

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04. Mai 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gartenpavillon und Kunstvilla

Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel ist dank ihrer Sammlung und ihren Ausstellungen das meistbesuchte Museum der Schweiz. Nun soll es eine Erweiterung von Peter Zumthor erhalten.

Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel ist dank ihrer Sammlung und ihren Ausstellungen das meistbesuchte Museum der Schweiz. Nun soll es eine Erweiterung von Peter Zumthor erhalten.

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verknüpfte Bauwerke
Erweiterung Fondation Beyeler



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Erweiterung Fondation Beyeler

13. April 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine baukünstlerische Wunderwelt

Das neue, vom Atelier Cube realisierte Waadtländer Parlamentsgebäude ist ein gebauter Dialog zwischen Alt und Neu. Es verleiht der Lausanner Cité einen diskret modernen architektonischen Akzent.

Das neue, vom Atelier Cube realisierte Waadtländer Parlamentsgebäude ist ein gebauter Dialog zwischen Alt und Neu. Es verleiht der Lausanner Cité einen diskret modernen architektonischen Akzent.

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verknüpfte Bauwerke
Waadtländer Parlamentsgebäude

11. April 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Geschenk der Katastrophe

Mit seinen Büchern begründete Johann Joachim Winckelmann die moderne Kunstwissenschaft, wie eine sehenswerte Ausstellung in Chiasso zeigt. Sie regt dazu an, in der Pompeji-Literatur zu blättern.

Mit seinen Büchern begründete Johann Joachim Winckelmann die moderne Kunstwissenschaft, wie eine sehenswerte Ausstellung in Chiasso zeigt. Sie regt dazu an, in der Pompeji-Literatur zu blättern.

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30. März 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kritik am französischen Städtebau

Angewidert durch die städtebaulichen Entwicklungen in Frankreich, holte Jean Nouvel jüngst in «Le Monde» zum Rundschlag aus. Ein ähnliches Engagement wünschte man sich auch von Schweizer Architekten.

Angewidert durch die städtebaulichen Entwicklungen in Frankreich, holte Jean Nouvel jüngst in «Le Monde» zum Rundschlag aus. Ein ähnliches Engagement wünschte man sich auch von Schweizer Architekten.

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01. März 2017Tobias Bühlmann
Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Drei Spanier gewinnen renommierte Architekturauszeichnung

Der diesjährige Pritzker-Preis geht an die drei spanischen Architekten Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Wilalta. Der Preis gilt als die prestigeträchtigste Auszeichnung für den Berufsstand.

Der diesjährige Pritzker-Preis geht an die drei spanischen Architekten Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Wilalta. Der Preis gilt als die prestigeträchtigste Auszeichnung für den Berufsstand.

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verknüpfte Akteure
RCR Arquitectes

01. März 2017Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Subtile Meisterwerke

Mit der Verleihung des Pritzkerpreises 2017 an Aranda Pigem Vilalta betont die Jury die Bedeutung der Gratwanderung zwischen regionalistischem Engagement und globalem Formverständnis.

Mit der Verleihung des Pritzkerpreises 2017 an Aranda Pigem Vilalta betont die Jury die Bedeutung der Gratwanderung zwischen regionalistischem Engagement und globalem Formverständnis.

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verknüpfte Akteure
RCR Arquitectes

28. Dezember 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Glanzlichter

Der noch nicht einmal 40 Jahre alte Campus der ETH Lausanne wurde als Modellstadt auf der grünen Wiese errichtet. Heute machen ihn aussergewöhnliche Bauten zum Wallfahrtsort für Architekturliebhaber.

Der noch nicht einmal 40 Jahre alte Campus der ETH Lausanne wurde als Modellstadt auf der grünen Wiese errichtet. Heute machen ihn aussergewöhnliche Bauten zum Wallfahrtsort für Architekturliebhaber.

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05. November 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Mit geblähten Segeln

Die soeben vollendete Hamburger Elbphilharmonie setzt dem Schaffen von Herzog & de Meuron die Krone auf. Sie lässt vielschichtige Bezüge zu anderen Werken der Basler Architekten herstellen.

Die soeben vollendete Hamburger Elbphilharmonie setzt dem Schaffen von Herzog & de Meuron die Krone auf. Sie lässt vielschichtige Bezüge zu anderen Werken der Basler Architekten herstellen.

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verknüpfte Bauwerke
Elbphilharmonie Hamburg

02. November 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine weissglänzende Muschel am Tejo

Lissabon feiert die von der Londonerin Amanda Levete realisierte neue Kunsthalle des Museu de Arte, Arquitetura e Tecnologia. Sie ist eines von mehreren interessanten Neubauprojekten am Tejo-Ufer.

Lissabon feiert die von der Londonerin Amanda Levete realisierte neue Kunsthalle des Museu de Arte, Arquitetura e Tecnologia. Sie ist eines von mehreren interessanten Neubauprojekten am Tejo-Ufer.

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20. Oktober 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine Pyramide für Afrika

Beim Volksaufstand von 2014 wurde das Parlamentsgebäude von Burkina Faso in Ouagadougou zerstört. Nun schlägt der in Berlin tätige burkinabische Architekt Diébédo Francis Kéré einen Neubau in Form einer Pyramide vor.

Beim Volksaufstand von 2014 wurde das Parlamentsgebäude von Burkina Faso in Ouagadougou zerstört. Nun schlägt der in Berlin tätige burkinabische Architekt Diébédo Francis Kéré einen Neubau in Form einer Pyramide vor.

Der renommierte afrikanische Architekt Diébédo Francis Kéré, der 2010 mit dem BSI Swiss Architectural Award ausgezeichnet wurde, baut das neue Gebäude der Nationalversammlung seines Heimatlandes Burkina Faso in Ouagadougou. Kéré, der zuvor schon mehrere kleine Bauten in seinem Geburtsdorf Gando realisieren konnte, arbeitet heute in Berlin. In seinem Berliner Studio konzipierte er das neue Parlamentsgebäude in Form einer flachen Pyramide aus Beton und Naturstein.

Die schrägen, teilweise abgetreppten Oberflächen der Pyramide sollen begehbar sein und auf den Schmalseiten Gartenterrassen aufweisen, auf welchen neue, dem Savannenklima des trockenheissen Landes angepasste Landwirtschaftstechniken getestet werden können. Durch die Pyramidentreppen soll Licht in einen darunter sich weitenden Vorhof gelangen, der an einen traditionellen Dorfplatz erinnert, wo sich die Ältesten im Schatten eines grossen Baums versammeln. Von hier aus betritt man das Parlamentsgebäude. Dieses bietet einen Versammlungssaal für die 127 Abgeordneten des Landes.

Diébédo Francis Kérés Entwurf sieht ausserdem die Umgestaltung des alten Parlamentsgebäudes, das 2014 während des Volksaufstands gegen die autoritäre Herrschaft des langjährigen Staatschefs Blaise Compaoré zerstört worden war, in ein Denkmal für die Opfer des Aufstands inmitten eines baumbestandenen Platzes vor. Sollte das Parlamentsgebäude dereinst realisiert werden, so könnte es zu einer Ikone der zeitgenössischen Architektur in Afrika werden.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2016.10.20

12. Oktober 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Barcelonas faszinierende Kleinbauten

Einst klotzten die Architekten in Barcelona mit monumentalen Gebäuden. Doch nun werden zwei kleine Bauten, ein Jachtklub und ein Informationspavillon, als neue Attraktionen der Stadt gefeiert.

Einst klotzten die Architekten in Barcelona mit monumentalen Gebäuden. Doch nun werden zwei kleine Bauten, ein Jachtklub und ein Informationspavillon, als neue Attraktionen der Stadt gefeiert.

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08. Oktober 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Junya Ishigamis Glashäuser

Vor zehn Jahren wurde der BSI Swiss Architectural Award ins Leben gerufen. Nach dem Ende der Bank ist seine Zukunft ungewiss. Wie wichtig der Preis ist, zeigt nun eine Schau in Mendrisio.

Vor zehn Jahren wurde der BSI Swiss Architectural Award ins Leben gerufen. Nach dem Ende der Bank ist seine Zukunft ungewiss. Wie wichtig der Preis ist, zeigt nun eine Schau in Mendrisio.

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26. September 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kunststadt am Golf

Jean Nouvel baut derzeit mit dem Louvre Abu Dhabi das neuste Wahrzeichen der Vereinigten Arabischen Emirate. Doch immer neue Verzögerungen bewirkten, dass das Museum erst 2017 eröffnet werden kann.

Jean Nouvel baut derzeit mit dem Louvre Abu Dhabi das neuste Wahrzeichen der Vereinigten Arabischen Emirate. Doch immer neue Verzögerungen bewirkten, dass das Museum erst 2017 eröffnet werden kann.

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24. September 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein graues Felsenriff

Zum neueröffneten Erweiterungsbau des Landesmuseums äusserten sich die Fachleute bisher nur verhalten. Das dunkle, schroffe Betongebirge wirft Fragen zur architektonischen Kultur von heute auf.

Zum neueröffneten Erweiterungsbau des Landesmuseums äusserten sich die Fachleute bisher nur verhalten. Das dunkle, schroffe Betongebirge wirft Fragen zur architektonischen Kultur von heute auf.

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verknüpfte Bauwerke
Schweizerisches Landesmuseum - Erweiterung

21. September 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Mondäne Moderne

Mit Hotels und Villen hielt die moderne Architektur Einzug in den Bergen. Im Engadin tat man sich mit ihr schwer, auf dem Bürgenstock und im Tessin aber wurde sie zum Inbegriff des mondänen Lebens.

Mit Hotels und Villen hielt die moderne Architektur Einzug in den Bergen. Im Engadin tat man sich mit ihr schwer, auf dem Bürgenstock und im Tessin aber wurde sie zum Inbegriff des mondänen Lebens.

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12. August 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukunst im Bild

Bisher war das Musée des Beaux-Arts von Le Locle vor allem für seine Grafikausstellungen bekannt. Nun überrascht es – passend zur baukünstlerischen Tradition der Stadt – mit Architekturfotografie.

Bisher war das Musée des Beaux-Arts von Le Locle vor allem für seine Grafikausstellungen bekannt. Nun überrascht es – passend zur baukünstlerischen Tradition der Stadt – mit Architekturfotografie.

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03. August 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schönheit und Gefahr

Das Lausanner Designmuseum Mudac zeigt derzeit drei Ausstellungen, die von Weltaneignung, vom Umgang mit Ängsten und von der Begegnung mit dem Schönen erzählen.

Das Lausanner Designmuseum Mudac zeigt derzeit drei Ausstellungen, die von Weltaneignung, vom Umgang mit Ängsten und von der Begegnung mit dem Schönen erzählen.

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28. Juli 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Hightech und Stadtgemüse

Mit Design lässt sich die Welt nicht retten. Dennoch versuchen fünfzehn Mailänder Institutionen im Rahmen der diesjährigen Triennale, Wege in eine bessere Zukunft aufzuzeigen.

Mit Design lässt sich die Welt nicht retten. Dennoch versuchen fünfzehn Mailänder Institutionen im Rahmen der diesjährigen Triennale, Wege in eine bessere Zukunft aufzuzeigen.

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01. Juli 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Blätterdach aus Stahl

Auf der vor Abu Dhabi gelegenen Insel Saadiyat entsteht eine Neustadt, deren kulturelle Attraktion mehrere Museen sein werden. Fast vollendet ist Jean Nouvels Louvre Abu Dhabi.

Auf der vor Abu Dhabi gelegenen Insel Saadiyat entsteht eine Neustadt, deren kulturelle Attraktion mehrere Museen sein werden. Fast vollendet ist Jean Nouvels Louvre Abu Dhabi.

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28. Juni 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Urbane Prototypen

Der Grossraum Zürich ist geprägt von architektonischem Mittelmass. Deswegen sind die Architekturpreise, mit denen Stadt und Kanton Zürich die baukünstlerische Qualität zu heben suchen, so wichtig.

Der Grossraum Zürich ist geprägt von architektonischem Mittelmass. Deswegen sind die Architekturpreise, mit denen Stadt und Kanton Zürich die baukünstlerische Qualität zu heben suchen, so wichtig.

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23. Juni 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schöne Spitze des Eisbergs

Nach fünfjähriger Planungs- und Bauzeit kann in Chur der Neubau des Bündner Kunstmuseums eröffnet werden. Die kongeniale Erweiterung der historischen Villa Planta besitzt schweizweite Strahlkraft.

Nach fünfjähriger Planungs- und Bauzeit kann in Chur der Neubau des Bündner Kunstmuseums eröffnet werden. Die kongeniale Erweiterung der historischen Villa Planta besitzt schweizweite Strahlkraft.

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verknüpfte Bauwerke
Bündner Kunstmuseum, Erweiterungsbau

17. Juni 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Babylonischer Höhenrausch

Wolkenkratzer sind schon lange Ausdruck von Wirtschaftsmacht und prestigeorientiertem Stadtmarketing. Nun entdecken Superreiche von Manhattan bis Sydney die Attraktivität luxuriöser Apartmenttürme.

Wolkenkratzer sind schon lange Ausdruck von Wirtschaftsmacht und prestigeorientiertem Stadtmarketing. Nun entdecken Superreiche von Manhattan bis Sydney die Attraktivität luxuriöser Apartmenttürme.

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11. Juni 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Neue Gärten braucht die Stadt

Im Namen einer mitunter fragwürdigen Verdichtung verschwinden in unseren Städten immer mehr Grünflächen. Doch Gärten können auch auf Restflächen, an Fassaden und auf Dächern eingerichtet werden.

Im Namen einer mitunter fragwürdigen Verdichtung verschwinden in unseren Städten immer mehr Grünflächen. Doch Gärten können auch auf Restflächen, an Fassaden und auf Dächern eingerichtet werden.

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04. Mai 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Aufbruch im Mittelmeer

Vallettas Lage am Meer beflügelt die Sinne ebenso wie seine Bollwerke und Paläste. Dank subtilen Neubauten wie Renzo Pianos Parlament wirkt die 450 Jahre alte Schönheit heute verführerischer denn je.

Vallettas Lage am Meer beflügelt die Sinne ebenso wie seine Bollwerke und Paläste. Dank subtilen Neubauten wie Renzo Pianos Parlament wirkt die 450 Jahre alte Schönheit heute verführerischer denn je.

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02. Mai 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Warum der Swissmill Tower schön ist

Auch wenn der Swissmill Tower auf den ersten Blick abweisend wirken mag, passt er perfekt in sein industrielles Umfeld. Und er bewirkt, dass das gepützelte Zürich nicht noch stromlinienförmiger wird.

Auch wenn der Swissmill Tower auf den ersten Blick abweisend wirken mag, passt er perfekt in sein industrielles Umfeld. Und er bewirkt, dass das gepützelte Zürich nicht noch stromlinienförmiger wird.

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16. April 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein grauer Kubus für die Kunst

Von aussen gefällt er sich als strenger Monolith. Doch der perfekt in den Kontext eingebettete Erweiterungsbau des wichtigsten Schweizer Museums besitzt eine Innenwelt, die man gesehen haben muss.

Von aussen gefällt er sich als strenger Monolith. Doch der perfekt in den Kontext eingebettete Erweiterungsbau des wichtigsten Schweizer Museums besitzt eine Innenwelt, die man gesehen haben muss.

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verknüpfte Bauwerke
Kunstmuseum Basel - Erweiterung

31. März 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Explodierende Bauten

Sie war die genialste Architektin unserer Zeit, die 1950 in Bagdad geborene Zaha Hadid. Mit ihren organisch fliessenden Bauten faszinierte sie die Welt. Nun ist sie im Alter von 65 Jahren in Miami gestorben.

Sie war die genialste Architektin unserer Zeit, die 1950 in Bagdad geborene Zaha Hadid. Mit ihren organisch fliessenden Bauten faszinierte sie die Welt. Nun ist sie im Alter von 65 Jahren in Miami gestorben.

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verknüpfte Akteure
Hadid Zaha M.

31. März 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wie eine Ruine im üppigen Grün

Das junge Zürcher Büro Edelaar, Mosayebi, Inderbitzin hat in Hottingen ein Mehrfamilienhaus realisiert, das durch sein Erscheinungsbild ebenso überzeugt wie durch seine Integration in das Quartier.

Das junge Zürcher Büro Edelaar, Mosayebi, Inderbitzin hat in Hottingen ein Mehrfamilienhaus realisiert, das durch sein Erscheinungsbild ebenso überzeugt wie durch seine Integration in das Quartier.

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22. März 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine Wiener Schau feiert Tbilissis architektonischen Zauber

Die Galerie im Wiener Ringturm widmet sich der architektonischen und städtebaulichen Entwicklung von Tbilissi.

Die Galerie im Wiener Ringturm widmet sich der architektonischen und städtebaulichen Entwicklung von Tbilissi.

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08. März 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Melancholische Häuser

Er war nicht nur Architekt und Theoretiker. Aldo Rossi brachte 1973 auch die Druckgrafik zurück in den baukünstlerischen Diskurs. Heute stossen seine magischen Bildwelten auf grosses Interesse.

Er war nicht nur Architekt und Theoretiker. Aldo Rossi brachte 1973 auch die Druckgrafik zurück in den baukünstlerischen Diskurs. Heute stossen seine magischen Bildwelten auf grosses Interesse.

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03. März 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonischer Lichtblick im Tessin

Francesco Buzzis verschleierte Wohnhäuser
Nur selten vermögen heute Wohnbauten zu begeistern. Francesco Buzzi ist es in Solduno dank kontextuellem Denken und neuster Robotertechnologie gelungen, mit drei überzeugende Bauten zu realisieren.

Francesco Buzzis verschleierte Wohnhäuser
Nur selten vermögen heute Wohnbauten zu begeistern. Francesco Buzzi ist es in Solduno dank kontextuellem Denken und neuster Robotertechnologie gelungen, mit drei überzeugende Bauten zu realisieren.

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26. Februar 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Alle Wunder Roms

Täglich werden unzählige Bilder der Tempel, Kirchen und Plätze Roms geknipst. Was heute einfach geht, mussten die ersten Fotografen in harter Arbeit herstellen. Für uns sind diese Bilder wichtige Dokumente, wie eine Schau in Ligornetto zeigt.

Täglich werden unzählige Bilder der Tempel, Kirchen und Plätze Roms geknipst. Was heute einfach geht, mussten die ersten Fotografen in harter Arbeit herstellen. Für uns sind diese Bilder wichtige Dokumente, wie eine Schau in Ligornetto zeigt.

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18. Februar 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Elf Meisterwerke der österreichischen Architektur

In den Weiten des Burgenlands suchten seit den Nachkriegsjahren junge Architekten und Künstler neue Anregungen. Seither sind dort mehrere kleine Juwelen der österreichischen Architektur entstanden.

In den Weiten des Burgenlands suchten seit den Nachkriegsjahren junge Architekten und Künstler neue Anregungen. Seither sind dort mehrere kleine Juwelen der österreichischen Architektur entstanden.

Wiens Pracht kann kreativen Menschen schnell zur Last werden. Deshalb wohl suchten junge Architekten und Künstler der Nachkriegsjahre in der pannonischen Weite des Burgenlands neue Inspirationen. Den Anfang machte Roland Rainer, der sich 1957 ein Sommerhaus in St. Margarethen baute. Danach entstanden die Bildhauerunterkünfte von Johann Georg Gsteu sowie die Atelier- und Ausstellungshäuser von Peter Noever, Johannes Spalt, Friedrich Kurrent und Walter Pichler, dank denen das Burgenland zu einem eigentlichen Architektur-Labor wurde. Elf dieser Bauten sind nun in einer prachtvollen, mit historischen Fotos und Plänen, aber auch mit Neuaufnahmen von Nikolaus Korab illustrierten Publikation von Albert Kirchengast und Norbert Lehner vereint. Ihre Einführung in Landschaft und Architektur wird ergänzt durch ein Interview und einen Essay von Christian Reder, der betont, dass die Architekten das Burgenland nicht zuletzt deswegen schätzten, weil sie es als «not too Austrian» erlebten. Kurz: eine in jeder Hinsicht anregende Publikation.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2016.02.18



verknüpfte Publikationen
Archaische Moderne

18. Februar 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kristalline Kuben

Wie eine Krone erhebt sich die «Frutt Family Lodge» über dem Melchsee in den Obwaldner Alpen. Dem Zürcher Philip Loskant ist mit dem vierteiligen Gebäude ein interessanter Hotelbau gelungen.

Wie eine Krone erhebt sich die «Frutt Family Lodge» über dem Melchsee in den Obwaldner Alpen. Dem Zürcher Philip Loskant ist mit dem vierteiligen Gebäude ein interessanter Hotelbau gelungen.

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07. Januar 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Pädagogische Baukunst

In Engelberg haben Rahbaran Hürzeler zusammen mit BGM Architekten ein Schulhaus nach neusten pädagogischen Erkenntnissen realisiert. Es schreib die skulpturale Dorfschule von Ernst Gisel präzis fort.

In Engelberg haben Rahbaran Hürzeler zusammen mit BGM Architekten ein Schulhaus nach neusten pädagogischen Erkenntnissen realisiert. Es schreib die skulpturale Dorfschule von Ernst Gisel präzis fort.

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17. Dezember 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Mit dem Tram durch Jerusalem

Santiago Calatravas Tram-Brücke ist das weithin sichtbare Zeichen des modernen Jerusalem. Dabei erweist sich das neue Tram als urbanistisches Bindeglied, wie eine informative Schau in Hohenems zeigt.

Santiago Calatravas Tram-Brücke ist das weithin sichtbare Zeichen des modernen Jerusalem. Dabei erweist sich das neue Tram als urbanistisches Bindeglied, wie eine informative Schau in Hohenems zeigt.

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05. November 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Suburbane Atmosphäre

Auf dem Areal des ehemaligen Fussballstadions Charmilles konnte jüngst der Parc Hentsch von Hüsler & Associés eröffnet werden. Trotz zentrumsnaher Lage eignet der Anlage leider etwas Suburbanes.

Auf dem Areal des ehemaligen Fussballstadions Charmilles konnte jüngst der Parc Hentsch von Hüsler & Associés eröffnet werden. Trotz zentrumsnaher Lage eignet der Anlage leider etwas Suburbanes.

Historische Parkanlagen mit reichen Pflanzenschätzen sind der Stolz von Genf. Aber dort, wo neue Grünräume entstehen, ist das Resultat kaum besser als in Zürich – der Stadt der modisch kargen Parks. Immerhin kann die vor zehn Jahren vollendete Überdachung der Gleise im Quartier Saint-Jean mit einem stimmungsvollen Wechsel von hölzernen Kulturpavillons und wildem Buschwerk aufwarten. Westlich davon wurde jüngst gegenüber dem romantischen Châtelaine-Friedhof ein drei Hektaren grosser, nach der Stifterfamilie Hentsch benannter Park eingeweiht. Er ist das Herz eines neuen Wohngevierts auf dem Areal des ehemaligen Fussballstadions Charmilles und einiger stadtseitig anschliessender Fabriken. Erinnern an das Stadion nur noch Rasenflächen und ein an der Stelle der Nordtribüne aufgeschütteter terrassierter Hang, so wurden die klassisch moderne Tavaro-Fabrik und der elegante Elna-Sitz restauriert, die Produktionshallen aufgestockt, in Lofts umgewandelt und erweitert. Damit wäre eigentlich genug Substanz vorhanden, um den beiden anonym wirkenden, aber dank sorgfältigen Grundrissen und Loggien nicht unattraktiven Wohnscheiben von Dahl Rocha und von Ris Chabloz Halt zu bieten. Doch die kahlen Rasenflächen zwischen den Bauten verleihen dem Ensemble trotz seiner zentrumsnahen Lage etwas Suburbanes. Dabei hätten die Landschaftsarchitekten von Hüsler & Associés mit mehr Bäumen und einer echten Wasserfläche statt der Springbrunnen-Treppe dem Parc Hentsch leicht eine städtische, dem Quartier entsprechende Note geben können.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2015.11.05

05. November 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schwimmende Linden

Im Basler Vorort Riehen beeinträchtigen banale Nachkriegsbauten beim Rathaus die Dorfmitte. Dieser hat nun das Büro Stauffenegger & Stutz mit minimalen Interventionen eine neue Identität verliehen.

Im Basler Vorort Riehen beeinträchtigen banale Nachkriegsbauten beim Rathaus die Dorfmitte. Dieser hat nun das Büro Stauffenegger & Stutz mit minimalen Interventionen eine neue Identität verliehen.

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22. Oktober 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus als Dach

Schon bevor der Tokioter Architekt Kengo Kuma das neue Kulturgebäude der ETH Lausanne plante, thematisierte er in einem widersprüchlichen Bau in Besançon das Dach als Rückgrat seiner Architektur

Schon bevor der Tokioter Architekt Kengo Kuma das neue Kulturgebäude der ETH Lausanne plante, thematisierte er in einem widersprüchlichen Bau in Besançon das Dach als Rückgrat seiner Architektur

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22. Oktober 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Genf leuchtet

Es sind nicht spektakuläre Kulturbauten, die in Genf für Aufsehen sorgen. Der Stadtkanton weiss vielmehr mit Quartierplaungen, mit Wohn- und Industriebauten sowie mit Platzgestaltungen zu glänzen.

Es sind nicht spektakuläre Kulturbauten, die in Genf für Aufsehen sorgen. Der Stadtkanton weiss vielmehr mit Quartierplaungen, mit Wohn- und Industriebauten sowie mit Platzgestaltungen zu glänzen.

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08. Oktober 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukunst und Ökologie

Dass ökologische Architektur auch elegant sein kann, beweist seit kurzem ein Hotelneubau in Sitges bei Barcelona. Das Werk der Katalanen Balaguer Bover wurde vom Green Building Council ausgezeichnet.

Dass ökologische Architektur auch elegant sein kann, beweist seit kurzem ein Hotelneubau in Sitges bei Barcelona. Das Werk der Katalanen Balaguer Bover wurde vom Green Building Council ausgezeichnet.

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08. Oktober 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bauen in Zeiten der Diktatur

Barcelona bewundert man für seine Meisterwerke der Gotik, des Jugendstils und der Gegenwart. Doch in den schwierigen Jahren von Bürgerkrieg und Diktatur sind Juwelen der modernen Baukunst entstanden.

Barcelona bewundert man für seine Meisterwerke der Gotik, des Jugendstils und der Gegenwart. Doch in den schwierigen Jahren von Bürgerkrieg und Diktatur sind Juwelen der modernen Baukunst entstanden.

In Carles Portas brandneuem Endzeitfilm «Segon origen» liegt Barcelona in Trümmern. Ein Bild, das schmerzt, denn kaum eine andere Stadt darf sich mit mehr Recht rühmen, ein Freilichtmuseum zu sein. Architekturausstellungen finden hier aber nur noch selten statt, seit das unweit der Kathedrale in einem 1962 vollendeten Hochhaus residierende Col.legi d'Arquitectes seine Aktivitäten reduziert hat. Wer mehr über das von Picasso dekorierte Gebäude wissen möchte, findet Antwort in der Galerie von Roca, dem katalanischen Spitzenproduzenten von Sanitärkeramik. In dem 2009 von Carlos Ferrater errichteten Glasschrein am vornehmen Carrer Joan Güell werden unter dem Titel «Modernitats. Arquitectura a Barcelona 1924–1975» insgesamt 26 Hauptwerke der Barceloner Moderne anhand von Fotos, Modellen und Plänen vorgestellt und in den historischen Kontext von der Diktatur Primo de Riveras bis zum Ende des Franco-Regimes eingebettet. Sechs dieser Bauten sind in einer kleinen Gratispublikation dokumentiert. Sie und die Schau verdeutlichen, dass Grosses auch unter schwierigen Verhältnissen entstehen kann.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2015.10.08

30. September 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wiedergeburt von Bunker Hill

In den vergangenen Jahren hat Downtown Los Angeles an Attraktivität gewonnen. Dank der Disney Hall und weiteren Musentempeln wurde die Grand Avenue zur Kulturmeile. Hier präsentiert sich nun das Broad Museum als neuste Attraktion.

In den vergangenen Jahren hat Downtown Los Angeles an Attraktivität gewonnen. Dank der Disney Hall und weiteren Musentempeln wurde die Grand Avenue zur Kulturmeile. Hier präsentiert sich nun das Broad Museum als neuste Attraktion.

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12. September 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Auferstanden aus Ruinen

Heute wird das neue Kulturzentrum von Lugano (LAC) eröffnet. Obwohl architektonisch nicht durchwegs überzeugend, dürfte es als Leuchtturm des Tessiner Kunstlebens weit über Lugano hinaus ausstrahlen.

Heute wird das neue Kulturzentrum von Lugano (LAC) eröffnet. Obwohl architektonisch nicht durchwegs überzeugend, dürfte es als Leuchtturm des Tessiner Kunstlebens weit über Lugano hinaus ausstrahlen.

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verknüpfte Bauwerke
Lugano Arte e Cultura

10. September 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Atmosphärische Dichte

Westlich der kleinen Altstadt von Mellingen an der Reuss hat Dietrich Schwarz aus Zürich ein vorbildliches Wohnquartier errichtet. Es vermittelt städtische Eleganz und Geborgenheit zugleich.

Westlich der kleinen Altstadt von Mellingen an der Reuss hat Dietrich Schwarz aus Zürich ein vorbildliches Wohnquartier errichtet. Es vermittelt städtische Eleganz und Geborgenheit zugleich.

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verknüpfte Bauwerke
Quartier «Neugrüen»

27. August 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Urhütte und Hightech-Tempel

Wie kein anderer Meister der Moderne erfand Le Corbusier die Architektur immer wieder neu. Die Quintessenz seiner Arbeit bildet der kurz nach seinem Tod vollendete Pavillon in Zürich.

Wie kein anderer Meister der Moderne erfand Le Corbusier die Architektur immer wieder neu. Die Quintessenz seiner Arbeit bildet der kurz nach seinem Tod vollendete Pavillon in Zürich.

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verknüpfte Bauwerke
Pavillon Le Corbusier

13. August 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Glaspavillon im Park

Die Rotunde, in der seit 1961 Marquard Wochers grandioses Thun-Panorama gezeigt wird, ist ein Juwel der Fünfziger-Jahre-Architektur. Nun wurde es um einen gläsernen Eingangspavillon erweitert.

Die Rotunde, in der seit 1961 Marquard Wochers grandioses Thun-Panorama gezeigt wird, ist ein Juwel der Fünfziger-Jahre-Architektur. Nun wurde es um einen gläsernen Eingangspavillon erweitert.

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verknüpfte Bauwerke
Thun Panorama, Sanierung und Erweiterung

13. August 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Perlen im architektonischen Wildwuchs

Das Tessin ist seit jeher ein Land der Architekten. Doch viel bauen konnten sie nie. Dies gilt auch heute. Trotz architektonischem Wildwuchs muss man die Juwelen suchen. Dabei hilft ein neuer Führer.

Das Tessin ist seit jeher ein Land der Architekten. Doch viel bauen konnten sie nie. Dies gilt auch heute. Trotz architektonischem Wildwuchs muss man die Juwelen suchen. Dabei hilft ein neuer Führer.

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10. August 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Klassische Perfektion

Mit einem elegant proportionierten Hochhaus in Lausanne wurde Jean-Marc Lamunière 1964 international bekannt. Nun ist der am 4. Juli 1925 geborene Genfer Architekt im Alter von 90 Jahren gestorben.

Mit einem elegant proportionierten Hochhaus in Lausanne wurde Jean-Marc Lamunière 1964 international bekannt. Nun ist der am 4. Juli 1925 geborene Genfer Architekt im Alter von 90 Jahren gestorben.

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05. August 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Athen in Baden

Als Gegenstück zur absolutistischen Planstadt Karlsruhe realisierte Friedrich Weinbrenner die bürgerlich-klassizistische Schlossstrasse. Nun feiert ihn Karlsruhe mit einer grossen Schau.

Als Gegenstück zur absolutistischen Planstadt Karlsruhe realisierte Friedrich Weinbrenner die bürgerlich-klassizistische Schlossstrasse. Nun feiert ihn Karlsruhe mit einer grossen Schau.

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30. Juli 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das neue Museum Unterlinden wird ein Meisterwerk

Vor sechs Jahren haben Herzog & de Meuron mit einem überzeugenden Konzept den Wettbewerb für die Erweiterung des Museums Unterlinden in Colmar gewonnen. Nun ist der neue Museumscampus fast vollendet.

Vor sechs Jahren haben Herzog & de Meuron mit einem überzeugenden Konzept den Wettbewerb für die Erweiterung des Museums Unterlinden in Colmar gewonnen. Nun ist der neue Museumscampus fast vollendet.

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16. Juli 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Werk des Meisters weiterdenken

Zum 50. Todestag von Le Corbusier zeigen zehn Stararchitekten in einer stimmigen Schau in der Villa „Le Lac“ in Corseaux, wie man das kleine Frühwerk des Meisters hyptothetisch weiterbauen könnte.

Zum 50. Todestag von Le Corbusier zeigen zehn Stararchitekten in einer stimmigen Schau in der Villa „Le Lac“ in Corseaux, wie man das kleine Frühwerk des Meisters hyptothetisch weiterbauen könnte.

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02. Juli 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lichtbalken und Auto-Rimesse

Mit dem MAX Museo und der Spazio Officina genannten Kunsthalle besitzt Chiasso seit zehn Jahren ein Kunstquartier. Nun werden dessen Architekten, Durisch & Nolli aus Lugano, mit einer Schau geehrt.

Mit dem MAX Museo und der Spazio Officina genannten Kunsthalle besitzt Chiasso seit zehn Jahren ein Kunstquartier. Nun werden dessen Architekten, Durisch & Nolli aus Lugano, mit einer Schau geehrt.

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verknüpfte Bauwerke
m.a.x.Museo

02. Juli 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Gedicht in gegossenem Stein

Vor 75 Jahren wurde die von Denis Honegger realisierte Université Miséricorde in Freiburg eingeweiht. Noch heute erweist sich der modern-klassizistische Bau als vorbildich, wie eine Publikation zeigt.

Vor 75 Jahren wurde die von Denis Honegger realisierte Université Miséricorde in Freiburg eingeweiht. Noch heute erweist sich der modern-klassizistische Bau als vorbildich, wie eine Publikation zeigt.

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verknüpfte Publikationen
Universität Miséricorde Freiburg - Betonklassizismus und Moderne

23. Juni 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Siegerprojekt von Moreau Kusunoki

Das 2011 in Paris gegründete Büro Moreau Kusunoki Architectes konnte den im Juni 2014 international ausgeschriebenen Wettbewerb für ein Guggenheim-Museum in Helsinki für sich entscheiden.

Das 2011 in Paris gegründete Büro Moreau Kusunoki Architectes konnte den im Juni 2014 international ausgeschriebenen Wettbewerb für ein Guggenheim-Museum in Helsinki für sich entscheiden.

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18. Juni 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architekturmodelle und Kunstwerke

Im Helsinki-Turm in Basel haben Jacques Herzog und Pierre de Meuron ihren architektonischen „Nachlass“ in einem grandiosen „Kabinett“ untergebracht. Leider ist es noch nicht öffentlich zugänglich.

Im Helsinki-Turm in Basel haben Jacques Herzog und Pierre de Meuron ihren architektonischen „Nachlass“ in einem grandiosen „Kabinett“ untergebracht. Leider ist es noch nicht öffentlich zugänglich.

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05. Juni 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine hölzerne Arche

Vor vier Jahren erweiterten Behnisch Architekten den Wipo-Sitz im Genfer UNO-Viertel um einen langgestreckten Neubau. Nun ergänzten sie den Komplex mit einem Kongresshaus zu einer baulichen Einheit.

Vor vier Jahren erweiterten Behnisch Architekten den Wipo-Sitz im Genfer UNO-Viertel um einen langgestreckten Neubau. Nun ergänzten sie den Komplex mit einem Kongresshaus zu einer baulichen Einheit.

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21. Mai 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein weisser Kunst-Würfel

Als Ergänzung zum schwarz glänzenden Kunstmuseum Liechtenstein konnten die Basler Architekten Morger & Dettli in Vaduz einen weissen Würfel bauen. Er beherbergt Meisterwerke der Hilti Art Foundation.

Als Ergänzung zum schwarz glänzenden Kunstmuseum Liechtenstein konnten die Basler Architekten Morger & Dettli in Vaduz einen weissen Würfel bauen. Er beherbergt Meisterwerke der Hilti Art Foundation.

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Hilti Art Foundation

11. Mai 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Metaphysische Kunststadt

Die seit 1993 tätige Fondazione Prada hat am Wochenende ihren glitzernden Kultur-Campus in einer von Rem Koolhaas umgebauten Brennerei im Süden Mailands eingeweiht. In dem aus sieben Alt- und drei Neubauten bestehenden Komplex sind Eröffnungsausstellungen mit zeitgenössischer und antiker Kunst zu sehen.

Die seit 1993 tätige Fondazione Prada hat am Wochenende ihren glitzernden Kultur-Campus in einer von Rem Koolhaas umgebauten Brennerei im Süden Mailands eingeweiht. In dem aus sieben Alt- und drei Neubauten bestehenden Komplex sind Eröffnungsausstellungen mit zeitgenössischer und antiker Kunst zu sehen.

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Fondazione Prada

07. Mai 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Architekturparadies

Das neue Mailand überrascht immer wieder mit interessanten Neubauten wie dem rundum begrünten, zwischen 2007 und 2014 von Stefano Boeri realisierten «Bosco verticale»-Turm.

Das neue Mailand überrascht immer wieder mit interessanten Neubauten wie dem rundum begrünten, zwischen 2007 und 2014 von Stefano Boeri realisierten «Bosco verticale»-Turm.

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29. April 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Faschismus und Nachkriegseuphorie

Sie fand nie statt: die von Mussolini für das Jahr 1942 geplante Weltausstellung E'42 in Rom. Doch ihre Monumentalbauten bildeten nach dem Zweiten Weltkrieg den Kern der zukunftsweisenden Neustadt EUR. Dieser widmet nun das Ara-Pacis-Museum in Rom eine sehenswerte Schau.

Sie fand nie statt: die von Mussolini für das Jahr 1942 geplante Weltausstellung E'42 in Rom. Doch ihre Monumentalbauten bildeten nach dem Zweiten Weltkrieg den Kern der zukunftsweisenden Neustadt EUR. Dieser widmet nun das Ara-Pacis-Museum in Rom eine sehenswerte Schau.

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22. April 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine Fassade wird zum Kunstwerk

Mit einer städtebaulich präzisen Intervention haben Diener & Diener aus Basel das Stadtmuseum Aarau um einen Palas-Bau erweitert. Die Fassade des begrünten Kubus entpuppt sich als riesiges Kunstwerk.

Mit einer städtebaulich präzisen Intervention haben Diener & Diener aus Basel das Stadtmuseum Aarau um einen Palas-Bau erweitert. Die Fassade des begrünten Kubus entpuppt sich als riesiges Kunstwerk.

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20. April 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bauen im Zweiten Weltkrieg

Eine grosse Ausstellung im Maxxi in Rom beleuchtet die architektonischen Aspekte des «Projektierens und Konstruierens für den Zweiten Weltkrieg». Sie wird von einem hervorragenden Katalog begleitet.

Eine grosse Ausstellung im Maxxi in Rom beleuchtet die architektonischen Aspekte des «Projektierens und Konstruierens für den Zweiten Weltkrieg». Sie wird von einem hervorragenden Katalog begleitet.

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09. April 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein weisser Kubus für Hans Arp und seine Freunde

Immer mehr alte Villengärten im Tessin sind in den letzten Jahren einer fragwürdigen, oft von Investoren angeheizten Verdichtung zum Opfer gefallen, wie...

Immer mehr alte Villengärten im Tessin sind in den letzten Jahren einer fragwürdigen, oft von Investoren angeheizten Verdichtung zum Opfer gefallen, wie...

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31. März 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Problem der Turmbauten in den Alpen

Während Skylines im flachen Land an Gebirgszüge erinnern, vermögen Hochhäuser in den Bergen höchstens dann zu überzeugen, wenn sie auf Anhöhen stehen. Daran leidet auch die in Vals geplante Glasnadel.

Während Skylines im flachen Land an Gebirgszüge erinnern, vermögen Hochhäuser in den Bergen höchstens dann zu überzeugen, wenn sie auf Anhöhen stehen. Daran leidet auch die in Vals geplante Glasnadel.

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26. März 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Magische Bilder

Die im Tessin geborene Architekturfotografin Hélène Binet wurde mit Aufnahme von Peter Zumthors Bauten international bekannt. Nun widmet ihr die Accademia di Architettura Mendrisio eine Retrospektive.

Die im Tessin geborene Architekturfotografin Hélène Binet wurde mit Aufnahme von Peter Zumthors Bauten international bekannt. Nun widmet ihr die Accademia di Architettura Mendrisio eine Retrospektive.

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23. März 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Formenzauber unter Kokospalmen

Vor dreissig Jahren als Gesamtkunstwerk des Art déco zu neuem Ruhm gekommen, hat Miami Beach in jüngster Zeit aufgrund von Massentourismus, Immobilienspekulation und Zweitwohnungsbau viel von seinem Charme eingebüsst. Nun feiert die Ferienstadt ihr Hundertjahrjubiläum.

Vor dreissig Jahren als Gesamtkunstwerk des Art déco zu neuem Ruhm gekommen, hat Miami Beach in jüngster Zeit aufgrund von Massentourismus, Immobilienspekulation und Zweitwohnungsbau viel von seinem Charme eingebüsst. Nun feiert die Ferienstadt ihr Hundertjahrjubiläum.

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26. Februar 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Rahmen mit Glaskörpern

In Hollywood hat der Pritzkerpreisträger Thom Mayne einen zeichenhaften Neubau für das Emerson College realisiert. Es ist das wichtigste Bauwerk der letzten zehn Jahren in Los Angeles.

In Hollywood hat der Pritzkerpreisträger Thom Mayne einen zeichenhaften Neubau für das Emerson College realisiert. Es ist das wichtigste Bauwerk der letzten zehn Jahren in Los Angeles.

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26. Februar 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Afrikanische Unabhängigkeitsarchitektur

Nach dem Erlangen der Unabhängigkeit wurden in vielen Staaten Afrikas eindrückliche Bauten realisiert. Eine kleine Schau in der Vitra Design Gallery dokumentiert nun 81 dieser selbstbewussten Gebäude

Nach dem Erlangen der Unabhängigkeit wurden in vielen Staaten Afrikas eindrückliche Bauten realisiert. Eine kleine Schau in der Vitra Design Gallery dokumentiert nun 81 dieser selbstbewussten Gebäude

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African Modernism

18. Februar 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ascheregen auf Ruinen

Am Fusse eines pyramidenförmigen Vulkans auf einem Schachbrettraster erbaut, zählt die Kolonialstadt Antigua, das architektonische Juwel von Guatemala, zu den schönsten historischen Stadtanlagen überhaupt. Ein Ausbruch des Volcan de Fuego vor zehn Tagen erinnerte nun einmal mehr an die Gefährdung dieses Weltkulturerbes.

Am Fusse eines pyramidenförmigen Vulkans auf einem Schachbrettraster erbaut, zählt die Kolonialstadt Antigua, das architektonische Juwel von Guatemala, zu den schönsten historischen Stadtanlagen überhaupt. Ein Ausbruch des Volcan de Fuego vor zehn Tagen erinnerte nun einmal mehr an die Gefährdung dieses Weltkulturerbes.

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12. Februar 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Biomuseo in Panama City

Nach 15-jähriger Planungs- und Bauzeit konnte in der Bankenmetropole Panama City ein Museum von Frank Gehry eröffnet werden. Das skulpturale Gebäude rivalisiert mit der eleganten Sykline der Stadt.

Nach 15-jähriger Planungs- und Bauzeit konnte in der Bankenmetropole Panama City ein Museum von Frank Gehry eröffnet werden. Das skulpturale Gebäude rivalisiert mit der eleganten Sykline der Stadt.

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07. Februar 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Narziss in Leder

Keiner hat in den vergangenen Jahren mehr Flagship-Stores für Modehäuser eingerichtet als der New Yorker Architekt Peter Marino. Als Enfant terrible der Szene gefällt er sich in Ledermontur. Der damit verbundene Narzissmus prägt auch seine fulminante erste Museumsschau im Bass Museum of Art in Miami Beach.

Keiner hat in den vergangenen Jahren mehr Flagship-Stores für Modehäuser eingerichtet als der New Yorker Architekt Peter Marino. Als Enfant terrible der Szene gefällt er sich in Ledermontur. Der damit verbundene Narzissmus prägt auch seine fulminante erste Museumsschau im Bass Museum of Art in Miami Beach.

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18. Dezember 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Raum, Licht und Atmosphäre

Kein zeitgenössischer Architekt hat mehr Kirchen gebaut als Mario Botta. Nun stellt der Tessiner im Architekturforum in Zürich 16 Bauten und zwei im Bau befindliche Projekt religiösen Inhalts vor.

Kein zeitgenössischer Architekt hat mehr Kirchen gebaut als Mario Botta. Nun stellt der Tessiner im Architekturforum in Zürich 16 Bauten und zwei im Bau befindliche Projekt religiösen Inhalts vor.

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17. Dezember 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Von «Krankfurt» nach «Mainhattan»

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Bankenstadt Frankfurt in mehreren Etappen in die Höhe, was in der Bevölkerung anfangs zu kritischer Ablehnung und dann zu neuem Selbstbewusstsein führte. Die Entstehung von «Mainhattan» illustriert nun das Deutsche Architekturmuseum anhand wichtiger Wolkenkratzer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Bankenstadt Frankfurt in mehreren Etappen in die Höhe, was in der Bevölkerung anfangs zu kritischer Ablehnung und dann zu neuem Selbstbewusstsein führte. Die Entstehung von «Mainhattan» illustriert nun das Deutsche Architekturmuseum anhand wichtiger Wolkenkratzer.

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05. Dezember 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Fabrik mit Turm

Obwohl Italien unter der Krise ächzt, gibt Mailand sich ein halbes Jahr vor der Eröffnung der Weltausstellung optimistisch. Im Porta-Nuova-Quartier unweit...

Obwohl Italien unter der Krise ächzt, gibt Mailand sich ein halbes Jahr vor der Eröffnung der Weltausstellung optimistisch. Im Porta-Nuova-Quartier unweit...

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05. Dezember 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sie baute für die Menschen

In einer Zeit, als Architektinnen noch einen schweren Stand hatten, machte die aus Italien stammende Lina Bo Bardi in Brasilien eine erstaunliche Karriere. Anlässlich ihres 100. Geburtstags widmet ihr nun das Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne eine grosse, sehenswerte Retrospektive.

In einer Zeit, als Architektinnen noch einen schweren Stand hatten, machte die aus Italien stammende Lina Bo Bardi in Brasilien eine erstaunliche Karriere. Anlässlich ihres 100. Geburtstags widmet ihr nun das Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne eine grosse, sehenswerte Retrospektive.

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01. Dezember 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der Meister aus Porto

In den letzten dreissig Jahren war Alvaro Siza immer wieder in Italien tätig. So ist eine beachtliche Zahl von Bauten und Projekten entstanden. Diese stellt er im Kunstmuseum Mart in Rovereto anderen Beispielen seines Schaffens gegenüber und erklärt so den Italienern das Wesen seiner Architektur.

In den letzten dreissig Jahren war Alvaro Siza immer wieder in Italien tätig. So ist eine beachtliche Zahl von Bauten und Projekten entstanden. Diese stellt er im Kunstmuseum Mart in Rovereto anderen Beispielen seines Schaffens gegenüber und erklärt so den Italienern das Wesen seiner Architektur.

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20. November 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Licht und Form

Im letzten Jahrhundert sind in Finnland viele bedeutende Sakralbauten entstanden. Nun widmet sich eine neue Generation dem Kirchenbau, wie eine Münchner Ausstellung und ein Katalog zeigen.

Im letzten Jahrhundert sind in Finnland viele bedeutende Sakralbauten entstanden. Nun widmet sich eine neue Generation dem Kirchenbau, wie eine Münchner Ausstellung und ein Katalog zeigen.

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06. November 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Heiter und exotisch

Lange residierte das Musée d'Ethnographie de Genève (MEG) in einem ehemaligen Schulhaus. Nun konnte es einen heiter und exotisch zugleich wirkenden Neubau von Graber Pulver Architekten beziehen.

Lange residierte das Musée d'Ethnographie de Genève (MEG) in einem ehemaligen Schulhaus. Nun konnte es einen heiter und exotisch zugleich wirkenden Neubau von Graber Pulver Architekten beziehen.

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Musée d'Ethnographie de Genève

05. November 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur im Bild

Mit meist menschenlosen Stadtlandschaften und Porträts eigenwilliger Bauten ist der Architekturfotograf Gabriele Basilico (1944–2013) weltbekannt geworden. Nun sind seine Aufnahmen in Luzern zu sehen.

Mit meist menschenlosen Stadtlandschaften und Porträts eigenwilliger Bauten ist der Architekturfotograf Gabriele Basilico (1944–2013) weltbekannt geworden. Nun sind seine Aufnahmen in Luzern zu sehen.

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23. Oktober 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Klar und stimmungsvoll

Neben den schönen Landschaften gelten die kompakt gebauten Dörfer und Städte als weitere Attraktionen von Südtirol. Neubaugebiete schmiegen sich dicht...

Neben den schönen Landschaften gelten die kompakt gebauten Dörfer und Städte als weitere Attraktionen von Südtirol. Neubaugebiete schmiegen sich dicht...

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Pfarrzentrum «Mutter Teresa von Kalkutta»

09. Oktober 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Grüner Höhenrausch in Mailand

Die einst abgetakelte Gegend beim Garibaldi-Bahnhof verwandelt sich derzeit in Mailands Trendviertel. Das Juwel der neuen Skyline ist Stefano Boeris „Bosco verticale“, ein begrünter Doppelwohnturm.

Die einst abgetakelte Gegend beim Garibaldi-Bahnhof verwandelt sich derzeit in Mailands Trendviertel. Das Juwel der neuen Skyline ist Stefano Boeris „Bosco verticale“, ein begrünter Doppelwohnturm.

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Bosco Verticale

09. Oktober 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine neue Akropolis für Athen

Athen leidet unter der Krise. Doch die Stavros Niarchos Foundation errichtet derzeit unweit des Faliron-Hafens ein Oper und Bibliothek unter einem tempelartigen Baldachin vereinigendes Kulturzentrum.

Athen leidet unter der Krise. Doch die Stavros Niarchos Foundation errichtet derzeit unweit des Faliron-Hafens ein Oper und Bibliothek unter einem tempelartigen Baldachin vereinigendes Kulturzentrum.

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Stavros Niarchos Foundation Cultural Center

07. Oktober 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Athen an der Limmat

Im Zeichen von Immigration und Wohnungsnot soll Zürich verdichtet werden. Dabei stehen vor allem historische Viertel im Visier, wie jüngst die überrissene Planung für das Universitätsviertel zeigte.

Im Zeichen von Immigration und Wohnungsnot soll Zürich verdichtet werden. Dabei stehen vor allem historische Viertel im Visier, wie jüngst die überrissene Planung für das Universitätsviertel zeigte.

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25. September 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Turm und Mauer

Neben wichtigen Bauten der jüngeren Garde gibt es in Bellinzona seit kurzem auch Luigi Snozzis bis anhin grösstes Gebäude zu bestaunen: den neuen Sitz des kantonalen Bau- und Umweltamtes.

Neben wichtigen Bauten der jüngeren Garde gibt es in Bellinzona seit kurzem auch Luigi Snozzis bis anhin grösstes Gebäude zu bestaunen: den neuen Sitz des kantonalen Bau- und Umweltamtes.

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11. September 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Klötze am Fuss des Zürichbergs

Während man auf den ehemaligen Industriearealen in Zürich West die Hochhäuser locker verstreut, setzt man bei der zweifellos nötigen Neugestaltung des Hochschulviertels auf eine imposante Dichte.

Während man auf den ehemaligen Industriearealen in Zürich West die Hochhäuser locker verstreut, setzt man bei der zweifellos nötigen Neugestaltung des Hochschulviertels auf eine imposante Dichte.

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28. August 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Hamburgs nautische Architektenschmiede

Neben attraktiven Plätzen, Parkanlagen oder Wasserflächen brauchen neue Stadtquartiere auch architektonische Akzente, die ihnen ein unverwechselbares Aussehen verleihen.

Neben attraktiven Plätzen, Parkanlagen oder Wasserflächen brauchen neue Stadtquartiere auch architektonische Akzente, die ihnen ein unverwechselbares Aussehen verleihen.

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28. August 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lausannes grüne Stadtplanung

Einladende Aussenräume sind für die Attraktivität einer Stadt ebenso wichtig wie qualitätvolle Bauten.

Einladende Aussenräume sind für die Attraktivität einer Stadt ebenso wichtig wie qualitätvolle Bauten.

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14. August 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Historische Paläste und elegante Kuben

Seit über 100 Jahren entstehen in Südtirol bedeutende Hotelbauten. Eine Ausstellung in Meran beleuchtet nun die Tourismusarchitektur, die der regionale Architekturszene neue Impulse vermittelt hat.

Seit über 100 Jahren entstehen in Südtirol bedeutende Hotelbauten. Eine Ausstellung in Meran beleuchtet nun die Tourismusarchitektur, die der regionale Architekturszene neue Impulse vermittelt hat.

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31. Juli 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Pop und Postmoderne

Das Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien widmet derzeit dem vor einem Vierteljahr verstorbenen Wiener Architekten und Pritzkerpreisträger eine grosse, höchst sehenswerte Werkschau.

Das Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien widmet derzeit dem vor einem Vierteljahr verstorbenen Wiener Architekten und Pritzkerpreisträger eine grosse, höchst sehenswerte Werkschau.

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17. Juli 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Locarnos korallenrote Ausstellungsbox

Der Tessiner Franco Moro hat für die Modernesammlung Ghisla ein Museumsgebäude in Form einer minimalistisches Skulptur geschaffen. Architektur und Kunst des Hauses bilden Locarnos neuste Attraktion.

Der Tessiner Franco Moro hat für die Modernesammlung Ghisla ein Museumsgebäude in Form einer minimalistisches Skulptur geschaffen. Architektur und Kunst des Hauses bilden Locarnos neuste Attraktion.

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09. Juli 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Stadtbausteine statt monotone Riegel

Zentrumsquartiere werden immer öfter durch fragwürdige Neubauten verdichtet. Intelligenter wäre es, auf Neubauarealen dynamische Stadtbausteine mit engen Strassen und kleinen Plätzen zu verwirklichen.

Zentrumsquartiere werden immer öfter durch fragwürdige Neubauten verdichtet. Intelligenter wäre es, auf Neubauarealen dynamische Stadtbausteine mit engen Strassen und kleinen Plätzen zu verwirklichen.

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25. Juni 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Konzepte statt Fassaden

Berühmtheit erlangte Bernard Tschumi mit den Folies im Parc de la Villette in Paris. Obwohl seine Ideen in Fachkreisen weiterhin Beachtung fanden, wurde die Öffentlichkeit erst zwanzig Jahren später durch das Akropolis-Museum erneut auf ihn aufmerksam. Nun präsentiert Tschumi sein Œuvre in einer grossen Pariser Schau.

Berühmtheit erlangte Bernard Tschumi mit den Folies im Parc de la Villette in Paris. Obwohl seine Ideen in Fachkreisen weiterhin Beachtung fanden, wurde die Öffentlichkeit erst zwanzig Jahren später durch das Akropolis-Museum erneut auf ihn aufmerksam. Nun präsentiert Tschumi sein Œuvre in einer grossen Pariser Schau.

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18. Juni 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sizas Weg und Höllers Turm

Die Zahl der Meisterwerke auf dem Vitra-Campus in Weil am Rhein wächst. Rechtzeitig zu Art konnte nun eine Besucherpromenade von Alvaro Siza und ein Aussichtsturm von Carsten Höller eröffnet werden.

Die Zahl der Meisterwerke auf dem Vitra-Campus in Weil am Rhein wächst. Rechtzeitig zu Art konnte nun eine Besucherpromenade von Alvaro Siza und ein Aussichtsturm von Carsten Höller eröffnet werden.

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05. Juni 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Vergoldete Bauten

Seit 2007 werden jährlich Architekten aus dem deutschsprachigen Raum zum Best Architects Award eingeladen. Diesmal wird er von Deutschschweizern und Romands dominiert, wie eine Schau in Bregenz zeigt.

Seit 2007 werden jährlich Architekten aus dem deutschsprachigen Raum zum Best Architects Award eingeladen. Diesmal wird er von Deutschschweizern und Romands dominiert, wie eine Schau in Bregenz zeigt.

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22. Mai 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Italienische Heiterkeit

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg fand Giulio Minoletti als junger Architekt Beachtung. Doch seine Meisterwerke entstanden im Mailand der 1950er Jahre, wie eine schöne Ausstellung in Mendrisio zeigt.

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg fand Giulio Minoletti als junger Architekt Beachtung. Doch seine Meisterwerke entstanden im Mailand der 1950er Jahre, wie eine schöne Ausstellung in Mendrisio zeigt.

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22. Mai 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Räume in Schieflage

Mit ihren Bauten und Möbeln belebten Trix und Robert Haussmann die Postmoderne-Diskussion. Nun entdeckt eine junge Generation ihr Schaffen neu, wie eine attrktive Schau bei Fri Art in Freiburg zeigt.

Mit ihren Bauten und Möbeln belebten Trix und Robert Haussmann die Postmoderne-Diskussion. Nun entdeckt eine junge Generation ihr Schaffen neu, wie eine attrktive Schau bei Fri Art in Freiburg zeigt.

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21. Mai 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Frühling der Schweizer Architektur

In den 1960er Jahren herrschten Aufbruchstimmung und Zukunftseuphorie. Davon zeugen auch die heiter expressiven Pavillonbauten der Expo 64 in Lausanne. Eine Doppelausstellung am einstigen Schauplatz ruft nun die vom Tessiner Alberto Camenzind konzipierte temporäre Expo-Stadt am Genfersee in Erinnerung.

In den 1960er Jahren herrschten Aufbruchstimmung und Zukunftseuphorie. Davon zeugen auch die heiter expressiven Pavillonbauten der Expo 64 in Lausanne. Eine Doppelausstellung am einstigen Schauplatz ruft nun die vom Tessiner Alberto Camenzind konzipierte temporäre Expo-Stadt am Genfersee in Erinnerung.

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15. Mai 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine Ausstellung zum antiken Städtebau in Trier

Seiner antiken Monumente wegen wird Trier gerne als Rom des Nordens bezeichnet. Eine sehenswerte Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum Trier befasst sich nun mit den altrömischen Städten an Mosel, Rhein und Neckar. Dabei wirft sie indirekt auch ein Licht auf die Stadtentwicklung in der Schweiz zur Römerzeit.

Seiner antiken Monumente wegen wird Trier gerne als Rom des Nordens bezeichnet. Eine sehenswerte Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum Trier befasst sich nun mit den altrömischen Städten an Mosel, Rhein und Neckar. Dabei wirft sie indirekt auch ein Licht auf die Stadtentwicklung in der Schweiz zur Römerzeit.

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08. Mai 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zickzack-Brücke im Trockendock

Zwischen der Altstadt von Helsingør und dem Hamlet-Schloss Kronborg hat Bjarke Ingels in einem ehemaligen Trockendock das neue dänische Schifffahrtsmuseum gebaut. Entstanden ist ein Meisterwerk.

Zwischen der Altstadt von Helsingør und dem Hamlet-Schloss Kronborg hat Bjarke Ingels in einem ehemaligen Trockendock das neue dänische Schifffahrtsmuseum gebaut. Entstanden ist ein Meisterwerk.

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verknüpfte Bauwerke
Schifffahrtsmuseum

16. April 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Einfachheit und Protzerei

Vielfalt und Widerspruch prägen die arabische Welt. Gleichwohl gelingt es dem Louisiana-Museum in Humlebæk, die Entwicklungen der neuen arabischen Architektur in einer Übersichtsschau zu skizzieren.

Vielfalt und Widerspruch prägen die arabische Welt. Gleichwohl gelingt es dem Louisiana-Museum in Humlebæk, die Entwicklungen der neuen arabischen Architektur in einer Übersichtsschau zu skizzieren.

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10. April 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Von der Geometrie zur organischen Form

Der Pariser Architekt und Professor in Lausanne hat Patrick Berger mit dem Uefa-Hauptsitz in Nyon auch hierzulande Spuren hinterlassen. Nun widmet ihm die Galerie Archizoom der EPFL eine Werkschau.

Der Pariser Architekt und Professor in Lausanne hat Patrick Berger mit dem Uefa-Hauptsitz in Nyon auch hierzulande Spuren hinterlassen. Nun widmet ihm die Galerie Archizoom der EPFL eine Werkschau.

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08. April 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein grauer Diamant

Neubauten in der Innenstadt und auf dem EPFL-Campus möglich werden liess. Vier Jahre nach dem vielgepriesenen Rolex Learning Center von Sanaa konnte auf dem Hochschulgelände das innovative, aber nüchterne Swiss Tech Convention Center eingeweiht werden.

Neubauten in der Innenstadt und auf dem EPFL-Campus möglich werden liess. Vier Jahre nach dem vielgepriesenen Rolex Learning Center von Sanaa konnte auf dem Hochschulgelände das innovative, aber nüchterne Swiss Tech Convention Center eingeweiht werden.

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28. März 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Über sieben Brücken

Bauliche Eingriffe schaffen nicht nur Neues, sie zerstören auch – hier alte Bausubstanz, dort den mehr oder weniger natürlichen Mikrokosmos. Aber sie können...

Bauliche Eingriffe schaffen nicht nur Neues, sie zerstören auch – hier alte Bausubstanz, dort den mehr oder weniger natürlichen Mikrokosmos. Aber sie können...

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15. März 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kultur und Ökoarchitektur

Während es in vielen muslimischen Ländern gärt, blicken die Vereinigten Arabischen Emirate optimistisch in die Zukunft. Vor allem Abu Dhabi will sich mit kulturellem und ökologischem Engagement weltweit einen Namen machen.

Während es in vielen muslimischen Ländern gärt, blicken die Vereinigten Arabischen Emirate optimistisch in die Zukunft. Vor allem Abu Dhabi will sich mit kulturellem und ökologischem Engagement weltweit einen Namen machen.

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13. März 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gebaute Liebschaften

Sie zählen seit über 20 Jahren zu den führenden Architekten der Schweiz: Valentin Bearth und Andrea Deplazes. Kurz nach der Gründung ihres Büros 1988 in...

Sie zählen seit über 20 Jahren zu den führenden Architekten der Schweiz: Valentin Bearth und Andrea Deplazes. Kurz nach der Gründung ihres Büros 1988 in...

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verknüpfte Akteure
Bearth & Deplazes

05. Februar 2014Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Prachtvolle Villen und verborgene Gärten

Während Pompeji mit einstürzenden Ruinen für Negativschlagzeilen sorgt, locken Ausstellungen über die antiken Vesuvstädte Hunderttausende von Besuchern in die Museen. Ausgehend von der Casa del Menandro widmet sich nun eine attraktive Schau in der Münchner Hypo-Kunsthalle dem «Leben auf dem Vulkan».

Während Pompeji mit einstürzenden Ruinen für Negativschlagzeilen sorgt, locken Ausstellungen über die antiken Vesuvstädte Hunderttausende von Besuchern in die Museen. Ausgehend von der Casa del Menandro widmet sich nun eine attraktive Schau in der Münchner Hypo-Kunsthalle dem «Leben auf dem Vulkan».

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23. Dezember 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Den Himmel stürmen

Der Himmel über Dubai ist mit Wolkenkratzern gespickt. Hier sind in den letzten fünfzehn Jahren mehr Hochhäuser entstanden als sonst wo auf der Welt. Selbst die Wirtschaftskrise konnte den Boom nur vorübergehend bremsen. Nun will Dubai zudem mit der Expo 2020 beweisen, dass Arabien weiterhin an die Zukunft glaubt.

Der Himmel über Dubai ist mit Wolkenkratzern gespickt. Hier sind in den letzten fünfzehn Jahren mehr Hochhäuser entstanden als sonst wo auf der Welt. Selbst die Wirtschaftskrise konnte den Boom nur vorübergehend bremsen. Nun will Dubai zudem mit der Expo 2020 beweisen, dass Arabien weiterhin an die Zukunft glaubt.

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05. Dezember 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Konstruktive Intelligenz

Ingenieure stehen immer im Schatten der Architekten – selbst Stars wie Cecil Balmond vom Londoner Büro Ove Arup. Dabei wären heute viele hochkomplexe Baukonstruktionen...

Ingenieure stehen immer im Schatten der Architekten – selbst Stars wie Cecil Balmond vom Londoner Büro Ove Arup. Dabei wären heute viele hochkomplexe Baukonstruktionen...

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Schnetzer Puskas Ingenieure AG
Schnetzer Heinrich



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Schnetzer Puskas Ingenieure

05. Dezember 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Hauch von Japan im Tessin

In einem stimmungsvollen Gründerzeitquartier von Bellinzona haben Guidotti Architekten aus Monte Carasso zusammen mit Andrea Frapolli aus Lugano ein Vierfamilienhaus errichtet, das den Typus der Stadtvilla neu interpretiert. Das Gebäude mit der «Vorhang-Fassade» leistet einen wichtigen Beitrag zur heutigen Tessiner Architektur.

In einem stimmungsvollen Gründerzeitquartier von Bellinzona haben Guidotti Architekten aus Monte Carasso zusammen mit Andrea Frapolli aus Lugano ein Vierfamilienhaus errichtet, das den Typus der Stadtvilla neu interpretiert. Das Gebäude mit der «Vorhang-Fassade» leistet einen wichtigen Beitrag zur heutigen Tessiner Architektur.

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28. November 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Hütten aus Plastic

In seinen freien Arbeiten beschäftigt sich der mit Dokumentationen von Helmut Jahns Bauten bekannt gewordene Münchner Fotograf Rainer Viertlböck oft mit sozialen Themen. Nun zeigt er in der Architekturgalerie München unter dem Titel «Chabolas» Hütten aus Plastic, in denen illegale Migranten und Landarbeiter in der Küstenregion von Almería leben.

In seinen freien Arbeiten beschäftigt sich der mit Dokumentationen von Helmut Jahns Bauten bekannt gewordene Münchner Fotograf Rainer Viertlböck oft mit sozialen Themen. Nun zeigt er in der Architekturgalerie München unter dem Titel «Chabolas» Hütten aus Plastic, in denen illegale Migranten und Landarbeiter in der Küstenregion von Almería leben.

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Viertlböck Rainer

22. November 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Auge für Häuser

Der Katalane Francesc Català-Roca wurde in den 1950er Jahren zu einem Erneuerer der Architekturfotografie. Eine kleine Ausstellung in Lausanne zeigt kostbare frühe Aufnahmen von Bauten Josep Coderchs, der in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag feiern könnte.

Der Katalane Francesc Català-Roca wurde in den 1950er Jahren zu einem Erneuerer der Architekturfotografie. Eine kleine Ausstellung in Lausanne zeigt kostbare frühe Aufnahmen von Bauten Josep Coderchs, der in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag feiern könnte.

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07. November 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

In Beton gefasster Klassizismus

Die Luganer Architekten Pia Durisch und Aldo Nolli haben zusammen mit ihren Churer Kollegen Valentin Bearth und Andrea Deplazes die ehemalige Handelsschule von Bellinzona zum neuen Bundesstrafgericht umgebaut und erweitert. Das aussen und innen gleichermassen stimmige Gebäude zählt zum besten, was hierzulande in jüngerer Zeit entstanden ist.

Die Luganer Architekten Pia Durisch und Aldo Nolli haben zusammen mit ihren Churer Kollegen Valentin Bearth und Andrea Deplazes die ehemalige Handelsschule von Bellinzona zum neuen Bundesstrafgericht umgebaut und erweitert. Das aussen und innen gleichermassen stimmige Gebäude zählt zum besten, was hierzulande in jüngerer Zeit entstanden ist.

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06. November 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Magischer Beton

Zum Abschluss des Kunsthauptstadt-Jahrs ehrt Marseille den Architekten Le Corbusier mit einer grossen Schau. Im Zentrum steht der Brutalismus, dem der Meister in der Hafenstadt mit der «Unité d'habitation» ein Denkmal gesetzt hat.

Zum Abschluss des Kunsthauptstadt-Jahrs ehrt Marseille den Architekten Le Corbusier mit einer grossen Schau. Im Zentrum steht der Brutalismus, dem der Meister in der Hafenstadt mit der «Unité d'habitation» ein Denkmal gesetzt hat.

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24. Oktober 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Brutalismus und globaler Chick

Montenegro, das seit 2006 unabhängige Land an der südlichen Adria, besitzt interessante moderat moderne und brutalistische Bauten aus der Zeit des ehemaligen Jugoslawien. Seit einigen Jahren entstehen aber auch neue Bauten, die zu leiser Hoffnung Anlass geben

Montenegro, das seit 2006 unabhängige Land an der südlichen Adria, besitzt interessante moderat moderne und brutalistische Bauten aus der Zeit des ehemaligen Jugoslawien. Seit einigen Jahren entstehen aber auch neue Bauten, die zu leiser Hoffnung Anlass geben

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23. Oktober 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Herr der Ringstrasse

Vor 200 Jahren wurde Theophil Hansen in Kopenhagen geboren. Doch für seine Architektur entscheidend war ein langer Aufenthalt in Athen. In Wien, wo er das Bild der Ringstrasse nachhaltig prägte, wurde er zum Meister. Nun widmet ihm die Wiener Akademie der Künste eine Schau, die leider nicht ganz befriedigt.

Vor 200 Jahren wurde Theophil Hansen in Kopenhagen geboren. Doch für seine Architektur entscheidend war ein langer Aufenthalt in Athen. In Wien, wo er das Bild der Ringstrasse nachhaltig prägte, wurde er zum Meister. Nun widmet ihm die Wiener Akademie der Künste eine Schau, die leider nicht ganz befriedigt.

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16. Oktober 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Stadt weiterbauen

Am Rand der Altstadt von Liestal konnten die Basler Architekten Buchner Bründler ein kleines Einkaufszentrum realisieren. Das Gebäude wirkt etwas kalt und anonym, schafft aber einen neuen, städtebaulich wichtigen Platz.

Am Rand der Altstadt von Liestal konnten die Basler Architekten Buchner Bründler ein kleines Einkaufszentrum realisieren. Das Gebäude wirkt etwas kalt und anonym, schafft aber einen neuen, städtebaulich wichtigen Platz.

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02. Oktober 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Katalanische Klagemauer

Anlässlich des katalanischen Nationalfeiertags, der «Diada», wurde am 11. September in Barcelona ein neues Ausstellungshaus eröffnet. Es handelt sich um eine transformierte Markthalle im trendigen Barrio del Born, unter der Ruinen der barocken Stadt freigelegt wurden. Sie erinnern an die Zeit der Eigenständigkeit.

Anlässlich des katalanischen Nationalfeiertags, der «Diada», wurde am 11. September in Barcelona ein neues Ausstellungshaus eröffnet. Es handelt sich um eine transformierte Markthalle im trendigen Barrio del Born, unter der Ruinen der barocken Stadt freigelegt wurden. Sie erinnern an die Zeit der Eigenständigkeit.

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12. September 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Beton und Glas am Thunersee

Das mehr als 800 Jahre alte, im 19. Jahrhundert romantisch erweiterte Schloss Oberhofen am Thunersee hat einen zeitgenössischen Restaurantpavillon erhalten. Der Neubau von Häberli Architekten aus Bern ist eine minimalistische Intervention aus Beton und Glas.

Das mehr als 800 Jahre alte, im 19. Jahrhundert romantisch erweiterte Schloss Oberhofen am Thunersee hat einen zeitgenössischen Restaurantpavillon erhalten. Der Neubau von Häberli Architekten aus Bern ist eine minimalistische Intervention aus Beton und Glas.

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12. September 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Schulhaus als architektonisches Labor

Seit einiger Zeit setzt Südtirol – ähnlich wie Graubünden oder Vorarlberg – mit einer eigenständigen Baukunst Akzente und hebt sich damit von der architektonischen Tristesse, die sonst in weiten Teilen Italiens herrscht, entschieden ab.

Seit einiger Zeit setzt Südtirol – ähnlich wie Graubünden oder Vorarlberg – mit einer eigenständigen Baukunst Akzente und hebt sich damit von der architektonischen Tristesse, die sonst in weiten Teilen Italiens herrscht, entschieden ab.

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29. August 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wie eine moderne Burg

Der Südtiroler Architekt Walter Angonese baute zusammen mit Andrea Marastoni für den Bozner Bauunternehmer Antonio Dalle Nogare eine grandiose Villa. Ihr kubischer Wohnteil trohnt über drei höhlenartig in der Berghang eingegrabenen Ausstellungsgeschossen, in denen zeitgenössische Kunst in wohnlichem Ambiente zu sehen ist.

Der Südtiroler Architekt Walter Angonese baute zusammen mit Andrea Marastoni für den Bozner Bauunternehmer Antonio Dalle Nogare eine grandiose Villa. Ihr kubischer Wohnteil trohnt über drei höhlenartig in der Berghang eingegrabenen Ausstellungsgeschossen, in denen zeitgenössische Kunst in wohnlichem Ambiente zu sehen ist.

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20. August 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Rationalistische Wunderwelten

Der Rationalist Adalberto Libera zählte zu den grossen Erneuerern der italienischen Architektur. Fünfzig Jahre nach seinem Tod widmet ihm das Kunstmuseum von Rovereto eine Schau, die als Bilderreigen fasziniert, wissenschaftlich aber nicht wirklich überzeugen kann.

Der Rationalist Adalberto Libera zählte zu den grossen Erneuerern der italienischen Architektur. Fünfzig Jahre nach seinem Tod widmet ihm das Kunstmuseum von Rovereto eine Schau, die als Bilderreigen fasziniert, wissenschaftlich aber nicht wirklich überzeugen kann.

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15. August 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der indische Architekt Charles Correa in einer Londoner Ausstellung

Der 1930 in Secunderabad geborene Charles Correa wurde mit postmodern anmutenden Werken wie dem auf einem Hügel inszenierten Regierungsbauten von Bhopal (1981) oder dem mandalaförmigen Kulturzentrum in Jaipur (1992) zum wichtigsten Architekten Indiens. Den internationalen Durchbruch aber schuf er erst vor wenigen Jahren mit Bauten von spätmoderner Zeichenhaftigkeit in Boston und in Lissabon.

Der 1930 in Secunderabad geborene Charles Correa wurde mit postmodern anmutenden Werken wie dem auf einem Hügel inszenierten Regierungsbauten von Bhopal (1981) oder dem mandalaförmigen Kulturzentrum in Jaipur (1992) zum wichtigsten Architekten Indiens. Den internationalen Durchbruch aber schuf er erst vor wenigen Jahren mit Bauten von spätmoderner Zeichenhaftigkeit in Boston und in Lissabon.

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15. August 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Grosser Bahnhof für Melbourne

Melbournes Hauptbahnhof, die Flinders Street Station, ist ein architektonisches Wahrzeichen aus viktorianischer Zeit. Nun erweitern die Basler Architekten Herzog & de Meuron zusammen mit dem australischen Büro Hassell den Bahnhof um eine weisse, mehrfach gewölbte Perronhalle, ein Museum und eine Markthalle.

Melbournes Hauptbahnhof, die Flinders Street Station, ist ein architektonisches Wahrzeichen aus viktorianischer Zeit. Nun erweitern die Basler Architekten Herzog & de Meuron zusammen mit dem australischen Büro Hassell den Bahnhof um eine weisse, mehrfach gewölbte Perronhalle, ein Museum und eine Markthalle.

Netzartig perforierte weisse Betongewölbe sollen in wenigen Jahren die Perronhallen des Flinders-Street-Bahnhofs zur neusten Attraktion der für ihre Baukunst bekannten australischen Millionenstadt Melbourne machen. Realisiert wird die Erweiterung des monumentalen viktorianischen Hauptbahnhofs von Herzog & de Meuron in Zusammenarbeit mit dem in Melbourne ansässigen, aber weltweit tätigen Designbüro Hassell. Die Jury des vom Bundesstaat Victoria ausgeschriebenen internationalen Wettbewerbs lobte das siegreiche Projekt des schweizerisch-australischen Teams «für seinen Respekt gegenüber dem denkmalgeschützten Bahnhof». Weiter hervorgehoben wurden von ihr die gestalterischen Qualitäten sowie das benutzerfreundliche Konzept dieses ersten Bahnhofprojekts von Herzog & de Meuron, das aus einem Durchgangsort einen Aufenthaltsort machen soll. Deshalb war den Architekten die Aufwertung des öffentlichen Raums am Yarra River, an welchem ein offenes Amphitheater entstehen soll, entlang der Flinders Street und vor den sich zur St Kilda Road weitenden Perronhallen besonders wichtig. In westlicher Richtung gehen diese Hallen in eine Gewölbekonstruktion über, die auf einer das Geleisefeld überspannenden Betondecke ruhen wird. Das hier entstehende, entfernt an Louis Kahns Kimbell Art Museum in Fort Worth erinnernde Gebäude soll ein Museum für «Oceanic and Contemporary Art» sowie eine Markthalle aufnehmen.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2013.08.15

25. Juli 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bambus-Gotik in Rossinière

Der 1949 in Manizales, Kolumbien, geborene Architekt Simón Vélez wurde mit seiner für die Umweltschutzorganisation ZERI auf der Expo 2000 in Hannover errichteten Bambus-Halle international bekannt. Nun präsentiert die ETH Lausanne sein hochinteressantes Schaffen in einer von einem Katalog begleiteten Freilichtausstellung in Rossinière im Waadtländer Pays-d'Enhaut.

Der 1949 in Manizales, Kolumbien, geborene Architekt Simón Vélez wurde mit seiner für die Umweltschutzorganisation ZERI auf der Expo 2000 in Hannover errichteten Bambus-Halle international bekannt. Nun präsentiert die ETH Lausanne sein hochinteressantes Schaffen in einer von einem Katalog begleiteten Freilichtausstellung in Rossinière im Waadtländer Pays-d'Enhaut.

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24. Juli 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zerstörung einer Ikone der Luftfahrt

James Bond und Doris Day diente der früher Worldport genannte PanAm-Terminal auf dem heutigen John F. Kennedy International Airport in New York einst als Bühne. Nun wird das an eine fliegende Untertasse erinnernde Baudenkmal trotz heftigen Protesten abgerissen.

James Bond und Doris Day diente der früher Worldport genannte PanAm-Terminal auf dem heutigen John F. Kennedy International Airport in New York einst als Bühne. Nun wird das an eine fliegende Untertasse erinnernde Baudenkmal trotz heftigen Protesten abgerissen.

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23. Juli 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Suggestive Jubiläums-Schau in London

Seit der Eröffnung des Centre Pompidou in Paris und des Lloyd's Building in London gilt Richard Rogers als Grossmeister der britischen Architektur. In jüngster Zeit hat er sich vermehrt sozialen, urbanistischen und ökologischen Fragen zugewandt, wie eine Schau in der Royal Academy of Arts in London zeigt.

Seit der Eröffnung des Centre Pompidou in Paris und des Lloyd's Building in London gilt Richard Rogers als Grossmeister der britischen Architektur. In jüngster Zeit hat er sich vermehrt sozialen, urbanistischen und ökologischen Fragen zugewandt, wie eine Schau in der Royal Academy of Arts in London zeigt.

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11. Juli 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur aus China, Japan, Südkorea und Taiwan in Wien.

In Sachen Architektur befindet sich Japan seit langem auf Augenhöhe mit dem Westen. Nun machen auch die Nachbarländer von sich reden. Das veranlasste das...

In Sachen Architektur befindet sich Japan seit langem auf Augenhöhe mit dem Westen. Nun machen auch die Nachbarländer von sich reden. Das veranlasste das...

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25. Juni 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Arno Lederers wogendes Ziegelmeer

Auf der Suche nach Deutschlands schönsten Bauten wird man derzeit eher in kleinen Städten als in den grossen Zentren fündig. In Ravensburg etwa zeigt ein harmonischer Museumsbau aus Backstein, was zeitgenössische Architektur im Dialog mit dem Kontext zu leisten vermag.

Auf der Suche nach Deutschlands schönsten Bauten wird man derzeit eher in kleinen Städten als in den grossen Zentren fündig. In Ravensburg etwa zeigt ein harmonischer Museumsbau aus Backstein, was zeitgenössische Architektur im Dialog mit dem Kontext zu leisten vermag.

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21. Juni 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Janusköpfiges Vorarlberg Museum

Dank Peter Zumthors Kunsthaus wurde die Bodenseestadt Bregenz zu einem Wallfahrtsort für Kunst- und Architekturliebhaber. Einen Steinwurf von diesem entfernt kann am Freitag ein Beispiel der jüngeren Architektur des Landes eingeweiht werden: das Vorarlberg Museum von Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur.

Dank Peter Zumthors Kunsthaus wurde die Bodenseestadt Bregenz zu einem Wallfahrtsort für Kunst- und Architekturliebhaber. Einen Steinwurf von diesem entfernt kann am Freitag ein Beispiel der jüngeren Architektur des Landes eingeweiht werden: das Vorarlberg Museum von Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur.

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verknüpfte Bauwerke
Vorarlberg Museum

12. Juni 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Visionen für die Schweiz

Denkt man an Bauten französischer Architekten in der Schweiz, so kommt einem sogleich das KKL in den Sinn. Die Luzerner Ikone wurde ebenso von Jean Nouvel...

Denkt man an Bauten französischer Architekten in der Schweiz, so kommt einem sogleich das KKL in den Sinn. Die Luzerner Ikone wurde ebenso von Jean Nouvel...

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30. Mai 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Visionen einer neuen Stadt

Wie wollen wir die Stadt planen? Hochhauswälder, monotone Geschäftszentren, lebensnahe Hofrandquartiere, durchgrünte Schlafstädte in Zeilenbauweise, ökologische...

Wie wollen wir die Stadt planen? Hochhauswälder, monotone Geschäftszentren, lebensnahe Hofrandquartiere, durchgrünte Schlafstädte in Zeilenbauweise, ökologische...

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30. April 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine neue Nationalbibliothek in Jerusalem

Das Auswahlgremium unter der Leitung von Luis Fernández-Galiano entschied sich für die Schweizer Pritzkerpreisträger nach einer Reihe von Interviews, zu...

Das Auswahlgremium unter der Leitung von Luis Fernández-Galiano entschied sich für die Schweizer Pritzkerpreisträger nach einer Reihe von Interviews, zu...

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25. April 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kalksteinkubus mit Davidsternmuster

In den vergangenen Jahren sind in Deutschland mehrere bedeutende Synagogen entstanden. Die jüngst eingeweihte Ulmer Synagoge mag zwar architektonisch nur teilweise zu überzeugen. Ihr kommt aber als Stadtbaustein in der Neugestaltung der Innenstadt grosse Bedeutung zu.

In den vergangenen Jahren sind in Deutschland mehrere bedeutende Synagogen entstanden. Die jüngst eingeweihte Ulmer Synagoge mag zwar architektonisch nur teilweise zu überzeugen. Ihr kommt aber als Stadtbaustein in der Neugestaltung der Innenstadt grosse Bedeutung zu.

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18. April 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zukunftsstadt am Mittelmeer

Trotz historischem Zentrum, Fürstenschloss und Belle-Epoque-Palästen vermittelt Monaco das Bild einer boomenden Hochhausstadt. Deren Entwicklung zeichnet eine anregende Doppelausstellung in den beiden Kunstmuseen des Landes nach.

Trotz historischem Zentrum, Fürstenschloss und Belle-Epoque-Palästen vermittelt Monaco das Bild einer boomenden Hochhausstadt. Deren Entwicklung zeichnet eine anregende Doppelausstellung in den beiden Kunstmuseen des Landes nach.

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16. April 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schätze der Romandie

Gibt es einen schöneren Ort für Stadtspaziergänge als Lausanne? Die hügelige Topografie treibt einem mitunter zwar den Schweiss auf die Stirn, entschädigt...

Gibt es einen schöneren Ort für Stadtspaziergänge als Lausanne? Die hügelige Topografie treibt einem mitunter zwar den Schweiss auf die Stirn, entschädigt...

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12. April 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kunst und Dokumentation

Seit langem gilt Graubünden als Land der Baukunst. Wie sich diese in der Architekturfotografie der letzten 150 Jahre spiegelt, ist Thema einer grossen Ausstellung im Bündner Kunstmuseum in Chur.

Seit langem gilt Graubünden als Land der Baukunst. Wie sich diese in der Architekturfotografie der letzten 150 Jahre spiegelt, ist Thema einer grossen Ausstellung im Bündner Kunstmuseum in Chur.

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11. April 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Münchner Himmelsleiter

Schon einen Monat vor der offiziellen Eröffnung am 13. April war sie dem Publikum dank einer Werkschau des Zürcher Schmuckkünstlers Otto Künzli zugänglich:...

Schon einen Monat vor der offiziellen Eröffnung am 13. April war sie dem Publikum dank einer Werkschau des Zürcher Schmuckkünstlers Otto Künzli zugänglich:...

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05. April 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Besser wohnen im Alter

Europas demografische Entwicklung hat Auswirkungen auf das Wohnen. Da die meisten älteren Menschen weiterhin selbständig leben möchten, sollten die neuen Wohnhäuser und deren Umgebung sicher und hindernisfrei gestaltet werden.

Europas demografische Entwicklung hat Auswirkungen auf das Wohnen. Da die meisten älteren Menschen weiterhin selbständig leben möchten, sollten die neuen Wohnhäuser und deren Umgebung sicher und hindernisfrei gestaltet werden.

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25. März 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Farbe des Betons

Eine selten günstige Konstellation erlaubt es derzeit, in Winterthur, Chur und Basel die Architekturfotografie aus historischer, regionaler und zeitgenössischer...

Eine selten günstige Konstellation erlaubt es derzeit, in Winterthur, Chur und Basel die Architekturfotografie aus historischer, regionaler und zeitgenössischer...

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17. März 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Unkonventioneller Denker

Der 71-jährige japanische Architekt Toyo Ito hat – wie die Pritzker Foundation am Sonntagabend in Los Angeles bekannt gab – den diesjährigen Pritzker Architekturpreis...

Der 71-jährige japanische Architekt Toyo Ito hat – wie die Pritzker Foundation am Sonntagabend in Los Angeles bekannt gab – den diesjährigen Pritzker Architekturpreis...

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verknüpfte Akteure
Ito Toyo

09. März 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Fliegende Schiffe und hängende Gärten

Lange galt Singapur als ebenso saubere wie biedere Geschäftsstadt. Doch mithilfe atemberaubender Architekturen hat sich die südostasiatische Metropole in den vergangenen Jahren ganz neu erfunden.

Lange galt Singapur als ebenso saubere wie biedere Geschäftsstadt. Doch mithilfe atemberaubender Architekturen hat sich die südostasiatische Metropole in den vergangenen Jahren ganz neu erfunden.

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19. Dezember 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schöne Stadt

Die grösste Altstadt unseres Landes und ein bedeutendes baukünstlerisches Patrimonium machen Basel zu einem Wallfahrtsort für Architekturliebhaber. Ebenso...

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06. Dezember 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus als Garten

Vor 17 Jahren wurde der malaysische Architekt Ken Yeang mit einem formal innovativen grünen Hochhaus über Nacht berühmt. Nun präsentiert das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart Yeangs Schaffen vor dem Hintergrund von Südostasiens ökologischen Bestrebungen.

Vor 17 Jahren wurde der malaysische Architekt Ken Yeang mit einem formal innovativen grünen Hochhaus über Nacht berühmt. Nun präsentiert das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart Yeangs Schaffen vor dem Hintergrund von Südostasiens ökologischen Bestrebungen.

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30. November 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Herr der Bilder

Für seine künstlerische und architektonische Recherche setzte Le Corbusier Fotos ebenso ein wie zur Promotion seines gebauten Œuvres. Nun beleuchtet das Musée des Beaux-Arts von La Chaux-de-Fonds in einer prächtigen Schau das Interesse des Meisters an der Fotografie.

Für seine künstlerische und architektonische Recherche setzte Le Corbusier Fotos ebenso ein wie zur Promotion seines gebauten Œuvres. Nun beleuchtet das Musée des Beaux-Arts von La Chaux-de-Fonds in einer prächtigen Schau das Interesse des Meisters an der Fotografie.

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27. November 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wegbereiter

Mit der Frank Lloyd Wrights organische Ideen rational uminterpretierenden Casa Balmelli in seinem Heimatdorf hoch über dem Luganersee war er 1956 bekannt...

Mit der Frank Lloyd Wrights organische Ideen rational uminterpretierenden Casa Balmelli in seinem Heimatdorf hoch über dem Luganersee war er 1956 bekannt...

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09. November 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schöne Räume für Zürichs Kunst

Mit monumentalem Auftritt wird die von David Chipperfield geplante Kunsthauserweiterung dereinst den Heimplatz dominieren. Im Innern aber will sie die Besucher mit fein proportionierten und sorgfältig detaillierten Räumen für Kunst vom Impressionismus bis heute überraschen.

Mit monumentalem Auftritt wird die von David Chipperfield geplante Kunsthauserweiterung dereinst den Heimplatz dominieren. Im Innern aber will sie die Besucher mit fein proportionierten und sorgfältig detaillierten Räumen für Kunst vom Impressionismus bis heute überraschen.

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verknüpfte Bauwerke
Kunsthaus Zürich - Erweiterungsbau

03. November 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Magierin vom Musée d'Orsay

Sie war Italiens berühmteste Architektin, die am 4. Dezember 1927 südlich von Udine im ländlichen Friaul geborene Gae (Gaetana) Aulenti. Nach ihrem Studium...

Sie war Italiens berühmteste Architektin, die am 4. Dezember 1927 südlich von Udine im ländlichen Friaul geborene Gae (Gaetana) Aulenti. Nach ihrem Studium...

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02. November 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Einfach schön

Die venezianische Glaskunst erreichte im 20. Jahrhundert einen Höhepunkt. Ihr wichtigster Erneuerer war der italienische Architekt Carlo Scarpa. Seinen Entwürfen widmet die Fondazione Giorgio Cini in Venedig nun eine prachtvolle Ausstellung.

Die venezianische Glaskunst erreichte im 20. Jahrhundert einen Höhepunkt. Ihr wichtigster Erneuerer war der italienische Architekt Carlo Scarpa. Seinen Entwürfen widmet die Fondazione Giorgio Cini in Venedig nun eine prachtvolle Ausstellung.

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22. Oktober 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Montreal und sein historisch gewachsenes Stadtbild

Während bald jede europäische Provinzstadt von einer Skyline träumt, revitalisieren Montreals Architekten ihre Stadt im Dialog mit dem Kontext. Auf die Wolkenkratzer der 1960er Jahre antworten sie mit «liegenden Hochhäusern» und mit der Umwidmung von Altbauten in Ateliers, Wohnhäuser, Theater oder Museen.

Während bald jede europäische Provinzstadt von einer Skyline träumt, revitalisieren Montreals Architekten ihre Stadt im Dialog mit dem Kontext. Auf die Wolkenkratzer der 1960er Jahre antworten sie mit «liegenden Hochhäusern» und mit der Umwidmung von Altbauten in Ateliers, Wohnhäuser, Theater oder Museen.

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17. Oktober 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ganz in Weiss

Die weltweit schönste Sammlung antiker Mosaiken befindet sich im Musée National du Bardo in Tunis. Nun machten die wachsenden Bestände im labyrinthischen Palast einen Erweiterungsbau nötig. Dieser schafft Luft, erleichtert die Erschliessung und bietet dem grossen Neptun-Mosaik von Sousse einen spektakulären Auftritt.

Die weltweit schönste Sammlung antiker Mosaiken befindet sich im Musée National du Bardo in Tunis. Nun machten die wachsenden Bestände im labyrinthischen Palast einen Erweiterungsbau nötig. Dieser schafft Luft, erleichtert die Erschliessung und bietet dem grossen Neptun-Mosaik von Sousse einen spektakulären Auftritt.

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21. September 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schöner neuer Norden

Skandinaviens Architektur erlebte in den vergangenen Jahren einen einzigartigen Höhenflug. Nun beleuchtet das Louisiana-Museum in Humlebæk in einer fulminanten Schau das jüngste Baugeschehen unter dem Aspekt der nordischen Identität.

Skandinaviens Architektur erlebte in den vergangenen Jahren einen einzigartigen Höhenflug. Nun beleuchtet das Louisiana-Museum in Humlebæk in einer fulminanten Schau das jüngste Baugeschehen unter dem Aspekt der nordischen Identität.

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21. August 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Arche im Weinberg

Auch kleine Bauten können faszinieren. Etwa die hausförmige Treppenanlage, die die beiden jungen Zürcher Baukünstler Philipp Esch und Stephan Sintzel im bischöflichen Weinberg von Chur realisiert haben. Sie ist eine Attraktion für architekturbegeisterte Stadtwanderer.

Auch kleine Bauten können faszinieren. Etwa die hausförmige Treppenanlage, die die beiden jungen Zürcher Baukünstler Philipp Esch und Stephan Sintzel im bischöflichen Weinberg von Chur realisiert haben. Sie ist eine Attraktion für architekturbegeisterte Stadtwanderer.

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27. Juli 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Magisches Theater

Die Designszene der Romandie ist im Aufbruch. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Designschule ECAL. Einer ihrer talentiertesten Absolventen, Adrien Rovero, präsentiert nun sein Schaffen im Lausanner Designmuseum Mudac.

Die Designszene der Romandie ist im Aufbruch. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Designschule ECAL. Einer ihrer talentiertesten Absolventen, Adrien Rovero, präsentiert nun sein Schaffen im Lausanner Designmuseum Mudac.

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19. Juli 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Summer in the City

Bis in den September hinein begeht Hamburg seinen siebten Architektursommer. Über 250 Ausstellungen, Vorträge und Rundgänge ermöglichen einen von der Vergangenheit bis in die Zukunft reichenden Blick auf die Elbmetropole.

Bis in den September hinein begeht Hamburg seinen siebten Architektursommer. Über 250 Ausstellungen, Vorträge und Rundgänge ermöglichen einen von der Vergangenheit bis in die Zukunft reichenden Blick auf die Elbmetropole.

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04. Juli 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Mainzer Rathaus von Arne Jacobsen und Otto Weitling

Mit dem von Arne Jacobsen entworfenen Rathaus besitzt Mainz ein Meisterwerk der Nachkriegsmoderne. Nun muss das einer demokratischen Monumentalität verpflichtete Gebäude renoviert werden. Dabei ist höchste Sorgfalt angebracht.

Mit dem von Arne Jacobsen entworfenen Rathaus besitzt Mainz ein Meisterwerk der Nachkriegsmoderne. Nun muss das einer demokratischen Monumentalität verpflichtete Gebäude renoviert werden. Dabei ist höchste Sorgfalt angebracht.

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15. Mai 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zurück zur alten Grösse

Im städtebaulichen Erneuerungswahn der späten 1930er Jahre wurde Sassello, das malerische Armeleuteviertel von Lugano, abgerissen, um ungesunde Zustände zu beheben, wie es hiess. An seiner Stelle errichtete der in Rom und Mailand ausgebildete Bruno Bossi – basierend auf einem Wettbewerbsprojekt von 1933 – an der engen Via Nassa eine kleine Platzanlage, die mit ihren Palazzi aus Travertin an italienische Vorbilder der Zeit erinnern.

Im städtebaulichen Erneuerungswahn der späten 1930er Jahre wurde Sassello, das malerische Armeleuteviertel von Lugano, abgerissen, um ungesunde Zustände zu beheben, wie es hiess. An seiner Stelle errichtete der in Rom und Mailand ausgebildete Bruno Bossi – basierend auf einem Wettbewerbsprojekt von 1933 – an der engen Via Nassa eine kleine Platzanlage, die mit ihren Palazzi aus Travertin an italienische Vorbilder der Zeit erinnern.

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verknüpfte Publikationen
Städtebau für Mussolini

18. April 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Besinnung und Reflexion

Italiens Architektur befindet sich seit Jahren in der Krise. Nur Südtirol kann mit einer blühenden Baukultur aufwarten. Nach einer ersten Bilanz im Jahre 2006 erkundet das Kunsthaus Meran zurzeit die Kreativität der gegenwärtigen Szene.

Italiens Architektur befindet sich seit Jahren in der Krise. Nur Südtirol kann mit einer blühenden Baukultur aufwarten. Nach einer ersten Bilanz im Jahre 2006 erkundet das Kunsthaus Meran zurzeit die Kreativität der gegenwärtigen Szene.

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11. April 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Weisser Lurch im alten Hafen

Trotz seiner hochbedeutenden Sammlung war das Niederländische Filminstitut in Amsterdam bisher nur Insidern ein Begriff. Nun hat das Museum am Nordufer des IJ ein neues Haus bezogen, das sein extravagantes Aussehen den Wiener Architekten Delugan & Meissl verdankt.

Trotz seiner hochbedeutenden Sammlung war das Niederländische Filminstitut in Amsterdam bisher nur Insidern ein Begriff. Nun hat das Museum am Nordufer des IJ ein neues Haus bezogen, das sein extravagantes Aussehen den Wiener Architekten Delugan & Meissl verdankt.

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verknüpfte Bauwerke
EYE Film Instituut Nederland

21. März 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Säulenhallen und Ehrenbögen

Ruinen geben nicht nur Auskunft über frühere Kulturen, sie appellieren auch an das Gefühl. Nicht zuletzt deswegen pilgern wir zu den Baudenkmälern und...

Ruinen geben nicht nur Auskunft über frühere Kulturen, sie appellieren auch an das Gefühl. Nicht zuletzt deswegen pilgern wir zu den Baudenkmälern und...

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14. März 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Subtil und selbstbewusst

Seit einigen Jahren wird die Innsbrucker Innenstadt mit gezielten architektonischen Interventionen verdichtet. Mehr noch als die von international tätigen Stars realisierten Werke vermögen die subtil und selbstbewusst ins Stadtbild integrierten Bauten von Hanno Schlögl und Daniel Süss zu überzeugen.

Seit einigen Jahren wird die Innsbrucker Innenstadt mit gezielten architektonischen Interventionen verdichtet. Mehr noch als die von international tätigen Stars realisierten Werke vermögen die subtil und selbstbewusst ins Stadtbild integrierten Bauten von Hanno Schlögl und Daniel Süss zu überzeugen.

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verknüpfte Akteure
Schlögl Hanno
Süß Daniel
Schlögl & Süß Architekten

11. Februar 2012Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kreolischer Klassizismus

Kubas Kolonialarchitektur ist ein Fest fürs Auge. Nach einem barocken Vorspiel wurde die Formenwelt des Klassizismus zum Ausdruck nationalen Selbstbewusstseins. Mehr noch als Havanna, die «Stadt der Säulen», wurden die antikischen Stadtbilder von Cienfuegos und Pinar del Río durch die neue Baukunst geprägt.

Kubas Kolonialarchitektur ist ein Fest fürs Auge. Nach einem barocken Vorspiel wurde die Formenwelt des Klassizismus zum Ausdruck nationalen Selbstbewusstseins. Mehr noch als Havanna, die «Stadt der Säulen», wurden die antikischen Stadtbilder von Cienfuegos und Pinar del Río durch die neue Baukunst geprägt.

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17. Dezember 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukünstlerischer Formenzauber

Nie gab sich die moderne Architektur phantasievoller als im Italien der Nachkriegszeit. Eine Ausstellung in Innsbruck zelebriert nun den gebauten Formenzauber jener zukunftsgläubigen Epoche.

Nie gab sich die moderne Architektur phantasievoller als im Italien der Nachkriegszeit. Eine Ausstellung in Innsbruck zelebriert nun den gebauten Formenzauber jener zukunftsgläubigen Epoche.

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02. Dezember 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Stiller Dialog

Als Guru der zeitgenössischen Baukunst und als Prophet des Junk-Space wurde Rem Koolhaas berühmt. Nun lässt der von ihm und seinem Büro OMA konzipierte Neubau der Rothschild-Bank in London ganz leise Töne anklingen. Sie finden ein Echo in der vom Rotor-Kollektiv inszenierten OMA-Schau im Barbican Centre.

Als Guru der zeitgenössischen Baukunst und als Prophet des Junk-Space wurde Rem Koolhaas berühmt. Nun lässt der von ihm und seinem Büro OMA konzipierte Neubau der Rothschild-Bank in London ganz leise Töne anklingen. Sie finden ein Echo in der vom Rotor-Kollektiv inszenierten OMA-Schau im Barbican Centre.

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28. Oktober 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Labor der Moderne

Nach Israels Staatsgründung im Jahre 1948 mussten für Hunderttausende von Einwanderern neue Siedlungen geplant und Infrastrukturen geschaffen werden. Dabei kamen die Prinzipien der modernen Architektur und Urbanistik konsequent zum Einsatz. Dies zeigt derzeit eine vielschichtige Ausstellung in Basel.

Nach Israels Staatsgründung im Jahre 1948 mussten für Hunderttausende von Einwanderern neue Siedlungen geplant und Infrastrukturen geschaffen werden. Dabei kamen die Prinzipien der modernen Architektur und Urbanistik konsequent zum Einsatz. Dies zeigt derzeit eine vielschichtige Ausstellung in Basel.

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12. Oktober 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Weingrotten und Musentempel

Zeitgenössische Architektur hat in Italien einen schweren Stand. Einzig in Südtirol konnte sich jüngst eine spannende Szene etablieren. Viele Hauptwerke – vom umgebauten Schloss über das Weinhaus bis zum eleganten Wellnesscenter – dienen dem Tourismus als Aushängeschilder.

Zeitgenössische Architektur hat in Italien einen schweren Stand. Einzig in Südtirol konnte sich jüngst eine spannende Szene etablieren. Viele Hauptwerke – vom umgebauten Schloss über das Weinhaus bis zum eleganten Wellnesscenter – dienen dem Tourismus als Aushängeschilder.

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28. September 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kristalliner Minimalismus

Im Umkreis der Place des Nations in Genf entstehen immer wieder neue Bauten. Soeben konnte das neue Wipo-Gebäude von Stefan Behnisch eingeweiht werden. Es erweist sich als beispielhaft für die Baukultur des internationalen Genf.

Im Umkreis der Place des Nations in Genf entstehen immer wieder neue Bauten. Soeben konnte das neue Wipo-Gebäude von Stefan Behnisch eingeweiht werden. Es erweist sich als beispielhaft für die Baukultur des internationalen Genf.

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29. August 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Von Kopenhagen lernen

Kopenhagen ist eine schöne und lebenswerte Stadt. Damit dies trotz stürmischem Wachstum so bleibt, werden in den neuen Quartieren rund um den Innenhafen und in Ørestad unterschiedliche Städtebau-, Architektur- und Wohnkonzepte erprobt.

Kopenhagen ist eine schöne und lebenswerte Stadt. Damit dies trotz stürmischem Wachstum so bleibt, werden in den neuen Quartieren rund um den Innenhafen und in Ørestad unterschiedliche Städtebau-, Architektur- und Wohnkonzepte erprobt.

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23. August 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Aquädukte und Strassentunnels

Auf Wanderungen in der Schweiz stösst man mitunter auf Überreste römischer Verkehrswege – am Julierpass genauso wie im Berner Jura. Zwischen Tramelan und...

Auf Wanderungen in der Schweiz stösst man mitunter auf Überreste römischer Verkehrswege – am Julierpass genauso wie im Berner Jura. Zwischen Tramelan und...

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18. August 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bauen als kritische Kunst

Das Interesse an Ai Weiwei ist seit seiner vorübergehenden Inhaftierung grösser denn je. Nun wirft das Kunsthaus Bregenz einen Blick auf das architektonische Schaffen des chinesischen Multitalents.

Das Interesse an Ai Weiwei ist seit seiner vorübergehenden Inhaftierung grösser denn je. Nun wirft das Kunsthaus Bregenz einen Blick auf das architektonische Schaffen des chinesischen Multitalents.

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06. August 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur und Leben

Mit dem Wohnen verbundene Träume und Wirklichkeiten beschäftigen uns alle. Nun erkundet das Louisiana Museum in Humlebæk bei Kopenhagen die sozialen Aspekte der Baukunst in der Ausstellungsreihe «Grenzen der Architektur».

Mit dem Wohnen verbundene Träume und Wirklichkeiten beschäftigen uns alle. Nun erkundet das Louisiana Museum in Humlebæk bei Kopenhagen die sozialen Aspekte der Baukunst in der Ausstellungsreihe «Grenzen der Architektur».

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03. August 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Grandeur

Seit das Zentrum von Edinburg zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, renoviert die Stadt ihre Bauten. Soeben konnte das von Gareth Hoskins umgestaltete National Museum of Scotland, ein viktorianischer Prachtbau, wiedereröffnet werden.

Seit das Zentrum von Edinburg zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, renoviert die Stadt ihre Bauten. Soeben konnte das von Gareth Hoskins umgestaltete National Museum of Scotland, ein viktorianischer Prachtbau, wiedereröffnet werden.

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07. Juli 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

«Amate l'architettura»

Die Kreativität des Architekten Gio Ponti gründete auf einem spielerischen Umgang mit den Prinzipien der Moderne. Wie daraus Ikonen der Baukunst und des Designs resultierten, zeigen zwei Ausstellungen in Pontis Heimatstadt Mailand.

Die Kreativität des Architekten Gio Ponti gründete auf einem spielerischen Umgang mit den Prinzipien der Moderne. Wie daraus Ikonen der Baukunst und des Designs resultierten, zeigen zwei Ausstellungen in Pontis Heimatstadt Mailand.

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16. Juni 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Stadtform weiterdenken

Italien ist ein karger Boden für zeitgenössische Baukunst. Nur Südtirol bietet mit seiner kreativen Architektenszene eine Ausnahme. Jetzt soll die Reurbanisierung des Bahnhofareals von Bozen auch städtebauliche Massstäbe setzen. Eine Schau im Wiener Ringturm zeigt die Projekte.

Italien ist ein karger Boden für zeitgenössische Baukunst. Nur Südtirol bietet mit seiner kreativen Architektenszene eine Ausnahme. Jetzt soll die Reurbanisierung des Bahnhofareals von Bozen auch städtebauliche Massstäbe setzen. Eine Schau im Wiener Ringturm zeigt die Projekte.

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07. Juni 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Hochhaus und Paradiesgarten

Die Architektur von Dienstleistungs- und Industriegebieten ist meist banal. Dass es auch anders geht, beweist die Roche Diagnostics AG in Rotkreuz. Ihr Campus überrascht mit zeichenhaften Bauten und botanisch interessanten Grünanlagen.

Die Architektur von Dienstleistungs- und Industriegebieten ist meist banal. Dass es auch anders geht, beweist die Roche Diagnostics AG in Rotkreuz. Ihr Campus überrascht mit zeichenhaften Bauten und botanisch interessanten Grünanlagen.

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26. Mai 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Spielen mit Baustilen

Mit wegweisenden Universitäts- und Kulturbauten sicherte sich James Stirling einen Platz unter den grossen Architekten des 20. Jahrhunderts. Die Tate Britain in London zeigt nun seine Entwürfe in der von ihm realisierten Clore Gallery.

Mit wegweisenden Universitäts- und Kulturbauten sicherte sich James Stirling einen Platz unter den grossen Architekten des 20. Jahrhunderts. Die Tate Britain in London zeigt nun seine Entwürfe in der von ihm realisierten Clore Gallery.

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verknüpfte Akteure
Stirling James

17. Mai 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gestapelte Ausstellungscontainer

Das unmittelbar nördlich der Altstadt gelegene alte Hafengebiet von Antwerpen wandelt sich in ein neues Wohn- und Kulturviertel. Sein Wahrzeichen ist das der Stadtgeschichte gewidmete Museum aan de Stroom von Neutelings & Riedijk, das heute offiziell eingeweiht wird.

Das unmittelbar nördlich der Altstadt gelegene alte Hafengebiet von Antwerpen wandelt sich in ein neues Wohn- und Kulturviertel. Sein Wahrzeichen ist das der Stadtgeschichte gewidmete Museum aan de Stroom von Neutelings & Riedijk, das heute offiziell eingeweiht wird.

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verknüpfte Bauwerke
MAS - Museum Aan de Stroom

11. Mai 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bauten und Monumente

Der Architekturdiskurs in Publikationen und an Hochschulen kommt nicht ohne Abbildungen aus. Drei Münchner Ausstellungen würdigen nun die Architekturfotografie von ihren Anfängen bis heute.

Der Architekturdiskurs in Publikationen und an Hochschulen kommt nicht ohne Abbildungen aus. Drei Münchner Ausstellungen würdigen nun die Architekturfotografie von ihren Anfängen bis heute.

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07. Mai 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Grüner Torso

Mit dem Prime Tower hat Zürich das höchste Haus der Schweiz erhalten. Doch die schillernde architektonische Skulptur steht isoliert in der Stadtlandschaft.

Mit dem Prime Tower hat Zürich das höchste Haus der Schweiz erhalten. Doch die schillernde architektonische Skulptur steht isoliert in der Stadtlandschaft.

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verknüpfte Bauwerke
Prime Tower

02. März 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Chromblitzende Zacken

Seit der Eröffnung des Max Museo in Chiasso Ende 2005 zählen Pia Durisch und Aldo Nolli zu den wichtigsten Vertretern der Tessiner Architektur. Nun beweisen sie ihr Können mit einem eigenwilligen Schulhaus in Gordola erneut.

Seit der Eröffnung des Max Museo in Chiasso Ende 2005 zählen Pia Durisch und Aldo Nolli zu den wichtigsten Vertretern der Tessiner Architektur. Nun beweisen sie ihr Können mit einem eigenwilligen Schulhaus in Gordola erneut.

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18. Februar 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Planen für die Zukunft

Die Gegend zwischen Bonn und Duisburg befindet sich im Umbruch. Alte Hafengebiete werden umgenutzt und Innenstädte aufgewertet. Eine Ausstellung in Köln zeigt nun, dass der städtebauliche Wandel am Niederrhein Tradition hat.

Die Gegend zwischen Bonn und Duisburg befindet sich im Umbruch. Alte Hafengebiete werden umgenutzt und Innenstädte aufgewertet. Eine Ausstellung in Köln zeigt nun, dass der städtebauliche Wandel am Niederrhein Tradition hat.

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16. Februar 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der Poet des Eisenbetons

Der Palazzetto dello Sport in Rom machte Pier Luigi Nervi 1960 weltbekannt. Etwa zur selben Zeit hatte er zusammen mit ebenso berühmten Kollegen das Unesco-Gebäude in Paris und das Mailänder Pirelli-Hochhaus entworfen. Nun wird sein Werk in einer Römer Schau gefeiert.

Der Palazzetto dello Sport in Rom machte Pier Luigi Nervi 1960 weltbekannt. Etwa zur selben Zeit hatte er zusammen mit ebenso berühmten Kollegen das Unesco-Gebäude in Paris und das Mailänder Pirelli-Hochhaus entworfen. Nun wird sein Werk in einer Römer Schau gefeiert.

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09. Februar 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Frischer Wind am Tafelberg

Kapstadt hat viele Gesichter. Europäisch anmutende Trendquartiere finden sich hier ebenso wie übervölkerte Townships. Dank der gezielten Schaffung sicherer Fussgängerzonen entdecken nun Einheimische und Touristen den mediterranen Charme der Königin am Tafelberg.

Kapstadt hat viele Gesichter. Europäisch anmutende Trendquartiere finden sich hier ebenso wie übervölkerte Townships. Dank der gezielten Schaffung sicherer Fussgängerzonen entdecken nun Einheimische und Touristen den mediterranen Charme der Königin am Tafelberg.

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27. Dezember 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Raster

Von allen international erfolgreichen Schweizer Architekten ist hierzulande keiner so wenig bekannt wie Max Dudler. Seine fulminante Karriere begann nach...

Von allen international erfolgreichen Schweizer Architekten ist hierzulande keiner so wenig bekannt wie Max Dudler. Seine fulminante Karriere begann nach...

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08. Dezember 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ethik und Ästhetik

Für den Swiss Architectural Award wurden zum zweiten Mal Werke junger Architekten nominiert. Den Preis sicherte sich Diébédo Francis Kéré aus Burkina Faso gegen eine hochkarätige Konkurrenz, wie eine Ausstellung in Mendrisio zeigt.

Für den Swiss Architectural Award wurden zum zweiten Mal Werke junger Architekten nominiert. Den Preis sicherte sich Diébédo Francis Kéré aus Burkina Faso gegen eine hochkarätige Konkurrenz, wie eine Ausstellung in Mendrisio zeigt.

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23. November 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schreine und Skulpturen

Als Experimentierlabor der zeitgenössischen Architektur wird Spanien seit einem Vierteljahrhundert bewundert. Repräsentative Bürotürme, Verwaltungsbauten,...

Als Experimentierlabor der zeitgenössischen Architektur wird Spanien seit einem Vierteljahrhundert bewundert. Repräsentative Bürotürme, Verwaltungsbauten,...

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02. November 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Urbane Welt im Kleinformat

Nachdem jahrelang die Architektur mit spektakulären Bauten um Aufmerksamkeit gebuhlt hat, rückt die Stadt als komplexer Organismus vermehrt ins Rampenlicht. Eine Berliner Ausstellung feiert derzeit die deutsche «Realstadt» mit einer eindrücklichen Parade von Grossmodellen.

Nachdem jahrelang die Architektur mit spektakulären Bauten um Aufmerksamkeit gebuhlt hat, rückt die Stadt als komplexer Organismus vermehrt ins Rampenlicht. Eine Berliner Ausstellung feiert derzeit die deutsche «Realstadt» mit einer eindrücklichen Parade von Grossmodellen.

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23. Oktober 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Liebe zur Geometrie

Vor fünfzig Jahren baute Mario Botta sein erstes Haus. Seither hat er von Lugano über Tokio bis San Francisco viele leicht erkennbare Meisterwerke geschaffen. Nun ehrt das Mart in Rovereto, eines der führenden Ausstellungshäuser in Italien, den 67-jährigen Architekten mit einer grossen Werkretrospektive.

Vor fünfzig Jahren baute Mario Botta sein erstes Haus. Seither hat er von Lugano über Tokio bis San Francisco viele leicht erkennbare Meisterwerke geschaffen. Nun ehrt das Mart in Rovereto, eines der führenden Ausstellungshäuser in Italien, den 67-jährigen Architekten mit einer grossen Werkretrospektive.

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30. September 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sehnsucht nach Trugbildern

In jüngster Zeit sorgen Rekonstruktionen immer wieder für Schlagzeilen. Eine fundierte Ausstellung in München nimmt sich nun des komplexen Problems des Neubaus historischer Gebäude an.

In jüngster Zeit sorgen Rekonstruktionen immer wieder für Schlagzeilen. Eine fundierte Ausstellung in München nimmt sich nun des komplexen Problems des Neubaus historischer Gebäude an.

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29. September 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wankender Gigant

Le Corbusier war als Architekt eine Jahrhundertfigur. Seine Erkenntnisse haben der Baukunst ganz neue Wege gewiesen. Deshalb verdient er seinen Platz auf...

Le Corbusier war als Architekt eine Jahrhundertfigur. Seine Erkenntnisse haben der Baukunst ganz neue Wege gewiesen. Deshalb verdient er seinen Platz auf...

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Le Corbusier

24. September 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Fliegende Thorarolle

Das Simon Wiesenthal Center wollte in Jerusalem ein von Frank Gehry geplantes Museum of Tolerance realisieren. Doch die Finanzkrise stoppte das megalomane Unterfangen. Nun soll das Büro Chyutin aus Tel Aviv einen redimensionierten Bau errichten, der auf den Kontext eingeht.

Das Simon Wiesenthal Center wollte in Jerusalem ein von Frank Gehry geplantes Museum of Tolerance realisieren. Doch die Finanzkrise stoppte das megalomane Unterfangen. Nun soll das Büro Chyutin aus Tel Aviv einen redimensionierten Bau errichten, der auf den Kontext eingeht.

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10. September 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Möglichkeitsräume

Bregenz ist für Architekturerlebnisse immer wieder gut. Derzeit wird das Landesmuseum rund um den denkmalgeschützten Kernbau der ehemaligen Bezirkhauptmannschaft...

Bregenz ist für Architekturerlebnisse immer wieder gut. Derzeit wird das Landesmuseum rund um den denkmalgeschützten Kernbau der ehemaligen Bezirkhauptmannschaft...

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14. August 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Neue Wohnarchitektur in den Alpen

Der Alpenraum ist eine der vielfältigsten Regionen Europas – landschaftlich ebenso wie kulturell. Dies zeigt sich auch in der Architektur. Eine Ausstellung in Meran spürt nun den Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Wohnungsbau zwischen Monaco und Slowenien nach.

Der Alpenraum ist eine der vielfältigsten Regionen Europas – landschaftlich ebenso wie kulturell. Dies zeigt sich auch in der Architektur. Eine Ausstellung in Meran spürt nun den Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Wohnungsbau zwischen Monaco und Slowenien nach.

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07. August 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sanktuarium des Ausdruckstanzes

Im vergangenen Oktober öffnete das von Guido Tallone restaurierte Teatro San Materno in Ascona seine Tore. Nun bietet eine Ingeborg Lüscher und Una Szeemann gewidmete Ausstellung dem Publikum die Möglichkeit, neben dem Äusseren auch die polychromen Innenräume dieses Meisterwerks des Neuen Bauens zu besichtigen.

Im vergangenen Oktober öffnete das von Guido Tallone restaurierte Teatro San Materno in Ascona seine Tore. Nun bietet eine Ingeborg Lüscher und Una Szeemann gewidmete Ausstellung dem Publikum die Möglichkeit, neben dem Äusseren auch die polychromen Innenräume dieses Meisterwerks des Neuen Bauens zu besichtigen.

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21. Juli 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Blicke auf die Ewige Stadt

Stadtpläne können einen zum Träumen bringen, zumal wenn sie von solcher Schönheit und Detailtreue sind wie Giambattista Nollis frühklassizistischer Rom-Plan,...

Stadtpläne können einen zum Träumen bringen, zumal wenn sie von solcher Schönheit und Detailtreue sind wie Giambattista Nollis frühklassizistischer Rom-Plan,...

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02. Juli 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schweigende Kirchen

Man kennt ihn als genialen Interpreten der Schweizer Einfachheit: den Architekturfotografen Heinrich Helfenstein. Der 1946 in Sempach geborene Wahlzürcher...

Man kennt ihn als genialen Interpreten der Schweizer Einfachheit: den Architekturfotografen Heinrich Helfenstein. Der 1946 in Sempach geborene Wahlzürcher...

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30. Juni 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gebaute Zukunftsträume

Disneyworld und andere Themenparks gaukeln uns eine ideale Welt vor. Diese Trugbilder wirken sich immer mehr auf unsere Wahrnehmung der Stadt aus, wie eine fulminante Schau im Pariser Centre Pompidou zu demonstrieren sucht.

Disneyworld und andere Themenparks gaukeln uns eine ideale Welt vor. Diese Trugbilder wirken sich immer mehr auf unsere Wahrnehmung der Stadt aus, wie eine fulminante Schau im Pariser Centre Pompidou zu demonstrieren sucht.

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12. Juni 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kathedralen des Fussballs

Die mediale Aufmerksamkeit, in der sich die Architektur seit über zwanzig Jahren sonnt, bringt es mit sich, dass selbst Fussballstadien konstruktiv und...

Die mediale Aufmerksamkeit, in der sich die Architektur seit über zwanzig Jahren sonnt, bringt es mit sich, dass selbst Fussballstadien konstruktiv und...

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20. Mai 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Im Dschungel der Grossstadt

uf das weltgrösste Ensemble klassisch moderner Architektur ist Tel Aviv zu Recht stolz. Nun erlaubt ein Architekturfestival auch Blicke hinter die baukünstlerischen Kulissen der weissen Stadt.

uf das weltgrösste Ensemble klassisch moderner Architektur ist Tel Aviv zu Recht stolz. Nun erlaubt ein Architekturfestival auch Blicke hinter die baukünstlerischen Kulissen der weissen Stadt.

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17. April 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur hält sich nicht an Landesgrenzen

Während Jahrhunderten waren die Architekten des Tessins zur Auswanderung gezwungen. Heute kann Mario Botta von Lugano aus in aller Herren Ländern bauen, wo seine Häuser von Schweizer Kunstfertigkeit zeugen. Doch wie beurteilt der populäre Baukünstler seine Position in der Schweiz?

Während Jahrhunderten waren die Architekten des Tessins zur Auswanderung gezwungen. Heute kann Mario Botta von Lugano aus in aller Herren Ländern bauen, wo seine Häuser von Schweizer Kunstfertigkeit zeugen. Doch wie beurteilt der populäre Baukünstler seine Position in der Schweiz?

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12. April 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Calla und Kalebasse

In sechzig Tagen beginnt in Südafrika die Fussball-Weltmeisterschaft. Wer hinreist, wird spektakuläre Stadien bestaunen können. Baukünstlerische Akzente setzten die Arenen von Durban, Johannesburg, Kapstadt und Port Elizabeth.

In sechzig Tagen beginnt in Südafrika die Fussball-Weltmeisterschaft. Wer hinreist, wird spektakuläre Stadien bestaunen können. Baukünstlerische Akzente setzten die Arenen von Durban, Johannesburg, Kapstadt und Port Elizabeth.

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19. Februar 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Bibliothek als Hügellandschaft

Als Bibliothek der Zukunft preist sich das Rolex Learning Center des japanischen Architekturbüros Sanaa auf dem ETH-Campus in Lausanne an. Das von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa wie eine Landschaft konzipierte Bauwerk dürfte die Westschweizer Hochschule zu einem architektonischen Wallfahrtsort machen.

Als Bibliothek der Zukunft preist sich das Rolex Learning Center des japanischen Architekturbüros Sanaa auf dem ETH-Campus in Lausanne an. Das von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa wie eine Landschaft konzipierte Bauwerk dürfte die Westschweizer Hochschule zu einem architektonischen Wallfahrtsort machen.

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Rolex Learning Center

03. Februar 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Stahlbänder und Betonkuben

Obwohl sich die israelische Industriestadt Holon lange schon für Kultur starkmacht, kennt man sie in Europa kaum. Ein in rote Stahlbänder gehüllter Museumsbau des Stardesigners Ron Arad soll nun auf den Tel Aviver Vorort aufmerksam machen.

Obwohl sich die israelische Industriestadt Holon lange schon für Kultur starkmacht, kennt man sie in Europa kaum. Ein in rote Stahlbänder gehüllter Museumsbau des Stardesigners Ron Arad soll nun auf den Tel Aviver Vorort aufmerksam machen.

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04. Januar 2010Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Himmelstürmend

Der Emir von Dubai konnte am Montag mit dem Burj Dubai das höchste Gebäude der Welt eröffnen. Der mehr als 800 Meter hohe, vom amerikanischen Architekturbüro SOM entworfene Turmbau besticht durch die aus der konstruktiven Notwendigkeit hergeleitete architektonische Form.

Der Emir von Dubai konnte am Montag mit dem Burj Dubai das höchste Gebäude der Welt eröffnen. Der mehr als 800 Meter hohe, vom amerikanischen Architekturbüro SOM entworfene Turmbau besticht durch die aus der konstruktiven Notwendigkeit hergeleitete architektonische Form.

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Burj Khalifa Dubai

22. Dezember 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Meister der strengen Form

Als Spezialist für Museumsbau ist der englische Architekt David Chipperfield weltweit ein gefragter Mann. Nun stellt er seine kühlen, neuklassizistischen Arbeiten im Londoner Design Museum vor.

Als Spezialist für Museumsbau ist der englische Architekt David Chipperfield weltweit ein gefragter Mann. Nun stellt er seine kühlen, neuklassizistischen Arbeiten im Londoner Design Museum vor.

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09. Dezember 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Traumvilla mit Seeblick

Mit nüchternen Wohnblöcken und eleganten, formal präzisen Villen hat sich Michele Arnaboldi einen Namen gemacht. Nun stellt er sein Schaffen in der Architekturakademie Mendrisio vor.

Mit nüchternen Wohnblöcken und eleganten, formal präzisen Villen hat sich Michele Arnaboldi einen Namen gemacht. Nun stellt er sein Schaffen in der Architekturakademie Mendrisio vor.

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05. Dezember 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gartenstadt und Metropole

Wie Dominosteine rahmen ungezählte weisse Häuser die leicht gekurvten Strassen von Tel Avivs Innenstadt. Doch die derzeit ihr Hundertjahrjubiläum feiernde Wirtschaftsmetropole tut sich mitunter schwer mit diesem grössten Bauensemble der Moderne, das von der Unesco im Juli 2003 zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Wie Dominosteine rahmen ungezählte weisse Häuser die leicht gekurvten Strassen von Tel Avivs Innenstadt. Doch die derzeit ihr Hundertjahrjubiläum feiernde Wirtschaftsmetropole tut sich mitunter schwer mit diesem grössten Bauensemble der Moderne, das von der Unesco im Juli 2003 zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

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04. Dezember 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Im Schatten der Fussballstadien

Die heute Abend in Kapstadt stattfindende Gruppenauslosung der Fussball-WM in Südafrika lässt die Fieberkurve der Fans steigen. Doch wie immer die Zuteilung...

Die heute Abend in Kapstadt stattfindende Gruppenauslosung der Fussball-WM in Südafrika lässt die Fieberkurve der Fans steigen. Doch wie immer die Zuteilung...

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30. Oktober 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Im Spielzeugland der Architekten

Die Mailänder Triennale präsentiert Frank O. Gehrys Schaffen seit der Eröffnung des Guggenheim-Museums in Bilbao. Im Zentrum steht eine Vielzahl von Modellen. Über den architektonischen Entwurfsprozess und über das Aussehen der vollendeten Bauwerke aber erfährt man wenig.

Die Mailänder Triennale präsentiert Frank O. Gehrys Schaffen seit der Eröffnung des Guggenheim-Museums in Bilbao. Im Zentrum steht eine Vielzahl von Modellen. Über den architektonischen Entwurfsprozess und über das Aussehen der vollendeten Bauwerke aber erfährt man wenig.

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20. Oktober 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Liebe zur Stadt

Wohnen am Wasser ist attraktiv. Das haben vor Jahren auch die Investoren im damals noch boomenden Dubai erkannt und mit neu geschaffenen Uferlinien in...

Wohnen am Wasser ist attraktiv. Das haben vor Jahren auch die Investoren im damals noch boomenden Dubai erkannt und mit neu geschaffenen Uferlinien in...

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09. Oktober 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Schwimmbad als urbaner Kosmos

Mit dem Bagno pubblico in Bellinzona sorgte die Tessiner Architekturbewegung der «Tendenza» 1970 erstmals für viel Aufsehen. Nun ist das architektonische und städtebauliche Meisterwerk Gegenstand einer Ausstellung in Mendrisio. Die Schau ist klassisch und konzentriert alle Aufmerksamkeit auf das Objekt.

Mit dem Bagno pubblico in Bellinzona sorgte die Tessiner Architekturbewegung der «Tendenza» 1970 erstmals für viel Aufsehen. Nun ist das architektonische und städtebauliche Meisterwerk Gegenstand einer Ausstellung in Mendrisio. Die Schau ist klassisch und konzentriert alle Aufmerksamkeit auf das Objekt.

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30. September 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Texturen der Stadt

Es sind nicht die aufsehenerregenden Einzelbauten, welche die Atmosphäre einer Stadt bestimmen. Urbanes Ambiente entsteht vielmehr durch das von einer dichten Bebauung gerahmte Netz von Strassen, Plätzen und Grünräumen. Hierbei spielen Wohnhäuser eine ganz spezielle Rolle. Denn zum einen bilden sie das Scharnier zwischen öffentlicher und privater Sphäre, zum andern das grösste repetitive Element unserer Städte. Die beiden in Paris tätigen Architekten Eric Firley und Caroline Stahl haben nun die Beziehungen zwischen Wohnarchitektur und städtischem Gewebe, zwischen Apartment, Häuserblock und Stadtkörper analytisch und grafisch herausgearbeitet.

Es sind nicht die aufsehenerregenden Einzelbauten, welche die Atmosphäre einer Stadt bestimmen. Urbanes Ambiente entsteht vielmehr durch das von einer dichten Bebauung gerahmte Netz von Strassen, Plätzen und Grünräumen. Hierbei spielen Wohnhäuser eine ganz spezielle Rolle. Denn zum einen bilden sie das Scharnier zwischen öffentlicher und privater Sphäre, zum andern das grösste repetitive Element unserer Städte. Die beiden in Paris tätigen Architekten Eric Firley und Caroline Stahl haben nun die Beziehungen zwischen Wohnarchitektur und städtischem Gewebe, zwischen Apartment, Häuserblock und Stadtkörper analytisch und grafisch herausgearbeitet.

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17. September 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukünstler und Lehrer

Bekannt wurde er in den sechziger Jahren als Exponent der neuen Tessiner Architektur: der 1928 in Baden geborene Dolf Schnebli. Schon sein erster Bau, die 1959 vollendete Casa Costioli in Campione, bei der er sich mit den neusten Ideen von Le Corbusier auseinandersetzte, erregte internationales Aufsehen.

Bekannt wurde er in den sechziger Jahren als Exponent der neuen Tessiner Architektur: der 1928 in Baden geborene Dolf Schnebli. Schon sein erster Bau, die 1959 vollendete Casa Costioli in Campione, bei der er sich mit den neusten Ideen von Le Corbusier auseinandersetzte, erregte internationales Aufsehen.

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Schnebli Dolf

05. August 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kritisch modern

Im Innsbrucker Architekturzentrum sind derzeit fünf seit den 1950er Jahren aktive Architekturbüros zu Gast. Ihre Bauten zeugen von einer kritischen Auseinandersetzung mit den Idealen der Moderne.

Im Innsbrucker Architekturzentrum sind derzeit fünf seit den 1950er Jahren aktive Architekturbüros zu Gast. Ihre Bauten zeugen von einer kritischen Auseinandersetzung mit den Idealen der Moderne.

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25. Juli 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

«Was kann das öffentliche Gebäude der Stadt geben?»

Seit dem Bau der Bibliothèque nationale de France gilt Dominique Perrault als einer der grossen Architekten Frankreichs. Soeben hat er den Wettbewerb für ein Kongresszentrum in Locarno gewonnen. Roman Hollenstein unterhielt sich mit Dominique Perrault über umstrittene Bauten, architektonische Ansichten und neue Projekte von San Pellegrino bis Sofia.

Seit dem Bau der Bibliothèque nationale de France gilt Dominique Perrault als einer der grossen Architekten Frankreichs. Soeben hat er den Wettbewerb für ein Kongresszentrum in Locarno gewonnen. Roman Hollenstein unterhielt sich mit Dominique Perrault über umstrittene Bauten, architektonische Ansichten und neue Projekte von San Pellegrino bis Sofia.

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Nouvel Jean

23. Juni 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Parthenon aus Stahl und Glas

Am vergangenen Wochenende wurde in Athen das neue Akropolismuseum von Bernard Tschumi eröffnet. Bauwerk und Präsentation der Kostbarkeiten setzen neue Massstäbe. Sie dienen den Griechen als wichtige Argumente im Streit um die «Elgin Marbles» in London.

Am vergangenen Wochenende wurde in Athen das neue Akropolismuseum von Bernard Tschumi eröffnet. Bauwerk und Präsentation der Kostbarkeiten setzen neue Massstäbe. Sie dienen den Griechen als wichtige Argumente im Streit um die «Elgin Marbles» in London.

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Akropolis-Museum

12. Juni 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schweben und lasten

Südtirols Architekturszene geniesst derzeit viel Aufmerksamkeit. Zu deren Hauptexponenten zählt das Meraner Büro Höller & Klotzner dank Bauten, die neuerdings zu schweben scheinen.

Südtirols Architekturszene geniesst derzeit viel Aufmerksamkeit. Zu deren Hauptexponenten zählt das Meraner Büro Höller & Klotzner dank Bauten, die neuerdings zu schweben scheinen.

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12. Juni 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wohnen in der Landschaft

Es gibt sie noch, die jungen Architekten, die nicht blind der Mode folgen. Zu ihnen zählt das Genfer Duo «Made in», das wie kaum ein anderes Schweizer Nachwuchsteam die Bauaufgaben gemäss dem Motto «Leben statt Kunst» ebenso philosophisch wie poetisch angeht.

Es gibt sie noch, die jungen Architekten, die nicht blind der Mode folgen. Zu ihnen zählt das Genfer Duo «Made in», das wie kaum ein anderes Schweizer Nachwuchsteam die Bauaufgaben gemäss dem Motto «Leben statt Kunst» ebenso philosophisch wie poetisch angeht.

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Villa Chardonne

08. Mai 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Spiele in der Zauberkiste

Mit einem extravaganten Tenniszentrum versucht Madrid seine Chancen als Olympiastadt 2016 zu verbessern. Gleichzeitig soll Dominique Perraults Anlage eine vernachlässigte Zone attraktiver machen. An diesem Wochenende wird das Stadion mit dem Madrid Open eingeweiht.

Mit einem extravaganten Tenniszentrum versucht Madrid seine Chancen als Olympiastadt 2016 zu verbessern. Gleichzeitig soll Dominique Perraults Anlage eine vernachlässigte Zone attraktiver machen. An diesem Wochenende wird das Stadion mit dem Madrid Open eingeweiht.

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Olympisches Tenniszentrum

05. Mai 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Thüringen im Bauhaus-Fieber

Vor neunzig Jahren wurde in Weimar das Bauhaus gegründet. Aus diesem Anlass zelebriert die Klassik-Stiftung in einem fulminanten Ausstellungsreigen die Frühzeit dieses modernen Design-Labors. Abgerundet wird die vierteilige Schau durch Veranstaltungen in Jena und Erfurt.

Vor neunzig Jahren wurde in Weimar das Bauhaus gegründet. Aus diesem Anlass zelebriert die Klassik-Stiftung in einem fulminanten Ausstellungsreigen die Frühzeit dieses modernen Design-Labors. Abgerundet wird die vierteilige Schau durch Veranstaltungen in Jena und Erfurt.

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15. April 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Spirituelle Baukunst

Zu den Künstlern unter den heutigen Architekten zählt Peter Zumthor. Er baut nur wenig, doch jedes Gebäude ist ein Meisterwerk. Für seine ganz aus dem Ort heraus entwickelten Arbeiten wird er nun mit dem Pritzkerpreis, der weltweit wichtigsten Architekturauszeichnung, geehrt.

Zu den Künstlern unter den heutigen Architekten zählt Peter Zumthor. Er baut nur wenig, doch jedes Gebäude ist ein Meisterwerk. Für seine ganz aus dem Ort heraus entwickelten Arbeiten wird er nun mit dem Pritzkerpreis, der weltweit wichtigsten Architekturauszeichnung, geehrt.

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Zumthor Peter

09. April 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonischer Reliquienkult

Ein «interaktives» Portfolio zum Leben von Frank Lloyd Wright

Ein «interaktives» Portfolio zum Leben von Frank Lloyd Wright

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03. April 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Häuser auf dem Frühlingshügel

In den Dünen nördlich der alten Hafenstadt Jaffa wurde vor hundert Jahren der Grundstein zum heutigen Tel Aviv gelegt. Vom 4. April an wird dieses Jubiläum in der israelischen Kultur- und Wirtschaftsmetropole mit einer Vielzahl von Veranstaltungen und Ausstellungen gefeiert.

In den Dünen nördlich der alten Hafenstadt Jaffa wurde vor hundert Jahren der Grundstein zum heutigen Tel Aviv gelegt. Vom 4. April an wird dieses Jubiläum in der israelischen Kultur- und Wirtschaftsmetropole mit einer Vielzahl von Veranstaltungen und Ausstellungen gefeiert.

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25. Februar 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Pavillons und Museen

Der 1924 in der südnorwegischen Kleinstadt Kongsberg geborene Architekt Sverre Fehn ist, wie die «Norway Post» gestern mitteilte, in Oslo gestorben. Internationale...

Der 1924 in der südnorwegischen Kleinstadt Kongsberg geborene Architekt Sverre Fehn ist, wie die «Norway Post» gestern mitteilte, in Oslo gestorben. Internationale...

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Fehn Sverre

21. Februar 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Perfektion in kühlem Weiss

Seit einiger Zeit hört man nur noch wenig von Richard Meier – und dies trotz neuen Bauten in New York oder Rom. Sein Schaffen aber kann man nun in dem von ihm gebauten Stadthaus in Ulm studieren.

Seit einiger Zeit hört man nur noch wenig von Richard Meier – und dies trotz neuen Bauten in New York oder Rom. Sein Schaffen aber kann man nun in dem von ihm gebauten Stadthaus in Ulm studieren.

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10. Februar 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das alltägliche Chaos

Erst vor gut 100 Jahren wurde der Städtebau zur eigenständigen Wissenschaftsdisziplin. Eine Münchner Ausstellung untersucht nun die Auswirkung urbanistischer Theorien auf den gebauten Alltag.

Erst vor gut 100 Jahren wurde der Städtebau zur eigenständigen Wissenschaftsdisziplin. Eine Münchner Ausstellung untersucht nun die Auswirkung urbanistischer Theorien auf den gebauten Alltag.

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09. Januar 2009Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Überbordender Formenrausch

Als Bilderstürmer des Designs wird er gerne bezeichnet, der seit 1973 in London tätige israelische Architekt und Gestalter Ron Arad. Nun widmet ihm das Centre Pompidou in Paris eine chromglitzernde Retrospektive.

Als Bilderstürmer des Designs wird er gerne bezeichnet, der seit 1973 in London tätige israelische Architekt und Gestalter Ron Arad. Nun widmet ihm das Centre Pompidou in Paris eine chromglitzernde Retrospektive.

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15. Dezember 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Im Schatten der Stars

Israel kann nach einer architektonischen Krise wieder mit attraktiven Neubauten aufwarten. Neben Prestigeobjekten internationaler Stars finden sich auch Meisterwerke einheimischer Architekten.

Israel kann nach einer architektonischen Krise wieder mit attraktiven Neubauten aufwarten. Neben Prestigeobjekten internationaler Stars finden sich auch Meisterwerke einheimischer Architekten.

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15. Dezember 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gärten in der Wüste

Er gilt als Meisterwerk der israelischen Baukunst: der Universitätscampus von Beersheva. Nach einer Phase urbanistischer Unbestimmtheit wird er nun von der neuen Campus-Architektin Bracha Chyutin in alter Strenge, aber mit neuem formalem Ausdruck weiterentwickelt.

Er gilt als Meisterwerk der israelischen Baukunst: der Universitätscampus von Beersheva. Nach einer Phase urbanistischer Unbestimmtheit wird er nun von der neuen Campus-Architektin Bracha Chyutin in alter Strenge, aber mit neuem formalem Ausdruck weiterentwickelt.

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Universitätscampus Beersheva

29. November 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Im Geiste Palladios

Die neopalladianische Casa Carlasc von Antonio Croci in Mendrisio

Die neopalladianische Casa Carlasc von Antonio Croci in Mendrisio

Seit dem Erscheinen der «Quattro Libri dell'Architettura» (1570) liessen sich ungezählte Architekten von Palladios neuartiger baukünstlerischer Methode anregen. Oft hielten sie sich dabei streng an die Vorlagen des Meisters, veränderten allenfalls Grundrisse oder Fassaden leicht. Doch gab es immer wieder eigenwillige Interpreten, die Palladio nicht nachahmten, sondern ihm nacheifernd das Wesen seines Werkes zu erfassen suchten. Zu ihnen zählt der Tessiner Antonio Croci (1823–1884), von dem ausser einigen Bauten in der Südschweiz, am Comersee, in Nizza und im Oberwallis nur wenig bekannt ist, da sein Nachlass 1969 als Abfall entsorgt wurde. Dieser hätte vielleicht Aufschlüsse über eine Moschee und eine Synagoge geliefert, die Croci während eines längeren Türkei-Aufenthaltes in den späten 1850er Jahren errichtet haben soll.

Eine Dekade später begab Croci sich nach Argentinien, wo er die dort zu Reichtum gelangte Familie Bernasconi kennenlernte. Für sie errichtet er 1873 in Mendrisio die Villa Argentina, die von einer höchst unkonventionellen Lektüre der Werke Palladios zeugt: Über nahezu quadratischem Grundriss erhebt sich ein halber Kubus, der von einem Pyramidendach abgeschlossen und von einer Kuppel bekrönt wird. Verweisen all diese Elemente auf die Villa Rotonda, so belegt die zweischalige Fassade, die in Form einer doppelstöckigen Loggia den ganzen Baukörper umhüllt, Crocis Studium des Palazzo Chiericati in Vicenza. Dessen zwischen Stadthaus und Landsitz oszillierende Unentschiedenheit klärt Croci in Richtung einer allansichtigen Villa von skulpturaler Präsenz, indem er die Hauptfassade mit ihrem komplexen Rhythmus auf der Südseite wiederholt und für die leicht kürzeren Seitenfassaden eckbetonte Säulengänge wählt.

Dieser geniale Wurf trug Croci offensichtlich so viel Geld ein, dass er zwei Jahre später für sich selbst in den Weingärten vor der Stadt die Carlasc genannte Casa Croci realisieren konnte. Hier experimentiert er mit dem Skulpturalen und der Allansichtigkeit weiter, wobei er Palladios systematischen, aus dem Quadrat entwickelten Grundriss der Rotonda nach dem Prinzip der Rotation in einen aus dem Dreieck herauswachsenden hexagonalen Plan überführt. Das Äussere entschlackt er von allen unnötigen Details, stilisiert den Portikus, den er zuoberst im eingezogenen Solaio wiederholt, und akzentuiert die übrigen Fassaden durch einfache Rahmenformen und zurückspringende Terrassen nur diskret. Im Innern erweitert er das palladianische Spiel mit zentralen Sälen und von diesen abhängigen Neben- und Erschliessungsräumen zu jener vertikalen Promenade architecturale, die 1970 für Fabio Reinhart zur Offenbarung werden sollte. Der kämpfte daraufhin für den Erhalt des Meisterwerks und restaurierte es später auch. Aus Reinharts Beschäftigung mit der Casa Croci resultierten neue Beispiele eines kritischen Palladianismus: die zusammen mit Bruno Reichlin konzipierten Villen Tonini in Torricella und Sartori in Riveo. Ihre exzentrischste Antwort auf Croci und auf Palladios Regelwerk aber war das Projekt der Casa Rivola, das leider unrealisiert geblieben ist.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2008.11.29

29. November 2008Roman Hollenstein
Der Standard

Palladio-Jubiläum

Vicenza feiert derzeit den 500. Geburtstag des grossen, am 30. November 1508 geborenen italienischen Architekten Andrea Palladio mit einer grandiosen,...

Vicenza feiert derzeit den 500. Geburtstag des grossen, am 30. November 1508 geborenen italienischen Architekten Andrea Palladio mit einer grandiosen,...

Vicenza feiert derzeit den 500. Geburtstag des grossen, am 30. November 1508 geborenen italienischen Architekten Andrea Palladio mit einer grandiosen, von einem gewichtigen Katalog begleiteten Ausstellung, die nicht nur auf die Bauten, die Bücher und die Wirkungsgeschichte des Meisters eingeht, sondern auch den Menschen zu fassen sucht (NZZ 7. 11. 08). Rechtzeitig zum Jubiläum ist ausserdem im Zürcher gta-Verlag unter dem Titel «Palladianismus» Werner Oechslins bereits vor einem Jahr auf Italienisch vorgelegte Studie über die «Kontinuität von Werk und Wirkung» des Architekten aus Vicenza (NZZ 30. 10. 07) erschienen. Als neuste deutschsprachige Palladio-Publikation spürt das mosaikartig komponierte Buch dem Werk Palladios und dessen Rezeption im Veneto, in Europa und Amerika von der Spätrenaissance bis heute nach. Ergänzend dazu ist im Marix-Verlag, Wiesbaden, eine schöne, mit den Originalabbildungen illustrierte zweisprachige Ausgabe von Palladios «Quattro Libri» in einer Neuübersetzung von Hans-Karl Lücke veröffentlicht worden.

Der Standard, Sa., 2008.11.29

28. November 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Harmonie und Formvollendung

Mit seinen Hochhäusern und Wohnbauten prägte Jean-Marc Lamunière die Architekturlandschaft der Romandie entscheidend mit. Nun würdigt die ETH Lausanne sein Schaffen mit einer Werkschau.

Mit seinen Hochhäusern und Wohnbauten prägte Jean-Marc Lamunière die Architekturlandschaft der Romandie entscheidend mit. Nun würdigt die ETH Lausanne sein Schaffen mit einer Werkschau.

Die architektonische Kultur der Schweiz lebt von Einflüssen aus allen Himmelsrichtungen. Profitierten die Deutschschweizer früh schon von den internationalen Verflechtungen der ETH, so gestaltete sich der baukünstlerische Werdegang der Romands lange Zeit komplexer. Jean Tschumi, der Mitbegründer der Lausanner Architekturschule, fand seinen Weg zur Moderne über die traditionsverhaftete Pariser Ecole des Beaux-Arts und den modernen Gräzisten Pontremoli. Eine weitere Galionsfigur der Westschweizer Nachkriegsmoderne, der 1925 – eine Generation später – in Rom geborene und in Genf aufgewachsene Jean-Marc Lamunière, studierte seit 1946 Architektur an der Universität Florenz, wo Giovanni Michelucci mit einem humanistischen Rationalismus das faschistische Erbe zu überwinden suchte. In der dortigen Aufbruchstimmung begeisterte sich der Genfer gleichermassen für die konstruktive Logik der Moderne wie für die Proportionen der Renaissance. Lebte sein erstes Haus – die auf Pilotis à la Le Corbusier ruhende Schachtel der Villa Landolt in Onex (1953) – ganz von der ausgewogenen, an Werke der konkreten Kunst erinnernden Bildhaftigkeit der Hauptfassade, so zeugen die rahmenartigen Auskragungen der Villa Jeanneret-Reverdin in Cologny (1956) vom intensiven Studium der rationalistischen Meisterwerke Giuseppe Terragnis in Como.

Streben nach klassischer Perfektion

Schon hinter diesen klar strukturierten Frühwerken spürt man jenes Streben nach dem Klassisch-Perfekten, das auch Mies van der Rohes Crown Hall auf dem IIT-Campus innewohnt. Dieses konstruktiv auf ein filigranes Skelett reduzierte Juwel analysierte Lamunière kurz nach der Fertigstellung auf seiner ersten Amerikareise im Jahre 1957 in Chicago. Unmittelbar nach seiner Rückkehr inspirierte es ihn zu modernen «Tempeln» aus Stahl und Glas: etwa dem heute leider zerstörten Verwaltungsgebäude der Laines du Pingouin. Die von Mies geprägte Phase, in der Lamunières Architektur sich minimalistischen Skulpturen anzunähern scheint, bildet den ersten Höhepunkt der von einer hervorragenden Monografie begleiteten Retrospektive in der Architekturgalerie «Archizoom» der ETH Lausanne.

Die Schau macht deutlich, wie offen Lamunière die Welt der Architektur durchstreifte, wie gierig er Anregungen aufnahm und wie virtuos er daraus Neues zu formen wusste. Im fein proportionierten Turm der Zeitung «24 heures» an der Lausanner Avenue de la Gare gelang es dem jungen Architekten Ende der fünfziger Jahre, die Innovationen des Lever House von SOM mit der Harmonie von Mies van der Rohes Seagram Building zu dem in seiner Formvollendung wohl vornehmsten Hochhaus der Schweizer Wirtschaftswunderzeit zu steigern. Die selbstbewusste Strenge dieses weithin sichtbaren Gebäudes bildet die Antithese zur ebenso diskreten wie heiteren Eleganz von Jean Tschumis transparentem Stadtpalast der Mutuelle Vaudoise Accidents im Lausanner Quartier Les Cèdres.

Die Präsentation der Exponate auf schachbrettartig angeordneten Tischen, die auf die von rechtwinkligen Strassenrastern gefassten Häuserblöcke amerikanischer Grossstädte und damit auch auf Lamunières städtebauliches Engagement hinweisen, ermöglicht es den Besuchern, die Chronologie zu überspringen, um Ungleiches miteinander zu vergleichen. Doch selbst wenn man sich an die Zeitachse hält, glaubt man mitunter vor dem Werk eines neuen Architekten zu stehen. Denn Lamunières Schaffen entwickelt sich nicht evolutionär. Vielmehr ist es von abrupten Richtungswechseln geprägt. Erst wenn sich der Überblick einstellt, erkennt man das alles Vereinende: Es besteht in der Suche nach der klassischen Ausgewogenheit von Material und Form, von Körper und Raum, von Detail und Gesamtheit.

Nach der Beschäftigung mit Mies van der Rohe folgt der Dialog mit Louis Kahn, den Lamunière während seiner Lehrtätigkeit in Philadelphia kennenlernte. So scheint sich etwa die Dachlandschaft des von Le Corbusiers Unité d'habitation angeregten Genfer Wohn- und Geschäftshauses Interunité urplötzlich in ein Kahnsches Volumenspiel stelenartiger Aufsätze zu verwandeln. In dieser noch stark vom Betonbrutalismus geprägten Architektur kündigt sich die Postmoderne an, die dann in der direkt am See bei Genf gelegenen Villa Dussel zu einer Annäherung an Palladio führt – im Aufriss ebenso wie im Plan, welcher eine Auseinandersetzung mit Rudolf Wittkowers palladianischen Villenschemen zeigt. Beim Entwurf des eigenen Atelierhauses in Todi geht Lamunière 1975 noch weiter, überwölbt den Steinbau mit einer an Palladios Basilica in Vicenza gemahnenden Kuppel und bekrönt diese mit einer Laterne, die von Kahn erdacht sein könnte. Das vielschichtige, an Verweisen reiche Haus findet 1980 seine Würdigung in Ausstellung und Katalog der ersten Architekturbiennale von Venedig, die unter dem Titel «La Presenza del Passato» der postmodernen Architektur zum endgültigen Durchbruch verhelfen sollte.

Streng und flexibel

Die Eloquenz der Postmoderne versucht Lamunière im 1984 vollendeten Wohnblock am Quai Gustave-Adore zu disziplinieren, indem er sich zurück auf die Betonarchitektur von Perret besinnt, für den er unmittelbar nach dem Studium in Mülhausen gearbeitet hatte. Anschliessend aber droht sich Lamunière in postmodernen Exerzitien zu verlieren, die – im verdünnten Aufguss der anonymen Investorenarchitektur – bis in die späten neunziger Jahre zweifelhafte Auswirkungen auf die Genfer Architekturentwicklung zeitigen sollten. Lamunières Bauten sind nun fast so bunt wie die kraftvoll gezeichneten Pläne, die mitunter wie Gemälde wirken (und denen in der Ausstellung zu Recht Platz eingeräumt wurde). Den enigmatischen Schlusspunkt der Schau bildet das ätherisch weisse Palmenhaus des botanischen Gartens in Genf, das – ähnlich wie die Casa Carlasc von Antonio Croci in Mendrisio – Palladios Villa Rotonda zum Hexagon uminterpretiert und gleichzeitig Joseph Paxtons Glashausarchitektur in Richtung eines postmodernen Hightechs weiterdenkt. So offenbart denn die Schau, obwohl sie von geradezu puritanischer Strenge ist, das Universum eines Architekten von seltener Statur und Beweglichkeit, den sich die in ihrer Exzentrik seltsam verkrusteten Ikonenbauer von heute durchaus zum Vorbild nehmen könnten.

[ Bis 5. Dezember in der Architekturgalerie Archizoom der ETH Lausanne. – Begleitpublikation: Jean-Marc Lamunière. Regards sur son œuvre. Hrsg. Bruno Marchand. Infolio éditions, Gollion bei Genf 2007. 248 S., Fr. 75.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2008.11.28

27. November 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein steinernes Schiff in den Fluten des Golfs

In der Bucht vor Katars Hauptstadt Dauha schwimmt seit kurzem ein sandfarbener Musentempel. Der Pyramidenbau von Ieoh Ming Pei beherbergt eine exquisite Sammlung islamischer Kunst.

In der Bucht vor Katars Hauptstadt Dauha schwimmt seit kurzem ein sandfarbener Musentempel. Der Pyramidenbau von Ieoh Ming Pei beherbergt eine exquisite Sammlung islamischer Kunst.

Das rötliche Licht der Abendsonne verwandelt das verkehrsgeplagte Dauha tagtäglich in eine moderne Märchenstadt. Während der Feuerball langsam hinter den niedrigen, sich an die sichelförmige Bucht schmiegenden Häusern untergeht, erglühen die Glasfassaden der Bürotürme am Nordende der Corniche genannten Uferpromenade wie flüssige Lava. Zu dieser Tageszeit muss man Dauha von einem alten, lautlos über das türkisfarbene Wasser gleitenden Dhau aus erleben. Kurz blickt man noch auf die wohl schönste Skyline am Persischen Golf, die selbst jetzt noch ungehindert in den Himmel wächst, da die «Bling City» Dubai unter der Wirtschaftskrise stöhnt. Doch dann erahnt man in der Ferne eine goldene Insel, die sich beim Näherkommen als ein kubisch verwinkeltes, wie ein Riesenschiff vor der Küste schwimmendes Gebäude erweist. Es ist das neue Museum für islamische Kunst, das dank seiner Lage und seiner Pyramidenform für die Golfregion zu einer ähnlichen Ikone werden könnte wie Sydneys Opernhaus für Australien.

Verführerische Architektur

Mit Wahrzeichen suchen sich derzeit die Golfstaaten gegenseitig zu übertrumpfen. Katar aber entzieht sich dieser Jagd nach Superlativen und setzt stattdessen auf Bildung und Kultur als Basis einer soliden Wirtschaft und eines nachhaltigen Tourismus. Anders als in Abu Dhabi, das Ableger internationaler Museen anzulocken wusste, erarbeitete man Mitte der neunziger Jahre in Katar einen Plan zur Realisierung neuer Museen für Geschichte, Fotografie, islamische und zeitgenössische Kunst. Der Emir beauftragte daraufhin seinen Vetter, Scheich Saud al-Thani, mit dem Aufbau der Sammlungen und der Planung der Neubauten.

Für Schlagzeilen sorgte Scheich Saud zunächst mit spektakulären Ankäufen – etwa einer bronzenen Hirschkuh aus dem maurischen Andalusien, für die er 1997 den damals astronomischen Betrag von 3,6 Millionen Pfund hinblätterte. Seine Kaufwut brachte ihn schliesslich 2005 zu Fall. Glücklicherweise konnte – nun unter der Oberaufsicht von Scheikha al Mayassa al-Thani, der Tochter des Emirs – weiter gesammelt werden, so dass Katar heute eine über 3000 Objekte umfassende Kollektion von Weltrang besitzt.

Obwohl diese auch Laien zu begeistern vermag, steht sie etwas im Schatten des Museumsbaus, der Katars Aufbruchstimmung verkörpert. Wie anderswo am Golf glaubt man auch hier an das Verführerische der Architektur und restauriert nicht nur die spärlichen Überreste des einstigen Hafenstädtchens Dauha, sondern fördert auch interessante zeitgenössische Bauten wie den phallischen Büroturm von Jean Nouvel, der zurzeit an der Corniche in die Höhe schiesst. Den sensationellsten Akzent aber wird Arata Isozakis 117 Meter hohes, zwischen Ölplattform und metabolischer Baumstruktur oszillierendes Gebäude setzen, das die Nationalbibliothek und das Museum für zeitgenössische Kunst beherbergen soll. Weiter liegen Pläne von Santiago Calatrava für ein 100 Meter hohes Bauwerk vor, in dem das Fotomuseum unterkommen soll, während das Nationalmuseum im alten Emirspalast demnächst eine Erweiterung von Nouvel erhalten wird.

Tradition und Moderne

All diese Häuser werden dereinst die Corniche rahmen, an der auch das Museum für islamische Kunst zu stehen kommen sollte. Doch nach dem Wettbewerb von 1997 geriet das Vorhaben ins Stocken. Erst als mit dem Pritzkerpreisträger und Louvre-Architekten Ieoh Ming Pei, der nicht an der Ausschreibung teilgenommen hatte, ein Retter in der Not gefunden worden war, kam das Vorhaben wieder ins Rollen. Allerdings wies der heute 91-jährige Pei, der nur noch ausgewählte Aufträge annimmt, den Standort zurück und schlug stattdessen vor, das Museum 60 Meter vor der Corniche auf einer künstlichen Insel zu errichten, damit es sich vom immer weiter wuchernden Hochhauswald abheben kann.

Die Besucher erreichen das Museum von Süden her auf einer überdachten Passerelle oder einer rampenartigen, mit Dattelpalmen bepflanzten Brücke, in deren Mitte ein Paradiesstrom über niedrige Stufen plätschert. Von hier aus gesehen erscheint der kubisch abgewinkelte, nach oben sich verjüngende Museumsbau wie die moderne Interpretation einer arabischen Burg. Die pyramidenförmige Konstruktion kulminiert in einem an Louis Kahns Regierungsbauten in Dacca erinnernden Würfel, hinter dessen augenartigen Öffnungen man die facettierte, das Foyer überwölbende Stahlkuppel erkennen kann. Nach Norden, zur Bucht von Dauha hin, öffnet sich der sonst fast fensterlose, in beigen Sandstein gehüllte Bau in einem 45 Meter hohen Glaserker, der von einer Art Windturm abgeschlossen wird.

Pei ist nicht der Architekt, der seine Gebäude aus dem Kontext heraus entwickelt. Aber er reagiert ganz präzis auf die Kultur eines Ortes, wie schon seine Museen in Washington, Paris oder Suzhen zeigten. Für den Neubau von Dauha studierte er die traditionelle islamische Architektur. Als deren Essenz erkannte er jenes Zusammenspiel von geometrischen Körpern, wie es sich im 800-jährigen Sabil, dem Brunnengebäude der Ibn-Tulun-Moschee in Kairo, zeigt. Pei abstrahierte dessen Form hin zu einer ornamentlos minimalistischen Bauskulptur, die im Wechsel von Licht und Schatten immer wieder anders wirkt. Zwar beeinträchtigen Details wie die grauen Granitarkaden oder die stelenartigen Riesenleuchter an der dem Emir vorbehaltenen Landestelle auf der Westseite des Museums das kompakte Erscheinungsbild etwas. Dennoch ist Pei ein höchst bildhaftes Werk gelungen, das sich einem geradezu ins Gedächtnis einbrennt.

Nach dem Betreten des Museums gelangt man nach links ins Auditorium, nach rechts – vorbei an einem ganz in Stein und Wasser gehaltenen Gartenhof – in das sich wie ein Steuerdeck am Heck des Musenschiffs erhebende Forschungs- und Lehrgebäude, das 2009 in Betrieb gehen soll. Doch die Besucher zieht es nicht dorthin, sondern geradeaus ins 50 Meter hohe, überkuppelte Foyer. Um diesen Raum herum, der an eine überhelle Moschee erinnert, ziehen sich vier übereinanderliegende, durch eine geschwungene Haupttreppe, Seitenaufgänge und Brücken erschlossene Galerien. Von ihnen aus gelangt man in die Ausstellungsräume und das zuoberst eingerichtete Restaurant. Diskret belebt wird die steinern anonyme Welt durch orientalische Dekorationen, einen ringförmigen Leuchter, ein sternförmiges Wasserspiel und den dahinter sich weitenden Blick durch den raumhohen Glaserker auf Stadt und Meer.

Schätze des Orients

Vom atmosphärisch unterkühlten Foyer gelangt man in die geheimnisvolle Dunkelheit der den Wechselausstellungen vorbehaltenen Räume im Erdgeschoss. In punktuell beleuchteten Vitrinen sind zur Eröffnung 20 Meisterwerke aus internationalen Sammlungen vereinigt, darunter zum ersten Mal seit Jahrhunderten der Greif von Pisa und der 1993 nach einer Auktion nach Hongkong gelangte Bronzelöwe, die einst in Andalusien ein Paar waren.

Die eigentliche Sammlungspräsentation beginnt im ersten Obergeschoss mit einem thematischen Rundgang durch die von Jean-Michel Wilmotte elegant ausgestatteten und möblierten Ausstellungsräume. An gut 400 Kostbarkeiten wird hier der Einfluss des Figurativen, des Ornamentalen, der Schrift und der Wissenschaft auf das Kunstschaffen der islamischen Welt analysiert. Im zweiten Stock begeben sich die Besucher dann auf eine chronologisch-dynastisch angelegte Reise durch die Welt des Orients. Dabei werden sie anhand von nahezu 500 ausgesuchten Meisterstücken mit der islamischen Kunstentwicklung vom Damaskus des 7. Jahrhunderts über Kairo, Cordoba, Isfahan und Agra bis ins Istanbul des 19. Jahrhunderts vertraut gemacht. – Mit all diesen kunsthistorischen und architektonischen Glanzlichtern setzt Dauha der islamischen Kultur ein würdiges Denkmal. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass ihm bald schon die Museen von Isozaki, Calatrava und Nouvel folgen werden, damit das Ziel einer interkulturellen Verständigung auf künstlerischem Gebiet verwirklicht werden kann.

[ Das Museum für islamische Kunst (MIA) ist vom 1. Dezember an täglich geöffnet (www.mia.org.qa). Begleitbuch: Philip Jodidio: Museum of Islamic Art, Doha, Qatar. Photography by Lois Lammerhuber. Prestel-Verlag, München 2008. 228 S., Fr. 68.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2008.11.27



verknüpfte Bauwerke
Museum für islamische Kunst

21. November 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Glühendes Lavagestein

Ein neues Museum in Santa Cruz de Tenerife von Herzog & de Meuron

Ein neues Museum in Santa Cruz de Tenerife von Herzog & de Meuron

Die Schöne unter den Städten des kanarischen Archipels ist zweifellos Las Palmas. Dank mittelalterlicher Altstadt und Art-déco-Vierteln scheinen sich hier mitten im Atlantik Kastilien und Florida zu begegnen. Doch nun versucht die ewige Konkurrentin Santa Cruz, die Hauptstadt Teneriffas, der Metropole auf Gran Canaria Konkurrenz zu machen – mit neuen Bauten der einheimischen Architekten Artengo, Pastrana und Menis ebenso wie mit Projekten am Teresitas-Strand von Dominique Perrault, vor allem aber mit einem neuen, vor wenigen Tagen eröffneten Kunstmuseum von Herzog & de Meuron.

Die schwarze Betonhülle des niedrigen Gebäudes, das sich an die Böschung des Barranco de Santos, des sich aus einer dunklen Lavaschlucht zum Meer hin weitenden Bettes eines Trockenflusses, schmiegt, gleicht einer vulkanischen Ablagerung, deren poröse Oberfläche bei Nacht zu glühen scheint. Der bei genauerem Hinschauen Pattern-artig durchlöcherte Bau besteht aus drei flachen, im Grundriss nahezu dreieckförmigen, mit kubischen Oberlichtkanonen versehenen Teilen. Diese gruppieren sich um einen ebenfalls triangulären Hof, von dem aus das Haus erschlossen wird. Eine öffentliche Passage führt von hier in nordöstlicher Richtung zum Fluss und hinüber in die Altstadt oder aber nach Südwesten hinauf zur vielbefahrenen Plaza zwischen Hauptmarkt und Serrador-Brücke. Dank dieser neuen Querverbindung gelangt die Kultur in einen engen Kontakt mit dem grossstädtischen Alltagsleben.

Das Tenerife Espacio de las Artes (TEA) genannte Zentrum umfasst neben Räumen für Sonderausstellungen eine Bibliothek, ein Auditorium, Verwaltungsräume sowie ein Restaurant und einen Museumsshop. Im Zentrum aber stehen die Säle der beiden permanenten Sammlungen des regionalen Fotografiezentrums und – bedeutender noch – des aus Teneriffa stammenden Surrealisten Oscar Domínguez. Mit dem auch architektonisch faszinierenden Haus der Basler Architekten erhalten die Kanarischen Inseln nach dem von Sáenz de Oíza in ein Altstadtpalais integrierten Centro Atlantico in Las Palmas ihr zweites Kunstzentrum von überregionaler Ausstrahlung, das sich mit seinem Angebot gleichermassen an Einheimische wie an Touristen wendet.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2008.11.21

07. November 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Neuschöpfungen im Geist der Antike

Mit seinen Bauten und mehr noch mit den «Quattro Libri» wurde der in Vicenza und Venedig tätige Andrea Palladio zum wohl einflussreichsten Architekten aller Zeiten. Seinen 500. Geburtstag feiert Vicenza mit einer faszinierenden, an kostbaren Exponaten reichen Werkschau.

Mit seinen Bauten und mehr noch mit den «Quattro Libri» wurde der in Vicenza und Venedig tätige Andrea Palladio zum wohl einflussreichsten Architekten aller Zeiten. Seinen 500. Geburtstag feiert Vicenza mit einer faszinierenden, an kostbaren Exponaten reichen Werkschau.

Es gleicht einer Künstlerlegende: das Leben und Wirken Andrea Palladios (1508–1580). Oder mehr noch einem Wunder; wie sonst liesse es sich erklären, dass der Sohn eines Müllers aus Padua, der mit dreissig noch auf den Baustellen Vicenzas Kapitelle meisselte, zum wohl einflussreichsten Architekten aller Zeiten wurde. Zu einem genialen Interpreten Vitruvs ebenso wie zum Entwerfer eines modernen architektonischen Universums, das sich in seinen strahlenden Bauwerken, aber auch in den klar geschriebenen und sorgfältig illustrierten «Quattro Libri dell'Architettura» von 1570 spiegelt. Dem Geheimnis Palladio spürt nun eine grandiose Ausstellung zum 500. Geburtstag des Meisters in dem von ihm errichteten Palazzo Barbaran da Porto in Vicenza nach – bestückt mit rund 200 Originalzeichnungen, Gemälden, Kunstgegenständen und Architekturmodellen sowie vielen Fotos und Dokumenten.

Lebensbild des Architekten

So berühmt Palladio noch heute ist, so wenig wissen wir von ihm selbst – sieht man einmal ab von seinen Bauten und Publikationen. Fast scheint es, als handle seine fragmentarische Biografie von zwei Personen, einem einfachen Arbeiter und einem humanistischen Denker, deren Lebenslinien sich im Nebel der Geschichte verlieren. So galt unlängst noch der 8. November als der Tag, an dem Andrea di Pietro 1508 geboren wurde. Doch neuste Forschungen gehen davon aus, dass er erst am Andreastag, dem 30. November, in Padua das Licht der Welt erblickte. Noch weniger wissen wir über den Tod des früh schon Hochgeehrten – ausser dass dieser ihn irgendwann im August 1580 in Venedig, Vicenza oder in Maser ereilte, wo er an dem fast schon Borromini ankündigenden Barbaro-Tempel arbeitete.

Dennoch gelingt es der von Guido Beltramini in einem fulminanten Wechsel von chronologischen und thematischen Episoden inszenierten Ausstellung, ein plastisches Bild des Architekten zu skizzieren, welches das Laienpublikum begeistert und die Fachwelt mit neuen Einsichten konfrontiert. Palladios frühen Kontakt mit der Kultur der Renaissance deuten unter anderem antikische Zierobjekte seines Paten Vincenzo Grandi an, dieweil Leandro Bassanos Gemälde des «Turms zu Babel» einen Eindruck vermittelt, wie hart der Alltag des jungen Steinmetzen nach seiner Flucht von Padua nach Vicenza gewesen sein mag. Dort lernt er den Dichter und Linguisten Giangiorgio Trissino kennen – vielleicht bei der Arbeit an dessen Villa in Cricoli. Trissino nimmt ihn unter seine Fittiche, führt ihn in die vornehmen Kreise Vicenzas ein und gibt ihm den Namen Palladio nach dem architektonisch versierten Schutzengel des Feldherrn Belisarius in seinem homerischen Epos «L'Italia liberata dai Goti».

Gleichsam wiedergeboren als Architekt, realisiert Palladio die immer raffinierter den Grund- und Aufriss des Trissino-Landsitzes variierenden Villen Godi, Valmarana, Gazzotti und Pisani sowie den Bramante verpflichteten Palazzo Civena. Respekt verschafft er sich zudem mit der Weiterführung des monumentalen, nach Plänen Giulio Romanos begonnenen Palastes der schwerreichen Thiene-Brüder in Vicenza, dessen Eingangshalle von Palladios Studien während der ersten, wohl 1541 zusammen mit Trissino unternommenen Romreise zeugt. Prachtvolle Zeichnungen belegen, wie akribisch er die antiken Ruinen, die ihm schon aus den Publikationen von Serlio und anderen vertraut waren, aber auch neuzeitliche Werke wie Raffaels Villa Madama erforschte. Palladio muss alles wie ein Dürstender aufgesogen haben. Wie anders ist es zu erklären, dass er im Nu über das architektonische Wissen seiner Zeit verfügte und bereits 1545 fähig war, ein Problem mit Logik und Eleganz zu lösen, an dem sich zuvor Grössen wie Sansovino, Serlio und Sanmicheli die Zähne ausgebissen hatten: die harmonische Umformung des mittelalterlichen Palazzo della Ragione in Vicenza zur «Basilica» mittels einer neuen, vom Kolosseum abgeleiteten Hülle.

Dieses Meisterwerk verbreitete den Glanz der Antike in der gotisch engen Stadt – ähnlich wie die im Dialog mit dem Konstantinsbogen entstandene Fassade des Palazzo Iseppo Porto oder die zukunftsweisende Konzeption des Palazzo Chiericati, der mit seiner doppelten Säulenloggia formal zwischen Stadtpalast und Landsitz vermittelt. Nicht weniger innovativ war die zeitgleich entworfene Chiericati-Villa in Vancimuglio, deren Tempelportikus weitgehend Palladios Vorstellung des von Vitruv beschriebenen römischen Hauses entspricht. Hatte er doch nach Trissinos Tod (1550) die italienische Übersetzung des altrömischen Architekturtheoretikers von Daniele Barbaro illustriert. Für diesen neuen Gönner und dessen Bruder Marcantonio baute er in Maser die Villa Barbaro, die mit dem gesprengten Giebel und dem überreich geschmückten Nymphäum barocke Expressivität vorwegzunehmen scheint. Mit Zeichnungen, einem Architekturmodell und Veroneses Gemälde «Susanna im Bade», das die beiden Auftraggeber als lüsterne Alte und deren Villa als idyllisches Refugium wiedergibt, erreicht die Schau einen ihrer Höhepunkte, dem mit Venedig gleich ein weiterer folgt.

Venezianische Visionen

Die beiden neben der Rotonda wohl perfektesten Villen, die stadtnah gelegene Malcontenta und die Villa Emo in Fanzolo, bereiten die Besucher auf die Lagunenstadt vor. Dort stieg Palladio nach Jacopo Sansovinos Tod mit Meisterwerken wie dem Carità-Kloster, der Fassade von San Francesco della Vigna, den Kirchen San Giorgio Maggiore und Il Redentore zum wichtigsten Architekten auf. Diese Aufträge sicherte er sich nicht zuletzt dank den Barbaro-Brüdern und der Unterstützung jener fortschrittlichen Kräfte, die in Palladios Architektur eine Metapher für Venedigs politische Erneuerung erkannten. Wird bei San Giorgio anhand eines gigantischen Modells die längst verschwundene Farbigkeit thematisiert, so weisen die minarettartigen Türme des Redentore auf ein mögliches Interesse am Werk seines türkischen Zeitgenossen Sinan hin. Der Palladio bei diesem offiziellen Auftrag verwehrt gebliebene Wunsch, einen Zentralbau nach dem Vorbild des Pantheons zu gestalten, wurde ihm kurz vor seinem Tod mit dem Tempietto Barbaro in Maser erfüllt, den er wie das Teatro Olimpico in Vicenza ganz aus seinen Antikenstudien heraus erschuf. Hingegen blieben seine bis anhin kaum bekannten «Sozialwohnbauten» und mehr noch die grossen Visionen einer antikischen Rialtobrücke und eines neuen Dogenpalasts Traumgebilde, die aber in den «Quattro Libri» weiterlebten und so die Phantasie von ungezählten Architekten, aber auch von Canaletto beflügeln sollten.

Dieses Theoriewerk, von dem soeben eine sorgfältige italienisch-deutsche Neuausgabe erschienen ist, wird am Schluss der Schau zusammen mit der Villa Rotonda und einem eindringlichen, neu als Palladio-Porträt interpretierten Gemälde El Grecos als Vermächtnis des Meisters gefeiert – womit die Ausstellung auf die Wirkungsgeschichte zu sprechen kommt. Strahlten die Bücher, die um 1600 meist noch unvollendeten Bauten und – dank Vincenzo Scamozzi – auch die Zeichnungen zunächst auf Inigo Jones und dann auf die ganze Welt aus, so konzentrierte sich Le Corbusier nur mehr auf die Bauten. Doch dieses Schlusskapitel, das nur punktuelle Lichter setzen will, gäbe Stoff für eine weitere Grossausstellung.

[ Bis 6. Januar 2009 in Vicenza, anschliessend in der Royal Academy in London. Katalog: Palladio. Hrsg. Guido Beltramini und Howard Burns. Marsilio Editori, Venedig. 427 S., € 45.–. Andrea Palladio: I Quattro Libri dell'Architectura. Die vier Bücher zur Architektur. Übersetzt und eingeleitet von Hans-Karl Lücke. Marix-Verlag, Wiesbaden 2008. 456 S., Fr. 50.90. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2008.11.07

08. Oktober 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Perfekte architektonische Inszenierungen

Zu den bekanntesten modernen Bauten der Schweiz zählt der Nestlé-Hauptsitz von Jean Tschumi (1904–1962) in Vevey. Dessen Gesamtwerk wird nun in einer Lausanner Retrospektive präsentiert.

Zu den bekanntesten modernen Bauten der Schweiz zählt der Nestlé-Hauptsitz von Jean Tschumi (1904–1962) in Vevey. Dessen Gesamtwerk wird nun in einer Lausanner Retrospektive präsentiert.

Die Inszenierung ist gekonnt: Unter mächtigen Libanonzedern nähert man sich auf einem Plattenweg einem grossen Gebäude, das sich in einem Gitter von Pfeilern und Balken auflöst. Doch schon rahmt ein weit vorkragender Baldachin den Blick und lenkt ihn durch das Haus hindurch auf die Weite des Genfersees. Sprachlos taucht man ein in all die Schönheit und nimmt den noblen Innenraum mit seiner wabenartigen Decke und der skulpturalen Treppe erst allmählich wahr. Man wähnt sich in einem Musentempel und ist doch in der Empfangshalle eines Versicherungsgebäudes: des 1956 im Lausanner Quartier Les Cèdres eröffneten Hauptsitzes der Mutuelle Vaudoise Accidents. Hier war fraglos ein Könner am Werk, der wie kein Zweiter die Architektur als Gesamtkunstwerk verstand.

Kein Wunder, dass Jean Tschumi, der Schöpfer dieses an Eleganz die Schweizer Architektur der fünfziger Jahre überstrahlenden Meisterwerks, in einem Direktauftrag die neue Verwaltungszentrale von Nestlé in Vevey realisieren konnte. Dieses über Y-förmigem Grundriss errichtete Gebäude nimmt Bezug auf den kurz zuvor vollendeten Unesco-Bau von Marcel Breuer, Pierluigi Nervi und Bernard Zehrfuss in Paris. Doch Tschumi perfektionierte Erscheinungsbild, Konstruktion und Materialität derart, dass das Nestlé-Haus bei seiner Vollendung 1960 einen neuen Höhepunkt jener Corporate Architecture markierte, die 1909 bei Peter Behrens in Berlin ihren Anfang genommen hatte.

Französischer Formensinn

Schon früher, auf der Weltausstellung von 1937 in Paris, hatte Tschumi mit seinem Nestlé-Pavillon eine Firmenikone geschaffen, die dank dem in Vorwegnahme der Pop-Art als Milchpulver-Dose konzipierten Hauptgebäude und dem «Cinéma Guignol» zu einer Attraktion der Schau wurde. Für dieses Erstlingswerk hatte er vier zwischen Tradition und Moderne oszillierende Planvarianten entwickelt. Sie zeugen von Neugier, Beweglichkeit und Vielseitigkeit – Eigenschaften, die ihn von seinen doktrinär-modernen Schweizer Kollegen unterschieden. Anders als diese studierte der 1904 in Genf als Sohn eines Ebenisten geborene und in Lausanne aufgewachsene Tschumi nicht an der ETH in Zürich, sondern an der Bauschule in Biel und dann an der Ecole des Beaux-Arts in Paris. Dort trat er ein ins Atelier von Emmanuel Pontremoli, einem rationalistischen Eklektiker, der einen Baukörper ebenso virtuos in ein altgriechisches wie in ein zeitgenössisches Kostüm hüllen konnte. Hier lernte Tschumi neben dem Entwerfen in Varianten auch das Denken in künstlerischen Zusammenhängen, das er von 1925 an im Atelier von Emile Jacques Ruhlmann perfektionierte. Bei diesem genialen Ensemblier entwarf er nicht nur Art-déco-Möbel: Er lernte auch die Geheimnisse einer perfekten Raumkunst.

Tschumis Pariser Jahre bilden denn auch eine Schlüsselsequenz in der vom renommierten Lausanner Architekturhistoriker und Tschumi-Kenner Jacques Gubler als Hommage an den Meister eingerichteten, ebenso einfachen wie sinnfälligen Ausstellung in der Architekturgalerie der ETH Lausanne (EPFL). Vertieft werden die vielen Bildinformationen durch einen vorbildlichen, Tschumis künstlerisch-architektonischen Kosmos analysierenden Katalog, der erstmals die wahre Grösse des Lausanner Architekten fassbar macht. Gubler ordnet ausgewählte Zeichnungen, Pläne, Fotografien und Möbel aus dem in den Archives de la construction moderne der EPFL aufbewahrten Nachlass zu fünf Themenkreisen. Erlebt man unter dem Stichwort «Atelier Pontremoli» den futuristischen Furor des jungen Studenten, so veranschaulicht die Abteilung «Timbers-postes & échelle grandeur» unterschiedliche Entwurfsformate, aber auch das breite gestalterische Engagement vom Aschenbecher bis zu den städtebaulichen Projekten für Lausanne oder Stockholm. Nach einem Blick auf Tschumis Spiel mit den «Variantes» wendet sich Gubler der «Corporate architecture» zu, die in den 1939 zusammen mit dem Unternehmer und Bildhauer Edouard-Marcel Sandoz gestalteten Direktionsräumen in Basel und dem 1952 vollendeten Neubau für Sandoz France in Orléans ihren Anfang nahm.

Während des Zweiten Weltkriegs kehrte Tschumi nach Lausanne zurück, wo er im Auftrag der Waadtländer Regierung die neue Architekturschule der Universität Lausanne aufbaute. In der Sektion «Ecole d'architecture» wird nicht nur die der Beaux-Arts-Methode verpflichtete, sich radikal vom Zürcher ETH-Unterricht unterscheidende Lehrmethode Tschumis vorgestellt, sondern auch sein 1962 vollendeter Aula-Pavillon, ein expressives Highlight der Betonarchitektur, das in seiner konstruktiven Waghalsigkeit mit Arbeiten von Nervi, Eero Saarinen und Le Corbusier rivalisiert. An der Architekturschule erhielt er 1955 Konkurrenz durch den Le-Corbusier-Anhänger Hans Brechbühler. Doch als praktizierender Architekt kann Tschumi Erfolge feiern. Der international publizierte Nestlé-Hauptsitz begeistert die Architekturkritik und trägt ihm 1960 den damals als «Nobelpreis der Architektur» gehandelten Reynolds Award sowie seine dritte Reise durch die für sein Architekturverständnis wegweisenden USA ein.

Fulminantes Feuerwerk

Mit der Betonskulptur eines Getreidesilos in Renens und dem über dreieckigem Grundriss errichteten Bürohaus André & Cie. in Lausanne führt Tschumi sein Werk zu neuen Höhen. Kurz vor seinem überraschend frühen Tod, der den regelmässig zwischen seinen Büros in Lausanne und Paris pendelnden Architekten am 25. Januar 1962 im Nachtzug bei Vallorbe ereilte, durfte er seinen wohl grössten Triumph erleben: den Sieg im Wettbewerb für das WHO-Gebäude in Genf gegen internationale Stars wie Saarinen, Kenzo Tange oder Arne Jacobsen. Während dieser bedeutende Bau von seinem Kollegen Pierre Bonnard postum realisiert werden konnte, blieb sein zusammen mit dem Ingenieur Alexandre Sarrasin entwickelter Entwurf eines gigantischen Aussichtsturms für die Expo 1964 in Lausanne Makulatur. Dieser zeichenhafte Bau hätte Tschumi wohl zu einem Wegbereiter der spektakulären Architekturen unserer Zeit gemacht.

[ Bis 24. Oktober (täglich ausser sonntags) in der Architekturgalerie der EPFL. Katalog: Jacques Gubler: Jean Tschumi – architecture échelle grandeur. Presses polytechniques et universitaires romandes, Lausanne 2008. 173 S., Fr. 59.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2008.10.08

11. September 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gläserne Klarheit

Von ihm stammen Meisterwerke wie die Neue Maxburg in München oder der Kanzlerbungalow in Bonn. Nun kann der etwas in Vergessenheit geratene Baukünstler Sep Ruf in einer fundierten Werkschau des Münchner Architekturmuseums wiederentdeckt werden.

Von ihm stammen Meisterwerke wie die Neue Maxburg in München oder der Kanzlerbungalow in Bonn. Nun kann der etwas in Vergessenheit geratene Baukünstler Sep Ruf in einer fundierten Werkschau des Münchner Architekturmuseums wiederentdeckt werden.

Die wohl schönste moderne Oase im Zentrum Münchens befindet sich nahe der Frauenkirche im weiten Innenhof der Neuen Maxburg. Die mit Brunnen, Teich und Gartenrestaurant ganz dem Geist der fünfziger Jahre verpflichtete Grünanlage wird auf vier Seiten von unterschiedlich hohen Bauten gerahmt. Diese erheben sich seit 1957 anstelle der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Herzog-Max-Burg, von der einzig der Spätrenaissance-Turm dem Bombenhagel trotzte. Er diente dem Architekten Sep Ruf als Ausgangspunkt für seine Planungen, übertrug er doch die fein proportionierte Wandgestaltung auf die mit Theo Pabst konzipierte Stahlbetonstruktur der Fassade. Diese subtile Neuinterpretation historischer Bausubstanz mit zeitgenössischen Mitteln sicherte Ruf und Pabst das Lob der Fachkritik. Bei den Münchnern jedoch, die von einer Wiederauferstehung der historischen Stadt träumten, stiess die «Murxburg» auf Widerstand. Das mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass Rufs überragende baukünstlerische Leistungen nicht nur in seiner Heimatstadt, wo er eine Vielzahl wichtiger Bauten realisierte, sondern in ganz Deutschland kaum mehr bekannt sind – und dies im Gegensatz etwa zu Scharouns oder Eiermanns Werken.

Tradition und Moderne

Umso grössere Bedeutung kommt der fundierten Werkschau zu, mit der das Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne aus Anlass des 100. Geburtstags von Sep Ruf (1908–1982) zurzeit dessen Schaffen würdigt. Die damit verbundene erstmalige Sichtung des Nachlasses förderte nicht nur neue Fakten zutage, sondern auch originale Zeichnungen, Pläne und Modelle sowie alte Fotos und Dokumente, die nun den Kern der Ausstellung bilden. Diese präsentiert in zwei mit «Ort, Kontext, Geschichte» und «Transparenz» überschriebenen Abteilungen 31 gut gewählte Hauptwerke, die den Bogen schlagen von den frühen Villen bis zu den späten Verwaltungsbauten. Schon als Dreiundzwanzigjähriger realisierte Ruf mit dem Haus Schwend in Bogenhausen einen eigenwilligen weissen Kubus, in welchem traditionelle Formen wie das Rundbogenportal zusammenfinden mit den neusten Errungenschaften des Rationalismus, den er zuvor auf einer Italienreise studiert hatte. Dank dieser moderaten Formensprache konnte Ruf auch während des Naziterrors weiterhin vergleichsweise moderne Privathäuser realisieren.

Das schon im Frühwerk auszumachende Interesse an der Geschichtlichkeit der Architektur kam Rufs Bauten nach dem Krieg zugute. So gelang es ihm in Nürnberg, wo er seit 1947 Akademieprofessor war, den Neubau der Bayerischen Staatsbank in die zerstörte Altstadt zu integrieren, indem er den in rötlichen Sandstein gehüllten Baukörper in einen Dialog mit dem Ort stellte, während er das Gebäude mit horizontalen Fensterbändern und wandhohen Verglasungen in der Gegenwart verankerte. Daraus resultierte ein Meisterwerk des kontextuellen Bauens, das mit Gunnar Asplunds legendärer Rathauserweiterung in Göteborg verglichen werden darf und welches vorausweist auf das filigrane Scheibenwohnhaus an der Theresienstrasse in München.

Kurz darauf entstand das von amerikanischen und schweizerischen Vorbildern beeinflusste Pavillonsystem des eng mit der Parknatur verwobenen Neubaus der Nürnberger Kunstakademie. Dieses schlug sich einerseits im Entwurf der Neuen Maxburg nieder, anderseits in der Kompositionsweise des Deutschen Pavillons auf der Weltausstellung von 1958 in Brüssel. Dessen Transparenz und Leichtigkeit – als Inbegriff demokratischen Bauens und zugleich als Absage an die Naziarchitektur gepriesen – erregte damals zu Recht internationales Aufsehen. Dokumente aus Rufs Nachlass zeigen nun, dass die Pavillonstruktur und die Durchsichtigkeit dieses temporären Gebäudes von Ruf und nicht – wie gemeinhin angenommen – von seinem Teampartner Egon Eiermann stammten. Während das Publikum im Brüsseler Pavillon ein neues, weltgewandtes Deutschland bewunderte, stiessen Rufs Bauten zu Hause immer wieder auf Widerstand.

Unvergessen bleibt die Polemik um den 1964 von Ludwig Erhard in Auftrag gegebenen Kanzlerbungalow, die sich schliesslich wegen Adenauers Bemerkung, der Architekt verdiene zehn Jahre, zu einer heftigen Debatte über Architektur und Demokratie ausweitete. – War der Kanzlerbungalow, der ab 2009 als baukünstlerische Ikone einer «neuen Form von politischer Repräsentation» der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, geprägt durch die offene Architektursprache des von Ruf verehrten Richard Neutra, so gibt sich die vier Jahre zuvor geweihte Kirche St. Johann Capistran in München als skulpturaler Solitär, dessen geometrische Backsteinformen nicht ohne Louis Kahn zu denken sind.

Das Bindeglied zwischen Rufs unterschiedlichen Idiomen bildet das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, dessen wiederaufgebaute Teile von ihm zwischen 1953 und 1976 bald in Stahl und Glas, bald in Stein ergänzt wurden. In Rufs Spätwerk schliesslich überzeugen das Olaf-Gulbransson-Museum in Tegernsee (1966) und das Atelierhaus in Grünwald (1969) durch die Verschmelzung des Miesschen Glashauses mit der antiken Atriumvilla. Ganz anders dann die Zentrale der Berliner Handelsgesellschaft in Frankfurt und der brückenartig über dem Münchner Eisbach sich erhebende Neubau der Bayerischen Vereinsbank, die von den neusten Entwicklungen des amerikanischen Hochhauses bestimmt werden.

Einfluss und Vorbild

Die Münchner Schau bringt nicht nur einen grossen Architekten zurück in unser Bewusstsein. Zusammen mit dem ein ausführliches Werkverzeichnis von 265 Nummern aufweisenden Katalogbuch zeigt sie auch, dass Architekturausstellungen in unserer effekthascherischen Zeit durchaus noch wissenschaftlichen Tiefgang haben können. Dennoch ist das Œuvre von Sep Ruf mit diesem Effort noch lange nicht erschöpfend erforscht. So fragen Schau und Katalog weder nach Rufs architektonischen Vorbildern noch nach der heutigen Gültigkeit seines Dialogs mit dem Genius Loci.

[ Bis 5. Oktober im Architekturmuseum der TU München. Katalog: Sep Ruf 1908–1982. Hrsg. Winfried Nerdinger. Prestel-Verlag, München 2008. 207 S., Fr. 84.– (in der Ausstellung € 39.–). ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2008.09.11

02. August 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Brücken, Türme und Paläste

Eine baukünstlerische Freilichtausstellung in Lausanne

Eine baukünstlerische Freilichtausstellung in Lausanne

Die mit exotischen Pflanzen prunkenden Parkanlagen von Lausanne sind seit geraumer Zeit in regelmässigen Abständen Ort von gartenkünstlerischen Ausstellungen. Heuer nun spielt die Metropole am Léman eine andere Karte aus und macht ihre architektonischen Schätze der letzten hundert Jahre zum Thema. Abseits der mittelalterlichen Stadt rund um die Kathedrale kann man auf vier Balades genannten Velotouren (mit gratis zur Verfügung gestellten Rädern) oder Spaziergängen sonst kaum beachtete Baukunst von höchster Qualität kennenlernen. Dabei fällt auf, wie sehr Lausanne seinen französisch-mediterranen Charme den hellen Wohnpalästen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdankt. Oder dass die Place St-François nicht nur das pulsierende Herz der Stadt, sondern darüber hinaus eine der bemerkenswertesten urbanistischen Anlagen der Belle Epoque in unserem Lande ist. Von hier aus führen die vier frei kombinierbaren Routen durch das grossstädtische Freilichtmuseum, zu denen man im Internet kleine, informative Guides als PDF-Dateien herunterladen kann. Mit ihrer Hilfe sieht man die historistischen Bankpaläste, Warenhäuser und Passagen von St-François ebenso neu wie den 1929 jenseits des Grand-Pont errichteten Bel-Air-Turm.

Dieses älteste Hochhaus der Schweiz wirkt aufgrund der für Lausanne charakteristischen Hanglage vom Vallée du Flon aus gesehen wie ein Wolkenkratzer. Dabei sind die oberen Etagen einem repräsentativen Art déco verpflichtet, die vier untersten Geschosse jedoch – dem tiefer liegenden ehemaligen Industrieviertel entsprechend – in einer nüchtern-modernen Formensprache gehalten. Seit das Flon-Quartier dank Bernard Tschumis dynamischen Erschliessungsbauten leicht zugänglich geworden ist, hat es sich zu einer Art Lausanner Soho gewandelt. Alte Lagerhäuser und Weindepots wurden restauriert und locken nun mit Restaurants, Modegeschäften und Kunstgalerien ein buntes Publikum an. Aber auch neue Architekturen wurden eingefügt – Verwaltungsbauten ebenso wie ein Multiplexkino. Den eigenwilligsten Akzent setzt das noch nicht eröffnete Miroiterie-Gebäude von Brauen & Wälchli mit seinen pneumatischen, nachts wie eine Laterne leuchtenden Membranfassaden. Davor breitet sich der zentrale Quartierplatz aus, der von einer vom Atelier Oï geschaffenen Pergola mit 20 000 vergnügt im Wind klimpernden Aluplättchen belebt wird.

Über ein enges, von einem künstlichen Baum beschattetes Plätzchen geht es zum Sitz der Stadtverwaltung, einem Meisterwerk der Sechziger-Jahre-Architektur, dessen über hängenden Gärten emporgestemmter Haupttrakt mit einer Metallfassade von Jean Prouvé umhüllt ist. Dass in Lausanne die Nachkriegsjahrzehnte – trotz etlichen städtebaulichen Sünden – eine goldene Zeit waren, bezeugen auch das in einem modernistischen Klassizismus gehaltene Eracom-Berufsschulhaus von Frédéric Brugger oder – im Quartier Les Cèdres – Jean Tschumis genial inszeniertes Verwaltungszentrum der Mutuelle Vaudoise (1956). Während man sich diesem im Schatten von zwei gewaltigen Libanon-Zedern nähert, erblickt man plötzlich durch die verglaste Eingangshalle hindurch das weite Panorama des Genfersees. Dort unten warten dann das von Max Bill für die Expo 1964 errichtete und 1995 von Rodolphe Luscher um eine brückenartig aufgestelzte Probebühne ergänzte Théâtre de Vidy, das klassisch-moderne Bellerive-Strandbad, das von Francis Isoz neugotisch erweiterte Schloss und die Gründerzeithotels von Ouchy auf den Stadtwanderer. Auf dem dazwischen in den See vorspringenden Gelände kann man sich schon jetzt ausmalen, dass hier mit dem neuen, von den Zürcher Jungarchitekten Berrel, Kräutler und Wülser entworfenen Musée cantonal des Beaux-Arts bis 2012 der wohl schönstgelegene Kunsttempel Europas entstehen wird. Die vier Balades führen noch zu rund zwanzig weiteren architektonischen Zielen, an denen auf illustrierten Informationstafeln bald Einzelbauten, bald ganze urbanistische Situationen erklärt werden. Dabei weckt die auf Spitzenwerke beschränkte Auswahl immer wieder den Wunsch, auch über unterwegs wahrgenommene Bauten wie etwa die Synagoge am Ende der Avenue de la Gare etwas zu erfahren. Man kann nur hoffen, dass diese anregende Lausanner Initiative bald auch von anderen Städten nachgeahmt wird.

[ Unter www.lausanne-architectures.ch lassen sich die vier kleinen Guides herunterladen. Der mit Schwarzweissfotos von Anne-Laure Lechat illustrierte Architekturführer «Lausanne Architectures. Quatre itinéraires pour découvrir une ville» ist ab September für Fr. 28.– erhältlich (info@lausanne-architectures.ch). ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2008.08.02

21. Juli 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Junge Welteroberer

Die Baukunst in Deutschland steckt seit geraumer Zeit in einer Krise. Nun suchen kreative Architekten ihr Glück vermehrt im Ausland, wie eine Schau im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zeigt.

Die Baukunst in Deutschland steckt seit geraumer Zeit in einer Krise. Nun suchen kreative Architekten ihr Glück vermehrt im Ausland, wie eine Schau im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zeigt.

Ist der internationale Erfolg eines Produktes ein Qualitätsbeweis? Wenn dies zuträfe, dann wären die kantenlosen Designerweine der Neuen Welt den charaktervollen europäischen Terroir-Erzeugnissen überlegen. Ähnlich wie mit dem Wein verhält es sich mit der Architektur. Vermag doch manch ein sorgsam in den Kontext eingefügtes Gebäude eines regional verankerten Büros mehr zu überzeugen als die aalglatten, oft ganz ohne Ortsbezug gefertigten Entwürfe weltweit tätiger Firmen. Nur – wer nimmt noch Notiz von den stillen Werken?

Pilgerten die Architekturliebhaber vor zwanzig Jahren ins Tessin, nach Nordportugal oder in Hollands Kleinstädte, um zukunftsweisende Miniaturen zu studieren, so dreht sich jetzt alles nur noch um jene spektakulären Zeichen, mit welchen die Weltbaustellen von Abu Dhabi bis Schanghai protzen. Deshalb erstaunt es nicht, dass immer mehr junge Architekten von internationalen Aufträgen träumen. Das gilt nicht zuletzt für den Nachwuchs in Deutschland, wo die einheimische Baukunst seit Jahren kränkelt und die von den Medien gefeierten Häuser fast durchwegs von ausländischen Architekten stammen.

Deutsche Eigenschaften

Im Aufsehen, das junge und junggebliebene Baukünstler unlängst in Sevilla, Seoul oder Sydney erregten, glaubt nun das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main (DAM) den Beweis für den architektonischen Wiederaufstieg des Landes zu erkennen. Deshalb konzipierte sein Direktor, Peter Cachola Schmal, zusammen mit Anna Hesse eine «Ready for Take-Off» betitelte Präsentation über im Ausland tätige deutsche Architekten, die im letzten Herbst auf der siebten Architekturbiennale von São Paulo zu sehen war. Nun ist die als Wanderausstellung angelegte Schau im DAM zu Gast – begleitet von einem eigens für Frankfurt verfassten Katalog.

Auf einem in den deutschen Farben Schwarz, Rot, Gold gehaltenen Spannteppich stehen in der grossen Erdgeschosshalle des DAM buchartig aufgeklappte Rimowa-Koffer aus Aluminium locker herum. In jedem dieser Gepäckstücke präsentiert jeweils eines der sechzehn ausgewählten Architekturbüros mittels Fotos, Plänen, Texten und Modellen sein erstes oder neustes im Ausland projektiertes Werk sowie einen in Deutschland entstandenen, für das eigene Schaffen besonders charakteristischen Referenzbau. Zwischen diesen Installationen liest man in den Teppich eingewobene Wörter wie fleissig, ordentlich, pflichtbewusst und zuverlässig, die an «typisch deutsche», offensichtlich auch im Zusammenhang mit der Exportarchitektur erfolgversprechende Eigenschaften erinnern sollen.

Doch nach der kleinen Überraschung, für welche die gelungene Präsentation sorgt, macht sich eine leise Ernüchterung breit. Denn anders als die vor vier Jahren von Francesca Ferguson für die Architekturbiennale in Venedig konzipierte «Deutschlandschaft», die anhand von Bauten so unterschiedlicher Büros wie Bottega & Erhardt, Manuel Herz oder Brückner & Brückner der baukünstlerischen Phantasie nachspürte, erweist sich die Frankfurter Schau als eine ebenso unkritische wie unvollständige Auflistung von Auslandsbauten. Zwar berichten Projekte wie Carsten Roths steinerne Erweiterung des Hauptsitzes der Volksbank in Wien oder das gläserne Öko-Hochhaus von Christoph Ingenhoven in Sydney von konstruktiver Sorgfalt und kontextueller Umsicht. Doch das kreative Feuerwerk sucht man vergeblich. Ein solches dürften dereinst wohl nur das wie eine riesige Gewitterwolke über der Plaza de la Encarnación in Sevilla schwebende «Metropol Parasol»-Dach von Jürgen Mayer, das Geschäftshaus von Wandel Hoefer Lorch + Hirsch in Tbilissi und allenfalls das durch origamiartig gefaltete Dachklammern zusammengehaltene Luftfahrtmuseum von Pysall Ruge in Krakau versprühen. – All diese Projekte, von denen erst das in eine wabenartig geknickte Spiegelhaut gehüllte Trutec-Hochhaus von Barkow Leibinger in Seoul und der doppelte Glastrichter des Museion von Krüger Schuberth Vandreike in Bozen vollendet sind, demonstrieren bautechnische Virtuosität. Und dennoch wirkt die Mehrzahl von ihnen ähnlich unbeseelt wie die in Deutschland realisierten Referenzbauten.

Vielleicht resultiert diese allgegenwärtige formale Unverbindlichkeit daraus, dass die deutschen Architekten zu sehr auf die neusten internationalen Trends fixiert sind und kaum Mut zu eigenen Gedanken haben. So zeugen denn die meisten der in Frankfurt vorgestellten Bauten nicht nur von Exaktheit, Perfektion und Sorgfalt, sondern ebenso von Heimatlosigkeit oder gar Epigonentum – Qualitäten, die sich im globalisierten Architekturmarkt zu bewähren scheinen.

Zum Abheben bereit

Es ist der Ballast der vielen Vorbilder, der den deutschen Architekten das Abheben erschwert. Diesen abzuwerfen, gelang bisher nur wenigen: etwa Hansjörg Göritz, dessen eigenwilliges, Mitte Februar in Vaduz eingeweihtes Liechtensteiner Landtagsgebäude erstaunlicherweise nicht im DAM zu sehen ist. Aufmerken lassen aber auch einige jener Kleinbauten noch wenig bekannter Baukünstler, denen man in der jüngst am Turiner Architektur-Weltkongress präsentierten Wanderausstellung «Auslandsbeziehungen – junge Architekten aus Deutschland» begegnen kann.

[ Bis 2. November im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main. Katalog: Ready for Take-Off. Aktuelle deutsche Exportarchitektur – Contemporary German Export Architecture. Hrsg. Anna Hesse und Peter Cachola Schmal. Hatje-Cantz-Verlag, Ostfildern 2008. 206 S., € 22.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2008.07.21

18. Juni 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Lebensschule

Eingeschlagene Fenster, morscher Beton, abblätternde Farbe und zum Skelett abgemagerte Treppen:

Eingeschlagene Fenster, morscher Beton, abblätternde Farbe und zum Skelett abgemagerte Treppen:

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07. Juni 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Sporttempel für einen totalitären Staat

Das Olympiastadion von Herzog & de Meuron gilt als architektonisches Meisterwerk. Das Wahrzeichen der Pekinger Sommerspiele dient aber auch dem chinesischen Regime zur Selbstdarstellung. Mit Jacques Herzog sprach Roman Hollenstein über das Bauen in einem Land, in welchem die Menschenrechte immer wieder missachtet werden.

Das Olympiastadion von Herzog & de Meuron gilt als architektonisches Meisterwerk. Das Wahrzeichen der Pekinger Sommerspiele dient aber auch dem chinesischen Regime zur Selbstdarstellung. Mit Jacques Herzog sprach Roman Hollenstein über das Bauen in einem Land, in welchem die Menschenrechte immer wieder missachtet werden.

Lange glaubte man im Westen an eine politische Öffnung Chinas. Die Vorfälle rund um Tibet zeigen nun aber, dass in der Volksrepublik weiterhin die Menschenrechte mit Füssen getreten und Minderheiten unterdrückt werden. Wie erleben Sie das als in China tätiger Architekt?

Jacques Herzog: Um diese Vorfälle und die Entwicklung im heutigen China ganz generell zu verstehen, sollte man dieses unermessliche Land nicht nur aus einem westlichen Blickwinkel betrachten. China hat eine ganz andere Geschichte als Europa, und die Gesellschaften haben sich deshalb ganz unterschiedlich entwickelt. China ist eine Hochkultur, die seit über 5000 Jahren besteht und in dieser langen Zeit Werke von unglaublicher Innovationskraft und Schönheit hervorgebracht hat. Das ist beeindruckend und kann nicht einfach so nebenbei betrachtet werden. Es ist mit ein Grund, weshalb heute und in Zukunft aus diesem Land beachtliche Leistungen erwartet werden können. Gleichzeitig hat China Verhaltensmuster hervorgebracht, die sich von den unseren unterscheiden. Auch wir mussten dies zuerst lernen, als wir in China zu arbeiten anfingen. So waren die Verhandlungen mit den Chinesen oft alles andere als einfach.
Gesellschaftliche Öffnung

Bei allem Verständnis für die unterschiedliche Entwicklung darf man aber doch vor der heutigen Situation die Augen nicht verschliessen.

Es gibt heute eine schnell wachsende Zahl von Intellektuellen, Künstlern und Architekten, die den gewährten Freiraum der letzten Jahre energisch und radikal dazu nutzen, einen eigenständigen chinesischen Beitrag zur globalen Gegenwartskultur zu leisten. Dennoch ist nicht zu leugnen, dass China seit 5000 Jahren eine Herrschaft kennt, die zumindest zeitweise grausam und kaum je demokratisch war und auch heute noch die Menschenrechte missachtet. Das können wir aus unserer schweizerisch-basisdemokratischen Sicht nicht verstehen und auch nicht akzeptieren. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es auch in Zentraleuropa bis vor 60 Jahren diktatorisch regierte Länder gab. Anders ausgedrückt: Die Demokratie, wie wir sie verstehen, ist ein rares Gut, zu dem man Sorge tragen muss und das nur in einem langjährigen Prozess entstehen kann. Man kann anderen Ländern Demokratie nicht aufzwingen, schon gar nicht einem so riesigen Land und einer so alten, eigenständigen Kultur wie China. Man kann und muss jedoch das Respektieren der Menschenrechte stets von neuem zum Thema machen. Mit Protesten oder Boykotten – etwa der Olympischen Spiele – kommt man aber nicht weit.

Kann denn durch das Thematisieren der Menschenrechte allein etwas bewegt werden?

Unserer Meinung nach ist die dramatische wirtschaftliche Entwicklung in China der eigentliche Motor des Prozesses der gesellschaftlichen Veränderung. Die Bevölkerung wird nach dem Vorbild der westlichen Demokratien zunehmend mehr Offenheit und mehr Freiräume einfordern, ohne die auch die wirtschaftliche Dynamik und der Konsum ins Stocken geraten werden. Wir haben diese gesellschaftliche Öffnung in unserer sechsjährigen Anwesenheit in China selbst erfahren können und denken, dass da eine grosse Chance liegt: Prozess statt Boykott.

Man sagt, Sie hätten sich schon vor dem Olympiastadion für den Wettbewerb um den Pekinger Neubau des chinesischen Staatsfernsehens (CCTV) interessiert. Was macht für Sie und andere renommierte Architekturbüros – von Rem Koolhaas über Steven Holl und Norman Foster bis Massimiliano Fuksas – China so faszinierend?

Die Geschichte ist ganz anders. Wir haben China nicht von uns aus angepeilt. Vielmehr wurden wir von Ai Weiwei und Uli Sigg aufgefordert, das Land zu besuchen, weil es dort viel Interessantes zu sehen und zu tun gebe. Als ehemaliger Schweizer Botschafter in China ist Sigg der Letzte, der die Menschenrechte nicht einfordern würde, und der Künstler Ai Weiwei, der wegen der Haltung seines Vaters in der Verbannung aufwachsen musste, ist ein vehementer Verfechter eines neuen China. Das befähigt ihn abzuschätzen, wie man allenfalls Architektur und Kunst einsetzen kann, um einen Prozess günstig zu beeinflussen. Wir reisten dann nach China und erfuhren dort ganz zufällig, dass der Stadion-Wettbewerb noch offen war. In letzter Minute haben wir unsere Anmeldung abgeschickt. Da war keine Strategie dahinter, in China Fuss zu fassen. Was den CCTV-Wettbewerb betrifft, so hatten wir zu spät davon gehört. Wir sehen China nicht als einen Markt für Aufträge, wie dies andere Büros tun, auch wenn wir zusammen mit Ai Weiwei einige Projekte ausarbeiteten, die – obwohl sie letztlich scheiterten – für uns interessante Experimente darstellten.

Bietet China den westlichen Architekten Möglichkeiten, die sie zu Hause nicht haben?

Wir bauen überall auf der Welt und haben keine Lieblingsorte. Wie wichtig das Stadion für den chinesischen Staat werden sollte, war anfänglich nicht abzusehen, ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Regierung bereit war, unser radikales Design auch wirklich zu realisieren – aus welchem Grund auch immer. Insofern waren die Chinesen gute Bauherren. Das Land ist für uns aber auch deswegen interessant, weil dort noch handwerkliche Traditionen vorhanden sind und eingesetzt werden können, die es hierzulande gar nicht mehr gibt. Schliesslich sind die Chinesen aufgrund ihrer Tradition viel offener als andere Nationen. Es gibt nichts, was sie überrascht.

Radikale Freiheit

Warum sind derzeit die Chinesen so gierig nach westlicher Architektur?

Ich bin nicht sicher, ob sie so gierig danach sind. Ich denke vielmehr, dass die Chinesen früher oder später alles selbst machen werden. Es gibt bereits jetzt eine grosse Zahl interessanter Künstler und junger Architekten, die bald auch die globale Szene beeinflussen werden.

Doch mit dem Olympiastadion betrieben Sie noch eine Art architektonischer Entwicklungshilfe?

Von Entwicklungshilfe zu sprechen, ist kaum angebracht angesichts der Kulturgeschichte dieses Landes. Es geht eher um einen Austausch und einen Prozess der Öffnung. Wir hatten stets den Eindruck, dass wir mindestens so viel von China lernen konnten, wie wir umgekehrt von unserer Seite her einbrachten. Mit dem Stadion konnten wir einfach China in einem Moment der Geschichte etwas bieten, das es dort so nicht gab.

Haben Sie keine moralischen Bedenken, Ihre Arbeit in China könnte das totalitäre Regime direkt oder indirekt bejahen?

Nein. Wir sehen zwei mögliche Haltungen: Man kann sagen, in einem Land, das nicht unsere gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder moralischen Standards hat, engagiere ich mich nicht. Dann könnte man aber an vielen Orten nicht bauen, im Grunde nicht einmal im Amerika der Bush-Administration. Wenn man aber nach China geht, kann man sich für einen Prozess der Öffnung starkmachen. Im Kleinen – und ich möchte die Architektur nicht überbewerten – macht man das auch mit einem Bauprojekt.

Historisch gesehen kommt es immer wieder zu einer Einvernahme der Architektur durch die Macht. Wie sehen Sie diese Problematik?

Auch hier kann man zwei Haltungen unterscheiden. Entweder lässt man sich in eine Ideologie einspannen, oder man tut es nicht. Für die, welche diese Ideologie mitzutragen bereit sind, gibt es als Ausdrucksmittel die ideologische Architektur, die sich in den Dienst der Macht stellt und diese mit einer eigenen Ästhetik auszudrücken sucht, wie das die Nazi-Architekten oder die stalinistischen Architekten machten. Wir setzten in China ganz entschieden nicht auf eine derartige Ästhetik. Vielmehr drückt unser Design eine radikale Freiheit aus. Das Interessante am Olympiastadion ist vielleicht weniger die kühne Form als vielmehr die Tatsache, dass es ein Potenzial hinsichtlich des öffentlichen Raums besitzt wie kein zweites Projekt in China. Es ist eine begehbare Skulptur in der Art des Eiffelturms, wo die Menschen sich treffen können. Das Stadion ist die öffentliche Plattform des neuen Peking. So gesehen ist dieses Gebäude eine Art trojanisches Pferd: Es will zwar keinesfalls etwas zerstören, aber es wird eine Wirkung haben. In unserem Stadion drückt sich auch Stolz aus; in erster Linie ist es aber ein Ort, an welchem die Menschen zusammenkommen können – und zwar in einer unkontrollierbaren und zwanglosen Art und Weise. Ich spreche jetzt nicht vom Stadioninnern, sondern von dem durch das Geflecht der Streben definierten Raum zwischen innen und aussen, der nach den Spielen frei zugänglich sein wird. Dieses Potenzial war von Anfang an sozusagen unser politisches Programm. Politisch, aber nicht im Sinn einer Revolution gegenüber der Partei. Das Politische an unserer Architektur ist der offene und vielfältig interpretierbare Raum, der angeboten wird und der sich einer ideologischen Festlegung entzieht.

Würden Sie auch für Ahmadinejads Iran, für Mugabes Simbabwe oder für Nordkorea bauen?

Das ist im Moment kein Thema. Die Situation in diesen Diktaturen ist viel eindimensionaler als in China. Allein schon weil China eine lebenslustige Bevölkerung besitzt, kann die Regierung nicht in derselben ritualisierten, ideologisierten Form den öffentlichen Raum bestimmen.

Offenheit und Modernität

Wie reagieren Sie auf den Vorwurf, die grossartige Architektur Ihres Stadions habe nur in einem autoritären System und nur auf Kosten von rechtlosen Wanderarbeitern realisiert werden können?

Je komplexer eine Bauaufgabe, desto qualifiziertere Leute braucht es auf allen Ebenen der Planung und Ausführung. Das Olympiastadion ist ein sehr komplexes Objekt, an dem die Chinesen für die Zukunft viel lernen konnten. Wie bereits gesagt, versuchen wir einen Prozess der Öffnung zu unterstützen und gewiss nicht den Status quo zu zementieren. Die billigen Arbeitskräfte sind eine Tatsache. Ihretwegen gilt China ja heute als Werkbank der Welt. Für die Sicherheitsstandards auf der Baustelle waren unsere chinesischen Partner zuständig. Aber der Staat hat kein Interesse daran, Arbeiter zu verheizen oder gar der Todesgefahr auszusetzen.

Ihr Stadion wird als Wahrzeichen der Olympischen Spiele vom kommunistischen China dazu genutzt, der Welt seine Offenheit, Modernität und Überlegenheit zu demonstrieren. Haben Sie keine Angst, dass dies der Marke Herzog & de Meuron im Westen schaden könnte?

Wieso sollte es? Es gibt wohl kein Gebäude, das in letzter Zeit so oft besprochen und dessen architektonische Qualität derart hervorgehoben wurde. Die Medien können es selbstverständlich zu einem Symbol des heutigen China machen, zu einem Bau, der für das Regime steht. Unserer Meinung nach steht es aber – wie die Verbotene Stadt oder die Chinesische Mauer, mit denen es die Chinesen auch vergleichen – viel eher für die Kultur von Peking und von China ganz allgemein. Das Gebäude verkörpert etwas, mit dem sich die Leute identifizieren. Sie lieben dieses Stadion. Was können wir mehr erwarten? Aber wir bedauern zutiefst, dass die Regierung gerade jetzt die Menschenrechte mit Füssen tritt. Dennoch sind wir überzeugt, dass China bereits eine offenere Gesellschaft geworden ist und dass dieser Prozess nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Wir Europäer sehen in unseren Kulturschaffenden – anders als in Firmen und Investoren – gerne moralische Vorbilder. Steven Spielberg, Sharon Stone und andere Schauspieler sowie der Künstler Ai Weiwei haben die chinesische Politik kritisiert. Fühlen Sie sich da nicht auch gefordert?

Ich möchte hier noch einmal betonen, dass wir das Nichtbeachten von Menschenrechten auf das Schärfste verurteilen. Aber wir sind vergleichsweise unbedeutend. Wenn wir nun öffentlich verkünden würden, Herzog & de Meuron distanzieren sich wegen der jüngsten Entwicklung im Bereich der Menschenrechte von ihrem Stadion und gehen nicht an die Eröffnung der Olympischen Spiele, so wäre das lächerlich und hätte darüber hinaus keinerlei Wirkung, weil es der Regierung ganz einfach egal wäre. Vielleicht wäre es ihnen sogar recht, denn die Karten sind heiss begehrt. Spielberg kannte die Situation von Anfang an genau, und damals, als er seinen Auftrag annahm, war China gewiss nicht offener als heute. Wenn er sich nun mit viel Getöse zurückgezogen hat, so ist das nichts anderes als billige Propaganda.

Emanzipatorische Kräfte

Was sagen Sie dazu, dass Architekten wie Renzo Piano oder Christoph Ingenhoven sich dezidiert dagegen ausgesprochen haben, in China zu bauen?

Das ist deren Angelegenheit. Wir glauben aufgrund unserer Erfahrungen, dass Architektur ein Potenzial haben kann, das transformatorische und emanzipatorische Kräfte freisetzt. Es ist unsere Aufgabe, solche Kräfte zu fördern – viel eher, als auf eine aktive Teilnahme zu verzichten und aus der Ferne zu Boykotten aufzurufen.

Die Arbeiten am Olympiastadion sind abgeschlossen. Warum bleiben Sie in der jetzigen Situation weiterhin in China tätig?

Wir haben zurzeit keine weiteren Projekte in China – abgesehen von unserer Mitarbeit bei einer Aktion von Ai Weiwei, in deren Verlauf 100 Villen von 100 jungen Architekten in der äusseren Mongolei entstehen sollen. Wir helfen beim Zusammenstellen der Architektenliste mit. Und, ja, da gibt es noch ein Projekt in Hongkong, bei dem es um die Umwandlung einer ehemaligen Polizeistation in ein Kulturzentrum geht. Auch dieses Projekt hat dank seinem öffentlichen Charakter ein grosses Potenzial. Solche Aufträge interessieren uns. Uns geht es um das Ausloten dessen, was Architektur überhaupt sein und leisten kann. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit Ideologien und mit psychologischen Aspekten, was letztlich zur Frage führt: Warum macht eine Gesellschaft diese und nicht jene Architektur?

Es gibt immer mehr kreative chinesische Büros. Werden diese bald den Platz einnehmen, den jetzt Sie und andere ausländische Architekten besetzen?

China wird künftig verstärkt darauf tendieren, eigene Künstler und Architekten einzubeziehen, und sich auch auf diesen Gebieten Kompetenz erarbeiten. Es werden auch immer mehr chinesische Künstler, Intellektuelle und Forscher in den Westen gelangen. Das ist ein unaufhaltsamer Prozess, gut für die Chinesen und für uns auch.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2008.06.07



verknüpfte Akteure
Herzog & de Meuron

29. Mai 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Leuchtturm für die Kunst

Wirtschaftliche Prosperität und politische Autonomie erlaubten es Bozen in den vergangenen Jahren, sich als Bildungs- und Kulturstadt zu profilieren. Neustes Wahrzeichen der Stadt ist das vor wenigen Tagen eröffnete Museion, das sich wie ein Leuchtturm am Rand der Altstadt erhebt.

Wirtschaftliche Prosperität und politische Autonomie erlaubten es Bozen in den vergangenen Jahren, sich als Bildungs- und Kulturstadt zu profilieren. Neustes Wahrzeichen der Stadt ist das vor wenigen Tagen eröffnete Museion, das sich wie ein Leuchtturm am Rand der Altstadt erhebt.

Zwischen lieblichen Weinbergen gelegen und von der Rosengartengruppe überragt, weiss Bozen schnell die Fremden zu bezirzen. Doch bevor man in die Stadt gelangt, gilt es einen chaotischen Industriegürtel zu durchqueren, der mit seinen Fabriken, Bürocontainern und der aufgestelzten Autobahn alle städtebaulichen Schrecken der Moderne in sich zu vereinen scheint. Dahinter aber weitet sich eines der vielfältigsten Stadtgebilde des Alpenraums. Das malerische Zentrum mit seinen Kirchen, Bürgerhäusern und der Laubengasse wird zu den grünen Talfer-Auen hin abgelöst durch eine gründerzeitliche Bebauung, der am jenseitigen Ufer rund um Piacentinis Siegestor eine italienische Gegenwelt antwortet. Deren Prachtstrassen und Platzanlagen verleihen Bozen ein ganz eigenes grossstädtisches Gesicht, gemahnen aber auch an den Faschismus. Vielleicht tat sich die zerstrittene Stadt deswegen nach dem Krieg mit baukünstlerischen Akzenten schwer – sieht man von Luis Plattners Hochhaus am Sernesiplatz oder Othmar Barths Wohnhausklippen unter den Haslacher Porphyrfelsen ab.

Marmortempel und Glaskuben

Nicht zuletzt dank dem Autonomiestatut erlebt die heute 100 000 Einwohner zählende Alpenmetropole seit Jahren eine Wirtschaftsblüte. Der damit einhergehende Versuch einer kulturellen und touristischen Neuerfindung schlug sich bald in architektonischen Eingriffen nieder, mit denen man den Stadtkörper zu verjüngen suchte. Das erste dieser ambitiösen Bauwerke, der pharaonische Marmortempel des 1999 nach Plänen von Marco Zanuso aus Mailand vollendeten Stadttheaters am Verdiplatz, vermochte noch kaum zu überzeugen. Doch wenig später implantierten die Zürcher Architekten Bischoff & Azzola die sachlich kompakten Kuben der neugegründeten Freien Universität Bozen passgenau in die urbanistische Feinstruktur der Altstadt. Mit ähnlichem Können verwandelte der Wiener Boris Podrecca das Traditionshotel «Greif» am Waltherplatz in ein elegantes Refugium, erweiterte es um eine Passagenarchitektur und gab damit der ehrgeizigen Stadt eine neue touristische Adresse.

Bozens eigentlicher Stolz war bis jetzt aber die auf Sprach- und Minderheitenforschung spezialisierte Europäische Akademie (Eurac). Für sie wurde das lange vernachlässigte GIL-Gebäude, ein in der auf Geheiss des Duce mit viel Pomp gestalteten Neustadt gelegenes Meisterwerk des italienischen Rationalismus, vom Wiener Klaus Kada renoviert und – zur Drusus-Brücke hin – um einen über schlanken Rundpfeilern schwebenden Glaskubus ergänzt. Mit dessen städtebaulicher Rhetorik wetteifert die jüngst vom Meraner Büro Höller & Klotzner an der Romstrasse fertiggestellte Landesberufsschule. Nur schade, dass dieses Hauptwerk der neuen Südtiroler Architektur, welches mit einer neorationalistischen Sprache auf die italienisch anmutende Umgebung eingeht, seit dem Abriss von Guido Pelizzaris architektonisch bedeutender Messehalle auf die Leere eines falsch konzipierten Stadtgartens blickt.

Interesse an der Kunst

Höller & Klotzner, die zusammen mit Walter Angonese und Christoph Mayr Fingerle in der Südtiroler Architektenszene den Ton angeben, beteiligten sich im Jahr 2000 auch am Wettbewerb für den Neubau des Museion genannten Museums für moderne und zeitgenössische Kunst. Doch wie bei andern Bozner Grossprojekten erhielt auch hier ein auswärtiges Büro den Zuschlag: nämlich Krüger Schuberth Vandreike (KSV) aus Berlin. Mit seiner zeichenhaften Form, in der man einen Dialog mit Piacentinis noch immer angefeindetem Triumphbogen erkennen kann, rückt nun der Neubau des Museion die bildende Kunst in den Mittelpunkt des Interesses. Wohl hüten die Kirchen und Schlösser der Stadt seit je kostbare mittelalterliche Fresken und Schnitzaltäre; doch fehlte lange ein der Kunst des 20. Jahrhunderts gegenüber aufgeschlossenes Haus. Deshalb wurde 1985 mit Unterstützung der Autonomen Provinz Bozen das mit seinem griechischen Namen gleichsam zwischen der italienischen Mehrheit und der deutschsprachigen Minderheit der Stadt vermittelnde Museion gegründet und 1987 im alten Spital an der Sernesistrasse eröffnet.

Schon bevor das heute vor allem auf das zeitgenössische Schaffen ausgerichtete Museum mit Ausstellungen wie «Kunst und Werbung» international wahrgenommen wurde, machte man sich an die Realisierung des zwischen Universität und Talfer gelegenen Neubaus. Dessen Planer Torsten Krüger, Christiane Schuberth und Bertram Vandreike, die heute zwischen 45 und 47 Jahre alt sind, hatten erstmals 1994 mit einem Projekt für das Bundeskanzleramt auf sich aufmerksam gemacht. Stehen die in Berlin von ihnen realisierten Stadthäuser und das kubische, 2007 in Warnemünde vollendete Institut für Ostseeforschung eher für ein zurückhaltendes Architekturverständnis, so zeugt ihr jüngster Entwurf eines schlaufenförmig verknoteten Geschäftshauses in Stuttgart von einer vertieften Auseinandersetzung mit aktuellen Architekturideen.

Demgegenüber fällt das Museion weniger durch das formale Experiment als vielmehr durch seine Präsenz im Stadtbild auf. Die 25 Meter hohe und 54 Meter lange, mit profilierten Aluminium-Paneelen verkleidete Minimal-Skulptur öffnet sich zur Alt- und Neustadt mit zwei trichterförmigen Vitrinen, deren Glasvorhang von etwas schwerfällig geratenen weissen Stahlstreben gehalten wird. Drehbare Lamellen aus mattiertem Glas, welche die Exponate vor der direkten Sonneneinstrahlung schützen, und die zur Abdunklung dienenden Screens führen dazu, dass sich das bespielte Haus kaum je mit der auf den Computerbildern angepriesenen Transparenz präsentieren wird. Doch das dürfte nur die wenigsten jener 6000 Neugierigen kümmern, die anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten am letzten Samstag das Museion förmlich stürmten – zumal die Glastrichter bestens als Medienfassade funktionieren, wie Anri Sala nun allabendlich mit seiner eher langweiligen Lichtprojektion «Ulysses» beweist.

Widerspenstige Architektur

Im Schatten einer riesigen Zeder betritt man vom stadtseitigen Vorplatz her das luftige Foyer mit Kasse und Museumsshop, von dem der flussseitige Ausstellungsraum durch eine Glaswand abgetrennt ist. Dort führt eine Treppe in die drei oberen Ausstellungsgeschosse, die nach dem «Prinzip der maximalen Flexibilität» unterteilt werden können. Vom freien Raumfluss spürt man aber zunächst wenig: Die Bibliothek präsentiert sich hinter Glasmembranen; und Stellwände sorgen immer wieder für verwinkelte Resträume. Wirklich gelungen ist nur das oberste, an eine Industriehalle erinnernde Geschoss, in welchem die Weite des Gebäudes übergeht in einen faszinierenden Rundblick auf Stadt und Berge.

Hier kann sich die von Corinne Diserens, der aus Genf stammenden neuen Direktorin, eingerichtete Eröffnungsschau «Peripherer Blick und kollektiver Körper» entfalten. Anhand der Werke von über 200 Kunstschaffenden – von Francis Als und Archizoom bis Remy Zaugg und Italo Zuffi – thematisiert sie die Entwicklung des Körperhaften in Kunst, Architektur und Tanz während der letzten fünfzig Jahre. Obwohl im Katalog nicht erwähnt, darf die in wellenförmigen Bewegungen das Museion mit der Neustadt verbindende Doppelbrücke als wichtiges Exponat bezeichnet werden. Dieses von KSV entworfene Meisterwerk entschädigt zudem dafür, dass die hauseigene Sammlung, welche den Anlass zu dieser anregenden, aber etwas thesenlastigen Who-is-who-Schau gab, noch recht schmalbrüstig daherkommt. In Zukunft sollen denn auch vermehrt Arbeiten erworben werden, die von Artists in Residence in der Dépendance des Museion geschaffen werden. So sind denn Programm und Ankaufspolitik ebenso auf Offenheit und Kommunikation angelegt wie das die beiden Stadtteile verbindende Bauwerk. Dass bei der Eröffnung ein gekreuzigter Frosch von Martin Kippenberger einen Skandal auslöste, zeigt aber auch, wie viel Vermittlung noch nötig sein wird, um Bozen zu einem wirklichen Kunstzentrum zu machen. Spätestens anlässlich der diesen Sommer in Südtirol durchgeführten «Manifesta» dürften auch die vereinten Kunstsachverständigen Europas über den Stellenwert des neuen Museion urteilen.

[ Die Eröffnungsausstellung dauert bis zum 21. September. Katalog: Peripherer Blick & kollektiver Körper. Museion, Bozen 2008. 437 S., € 48.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2008.05.29



verknüpfte Bauwerke
Museion

10. Mai 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Archäologisch geadelte Baukunst

Der klassizistische Architekt Friedrich Weinbrenner in Karlsruhe

Der klassizistische Architekt Friedrich Weinbrenner in Karlsruhe

Mit Visionen, die zum Radikalsten zählen, was die deutsche Architektur im späten 18. Jahrhundert hervorbrachte, sicherte sich der in Karlsruhe zum Zimmermann ausgebildete Friedrich Weinbrenner (1766–1826) früh schon den Ruf eines Meisters des Klassizismus. Seine grossformatigen, in Rom gefertigten Aquarelle zeigen schmucklose, von schweren dorischen Säulen geprägte Bauten oder düster-kahle Innenräume. Doch die realisierten Werke, die – nach Kriegsschäden wiederaufgebaut – noch heute das Stadtbild von Karlsruhe adeln, veranschaulichen jenen Mittelweg zwischen Ideal und Wirklichkeit, der zu Weinbrenners Markenzeichen wurde. So kristallisierten die gravitätischen Rathaus-Entwürfe, die er von aus Rom nach Karlsruhe sandte, schliesslich zu einem bürgerlichen Monument. Dieses bildet seit 1825 das noble Gegenüber der 1816 eingeweihten Stadtkirche, deren Säulenhalle ähnlich ins urbane Gefüge eingebunden scheint wie der Minervatempel in Assisi. Von einer revolutionären, den «französischen Modemachern» verpflichteten Haltung fand er hier zu einer Vereinigung von altrömischem Vorbild und zeitgenössischer Nutzform, wie sie bald auch in Klenzes München oder Schinkels Berlin den Ton angeben sollte. Ernster und altrömischer wirkt hingegen der am Pantheon inspirierte Zentralbau der Stephanskirche, die 1814 für die wachsende katholische Bevölkerung, aber auch für Napoleons Adoptivtochter Stéphanie, die Ehefrau des Grossherzogs von Baden, vollendet wurde.

Rom als Lehrmeisterin

Weinbrenners Auseinandersetzung mit der Antike in Rom spürt derzeit eine kleine, aufgrund des informativen, reich bebilderten Katalogs aber erwähnenswerte Ausstellung des Karlsruher Stadtmuseums im Prinz-Max-Palais nach. Der angehende Baukünstler gelangte nach Wanderjahren, die ihn nach Zürich und Lausanne führten, 1790 über Wien, Prag und Dresden nach Berlin. Dort lernte er von den Architekten Langhans, Gilly sowie Genelli und freundete sich mit dem Künstler Asmus Jakob Carstens an. Mit diesem brach er im Mai 1792 nach Rom auf, wo er gerne für immer geblieben wäre, hätte ihm 1798 nicht die napoleonische Politik einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Doch zuvor durchstreifte er mit Künstlerfreunden die Ruinen Roms, die wiederentdeckten Vesuvstädte und Paestum. Dabei entstanden Zeichnungen, in denen er – der «überspannten Bilder» Piranesis überdrüssig – nach einer wirklichkeitsnahen und perspektivisch exakten Interpretation der antiken Überreste strebte und so Carstens' lineare Zeichenkunst beeinflusste, wie in der Ausstellung ein Stich nach dessen «Jason in Jolkos» belegt. Noch leidenschaftlicher bemühte sich Weinbrenner um die zeichnerische Rekonstruktion römischer Thermen und Prachtsbauten sowie – Jahre später – der in Badenweiler entdeckten römischen Bäder. All diese Wiederherstellungsversuche zeugen von fundierten Quellenkenntnissen. Deshalb erstaunt es nicht, dass die 1797 im «Neuen Teutschen Merkur» publizierten Studien zum Theater des Curio auch Goethes Augenmerk auf Weinbrenner lenkten. Parallel zu diesen anspruchsvollen antiquarischen Übungen entstanden höchst unkonventionelle, die antiken Vorbilder neu interpretierende Entwürfe für viele damals wichtige Bautypen – vom Stadttor und vom Rathaus über Ballhaus, Reithalle und Zeughaus bis hin zum Schlachthof.

Städtebauliches Gesamtkunstwerk

Auch wenn diese ausdrucksstarken Aquarelle vom Karlsruher Baudirektor Müller als «lästig und drückend» empfunden wurden, begründeten sie und der wohl noch in Rom gezeichnete Generalplan für Karlsruhe den Erfolg Weinbrenners. Gleich nach seiner Rückkehr aus Italien wurde er Inspektor im Bauamt und schon 1801 Baudirektor sowie Leiter der neuen Bauschule. Sein erstes, noch ganz vom Geist der Revolutionsarchitektur durchdrungenes Meisterwerk war die 1800 geweihte, aber leider 1871 abgebrannte Karlsruher Synagoge, an deren rigorose, ägyptisch anmutende Form noch heute ein permanent ausgestelltes Modell im Stadtmuseum erinnert. Danach realisierte er – im Rahmen der Umgestaltung der 1725 gegründeten Stadt Karlsruhe zur grossherzoglichen Residenz – mit der seit 1806 zwischen Rondell- und Marktplatz angelegten Via Triumphalis das erste städtebauliche Gesamtkunstwerk des deutschen Klassizismus. Doch das weist schon über das eigentliche Thema der Schau hinaus, die neben kostbaren Bildern und Plänen auch jene Publikationen präsentiert, die zusammen mit Weinbrenners Lehrtätigkeit eine eigentliche «Weinbrenner-Schule» begründeten.

[ Bis 1. Juni im Karlsruher Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais. Katalog: Friedrich Weinbrenners Weg nach Rom. Bauten, Bilder und Begegnungen. Hrsg. Ulrich Maximilian Schumann. Lindemanns Bibliothek, Karlsruhe 2008. 96 S., € 16.80. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2008.05.10

14. April 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Monumente der Macht

In Architektenkreisen gelten sie vor allen andern Stars als Leitfiguren: der Niederländer Rem Koolhaas und die beiden Basler Jacques Herzog und Pierre...

In Architektenkreisen gelten sie vor allen andern Stars als Leitfiguren: der Niederländer Rem Koolhaas und die beiden Basler Jacques Herzog und Pierre...

In Architektenkreisen gelten sie vor allen andern Stars als Leitfiguren: der Niederländer Rem Koolhaas und die beiden Basler Jacques Herzog und Pierre de Meuron. Mit ihren Schöpfungen eröffnen sie der Baukunst neue Wege und verleihen zudem den Metropolen dieser Welt begehrte Wahrzeichen. Wie keine andere Stadt profitiert derzeit von ihrem Können Peking, wo das Olympiastadion des Schweizer Duos und der vom Rotterdamer Alleskönner entworfene Sitz des chinesischen Staatsfernsehens CCTV vom waghalsigen Höhenflug der zeitgenössischen Architektur berichten. Mit solch innovativen Meisterwerken, die andernorts allein schon aus Kostengründen unrealisierbar wären, will Chinas Regierung der eigenen Bevölkerung und dem internationalen Publikum das Bild einer hochmodernen Nation vorführen. Verschwiegen wird dabei die Tatsache, dass diese architektonischen Markenzeichen nur dank einem Heer von schlechtbezahlten Wanderarbeitern möglich sind, die mit fronartiger Akkordarbeit ihre Gesundheit riskieren.

Tiefgreifender Wandel

Schon bevor sich Peking 2001 die diesjährigen Olympischen Sommerspiele sichern konnte, hatten sich Zentren wie Shenzhen oder Schanghai durch den Wirtschaftsboom tiefgreifend zu wandeln begonnen: Hochhäuser, Wohnquartiere sowie Verkehrsbauten wurden aus dem Boden gestampft – und bald auch ganze Neustädte. Zur gleichen Zeit entdeckte das Regime das Prestige westlicher Architektur. Den Anfang machte der Franzose Paul Andreu, der 1999 den Zuschlag für das im Volksmund kritisch «Ei» genannte Nationaltheater am Tiananmenplatz in Peking erhielt. Ohne grosse politische Bedenken suchte danach eine wachsende Zahl von europäischen, amerikanischen, australischen und japanischen Architekten ihr Glück im neuen Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Unter diesen befanden sich auch Herzog & de Meuron, die 2002 den Wettbewerb für das olympische Nationalstadion für sich entscheiden konnten.

Ihr visionäres Projekt begeisterte nicht nur die internationale Jury, sondern anschliessend auch die zur Besichtigung und Kommentierung der Projekte eingeladene Bevölkerung. Gleichwohl ging die Realisierung nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten, wie der Dokumentarfilm «Bird's Nest» jüngst zeigte. Doch selbst Intrigen und politisch bedingte Bauverzögerungen liessen die Basler anscheinend nicht darüber nachsinnen, ob sie mit ihrem Bauwerk wirklich einen Beitrag zu der vom Internationalen Olympischen Komitee erhofften Öffnung des Landes leisteten oder nicht vielmehr ein Unterdrückungssystem stützten. Spätestens seit den Entwicklungen rund um Tibet ist aber klar, dass sie mit dem «Vogelnest», das laut Herzog «wie kein anderes Gebäude China verkörpert», ungewollt ein Monument geschaffen haben, welches unter dem Deckmantel des Sports die Macht des Regimes zum Ausdruck bringt.

Die Blauäugigkeit, mit der sich die Schweizer auf ihr China-Abenteuer einliessen, zeigt, dass sie wenig aus der unheilvollen Verquickung von Architektur und Gewaltherrschaft im 20. Jahrhundert gelernt haben. Sie erstaunt aber auch deswegen, weil Jacques Herzog noch 2001 in dieser Zeitung meinte: Aus Gründen des Branding «müssen wir schauen, wo wir mitmachen». Statt von den Olympischen Spielen zu profitieren, könnte ihre Marke jetzt, da sich die versprochene Verbesserung der Menschenrechtssituation als reines Lippenbekenntnis der Machthaber erwiesen hat, Schaden nehmen. Gleichzeitig müssen Herzog & de Meuron einsehen, dass sie mit ihrem Engagement zu Handlangern eines unzimperlichen Regimes geworden sind. Mehr noch als Koolhaas' CCTV-Hochhaus, der neue Pekinger Flughafen von Norman Foster oder der blaue Blasenkörper der Schwimmhalle von PTV Architects aus Sydney könnte das zeichenhafte Olympiastadion zudem – ähnlich wie bereits die elegant gestylte olympische Fackel – zum Symbol eines China werden, das Dissidente, Bürgerrechtler sowie Minderheiten unterdrückt und in Tibet ein ganzes Volk in die Knie zwingt.

Komplexe Situation

Damit finden sich die Basler zusammen mit vielen anderen westlichen Architekten, die sich noch so gerne haben täuschen lassen, in einem Dilemma wieder. Wenn sie dieser Entwicklung zuvorkommen und gleichzeitig als moralisch integre Vordenker glaubwürdig bleiben wollen, so müssten sie (und Koolhaas mit ihnen) die Stimme erheben, dies umso mehr, als schon die Architekturbiennale von Venedig im Jahr 2000 von den Baukünstlern «More Ethics» gefordert hatte. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn für bauende Architekten ist die Situation eine andere als für Künstler wie Steven Spielberg, der vor zwei Monaten mit seinem Plädoyer für Darfur bei Chinas Machthabern auf taube Ohren gestossen war und daraufhin als künstlerischer Berater der Olympischen Sommerspiele in Peking zurücktrat. Eine öffentliche Kritik der Vorgänge in Tibet durch Herzog & de Meuron, in denen die Chinesen dem Vernehmen nach zurzeit die grössten Architekten der Gegenwart sehen, könnte nämlich nicht nur für sie mit unvorhersehbaren Konsequenzen verbunden sein, sondern unter Umständen auch die Träume vieler anderer Bauwilliger im Reich der Mitte gefährden. Gewinnen dürfte aber allenfalls Chinas neue, mit der Baukunst des Westens längst vertraute Architektengeneration, die nur darauf wartet, sich in Sachen Kreativität mit ihren Vorbildern zu messen.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2008.04.14

02. April 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wolkenkuckucksheim

Es war heftig umstritten, das Hochhausprojekt von Mario Botta, das Celerina im Oberengadin einen himmelweisenden Akzent verleihen sollte. Nach leidenschaftlichen...

Es war heftig umstritten, das Hochhausprojekt von Mario Botta, das Celerina im Oberengadin einen himmelweisenden Akzent verleihen sollte. Nach leidenschaftlichen...

Es war heftig umstritten, das Hochhausprojekt von Mario Botta, das Celerina im Oberengadin einen himmelweisenden Akzent verleihen sollte. Nach leidenschaftlichen Debatten wurde nun der prismatisch-kristalline Hotelturm, der – anders als das von Herzog & de Meuron hoch über Davos als isolierter Akzent geplante Haus – mit seinen 17 Geschossen sogar die Kirche von Celerina überragt hätte, soeben von der Gemeindeversammlung abgelehnt.

Mit scharfen Artikeln in der Tagespresse war das Bauwerk nicht zuletzt von Mailändern und Tessinern bekämpft worden, die dort in Pseudo-Engadinerhäusern ihre Zweitwohnungen besitzen. Sie verwiesen auf Bottas überdimensioniertes Spielkasino in Campione d'Italia am Luganersee. Ihm gegenüber – beim Seedamm von Melide – soll nun eine der wertvollsten klassizistischen Villen des Tessins, die lange als Nachtklub bekannte «Romantica», einem Neubau weichen. Nicht ein Hotel wie in Celerina, sondern Luxusapartments sollen hier entstehen.

Nachdem die Gemeinde Melide grünes Licht gegeben hatte, wuchs in den vergangenen Wochen der Widerstand gegen das Projekt mit dem Resultat, dass der Investor Behjget Pacolli die Flucht nach vorn ergriff und der Gemeinde nun gleich mehrere Planungsvarianten vorschlug. Darunter findet sich neben solchen, die weiterhin den Abbruch der «Romantica» vorsehen, auch ein höchst spektakulärer Entwurf von Zaha Hadid. Sie will die Villa erhalten und dafür im kleinen Park einen 75 Meter hohen Turm aus übereinandergestapelten Wolken aus Aluminium und Glas errichten.

Im Interesse der Villa und des zukunftsweisenden Bauprojekts möchte man Melide die Zustimmung zu Hadids Wolkenkuckucksheim empfehlen, zumal schon Rino Tami vor vierzig Jahren für diese exponierte Stelle ein 22-stöckiges Hochhaus vorgeschlagen hatte. Zu klären bleibt allerdings die Frage, ob die – trotz Verkehrsbauten und wuchernden Dörfern – noch immer einzigartige Seelandschaft ein derartiges Zeichen überhaupt verkraften würde.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2008.04.02

17. März 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Formen der Erinnerung

In den späten siebziger Jahren war Fabio Reinhart ein Stern am Himmel der Tessiner Architektur. Nun kann man dem geschichtsbewussten Baukünstler in einer Ausstellung in Biasca wiederbegegnen.

In den späten siebziger Jahren war Fabio Reinhart ein Stern am Himmel der Tessiner Architektur. Nun kann man dem geschichtsbewussten Baukünstler in einer Ausstellung in Biasca wiederbegegnen.

Originelle Geister sind in der heutigen, von Starkult, Modeströmungen und Investorengeldern bestimmten Architekturwelt rar geworden. Selbst Vordenker wie Rem Koolhaas scheinen sich nur noch für das schnelle Bauen und die Wucherungen der Riesenstädte zu begeistern. Das war in der Zeit nach den Studentenunruhen anders. In Ermangelung von Aufträgen träumten junge Baukünstler damals von wandernden Städten und riesigen, die Landschaft überziehenden Megastrukturen oder spielten nicht ohne Ironie mit dem historischen Formenschatz. Eine der eigenwilligsten Persönlichkeiten war der 1942 in Bellinzona geborene Fabio Reinhart. Inspiriert von Aldo Rossis Analyse der europäischen Stadt, entwarf er zusammen mit Bruno Reichlin eine Architektur, in deren Zentrum die vielschichtige, dem Gebauten innewohnende Erinnerung stand. Mit einem Schlag berühmt wurden sie Mitte der siebziger Jahre mit zwei Wohnhäusern, der Casa Tonini in Torricella bei Lugano und der Casa Sartori bei Riveo im Maggiatal. In beiden näherten sie sich mit den Mitteln der zeitgenössischen Architektur der palladianischen Villentypologie und stilisierten dabei die klassizistische Formensprache, ohne aber einem postmodernen Flirt mit antiken Versatzstücken zu verfallen.

Die Stimmung des Ortes

Doch bald schon galt Reinhart mit seinem Hang zur Geschichte als Exot in der rational gefärbten Tessiner Architektenszene. So war den subtilen Projekten, die er und Reichlin für die Umgestaltung des Castelgrande in Bellinzona (1974) oder für den Schulhausneubau in Montagnola (1978) entwarfen, kein Erfolg beschieden. Die einzigartige Fähigkeit, mit der sie die Stimmung eines Ortes zu verdichten wussten, verhalf den von ihnen konzipierten Interventionen in Rheinfelden (1978) und in Laufenburg (1990) ebenso wenig zum Durchbruch wie den urbanistischen Entwürfen für Rotterdam, München und Berlin. War die Restrukturierung eines Häuserblocks an der Berliner Kochstrasse noch ganz im Geiste Aldo Rossis, so fand Reinhart beim Spandauer Bahnhof (1991) wie zuvor schon beim Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe zu zeichenhaften Darstellungen, die mitunter an die futuristischen Grossstadtbilder von Antonio Sant'Elia und Mario Chiattone gemahnen. In ihrer magischen Ausstrahlung veranschaulichen diese Visionen gleichsam die Quintessenz der Mitte der achtziger Jahre von Reinhart und Miroslav ik an der ETH Zürich erarbeiteten Entwurfsstrategie der «Analogen Architektur», die einige der besten Deutschschweizer Architekten der mittleren Generation ganz entschieden prägen sollte.

Parallel zur Lehrtätigkeit, die ihn später über Deutschland zurück in die italienischsprachige Welt führte, konnte Reinhart 1990 noch mit Reichlin das Mövenpick-Autobahnhotel bei Bellinzona realisieren, das die Burgen und Mauern der Stadt ebenso zitiert wie klassizistische Palazzi oder, mit einem Augenzwinkern, die bildhafte Ziegelbaukunst Mario Bottas. Eine gleichzeitig von Reinhart geplante Reihenhaussiedlung über dem Park von Antonio Crocis Villa Argentina, dem heutigen Verwaltungssitz der Architekturakademie Mendrisio, hätte ganz im Sinne von Crocis Bauwerk mit den Stilen der Vergangenheit gespielt. Doch diese Follies sollten wie so viele andere Projekte nicht über die betörenden Zeichnungen hinauskommen. Ihnen kann man derzeit in einer grossen Retrospektive begegnen, die – anlässlich von Reinharts 65. Geburtstag von der Architekturfakultät «Aldo Rossi» in Cesena zusammengestellt – letztes Jahr schon in Neapel, Ravenna und Cesena gezeigt wurde und nun in der Casa Cavalier Pellanda in Biasca zu sehen ist. Auch wenn das Ausstellungshaus etwas entlegen scheinen mag, könnte es nicht idealer sein, wurde dieses Juwel der Tessiner Spätrenaissance doch zwischen 1984 und 1987 von Reinhart und Reichlin mit viel Herzblut restauriert und zu einem Kulturzentrum umgebaut.

Metaphysische Innenräume

Im sonst nicht zugänglichen Annexbau der Casa Pellanda, in welchem sich der Aufgang zu den Verwaltungsräumen des Museums befindet, durfte Reinhart vom pyramidenförmigen Entrée bis hin zur rot gepolsterten Türe im Fifties-Stil seine innenarchitektonische Phantasie ausleben. Anlässlich der Ausstellung wurde dieses leicht surreal anmutende Treppenhaus zum Museumseingang umgewidmet und ist nun ein Hauptexponat der Schau. In den historischen Räumen werden dann alle wichtigen Bauten und Projekte präsentiert, die Reinhart anfangs mit Reichlin und später mit anderen Kollegen konzipierte. Neben Fotos und Modellen – darunter im stimmungsvollen Kellergewölbe eine grosse Maquette des Mövenpick-Hotels – dominieren phantastische, in dieser Qualität seit dem 19. Jahrhundert kaum je mehr angefertigte Pläne und Ansichten.

Viel Platz nimmt die Restaurierung der Casa Croci in Mendrisio ein. Der Eklektizismus dieses Meisterwerks entspricht Reinharts «analogem» Architekturwollen derart, dass man es für sein eigenes Werk halten könnte – zumal der Architekt sich im Innern einige dekorativ-metaphysische Spielereien erlaubt hat. Ähnliches gilt für das Opernhaus von Genua, das Reinhart zusammen mit seinen Mentoren Rossi und Ignazio Gardella gestalten durfte. Vorgestellt werden aber auch ganz neue Arbeiten – etwa die städtebaulichen Entwürfe für Vicenza und Siracusa sowie seine bisher letzte bauliche Realisation: eine poetische Villa hoch über dem Luganersee in Vernate (1999), die man als Hymne auf das Schreinerhandwerk bezeichnen möchte. Auch wenn Reinhart bis anhin nur wenige Werke ausführen konnte, schuf er doch ein eindrückliches architektonisches Universum. Diesem versucht sich der schön illustrierte Katalog mit einer Sammlung von Aufsätzen zu nähern, verzichtet dabei aber leider auf einen gültigen Überblick über die in fast vierzig Jahren entstandenen Bauten und Projekte. Umso wünschbarer wäre es deshalb, wenn das in Biasca vereinte Material seinen Weg auch in ein Deutschschweizer Museum finden könnte.

[ Bis 6. April in der Casa Cavalier Pellanda in Biasca (jeweils am Mittwoch-, Freitag-, Samstag- und Sonntagnachmittag). Katalog: Fabio Reinhart. Architettura della coerenza. Cooperativa libreria universitaria editrice, Bologna 2007. 223 S., Fr. 45.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2008.03.17

14. März 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur mit Glamour

Der Fotograf Julius Shulman in einer Lausanner Ausstellung

Der Fotograf Julius Shulman in einer Lausanner Ausstellung

Mit verführerischen Aufnahmen in Magazinen wie «Life» und «Time» machte Julius Shulman die modernistische Architektur im konservativen Amerika der Wirtschaftswunderjahre zum Stadtgespräch. Der 1910 in New York geborene Meister der Inszenierung hatte vergleichsweise spät zur Fotografie gefunden. Anfang der dreissiger Jahre begann er, vom Studium angeödet, mit einer Pocketkamera zu experimentieren und hielt zunächst auf winzigen Abzügen stählerne Brückenkonstruktionen und Wendeltreppen fest, die irgendwie an Bauhaus-Fotos erinnern. Doch 1936 veränderte eine Bildserie über Richard Neutras Kun House sein Leben: In ihr hielt er die Villa in den Hügeln von Los Angeles aus unkonventionellen Blickwinkeln fest, von denen einer das Gebäude wie nach einem Erdbeben zeigt. Das hatte nichts mehr mit den nüchternen Sujets der gängigen Architekturfotografie zu tun. Neutra zeigte sich ebenso begeistert wie sein Kollege Raphael Soriano, der ihn umgehend bat, das Haus der Pianistin Helen Lipetz in Silverlake aufzunehmen.

Häuser und Geschichten

Diese und andere frühe Aufnahmen für Neutra und Soriano, der das Atelierhaus des Fotografen bauen sollte, bilden die eigentliche Überraschung der Shulman-Schau, die derzeit in der Galerie «Archizoom» der ETH Lausanne zu sehen ist. Handelt es sich dabei doch um kaum bekannte Fotos aus einer 100 Abzüge umfassenden Schenkung des italoschweizerischen Architekten Alberto Sartoris an die Lausanner Hochschule. Die Aufnahmen, an welchen sich die Entwicklung von Shulmans Stil ablesen lässt, bilden eine ideale Ergänzung zur schönen Auswahl von 70 Highlights aus dem Schaffen des Amerikaners, die vor zwei Jahren bereits in Frankfurt gezeigt worden war.

Nach diesem fulminanten Start wartete Shulman bald schon mit ersten Meisterwerken wie der Nachtaufnahme des mit einem beleuchteten Korkenzieher-Turm bekrönten Academy Theatre in Hollywood auf, in denen sich Licht, Raum und Perspektive zu magischen Bildern verdichten. Kurz darauf begann er die Bauten mit Menschen und Gegenständen erzählerisch aufzuladen und damit auch für ein Laienpublikum attraktiv zu machen. So fotografierte er William E. Fosters «Shangri La»-Hotel in Santa Monica mit einem Rolls-Royce, aus dem eine junge Dame und ein älterer Herr steigen, oder mit Tennisspielern, die von einem jungen Pagen kühle Drinks entgegennehmen. Nach dem Krieg verlieh er dem ufoartigen Haus des Schweizer Architekten Albert Frey in Palm Springs mit einer Swimmingpool-Szene einen Hauch von Sinnlichkeit; und die legendären, als Prototypen für den Mittelstand gedachten Case Study Houses bevölkerte er mit seltsam isoliert wirkenden Paaren. Kein Wunder, dass der glamouröse Zusammenklang von spektakulären Bauten und perfekt gekleideten Modellen schliesslich die Modefotografie beeinflusste.
Verlust der Seele

Zur Ikone der Architekturfotografie des 20. Jahrhunderts aber wurde das gleichsam über dem Lichtermeer von Los Angeles schwebende Stahl House von Pierre Koenig, welches von der unergründlichen Atmosphäre der Bilder Edward Hoppers erfüllt zu sein scheint. Doch auch Oscar Niemeyers Brasilia oder Eladio Diestes Backsteingewölbe in Uruguay sah er mit den Augen eines Künstlers. Wie einzigartig Shulmans Blick auf eine durch Menschen, Tiere oder Objekte belebte Architektur einst war, machen die letzten Bilder der Lausanner Schau klar. Sie zeigen Frank Gehrys Disney Concert Hall in Los Angeles oder das Kindermuseum von Abraham Zabludovsky im mexikanischen Villahermosa, die der Meister vor drei Jahren zusammen mit Jürgen Nogai aufgenommen hat. Auch sie sind sicher komponiert und informativ – aber ohne Seele. Hier tritt der greise Shulman ganz offensichtlich in die Falle jener zeitgenössischen Architekturfotografie, die – im Wettstreit mit Renderings – immer mehr auf Hochglanzperfektion setzt.

[ Bis 4. April (täglich ausser sonntags) in der Galerie «Archizoom» der ETH Lausanne. Kataloge: Ein Leben für die Architektur. Der Fotograf Julius Shulman. Deutsches Architekturmuseum Frankfurt, 2005. 48 S., Fr. 24.–. – Julius Shulman dans les collections des Archives de la construction moderne. Hrsg. Archives de la construction moderne, Lausanne 2008. Fr. 20.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2008.03.14



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Shulman Julius



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All began just by chance. Julius Shulman.

11. März 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baumeisterliche Perfektion

Das neue Festspielhaus in Bregenz machte Helmut Dietrich und Much Untertrifaller zu Stars der österreichischen Architekturszene. Nun stellen die Vorarlberger ihr Werk in Meran erstmals zur Diskussion.

Das neue Festspielhaus in Bregenz machte Helmut Dietrich und Much Untertrifaller zu Stars der österreichischen Architekturszene. Nun stellen die Vorarlberger ihr Werk in Meran erstmals zur Diskussion.

Wenn James Bond demnächst von seinen Widersachern über die Bregenzer Seebühne gejagt wird, dürfte sich neben der Handlung vielen Zuschauern wohl auch die spektakuläre Szenerie einprägen. Doch mindestens so faszinierend wie das über dem Wasser sich auftürmende Bühnenbild ist das Festspielhaus selbst, das mit skulpturaler Präsenz aus einem urbanistischen Hinterhof einen Ort von grosser Ausstrahlung machte. Mit ihm besitzt Bregenz nach Peter Zumthors gläsernem Kunsthaus-Kubus ein weiteres baukünstlerisches Highlight, das im globalen, von einprägsamen Bildern lebenden Architekturwettstreit mithalten kann. Erstaunlicherweise handelt es sich bei diesem collageartig zusammengefügten Gebäude nicht um das reife Werk eines Architekten. Vielmehr ging es hervor aus einem frühen Wettbewerbsprojekt, das die beiden heute gut fünfzigjährigen Bregenzer Architekten Helmut Dietrich und Much Untertrifaller 1992 zusammen erarbeitet hatten. Im Hinblick auf die Realisierung des ersten Bauabschnitts gründeten sie 1994 ein gemeinsames Büro in Bregenz, mit dem sie in jüngster Zeit so erfolgreich waren, dass sie Niederlassungen in Wien und St. Gallen eröffnen konnten.

Vorarlberger Tradition

Neben dem Bregenzer Grossauftrag befassten sie sich – ganz den regionalen Gepflogenheiten entsprechend – zunächst vor allem mit Einfamilienhäusern, in denen sie die zeitgenössische Formensprache oft in Holz materialisierten und damit Eigenheiten der bis in die 1970er Jahre zurückreichenden neuen Vorarlberger Architektur weiterentwickelten. Das festigte ihren Ruf ebenso wie die Tatsache, dass sie aufmerksam auf die Vorstellungen der Bauherren eingehen und stets perfekt ausgeführte Arbeiten abliefern. Obwohl das Büro inzwischen mit Aufträgen überschüttet wird, finden Dietrich & Untertrifaller weiterhin Zeit, an Wettbewerben teilzunehmen. So vermochten sie sich 2004 mit ihrem Projekt einer neuen Hochschulsportanlage der ETH Zürich auf dem Hönggerberg gegen illustre Konkurrenten durchzusetzen. Wenig später konnten sie mit dem neuen Reka-Feriendorf in Urnäsch ihren ersten Grossauftrag in der Schweiz vollenden: eine kammartige Anlage, die sich entschieden vom alten, aus schönen Einzelhäusern bestehenden Dorfkern abhebt und beweist, dass die Bregenzer mitunter auch in schönen Landschaften harte Akzente zu setzen wagen.

Den bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere markierte der 2006 vollendete zweite Teil des Bregenzer Festspielhauses. Dieser antwortet dem älteren, von einem industriell anmutenden Schwebebalken dominierten Verwaltungsbau mit der geschliffenen Eleganz der Theaterfassade, die sich auf einen neuen Platz öffnet und dem Haus eine spannungsvolle Mehransichtigkeit verleiht. Im vergangenen Jahr konnten sie dann auch den Wienern, die sich der Provinz gegenüber gerne etwas hochnäsig geben, ihre Meisterschaft bewiesen: mit der Erweiterung der Wiener Stadthalle um ein schnittig polygonales Musiktheater, das sich bald dem Nachkriegs-Meisterwerk von Roland Rainer anzuschmiegen, bald ihm die Zähne zu zeigen scheint.

Spektakuläre Formen und baukünstlerische Innovationen um jeden Preis sind aber nicht die eigentlichen Anliegen von Dietrich & Untertrifaller. Viel lieber konzentrieren sie sich auf baumeisterliche Präzision und Detailsorgfalt, die sie dank den hohen handwerklichen Standards in Vorarlberg leicht verwirklichen können. Exemplarisch mag dafür die 2007 abgeschlossene Erweiterung des Angelika-Kauffmann-Museums in Schwarzenberg stehen, bei der beste Schreinerarbeit und Stahlbautechnik zusammenfinden. War für diesen Umbau der Scheune eines ehemaligen Bauernhauses zum stimmungsvollen Ausstellungsraum das Zwiegespräch mit der Baukultur des Bregenzerwaldes entscheidend, so holen die ganz in der Tradition der alemannischen Streusiedlungen präzis am sonnigen Hang oder in aussichtsreicher Höhe placierten Villen ihre Kraft aus dem Dialog mit dem Ort und der Topografie. Aber auch den Umgang mit schwierigen städtischen Situationen beherrschen Dietrich & Untertrifaller: In Bregenz setzten sie die urbanistische Körnung der von Bahntrassee und Strasse bedrängten seeseitigen Vorstadt überzeugend fort mit einem Büroturm und drei über einem verglasten Sockel liegenden Wohnbauten, von deren Balkonen man einen Traumblick über Österreichs Riviera hat.

Analyse und Interpretation

Nun stellen Dietrich & Untertrifaller ihr baukünstlerisches Schaffen in einer sachlichen Schau im Ausstellungshaus «Kunst Meran» zur Diskussion. Diese Meraner Institution widmet sich seit Jahren nicht nur der zeitgenössischen Kunst, sondern auch der Architektur und ist damit zu einem wichtigen Forum für Baukunst im Alpenraum geworden. Die Ausstellung vermittelt einen Überblick über 14 wichtige Projekte sowie kleine Bauten, die das Büro seit Mitte der neunziger Jahre realisiert hat. Thematisch nach Kulturbauten, Schulen, Geschäftshäusern sowie Wohnanlagen gegliedert, nähert sich die Präsentation dem Werk von Dietrich & Untertrifaller mittels eines Bilderreigens des Vorarlberger Architekturfotografen Bruno Klomfar, der sich im dritten Stock zu einer Hymne an das Einfamilienhaus steigert. Vertieft wird diese bildhafte Vergegenwärtigung der gebauten Werke mit Modellen, aber auch mit Plänen, die auf kleinen Tischen aufgezogen sind. Diese minimalistischen, aus immer wieder anderem Holz oder Metall gefertigten Möbel verwandeln die Ausstellungsräume in eine einheitliche Installation, die zeigt, dass es nicht grosse Erfindungen sind, mit denen die beiden Vorarlberger brillieren. Das Geheimnis ihres Könnens liegt eher in der bedächtigen Analyse und der pragmatischen Uminterpretation internationaler Trends. Aus dieser Strategie resultieren jedoch keine epigonenhaften Arbeiten, sondern Bauten, die stets eine Bereicherung des Ortes darstellen – oder aber diesen ganz neu definieren.

[ Bis 30. März im Ausstellungszentrum Kunst Meran. Begleitpublikation: Dietrich & Untertrifaller. Bauten und Projekte seit 2000. Hrsg. Walter Zschokke. Springer-Verlag, Wien 2008. 307 S., Fr. 81.50 (€ 49.95 in der Ausstellung). ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2008.03.11

08. März 2008Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur als Grundlagenforschung

Claude Parent, der vor wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag feiern konnte, gehört zu jener Avantgarde, die in der Spätmoderne mit utopischen Projekten die Beziehung von Architektur, Stadt und Landschaft grundsätzlich und polemisch reflektierte. Neben seiner praktischen Tätigkeit formulierte er, gemeinsam mit dem Philosophen Paul Virilio, eine Stadt- und Raumtheorie, die im Licht der jüngsten Vergangenheit besehen wieder an Aktualität gewonnen hat.

Claude Parent, der vor wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag feiern konnte, gehört zu jener Avantgarde, die in der Spätmoderne mit utopischen Projekten die Beziehung von Architektur, Stadt und Landschaft grundsätzlich und polemisch reflektierte. Neben seiner praktischen Tätigkeit formulierte er, gemeinsam mit dem Philosophen Paul Virilio, eine Stadt- und Raumtheorie, die im Licht der jüngsten Vergangenheit besehen wieder an Aktualität gewonnen hat.

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20. Dezember 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bautechnische Höhenflüge

Mit dem 1977 vollendeten Centre Pompidou wurden Renzo Piano und Richard Rogers zu gefeierten Stars. Nun widmet das Pariser Museum dem britischen Architekten eine fulminante Retrospektive.

Mit dem 1977 vollendeten Centre Pompidou wurden Renzo Piano und Richard Rogers zu gefeierten Stars. Nun widmet das Pariser Museum dem britischen Architekten eine fulminante Retrospektive.

Kaum sonstwo gibt sich Paris derzeit so festlich wie beim Centre Pompidou. In der ebenerdigen Südgalerie des technoiden Musentempels werden zahllose Lichter von pink, gelb und blau lackierten Tischen reflektiert, auf denen architektonische Modelle leuchten. Sie verwandeln den grossen Saal in ein Spielzeugparadies, das die Passanten magisch anzieht und sie zum architektonischen Window Shopping verlockt. Das Prinzip der Offenheit, das Renzo Piano und Richard Rogers in ihrer 1977 vollendeten Museumsmaschine anstrebten, überzeugte selten mehr als bei dieser Ausstellung, welche die Pariser Institution in ihrem Jubeljahr einem ihrer beiden Architekten, Richard Rogers, ausrichtet. Der 1933 in Florenz geborene Londoner Baukünstler nutzte die ihm gebotene Gelegenheit zur Selbstdarstellung und inszenierte eine fulminante Schau, in die das Publikum in Massen strömt.

Architektur in der Vitrine

Seit der Gründung seines eigenen Büros vor nunmehr 30 Jahren hat Rogers zusammen mit seinem basisdemokratisch organisierten Team rund 400 Projekte erarbeitet, von denen viele realisiert wurden. Darunter befinden sich Ikonen wie das Lloyd's Building in London oder der Gerichtspalast von Bordeaux, aber auch umstrittene Bauwerke wie der zeltartige Millennium Dome – dessen Teflongewebe im Film «The Earth is not enough» immerhin James Bonds Sturz aus grosser Höhe abzufedern vermochte. Ebenso sehr wie über diese populäre Szene dürfte sich Rogers über den Pritzker-Preis gefreut haben, der ihm heuer für seine wegweisenden Bauten, aber auch für seinen Kampf gegen den städtebaulichen Niedergang verliehen wurde. Die Idee von der Stadt als baukünstlerisch durchdachtem Konstrukt liegt auch seiner Ausstellung zugrunde. Die vieleckigen Tische, auf denen gut 45 Projekte präsentiert werden, gleichen Häuserblocks, die sich zu den Quartieren einer Stadt verdichten. Sieben dieser Stadtviertel sind mit «Öffentlicher Raum», «Lesbarkeit», «Transparenz», «Urbanismus», «Umweltverträglichkeit», «Leichtigkeit» und «Systembau» bezeichnet. Am Eingang zur Schau verweist zudem ein isolierter Häuserblock auf Rogers' Frühwerk, während in der diagonal gegenüberliegenden Ecke in einem weiteren Quartier die im Bau befindlichen Werke zelebriert werden.

Der jedem Hierarchiedenken abholden Weltsicht des Meisters entsprechend können sich die Besucher frei auf den durch die Schau führenden Strassen bewegen und ganz individuell dem Œuvre nähern. Wer Halt in dieser flirrenden Ausstellungsstadt sucht, wird sich der riesigen Collage zuwenden, die auf der Rückwand des dreiseitig verglasten Saales eine chronologische Werkübersicht vermittelt – von den frühen Arbeiten, die Rogers zwischen 1963 und 1967 zusammen mit Norman Foster im Team 4 schuf bis hin zum Leadendall-Hochhaus in der Londoner City, das bald schon Renzo Pianos formal, aber nicht strukturell verwandter «Glasscherbe» antworten wird, die südlich der Themse entstehen soll.

Am Anfang des Modellreigens im Centre Pompidou steht jedoch das Zip-Up-Haus, das Rogers und seine damalige Frau Su Brumwell 1969 als Prototyp entwickelten. Die gelbe Hülle, die Bullaugen und die Metallstelzen machen es zu einem Vorläufer von High-Tech und Ökoarchitektur. Indem die energiesparende modulare Konstruktion des Zip-Up-Hauses auf Vorbilder wie Buckminster Fuller, Charles Eames und Jean Prouvé verweist, bietet sie den Schlüssel zu Rogers' späterem Schaffen. Es war denn auch Prouvé, der sich als Jurymitglied des Centre-Pompidou-Wettbewerbs für das Projekt von Rogers und Piano starkmachte. Neben dem bautechnischen Höhenflug wurde die soziale Dimension zum zentralen Thema ihrer ganz im Sinn von Archigram als radikales architektonisches Manifest konzipierten Kulturmaschine. Eine genauso wichtige Rolle wie der von aussen lesbaren Konstruktion kam deshalb der ins Häuserdickicht von Paris geschlagenen Piazza zu, die sich durch die Glasfassade hindurch ins Museumsforum weitet und dank den Rolltreppen-Kaskaden auch vertikal über das Gebäude ausbreitet.

Ausgehend von der faszinierenden Dokumentation des Centre Pompidou, die einen zum Erkunden des gebauten Originals animiert, sind unterschiedliche Promenaden durch die Ausstellung möglich. Nach wenigen Schritten begegnet man unter dem Stichwort «Lesbarkeit» den Maquetten des Londoner Lloyd's Building, das Rogers nach der Vollendung des Pariser Jahrhundertwerks zwischen 1978 und 1982 als ersten Grossauftrag in eigener Regie verwirklichte. Die schon im Centre Pompidou angedeutete Trennung von dienenden und bedienten Bauteilen wird hier – im Dialog mit Louis Kahns Laborgebäude in Philadelphia – perfektioniert. Aber auch eine Begeisterung für die Transparenz von Pierre Chareaus Glashaus oder für die organischen Strukturen der japanischen Metabolisten ist zu spüren. Obwohl Rogers im Glasgewölbe, das den Lichthof überspannt, sogar Joseph Paxtons Londoner Kristallpalast zitierte, zog er mit dem Lloyd's-Neubau, dem eigenwilligsten und besten Gebäude, welches in den vergangenen Jahrzehnten in Londons City entstanden ist, den Zorn von Prinz Charles auf sich. Dabei träumen beide von einer lebenswerten Stadt. Allerdings verbindet der königliche Architekturkritiker diese mit einem harmonischen, historisch intakten Erscheinungsbild, während es dem 1996 zum Lord of Riverside geadelten Baukünstler um den lebendigen, unkommerziell gestalteten öffentlichen Raum geht. Davon künden seine urbanistischen Projekte – allen voran die 1986 ausgearbeitete Vision von «London as it could be», in der Rogers die Ufer der Themse in eine pulsierende Flaniermeile verwandeln und den Fluss durch futuristische, zwischen Skulptur und Raffinerie oszillierende Bauten beleben wollte.

Gebaute Widersprüche

Die aus dem Lloyd's Building gewonnenen Erkenntnisse beeinflussten den 1994 eröffneten neuen Sitz des Senders Channel 4, der sein Innenleben dank den übereinander gestapelten, an Fernsehapparate erinnernden Boxen der Sitzungszimmer und der strukturell verglasten, über mehrere Galerien sich öffnenden Lobby gleichsam nach aussen stülpt. Ähnlich transparent gibt sich der Justizpalast von Bordeaux (1998), ein gläserner Schrein, der sieben hölzerne, an konische Fässer gemahnende Gerichtssäle umhüllt. Diese Architektur zeugt ebenso wie das vor anderthalb Jahren vollendete walisische Parlamentsgebäude in Cardiff von Rogers' Interesse am umweltbewussten Bauen. Den hier aufgestellten Standards vermag dann aber der neue Terminal des Barajas-Flughafens in Madrid (1996–2005), der in der Ausstellung den Systembau veranschaulicht, trotz natürlicher Belüftung und Sammlung des Oberflächenwassers kaum zu genügen.

Konsequenter durchgeformt ist dagegen der gleichfalls 1996 entworfene, aber schon 1999 vollendete Millennium Dome. Seine Leichtbauweise weist zurück auf das 1990 an einem Meccano-Modell entwickelte Projekt des kleinen, kranförmigen Tomigaya-Ausstellungsturms in Tokio. Doch ausgerechnet diese wichtige Miniatur konnte Rogers, dem sonst in Japan das Glück lacht, nicht realisieren. Auch auf ästhetischem Gebiet reüssierte Rogers nicht immer, wie der Europäische Gerichtshof in Strassburg oder die Bauten am Potsdamer Platz in Berlin beweisen. Formal geschliffener, architektonisch jedoch brüchiger als die früheren Arbeiten sind Rogers' neuste, meist von seinen Büropartnern betreute Projekte: vom überinstrumentierten Umbau der neo-maurischen Stierkampfarena von Barcelona in ein Shoppingcenter bis hin zu den Londoner Luxushäusern. Die Pariser Schau demonstriert aber eindrücklich, dass all diese Schwächen die Bedeutung des Gesamtwerks nicht trüben können.

[ Bis 3. März 2008 im Centre Pompidou in Paris. Katalog: Richard Rogers + Architectes. Hrsg. Oliver Cinqualbre. Editions Centre Pompidou, Paris 2007. 240 S., € 39.90. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2007.12.20

05. Dezember 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Magie der Modelle

Santiago Calatravas Sportstadien im Musée Olympique in Lausanne

Santiago Calatravas Sportstadien im Musée Olympique in Lausanne

Man mag von Santiago Calatravas Bauten halten, was man will. Eines ist ihnen nicht abzusprechen: die ikonenhafte Erscheinung, mit der sie vielerorts Zeichen setzen – vom Bahnhof bis zum Opernhaus. Seit den Olympischen Spielen in Athen befinden sich auch Stadien darunter. Der schönste von Calatravas meist unrealisiert gebliebenen Sporttempeln hätte in Zürich entstehen können. Doch leider vermochte sich die Jury vor fünf Jahren für sein Projekt eines neuen Hardturmstadions nicht wirklich zu erwärmen. So wird denn der stilisierte Riesenfisch mit der fast hundert Meter hohen Schwanzflosse nie durch das Zürcher Häusermeer schwimmen, obwohl er aufgrund seiner die Grösse relativierenden und den Schattenwurf minimierenden Stromlinienform bei den Anwohnern bestimmt mehr Anklang gefunden hätte als die selbstbewusste Fussballburg von Marcel Meili und Markus Peter.

Calatravas Hardturm-Entwurf fasziniert jedoch nicht nur wegen der zoomorphen Form, sondern auch wegen der ausgeklügelten Dachkonstruktion. Vorarbeiten zu diesem architektonischen Balanceakt finden sich schon in den achtziger Jahren in den ebenfalls gescheiterten Entwürfen einer Squashhalle in Berlin und des Genfer Sportzentrums «Pré Babel». Solche Fingerübungen aber führten den in Zürich tätigen Spanier zum filigranen Dach der 1995 konzipierten Fussballarena von Marseille. Im Jahr darauf verfeinerte er diese netzartige Struktur im Wettbewerb für ein Olympiastadion in Stockholm zu einer von Himmelsharfen getragenen Überdachung, die er in einem ovalen, auf die Stierkampfarenen seiner Heimat verweisenden Baukörper erden wollte. Seine Stadionträume konnte Calatrava dann endlich zwischen 2001 und 2004 im eleganten, aus Arena, Velodrom und Agora bestehenden Athener Olympiazentrum verwirklichen. Damit gelang ihm ein Gesamtkunstwerk, das erstmals seit der legendären Münchner Zeltkonstruktion von Günter Behnisch und Frei Otto wieder einem olympischen Austragungsort ein architektonisches Gesicht verlieh. Gleichwohl wirken die Einzelbauten heute – verglichen mit dem brachial anmutenden Vogelnest des Pekinger Stadions von Herzog & de Meuron – etwas parfümiert.

Nun steht die Athener Anlage im Mittelpunkt einer Calatravas Sportbauten gewidmeten Ausstellung im Musée Olympique in Lausanne, die wortkarg elf ebenso prachtvolle wie beeindruckende Modelle sowie einige Grossfotos vereint. Calatravas ersten Olympia-Auftrag, bei dem es sich allerdings nicht um ein Stadion, sondern um den skulpturalen, mit seinen 136 Metern Höhe weithin sichtbaren Telekommunikationsturm auf dem Olympiagelände von 1992 in Barcelona handelte, klammert die Schau zu Recht als gattungsfremd aus. Dennoch würde sich dieser pendelartige Himmelstürmer wohl gern mit Calatravas neusten Gleichgewichtsübungen messen – etwa dem aus kubischen Doppelaggregaten zusammengefügten Universitätsgebäude mit angedockter Sporthalle, das in Maastricht Realität werden soll. Scheint dieses wie ein libellenartiges Raumschiff über einer spiegelnden Wasserfläche zu schweben, so erinnert die vor zwei Jahren entworfene Schwimmhalle der Universität Tor Vergata in Rom mit ihren plissierten Dächern bald an einen räumlich verdrehten Fächer, einen Lampion oder eine exotische Blüte. All dieser Formenzauber verdichtet sich zur Erkenntnis, dass stumme Modelle selten eine grössere Eloquenz entfaltet haben als in dieser Calatrava-Schau.

[ Bis 6. Januar im Musée Olympique in Lausanne. Kein Katalog. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2007.12.05

31. Oktober 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wellensofas für Science-Fiction-Städte

Die Architekturgalerie der ETH Lausanne hat sich neu erfunden. Wo bisher bunt gemixte Präsentationen – von romantischer Gartenkunst bis hin zu Bauten trendiger...

Die Architekturgalerie der ETH Lausanne hat sich neu erfunden. Wo bisher bunt gemixte Präsentationen – von romantischer Gartenkunst bis hin zu Bauten trendiger...

Die Architekturgalerie der ETH Lausanne hat sich neu erfunden. Wo bisher bunt gemixte Präsentationen – von romantischer Gartenkunst bis hin zu Bauten trendiger Jungarchitekten – zu sehen waren, sollen künftig in zwei jährlichen Ausstellungen die Wechselwirkungen zwischen Architektur, Konstruktion, Urbanismus und Design thematisiert und mit Vorträgen vertieft werden. Dieses Forum heisst neu Archizoom. Der Name erinnert an eine innovative, aber kurzlebige Architektengruppe in Florenz, der nun auch die Eröffnungsschau gewidmet ist. Zwischen 1966 und 1974 arbeiteten unter der Gruppenbezeichnung Archizoom Associati mehrere junge Florentiner zusammen, welche die Architektur mit revolutionären Ideen und künstlerischen Strategien zu erneuern suchten. Dabei schufen sie – angeregt durch ihr Londoner Vorbild Archigram – marxistisch angehauchte Visionen und gesellschaftskritische Projekte von grosser Suggestivkraft.

Auftakt zur ebenso zeitgeistigen wie baukünstlerisch interessanten Ausstellung machen die von metabolistischen Strukturen und Louis Kahns Betonburgen inspirierten Diplomarbeiten von Andrea Branzi, Gilberto Corretti und Paolo Deganello, die 1966 Archizoom gründeten. Ihre Begeisterung für die Pop-Art lebten die Rebellen vor allem im Design aus und schufen Ikonen wie das wellenförmige Kunststoff-Sofa «Superonda». In den antifunktionalistischen «Dream Beds» von 1967 vermischten sie «afro-tirolischen Kitsch» mit postmodernen Formen und nahmen so Themen von Alchimia und Memphis vorweg.

Obwohl die Mitglieder von Archizoom als Verfechter einer «radikalen Architektur» die Theorie stets höher werteten als die Praxis, hielt sie das nicht davon ab, bourgeoise Bauten wie das von Adolf Loos und der traditionellen Architektur beeinflusste Ferienhaus Benini bei Grosseto oder die terrassenförmig abgetreppte Villa Vivoli in Fiesole zu bauen. Nicht einmal vor klerikalen Aufträgen wie der Kirche San Cristofano in Florenz schreckten die selbsternannten Revoluzzer zurück.

Der von Archizoom im Zusammenhang mit dem Städtebau propagierte «Diskurs in Bildern», der sich bald auf monströse Megastrukturen, bald auf fragmentierte Stadtansichten abstützte, prägt auch die mit rund 130 Zeichnungen und Fotomontagen aufwartende Lausanner Ausstellung. Sie zeigt ausserdem Originalmöbel wie den als Mies-van-der-Rohe-Kritik verstandenen «Pekino»-Sessel oder das «Superonda»-Sofa. Das Modell ihres Flughafenprojekts für Genua von 1970 kündet von städtebaulichen Ambitionen, die im Guckkasten-Objekt «No-Stop City» zum Gesamtkunstwerk stilisiert werden. Eine Vielzahl dekorativer Pläne dokumentieren diese Stadt der Zukunft, für deren Bewohner die Architekten sogar Overalls und Kimonos kreierten. Mit dem von einem informativen Katalog begleiteten Neustart ist der Architekturgalerie ein Coup gelungen. Denn das bisher nur ausschnittweise bekannte Œuvre von Archizoom, das sich auf Rem Koolhaas' «Delirious New York» ebenso auswirkte wie auf Bernard Tschumis Parc de la Villette in Paris, ist mehr als eine Marginalie der Architekturgeschichte – und es gewinnt durch die heutige Retromode in der Architektur neue Aktualität.

[ Bis 30. November in der Architekturgalerie der ETH Lausanne. Katalog: Roberto Gargiani: Archizoom Associati. 1966–1974. De la vague pop à la surface neutre. Electa Mondadori, Mailand 2007. 335 S., Fr. 81.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2007.10.31

25. Oktober 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus als städtebaulicher Kosmos

Der 1933 geborene portugiesische Träger des Pritzker-Preises, Alvaro Siza, versucht seit je nach ethischen Gesichtspunkten zu bauen. Eine intelligent gewichtete Ausstellung in Mendrisio beleuchtet sein Schaffen neu.

Der 1933 geborene portugiesische Träger des Pritzker-Preises, Alvaro Siza, versucht seit je nach ethischen Gesichtspunkten zu bauen. Eine intelligent gewichtete Ausstellung in Mendrisio beleuchtet sein Schaffen neu.

Weit über die Fachkreise hinaus bekannt wurde Alvaro Siza 1983 mit seinem umstrittenen Beitrag zur Internationalen Bauausstellung (IBA) in Berlin – einem abgerundeten Eckhaus mit strenger Lochfassade, auf der bald in grossen Lettern «Bonjour tristesse» zu lesen war. Doch schon zwanzig Jahre zuvor hatte sich der 1933 in Portos Hafenvorstadt Matosinhos geborene Architekt mit dem von seinem Lehrer Fernando Távora und Frank Lloyd Wright beeinflussten Teehaus Boa Vista und der als archaisch-brutalistische Terrassenlandschaft am Meer konzipierten Poolanlage in Leça de Palmeira für eine regionalistisch verankerte Baukunst starkgemacht. In seinem sensiblen, von der Moderne ausgehenden Dialog mit den örtlichen Gegebenheiten, seinem Interesse an Haus und Stadt sowie seinem architektonischen Ethos war Siza damals am ehesten mit Luigi Snozzi vergleichbar. Während es dem Tessiner aber bis heute nicht vergönnt war, seine urbanistischen Visionen zu verwirklichen, öffneten sich Siza in der Heimat schnell alle Türen. Kurz nach der Nelkenrevolution erhielt der damals 41-jährige Architekt die Möglichkeit, mit der SAAL-Sozialsiedlung Bouça in Porto ein Vorzeigequartier zu gestalten, dessen Reihenhauszeilen zusammen mit den davorgesetzten Einzelbauten intime Gassenräume aufspannen und damit eine dörfliche Situation wachsen liessen.

Wenig bekannte Bauwerke

Zwei Dekaden später gab ihm Porto mit dem Bau der Architekturfakultät erneut Gelegenheit, eine Summe seiner baukünstlerischen Recherche zu präsentieren. Siza entwarf die an einem Steilhang hoch über dem Douro gelegene Hochschule als eine aus mehreren kleinen Turmbauten bestehende Miniaturstadt, in der die Aussenräume sich zu einem beziehungsreichen Kontinuum vernetzen. Dieses Juwel der europäischen Baukunst der 1990er Jahre sucht man leider in der Siza-Retrospektive, die derzeit in der Galerie der Architekturakademie Mendrisio zu sehen ist, ebenso vergeblich wie das Kunstmuseum von Santiago de Compostela, die Universitätsbibliothek von Aveiro oder das wiederaufgebaute Lissabonner Chiado-Viertel. Gleichwohl darf die Schau, die – wohl unbeabsichtigt – erstmals das Auf und Ab von Sizas Karriere verdeutlicht, als gültige Übersicht bezeichnet werden. Denn der Kurator Carlos Castanheira analysiert das Werk anhand von gezielt ausgewählten, oft wenig bekannten Werken. So spiegelt sich beispielsweise die Architekturfakultät von Porto in einer luxuriösen, unlängst vollendeten Ferienvilla in Mallorca. Diese demonstriert ebenso wie der 2007 über einem geborstenen Grundriss errichtete Holzbungalow in Sintra, bei dem jedem Zimmer ein eigener Bauteil zugeordnet ist, dass der Pritzkerpreisträger von 1992 das Haus stets als städtebaulichen Kosmos im Kleinen versteht.

Der Einzelbau bildete seit je das Zentrum von Sizas architektonischen und urbanistischen Studien. Die Casa Júlio Gesta, die statt des bekannteren Teehauses am Anfang der Schau auf Sizas moderne und mediterrane Wurzeln hinweist, konzipierte er 1961 als römisch inspiriertes Atriumhaus mit rückseitigem Peristylgarten, Dieses wirkte weiter auf den befremdend monumentalen portugiesischen Pavillon der Expo 98 in Lissabon mit seinem riesigen, zwischen Pfeilerportikus und Hauptgebäude eingehängten Baldachin. Bescheidener geben sich die 1984 fertig gestellte Casa Avelino Duarte in Ovar und der kubisch-abstrakte Tempel Santa Maria, der seit zehn Jahren einen blendend weissen Akzent in die chaotische Stadtlandschaft von Marco di Canaveses setzt. Gehorcht das äussere Erscheinungsbild von Haus und Kirche einer an Adolf Loos geschulten Kompositionsweise, so lassen die fliessenden Wände und der Oberlichtgaden im Inneren des Heiligtums an Bauten von Sizas Namensvetter Alvar Aalto denken. Der Widerspruch zwischen Aussenform und Innenraum zeigt sich auch beim Serralves-Museum in Porto, das wie ein Privathaus angelegt ist. Die Ausstellungssäle mit den wie umgekehrte Tische an den Decken klebenden Oberlichtblenden, die das Licht in all seinen Schattierungen zur Geltung bringen, warten dann aber mit einer überraschenden Grosszügigkeit auf.

Organische Einflüsse

Auch Sizas jüngsten Dialog mit modischen Bauformen stellt die Schau zur Diskussion. Die Fundação Iberê Camargo in Porto Alegre, an welcher der Meister seit 1998 plant und baut und die – typisch für die oft langsame Genese seiner Werke – schon vor der Eröffnung Patina ansetzte, flirtet mit dem Organischen: Aus der gewellten Hauptfassade wachsen Därmen gleich stumpfwinklig geknickte Rampen, die der internen Erschliessung dienen. Die Quintessenz von Sizas biomorph angehauchter Planungsstrategie stellt jedoch der jüngst mit ostasiatischem Tempo realisierte Kunstpavillon im südkoreanischen Anyang dar. Ein komplexer Baukörper wird hier von einem amöbenartig weichen Dach überfangen, so dass trotz der Kleinheit der Anlage die unterschiedlichsten Ansichten entstehen. Intimität und Grösse, Poesie und materielle Zurückhaltung prägen auch das Weingut im portugiesischen Campo Maior. Doch lagert es mit seinem schachtelartigen Volumen und den abgewinkelten Vordächern ruhig in der Landschaft und erinnert eher an Sizas Werk der neunziger Jahre. Manifestiert sich hier die Hand des Könners, so weist der Entwurf des 40-stöckigen «New Orleans»-Hochhauses in Rotterdam eine einfältige Art-déco-Bekrönung auf. Selbst von den Skizzen dieser misslungenen Arbeit aber geht etwas Magisches aus. Schade nur, dass sie – anders als die schönen Modelle – einmal mehr nicht im Original gezeigt werden.

[ Bis 25. November. Begleitpublikation: Alvaro Siza. Twenty two recent projects. Hrsg. Carlos Castanheira. Casa d'arquitectura Edições. Vila Nova de Gaia, 2007. 398 S., Fr. 80.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2007.10.25

20. Oktober 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gezähmter Wirbelsturm

Exzentrische Architektur spielt im Marketingkonzept der Autoindustrie eine wichtige Rolle. Das beweist einmal mehr das neueröffnete Wolkenhaus der BMW-Welt von Coop Himmelb(l)au in München.

Exzentrische Architektur spielt im Marketingkonzept der Autoindustrie eine wichtige Rolle. Das beweist einmal mehr das neueröffnete Wolkenhaus der BMW-Welt von Coop Himmelb(l)au in München.

Mit Architektur lässt sich Aufsehen erregen. Das haben auch Deutschlands Autohersteller erkannt. Im Jahre 2000 eröffnete VW in Wolfsburg eine «Autostadt» und zwei Jahre später die «Gläserne Phaeton-Fabrik» in Dresden, dieweil Audi sich ein Automuseum in Ingolstadt errichten liess. Im vergangenen Jahr sorgte dann Mercedes mit dem von Ben van Berkel aus einer Doppelhelix entwickelten Stuttgarter Museum für Begeisterung, nachdem zuvor bereits Zaha Hadids bildkräftigem «Zentrumsgebäude» der neuen BMW-Produktionswerkstätten in Leipzig zugejubelt worden war. Die Münchner Fahrzeugbauer hatten die Wirkungsmacht der Baukunst jedoch früher schon entdeckt und sich 1973 vom Wiener Architekten Karl Schwanzer am Petuelring den Vierzylinder genannten BMW-Verwaltungsturm und ein pokalförmiges Firmenmuseum in Sichtweite der Olympiastadien errichten lassen.

Dekonstruktivistischer Blob

Als es nun darum ging, zwischen diesen Münchner Wahrzeichen auf einem 180 Meter langen, dreieckigen Grundstück ein Verkaufszentrum für BMW zu planen, versuchten sich die Wettbewerbsteilnehmer mit exzentrischen Gesten zu überbieten. Den Sieg trugen die Wiener Altrevoluzzer von Coop Himmelb(l)au mit einer grauen «Wolke» aus Stahl und Glas davon. Das Projekt sah im Entwurf phänomenal aus. Doch die architektonische Umsetzung der computergenerierten Vision verlangte konstruktive Zugeständnisse, so dass statt eines schwebenden Luftgebildes ein Bauwerk entstand, das neben der wogenden Zeltlandschaft der vor 35 Jahren eingeweihten Stadien fast etwas altbacken aussieht. Steht dieses doch den Formenträumen von heute näher als der dekonstruktivistische Blob der BMW-Welt.

Es ist die Tragik dieses Wiener Büros, dass es sich nach den frechen, künstlerisch inspirierten Anfängen der siebziger Jahre ganz auf wolkenartige Lebensräume eingeschworen hat, die es seit dem Dachausbau an der Wiener Falkstrasse (1988) stur in Architektur umzusetzen sucht. In einem unrealisierten Genfer Projekt von 1995 hätte die Gebäudehülle weicher werden sollen, doch dann nahm im Splitterwerk des Dresdner Ufa-Kinos der Dekonstruktivismus erneut überhand. Mit dieser eingängigen Formensprache sicherten sie sich bald schon prestigeträchtige Aufträge für das Musée des Confluences in Lyon, die Europäische Zentralbank in Frankfurt oder das jüngst eröffnete Akron Museum of Art. Wenn sich Wolf Prix, der 65-jährige Vordenker von Coop Himmelb(l)au, nun beim Wolkenbau im modischen Spiel mit dem Organischen übt, kommt ihm der Hang zum Chaos weiterhin ebenso in die Quere wie die barocke Lust am Theatralischen, von dem die über dem Bielersee tanzenden Expo-Türme einst kündeten. Wie diese wohl stimmungsvollste Arbeit des Wiener Büros ist die BMW-Welt eine zwischen Skulptur und Bühnenbild oszillierende Ereignisarchitektur, die sich bestens eignet für die effektvolle Präsentation und Vermarktung von Produkten.

Um das riesige Bauvolumen in den Griff zu kriegen, entschied sich Prix – wie einst Rem Koolhaas beim Congrexpo in Lille – für eine fliessende Grossform. Dieser verlieh er an der unmittelbar gegenüber dem BMW-Museum gelegenen Südostecke einen Akzent durch einen mit Glas und Lochblech verkleideten, zu einer Windhose dynamisierten Doppelkegel. Aus diesem trichterförmigen Wirbel heraus scheint das Dach einer Wolke gleich aufzusteigen, um – wie vom Föhnwind nach Norden geblasen und dramatisch aufgerissen – über dem Gebäude zu wabbern. Nur schade, dass das Bild der Wolke durch die Schwere der stählernen Konstruktion gestört wird. Verglichen mit Le Corbusiers kissenartigem Betonabschluss der Kapelle von Ronchamp mutet Prix' ähnlich konzipierte Überdachung denn auch ungelenk, ja hilflos an und macht dabei klar, dass die von ihm gewählte Stahlkonstruktion sich schlecht für organische Blob-Formen eignet. Da interessiert es den Betrachter kaum, dass das Dach dank einem ingenieurtechnischen Kraftakt nur vom Doppelkegel und von elf nackten, verkleideten oder umbauten Betonstützen getragen wird. Hingegen fragt er sich, warum die durch Annexbauten unterbrochene Glashülle auf halber Höhe einknickt und so mit dekonstruktivistischer Härte nicht nur der biomorphen Grundidee widerspricht, sondern dem massiven Wolkendach noch zusätzlich etwas Lastendes verleiht.

Im Bauch des Wals

Das alles macht diese Architektur, die vom benachbarten Fernsehturm herab betrachtet einer futuristischen Amöbe gleicht, aus der Nähe nicht verständlicher. So meint man, von der U-Bahn-Station Olympiazentrum herkommend, vor einem wie von Riesenhand zerquetschten Bürohaus zu stehen. Dissonante architektonische Motive – von dem wie ein Schiffsheck auskragenden Stahlkörper über seltsam angedockte Kuben bis hin zu Glaskaskaden – erschweren die Orientierung. Zunächst scheint es, die auffällige Brücke, die das Museum über die Strasse hin mit der BMW-Welt verbindet, führe in den Neubau. Erst später entdeckt man neben dem allmählich in Erscheinung tretenden Wirbel des Doppelkegels den Eingang. Dahinter weitet sich ein unterkühltes Raumkontinuum, dessen Treppen, Passerellen und Podien das Vokabular des Dresdner Ufa-Kinos ins Gigantische steigern und gleichzeitig an Piranesis Carceri gemahnen wollen.

Das dominierende Element des Innenraums, der sich in seiner architektonischen Anmutung irgendwo zwischen Flughafenterminal, Automesse und Shoppingcenter bewegt, ist das sich bald aufwölbende, dann wieder hinabsinkende Dach. Es schafft viel Raum, so dass man gerne an den ausgestellten Autos, den BMW-Boutiquen und Cafés vorbeiflaniert und zwischendurch hinaufblickt zum luxuriösen Restaurant, das durch den Walfischbauch hindurch in den Himmel vorzustossen sucht, oder zum Premiere genannten, von einer Spiralrampe umgebenen Plateau, auf dem jährlich rund 45 000 Autonarren der Geburt ihres Fahrzeugs beiwohnen werden. – Auch wenn das Silbergrau der metallenen Wandverkleidung die Besucher auf Schritt und Tritt daran erinnern will, dass hier «alles hundertprozentig BMW» ist, steht doch die grobe Detailverarbeitung in grösstem Gegensatz zu den wie aus einem Guss geformten Karosserien. Da kann die Architektur vom Autobau noch einiges lernen.

Aber nicht nur als Lehrstück für Baukünstler ist dieses Haus interessant. Auch neugierige Touristen, die zu den Olympiastadien pilgern, kommen in dieser kommerziellen Erlebniswelt auf ihre Rechnung – nicht zuletzt kulinarisch und kulturell. Denn der faszinierend gestauchte Raum im Doppelkegel soll künftig für Jazzkonzerte zur Verfügung stehen. Und experimenteller Jazz ist vielleicht die Musikform, die diesem Werk von Coop Himmelb(l)au am ehesten entspricht.

[ Die BMW-Welt ist täglich von 9 bis 20 Uhr gratis zugänglich. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2007.10.20



verknüpfte Bauwerke
BMW-Welt München

13. Oktober 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wohntürme und Verandahäuser

Australien besitzt eine spannende Architekturszene, die allerdings in Europa kaum bekannt ist. Eine Ausstellung im Deutschen Architekturzentrum Berlin beleuchtet nun den innovativen Wohnungsbau des fünften Kontinents.

Australien besitzt eine spannende Architekturszene, die allerdings in Europa kaum bekannt ist. Eine Ausstellung im Deutschen Architekturzentrum Berlin beleuchtet nun den innovativen Wohnungsbau des fünften Kontinents.

Nach Architektur in Australien befragt, nennen wohl die meisten Europäer Jørn Utzons Opernhaus. Doch seit seiner Vollendung vor 34 Jahren ist in Sydney ein ganzer Wald von Wolkenkratzern in den Himmel gewachsen, von denen einige der besten vom 2006 verstorbenen Harry Seidler stammen. Während dieser sich in seinen letzten Jahren vermehrt Europa zuwandte, konnte sich die kommerzielle Grossfirma von Philip Cox in Sydney stark ausbreiten. Deshalb arbeiten heute die meisten kreativen Architekten in Melbourne, wo Büros wie Denton Corker Marshall oder Nonda Katsalidis sich gleichermassen mit der städtebaulichen Integration von Bürotürmen und der harmonischen Einbettung von Villen in die weite Landschaft befassen. Einen ganz eigenen Weg geht wiederum der 2002 mit dem Pritzker-Preis geehrte Glenn Murcutt, dessen von der klassischen australischen Leichtbauweise inspirierte Häuser die Erde nur leicht berühren.

Innovativer Wohnungsbau

Doch gibt es in Australien auch jüngere interessante Architekten – und, wenn ja, womit beschäftigen sie sich? Eine Antwort auf diese Fragen versucht derzeit eine Ausstellung im Deutschen Architekturzentrum (DAZ) an der Köpenicker Strasse in Berlin zu geben. Unter dem etwas altbackenen Titel «Wohnraum Moderne» wirft sie einen Blick auf den zwischen Brisbane und Perth boomenden Wohnungsbau. Die thematische Einschränkung lässt sich damit rechtfertigen, dass in Australien – anders als in Europa und Amerika – der Museumsbau als Spielwiese für innovative Baukünstler kaum eine Rolle spielt. Hingegen geben engagierte Investoren und Privatleute gerne aufsehenerregende Wohntürme oder ausgefallene Villen und Ferienhäuser in Auftrag. Seit Murcutt im Grossraum Sydney und Gabriel Poole oder Lindsay Clare in Queensland das umweltverträgliche Verandahaus aufgefrischt haben, entstehen überall auf dem Kontinent Neubauten, die internationale Einflüsse und lokale Traditionen miteinander zu verschmelzen suchen.

Die Berliner Schau kann denn auch mit viel neuem Material aufwarten. Doch wie jeder Übersichtsausstellung eignet ihr eine gewisse Beliebigkeit. Das zeigen allein schon die Kategorien «Minimal», «Rahmen», «Interaktion» oder «Ost/West», nach denen insgesamt 48 Projekte von 25 Büros gegliedert sind. Diese Materialflut versuchen die Ausstellungsmacherinnen Claudia Perren und Kristien Ring aber nicht nur thematisch, sondern auch gestalterisch zu bewältigen. Die blau gestrichenen Wände des Galerieraums, auf denen eine weisse Welle das Auge von einem theoretischen Kurztext zum nächsten leitet, erinnern an ein Aquarium. Darin scheint ein seltsamer Fischschwarm zu flirren: eine Ansammlung von 25 Flachzylindern, auf denen die Projekte in Wort und Bild präsentiert werden.

Abstand lässt sich hier kaum gewinnen, und stets buhlen mehrere bunte «Fische» um Aufmerksamkeit. Nach kurzer Zeit verschwimmen die Eindrücke, und nur die aussergewöhnlichsten Bauten bleiben einem im Gedächtnis haften: etwa das von der Struktur eines Schneekristalls hergeleitete Ferienhaus «Huski Lodge», welches das junge Melbourner Büro Elenberg Fraser 2005 als expressiv verwinkelten Holzbau in den Bergen von Victoria realisieren konnte. Aus Holz ist auch das 2007 wie ein Möbel an die Küste von Victoria gesetzte Port Fairy House von Shelley Penn, zeltartig transparent hingegen die Erweiterung eines Wohnhauses in Perth von Iredale Pedersen Hook. Während das Büro Andresen O'Gorman das klassische Farmhaus in Queensland neu interpretiert, setzt David Luck ein Verandahaus ganz sanft in die Wälder von Red Hill in Victoria. An Eleganz werden all diese Villen vom Butterfly House überflügelt, das Ed Lippmann 2005 als Antwort auf Scharouns organische Bauten und Ben van Berkels Möbius-Haus auf einer Anhöhe über Sydney errichtete. Spektakulärer noch als diese Miniaturen sind die neuen Hochhäuser in Melbourne. Darunter finden sich die einem konstruktivistischen Minimalismus verpflichteten, bis 92 Stockwerke hohen Wolkenkratzer von Nonda Katsalidis ebenso wie der kantig skulpturale «Dock 5»-Turm von John Wardle oder das organisch fliessende Yve-Hochhaus von Wood Marsh.

Vielfältige junge Szene

Das begleitende Katalogbuch bietet nicht nur die nötige Übersicht, sondern auch fundierte Essays und Ausblicke von namhaften australischen Architekturtheoretikern wie Philip Drew und Philip Goad. Wer zusätzliche Informationen über junge australische Architekten sucht, findet diese in der soeben erschienenen Publikation «Down Under». Das verwirrend gestaltete, aber informative Buch kreist nicht nur um den Wohnbau, sondern beleuchtet auch architekturpolitische, wirtschaftliche und ökologische Aspekte. Einigen attraktiven Bauten aus der Ausstellung begegnet man hier erneut, aber auch ganz anderen Lösungen wie dem hügelartigen Peppermint Bay Restaurant von Terroir in Tasmanien, dem futuristisch in die Welt blickenden Ideen-Center des Victorian College of Art oder dem verschleierten Bürohaus von Neil & Idle in Melbourne. Sie alle beweisen einmal mehr, wie abwechslungsreich und inspirierend Australiens Architekturszene ist.

[ Bis 11. November im DAZ in Berlin. Katalog: Wohnraum Moderne. Australische Architektur. Hrsg. Claudia Perren und Kristien Ring. Hatje-Cantz-Verlag Ostfildern. 240 S., Fr. 59.– (€ 35.– in der Ausstellung). Davina Jackson: Down Under. Neue Architektur in Australien. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 255 S., Fr. 84.90. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2007.10.13

05. Oktober 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Räume aus Licht

Mit wenigen Bauten hat Peter Zumthor sich international einen Namen gemacht. Nun ist eine grosse Schau des Haldensteiner Architekten in dem von ihm errichteten Kunsthaus Bregenz zu sehen.

Mit wenigen Bauten hat Peter Zumthor sich international einen Namen gemacht. Nun ist eine grosse Schau des Haldensteiner Architekten in dem von ihm errichteten Kunsthaus Bregenz zu sehen.

In einer Zeit, da die computergenerierte Architektur dank Programmen wie CAD, CAM und Catia immer austauschbarer wird, kann ein kleines Bauwerk wie die Bruder-Klaus-Kapelle von Peter Zumthor in der Eifel bereits Verunsicherung auslösen. Wurden doch die als Schalung verwendeten Fichtenstämme des in Stampfbetontechnik errichteten Sakralraums nachträglich mittels eines Köhlerfeuers entfernt, so dass eine dunkle, archaisch wirkende Höhle entstand. Der Architekt, der solches schafft, muss ein Künstler sein, dem die kompromisslose Umsetzung einer Vision wichtiger ist als kommerzieller Erfolg. Deswegen gilt der zur Sturheit neigende Perfektionist Zumthor spätestens seit dem Streit um das aus ideologischen, politischen und bautechnischen Gründen gescheiterte Projekt der Berliner Gedenkstätte «Topografie des Terrors» als unbequem. Verlangt er doch von seinen Bauherren einiges. Das musste auch der Erzbischof von Köln beim Bau des Kolumba-Diözesanmuseums erfahren. Denn während in China oder Dubai Hochhäuser in wenigen Wochen in den Himmel schiessen, feilt Zumthor jahrelang an seinen Bauten. Doch der Lohn für das Warten ist hohe baukünstlerische Qualität, wie das jüngst in Köln eröffnete Museum einmal mehr beweist.

Heimspiel am Bodensee

Nicht nur seiner Bedächtigkeit und seines schmalen Œuvre wegen ist Zumthor eine Ausnahmeerscheinung unter Architekten. Er wehrt sich auch dagegen, simple Dienstleistungen zu erbringen, und baut weder abenteuerlich gefaltete Spiegelfassaden noch modische Blitze oder Blobs. Seine Gebäude erschöpfen sich nicht in schönen Hüllen. Vielmehr sind sie von den Räumen, vom Licht und vom Material her gedacht. Darüber hinaus erweisen sie sich als ökologisch, sind sparsam im Umgang mit den Ressourcen und einfach in der Konstruktion. Intelligent aufgebaute Wände und gezielt angebrachte Öffnungen bewirken ein günstiges Raumklima, aber auch stimmungsvolle Lichtverhältnisse und tragen mithin zum Wohlbefinden der Benutzer bei. Darin liegt das Erfolgsgeheimnis von Zumthors Felsentherme in Vals begründet – oder des Kunsthauses in Bregenz. Hier resultierte aus dem Dialog mit dem Ort ein Meisterwerk, das sich mit aufragendem Kubus und niedriger Dépendance ganz unaufgeregt in den städtebaulichen Kontext einfügt, wobei der Glaswürfel des Museums mit seinem opaken Schuppenkleid über die Altstadt hinweg den schindelverkleideten Martinsturm, ein weiteres Bregenzer Wahrzeichen, grüsst.

Dieser Leuchtturm am Bodensee, mit dem der Meister zum «harten Kern der Schönheit» vorgedrungen ist, darf als Schlüssel zu Zumthors Œuvre bezeichnet werden. Alle Eigenschaften, die man mit seinem Schaffen verbindet, sind in diesem Bau vereint: Stille, Askese, Emotion und eine durch Licht und Schatten bestimmte Aura des Sakralen. Der Respekt vor dem Ort, die handwerkliche Gründlichkeit und die Empfindsamkeit gegenüber Raum und Materialien erinnern zudem an jenes protestantische Ethos, auf dem einst die neue Schweizer Einfachheit aufbaute. Das Kunsthaus ist deshalb der ideale Ort für die neuste Zumthor-Retrospektive.

Strebte die letzte Werkpräsentation vor knapp zehn Jahren in Chur nach Verklärung, so wird einem in Bregenz nun eine klärende Gesamtsicht geboten. Und dies in Form einer grandiosen Schau, die ähnlich wie die in aller Welt gezeigten Ausstellungen von Frank Gehry, Herzog & de Meuron, Rem Koolhaas, Miller & Maranta oder Renzo Piano beweist, dass Architektur sich im Museum höchst suggestiv inszenieren lässt. Im Erdgeschoss hat der Ausstellungskurator Thomas Durisch sechs grosse Modelle – darunter das tonnenschwere, betretbare Betongebilde des Kolumba-Museums, eine verkleinerte Wand- und Oberlichtkonstruktion des Kunsthauses Bregenz und die kohlengraue Wiedergabe der Landschaft von Almannajuvet an der norwegischen Küste, wo ein vierteiliges Zinkminen-Museum entstehen soll – zu einem Lob des Skulpturalen vereint. Nach diesem gewichtigen Einstieg wirft das Wiener Künstlerduo Nicole Six und Paul Petritsch in den nächsten beiden Ausstellungsgeschossen mittels zweier aus bewegten «Grossfotos» bestehender Videoinstallationen einen Blick von aussen auf zwölf bedeutende Bauten von Zumthor.

Plötzlich diese Übersicht

Den eigentlichen Höhepunkt aber bildet die Werkschau im dritten Stock. Eine Vielzahl von zarten, fast konstruktivistisch anmutenden Farbzeichnungen, von Plänen und Modellen, die auf drei überlangen Arbeitstischen und eng zusammengerückten Podesten aufgereiht sind, verdichtet sich plötzlich zu einer grossen Übersicht. Leider vermisst man – ähnlich wie auf den publizierten Werklisten – Zumthors frühe Fingerübungen. Wohl um die Mythenbildung zu fördern, setzt die Retrospektive des 1943 geborenen Baslers, der sich als gelernter Schreiner erst 1979 entschied, in Haldenstein bei Chur ein Architekturbüro zu eröffnen, nicht mit dem 1983 eingeweihten Schulhaus «Witiwäg» in Churwalden ein. Den Auftakt bilden vielmehr zwei 1986 vollendete Arbeiten: das Atelierhaus in Haldenstein und die Schutzbauten über römischen Ruinen im Churer Welschdörfli, welche den gleichsam aus dem Nichts aufgetauchten Meister bereits auf der Höhe seines Könnens zeigen. Seither steht jeder Bau für ein neues Experiment, wobei gewisse Grundthemen immer wieder aufklingen. So verwandeln sich die Holzlatten der Schutzbauten in das Beton-Stabwerk der «Topografie des Terrors», um sich schliesslich zur Batterie des Schweizer Klangkörper-Pavillons auf der «Expo 2000» in Hannover zu verdichten.

Vorbei am überraschend einfachen Kartonmodell der Kapelle Sogn Benedetg in Sumvitg, die ihren Schöpfer 1988 international bekannt machte, gelangt man zu einer poetischen, aus grünlichem Gneis gefertigten Miniatur der Felsentherme in Vals. Sie kündet wie das Original davon, dass «Architektur eine sinnliche Kunst» ist. Die kantig-minimalistischen Formen dieses Baus kehren im Kunsthaus Bregenz ebenso wieder wie im Kolumba-Museum oder im Entwurf der Herz-Jesu-Kirche, für deren Realisierung sich die Münchner 1996 leider nicht erwärmen konnten. Dafür erhielt Zumthor wenig später den Auftrag für die Bruder-Klaus-Kapelle, in der sich in aller Stille eine formale Öffnung ankündigte. Deutlicher manifestierte sich diese 2001 im amöbenartig gewellten Innenhof eines Projekt gebliebenen Apartmentblocks im finnischen Jyväskylä und im pilzförmigen Baukörper eines spanischen Weinguts, der wiederum im Restaurantpavillon auf der Ufenau nachhallt. – Es bleibt zu hoffen, dass diese subtile Intervention trotz Opposition vonseiten des Heimatschutzes realisiert werden kann. Dies umso mehr, als unlängst in Luzern auf den Bau einer spannenden, neokubistisch fragmentierten Wohnsiedlung zwischen Bahnhof und Werft verzichtet wurde. Denn Zumthors «auf das Wesentliche reduzierte» Gebäude, die «im Idealfall zu strahlen beginnen», sind wichtige und nötige Statements gegen die fortschreitende Banalisierung der Architektur – auch wenn der weiterhin auf das Handwerk setzende Baukünstler von seinen bauwütigen, ganz in das Spektakel verliebten Kollegen als etwas antiquiert belächelt werden mag.

[ Bis 20. Januar im Kunsthaus Bregenz. Begleitbroschüre gratis. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.10.05

28. September 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Blühende Paradiese

Grünanlagen zählen seit der Antike zu den Eckpfeilern einer verfeinerten Wohnkultur. Eine Schau in Florenz beleuchtet die Entwicklung der Gärten von der altägyptischen bis in die römische Zeit.

Grünanlagen zählen seit der Antike zu den Eckpfeilern einer verfeinerten Wohnkultur. Eine Schau in Florenz beleuchtet die Entwicklung der Gärten von der altägyptischen bis in die römische Zeit.

Es sind nicht nur die Strassenzüge und weitläufigen Villen, mit denen die Ruinenstädte Herculaneum und Pompeji die Besucher in ihren Bann ziehen, sondern auch die oft noch deutlich zu erkennenden, mitunter durch Rekonstruktionen hervorgehobenen Gärten. Bereits zur Zeit ihrer Entstehung spiegelten die durch den verheerenden Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 konservierten Grünanlagen der luxuriösen Wohnsitze am Golf von Neapel eine jahrtausendealte Geschichte, die ihren Anfang in Ägypten und im Zweistromland genommen hatte. Die dortigen Kulturen lernten früh schon das kostbare Nass mittels immer ausgeklügelterer Techniken zur Bewässerung zu nutzen und so die Wüste in ein blühendes Fruchtland zu verwandeln. Aus Gemüsekulturen und schattigen Dattelpalmenhainen entwickelten sich dann die ersten Ziergärten. In Mesopotamien erfüllten diese mitunter sogar eine politische Funktion, indem sie mit aus allen Teilen des Reichs zusammengetragenen und sorgsam kultivierten Pflanzen zum Symbol für Macht und Einfluss der Herrscher wurden. Es erstaunt daher kaum, dass sich diese selbst den Ehrentitel «Gärtner» zugelegt haben sollen.

Hängende Gärten und Wasserspiele

Diese Anlagen, von denen die legendären Hängenden Gärten der Semiramis in Babylon sogar den Rang eines Weltwunders erlangten, waren nicht ohne Einfluss auf die griechische Mythologie. Und bald schon umgaben heilige Haine die Tempelbezirke. In den privaten Gärten kultivierte man neben Früchten, Kräutern und Medizinalpflanzen allmählich auch Blumen und Sträucher. Diese Refugien wurden in der hellenistischen Zeit im östlichen Mittelmeergebiet immer eleganter. Ihnen antworteten öffentliche Parkanlagen mit Wasserspielen, deren Technik nicht zuletzt auf den hydraulischen und mechanischen Forschungen basierte, die man in Alexandria betrieb. Von den Römern wurden diese Künste begierig aufgegriffen und verfeinert. Denn der Kult mit dem Wasser, der im Bau von Aquädukten und Thermen kulminierte, wirkte sich auch auf die Gestaltung der Grünräume aus, die ohne Brunnen, Kanäle und reflektierende Wasserflächen bald nicht mehr denkbar waren.

All diese Entwicklungen sind Thema einer auf umfangreichen neuen Forschungsarbeiten beruhenden Ausstellung über die Gärten in der Antike, die unter dem Titel «Il giardino antico da Babilonia a Roma» derzeit in der frisch renovierten Orangerie im Boboli-Garten des Palazzo Pitti in Florenz zu sehen ist. Mehr als 150 kostbare Exponate aus den archäologischen Sammlungen in Berlin, Florenz, London, Neapel, Paris und Rom, aber auch aus Herculaneum und Pompeji veranschaulichen die Geschichte des Gartens als Ort der Erholung, des Vergnügens und der Meditation. Daneben wird die Funktion der für die Gärten unentbehrlichen Bewässerungssysteme und Wasserspiele an eigens angefertigten Modellen erläutert. Die Rekonstruktionen zweier pompejanischer Peristylgärten im Massstab 1:1 in den Bosketten des Parks vergegenwärtigen darüber hinaus den einfachen Garten der Casa dei Pittori al Lavoro ebenso wie den luxuriösen, von einer Vielzahl von Brunnen und Skulpturen belebten Grünraum des Hauses der Vettier.

Römische Villenkultur

Mit Informationen aus Ägypten wird die Schau eröffnet. Dabei erfährt man, dass schon Hatschepsut exotische Bäume einführen liess. Eine vor rund 3500 Jahren entstandene Darstellung aus dem Remike-Grab in Theben zeigt einen der frühsten Gärten überhaupt: mit Palmen, Akazien und Platanen. Während diese Wandmalerei – ausnahmsweise – nur als Reproduktion zugegen ist, künden stilisierte Elfenbeinbäume und Alabastertafeln mit Palmengruppen vom mesopotamischen Gartenkult des siebten vorchristlichen Jahrhunderts in Assur und Ninive. Vasenbilder und kalabrische Votivtafeln entführen einen daraufhin in die blühenden Welten der griechischen Mythologie – von den Weinbergen des Dionysos und dem Sitz der Musen auf dem Helikon bis zum Paradiesgarten der Hesperiden. Antike Büsten von Platon, Aristoteles oder Epikur erinnern zudem an die attischen Philosophen-Haine.

Den eigentlichen Höhepunkt der Schau bildet aber die römische Gartenkultur, die in der augusteischen Zeit zu ungeahnter Bedeutung aufstieg, so dass bald schon Dutzende von Parkanlagen das Zentrum Roms einkreisten. Diese wurden in der Neuzeit zu wichtigen archäologischen Fundstätten, in denen man sogar original griechische Werke fand, wie in der Schau eine attische Grabstele mit einem lebensgrossen Jüngling aus den Gärten des Maecenas bezeugt. Statuenschmuck aus weiteren Pärken des altrömischen Adels geleiten einen zu einem erstaunlichen Modell des Hofgartens eines grossen Miethauses in Ostia.

Noch materialreicher präsentieren sich dann die Gärten der Vesuvstädte – mit Brunnenskulpturen des Vettier-Gartens in Pompeji und Marmorbildwerken aus der Villa der Poppea in Oplontis, mit Stelen und Bildtafeln, die einst zwischen Rosen, Oleander, Lorbeer und Erdbeerbäumen aufgestellt waren, sowie mit an Ästen oder Pergolen aufgehängten Masken. Dazu kommen pneumatische Wunderwerke wie Bäume aus Bronze, in deren Geäst metallene Vögel zwitschern, und technische Objekte wie Verteiler, Siphons, Pumpen und Abflusssiebe sowie aufschlussreiche pflanzliche Überreste.

Zusammen mit den gemalten Parkanlagen, von denen die wohl schönste aus dem Haus des Goldenen Armbands ebenso wie das dort entdeckte, mosaikverzierte Nymphäum in Florenz zu sehen ist, vermitteln uns solche Funde genaue Kenntnisse der römischen Villengärten. Dank diesen konnte beispielsweise im südkalifornischen Malibu das Getty-Museum in Form der Villa dei Papiri mit all ihren Pflanzen, Skulpturen und Wasserspielen errichtet werden. Doch davon erfährt man in dieser sonst so inspirierenden, mitunter gar berauschenden Schau ebenso wenig wie von den impressionistisch hingehauchten Gartenfresken, mit denen einst das Haus der Livia bei Prima Porta in Rom prunkte, oder vom prachtvollen Park der Hadriansvilla bei Tivoli. Da der opulente Katalog solche Fehlstellen nicht schliesst, empfiehlt sich ein Blick in das Buch «Gärten der Römischen Welt» des englischen Spezialisten Patrick Bowe, welches mit seinen attraktiven Abbildungen die materialreiche Florentiner Ausstellung ideal ergänzt.

[ Bis 28. Oktober in der Orangerie des Palazzo Pitti im Boboli-Garten. Katalog: Il giardino antico da Babilonia a Roma. Scienza, arte e natura. Sillabe, Livorno 2007. 351 S., € 35.–. Patrick Bowe: Gärten der Römischen Welt. Schirmer/Mosel, München 2004. 169 S., Fr. 38.20. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.09.28

14. September 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Technik und Natur

Zum 70. Geburtstag des italienischen Architekten und Städteplaners Renzo Piano

Zum 70. Geburtstag des italienischen Architekten und Städteplaners Renzo Piano

Alles begann mit dem Centre Pompidou. Dort erprobten zwischen 1971 und 1977 zwei junge Rebellen, Renzo Piano und Richard Rogers, eine neue Architektursprache, deren Vokabular gleichermassen auf den Konstruktionen von Richard Buckminster Fuller und Jean Prouvé wie auf der Idee der «wandernden» Bauten von Archigram basierte. Mit ihrer neuartigen, Offenheit signalisierenden Kulturmaschine, die wie eine Ölplattform im Pariser Häusermeer zu schwimmen scheint, interpretierten Piano und Rogers den Musentempel neu und wagten darüber hinaus einen provokativen Dialog mit der gebauten Umgebung. Geleitet vom Bemühen, die Stadt sichtbar zu machen, fand Piano danach in einem «Nachbarschafts-Workshop» im süditalienischen Otranto, den er 1979 im Auftrag der Unesco betreute, zu neuen, bis heute wirksamen Strategien der Auseinandersetzung mit dem urbanistischen und sozialen Kontext der Stadt an sich. Die Erfahrungen von Otranto sollten bald darauf auch die demokratisch strukturierte Arbeitsweise in den «Building Workshop» genannten Büros bestimmen, die Piano in Paris und Genua eröffnete.

Im genialen Frühwerk des Centre Pompidou, das längst zu einer baukünstlerischen Ikone des 20. Jahrhunderts und zu einem Wahrzeichen der Seinestadt geworden ist, manifestierte sich nicht nur Pianos Glaube an die Erneuerung der traditionellen europäischen Stadt. Es begründete auch seine Faszination für die Museumsarchitektur, von der Meisterwerke wie die 1986 in Houston, Texas, eröffnete Menil Collection oder das elf Jahre später eingeweihte Beyeler-Museum in Riehen bei Basel zeugen. Zu Recht im Schatten dieser Glanzlichter steht das im Geist der Land-Art konzipierte Klee-Museum in Bern, das – obwohl mit Respekt vor der Landschaft gestaltet – den Charme eines Hangars am Highway verströmt. Ähnlich wie die Wallfahrtskirche im apulischen San Giovanni Rotondo oder der jüngst in Manhattan vollendete New York Times Tower beweist es, dass auch Piano gelegentlich etwas missglückt, wenngleich stets auf hohem Niveau.

Abgesehen von diesen Schwachpunkten kann die nunmehr vierzig Jahre währende Bilderbuchkarriere des heute vor siebzig Jahren, am 14. September 1937, in Genua geborenen Renzo Piano mit einer Vielzahl immer wieder anders geformter Akzente aufwarten: vom subtil transformierten Lingotto in Turin über die Neubauten am Potsdamer Platz in Berlin bis hin zum Kongresszentrum der Cité internationale in Lyon und von den riesigen Hallenkonstruktionen des vor Osaka im Meer schwimmenden Kansai-Flughafens über den gläsernen Hermès-Flagship-Store in Tokio bis hin zu dem zwischen 1991 und 1998 verwirklichten Tjibaou-Kulturzentrum in Nouméa auf Neukaledonien. Diese langgestreckte, von zehn hüttenartigen Pavillons gekrönte Anlage, in welcher Hightech und Ökologie in einer üppigen Natur zusammenfinden, wirkte weiter auf den blütenförmigen Aurora-Palace-Turm in Sydney, der seit dem Jahr 2000 als schönstes Hochhaus Australiens gilt und einmal mehr beweist, dass sich Piano auch für modische Megastrukturen begeistern kann. Erinnert sei hier an das zeppelinförmige Shoppingcenter in Bercy, die elegante Schalenform des Fussballstadions in Bari, die drei käferartigen Konzerthallen des Parco della Musica in Rom oder das an ein sinkendes Schiff gemahnende Wissenschaftsmuseum in Amsterdam.

Ebenso wichtig wie diese Solitäre sind Piano, der 1998 für seine technische Erfindungsgabe, seine prozessuale Entwurfspraxis, seine experimentelle Arbeitsweise und für seine Absage an den Persönlichkeitskult mit dem Pritzker-Preis geehrt wurde, stets auch die architektonischen Zwiegespräche mit der gebauten Stadt. Nachdem er zwischen 1985 und 2001 den alten Hafen seiner Heimatstadt Genua mit Plätzen, Kongress- und Einkaufsmöglichkeiten, einem phantastischen Aussichtskran und einem containerartigen Aquarium in einen neuen Treffpunkt verwandelt hatte, musste er vor zwei Jahren das Scheitern eines noch viel umfassenderen Erneuerungsprojekts für die vernachlässigten Uferzonen der ligurischen Metropole als wohl grösste berufliche Enttäuschung hinnehmen. Dafür kann er nun seinen Traum vom Umbau obsolet gewordener Industriegebiete zu Zentren des Informationszeitalters auf dem Falck-Areal im Mailänder Vorort Sesto San Giovanni und auf dem Gelände der ehemaligen Michelin-Fabrik in Trento weiterspinnen.

An beiden Orten will Piano – ausgehend von einem sensiblen Weiterbauen im Bestand – möglichst vielschichtige Quartiere realisieren. Denn neben der Ästhetik prägen vor allem Ökologie und soziale Verträglichkeit Pianos heutiges Schaffen. Auch wenn den neusten Bauten und Projekten das Revolutionäre der frühen Arbeiten abgeht und junge Architekten sich für diese kaum mehr interessieren, sind sie doch stets wieder für Überraschungen gut, wie der neuklassizistische Erweiterungsbau der Morgan Library in New York oder die aggressive «Glasscherbe» des im Bau befindlichen London Bridge Tower zeigen. Noch immer sprüht der sich gerne bescheiden gebende Meister vor Energie, arbeitet er doch nicht nur in London und New York an bedeutenden Projekten, sondern auch in San Francisco, Los Angeles, Oslo, Rom, Neapel – und in Ronchamp, wo er unweit von Le Corbusiers Wallfahrtskapelle seinem Œuvre mit einem Nonnenkloster einen spirituellen Touch verleihen wird.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.09.14



verknüpfte Akteure
Piano Renzo

30. August 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Holzhäuser und Supermärkte

Obwohl zeitgenössische Architektur derzeit viel Aufmerksamkeit geniesst, bleiben gute Bauten rar. Doch gerade in den Bergen sind klare architektonische Aussagen wichtig, wie eine Schau in Flims zeigt.

Obwohl zeitgenössische Architektur derzeit viel Aufmerksamkeit geniesst, bleiben gute Bauten rar. Doch gerade in den Bergen sind klare architektonische Aussagen wichtig, wie eine Schau in Flims zeigt.

Anders als das flache Land, wo schlechte Bauten kaum auffallen, verzeihen Bergregionen aufgrund ihrer Topografie baukünstlerische Fehler nicht. Ein Haus am falschen Ort kann das Erscheinungsbild eines am Hang komponierten Dorfes ebenso stören wie ein Hotel im Pseudo-Tiroler-Stil. Nun sollen aber die Gebirgsgegenden weder zu kulturgeschichtlichen Museen noch zu Refugien für Nostalgiker werden, sondern weiterwachsen können, um die Mär von den «alpinen Brachen» zu widerlegen. Damit dies in einem verträglichen Rahmen geschehen kann, müssen die Bauwilligen aber wissen, was gute Architektur ist. Hier weist – wie nirgends sonst im ganzen Alpenbogen – der Kanton Graubünden mit einer Vielzahl vorbildlicher Schulen, Gemeindebauten und Infrastrukturanlagen den Weg.

Gebaute Vorbilder

Vermehrt begeistern sich aber auch private Auftraggeber für architektonische Qualität, wie Ben van Berkels Erweiterung des Hotels «Castell» in Zuoz, Pablo Horváths Wohnblocks in St. Moritz oder der geplante Turm von Herzog & de Meuron auf der Schatzalp in Davos beweisen. Und selbst bei den vielgeschmähten Einfamilienhäusern kündigt sich Besserung an. So findet man in dem für sein harmonisches Aussehen bekannten Weinbauerndorf Fläsch in der Bündner Herrschaft mit dem Haus Meuli von Bearth & Deplazes einen kantigen Betonbau, der sich auf den ersten Blick ebenso rigoros wie extravagant gibt, sich aber bei genauerer Analyse als perfekt in den Ort integriert erweist. Solche Werke müssten eigentlich vermehrt als Vorbilder hervorgehoben werden. Doch in der nunmehr vierten Ausgabe des 1992 vom Südtiroler Ferienort Sexten initiierten Preises für «Neues Bauen in den Alpen» sucht man nach diesem Haus vergeblich.

Vielleicht war die hochkarätige, aber schon etwas angegraute Jury diesmal allzu sehr auf Holz fixiert, was auch erklären mag, warum der kubische Gäste-Turm der Villa Garbald in Castasegna von Miller & Maranta oder die Erweiterung eines Behindertenwohnheims in Scharans von Corinna Menn keine Gnade fanden, obwohl sie die von Bruno Reichlin geforderte Auseinandersetzung mit der «landschaftlichen Lage, der Topografie und der Aussicht» perfekt erfüllen. Von den Steinbauten stiess nur Gion A. Caminadas 2004 vollendetes Mädcheninternat des Klosters Disentis auf Begeisterung und sicherte sich gar den ersten Preis, den es allerdings mit dem 2001 eröffneten «MPreis»-Supermarkt von Rainer Köberl und Astrid Tschapeller in Wenns im Tiroler Pitztal teilen muss. Beide Bauten geniessen einen Ehrenplatz in der kargen, sich ganz auf Fotos und Publikationspläne abstützenden, auf jeden Kommentar verzichtenden Ausstellung im Gelben Haus in Flims. Unter dem Titel «Neues Bauen in den Alpen» stellt die Schau neben den erstprämierten Arbeiten und einem Hotel des für sein Lebenswerk geehrten Südtirolers Othmar Barth auch die übrigen 29 ausgezeichneten Gebäude vor, die aus 419 Eingaben ausgewählt wurden.

Etwas dubios erscheint die Präsenz von vier «MPreis»-Filialen, zumal sie baukünstlerisch von mässiger Qualität sind. Gewiss sind Supermärkte für Bergtäler ein Segen, doch müssen sie deswegen noch lange nicht zu wegweisenden Architekturen erklärt werden. Die «MPreis»-Euphorie lässt sich damit erklären, dass die Jury diesmal einen Akzent auf infrastrukturell wichtige Bauwerke setzen wollte. Das gelingt ihr mit der Auszeichnung des Dorfplatzes in Domat/Ems von Gioni Signorell, des Fernheizkraftwerks Sexten von Siegfried Delueg sowie mehrerer Brücken von Walter Bieler, von Conzett, Bronzini, Gartmann, von Geninasca Delefortrie und von Marte Marte. Weit weniger überzeugen die Entscheide zugunsten der Betriebsanlage des Strassenbauamts Klagenfurt, des Biomasse-Heizwerks Lech, des Gemeindezentrums Inzing oder des Altersheims Steinfeld. Umso erstaunlicher ist dann aber die Tatsache, dass das Preisgericht den erwähnten Bau von Corinna Menn ebenso ignorierte wie Horváths volumetrisch und ästhetisch perfekt ins Dorfbild von Riom-Parsonz eingepasste Schulhauserweiterung. Als einziger Kulturbau wurde das von Valerio Olgiati zum weissen Würfel umgeformte spätklassizistische Gelbe Haus in Flims berücksichtigt. Vorbildliche Fremdenverkehrs-Gebäude, die für die alpine Zone besonders wichtig wären, sucht man dagegen – abgesehen von der pompösen Parkhotel-Erweiterung in Hall – vergebens. Dabei hätten sich das Hotel Pergola von Matteo Thun in Algund bei Meran oder die beiden Erweiterungsbauten der Jugendherberge Zermatt von Bauart Architekten angeboten, die all den falschen Chalets mutig die Stirn bieten.

Wichtige Diskussionen

Vor allem Ein- und Mehrfamilienhäuser sollten künftig von Jury und Ausstellung aufmerksamer gewürdigt werden, machen sie doch auch in den Bergregionen den Hauptteil der Neubauten und damit der potenziellen baukünstlerischen und urbanistischen Fehlentwicklungen aus. Dabei käme Objekten von der Qualität des Hauses Meuli oder des immer noch polarisierenden Wohn- und Geschäftshauses von Höller & Klotzner in Schenna bei Meran die Funktion von Katalysatoren zu, an denen sich die für das Architekturverständnis nötigen Diskussionen entzünden könnten. In der jetzigen Auswahl gelingt das nur dem höchst eigenwilligen Holzhaus von Loeliger Strub in Bürglen im Kanton Uri, während sich Peter Zumthors Haus Luzi im bündnerischen Jenaz wohl doch etwas allzu selbstverliebt in Szene setzt, um wirklich wegweisend zu sein.

Schliesslich kann die Ausstellung noch mit einer Trouvaille aufwarten: dem Seebad von Mauro Castelletti am Lago del Segrino in den Hügeln der lombardischen Brianza. Dafür ist das Preisgericht erneut weder in Bayern noch in Slowenien fündig geworden; und auch Frankreich ging diesmal leer aus. Die durchaus begründete Dominanz der Schweiz manifestiert sich in schnörkellosen Häusern, waghalsigen Konstruktionen und einem subtilen Dialog mit dem Kontext. In Südtirol hingegen wurden für einmal Architekturen geehrt, die von einer weltgewandten Auseinandersetzung mit der Land-Art zeugen, wie das Fernheizkraftwerk Sexten oder Walter Angoneses meisterhaft erweitertes Weingut Manicor bei Kaltern, das weit eher als der Supermarkt in Wenns einen Ehrenplatz verdient hätte. Demgegenüber drohen die Bauten in den österreichischen Bergregionen durch formale Exzesse und eine unmotivierte Materialvielfalt immer mehr ins Manierierte abzugleiten.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2007.08.30

24. Juli 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukünstlerischer Aufbruch im Engadin

Die Ausstellung «Werdende Wahrzeichen» in Samedan

Die Ausstellung «Werdende Wahrzeichen» in Samedan

Architektonische Wahrzeichen besitzt Graubünden viele – vom Weltkulturerbe der Klosteranlage in Müstair über das Chesa Futura genannte Kürbis-Haus von Norman Foster in St. Moritz bis hin zu Peter Zumthors Therme in Vals, dem eigentlichen Aushängeschild der neuen Bündner Baukunst. Diese hat in den letzten zwanzig Jahren im kritischen Dialog mit den städtebaulichen und naturräumlichen Gegebenheiten eine Vielzahl bedeutender Werke von prägnanter Einfachheit hervorgebracht. Heute gilt die Südostschweiz als eine der vielseitigsten Architekturregionen Europas. Von «alpinen Brachen», wie sie die raumplanerischen Auguren von Avenir Suisse oder des ETH-Studios Basel heraufbeschwören, ist hier zumindest baukünstlerisch nichts auszumachen.

Architektonischer Brennpunkt

In Graubünden geht man schnell zur Sache. Dies zeigt die Ausstellung «Werdende Wahrzeichen», die vor gut einem Jahr in Flims zu sehen war und nun – nach einer Reise über Zürich und Meran – in Samedan angekommen ist, wo sie gegenüber der ursprünglichen Präsentation völlig gewandelt erscheint, kamen in der Zwischenzeit doch sieben Bündner und fünf Südtiroler Projekte neu dazu. Drei ehemalige Exponate wurden verwirklicht und deshalb ebenso aus der Ausstellung genommen wie die verflogenen Träume (etwa der schöne Hotelentwurf von Bearth & Deplazes in Tschlin). Im Bau sind derzeit fünf Arbeiten, darunter das Nationalpark-Besucherzentrum von Valerio Olgiati in Zernez und die Jugendherberge Prà da Faira der Architektengemeinschaft Sursass in Scuol. Zusammen mit drei weiteren Projekten machen sie das Engadin, das bereits mit Ben van Berkels Erweiterung des Hotels Castell in Zuoz sowie mit Um- und Neubauten von Hans-Jörg Ruch und Norman Foster aussergewöhnliche Bauten aufweisen kann, zum neuen Brennpunkt der Bündner Architektur. Damit ist das Hochtal ebenso aus einem architektonischen Dornröschenschlaf erwacht wie die italienische Nachbarprovinz Südtirol, die in der Schau unter anderem mit der historisch und architektonisch gleichermassen komplexen «dreisprachigen Bibliothek» von Christoph Mayr Fingerle in Bozen glänzt.

Der von dem Ausstellungsteam Köbi Gantenbein und Ariana Pradal gewählte Titel «Werdende Wahrzeichen» traf zweifellos auf Mario Bottas Wellnessanlage des Hotels Tschuggen in Arosa und Corinna Menns adlerartig über der Rheinschlucht bei Flims schwebende Aussichtsplattform zu, die beide inzwischen vollendet sind. Er gilt aber auch für das turmförmige Viamala-Besucherzentrum von Bearth & Deplazes oder das Albula-Bahnmuseum von Ruch und Fickert & Knapkiewicz, die dereinst weit über die Region ausstrahlen dürften. Die Mehrzahl der in Samedan vorgestellten öffentlichen oder halböffentlichen Projekte zeichnen sich hingegen durch ihre Kleinheit aus. Einmal gebaut, werden sie sich diskret in die bestehende Kulturlandschaft einfügen und dennoch architektonisch zu überzeugen wissen. Im Gegensatz dazu dürfte der Davoser Schatzalp-Turm von Herzog & de Meuron zu einem Monument von Weltformat werden und der europäischen Hochhausarchitektur weithin sichtbar den Weg ins 21. Jahrhundert weisen.

Kulturzentrum Samedan

Kaum weniger spannend als dieser Turmentwurf ist das Projekt eines Badehauses von Miller & Maranta in Samedan, das kurz vor Baubeginn steht. Ihm wird der alte Coop am Dorfplatz weichen müssen – und damit das Haus, in welchem derzeit die «Werdenden Wahrzeichen» mit Modellen, Plänen, Computerdarstellungen und Texten präsentiert werden, geordnet nach den Themenbereichen Sprache, Wasser, Tourismus, Landschaft und Verkehr. Der Neubau von Miller & Maranta wird eine gesichtslose Architektur ersetzen und gleichzeitig den Beweis erbringen, dass eine zeitgenössische Intervention dem stimmungsvollen Plazzet neue Kraft verleihen kann. Einen Ersatz für das Ausstellungszentrum «Alter Coop» möchte der Kurator Ramon Zangger in der Tuor Veglia schaffen. Für diese erarbeitet er derzeit zusammen mit dem jungen Samedaner Architekten Kurz Lazzerini ein Ausstellungs- und Umbaukonzept, das er im Winter dem Gemeinderat von Samedan vorlegen will. Zangger hofft, dieses neuste werdende Wahrzeichen in etwa zwei Jahren eröffnen zu können. Der privat zu finanzierende, auf Architektur, Design und Kunsthandwerk spezialisierte Ausstellungsturm soll zusammen mit der historisch-literarisch ausgerichteten Chesa Planta, den beiden Kunstgalerien am Plazzet und der Academia Engiadina aus Samedan den kulturellen Mittelpunkt des Oberengadins machen – und darüber hinaus zum Zeichen dafür werden, dass sich das Engadin, das allzu lange eher mit Immobilienspekulation als mit Baukunst von sich reden machte, in ein blühendes Tal der Bündner Architektur verwandelt.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2007.07.24

14. Juli 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der Bauingenieur als Künstler

Während Jahrhunderten bestimmte der rechte Winkel das Erscheinungsbild der Architektur. Doch spätestens seit Gaudí und Erich Mendelsohn gewannen organische Formen an Bedeutung. Nun eröffnen kreative Ingenieure mit nicht euklidischen Geometrien der Baukunst neue Möglichkeiten. Ihr Leitstern ist der 1943 in Sri Lanka geborene Cecil Balmond.

Während Jahrhunderten bestimmte der rechte Winkel das Erscheinungsbild der Architektur. Doch spätestens seit Gaudí und Erich Mendelsohn gewannen organische Formen an Bedeutung. Nun eröffnen kreative Ingenieure mit nicht euklidischen Geometrien der Baukunst neue Möglichkeiten. Ihr Leitstern ist der 1943 in Sri Lanka geborene Cecil Balmond.

Mit der Sachlichkeit der Ingenieure versuchten einst die puritanischen Götter der Moderne der Architektur den Hang zum künstlerischen Pomp auszutreiben. Allen voran Le Corbusier, der früh schon anonyme Silos und Fabrikbauten bewunderte und seine Villen als Wohnmaschinen verstand. Als dann aber nach dem Zweiten Weltkrieg die nüchterne Moderne zum seelenlosen Funktionalismus zu verkommen drohte, setzte der grosse Schweizer auf organische Formen und goss diese – anders als einst Antoni Gaudí oder Erich Mendelsohn – in Beton. Die Kapelle von Ronchamp wurde so zu einer der ersten Bauskulpturen des 20. Jahrhunderts. Damit schien die Kunst sich wieder über die Ingenieurtechnik zu erheben. Doch Le Corbusiers plastisch durchgeformte Nachkriegsbauten wollten Architektur sein. Sie unterscheiden sich damit von den Werken jener Stars von heute, welche ihr Handwerk wieder als expressive Kunst betreiben. Anders als ihre Kollegen in früheren Epochen denken sie beim Entwerfen aber nicht mehr an Gesimse, Säulen oder Giebel, sondern an spektakuläre Baukörper und holen sich Anregungen aus vielen Disziplinen: vom Film über die Ökologie bis zur Algorithmik.

Innovative Strukturen

Bei solchen Bauten wirken meist kreative Köpfe aus dem ingenieurwissenschaftlichen Bereich entscheidend mit. Denn sie beherrschen den Computer im Bereich innovativer Strukturen. Schon Eero Saarinen, ein Grossmeister der skulpturalen Architektur, verliess sich bei der Realisierung seines seit 1956 geplanten rochenartigen TWA-Terminals in New York ganz auf die neuste Ingenieurtechnik. Der ursprünglich zum Bildhauer ausgebildete Architekt glaubte zwar an Intuition, hielt aber gleichwohl fest, dass man sich bei der Umsetzung architektonischer Visionen – wenn immer möglich – auf den Verstand der Techniker und auf die ihm damals bereits zugänglichen Grossrechner von IBM verlassen sollte.

Sein Interesse am Ausloten baukünstlerischer Randzonen war mit ein Grund dafür, dass er 1957 als Juror so entschlossen für Jørn Utzons Entwurf des Opernhauses von Sydney eintrat. Die Ausführung des Tragwerks der hintereinandergestaffelten Schalendächer erwies sich dann aber als derart knifflig, dass das renommierte Londoner Büro des einst von Le Corbusier beeinflussten Philosophen und Ingenieurs Ove Arup ganz neue Lösungen finden musste. Seither garantiert der Name Arup, der 1937 mit der Realisierung von Berthold Lubetkins räumlich vielschichtiger Pinguin-Anlage des Londoner Zoos über Grossbritannien hinaus bekannt geworden war, wie kein anderer Sicherheit und technische Innovation. Es erstaunt daher nicht, dass die multidisziplinär ausgerichtete Ingenieurfirma hinter vielen aussergewöhnlichen Bauwerken von heute steht: vom Centre Pompidou bis hin zum Vogelnest des Pekinger Olympiastadions von Herzog & de Meuron.

Bevor die Baukünstler sich die bald organischen, bald kristallinen Meisterwerke von heute erträumen konnten, mussten sie aber die Möglichkeiten der in den sechziger Jahren aufgekommenen computergestützten Design-Methoden (CAD) erkunden. Frank Gehry liess in den neunziger Jahren seine bricolageartigen Modelle mit Hilfe des für die Flugzeugindustrie entwickelten Catia-Programms räumlich berechnen und darstellen. Dadurch erst konnten Gebilde wie die stählerne Magnolie des Guggenheim-Museums in Bilbao gebaut werden. Auch die gleichzeitig für die Architektur weitergedachten CAAD-Programme wurden zunächst vor allem für Entwurfsarbeiten eingesetzt, bevor man ihr Potenzial als gestalterisches Forschungsmittel zu nutzen wusste. Inzwischen werden im Computer Wolkenkratzer geplant, die sich verknoten und in den Himmel schlängeln, oder Häuser, die sich wie verdrehte Schwämme um bestehende Bauten winden. Nur an die Verwirklichung solcher Visionen mögen viele nicht recht glauben. Doch die ingenieurtechnischen Fortschritte sind so rasant, dass wohl in wenigen Jahren alles gebaut werden kann, was die Rechner uns heute vorgaukeln.

Sinnvolle Formfindungen

Trotz den Fähigkeiten des Computers stösst aber selbst das Formenrepertoire der schöpferischsten Architekten irgendwann an Grenzen, wie die Meisterwerke von Gehry, Zaha Hadid oder Santiago Calatrava zeigen. Während jedoch Calatrava, der als Ingenieur und Architekt gleichermassen über Statik und Ästhetik seiner Werke gebietet, sich in Sachen Formfindung im Kreise dreht, suchte Daniel Libeskind schon 1996, als er an der Erweiterung des Victoria and Albert Museum (V&A) in London arbeitete, die Inspiration des ingenieurwissenschaftlichen Querdenkers Cecil Balmond. Vielleicht auch deswegen, weil Balmond auf eine ähnlich schillernde Karriere wie Libeskind zurückblicken kann. 1943 in Colombo auf Sri Lanka geboren, wanderte Balmond 1961 nach Nigeria aus, wo er Mathematik studierte. Anschliessend vertiefte er sich im englischen Southampton ins Bauingenieurwesen, leitete aber auch einen Folk-Klub und trat selbst als Musiker auf. Nach der für ihn entscheidenden Aufnahme ins Büro Arup arbeitete der schnell als Tüftler, Erfinder und Künstler bewunderte Ingenieur mit Grössen wie Denys Lasdun und James Stirling zusammen, um schliesslich zum unkonventionellen Mitdenker von Rem Koolhaas zu werden. Seit dem nicht realisierten Rathausprojekt für Den Haag war Balmond an fast allen wegweisenden Koolhaas-Bauten beteiligt. Und der für das chinesische Staatsfernsehen in Peking entworfene CCTV-Tower (2003–2008), der mit seinen Knicken, Verdichtungen und Löchern brüchig wirkt, dank Netzwerkstruktur und statisch raffinierter Aussenhülle aber kräftemässig stabil wie eine Röhre reagiert, dürfte als «fraktales Haus» weitgehend Balmonds Gehirn entsprungen sein, auch wenn die anfängliche Idee auf Koolhaas zurückgehen mag.

Immer wieder betont Balmond denn auch, er dränge sich nicht vor. Bei der V&A-Erweiterung etwa liess er sich von Libeskind die Entwurfsidee genau erklären, brütete dann aber so lange über dem Projekt, bis er – ausgehend von Robert Ammanns aperiodischen Kachelmustern und der Teilung konzentrischer Kreise – zu einer chaotisch-kristallinen Spiralform fand, aus der dann die tanzenden Kisten der leider 2004 gescheiterten Erweiterung resultierten. Durch solche Vorgehensweisen unterscheidet sich die Recherche von Balmond, der den Computer immer wieder mit phantastischen, einer ganzheitlichen Weltsicht entstammenden Ideen herausfordert, von jener der meisten Ingenieure und Architekten. Um sich von naheliegenden Bildern und Lösungswegen zu befreien, greift er etwa zurück auf mittelalterliche Zahlenmystik, pflanzliche Strukturen oder nicht euklidische Geometrien.

Die aus dem V&A-Projekt hervorgegangenen Erkenntnisse flossen ein in den Entwurf des Sommerpavillons der Londoner Serpentine Gallery, den Balmond 2001 mit Libeskind realisierte. Seither war er bei den meisten dieser innovativen Temporärbauten mitbeteiligt: 2005 fand er zusammen mit den Portugiesen Alvaro Siza und Eduardo Souto de Moura eine dynamisch ausbalancierte Antwort auf die kurvig kassettierten Deckengewölbe Pier Luigi Nervis, und im vergangenen Jahr schufen Balmond und Koolhaas ein atmendes, ballonartiges Pavillondach. Einen besonders spannenden Einblick in die Möglichkeiten einer künftigen Baukunst aber gab der 2002 in einem geistigen Pingpong mit Toyo Ito erarbeitete Londoner Pavillon. Dessen vielfach durchlöcherte, von sich überschneidenden Linien und unregelmässigen Vielecken bestimmte Konstruktion veranschaulicht Balmonds Credo «Struktur ist Architektur», das er der modisch-oberflächlichen Verspieltheit der gegenwärtigen Baukunst entgegenhält. Denn es sind nicht verrückte Gebilde und verführerische Hüllen, die ihn primär interessieren, sondern neue strukturelle und materielle Ansätze.

Das Opernhaus von Taichung auf Taiwan, das er bis 2009 mit Ito vollenden will, könnte ein solch wegweisender Bau werden. Hier wandelt sich das algorithmische Linienmuster des Serpentine-Pavillons zu einem wogenden kettenförmigen Gewebe, dessen netzartige Strukturen erst seit kurzem im Computer berechnet und nun sogar im Hochhausbau angewandt werden können. Damit wird es laut Ito erstmals möglich, «die Architektur des Computerzeitalters zu realisieren» – eine Architektur, bei der es weniger um bis anhin wichtige Aspekte wie Schönheit und Funktionalität als vielmehr um neue räumliche Qualitäten geht. Diese erreicht Balmond, indem er Erkenntnisse aus dem Studium mehrdimensionaler Geometrien in die dreidimensionale Welt überträgt.

Fulminante Schau

Auch wer solchen Neuerungen gegenüber skeptisch ist und in der klassischen Entwicklungslinie von Vitruv über Palladio und Le Corbusier bis hin zur zeitgenössischen Schweizer Kiste den Höhenweg der abendländischen Baukunst zu erkennen glaubt, wird fasziniert einen Blick in die jüngste Spezialausgabe des japanischen Architekturmagazins «A+U» werfen, die ganz Cecil Balmonds kreativem Kosmos gewidmet ist. Er wird das von Einfällen nur so funkelnde Buch wie hypnotisiert durcheilen und die Architektur einmal mehr als Abenteuer erleben.

Nicht weniger eindrücklich als dieses Buch ist die grosse Cecil-Balmond-Schau, mit der zurzeit das Louisiana-Museum in Humlebæk bei Kopenhagen die Ausstellungsreihe «Grenzen der Architektur» eröffnet. Wie betörend Balmonds Theorien und Lösungsvorschläge sind, beweisen die Reaktionen der meist unvorbereiteten Museumsbesucher, die auf ihrem Rundgang durch den prachtvoll am Øresund gelegenen Musentempel von der pastellfarbenen Welt eines Philip Guston plötzlich in die an ein Wissenschaftsmuseum erinnernden Balmond-Säle gelangen.

Dem Motto «Rainbow» entsprechend ist der erste Ausstellungsbereich in regenbogenfarbenes Licht getaucht. Hier werden die unendlichen Anregungen vorgestellt, welche die Natur den Forschern seit der Antike gegeben hat und die sich auch Balmond zunutze macht. Der begnadete Lehrer erklärt mittels Video auf leicht zugängliche Weise ganz neue ingenieurtechnische Zusammenhänge und weiss dabei den Bogen zu spannen von Leonardos Wasserstrudel-Studien bis zur heutigen Chaosforschung oder von musikalischen Klängen bis zu den von diesen erzeugten geheimnisvollen, topologisch beschreibbaren Oberflächenstrukturen. Aus den die Schönheit der Natur bestimmenden Zahlen, Proportionen und mathematischen Gesetzen leitet er über dynamisch sich entfaltende Prozesse neuartige Formen ab. An unrealisierten Projekten (etwa dem Chemnitzer Stadion von 1995 oder dem Liverpooler Chavasse-Park von 2000) veranschaulicht er, wie ungeordnete Systeme nach Stabilität suchen. Dann wieder visualisiert er an dem jüngst mit Shigeru Ban gebauten Forest Park Pavillon in St. Louis, Missouri, die Dynamik architektonischer Gleichgewichte.

Unter dem Stichwort «Flux», das auf das Entstehen mehrdimensionaler Objekte in einem gefalteten dreidimensionalen Raum hinweist, demonstriert Balmond die wissenschaftliche Umsetzung seiner Ideen. Sie führt von der Fragestellung über Experimente mit Strukturen und Materialien zu Hypothesen und schliesslich zu Modellen oder konstruierten Organismen, wie man sie zuvor kaum je gesehen hat. Da trifft man auf die Verkleinerung einer kristallinen, räumlich verspannten Decke aus farbigem Glas, die im neuen South Park Theatre in London ihren Platz finden soll, oder auf die «mehr als eine Oberfläche, aber weniger als ein Volumen» verkörpernde Kettenstruktur der Fraktal-Installation «H-Edge». Dann wieder huschen gitterartige Formen über die Wand und erzeugen scheinbar unendliche Räume, durch die man alsbald zu schweben glaubt.

Geometrien, Strukturen und Materialien führen Balmond zu immer andern Bildern, aus denen er die Grundlagen einer zukünftigen Architektur zu extrahieren sucht. So sind denn in der abschliessenden Abteilung «Network» neben skulpturalen Raumobjekten aus Drähten und Netzen Balmonds wichtigste Erfindungen und Realisationen präsent: die für Siza ausgeklügelten Dachkonstruktionen der portugiesischen Weltausstellungspavillons von Lissabon und Hannover ebenso wie die von Linienknoten hergeleiteten, ondulierenden Ebenen des zusammen mit UN Studio entwickelten Bahnhofs von Arnhem (1997–2008), die auf magischen Zahlenfolgen basierenden tanzenden Fassaden einer 2002 mit Toyo Ito entworfenen Hofrandbebauung in Glasgow ebenso wie die Bibliothek von Seattle und die Casa da Música in Porto, die er zusammen mit Koolhaas 2004 und 2005 verwirklichte. Man begegnet aber auch den asymmetrischen Fussgängerbrücken von Coimbra (2006) und Philadelphia (2007) und nicht zuletzt dem ausgehend von welligen Texturen mit Shigeru Ban erarbeiteten Centre Pompidou in Metz (2004–2009), das zwischen Traumbild und Zukunftsvision oszilliert.

Höhepunkt dieses Schlussbuketts bildet neben den Modellen des Pekinger CCTV-Turms der Masterplan für die Erweiterung der Battersea Power Station in London. Hier ist Balmond erstmals als Architekt und ausführender Ingenieur zugleich tätig. Zusammen mit der von ihm im Jahr 2000 bei Arup ins Leben gerufenen multidisziplinären, durch das Crossover von Architektur, Kunst, Wissenschaft und Philosophie geprägten Forschergruppe AGU (Advanced Geometry Unit) entwarf er neben dem Gesamtprojekt auch das dreidimensional verdrehte Geschäftshaus Twist und das von einer Kristall-Geometrie hergeleitete neue South Park Theatre. Diese Arbeiten deuten Balmonds Entschlossenheit an, künftig unabhängig von Architekten Bauten zu kreieren, deren Formen und Räume vor allem die innere Dynamik spiegeln.

Gebaute Wahrzeichen

Auch wenn in der von Balmond mitentwickelten neuen Architektur viel kreatives Potenzial steckt, dürfte sie in nächster Zukunft wohl nur bei ganz spezifischen Bauaufgaben – vornehmlich im kulturellen Bereich – zur Anwendung gelangen. Zum einen, weil sich die neuen architektonischen Erscheinungsbilder nur in gezielten Operationen in unsere traditionellen Städte einpflanzen lassen, zum andern, weil im Wohnungs- und Bürobau, den wichtigsten Aufgabengebieten der Architektur, weiterhin konventionelle Häuser gefragt sein werden. Dies vor allem deshalb, weil sich orthogonale Räume leichter möblieren und damit auch vermieten oder verkaufen lassen als solche mit schrägen und gekrümmten Wänden, Decken oder Böden. Das hat jüngst Zaha Hadids verschachtelter Wohnkomplex am Wiener Donaukanal bewiesen, der bei den Mietern nicht gut ankommt. Balmonds Genie aber könnte Zürich helfen: in Sachen Kongresshaus nämlich. Denn eine von ihm ausgeklügelte, zukunftsweisende Struktur dürfte nicht nur am See ihre Wirkung entfalten; sie könnte auch an einem weniger attraktiven Ort zu einem Aushängeschild der Stadt werden.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2007.07.14



verknüpfte Akteure
Balmond Cecil

05. Juli 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kulturstädte und unberührte Landschaften

Eine reich illustrierte Publikation über das Unesco-Welterbe

Eine reich illustrierte Publikation über das Unesco-Welterbe

Vor 35 Jahren wurde die Unesco-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt in Stockholm verabschiedet. Seither ist das Interesse an den vom Welterbekomitee auf die Liste der Kultur- und Naturdenkmäler aufgenommenen Stätten stetig gewachsen. Einerseits weil sich die ausgezeichneten Orte touristisch in Szene setzen, anderseits weil die Liste der bedrohten Denkmäler immer wieder für rote Köpfe sorgt. Etwa in Dresden, wo sich der Streit um die Verunstaltung des Elbtals durch die banale Waldschlösschenbrücke weiter zuspitzt. Dabei sind die Unterzeichnerstaaten der Konvention verpflichtet, für den integralen Erhalt der von ihnen vorgeschlagenen, vom Welterbekomitee geprüften und dann in die Liste eingetragenen Natur- und Kulturdenkmäler zu sorgen - und darüber hinaus auch für alle anderen Denkmäler im eigenen Land, eine Tatsache, die der Schweizer Innenminister jüngst wohl ausser acht liess, als er einen schrittweisen Rückzug des Bundes aus Heimatschutz und Denkmalpflege ankündigte.

Ehre und Verpflichtung

Selbst wenn man das Unesco-Welterbekomitee in gewissen Punkten kritisieren kann, ist dessen Strenge angebracht, denn kein Bauwerk, kein Ort und keine Landschaft kommt unfreiwillig auf die Welterbeliste. Bedeutet einerseits die angedrohte Streichung von der Liste für ein Denkmal und das Land, das einst dafür den Antrag stellte, eine Schmach, so wird anderseits jede Aufnahme als Ehre und Auszeichnung gefeiert. Sie wird in diesem Jahr zusammen mit zwanzig weiteren Denkmälern - vom irakischen Samarra über die Altstädte von Bordeaux und Korfu bis hin zu den südkoreanischen Jeju-Inseln - dem Weinbaugebiet Lavaux zuteil. Verdientermassen: denn die einst von der Zersiedelung bedrohte Genferseeküste wurde schon im Jahre 1979 vom Kanton Waadt nicht zuletzt dank den Initiativen von Franz Weber weitgehend unter Schutz gestellt. Sie ist zudem eines der aussergewöhnlichsten und weitläufigsten Bauwerke Europas, in welchem Ingenieurskunst, Architektur und Landschaftsgestaltung harmonisch zusammenfinden. Das vielschichtige Mauerwerk der Rebterrassen, dessen Bau vor 1000 Jahren von Benediktiner- und Zisterziensermönchen initiiert wurde, könnte all jene Architekten inspirieren, die dank dem Computer nicht mehr nur in euklidischen, sondern auch in mehrdimensionalen Geometrien projektieren. Denn dieses Geflecht von Mauern, bei dem das Windschiefe, Schräge, Gebrochene, Verwinkelte und Verästelte an die Stelle des Horizontalen und Vertikalen tritt, erweist sich fast schon als Vorwegnahme einer zum Chaotisch-Fragmentierten tendierenden Baukunst.

Gewiss, ähnliche Formen finden sich in vielen Terrassenlandschaften. Wohl nirgends aber wurden sie zu einem derart komplexen, durch alte Dorfkerne akzentuierten Gewebe vereint. Wie exotisch sich die zwischen Riesenbauwerk und Land-Art oszillierende Steilküste des Lavaux auf der mittlerweile mehr als 800 Objekte zählenden Welterbeliste mit ihren archäologischen Orten, historischen Zentren und unberührten Naturlandschaften ausnimmt, zeigt ein Blick auf die Unesco-Website, wo alle Stätten sorgfältig dokumentiert werden, oder besser noch in die unlängst erschienene, reich illustrierte Publikation der «Natur- und Kulturwunder der Welt», die eine erhellende «Rundreise» zu den 170 schönsten Unesco-Welterbestätten ermöglicht.

Den Auftakt zu der nach Kontinenten geordneten Präsentation macht Deutschland mit dem Aachener Dom, der 1978 zusammen mit 11 weiteren Stätten (zu denen die Felsenkirchen von Lalibela in Äthiopien, die Galapagosinseln und der Yellowstone-Park gehörten) die Liste begründete. Am prominentesten vertreten in der Publikation sind Italien und Spanien, die je rund 40 Welterbestätten besitzen, es folgen Frankreich, Deutschland und das rasant aufholende China sowie - schon etwas abgeschlagen - Grossbritannien, Indien und Mexiko mit je rund 25 Objekten. Von den 7 Stätten der Schweiz, die die Konvention als eines der ersten Länder im September 1975 unterzeichnete, werden die Altstadt von Bern, der St. Galler Klosterbezirk und die Burgen von Bellinzona in Wort und Bild vorgestellt.

Natürliche und gebaute Schönheiten

Jedem der 170 ausgewählten Denkmäler ist eine Doppelseite mit Abbildungen, einem Einführungstext sowie einem historischen Abriss gewidmet: der Athener Akropolis ebenso wie der Lagune von Venedig, der Altstadt von Luxemburg ebenso wie den Schlössern von Versailles und Schönbrunn, der englischen Industriestadt Ironbridge, den Gaudí-Bauten in Barcelona und Mies van der Rohes Villa Tugendhat in Brünn, dem Ilulissat-Eisfjord auf Grönland ebenso wie dem Plitwitze-Nationalpark in Kroatien. Die Hälfte der Reise führt durch Europa, dann geht es weiter nach Amerika - von der Stadt Québec bis hinunter zu den Iguazú-Fällen und den chilenischen Holzkirchen auf Chiloé. In Afrika locken das islamische Kairo oder der legendäre Serengeti-Nationalpark, in Asien der Baikalsee, die Chinesische Mauer, die Tempel von Kyoto oder die Stadtkerne von Buchara und Sanaa. Schliesslich tauchen die Naturwunder von Australien und Ozeanien am Horizont auf: der Regenwald von Queensland, aber auch die subarktischen Inseln Neuseelands. Nicht im Buch abgebildet ist das Opernhaus von Sydney, das Ende Juni anlässlich der Tagung des Welterbekomitees in Christchurch gemeinsam mit dem Lavaux aufgenommen wurde. Es stellt gleichsam die Übersetzung der nichtlinear anmutenden Geometrie der Rebterrassen in moderne Schalenkonstruktionen dar. Mit diesem Werk wird erstmals ein Einzelbau eines lebenden Architekten, des Dänen Jørn Utzon, gewürdigt, nachdem zuvor die Werke des bald 100-jährigen Oscar Niemeyer als Teil des Gesamtkunstwerks Brasilia ausgezeichnet worden sind.

Im Anhang der attraktiven Publikation sind alle bis und mit 2005 aufgenommenen Objekte verzeichnet - eine Liste, die um ein Mehrfaches erweitert werden kann - und muss. Dies wird weniger zu einer Verwässerung führen, als vielmehr den Schutzgedanken gegenüber den touristischen Aspekten aufwerten. Bei seiner Auswahl wird das Welterbekomitee weiterhin aus dem Vollen schöpfen können: Allein in unserem Land hoffen so interessante Objekte wie die prähistorischen Ufersiedlungen am Neuenburgersee, die Anlage der Rhätischen Bahn, die planmässig angelegten Uhrenstädte La Chaux-de-Fonds und Le Locle, die Bauten von Le Corbusier und die Glarner Hauptüberschiebung darauf, in den Rang eines Welterbes erhoben zu werden und den daraus resultierenden Verpflichtungen genügen zu dürfen.

[ Die Natur- und Kulturwunder der Welt. Alle Natur- und Kulturstätten der Unesco-Welterbeliste. Chronik-Verlag, Gütersloh 2006. 448 S., Fr. 60.40. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2007.07.05

25. Juni 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Individueller Wohnen

Mit der Geschichte des Wohn- und Büroalltags befasst sich das Vitra-Design- Museum seit Jahren. Nun zeigt es stark künstlerisch geprägte Rauminstallationen von jungen Designern und Architekten.

Mit der Geschichte des Wohn- und Büroalltags befasst sich das Vitra-Design- Museum seit Jahren. Nun zeigt es stark künstlerisch geprägte Rauminstallationen von jungen Designern und Architekten.

Früher liessen die Designer in Sachen Wohnen der Phantasie noch freien Lauf. Alles war möglich: chromglänzende Räume in schwebenden Eier-Häusern, Mini-Apartments mit Betten und Bädern, die man per Knopfdruck verschwinden lassen konnte, zur Orgie einladende Liegezonen aus langflorigem Spannteppich oder Plastic-Ohrensessel, in denen man vom Hausroboter mit Champagner bedient wurde. An solche Utopien haben wir uns längst gewöhnt. Sie erscheinen uns daher kaum bizarrer als die Träume unserer Vorfahren von nostalgischen Schäferwelten à la Marie Antoinette oder archäologisch akkuraten pompejanischen Interieurs.

Mindestens so bequem wie diese finden wir mittlerweile die von der Moderne propagierte funktionale Wohnung in ihrer klaren Leichtigkeit, die mit dem Pomp der Gründerzeit Schluss machte. Selbst Wohnvorstellungen der Nachkriegsjahre, die mehr mit Science-Fiction als mit der alltäglichen Realität zu tun hatten, vermögen uns nicht mehr zu schockieren. So reagieren wir höchstens noch mit einem Lächeln auf die schwülen Kunststofflandschaften, mit denen Verner Panton ein klaustrophobes Leben wie im Mutterschoss beschwor, oder auf die engen Wohnmaschinen, aus denen Kisho Kurokawa jede Gemütlichkeit verbannte.

Lebensraum als Installation

Dieser Entzauberung des häuslichen Daseins durch Architekten und Designer widmete das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein jüngst eine grosse Übersichtsschau. Nun findet am selben Ort mit «My Home» eine Weiterführung des Themas in die unmittelbare Zukunft statt. Die Ausstellung präsentiert Wohnvisionen jüngerer Gestalter und knüpft damit bei früheren experimentell gefärbten Vitra-Veranstaltungen wie «Living in Motion» an. Wer nun aber von den sieben eingeladenen Architekten und Designern exzentrische Entwürfe erwartet, sieht sich getäuscht. Den kreativen Köpfen fehlt es zwar nicht an Ideen. Doch wer glaubt heute noch an echte Innovationen im Wohnbereich? Statt der von Kurator Jochen Eisenbrand gewünschten Vorschläge zu Themen wie Gastlichkeit, Gemeinsamkeit, Unterhaltung und Entspannung schufen die Geladenen - ausgehend von ihren langjährigen Recherchen - räumliche Installationen, in denen der Kunstanspruch weit über der Alltagstauglichkeit steht. Damit spiegeln die Exponate letztlich eine Entwicklung, die immer mehr in Richtung einer Individualisierung des Wohnens weist.

Einer von glitzernd kalter Technik dominierten Welt abschwörend, hängten die Brasilianer Fernando und Humberto Campana vor den Eingang von Frank Gehrys ondulierendem Musentempel einen Vorhang aus Stroh. Dieser entpuppt sich beim Betreten als übergrosse Hütte, deren einzige Einrichtung aus einem groben Holzboden und fühlerartigen Halogenlampen besteht. Den Dialog mit Gehry führt dann der Berliner Architekt Jürgen Mayer H. auf einer abstrakteren Ebene fort, indem er die von ihm umgestaltete Bar zu einer geometrisch-harten, roten Lounge weitet, deren kantige Sitzebenen mit Farbwechsel auf Temperaturänderungen reagieren.

Blitze zucken von hier hinüber in die wogende Wohnlandschaft des Kaliforniers Greg Lynn, der seine aus einem digitalen Entwurfsprozess hervorgegangenen «Ravioli-Sessel» unter quallenförmige Lampenschirme stellt. Dieser Retro- Salon, der - nicht ohne Ironie - viel über Lynns gestalterisches Denken aussagt, ist ebenso der Popkultur der siebziger Jahre verpflichtet wie die blasenförmigen Plexiglas-Vitrinen mit ihren bunten Robotern und Dinosauriern. Durch einen Korallen-Tunnel gelangt man dann hinauf in Jerszy Seymours Raum, über dem auch der Geist der siebziger Jahre schwebt - jener der alternativen Szene allerdings. Denn statt wie Lynn, der sogar Möbel am 3D-Drucker «printen» möchte, auf Computertechnologie zu setzen, glaubt Seymour an ein «primitives» Produktionsverfahren. Seine Möbel fertigt er aus einem auf Kartoffelbasis hergestellten Biokunststoff an, den er über Gussformen aus Sand oder Lehm fliessen lässt. Auf diese Weise entstehen tropfenartige Stühle, Tische und Betten in Gelb und Rosa. Zusammen mit den als Zimmerpflanzen gehaltenen Kartoffelstauden bilden sie ein geschlossenes System, in dem mit grünem Engagement die Energiebilanz möglichst niedrig gehalten wird.

Eine Gegenwelt zu Seymours Öko-Wohnchaos bietet der klinisch grelle Raum des Holländers Jurgen Bey. Mit weissen Stoffbahnen, auf die bald Architekturzeichnungen, bald Kleiderhaken gedruckt sind, definiert er ein perfekt in die verwinkelten Strukturen des Gehry-Baus integriertes Home-Office - möbliert mit einem Schreibtisch und einem als Refugium und Ausguck dienenden Hochstand. Während Bey den Weitblick in der Enge sucht, inszenieren die Franzosen Erwan und Ronan Bouroullec die Wohnung als Landschaft für den modernen Grossstadtnomaden. Ihm stellen sie modulartige Stoffelemente zur Verfügung, mit denen er seinen eigenen zeltartigen Schutzraum errichten kann. Aus diesem Himmelbett des 21. Jahrhunderts schlüpft er dann nur noch, um auf dem leichten Bouroullec- Sessel ein Buch zu lesen oder die Kaffeetasse auf das Beistelltischchen zu stellen.

Möbel als Kunstobjekte

Wollen uns diese harmlosen Erlebniswelten weismachen, dass sich das Wohnen immer mehr der Kunst annähert? Oder wollen sie uns vielmehr lehren, dass man sich nicht länger um Wohndiktate kümmern und wenigstens zu Hause nach seiner Fasson selig werden soll - sei dies mit Topfpflanzen, Plastic-Nippes, intelligenten Möbeln oder einem Zelt im Haus? Eines machen die Wohnszenarien jedoch deutlich: dass Möbel immer mehr zur Dekoration werden. Es erstaunt daher kaum, dass Hella Jongerius in der zentralen Halle die Sessel der Vitra-Sammlung nicht zu einem Wohnraum arrangiert, sondern in einem überdimensionierten Setzkasten zu einem Farbmuster verwebt. Dass es aber über den Stuhl, das klassische Designobjekt schlechthin, noch immer viel zu sagen gibt, zeigt die Parallelveranstaltung im Buckminster-Fuller-Dome. Dort präsentieren die sieben «My Home»-Designer zusammen mit Grössen wie Ron Arad, Frank Gehry, Konstantin Grcic oder Zaha Hadid ihre neusten Möbelkreationen in einer von Rolf Fehlbaum initiierten Luxus-Edition. Der Vitra-Chef vermutet zwar, dass die puritanischen Väter der Moderne, denen es einst um schöne, nützliche und erschwingliche Serienprodukte für breite Bevölkerungskreise ging, die in Auflagen von gut acht Exemplaren und zu Durchschnittspreisen um 100 000 Franken angebotenen Designkunstwerke kritisch betrachten würden. Doch nicht zuletzt dank solchen Sammelstücken lässt sich heute private Design- Forschung überhaupt noch finanzieren.

[ Die Vitra-Edition ist bis 22. Juli im Buckminster-Fuller-Dome zu sehen, die Ausstellung «My Home» im Vitra-Design-Museum dauert bis 16. September. Ein Begleitheft ist in Vorbereitung. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2007.06.25

04. Mai 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Gratwanderung

Im Herbst soll in Paris das grösste Architekturzentrum Europas, die Cité de l'architecture, eingeweiht werden. Bereits eröffnet wurden die Säle für Wechselausstellungen im Palais de Chaillot, wo derzeit Christian de Portzamparc gefeiert wird.

Im Herbst soll in Paris das grösste Architekturzentrum Europas, die Cité de l'architecture, eingeweiht werden. Bereits eröffnet wurden die Säle für Wechselausstellungen im Palais de Chaillot, wo derzeit Christian de Portzamparc gefeiert wird.

Mit schönen Architekturmodellen bezirzt man Bauherren und Investoren. Aber auch Ausstellungsbesucher lassen sich gerne von ihnen verführen. Das wissen die Verantwortlichen der neuen, gegenüber dem Eiffelturm gelegenen Cité de l'architecture in Paris. Noch bevor das grösste Architekturzentrum Europas im September definitiv eingeweiht wird, sollen die architektonischen Träume von Christian de Portzamparc Besucher in die seit Ende März zugänglichen Wechselausstellungssäle locken. Im Werk von Portzamparc, der 1994 als bisher einziger Franzose mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, vereinen sich beispielhaft die beiden Hauptthemen, auf welche die Cité künftig ein Augenmerk richten will: Baukunst und Urbanismus. Seine skulpturalen Bauten eignen sich darüber hinaus bestens für eine effektvolle Zurschaustellung mittels Modellen. So lebt denn die in den Backsteingewölben des Palais de Chaillot von Portzamparc selbst als schillernde, auf die Besucher einstürzende Stadtlandschaft inszenierte Schau von Maquetten in allen Grössen - sowie von Filmen. Diese widmen sich neben dem LVMH-Hochhaus in New York, der Philharmonie von Luxemburg und dem Wohn- und Einkaufszentrum im niederländischen Almere durchwegs Grossprojekten der letzten Jahre, welche entweder erst im Bau oder in Planung sind oder gar nicht realisiert werden.

Schluchten und Türme

Diese Konzentration auf neue, auch dem Fachpublikum teilweise noch kaum bekannte Entwürfe verleiht der Eröffnungsausstellung der Cité zweifellos mehr visuelle Attraktivität als eine thematisch aufgearbeitete Retrospektive, wie sie vor zwei Jahren in Lille zu sehen war. Denn neben den jetzt vorgestellten grossformatigen Bauten und Projekten können sich nur wenige frühere Arbeiten von Portzamparc behaupten, etwa die Cité de la musique, die Portzamparc zwischen 1984 und 1995 in der Pariser Villette realisierte. Sie und der stiefelförmige Crédit-Lyonnais-Turm, der seit 1995 auf dem TGV-Bahnhof von Lille zu reiten scheint, veranschaulichen die beiden zentralen Themen im Schaffen des Pariser Architekten: die von schluchtartigen «Rues intérieures» durchfurchten oder von dynamischen Innenlandschaften belebten Sockelbauten sowie die aufgeständerten, skulpturalen Hochhäuser. Wie diese in jüngster Zeit zu tanzen beginnen, zeigt am Eingang zur Ausstellung der 2005 für Las Vegas entwickelte, in phantastisches Licht getauchte Wohn- und Geschäftskomplex «So Bella», der wie so viele megalomane Visionen des Meisters unrealisiert geblieben ist. Der Ausstellungstitel «Rêver la ville» will ganz offensichtlich nicht nur davon berichten, wie Portzamparc mit seinen baulichen Interventionen die Städte umzugestalten sucht, sondern darüber hinaus auch davon, wie der bald 63-jährige Architekt immer wieder sein Herzblut für Entwürfe vergiesst, die sich letztlich als Traumschlösser erwiesen.

Türme bilden den Hauptakzent der über weite Strecken dem Phalluskult geweihten Schau. Bald drehen sich kubisch abgewinkelte Stelen oder wulstige Hüllen in die Höhe, bald verdichten sie sich zu Clustern, um der Pariser Défense, der Innenstadt von Beirut oder der Gegend um das Uno-Hauptquartier am East River expressive oder auch kitschige Akzente zu verleihen. Dort, in New York, steht auch Portzamparcs bisher wohl elegantester Bau, der 1999 an der 57. Strasse vollendete LVMH-Tower, dessen heitere Ausstrahlung der Franzose jüngst selbst mit einer Erweiterung trüben wollte. Bringt die 100 Meter hohe LVMH-Fassade mit ihren geknickten, bald verglasten, bald verspiegelten Flächen Dynamik in die Strassenflucht, so wird die heitere Schar hoher Wohnbauten, die zwei offene Häuserblocks in Peking füllen soll, zum bunten, quasi-postmodernen Formenspiel und - als allzu geschwätzige Weiterführung seiner Wohnsiedlung in Fukuoka und seines kleinteiligen Metz-Projektes - leider zur architektonischen Patisserie. Einzig der urbanistische Ansatz eines halböffentlichen, parkartigen Innenhofes verspricht einen städtebaulichen Mehrwert. Einen solchen erzielte Portzamparc bereits in Almere, wo er eine kleine Shopping-Mall mittels zweier Strassenschluchten in vier Baukörper aufteilte, auf deren begrünter Dachlandschaft farbige Reihenhäuser wachsen.

Prägte die Idee der Auftrennung grosser Bauvolumen durch tiefe Einkerbungen noch das 2001 konzipierte Musée Hergé in Louvain-la-Neuve, so wird diese im unrealisiert gebliebenen Projekt für die New York City Opera in eine mehrgeschossige, zwischen blutrotem Uterus und Weltraumstation oszillierende Foyerlandschaft transformiert. Die hier erprobte räumliche Anordnung der Volumen steigert der Franzose dann in der Cidade da Musica von Rio de Janeiro zu einem dreidimensional durchgeformten Riesenbau, der im Modell an surrealistische Plastiken von Alberto Giacometti erinnert. Dass sich hier für Portzamparc, dessen Schaffen zwischen 1999 und 2005 mit der Botschaft Frankreichs in Berlin und der Luxemburger Philharmonie auf einem kreativen Tiefpunkt angelangt war, ein Weg aus der Krise anzukündigen scheint, beweist nun ein Film, der es einem schon vor der Fertigstellung des Baus im kommenden Jahr erlaubt, durch das von den Betonskulpturen der brasilianischen Nachkriegsmoderne inspirierte Konzerthaus zu spazieren.

Kunst der räumlichen Inszenierung

Es lag wohl nicht in der Macht des Architekten, den städtebaulich isolierten und fast nur mit dem Auto erreichbaren Musiktempel besser ins städtische Leben zu integrieren. Dennoch lässt sich die Cidade da Musica nur schlecht mit dem von Portzamparc immer wieder propagierten humanen und lebenswerten Urbanismus vereinen. Aber vielleicht erschöpft sich dieser ja in farbenfrohen Häusern und begrünten Dächern. Auch eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Ort lässt sich kaum ausmachen - ausser in einigen mit der städtischen Textur verwobenen Wohnanlagen und den Projekten für die Défense, wo Portzamparc die kantige Skyline der Pariser Bürostadt mit unterschiedlichen Entwürfen - darunter die 180 Meter hohe Tour Granite und der 300 Meter hohe, jugendstilartige Generali-Turm - rhythmisieren und harmonisieren möchte. Mehr noch als der Oberflächenzauber der Fassaden könnte Portzamparcs Kunst der räumlichen Inszenierung diesem Stadtviertel jene Spannung verleihen, von der bisher die Interieurs seiner besten Werke lebten und mit der er nun auch in der Ausstellung seine Architektur ganz direkt erfahrbar machen möchte.

[ Bis 16. September in der Cité de l'architecture in Paris. Katalog: Christian de Portzamparc. Rêver la ville. Hrsg. Sophie Trelcat. Editions du Moniteur, Paris 2007. 310 S., Euro 50.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.05.04

17. April 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Auf der Suche nach einer neuen Identität

Städtebau in Johannesburg - eine Ausstellung in der Architekturakademie Mendrisio

Städtebau in Johannesburg - eine Ausstellung in der Architekturakademie Mendrisio

Am Anfang war der Goldrausch. Er führte 1886 auf Südafrikas kargem Hochland zur Gründung von Johannesburg. Elf Jahre später besass die Stadt bereits ein schachbrettartig angelegtes Zentrum, aber auch erste isolierte «Native Locations». Sie leiteten jene rassistisch begründete urbanistische und gesellschaftliche Trennung ein, die vor dem Zweiten Weltkrieg zur Schaffung der Soweto genannten South West Township führte. Später wurden - nicht zuletzt aufgrund sicherheitstechnischer Erwägungen - ein gigantisches Autobahnnetz und schliesslich die Überformung des Zentrums durch Hochhäuser nach amerikanischem Vorbild in Angriff genommen. Nach dem Ende der Apartheid verliessen immer mehr internationale Firmen das Geschäftszentrum.

An seiner Stelle boomt seither der im vornehmen Norden gelegene Stadtteil Sandton. Schuld an dieser Verlagerung war nicht zuletzt die wachsende Gewalt in weiten Teilen des rund 10 Millionen Einwohner zählenden Grossraums Johannesburg, der heute zehn Prozent des Bruttosozialprodukts Afrikas erwirtschaften soll. Neben Armut ist hier daher auch viel Geld vorhanden. Davon zeugen ummauerte Nobelviertel im Stil italienischer Kleinstädte oder bunter Spielzeugdörfer.

Trotz vielfältigen Problemen wird Johannesburg von Städtebautheoretikern zu den wenigen Megastädten gerechnet, die einigermassen hoffnungsvoll in die Zukunft blicken dürfen. Denn anders als etwa Mexiko oder Moskau setzt die südafrikanische Metropole nicht auf ungebremste Expansion, sondern auf das sozialverträgliche Verweben des unter der Apartheid fragmentierten Stadtteppichs. Das veranschaulicht die Johannesburg-Schau, die derzeit im Rahmen einer Ausstellungsreihe über Boomstädte in der Galerie der Architekturakademie Mendrisio zu sehen ist.

Zwei Filme über das urbanistische Flickwerk von Johannesburg und die bauliche Monotonie von Soweto führen ins Thema ein. Im grossen Ausstellungssaal sind dann David Goldblatts suggestive Stadtansichten einem historischen Panorama gegenübergestellt. Das Hauptaugenmerk gilt aber zwei Dutzend architektonischen und städtebaulichen Eingriffen aus den letzten zehn Jahren, deren Ziel es unter anderem ist, soziale, politische und kulturelle Trennungen zu überwinden und den Heilungsprozess des Stadtkörpers zu beschleunigen. Grosse Bedeutung kommt dabei der Errichtung neuer Sozialbauten und der Sanierung der Armenviertel zu, wie etwa das brückenartig über den Hütten des einstigen Schwarzenghettos Alexandra erbaute Nelson Mandela Interpretation Centre von Rich Martins zeigt.

Man investiert aber auch in neue Quartiere wie Melrose Arch, ein kleinstädtisches Idyll mit Geschäften, Strassencafés, Büros und Wohnungen nach den Vorstellungen des New Urbanism, oder in postmoderne Anlagen wie den Mandela Square von Meyer Pienaar in Sandton. Zu den baukünstlerisch überzeugendsten Arbeiten gehören das Apartheid Museum in Ormonde und das Hector Pieterson Memorial in Soweto von Mashabane Rose Architects oder das durch Katte Otten Architects zum Sitz der Gleichstellungskommission umgebaute Frauengefängnis von Braamfontein. - Alle Exponate sind im attraktiven Katalog wiedergegeben, der zudem Analysen der heutigen Situation von Johannesburg bietet.

[ Bis 10. Mai (von Mittwoch bis Sonntag). Katalog: Johannesburg. Emerging / Diverging Metropolis. Hrsg. Lindsay Bremner und Pep Subirós. Mendrisio Academy Press, 2007. 173 S., Fr. 25.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2007.04.17

04. April 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Formale Klarheit

Zum Tod des Architekten Livio Vacchini

Zum Tod des Architekten Livio Vacchini

Als Mitte der siebziger Jahre die Kunde von einer neuen, regional geprägten Tessiner Baukunst um die Welt ging, glaubte man in Mario Botta, Aurelio Galfetti, Luigi Snozzi und Livio Vacchini Vertreter einer einzigen «Tendenza» zu sehen. Doch dann zeigte es sich, dass jeder dieser Meister einen eigenen Ausdruck pflegte. Am sperrigsten sollte sich das Werk des am 27. Februar 1933 in Locarno geborenen Vacchini entwickeln. Mit seinen klassisch gedachten, aber kompromisslos ausgeführten Bauten stellte er bald schon architektonische Modeströmungen in Frage. So wagte er - ausgehend von Mies van der Rohes Rationalismus und Louis Kahns konstruktiver Logik - eine kreative Auseinandersetzung mit den postmodernen Tendenzen jener Zeit. Davon zeugt das Schulhaus von Montagnola, in dem er die Antike befragte, oder die dem Kontext verpflichtete Casa Rezzonico in Vogorno im Verzascatal.

In den neunziger Jahren wurde Vacchinis Architektursprache zusehends rigoroser, so dass einem die Turnhalle in Losone wie eine Neuinterpretation des revolutionären Klassizismus aus dem Geist der Spätmoderne erschien. Sein Hang zur Abstraktion, der sich bereits 1985 im tischartigen Atelierhaus in Locarno angekündigt hatte, steigerte sich im Spiegelmonolithen des Postgebäudes an der Piazza Grande von Locarno zum spröden Architekturtraktat. Es erstaunt daher nicht, dass Vacchini ausserhalb seiner Heimat vor allem in Frankreich Erfolge feiern konnte. Zwar schmerzte ihn das Scheitern seines grandiosen, zusammen mit Silva Gmür konzipierten Projekts für ein neues Rathaus in Nizza. Doch gab er sich nicht geschlagen, selbst als sein 1997 preisgekrönter kristalliner Entwurf für die neue Synagoge in Dresden unausgeführt blieb.

Seinen letzten grossen Wurf konnte er vor drei Jahren realisieren: die von einem dunklen Stahlgitter umhüllte Galleria Luini in Locarno. Sie offenbart die Quintessenz seines theoretischen und praktischen Schaffens sowie seinen Sinn für grosse Formen und perfekte Proportionen. In diesem spürt man Vacchinis Liebe zur hellenischen Welt, der er in seinem vollkommensten Werk ein Denkmal setzte: der zwischen Olivenbäumen in Contra hoch über dem Lago Maggiore gelegenen Casa Vacchini. Nicht dort, sondern im Spital von Basel ist nun Livio Vacchini am 2. April im Alter von 74 Jahren gestorben. Mit ihm verliert die Schweiz einen grossen Architekten.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2007.04.04



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Vacchini Livio

30. März 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Meister des Hightech

Die Eröffnung der Kulturmaschine des Pariser Centre Pompidou machte Renzo Piano und Richard Rogers 1977 zu Stars. Neun Jahre später konnte Rogers mit dem...

Die Eröffnung der Kulturmaschine des Pariser Centre Pompidou machte Renzo Piano und Richard Rogers 1977 zu Stars. Neun Jahre später konnte Rogers mit dem...

Die Eröffnung der Kulturmaschine des Pariser Centre Pompidou machte Renzo Piano und Richard Rogers 1977 zu Stars. Neun Jahre später konnte Rogers mit dem Lloyds's Building eine Ikone des britischen Hightech vollenden. Auch wenn der 1933 in Florenz geborene Londoner dem technischen Ausdruck treu geblieben ist, werden seine Bauten heute nicht mehr von reiner Zukunftseuphorie bestimmt. Im Zentrum von Rogers' Entwurfsarbeit steht vielmehr das Ringen um eine umweltverträgliche Baukunst. Dies hält ihn aber nicht davon ab, Megaprojekte wie den Millennium Dome oder den im vergangenen Jahr eingeweihten Madrider Flughafen Barajas zu realisieren. Zu seinen bekannteren Werken zählen ausserdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg, die Justizpaläste von Bordeaux und Antwerpen sowie das walisische Regierungsgebäude in Cardiff. Bedeutender als seine Bauten waren in den vergangenen Jahren jedoch seine theoretischen Äusserungen. So skizzierte er 1997 seine Visionen für «Cities for a small planet» und beanstandete später die «erschreckenden architektonischen und städtebaulichen Standards» unserer Zeit. Nicht zuletzt für dieses ethische Engagement auf dem Gebiet der Architektur wird nun Lord Rogers of Riverside mit dem seit 1979 jährlich verliehenen und mit 100 000 Dollar dotierten «Nobelpreis der Architektur» ausgezeichnet. Damit setzt die im vergangenen Herbst um Toshiko Mori, Shigeru Ban und Renzo Piano erweiterte Jury einmal mehr auf einen bewährten Altmeister.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.03.30



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Rogers Richard

23. März 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Minimalistische Schatztruhe

Am St.-Jakobs-Platz in München konnte am Donnerstag das neue Jüdische Museum eröffnet werden. Mit kleinen, aber ehrgeizigen Ausstellungen will das Haus zu einem Ort des Dialogs werden.

Am St.-Jakobs-Platz in München konnte am Donnerstag das neue Jüdische Museum eröffnet werden. Mit kleinen, aber ehrgeizigen Ausstellungen will das Haus zu einem Ort des Dialogs werden.

Als hässlicher Hinterhof mitten in Münchens Altstadt, an dem die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs nur notdürftig behoben schienen, war einem der St.-Jakobs-Platz in Erinnerung. Doch nun hat sich das Aussehen der einst windigen Freifläche grundlegend gewandelt. Zwei skulpturale Solitäre und eine Hofrandbebauung geben dem Ort neuen Halt und setzen architektonische, gesellschaftliche und politische Zeichen. Der neue Baukomplex, der als das eindrücklichste jüdische Zentrum in Europa gilt, ist aus einem Wettbewerb hervorgegangen, den die Saarbrücker Architekten Wandel Hoefer Lorch vor sechs Jahren für sich entscheiden konnten. Das städtebaulich präzise Ensemble umfasst neben Synagoge und Gemeindehaus ein von der Stadt München finanziertes und betriebenes Jüdisches Museum.

Städtebauliche Präzision

Wie schon bei ihrer Dresdner Synagoge befolgten die Architekten auch bei dem bereits im vergangenen November geweihten Münchner Sakralbau (NZZ 10. 11. 06) die Ende der achtziger Jahre von Salomon Korn geforderte Vereinigung von Stiftszelt und Tempel, indem sie dem schweren Sockel aus grob behauenem Travertin eine gläserne, durch ein Geflecht von bronzenen Davidsternen strukturierte Laterne aufsetzten. Ausgehend von diesem Symbolismus, der auf die zwischen Provisorium und Dauer schwankende jüdische Existenz hinweisen will, ist Wandel Hoefer Lorch erneut ein Gotteshaus von grosser physischer Präsenz und spiritueller Ausstrahlung gelungen. Im Innern vermag es den synagogalen Widerspruch von Langhaus und Zentralbau aufzulösen, während es mit seinem Äusseren als neues Münchner Wahrzeichen in Erscheinung tritt.

Der Synagoge ordnen sich die anderen Gebäude unter. Die abgestufte Kubatur des Gemeindehauses ergänzt das fragmentierte Stadtgewebe diskret. Auch das Museum gibt sich zurückhaltend - und nimmt doch eine urbanistische Schlüsselstellung ein. Mit seinem verglasten Erdgeschoss und dem darüber schwebenden Kubus aus poliertem Travertin bildet es die formale Antithese zur Synagoge. Erinnerungen an den Münchner Bau der Sammlung Goetz von Herzog & de Meuron kommen auf. Die Ähnlichkeiten sind aber rein äusserlich, denn das Jüdische Museum gehorcht einer anderen Logik.

Das helle Foyer wirkt mit seiner Fachbuchhandlung und der Café-Bar einladend und gibt Blicke frei auf die Umgebung. Man fühlt sich gut hier, wohl gerade weil alles so einfach und unspektakulär ist. Neben der Kasse geht es hinab ins Untergeschoss, wo in einem knapp 300 Quadratmeter grossen Saal die Dauerausstellung gezeigt wird. Sie muss fast ohne Meisterstücke jüdischen Kunsthandwerks auskommen, gewährt jedoch einen interessanten Einblick in die Geschichte der Juden in München. Zurück im Foyer, kann man über eine Treppenkaskade, die bald an die Alte Pinakothek, bald an Libeskinds Jüdisches Museum erinnert, hinaufsteigen zu zwei übereinanderliegenden, fensterlosen Räumen, die in ihren Abmessungen exakt der Eingangshalle entsprechen. Hier finden in den nächsten zwölf Monaten acht Wechselausstellungen zu verschiedenen «Formen des Sammelns von Judaica und des Sammelns durch Juden» statt. Im unteren Saal werden derzeit 26 wertvolle jüdische Kultgegenstände und Handschriften aus dem einstigen Besitz der Wittelsbacher gezeigt, die im Bayerischen Nationalmuseum und in der Bayerischen Staatsbibliothek die Nazizeit überstanden: vom goldenen Hochzeitsring mit gotischem Miniaturhaus, der seit 1598 in der Schatzkammer der Residenz aufbewahrt wird, bis zum ersten in Deutschland geschriebenen jüdischen Bibelkommentar.

Die Sammlung Pringsheim

Der obere Ausstellungsraum ist Thomas Manns jüdischen Schwiegereltern gewidmet. Im Stadtpalais an der Arcisstrasse, in welchem der Schriftsteller einst «nichts als Kultur» spürte, hüteten die Pringsheims hochbedeutende Majoliken und Goldschmiedearbeiten der Renaissance, einen den Musiksaal schmückenden Wandfries von Hans Thoma sowie mehrere Lenbach-Porträts von Familienmitgliedern. Nachdem der 83-jährige Alfred Pringsheim 1933 sein Haus zu einem Spottpreis an die Nazis hatte abtreten müssen, ging er bald auch seiner Sammlung verlustig. Die kostbarsten Stücke musste er 1939 den Berliner Museen schenken, den Rest in London versteigern.

Nun bietet eine kleine, vom Wiener Architekten Martin Kohlbauer suggestiv inszenierte Schau anhand von 32 Leihgaben aus europäischen Museen und dem Thomas-Mann-Archiv in Zürich die Gelegenheit, sich ein Bild von der Kunstleidenschaft der Pringsheims zu machen. Die Folgeveranstaltungen dürften es schwer haben, das Niveau der Eröffnungsausstellungen zu halten. Gleichwohl stehen die Chancen gut, dass sich dieses heitere Haus als Ort der Reflexion und des Dialogs wird etablieren können.

[ Die Pringsheim-Ausstellung dauert bis zum 10. Juni, die Wittelsbacher-Schau bis zum 24. Juni. Kataloge je Euro 12.-. Die nächstfolgenden Ausstellungen beleuchten die jüdische Volkskunst in Bayern (ab 26. Juni) und die «Volkskunst-Mode» der Wallachs (ab 10. Juli). Der Museumskatalog kostet Euro 12.95. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.03.23



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08. März 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Spröde Monumente

Die neue Architektur Graubündens ist für ihre Kargheit und ihre handwerkliche Perfektion bekannt. Eine Ausstellung im Gelben Haus in Flims rückt nun einige der besten Bauten ins Rampenlicht.

Die neue Architektur Graubündens ist für ihre Kargheit und ihre handwerkliche Perfektion bekannt. Eine Ausstellung im Gelben Haus in Flims rückt nun einige der besten Bauten ins Rampenlicht.

Alles fing an mit Peter Zumthor. Vor ihm beherrschten zwar schon einige ausdrucksstarke, um 1970 entstandene Betonburgen von Schul- und Klosteranlagen die Landschaft. Doch erst die Bilder von Zumthors schindelverkleideter Kapelle Sogn Benedetg in Sumvitg gingen um die Welt und kündeten Ende der achtziger Jahre von einer neuen Baukultur in Graubünden. Diese etablierte sich dank engagierten Bauherren und einer von der öffentlichen Hand getragenen Wettbewerbskultur, die es Architekten wie Bearth & Deplazes oder Jüngling & Hagmann ermöglichte, kompromisslose, aber immer vom Kontext und vom Handwerk aus gedachte Bauten zu realisieren. Dabei handelte es sich - wie beim Tessiner Architekturwunder der siebziger Jahre - zunächst vor allem um Schulbauten. Inzwischen wurden die wichtigsten Aufträge vergeben; und der Nachwuchs hat es nicht mehr ganz so einfach, sich zu behaupten. Das zeigte vor einem Jahr die Ausstellung «Werdende Wahrzeichen» im Gelben Haus in Flims, in der nur wenige öffentliche Projekte zu sehen waren. Von den damals vorgestellten Entwürfen sind inzwischen Bottas Wellnessanlage des «Tschuggen» in Arosa und Corinna Menns Aussichtsplattform vollendet, die wie ein Adler hoch über der Rheinschlucht bei Flims schwebt.

Bilderreigen

Corinna Menn darf als die grosse Newcomerin der Bündner Architekturszene bezeichnet werden. Die 33-Jährige, die als erste Frau in Chur ein eigenes Büro führt, konnte nämlich im vergangenen Jahr noch einen weiteren Vorzeigebau fertigstellen: die Erweiterung eines Behindertenwohnheims in Scharans im Domleschg. Gleichwohl findet man ihre Bauten ebenso wenig wie Ben van Berkels geschliffen elegante Erweiterung des Hotels Castell in Zuoz oder Norman Fosters kürbisförmiges Apartmenthaus in St. Moritz in der Ausstellung «Gebaute Bilder», die nun wiederum im Gelben Haus stattfindet. Denn die an sich klug konzipierte Präsentation zeitgenössischer Bündner Architektur beschränkt sich leider auf nur 33 Bauten aus den letzten zwanzig Jahren. Im Zentrum stehen die Aufnahmen des Churers Ralph Feiner, die ergänzt werden durch Bilder anderer bekannter Architekturfotografen.

Im Eingangsgeschoss des Gelben Hauses, das vor einigen Jahren als schneeweisses Wahrzeichen der alpinen Baukunst selbst Furore machte, demonstrieren unterschiedlich grosse Abbildungen, wie stark Architekturaufnahmen unsere Vorstellungen von Gebäuden bestimmen. Zu sehen sind 12 Bauten für Verkehr und Arbeit: vom schwindelerregenden Traversiner-Steg in der Via Mala bis zum harmonisch gefassten «Plaz» in Ems und von den Ställen in Vrin bis zur Therme in Vals. Im ersten Stock wird dann die internationale Verbreitung der Bündner Architektur durch Bücher und Zeitschriften am Beispiel von 11 Kulturbauten veranschaulicht: darunter die Schulen von Mastrils und Vella, die Villa Garbald in Castasegna oder die Nepomuk-Kapelle in Oberrealta. Spätestens hier wird einem bewusst, dass - mit Ausnahme der spanischen Fachzeitschrift «2G», die im Jahr 2000 der «Arquitectura recienta en los Grisones» eine hervorragende Nummer widmete, und dem kleinen Führer «Bauen in Graubünden» - bis anhin keine grundlegende Übersicht über die neue Bündner Architektur existiert, was beim wissenschaftlichen und touristischen Potenzial des Themas doch einigermassen erstaunt.

Ideen für Flims

Dabei zeugt der Erfolg des erwähnten Führers, der nun in der dritten, völlig überarbeiteten und erweiterten Form vorliegt, aber nur 66 Bauten in Wort und Bild sowie weitere 75 in Kurztexten vorstellt, vom breiten Interesse an der Baukunst Graubündens. Auf ihm basiert auch die Flimser Schau. Einzig bei den 10 im Dachgeschoss projizierten Wohnbauten und Einfamilienhäusern findet eine kleine Abweichung von seinem Urteil statt, indem das exzentrische Frühwerk des jungen Engadiners Kurt Lazzarini eingeschmuggelt wurde. Der Bilderreigen lässt aber nicht nur wichtige Bauten, sondern auch gewisse Aspekte der Bündner Architektur ausser acht. Vielleicht um weitere Ausstellungen zu ermöglichen: etwa über Gemeinsamkeiten in der Formensprache, über die Auseinandersetzung mit dem städtebaulichen oder landschaftlichen Kontext, über die Beiträge auswärtiger und ausländischer Architekten, über die Bedeutung der Interventionen von Gion A. Caminada in Vrin und Marlene Gujan im Val Medels als Antithese zur Theorie der alpinen Brachen - oder über die Baukunst im architektonisch chaotischen Flims. So könnte der Ferienort dort, wo unlängst ein ganzes Häusergeviert abbrannte, ein beherztes urbanistisches und baukünstlerisches Zeichen setzen mittels eines im Gelben Haus präsentierten Ideenwettstreits unter einheimischen Architekten.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2007.03.08

06. März 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Traurige Städte

Dank Hochglanzbildern findet ein immer breiteres Publikum Zugang zur heutigen Architektur. Nun wird auch das fotografische Potenzial der Städte ausgelotet, wie eine Ausstellung in Düsseldorf zeigt.

Dank Hochglanzbildern findet ein immer breiteres Publikum Zugang zur heutigen Architektur. Nun wird auch das fotografische Potenzial der Städte ausgelotet, wie eine Ausstellung in Düsseldorf zeigt.

Sie nennt sich «Spectacular City», die grosse Fotoausstellung über die Stadt von heute, welche derzeit im NRW-Forum in Düsseldorf zu Gast ist. Doch nur auf wenige Bilder trifft das im Zusammenhang mit Architektur so gern benutzte Modewort «spektakulär» zu. Gleichwohl ist der Auftakt zur zweigeteilten Schau imposant. Am einen Eingang zelebriert der Düsseldorfer Superstar Andreas Gursky grossstädtische Fassaden: von Oscar Niemeyers Copan-Hochhaus, bei dem er Strassen- und Hofansicht zu einem bunten, geometrischen Kontinuum verschweisst, oder von Norman Fosters Bankenturm in Hongkong, dessen beleuchtete Etagen zum abstrakten Theater einer seelenlos modernen Welt werden, die irgendwie an Jacques Tati zu erinnern scheint.

Düstere Zukunft

Doch geht es Gursky weniger um eine Kritik an der Stadt als vielmehr um kühl manipulierte Bestandesaufnahmen. Ganz anders Balthasar Burkhards Grossformate am entgegengesetzten Ausstellungseingang. Die braunweissen Flugaufnahmen dokumentieren am Beispiel von Paris die Unermesslichkeit eines Stadtkörpers, der nach eigenen Gesetzen gewachsen und gewuchert ist. Dem Berner nahe steht Naoya Hatakeyama. Dieser versucht mit Luftaufnahmen, welche die stets gleichen Blickwinkel von Tokio - bald im Schnee, im Smog, im Abendlicht oder im nächtlichen Flackern - zeigen, die wechselnde Atmosphäre einzufangen. Die Debatte über den Zustand der ins Gigantische wachsenden oder aber dramatisch schrumpfenden Städte, die spätestens seit der letzten Architekturbiennale von Venedig virulent ist, wird also vermehrt auch mit den Mitteln der Fotografie geführt. Dabei interessieren sich die 29 hier eingeladenen Künstler, unter denen man die Stimmen von Gabriele Basilico, Günter Förg, Walter Niedermayr oder Hiroshi Sugimoto vermisst, vor allem für den Verfall, das Bizarre oder Hässliche von Bauwerken und urbanen Szenerien. Ob diese traurigen, meist menschenleeren Städte unsere Zukunft spiegeln, wie der Untertitel der Schau - «Photographing the Future» - zu suggerieren sucht, ist wohl mehr als fraglich.

Die meisten Fotos widerlegen zudem die Behauptung von Rem Koolhaas, Architekturbilder seien «zum wahren Sexobjekt, zum Objekt unseres Begehrens geworden». So frönt Oliver Boberg einem metropolitanen Ruinenkult, Aglaia Konrad spürt brüchige Wohnburgen auf, und Heidi Specker versucht, die schäbige Aura von Beton und blindem Glas einzufrieren. Sze Tsung Leong dokumentiert die chinesische Begeisterung für stramm ausgerichtete Schlafstädte, Thomas Struth deckt die architektonischen Widersprüche von Lima auf, und der Holländer Frank van der Salm verfremdet Bauten und ganze Stadtlandschaften zu kitschig-süssen oder ausdrucksstarken Farbräumen. Mit einer der Ikonen dieser Schau wartet der junge Belgier Geert Goiris auf: dem abgetakelten Transportministerium in Tiflis, das von einer längst vergangenen Experimentierlust im ehemaligen Sowjetstaat zeugt. Das andere Bild, vor dem viele Besucher stehenbleiben, stammt vom 33-jährigen Londoner Dan Holdsworth und zeigt ein turmförmiges Lichtobjekt, das geradezu ausserirdische Züge annimmt. Nicht weniger surreal wirkt die mosaikartige Bildtapete des Davosers Jules Spinatsch, die das Weltwirtschaftsforum irgendwo zwischen Überwachungsstaat und Märchenwald inszeniert.

Einen Hauch von Poesie verströmen hingegen Thomas Ruffs verschwommen flaschengrüne Infrarotaufnahmen von Hinterhöfen, Parkplätzen oder Hafenarealen. Ruff betont denn auch, ihn interessiere nicht länger die Architektur als real existierende Entität, sondern nur das Bild, das von ihr gemacht werde. Damit nähert er sich der Sichtweise von Jacques Herzog, welcher der Meinung ist, die Realität von Architektur sei nicht gebaute Architektur. Herzog & de Meuron zählten denn auch zu jenen Architekten, die sich schon früh von der Fotografie als dem klassischen Propagandamedium der Architektur abwandten und das Potenzial einer rein künstlerischen Interpretation ihrer Bauten erkannten. So liessen sie 1991 auf der Architekturbiennale in Venedig ihre Bauten im Schweizer Pavillon von den vier Fotokünstlern Burkhard, Ruff, Margherita Spiluttini und Hannah Villiger ganz subjektiv ausloten, was damals von vielen nicht verstanden wurde.

Fiktion und Realität

Seither hat die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Gebauten weiter an Bedeutung gewonnen, wie eine Vielzahl von Ausstellungen mit Architektur- und Städtebildern in aller Welt zeigte. Von diesen könnte man die «Arquitectura sin sombra»-Schau, die vor sechs Jahren im Centre de Cultura Contemporània in Barcelona zu sehen war, als das intime, ganz auf den Einzelbau ausgerichtete Gegenstück zur Düsseldorfer Präsentation bezeichnen, die Aaron Betsky vom Nederlands Architectuur Instituut ursprünglich für sein Rotterdamer Haus konzipierte. Erstaunlich nur, dass er auf die Bilder von Fischli/Weiss verzichtete. Ihr schalkhafter Blick auf das Biedere und Unspektakuläre der Grossstadtlandschaft dürfte mindestens ebenso der Wirklichkeit entsprechen wie das nicht mehr nur von Endzeit- Gurus beschworene Drohende und Unbehauste. Der anregenden, aber etwas allzu heterogenen und damit unverbindlichen Schau versucht der schön gemachte Katalog kunsthistorischen und philosophischen Tiefgang zu verleihen. Doch beweist das intellektuelle Bilderbuch letztlich vor allem eines: dass die meisten ausgestellten Fotos nur im Original ganz zu ihrem Recht kommen.

[ Bis 6. Mai. Katalog: Spectacular City. Photographing the Future. NAI Publishers, Rotterdam 2006. 180 S., Euro 47.50. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2007.03.06

02. März 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Städtebauliches Zeichen

Eine Museumserweiterung für Aarau

Eine Museumserweiterung für Aarau

Im Schlössli, einem umgebauten mittelalterlichen Turm am Nordende des Grabens, besitzt Aarau seit 1939 ein eigenes Stadtmuseum. Noch heute stehen das alte Stadtmodell und die Epochenzimmer im Mittelpunkt der Sammlungspräsentation, obwohl das Haus inzwischen gut 100 000 Objekte hütet. Um diese verborgenen Schätze ans Licht zu bringen und um Wechselausstellungen zu ermöglichen, plant die Stadt nun einen Erweiterungsbau. Dazu führte sie einen Wettbewerb unter geladenen Architekten durch, welche eine breite Palette an Vorschlägen einreichten: Auf die erhöht zwischen dem Schlössli und dem klassizistischen Haus zum Schlossgarten gelegene Schlosspark-Wiese, von der aus man über eine Holzbrücke den Museumsturm betritt, möchte Valerio Olgiati einen Ausstellungskubus placieren, der in seiner dunklen Trutzigkeit an Blade-Runner- Architektur erinnert. Baumann & Roserens schlagen eine schwebende Vitrine vor und Eckert & Eckert (e2a) eine kubisch geknickte Wallmauer, welche die Ausstellungstrakte aufnimmt. Anders als diese Entwürfe käme das Siegerprojekt von Diener & Diener westlich des Schlösslis und damit ausserhalb des Perimeters zu stehen und würde damit eine völlig neue Erschliessung der zurzeit nur über steile Treppen zugänglichen Turmräume ermöglichen.

Künftig könnte der wehrhaft wirkende steinerne Anbau den bisher fehlenden städtebaulichen Fluchtpunkt des Grabens bilden und den Schlossplatz richtig fassen. Im Erdgeschoss soll ein grosser, verglaster Schlund in die neue Eingangshalle führen. Darüber sind mit Oberlichtern erhellte Ausstellungsflächen vorgesehen, von denen aus behindertengerechte Durchgänge in die Schauräume des Turms führen. Zuoberst - hinter dem hölzernen Dachaufsatz - wird die Verwaltung neue Büroräume erhalten. Das urbanistisch überzeugende Projekt, das sich in seiner Sensibilität durchaus mit den Interventionen von Miller & Maranta in der Altstadt und von Herzog & de Meuron beim Kunstmuseum vergleichen lässt, hat nur einen Schönheitsfehler: Ihm müsste ein stolzer Mammutbaum geopfert werden. Doch vielleicht lässt sich während der Überarbeitung durch eine leichte Rückversetzung des Neubaus auch diesbezüglich eine Lösung finden.

[Die vier Projekte sind am 2. und 3. März von 14 bis 17 Uhr sowie am 7. März von 14 bis 19 Uhr im Stadtmuseum Schlössli am Schlossplatz 23 in Aarau zu sehen. Begleitbroschüre gratis. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.03.02

21. Februar 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Rationalistische Idealstädte

Im Rahmen ihrer Ausstellungsreihe über Megastädte widmet sich die Galleria dell'Accademia in Mendrisio derzeit den Planstädten Brasilia und Chandigarh. Entstanden ist eine vielschichtige Schau.

Im Rahmen ihrer Ausstellungsreihe über Megastädte widmet sich die Galleria dell'Accademia in Mendrisio derzeit den Planstädten Brasilia und Chandigarh. Entstanden ist eine vielschichtige Schau.

In schneller Abfolge zieht die Galerie der Architekturakademie Mendrisio ihren Ausstellungszyklus über aufstrebende Metropolen und die Verstädterung der Welt durch. Damit versucht sie sich geschickt als das aktivste und für Besucher attraktivste Architekturinstitut der Schweiz zu etablieren. Nach den wuchernden Megastädten Mexiko und Moskau, in welchen die baukünstlerischen Juwelen im unendlichen Häusermeer verschwinden und die Urbanisten sich mit stets neuen Realitäten arrangieren müssen, haben nun zwei «kleinere» Städte ihren Auftritt: Brasilia und Chandigarh. Gemeinsam ist ihnen nicht nur die Stellung als Hauptstädte (von Brasilien beziehungsweise des indischen Punjab), sondern auch die Tatsache, dass es sich bei beiden um wegweisende Planstädte mit einer Vielzahl architektonisch hochbedeutender Bauwerke handelt.

Funktional und doch human

Noch immer bieten diese in den fünfziger Jahren nach rationalistischen Gesichtspunkten auf dem Reissbrett entworfenen urbanen Konstrukte humanere Lebensbedingungen als andere Millionenstädte in Schwellenländern. Gleichwohl wurden sie schon in den sechziger Jahren als Fehlplanungen angeprangert - zunächst von Jane Jacobs, dann von einer wachsenden Zahl von Kritikern. Beanstandet wurde namentlich die funktionalistische Trennung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Dem damit verbundenen grosszügigen Layout ist es aber zu verdanken, dass die Städte die Belastungen durch die dem ursprünglichen Konzept zuwiderlaufende Verdichtung und Slumbildung an den Rändern verkraften konnten. In Chandigarh führten allerdings Armut und politisches Desinteresse zur Vernachlässigung des gebauten Patrimoniums, von der auch Le Corbusiers Regierungsbezirk nicht verschont blieb. Das 1987 zum ersten modernen Unesco-Welterbe ernannte Brasilia vermag hingegen heute noch mit Oscar Niemeyers Regierungsbauten, Kirchen und Musentempeln zu begeistern.

Unter dem Titel «Twilight of the Plan: Chandigarh and Brasilia» vermischt die suggestive, von Josep Acebillo, Maristella Casciato und Stanislaus von Moos kuratierte Schau in Mendrisio architektonische und urbanistische Aspekte. In einer symmetrischen Inszenierung zelebriert sie die Genese der beiden Städte anhand von grossen Maquetten (darunter Le Corbusiers berühmtes Holzmodell des Regierungsbezirks von Chandigarh), Planskizzen, historischen Fotos von René Burri, Lucien Hervé und Ernst Scheidegger, Aufnahmen der heutigen Wirklichkeit von Enrico Cano sowie einer Vielzahl von Filmen, vor denen allein man schon Stunden verbringen könnte. Historische Exkurse rufen aber auch in Erinnerung, dass die beiden Kapitalen nicht die ersten Planstädte des vergangenen Jahrhunderts waren. So besass Indien mit dem zwischen 1912 und 1931 von Herbert Baker und Edwin Lutyens errichteten New Delhi bereits früh eine - noch ganz klassisch konzipierte - Retortenstadt.

In jenen Jahren hatte Le Corbusier (ein früher Bewunderer von New Delhi) eigene urbanistische Visionen entwickelt: etwa die «Ville lumineuse». Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er einen Entwurf für das zerstörte Saint-Dié vorlegen, und 1951 machte er sich an die Planung von Chandigarh, an der sich zuvor der Urbanist Albert Mayer die Zähne ausgebissen hatte. Ganz im Sinne der von den CIAM geforderten funktionalen Stadt konzipierte er zusammen mit Maxwell E. Fry und Jane B. Drew eine Schachbrettstadt mit skulpturalem Regierungsbezirk und einem Strassengitter, in dem seine Mitarbeiter moderne Antworten auf die Gartenstadt erproben konnten. Dennoch wurden diese später teilweise bizarr umgebauten Wohn- und Geschäftsviertel im medialen Schatten von Le Corbusiers vielbewunderten, zwischen 1955 und 1962 eingeweihten Betonburgen auf dem Kapitol kaum beachtet.

Ähnlich verhielt es sich mit der Rezeption von Brasilia. Hier lösten vor allem die hellen, heiter beschwingten Regierungsbauten von Niemeyer, die einen leichtfüssigen Samba zu tanzen scheinen, beim internationalen Publikum Begeisterung aus. Mit seiner neuen Hauptstadt gelang es Präsident Juscelino Kubitschek, Brasilien die Aura eines Zukunftslandes zu verleihen. Er war es nämlich gewesen, der 1956 - wohl inspiriert vom Projekt einer 1943 von Josep Lluís Sert und Paul Wiener für seinen Vorgänger Getúlio Vargas konzipierten «Motorenstadt» - einen landesweiten Wettbewerb zum Bau der neuen Hauptstadt Brasilia ausgerufen hatte. Siegreich hervorgegangen war aus dieser Konkurrenz der «Plano Piloto» des Le-Corbusier-Anhängers Lucio Costa: ein flugzeugartiger Entwurf mit den Regierungsbauten im Cockpit und den mit Wohnblocks zu bebauenden Superquadras in den Flügeln. Niemeyer, sein jüngerer Kollege und Freund, durfte diesen dann mit repräsentativen Bauten füllen, die von 1960 an die Welt betörten.

Auswirkungen auf die Schweiz

Wie weit verbreitet in den optimistischen fünfziger Jahren der Traum von der Idealstadt war, zeigt nicht nur ein Blick auf den in stalinistischem Klassizismus errichteten Krakauer Arbeitervorort Nowa Huta (NZZ 17. 2. 07), sondern auch die Schweizer Modellstadt «Furttal», die nordwestlich von Zürich hätte entstehen sollen. 1958 als Antwort auf Max Frischs und Lucius Burckhardts Pamphlet «Achtung: die Schweiz» von einer ETH-Studiengruppe geplant, geriet die von einem Autobahnring erschlossene Retortenstadt nach der Expo 1964 schnell in Vergessenheit. Erst neuere Forschungen förderten das spektakuläre Modell in einem Depot in Otelfingen wieder ans Licht, so dass es im vergangenen Sommer frisch restauriert in einer Ausstellung im Seedammcenter vorgestellt werden konnte. Bevor es nun in der Hochschule für Technik in Rapperswil seine Bleibe finden wird, darf es als Auftakt zur Ausstellung in Mendrisio die helvetische Auseinandersetzung mit den manifestartigen Planstädten der internationalen Moderne verkörpern.

[ Bis 18. März (mittwochs bis sonntags 12 bis 18 Uhr) in der Galleria dell'Accademia in Mendrisio. Der Katalog (Twilight of the Plan: Chandigarh and Brasilia. Hrsg. Mendrisio Academy Press, 192 S, Fr. 25.-) erscheint gegen Ende der Ausstellung. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2007.02.21

17. Februar 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Barocke Pracht

Das renovierte Zeughaus in Mannheim

Das renovierte Zeughaus in Mannheim

Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs ging die einstige Residenzstadt Mannheim unter. Weil daraufhin - im Eifer des Wiederaufbaus - zerstört wurde, was noch zu retten gewesen wäre, besitzt die Stadt am Rhein heute nur mehr wenige Baudenkmäler. Darunter befindet sich ein Juwel: die in einem zwischen Jugendstil und Expressionismus oszillierenden Neuklassizismus auftrumpfende Kunsthalle von Hermann Billing. Sonst aber vermag die Architektur des 20. Jahrhunderts kaum zu begeistern: weder die als neues Stadttor inszenierte Doppelturmanlage von Max Dudler beim Hauptbahnhof noch Richard Meiers spröd- klinischer Neubau des Warenhauses Peek & Cloppenburg, das vom 8. März an einen Hauch von Noblesse in die Heidelbergerstrasse bringen soll. Wenn Mannheim in jüngster Zeit dennoch etwas Glanz zurückgewonnen hat, so ist dies den Restaurationen und Rekonstruktionen des barocken Erbes zu verdanken: Das Schloss atmet wieder Grösse, die Renovation der Jesuitenkirche schreitet zügig voran, und rechtzeitig zur Vierhundertjahrfeier der Stadt konnte soeben das ehemalige Zeughaus eröffnet werden.

Der 1778 am Übergang vom Spätbarock zum Frühklassizismus von Peter Anton von Verschaffelt realisierte Stadtpalast war zwar nach dem Krieg notdürftig als Museum wiedererrichtet worden. Doch erst jetzt, nachdem die Berliner Architekten Pfeiffer, Ellermann und Preckel die Fassaden saniert und das steile Walmdach mit den Gauben rekonstruiert haben, darf sich das Zeughaus als neuer Hauptsitz der Reiss-Engelhorn- Museen sehen lassen. Dank der rund 17 Millionen Euro teuren Sanierung bietet es jetzt auf sechs Geschossen gut 6000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. In einem historischen (wenngleich wiederaufgebauten) Gebäude wähnt man sich allerdings nur in der grosszügigen Eingangshalle, in der das Frankenthaler Porzellan zu Ehre kommt, sowie im Untergeschoss, wo sich die Antike unter wirklich alten Gewölben mit einer didaktischen Schau in Szene setzen darf. Die vier Obergeschosse aber wurden in hermetisch geschlossene White Cubes verwandelt, so dass die blinde Fensterfront der noblen Hauptfassade nur dank Elisabeth Brockmanns riesiger Lichtinstallation nicht tot wirkt.

Der erste Stock ist für Wechselausstellungen reserviert; darüber finden sich Porträts, historische Kleider und angewandte Kunst. Die dritte Etage wartet mit Theater-, Musik- und Stadtgeschichte auf, und im Dachgeschoss hat das renommierte Forum Internationale Fotografie Platz gefunden. Schade nur, dass eine labyrinthartige Raumanordnung sowie das weitgehende Fehlen von Tageslicht und Ausblicken den Rundgang vorbei an den über 4000 Exponaten dieser Schatzkammer mitunter zu einem eher klaustrophoben Erlebnis machen.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2007.02.17

02. Februar 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Städtebauliches Signal

Ein Kulturpalast für das Locarnese

Ein Kulturpalast für das Locarnese

Vor einem Jahr sorgte Ascona mit dem Projekt eines ambitiösen Kulturzentrums, welches das Erscheinungsbild des Borgo am Lago Maggiore schwer beeinträchtigt hätte, für Schlagzeilen (NZZ 13. 2. 06). Daraufhin kündigte die Nachbarstadt Locarno an, sie wolle an der Piazza Castello einen 70 Meter hohen Turm errichten, dessen Sockel die Kino- und Repräsentationsräume des Filmfestivals aufnehmen werde. Nun haben die Bürgermeister der beiden längst zusammengewachsenen Orte verlauten lassen, dass sie auf ihre teilweise heftig kritisierten Projekte verzichten und gemeinsam einen Neuanfang mit einem Kulturpalast wagen wollen, der einen Konzertsaal für die Asconeser Musikfestwochen, Veranstaltungsräume für das Locarneser Filmfestival, Kongresssäle sowie ein Hotel aufnehmen wird. Realisiert werden soll er auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes von Ascona unweit der grossen Brücke über die Maggia. Mitten in der Agglomeration wird so ein städtebaulich wichtiges Signal für ein geordnetes Zusammenwachsen der beiden Gemeinden gegeben. Dabei verlangt das im zersiedelten Flussdelta gelegene Areal - ganz anders als die historischen Zentren der beiden involvierten Orte - förmlich nach einem architektonischen Zeichen. Den Architekten bietet sich also die Möglichkeit, ein Bauwerk mit grosser Signalwirkung zu realisieren. Schon 1999 hatte hier der Katalane Josep Lluís Mateo mit seinem prämierten Wettbewerbsentwurf für ein Spielkasino einen interessanten Bauvorschlag präsentiert. Doch lässt sich dieser nicht einfach übernehmen, wie einige Politiker meinen. Der Neubeginn verlangt nach einem weiteren Wettbewerb, zu dem neben Mateo und einigen jüngeren Tessinern erneut auch die Teilnehmer der jüngsten Ausschreibung für das Asconeser Kulturzentrum - darunter Caruso St John, Zaha Hadid, Mansilla & Tuñón sowie Sanaa - eingeladen werden sollten. Nur so besteht eine reelle Chance, dass das Locarnese ein neues Wahrzeichen erhalten wird.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.02.02

01. Februar 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukünstlerisches Inselhüpfen

Probleme der globalisierten Welt wie Verkehr, Zersiedelung, Umweltzerstörung oder Migration sind Themen der ersten Biennale für Architektur, Kunst und Landschaft auf den Kanarischen Inseln. Entstanden ist eine vielseitige Schau, die durchaus zum Nachdenken anregt.

Probleme der globalisierten Welt wie Verkehr, Zersiedelung, Umweltzerstörung oder Migration sind Themen der ersten Biennale für Architektur, Kunst und Landschaft auf den Kanarischen Inseln. Entstanden ist eine vielseitige Schau, die durchaus zum Nachdenken anregt.

Der Massentourismus verschaffte den Kanaren einen zweifelhaften Ruf - nicht ganz zu Unrecht, denn weite Küstenstriche sind, wie überall in Spanien, durch baulichen Wildwuchs und Spekulation verschandelt. Wer sich jedoch in abgelegenere Winkel oder in die Berge begibt, wird immer noch die Magie einer grossartigen Natur erleben. Seit Jahren versuchen die Inseln zudem mit einem ambitiösen Musikfestival zu signalisieren, dass sie neben Sonne, Meer und Landschaft auch Kultur zu bieten haben. Mit mehr als 12 Millionen Gästen jährlich ist der vor Nordwestafrika gelegene Archipel nicht nur eine der meistbesuchten Gegenden der Welt; er lockt auch Scharen von Europäern an, die im Land des ewigen Frühlings ihren Lebensabend verbringen möchten. Dies alles bewirkte einen Wirtschaftsboom, der aus der kleinen Inselwelt die nach Katalonien und Madrid reichste Region Spaniens machte - mit vielen negativen Folgen. So sind die Städte im Norden von Gran Canaria und Teneriffa zu chaotischen Agglomerationen mit Hunderttausenden von Einwohnern und ebenso vielen Autos zusammengewachsen. Hier, wo wie in einem Schwellenland der öffentliche Verkehr ein Schattendasein für Minderbemittelte und Touristen fristet, ist die Fahrzeugdichte höher als sonstwo in Europa. Das führt im Grossraum von Santa Cruz de Tenerife dazu, dass - trotz der derzeitigen Einführung des Trams - der Verkehr auf den acht- bis zwölfspurigen Stadtautobahnen chronisch kollabiert.

Verkehrschaos und Nachhaltigkeit

Wie brennend das Verkehrsproblem ist, zeigte das in der zweiten Januarhälfte im Präsidentenpalast in Santa Cruz - einem von Artengo Menis Pastrana (AMP) realisierten Meisterwerk der neuen spanischen Architektur - veranstaltete Symposium zum Thema «Islas móviles». An diesem diskutierten etwa der Städteplaner Jaime Lerner, der Architekt Dominique Perrault, der Philosoph Javier Echeverría, der Anthropologe Manuel Delgado und der Klimatologe Stephan Bakan die Auswirkungen von Mobilität und Zersiedelung auf Stadt und Mensch. Dabei forderte Lerner, der ehemalige Bürgermeister der brasilianischen Vorzeigestadt Curitiba, mehr Kreativität und politischen Willen hinsichtlich der Verkehrspolitik und der Förderung einer solidarischen und nachhaltig agierenden Gesellschaft.

Die in den spanischen Medien vielbeachtete Veranstaltung bildete einen Höhepunkt der von Rosina Gómez-Baeza, der einstigen Leiterin der Madrider Kunstmesse Arco, initiierten ersten Biennale für Architektur, Kunst und Landschaft auf den Kanaren. Gleichzeitig konnte das Architektenkollegium von Teneriffa eine aufschlussreiche Ausstellung über die neuere kanarische Baukunst eröffnen. Vor seinem 1971 von Javier Díaz- Llanos und Vicente Saavedra in skulpturalem Betonbrutalismus errichteten Verwaltungssitz in Santa Cruz wurde dazu ein schneckenförmiger Low-Tech-Pavillon aus Holz und Stahl erstellt. Darin zeichnen Videos die Entwicklung einer die vulkanische Topographie und die lokale Tradition immer wieder neu interpretierenden Architektur seit den 1950er Jahren nach, während die Baukunst der letzten 25 Jahre anhand von 90 durch den Premio Manuel de Oraá ausgezeichneten oder gelobten Bauten vorgestellt wird. Dieser Preis förderte zusammen mit der Architekturzeitschrift «Basa» die baukünstlerische Qualität entschieden, auch wenn der architektonische Alltag auf den Inseln weiterhin chaotisch ist.

Die Schau zeigt, dass Santa Cruz de Tenerife, das mit neuen Trendlokalen wie dem «Abokados» oder dem «Atlantida» vom Image eines hässlichen Entleins wegzukommen sucht, zum eigentlichen Zentrum des architektonischen Aufschwungs geworden ist. Nachdem hier AMP erste Akzente gesetzt hatten, machte sich die Stararchitektur mit dem Kongresszentrum und der weissen Riesenwelle des Auditoriums von Calatrava breit. Nun bauen Herzog und de Meuron das Oscar- Dominguez-Museum und gestalten die Hafenzone neu, dieweil Perraults Entwurf für den Teresitas-Strand im Parteigezänk unterzugehen droht. Zukunftsweisender als diese importierten Renommierbauten aber sind die Arbeiten der neuen Generation, für die in der Ausstellung neben den preisgekrönten Bauten von GPY auch die Entwürfe von Lavin Arquitectos stehen. Diese von einer Leidenschaft für Beton und Lava sowie von dem Interesse an internationalen Trends geprägten Werke zeigen, wie die geschundenen Eilande nachhaltiger bebaut werden könnten.

Noch immer aber sind gut in den Kontext integrierte Bauten die Ausnahme. Darauf will der als wutschnaubende Karikatur bei Valverde auf der noch ziemlich unberührten Insel El Hierro aufgestellte Landschaftsüberwachungssatellit des katalanischen Architekten Elías Torres Tur verweisen. Es handelt sich dabei um eine der wenigen Arbeiten, die im Rahmen der Biennale auf die wachsende Zerstörung der Natur hinweisen. Die anderen stammen ebenfalls von Architekten: etwa die Interventionen von Carme Pinós und Diller und Scofidio auf Lanzarote oder von Iñaki balos auf La Palma.

Die rund 70 aus 35 Ländern und vier Kontinenten angereisten Künstler hingegen suchten meist Halt in altehrwürdigen Bauten - womit die Biennale zum architektonischen Inselhüpfen wird: von dem von José González Pérez realisierten und 1997 mit dem 7. Oraá-Preis geehrten Besucherzentrum auf La Gomera über das spätklassizistische Teatro Chico in der Kolonialstadt Santa Cruz de la Palma bis hin zu den Klöstern und Palästen des hoch über Santa Cruz de Tenerife gelegenen alten Bischofssitzes La Laguna. Dort richtete der Marokkaner Younès Rahmoun im Hinterhof der frühbarocken Casa de los Capitanes eine Art Marabout-Grabmal aus Holz als mystischen Farbmeditationsraum her, während sein 24-jähriger ägyptischer Kollege Mahmoud Khaled den zweiten Kreuzgang des Augustinerklosters mit islamischen Dekorationen schmückte, wohl um die oft ängstlich beschworene muslimische Rückeroberung Spaniens anzudeuten.

Kunst und Migration

Viele Künstler aber geben sich damit zufrieden, nur ganz oberflächlich ihre individuellen Mythologien mit den die Kanaren (wie viele andere Länder) quälenden Themen wie Klimaerwärmung, Bevölkerungsexplosion oder Migration in Verbindung zu bringen - so der auch hierzulande bekannte Venezolaner Javier Téllez mit seiner suggestiven Löwenprozession in den Slums von Caracas. Die vielleicht eindrücklichste Arbeit der ganzen Biennale zeigt der Chilene Alfredo Jaar im Kulturzentrum El Tanque in Santa Cruz. Der 1997 von AMP zu Veranstaltungszwecken umgebaute Öltank ist an sich schon eine Sehenswürdigkeit. Beim Betreten der dunklen Halle breitet sich allmählich über den Besuchern eine Wolke aus; und über Kopfhörer ist der an die Regierungen des Westens gerichtete Bittbrief von zwei im August 1999 in Brüssel erfroren im Fahrgestell eines Flugzeuges entdeckten Schülern aus Mali zu vernehmen, begleitet von der Musik des vor einem Jahr verstorbenen Ali Farka Touré.

Die Einheimischen denken hier sogleich an die Zehntausende von Bootsflüchtlingen, die jedes Jahr ihr kleines Paradies erreichen wollen. Ihnen galt Ende Januar das Afrika-Symposium der Architekturfakultät von Las Palmas. Zeitgleich wurde im Ausstellungszentrum La Regenta eine Schau eröffnet, in welcher Rem Koolhaas zusammen mit Büros wie Actar, MVRDV und Studio Pei Zhe anhand von Studien über Lagos, Mexiko oder Peking «Wachstumsszenarien» skizziert. - Kurz: Die Themen dieses Veranstaltungsreigens könnten die Biennale und die zwischen drei Kontinenten gelegenen Kanaren zu einem idealen Ort der Auseinandersetzung mit den Problemen der globalisierten Welt machen.

[ Die meisten Ausstellungen dauern bis 10. Februar; die «Wachstumsszenarien» in Las Palmas bis 18. Februar. Katalog: Guía de la 1 Bienal de Arquitectura, Arte y Paisaje de Canarias (spanisch/englisch). Hrsg. Rosina Gómez-Baeza. Gobierno de Canarias, Las Palmas 2006. 221 S., Euro 15.- (ISBN 84-7947-428-9). Ein Katalog zur neuen kanarischen Architektur ist in Vorbereitung. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2007.02.01

09. Januar 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Boomende Riesenstadt

Ausstellung «New Moscow 4» in Mendrisio

Ausstellung «New Moscow 4» in Mendrisio

Ganz Moskau ist im Baurausch, und die Spekulation treibt Blüten. Immer wieder werden Architekturdenkmäler abgerissen, um anschliessend (den heutigen Bedürfnissen angepasst) rekonstruiert zu werden. Daneben entstehen ambitiöse Neubauten wie der von Norman Foster für das Business-Center «Moscow City» geplante Russia Tower, welcher mit 600 Metern das höchste Haus Europas werden soll. Die Glitzertürme internationaler Büros zeugen ebenso wie die Hochhäuser im Pseudo-Jugendstil oder im Neo-Zuckerbäckerstil lokaler Architekten vom gigantischen Entwicklungsschub, den die 15-Millionen- Stadt derzeit erlebt. Den architektonischen und urbanistischen Mechanismen der Boomtown im Osten sucht nun die detailreiche Übersichtsausstellung «New Moscow 4» in der Galerie der Architekturakademie in Mendrisio auf die Spur zu kommen. Die von einem informativen Katalog begleitete Ausstellung ist die zweite in einer fünfteiligen Reihe (NZZ 15. 11. 06) zur Situation der Megastädte unseres Planeten.

Als Vorspiel zur Moskau-Schau werden zwanzig Architekten präsentiert - darunter die Neokonstruktivisten Aleksander Asadow und Michail Chasanow, die kritischen Minimalisten Evgeni Ass und Aleksander Skokan sowie die einer modisch-westlichen Formensprache verpflichteten Baukünstler Boris Bernaskoni und Sergei Skuratow. Im grossen Ausstellungssaal evoziert daraufhin ein weites Panorama die städtebaulichen Dimensionen Moskaus. Urbanistische Projekte und zahlreiche der neu das Stadtbild prägenden, meist aber wenig überzeugenden baulichen Interventionen werden ausführlich dokumentiert - vom Hochhausgürtel über die jüngsten Satellitenstädte bis hin zu den wie Pilze aus dem Boden schiessenden Shopping-Malls.

Historisch verankert wird die Schau durch einen Exkurs der Ausstellungsmacherin Irina Korobina vom Moskauer Zentrum für zeitgenössische Architektur. Als «New Moscow 1» bezeichnet sie das revolutionäre Moskau der zwanziger Jahre, dessen Visionen meist Papier geblieben sind. Ihm folgten in der Stalinzeit «New Moscow 2», das mit den im Zuckerbäckerstil errichteten «Sieben Schwestern» himmelstürmende Akzente setzte, und in den achtziger Jahren «New Moscow 3» mit seinen monotonen Siedlungen und einst megalomanen Strassen, die aber der heutigen Autoflut kaum mehr gewachsen sind. Planer träumen deshalb bereits von neuen, ringförmig oder linear angeordneten Subzentren, die besser mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen werden könnten.

[ Bis 25. Januar (mittwochs bis sonntags) in der Architekturgalerie der Accademia di Architettura in Mendrisio. Katalog: New Moscow 4. New urban venues in the emergent world (englisch). Hrsg. Irina Korobina. Mendrisio Academy Press, 2006. 180 S., Fr. 25.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2007.01.09

05. Januar 2007Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bedrängtes Baudenkmal

Erweiterung des Kunstmuseums Bern

Erweiterung des Kunstmuseums Bern

Das Weiterbauen im Bestand zählt zu den anspruchsvollsten architektonischen Aufgaben unserer Zeit. Es kann Baukünstler zu Höchstleistungen anspornen - oder aber scheitern lassen. Im Wettbewerb für die Erweiterung des Kunstmuseums Bern um einen neuen, der Gegenwartskunst gewidmeten Flügel wagte der 37-jährige Basler Cédric Bachelard den Dialog auf gleicher Augenhöhe mit Eugen Stettler, dem Architekten des 1879 eröffneten Altbaus. Dabei ignorierte Bachelard, dass es sich hier um ein Meisterwerk der Schweizer Beaux-Arts-Architektur handelt. So setzte er sich - anders als die übrigen Teilnehmer - mit seinem blinden, skulpturalen Anbau, der wie ein schwerer Rucksack am Stettler-Bau hängt, über die denkmalschützerischen Vorgaben hinweg. Auch wenn er die reich gestaltete Rückfassade in die Ausstellungsräume einbezieht, zerstört er doch die Gesamtwirkung des Gebäudes. Er nimmt ihm ausserdem das Tageslicht und bietet unruhige, mit zeitgenössischen Exponaten nur schwer zu bespielende neue Räume.

Doch ob sein Entwurf umgesetzt wird, ist ungewiss, denn Denkmalpflege und Heimatschutz dürften dem bedrängten Bau von nationaler Bedeutung zur Seite stehen. Da hätte die Jury wohl besser das zweitrangierte Projekt «Scala» der jungen Tessiner Nicola Baserga und Christian Mozzetti gekürt. Es geht auf Distanz zum Altbau und schafft zudem Platz für einen Skulpturenhof. Eine Passerelle verbindet das Museum mit einem schmalen, zum Hauptgebäude und zur Aare hin transparenten Glasbau, dem einzigen sichtbaren Teil der Erweiterung. Von dort führt eine lange, kaskadenartige Treppe fast wie in Renzo Pianos Beyeler-Museum hinunter zu den beiden in den Hang eingebetteten, frei unterteilbaren Ausstellungsebenen und lässt zugleich Tageslicht in die Tiefe fluten. - Den Verantwortlichen möchte man empfehlen, im Sinne eines (bereits von Yoshio Taniguchi bei der MoMA-Erweiterung vorgezeigten) neuen Realismus in der Museumsarchitektur und aus Respekt vor dem Altbau den Entwurf «Scala» weiterzuverfolgen. Denn das allzu selbstbewusste Siegerprojekt weckt Widerstand und damit die Gefahr, dass Bern noch lange nicht zu seinem Haus für Gegenwartskunst kommen wird.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.01.05

19. Dezember 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zwiesprache mit dem Ort

Der aus einer Genueser Architektendynastie stammende Mailänder Baukünstler Ignazio Gardella schuf seine rationalistischen, neorealistischen und postmodernen Bauten in kreativer Auseinandersetzung mit dem Kontext. Dies verdeutlicht derzeit eine umfassende Retrospektive in Genua.

Der aus einer Genueser Architektendynastie stammende Mailänder Baukünstler Ignazio Gardella schuf seine rationalistischen, neorealistischen und postmodernen Bauten in kreativer Auseinandersetzung mit dem Kontext. Dies verdeutlicht derzeit eine umfassende Retrospektive in Genua.

Durch die Revitalisierung des Hafenareals hat Genua ein neues Selbstbewusstsein erlangt. Die Neugestaltung begann mit Renzo Pianos Aquarium, wurde mit Hotel- und Kongressbauten sowie dem Meeresmuseum von Guillermo Vasquez Consuegra fortgesetzt und soll Ende des Jahrzehnts mit dem von Ben van Berkel überformten Parodi- Pier gekrönt werden. Noch immer aber darf die 1989 vollendete Architekturfakultät von Ignazio Gardella als das eigentliche baukünstlerische Glanzlicht der letzten zwanzig Jahre bezeichnet werden, auch wenn dieser «neugotische, dem irrationalen Reich der Elfen zuzuordnende» Eingriff in den brüchigen Baubestand leicht zu übersehen ist. Denn der aus den Ruinen des San-Silvestro-Komplexes auf dem höchsten Punkt der Altstadt hervorgewachsene, orangefarbene Baukomplex fügt sich als meisterhaftes Beispiel einer kritischen Rekonstruktion perfekt in die engen Gassen ein. Umso mehr bedauert man, dass er der einzige realisierte Entwurf des seit 1968 von Gardella erarbeiteten Sanierungskonzeptes für das kriegszerstörte Viertel geblieben ist. Stattdessen wurden architektonisch halbherzige Interventionen ausgeführt - bis hin zur jüngst eröffneten Metrostation.

Architektur und Stadt

Der Neubau der Architekturfakultät war nicht Gardellas einzige Tat in Genua, wie derzeit ein Blick in die grosse Gardella-Retrospektive im Palazzo Ducale zeigt. Schon 1954 hatte sich der Architekt mit der (nie umgesetzten und nun erstmals dokumentierten) Sanierung des Kolumbus- Hauses befasst, und zwar im Auftrag der einflussreichen Kulturdirektorin Caterina Marcenaro, die den aus einer Genueser Architektendynastie stammenden, aber 1905 in Mailand geborenen und dort ausgebildeten Gardella nach Ligurien zurückholte. In Genua entstand auch sein letztes grosses Werk, die von 1981 bis 1990 zusammen mit Aldo Rossi und dem Tessiner Fabio Reinhart in einem postmodernen Idiom durchgeführte Wiederherstellung der Ruine des Genueser Opernhauses, eines Meisterwerks des Klassizisten Carlo Barabino. Obwohl diese Arbeit viel diskutiert wurde, nahm die internationale Architekturwelt erst von Gardella Notiz, als er 1996 - drei Jahre vor seinem Tod - für sein Lebenswerk den Goldenen Löwen der sechsten Architekturbiennale von Venedig erhielt.

In der Lagunenstadt leuchtete sein Stern nämlich noch immer, hatte er hier doch in den fünfziger Jahren mit der Casa alle Zattere eine «Ca' d'oro der Moderne» geschaffen, wie der grosse Kunsthistoriker Carlo Giulio Argan festhielt. Die spannende Genese dieses grossbürgerlichen, den venezianischen Palazzo neu interpretierenden Apartmenthauses, dessen Hauptfassade Gardella immer wieder umformulierte, nimmt in der Genueser Ausstellung zu Recht einen Ehrenplatz ein. Die nüchtern und übersichtlich gestaltete, aber umständlich beschriftete Schau, die von nicht weniger als sechs Kuratorenteams betreut wurde, erforscht - nach einem der Architektenfamilie gewidmeten Prolog - in fünf Sektionen Gardellas Auseinandersetzung mit fünf Städten, die jeweils «das Szenario für Gardellas entwerferische Ansätze lieferten». Den Auftakt macht Alessandria, wo Gardella zwischen 1933 und 1938 mit der luftig transparenten Tuberkuloseklinik einen vom italienischen Rationalismus und von der internationalen Moderne gleichermassen geprägten Vorzeigebau schuf. Nach dem Krieg verdichtete er die dort erworbenen Kenntnisse im Mailänder Padiglione d'Arte Contemporanea (PAC) zu einem wegweisenden Ausstellungsbau, der noch in Pianos Beyeler-Museum nachklingt.

Geradlinig war Gardellas Schaffen nie: So entstand 1952 - zeitgleich mit dem PAK - in Alessandria die Casa Borsalino, ein achtgeschossiges, kubistisch gebrochenes Mehrfamilienhaus, das mit seinen Ziegelmauern, Fensterläden und vorspringenden Dachkonstruktionen als Manifest des antimonumentalen Neorealismus über José Antonio Coderch die spanische Architektur beeinflusste und gleichsam Entwurfsideen unserer Zeit vorwegnahm. Noch plakativer wurde das Ländlich-Einfache des neuen «Stils» in der vier Jahre später zusammen mit Franco Albini und dem Büro BBPR errichteten INA-Siedlung in Cesate umgesetzt. Zwischen diesen beiden neorealistischen Bauten für die Arbeiterklasse entstand in Mailand die vornehme Casa al Parco mit fünf riesigen Luxusapartments und einer filigranen Parkfassade, welche während des Baus leider stark verändert wurde. Die wissenschaftliche Analyse dieses Projektes im vorzüglichen Katalog zeigt denn auch, wie schon kleine Eingriffe ein Werk verunstalten können.

Versuchte Gardella in Mailand die Dynamik der Metropole, in Venedig aber die Lichtverhältnisse über der Lagune architektonisch zu reflektieren, so inspirierte ihn in Genua das geheimnisvolle Dunkle der Altstadt. In Vicenza, der Heimat Palladios, erschien ihm dann alles geometrisch klar. Deshalb basiert sein 1969 entwickelter Theaterentwurf auf einem Quadrat, aus dem das niedrige Dreiecksprisma des Auditoriums und das höhere des Bühnenturms emporwachsen. Mit diesem Projekt inspirierte er als Vermittler von Louis Kahns Ideen in Europa vermutlich auch Botta, der damals an der stark von Gardella geprägten Architekturschule in Venedig studierte.

Material und Detail

Die mit Dutzenden von schwarz gerahmten Plänen, Skizzen und Zeichnungen bespielte Ausstellung, der einige historische Modelle und zahlreiche Fotos etwas Leben einhauchen, macht das Chamäleonartige eines zwischen Rationalismus und Postmoderne pendelnden Œuvres spürbar. Dabei wusste Gardella seine mitunter etwas trocken wirkenden Entwürfe mit viel Sinn für Details und Materialien in Bauten von grosser Strahlkraft umzusetzen. Diese baukünstlerische Transformation versuchen die Kuratoren in der Ausstellung anhand des nicht realisierten Theaters von Vicenza nachvollziehbar zu machen, indem sie das Skizzen- und Planmaterial einem meterhohen, in hellem Stein ausgeführten Modell gegenüberstellen. Doch erst bei der Besichtigung der Gebäude der Architekturfakultät vor Ort kann man erleben, wie sehr Gardella, der ursprünglich Bauingenieur studiert und sich in den fünfziger Jahren auch als Designer betätigt hatte, ein der Sinnlichkeit der gebauten Formen verpflichteter Architekt war, der alle Theorie ins Leben überführen musste. Darin glich er seinen gleichaltrigen Kollegen Franco Albini und Carlo Mollino, die derzeit im Rahmen der Trilogie «Costruire la modernità» in Mailand und Turin ebenfalls mit (für Italien nicht untypischen) verspäteten Jubiläumsausstellungen geehrt werden.

[ Bis 30. Januar im Palazzo Ducale, Genua. Katalog: Ignazio Gardella 1905-1999 (italienisch). Hrsg. Marco Casamonti. Electa, Mailand 2006. 291 S., Euro 40.- (Euro 35.- in der Ausstellung). ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2006.12.19

18. Dezember 2006Roman Hollenstein
TEC21

Atmosphärisch dichte Stadt

Aufgrund des Masterplans von Galfetti und Könz von 1998 für den Universitätscampus in Lugano konnten in den vergangenen acht Jahren auf einem Parkareal inmitten der Stadt sieben neue Gebäude von jungen Tessiner Architekturbüros erstellt werden.

Aufgrund des Masterplans von Galfetti und Könz von 1998 für den Universitätscampus in Lugano konnten in den vergangenen acht Jahren auf einem Parkareal inmitten der Stadt sieben neue Gebäude von jungen Tessiner Architekturbüros erstellt werden.

In den letzten Jahren wurden in Lugano verschiedene Grossprojekte lanciert. Doch abgesehen von der Erweiterung der Palace-Ruine zum neuen Kulturzentrum durch Ivano Gianola, die nun im Sommer – nach jahrelangen Diskussionen – in Angriff genommen werden konnte, wurde bisher einzig der Luganeser Campus der Univer­sità della Svizzera Italiana (USI) realisiert. Den Auftrag zur Projektierung der Anlage, die heute die wirtschafts-, kommunikations- und informationswissenschaftliche sowie die theologische Fakultät vereint, erteilte der Stiftungsrat der USI dem in Lugano tätigen Aurelio Galfetti. Zusammen mit Jachen Könz erarbeitete dieser 1998 einen Masterplan für ein im Stadterweiterungsgebiet des 19. Jahrhunderts am Fluss Cassarate zur Verfügung gestelltes, rund 230Õ120 m messendes Parkgelände, auf dem bereits zwei Altbauten Akzente setzten: der 1891 realisierte Backsteinbau eines ehemaligen Altersheims und das zwischen 1900 und 1909 von Giuseppe Ferla ausgeführte, mit Mittelrisalit und weit ausladenden Seitenflügeln schlossartig wirkende ehemalige Krankenhaus (Ospedale, Bild 1). Ergänzend zum Ospedale, das die Verwaltung, die Büros der Dozenten, aber auch Arbeitsräume beherbergt, wurden zunächst die «Aula magna», der «Aule di lezione» genannte Hörsaaltrakt, ein «Laboratorio» mit Computerarbeitsplätzen, die Bibliothek sowie das Gebäude der theologischen Fakultät erstellt. Derzeit sind zwei weitere Bauten, von denen der eine die Lehr- und Forschungsräume der Informationswissenschaften, der andere die Mensa aufnimmt, im entstehen.

Stadt in der Stadt

Für ihren im Grundriss streng rationalistischen, durch freie Symmetrien strukturierten Masterplan wählten Galfetti und Könz eine U-förmige Gesamtdisposition. Dabei verliehen sie der Ostwestausrichtung des Ospedale Nachdruck, indem sie zum Viale Cassarate hin das Gebäude der Theologischen Fakultät, zum Corso Elvezia hin aber die Aula magna positionierten. Diese fungiert als Gelenk zu dem zur Bibliothek erweiterten eins­tigen Altersheim. Ihm wiederum ist axialsymmetrisch das nördlich des Theologiegebäudes gelegene Laboratorio zugeordnet. Der dazwischen liegende Park konnte weitgehend erhalten werden, weil Galfetti die Bauplätze des Hörsaaltraktes und des Gebäudes der Informationswissenschaften von Norden her dicht an die Seitenflügel des Ospedale rückte. Die beiden Gebäude formen seit neustem zusammen mit dem Altbau zwei halb­offene, unter dem sie verbindenden Mensagebäude hindurchfliessende schmale Höfe.

Mit dieser geschickt vom Bestand ausgehenden Komposition ist es Galfetti und Könz gelungen, dem Universitätscampus von Lugano trotz klassisch-rationalistischem Grundriss eine transparente, vom freien Spiel der Baukörper geprägte Erscheinung zu verleihen. Dabei stehen die baulichen Interventionen in einem aktiven Spannungsverhältnis zu den beiden Altbauten und zum sti­listisch heterogenen Erscheinungsbild des Molino-Nuovo-Quartiers. Die architektonische Vielfalt bei gleichzeitiger urbanistischer Strenge konnte nicht zuletzt deswegen erreicht werden, weil Galfetti und Könz darauf verzichteten, neben dem Masterplan gleich auch noch alle Neubauten auszuführen.

Im Sinne einer Nachwuchsförderung setzte Galfetti nämlich für die in der ersten Etappe geplanten Bauten – Bibliothek, Laboratorio, Hörsaaltrakt und Theologie­gebäude – 1998 einen Wettbewerb unter jungen Tessiner Architekten durch, sicherte sich aber gleichzeitig die Oberaufsicht über das gesamte Baugeschehen. Die Aula magna als Brennpunkt des intellektuellen Lebens auf dem Campus wurde allerdings auf Wunsch des Stiftungsrats der USI direkt von Galfetti und Könz realisiert. Auch wenn kein wirklich spektakuläres Gebäude entstanden ist, überzeugt das kostengünstig realisierte Ensemble doch durch seine hohe architektonische Qualität. Es bietet ein über die italienischsprachige Welt hinaus gültiges Beispiel für das Weiterbauen im historischen Kontext und zeigt zugleich neue Entwicklungen in der von Aussenstehenden lange nur auf Betonkuben und Botta-Bauten reduzierten Tessiner Architektur auf. War früher das schwere, geschlossene Gebäude die Regel, so herrschen hier nun Leichtigkeit und Transparenz vor – Themen, die aller rationalistischen Rigidität zum Trotz im Keime schon in Galfettis Masterplan angelegt waren.

Architektonische Vielfalt

Die Themen Glashaus und Höhle bestimmen die von Galfetti und Könz konzipierte Aula magna. Zwei 36 m lange Doppel-T-Träger halten einen durchsichtigen Kubus, der als Eingang und Oberlicht des 6 m tiefer gelegenen Foyers dient. Im Innern überwindet eine schräg in den Raum gestellte, skulpturale Freitreppe die Höhendifferenz zwischen Piazza und abgesenkter Foyerhalle, die sich zur Aula hin öffnen lässt. Der unterirdisch angelegte, 5 m hohe Mehrzwecksaal aus Sichtbeton mit rund 500 Sitzplätzen wird von zwei Oberlichtbändern erhellt. Diese strukturieren die darüber liegende, streng geometrische, von sechs bankartigen Betonstelen gerahmte Piazza, deren Ausdehnung von 16.5Õ28 m exakt derjenigen der darunter liegenden Aula entspricht.

Dem Zusammenklang von Glas, Stahl und Beton dieses Eingangspavillons antwortet das grafische Schwarzweissraster des Bibliotheksgebäudes: Durch porphyrroten Bruchstein charakterisierte U-förmige Altersheim von den Brüdern Giorgio und Michele Tognola aus Losone wurde mit einer möbelartigen Scheibe aus weissem Beton, schwarz eloxierten Aluminiumplatten und Glas zum Hofhaus geschlossen. Während der Altbau Büros, Magazine und Katalogräume aufnimmt, dient der im Erdgeschoss als Zugangsarkade ausgebildete neue Bauteil, der mit seinem seriellen Rhythmus von hellen Betonstützen und dunklen Fensterflächen entfernt an ein minimalistisches Kunstwerk erinnert, der Erschliessung und dem Studium.

Die neue Bibliothek pflegt über den Campus hinweg den Dialog mit dem Glashaus des Laboratorio, das von Sandra Giraudi und Felix Wettstein aus Lugano konzipiert wurde. Der Kern des sechsgeschossigen, völlig transparenten Curtain-Wall-Gebäudes besteht aus einer vertikalen Erschliessung, die zusammen mit zwei durch alle Etagen gehenden Wandscheiben die Betonböden trägt. Pro Stockwerk findet man 16 von hohen Holzbrüs­tungen eingefasste Nischen mit je zwei Arbeitsplätzen.

Unterschiedliche Ausdrucksformen

Fasziniert das Laboratorio durch seine geschliffene Eleganz, so zieht der Hörsaaltrakt von Lorenzo Martini aus Lugano und Donatella Fioretti aus Savona mit starken Farbakzenten den Blick auf sich. Die weinroten Glasplatten der Aussenhülle und die orangefarbenen Fens­terrahmen, aber auch die gelblichen, auf drei Geschossen jeweils um 180 Grad gedreht angeordneten Hörsäle verleihen dem kistenartigen Gebäude etwas leicht Expressives. Als Gegenstück zu diesem Unterrichtsgebäude geht derzeit dessen Zwillingsbau der Vollendung entgegen. Bei dem schwarzen, durch Bänder aus hellgrauen Gitterblechen belebten multifunktionalen Gebäude der Informatikwissenschaften handelt es sich um den zweiten Campus-Bau der Brüder Tognola.

Die Aufgabe des Scharniers zwischen diesen Flügelbauten und dem denkmalgeschützten Krankenhaus übernimmt das Corpo Centrale genannte Mensagebäude von Elio Ostinelli aus Chiasso. Der zweigeschossige Kubus bildet gleichsam den Mittelrisalit der dreiteiligen, nördlich des Ospedale entstandenen und dieses spiegelnden Neubausequenz. Seine Glasstirn markiert nun den Abschluss einer von Norden in die Stadt führenden Einfallstrasse. Gefasst wird diese Glasfläche, hinter der man das elegant möblierte Studentenrestaurant erblickt, von teilweise durch anthrazitfarbenes Gitterblech verkleideten Betonwangen, die den Bau über einen ebenerdigen Freiraum emporstemmen.

An der Südostecke der Anlage schliesslich gibt sich Michele Christens Theologische Fakultät fast klösterlich in sich gekehrt. Über einer verglasten Parterrezone wechseln hohe, aluminiumgefasste Steinplatten mit ebensolchen Fensterflächen ab. Diese serielle Gestaltung verweist auf Ideen von Livio Vacchini, ohne allerdings deren Raffinesse zu erreichen. Umso überraschender ist die Grosszügigkeit des Eingangsbereiches, zumal wenn man bedenkt, dass in dem vergleichsweise kleinen Volumen neben Hörsälen und Arbeitsplätzen auch die Verwaltung der von der Universität institutionell unabhängigen Fakultät untergebracht werden musste.
Mit bescheidenen finanziellen Mitteln ist auf dem Luganeser Universitätscampus ein architektonisch kohärenter und visuell ansprechender Gebäudekomplex entstanden, der von einer neuen Aufbruchstimmung im Süden kündet. Hier beginnt sich eine jüngere Architektengeneration von den strengen Idealen der etwas in die Jahre gekommenen «Tessiner Schule» zu lösen, indem sie dem lateinischen Rationalismus neue Perspektiven öffnen.

TEC21, Mo., 2006.12.18



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tec21 2006|51-52 Campus

16. Dezember 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Neue Bescheidenheit

Eine interessante Präsentation des Architekten Alvaro Siza in Nizza

Eine interessante Präsentation des Architekten Alvaro Siza in Nizza

Der Ausstellungsbetrieb hat sich in den letzten Jahren immer mehr verselbständigt - auch auf dem Gebiet der Architektur. Im Mittelpunkt steht nicht mehr die Visualisierung von Ideen, sondern der Spektakel. Da fällt eine bescheiden inszenierte Schau, wie sie das Forum d'Urbanisme et d'Architecture in Nizza derzeit dem grossen Portugiesen Alvaro Siza widmet, plötzlich auf. Die nüchterne Zusammenstellung von Modellen, Fotos, Plänen und reproduzierten Skizzen erlaubt eine Konzentration auf das Wesentliche im Schaffen Sizas: auf die baukünstlerische Ethik und das Ringen um den architektonischen Raum. Ausgehend von diesen Prämissen schuf der stille Architekt aus Porto seit seinem 1963 vollendeten Tea Room in Boa Nova poetische, aber auch unbequeme Werke.

In Nizza sind nun seine Museumsbauten vereinigt: sieben insgesamt - vom Centro de Arte Contemporáneo in Santiago de Compostela (1993), bei dem er die Schwerkraft auf den Kopf zu stellen suchte, über das gekonnt in den Art-déco- Garten der Villa Serralves in Porto integrierte Museu de Arte Contemporanea (1999) bis hin zu dem seit 1998 in einem für Siza typischen Work in Progress vorangetriebenen Neubau der Fundação Iberê Camargo im südbrasilianischen Porto Alegre. In diesem hier erstmals detailliert in seiner Genese vorgestellten Bau, einem skulpturalen, abstrakt-weissen Körper, aus dem mehrfach gekrümmte Erschliessungsgänge wie Därme herausquellen, setzt sich der 73-jährige Architekt mit neusten Tendenzen auseinander.

Selbst wenn es vor Siza schon Coderch, Pouillon, Prouvé, Scarpa und Ledoux gewürdigt hat, reflektiert das 1999 am Cours Saleya in Nizzas Altstadt eröffnete Architekturforum bei weitem nicht nur das Schaffen von Klassikern. Es ist vielmehr ein Ort der städtebaulichen Diskussion, wie man ihn sich auch in Schweizer Städten wünschte. Die urbanistischen Projekte der Metropole an der Côte d'Azur, die sich lange kaum um Architektur und Städtebau kümmerte, kommen hier ebenso zur Sprache wie etwa die Bedeutung des Trams, das vom kommenden Juni an die Stadt mit seinem futuristischen Design beleben wird.

[ Bis 15. Januar täglich ausser sonntags. Eintritt und Begleitbroschüre gratis. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2006.12.16

12. Dezember 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lust auf Meer

Während Neapel unter der Camorra leidet, hält sich die Mafia in Palermo derzeit zurück: mit positiven Folgen für die Stadt. Im Zentrum putzt sie sich mit trendigen Lokalen und Ausstellungsorten heraus; und in einer Grossveranstaltung erkundet sie das Potenzial der Uferzonen.

Während Neapel unter der Camorra leidet, hält sich die Mafia in Palermo derzeit zurück: mit positiven Folgen für die Stadt. Im Zentrum putzt sie sich mit trendigen Lokalen und Ausstellungsorten heraus; und in einer Grossveranstaltung erkundet sie das Potenzial der Uferzonen.

Palermo ist ein Juwel, dem Krieg, Misswirtschaft und organisiertes Verbrechen den Schliff genommen haben. Doch nun beginnt es neu zu glänzen, zaghaft erst, aber unübersehbar. Allenthalben wird restauriert: die tempelartigen Eingangsbauten des berühmten botanischen Gartens ebenso wie altehrwürdige Gotteshäuser und Paläste. Bewundernd steht man vor der marmorweissen Fontana Pretoria oder dem minimalistischen Kubus der kleinen, sarazenisch beeinflussten San-Cataldo-Kirche. Wer nicht nur auf den ausgetretenen Touristenpfaden zwischen Quattro Canti, Teatro Massimo und Normannenpalast wandeln will, trifft sich zum kreativen Pranzo im «Ristorante 091» mitten im unlängst noch verrufenen Kalsa- Viertel oder im kleinen Slow-Food-Restaurant neben dem Ucciardone-Gefängnis nahe beim Fährhafen, der in den nächsten Jahren neu gestaltet werden soll. Die Aufwertung des Quartiers kündigt sich schon jetzt im kleinen Design-Hotel «Ucciardhome» an, wo man in hohen ehemaligen Werkstatträumen an einem intimen Innenhof stilvoll zeitgenössisch wohnen kann.

Neues Design in alten Mauern

Der bunte, von tausend Widersprüchen geprägte Alltag der Perle an der Conca d'Oro lässt sich mit noch mehr Design verschönern: etwa bei einem Schaufensterbummel auf dem eleganten Viale della Libertà oder bei einem Besuch des 1954 von Carlo Scarpa sanierten, aber noch immer frisch wirkenden Kunstmuseums im Palazzo Abatellis. Anschliessend geht man auf der chaotisch engen Via Alloro weiter, bis sich plötzlich eine perfekt restaurierte Sackgasse auftut: Lämpchen im Kopfsteinpflaster erhellen den frühen Winterabend und liebkosen mit ihrem Licht altes Gemäuer, dieweil das schicke Gartenrestaurant noch von der milden Mittagssonne träumt. Doch jetzt zieht man die coole Bar in den einstigen Stallungen des Palazzo Cefalà vor, in der man seinen Apéro auf Stühlen internationaler Designer trinken und in den zum Verkauf aufgelegten Architekturbüchern schmökern kann. Dahinter weiten sich die Gewölbe der Expa-Galerie, die sich mit Städtebau und Architektur befasst.

Derzeit präsentiert sie in der schwarz glänzenden Ausstellungshalle die Ergebnisse des von der Architekturbiennale Venedig unter jungen Architekten ausgeschriebenen Portus-Wettbewerbs für die Ufergestaltung süditalienischer Hafenstädte. Von den 24 auf Schautafeln vorgestellten Arbeiten überzeugen vor allem das sich durch schwimmende Badehäuschen und eine Palmenpromenade auszeichnende Projekt von Giuseppe Francavilla für Termoli (Molise), der von zwei alten Fabrikschloten bestimmte Entwurf von Paolo Robazza für Monopoli (Apulien) sowie die von Peter Eisenman beeinflusste topographische Gestaltung, die Gian Battista Ortu für die Architekturschule im sardischen Porto Torres vorschlägt.

Die Expa-Schau ist Teil der von Rinio Bruttomesso konzipierten und der Entwicklung obsolet gewordener Hafenareale gewidmeten Grossveranstaltung «Città Porto», mit der Palermo ganz offiziell für einige Wochen Venedig als Biennale- Stadt ablösen darf. Die drei weiteren Ausstellungen finden ebenfalls in architektonischen Sehenswürdigkeiten statt, deren Revitalisierung für die Renaissance der sizilianischen Metropole steht. Einen Überblick über Hafenprojekte aus aller Welt erhält man im Palazzo Forcella De Seta, einem auf der das Kalsa-Viertel vom Meer trennenden Bastion errichteten klassizistischen Gebäude, dessen mit brüchigen Dekorationen in antikischen und maurischen Formen dekorierten Innenräume derzeit vom 53-jährigen Mailänder Architekten und Designer Italo Rota sanft saniert werden.

Für die Ausstellung hat Rota die stimmungsvollen Säle bald mit organisch geformten Kojen, bald mit wulstigen Stelen im Stil der siebziger Jahre ausgestattet, um die Geschichte der Hafenstädte, vor allem aber die Projekte zur Umgestaltung der für Containerschiffe zu klein gewordenen Pieranlagen als multimediales Spektakel zu inszenieren. Die hier aufgezeigte Entwicklung, die in den siebziger Jahren mit der Transformation von Fisherman's Wharf in San Francisco einsetzte, wird mit 16 Beispielen von Boston bis Sydney dokumentiert, wobei sich Valparaíso und Genua als städtebaulich besonders interessant erweisen, während Oslo mit spektakulären Bauprojekten von Koolhaas und Snøhetta auftrumpfen kann. Eine eigene Abteilung ist zudem Spaniens Küstenstädten gewidmet, die sich in den vergangenen Jahren mehr als andere herausputzten.

Die Stadt und das Meer

Den faktenreichen Doppelkatalog, der die Exponate in den nötigen Zusammenhang stellt, kann man dann in der Buchhandlung des angesagten Literatencafés «Kursaal Kalhesa» in den Bastionsgewölben des Palastes erwerben - eines Lokals, das selbst in Paris oder London Aufsehen erregen würde. Derart für den Reiz der Wasserfront sensibilisiert, geht man durch das dank den herbstlichen Kals'art-Festivals zum Trendquartier gewordene Viertel hinüber zur barocken Porta Felice, hinter der sich der ebenfalls von Italo Rota neugestaltete Uferpark des Foro Italico ausdehnt. Fast wähnte man sich hier an den Quaianlagen jener Schweizer Städte, die vor über hundert Jahren die heutige Entwicklung der Meerhäfen hin zum Wasser gleichsam vorwegnahmen, wären da nicht das Meeresrauschen und ein schattiger Palmenhain. Vorbei an einer aus buntfarbigen Steinliegen komponierten Open- Air-Lounge und an gepflegten Rasenflächen, auf denen Jungvolk in der Meeresbrise die Drachen steigen lässt, schlängelt sich der Weg in Richtung Sant'Erasmo, wo man sich plötzlich zwischen Autobahn und schäbigen Hütten wiederfindet. An dieser Stelle plant die Stadt den Parco della Foce, eine zum Strand hin abgetreppte Grünanlage mit Pools. Wie sie dereinst aussehen wird, zeigt die Ausstellung «Palermo - Mediterraneo» in der wieder instand gestellten ehemaligen Lokremise Sant'Erasmo.

Gleichsam als Einstimmung auf die vielen palermitanischen Projekte dient die vom jungen Turiner Designteam Cliostraat im nachtschwarzen vorderen Teil der Halle als unendlich wogende Wasserlandschaft eingerichtete Präsentation «Grande Sud», in welcher man Projekte für 10 süditalienische und sizilianische Hafenstädte studieren kann, von denen jene für Neapel, Salerno und Catania recht innovativ erscheinen. Durch eine Bilderschleuse gelangt man daraufhin zu einer riesigen, modellartigen Luftaufnahme von Palermo, mit der man selbst Skeptiker für die von der Stadt projektierte Verschönerung der Hafenzonen begeistert. So soll jenseits der heute als Jachthafen genutzten Cala, die von der Antike bis ins 19. Jahrhundert als zentraler Umschlagplatz diente, auf dem heute mit Schuppen verstellten «Molo Trapezoidale» die neue «Città d'acqua» entstehen. Vor wenigen Wochen konnte hier mit der Freilegung der Ruinen des mittelalterlichen Castello a Mare, des Herzstücks eines geplanten Archäologieparks, begonnen werden. Unmittelbar daneben sollen ehemalige Lagerhallen für die Belange von Kultur und Freizeit umgenutzt, aber auch ein neues Wohnquartier mit Wasseranstoss realisiert werden. Für den weiter nördlich sich bis zum Ucciardone erstreckenden Hafen für Fähren und Kreuzfahrtschiffe ist - wie schon erwähnt - ebenfalls ein Facelifting angekündigt, wobei ein Meeresmuseum den Übergang zu zwei in den Aussenquartieren Acquasanta und Arenella geplanten Jachthäfen sowie zum anschliessenden Küstenpark akzentuieren soll. Schafft es die Stadt wirklich, ihre fast zwei Quadratkilometer grosse Küstenzone nachhaltig zu revitalisieren, so könnte sie zu einem der baukünstlerisch attraktivsten Zentren im Mittelmeerraum werden.

[ Bis 14. Januar im Palazzo Forcella De Seta, in der ehemaligen Lokremise Sant'Erasmo und in der Architekturgalerie Expa. Katalog: Città - Porto. Mappe per nuove rotte urbane (ital./ engl.). Hrsg. Rinio Bruttomesso. Marsilio Editori, Venedig 2006. 2 Bde., 264 u. 118 S., Euro 50.- ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2006.12.12

02. Dezember 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus als lyrisch-abstrakte Plastik

Ein Meisterwerk des Architekten Cesare Cattaneo in Cernobbio am Comersee

Ein Meisterwerk des Architekten Cesare Cattaneo in Cernobbio am Comersee

Obwohl schon 67 Jahre alt, sieht die frisch renovierte Casa Cattaneo in Cernobbio fast wie ein baukünstlerisches Experiment von heute aus. Ihr Architekt, der 1939 bei ihrer Fertigstellung erst 27-jährige Cesare Cattaneo (1912-1943), konzipierte sie als archiskulpturalen Block, den er nach neoplastizistischen Erkenntnissen dekonstruierte, um dann die so entstandenen Volumen leicht gegeneinander zu verschieben. In schöpferischer Auseinandersetzung mit baukünstlerischen Meilensteinen seiner Zeit - Giuseppe Terragnis Stadtpaläste in Mailand, Le Corbusiers Wohnbauten am Stuttgarter Weissenhof oder Gerrit Rietvelds Schröder-Haus in Utrecht - schuf er ein Meisterwerk des 20. Jahrhunderts, das ausserhalb Italiens noch immer kaum Beachtung findet.

Juwel des Rationalismus

Zum Abschluss des Studiums hatte Cattaneo, der zum Kreis der Comasker Rationalisten um Terragni zählte, von seinen Eltern 1935 ein Grundstück im Zentrum von Cernobbio geschenkt erhalten. Doch der Bau eines Kindergartens in Asnago und die Realisierung der Brunnenanlage, die er zusammen mit seinem Malerfreund Mario Radice für die VI. Triennale von 1936 in Mailand entworfen hatte, hielten ihn zunächst von den Projektarbeiten ab. Im Frühjahr 1938 entstanden dann die ersten Skizzen und Entwürfe für sein kleinstädtisches Wohn- und Geschäftshaus, mit dem er ein Zeichen setzen wollte bezüglich formaler Klarheit und plastischer Logik.

Cattaneos konsequente Recherche verdichtete sich schliesslich zum Manifest eines neuen, von faschistischer Rhetorik freien Rationalismus, dessen lyrische Schwingungen bereits in Richtung des Neorealismus der Nachkriegszeit zu weisen scheinen. Im Sinne einer doppelten Codierung verschmilzt in der Casa Cattaneo der repräsentative Palazzo mit dem lombardischen Laubenganghaus zu einem Prototyp des urbanen Wohnens. Allein: Als das Gebäude im Herbst 1939 vollendet war, hatte sich das architektonische Interesse in Italien vom Wohnungsbau weg- und einem vom Duce geforderten Monumentalismus zugewandt. Nach dem Krieg, als die Wohnfrage neue Aktualität erlangte, wurde der gebaute Architekturtraktat von Cernobbio trotz Alberto Sartoris' Schriften weitgehend ignoriert.

Vorbildliche Baumonographie

Die architektonisch, künstlerisch und geistesgeschichtlich gleichermassen spannende Genese dieses «Capolavoro» wird nun in einer vorbildlichen Baumonographie nachgezeichnet. Darin skizziert die in Mendrisio, Como und Mailand lehrende Architektin Nicoletta Ossanna Cavadini zunächst die praktische Tätigkeit und den intellektuellen Kosmos des dem Theosophen Franco Ciliberti nahestehenden und vom Neuplatonismus geprägten Architekten, der über Zeitschriften und Bücher früh schon mit den verschiedenen Strömungen der internationalen Moderne in Berührung gekommen war. Eine Vielzahl bis anhin kaum bekannter Skizzen, Pläne und Modelle veranschaulicht das Thema des Gleitens, Schwebens und Verschiebens, welches die vielschichtig aufgebrochene, zwischen voll und leer, hell und dunkel wechselnde Strassenfassade mit ihren streifenförmigen Brüstungen und dem für den Comasker Rationalismus so typischen Rahmenelement des Attikageschosses bestimmt. Diese Kompositionsweise bringt die Autorin - ähnlich wie andere Forscher vor ihr - mit Mario Radices geometrisch-abstrakter Kunst in Verbindung.

Ausgehend von den für Cattaneo zentralen Gesichtspunkten der Unità und der vitruvianischen Eurhythmie, analysiert sie daraufhin den geistigen Überbau des Hauses, in dem der Architekt durch den Zusammenklang von Geometrie und Theologie, Technik und Geschichte «jene Ideale von Harmonie und Synthese erreicht, welche er im Aufsatz ‹Giovanni e Giuseppe› mit ‹Polydimensionalität› umschreibt». Die Interpretation dieser wichtigen Theorieschrift, eine suggestive Baugeschichte, eine technische Analyse und Dokumentation sowie ein Verzeichnis von Cattaneos Bauten und Projekten runden zusammen mit Lorenzo Mussis Aufnahmen des renovierten Gebäudes die Monographie ab.

Besondere Aufmerksamkeit widmet Nicoletta Ossanna Cavadini der Wirkungsgeschichte der für Architekten wie Le Corbusier, Peter Eisenman oder Mario Campi wichtigen Casa Cattaneo. Schade nur, dass sie dabei nicht auf die Verwandtschaft dieses Hauses mit Giuseppe Terragnis 1940 vollendeter Casa Giuliani-Frigerio in Como zu sprechen kommt, die Cattaneos plastische Formfindung in der Allansichtigkeit zur Vollendung bringt. Zu hoffen ist, dass dieser wenig erforschte Aspekt in einem weiteren Band der vom Archivio Cattaneo initiierten Schriftenreihe untersucht werden wird.

[ Nicoletta Ossanna Cavadini: Casa Cattaneo a Cernobbio. Silvana Editoriale, Mailand 2006. 99 S., Euro 21.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2006.12.02

15. November 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Städtebaulicher Aufbruch

Urbanistische Szenerien Mexikos in der Architekturakademie Mendrisio

Urbanistische Szenerien Mexikos in der Architekturakademie Mendrisio

Der architektonische Diskurs verschiebt sich derzeit von den verführerischen Einzelbauten etwas in Richtung Stadt, denn die Metropolen vorab in den Schwellen- und Entwicklungsländern wuchern ungehindert weiter. Daher erstaunt es kaum, dass sich die diesjährige Architekturbiennale von Venedig die Probleme der Megastädte auf die Fahnen geschrieben hat und in Palermo derzeit gleich in vier Ausstellungen die Neugestaltung obsolet gewordener Hafenanlagen analysiert wird. Diesen Ereignissen antwortet die Galerie der Architekturakademie Mendrisio mit einem ambitiösen, vom Stadtplaner und Akademiedirektor Josep Acebillo initiierten Ausstellungszyklus, der unter dem Motto «Nuove scene urbane nel mondo» in den nächsten Monaten die urbanistischen, demographischen, soziologischen, ökologischen und kulturellen Entwicklungen sowie die neusten architektonischen Trends in Moskau, den Planstädten Chandigarh und Brasilia, in Johannesburg und in den Megalopolen Chinas beleuchtet.

Den Auftakt zum Ausstellungsreigen macht derzeit Mexiko-Stadt. Die von Miguel Adriá, einem in Mexiko lebenden Katalanen, konzipierte Schau lockt die Besucher zunächst in drei Kojen, in welchen Kurzfilme über Juan O'Gormans Atelierhäuser für Frida Kahlo und Diego Rivera, über den in den fünfziger Jahren zum modernen Wahrzeichen des Landes gewordenen Campus der Universität von Mexiko und über das Werk des Künstlerarchitekten Luis Barragán gezeigt werden. Eine Videowand katapultiert einen daraufhin mit magischem Geflimmer durch die Baugeschichte Mexikos, einer Stadt, die um 1900 erst 345 000 Einwohner zählte, inzwischen aber mit über 20 Millionen Menschen als zweitgrösste Agglomeration der Erde gilt.

Geschickt ist damit die Neugierde geweckt. Informationshungrig studiert man nun die beiden Bildwände auf der Eingangsebene der Galerie. Hier erfährt man einiges über den privaten und öffentlichen Verkehr, über Grünräume und die Austrocknung der ehemals grossen Wasserflächen, über das unvorstellbare Wachstum der Stadt und die Versuche, dagegen mit einer gezielten Verdichtung vorzugehen. Zuversichtlich stimmen Visionen zur Verbesserung der prekären Situation: von der Erziehung über die Gesundheitsversorgung, die Sicherheit, Forschung und Entwicklung, Kultur und Erholung bis hin zur Verwaltung. Da all die Grafiken und Texte, die im kleinen Ausstellungskatalog weiter vertieft werden, nicht allzu sinnlich daherkommen, wird die weitgehend von immateriellen Medien lebende Schau durch eine Serie farbiger Stelen animiert, die an Barragáns Turmskulptur der Ciudad Satélite (1957) in Mexiko erinnern.

Diese Stelen projizieren Bilder der neusten Bauten von zehn wichtigen Architekten an die Wand - darunter der Altmeister Teodoro González de León, die international bekannten Ricardo Legorreta und Enrique Norten und der Jungstar Fernando Romero. Hochhäuser, Schulen, eine einfache und sinnfällig interpretierte Markthalle von Mauricio Rocha, eine von Javier Sánchez zu Wohnzwecken umgestaltete Fabrik, aber auch Luxusvillen oder eine mit ihren Treppen und Regalen aus Metall an Piranesis Carceri erinnernde Bibliothek von Alberto Kalach vergegenwärtigen die konzeptuelle, ästhetische, stilistische und intellektuelle Vielfalt der heutigen mexikanischen Architektur, mit der sich in Lateinamerika derzeit wohl nur Chile messen kann. Wenn die Schau hier in den Kult der Einzelbauten abgleitet, so vielleicht, um klarzumachen, dass städtebauliche Untersuchungen das Formalästhetische nicht völlig ausklammern sollten. Auch wenn die architektonischen Spitzenwerke im unendlichen Strassenraster Mexikos nur winzige Akzente setzen und vom metropolitanen Moloch verschluckt zu werden drohen, haben sie als urbanistische Katalysatoren doch ihre Bedeutung. - Man darf nun gespannt sein, ob sich die Präsentation Mexikos mit den vier weiteren Ausstellungen in Mendrisio zu einer Gesamtsicht verdichten werden.

[ Bis 3. Dezember in der Galerie der Architekturakademie Mendrisio. Katalog: Contemporary Mexican Architectures. New Urban Venues in the Emergent World. Hrsg. Miguel Adriá. Mendrisio Academy Press, Mendrisio 2006. 114 S., Fr. 25.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2006.11.15

04. Oktober 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bilder und Stimmungen

In den vergangenen Jahren hat das Basler Architektenteam Miller & Maranta mit seinen Bauten und Projekten viel Aufmerksamkeit erregt. Einen ersten gültigen Überblick über sein Werk bietet derzeit eine grosse Retrospektive im Architekturzentrum «aut» in Innsbruck.

In den vergangenen Jahren hat das Basler Architektenteam Miller & Maranta mit seinen Bauten und Projekten viel Aufmerksamkeit erregt. Einen ersten gültigen Überblick über sein Werk bietet derzeit eine grosse Retrospektive im Architekturzentrum «aut» in Innsbruck.

Dürfte man nur einen überragenden Bau nennen, der in den letzten Jahren im alpinen Raum entstanden ist, so würde man wohl die Erweiterung von Gottfried Sempers Villa Garbald durch Miller & Maranta in Castasegna wählen. Dennoch ist dieses mit minimalen Mitteln und baukünstlerischer Ökonomie realisierte Meisterwerk jüngst in Sexten bei der Preisausschreibung für «Neues Bauen in den Alpen» ohne Auszeichnung geblieben. Da kommen Zweifel auf an der Kompetenz der Jury, die offensichtlich nicht erkennen wollte, mit wie viel Sinn für den gebauten Kontext dieser schlanke Wohnturm ins Dorf und in den Villengarten eingepasst wurde. Solches Spüren nach dem Genius Loci und nach dem Atmosphärischen einer städtebaulichen Situation bestimmt alle Arbeiten der Basler Architekten. Das belegt die Miller-&-Maranta-Retrospektive, die derzeit im Ausstellungszentrum «aut architektur und tirol» im Innsbrucker Adambräu zu sehen ist und einmal mehr zeigt, dass man das Schaffen unserer interessantesten Baukünstler eher in Dornbirn, Meran, München oder Innsbruck studieren kann als in Basel, Lausanne, Zürich und Mendrisio.

Psychologische Architektur

Am Ende des abwechslungsreichen Ausstellungsparcours verweisen die 1959 in Chur geborene Paola Maranta und ihr zwei Jahre jüngerer, aus Aarau stammender Partner Quintus Miller in einem intimen, mit zahllosen kleinen Bildern tapezierten Raum auf die Anregungen zum Erweiterungsbau von Castasegna: vom Roccolo, dem Tessiner Vogelfangturm, bis hin zum verwinkelten Engadinerhaus. Diese Reproduktionen vermitteln einem zusammen mit einer Vielzahl weiterer Abbildungen von türkischen Keramikfliesen, von Giambattista Nollis Rom-Plan oder von expressionistischen Zeichnungen, die immer im Dialog mit Fotos der Bauten von Miller & Maranta stehen, in Kürze mehr über die architektonische Recherche des Architektenpaars als jede theoretische Abhandlung.

Stets gehen die von der «Analogen Architektur» ihrer Lehrer Miroslav Šik und Fabio Reinhart geprägten Baukünstler in ihrer Entwurfspraxis vom Ort, von seiner Geschichte, seinen Bildern und Stimmungen aus. Die Resultate dieser geduldigen Suche lassen sich nicht leicht unter einem einzigen Begriff schubladisieren, was Miller & Maranta zur Blütezeit der «Schweizer Kiste» den Weg zum Erfolg etwas versperrte. Inzwischen aber haben sie sich mit ihren formal oft komplexen, materiell reduzierten und atmosphärisch mitunter traumartig melancholischen Bauten durchgesetzt. Diese könnte man als Beispiele einer psychologischen Baukunst bezeichnen; dies umso mehr, als Miller & Maranta im Entwurfsprozess davon ausgehen, «dass die Interpretation unserer eigenen Wahrnehmung eng mit unseren Erinnerungen zusammenhängt». Aufgrund dieser Arbeitsweise unterscheidet sich die hölzerne, im Abendlicht wie eine Bronzeskulptur erscheinende Markthalle am Färberplatz in Aarau (2002) entschieden vom bienenwabenartigen Mehrfamilienhaus im Basler Schwarzpark (2004) oder von der mit den Wohn- und Geschäftshäusern der Nachbarschaft flirtenden Seniorenresidenz Spirgarten in Zürich Altstetten (2006), die mit ihrer Verschmelzung von Band- und Lochfenstern weder Stein- noch Glashaus sein will.

Wie diese unterschiedlichen Bauten im Dialog mit dem Bestand und der gestellten Aufgabe entstehen, veranschaulicht die Ausstellung höchst suggestiv in fünf Stationen. Da ist der Raum mit den Mustern und Materialien, wo haptische und sinnliche, aber auch traditionelle Aspekte der Architektur von Miller & Maranta zutage treten. Oder jener mit den Modellen, in welchem ein Dutzend unrealisierte oder noch nicht vollendete Werke anhand höchst unterschiedlicher Maquetten einen Einblick in die Werkgenese geben. Der Suchprozess führt oft zu mehreren formalen Varianten - zu geometrisch-strukturalistischen wie auch zu plastisch-biomorphen. Die Hausminiaturen aus Holz, Kunststoff oder Karton helfen den beiden Architekten nicht nur beim Finden der architektonisch und urbanistisch richtigen Antwort auf eine Aufgabenstellung. Mit ihrer Unterstützung versuchen sie auch den endgültigen Bau vorwegzunehmen oder die Innenräume möglichst exakt zu definieren, wie die grossen Arbeitsmodelle des Hotels «Waldhaus» in Sils Maria oder der in einen Industriebau integrierten Volta- Schule in Basel demonstrieren.

Ein Blick in die Zukunft

Dreizehn Arbeiten werden schliesslich in kommentierten Projektmappen bis in alle Details vorgestellt. Dabei wird deutlich, dass Miller & Maranta in neusten Projekten wie der gezackten Wohnkette am Rande des Zürcher Patumbah- Parks, den gestaffelten Seevillen in Buonas bei Risch oder dem Wohnhaus im Baumgarten in Riehen mehr Wert legen auf skulpturale Objekthaftigkeit als auf jene baustatischen Experimente, welche die zum Teil mit dem Churer Ingenieur Jürg Conzett entwickelten Bauten in Aarau, Castasegna oder Basel prägten. Den Kontextbezug hingegen findet man weiterhin: beim Wellnessbad von Samaden ebenso wie beim Hochhaus der Kantonalbank in Zug. Dieses wird nach seiner Vollendung im Jahre 2010 den Zuger Bahnhofsplatz mit einer filigranen, bronzefarbenen Fassade aus Stahl und Glas dominieren und so der Umgebung mit einem Erscheinungsbild antworten, das den spröden Klassizismus der siebziger Jahre mit der Sprache unserer Zeit vereint. Damit dürften Miller & Maranta wohl einmal mehr beweisen, wie meisterlich sie den Stadtraum zu definieren und mit neuen Stimmungen und Irritationen aufzuladen wissen. Kurz: In den ausgestellten Werkberichten liegen Informationen verborgen, die man einem interessierten Publikum unbedingt in Buchform zugänglich machen sollte.

[ Bis 11. November im «aut architektur und tirol» im Adambräu in Innsbruck. Kein Katalog. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2006.10.04

15. September 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Barocke Raumwunder

Woran liegt es, dass Graubünden, das Tessin und Vorarlberg immer wieder wichtige Beiträge zur europäischen Architektur geleistet haben? Unter anderem an...

Woran liegt es, dass Graubünden, das Tessin und Vorarlberg immer wieder wichtige Beiträge zur europäischen Architektur geleistet haben? Unter anderem an...

Woran liegt es, dass Graubünden, das Tessin und Vorarlberg immer wieder wichtige Beiträge zur europäischen Architektur geleistet haben? Unter anderem an den beschränkten Arbeitsmöglichkeiten, welche die Baumeister und Handwerker aus ihrer kargen Heimat in die Welt hinaus streben liessen. Dabei erlaubte es ihnen eine enge verwandtschaftliche Organisation, alle Aufgaben vom Entwurf bis hin zur künstlerischen Ausgestaltung im Team auszuführen. Während sich ganze Dynastien von Tessinern in Rom oder St. Petersburg niederliessen, zogen die seit etwa 1650 in der Auer Zunft organisierten Vorarlberger im 17. und 18. Jahrhundert als Saisonniers nach Süddeutschland, in die Ostschweiz oder ins Elsass und kehrten im Winter zur Weiterbildung heim. Längst gehört der familiäre oder zünftische Zusammenschluss der Vergangenheit an, und dennoch herrscht unter den Architekten in Bregenz, Chur oder Lugano weiterhin ein gemeinsames Interesse an handwerklicher Perfektion und konstruktiver Einfachheit, was sich bis heute in ebenso pragmatischen wie qualitativ hochstehenden Bauten manifestiert.

Solche Sachverhalte untersucht nun eine den Meistern aus dem Bregenzer Wald gewidmete Ausstellung im Vorarlberger Landesmuseum in Bregenz und gewichtet zugleich die Stellung der lokalen Bauschule im barocken Kontext neu. Denn die von den Beers, den Thumbs und Caspar Moosbrugger errichteten Kloster- und Wallfahrtskirchen von Birnau, Einsiedeln, Rheinau, St. Gallen oder Weingarten sind nicht nur strahlende Gesamtkunstwerke, sondern auch Hauptbeispiele der zum Synonym der Vorarlberger Schule gewordenen und als Antithese zu Borrominis Raumkunst geltenden barocken Wandpfeilerkirche.

Diese baukünstlerischen Juwele bilden den Auftakt zu einer von Werner Oechslin konzipierten und von einem kleinen Katalogbuch begleiteten Schau. In deren Zentrum stehen die «Auer Lehrgänge», zwei 1940 wiederentdeckte, aber jetzt erstmals ausgestellte Konvolute lavierter Zeichnungen, welche von den Mitgliedern der Auer Zunft - Baumeistern, Steinmetzen und Stuckateuren - zur Schulung verwendet wurden. Die wohl um 1715 im Moosbrugger-Kreis entstandenen Musterbücher geben Darstellungen aus den Theoriebüchern von Vignola, Pozzo und Daviler, aber auch im Zusammenhang mit Vorarlberger Bauten entstandene Entwürfe wieder und sind so wertvolle Dokumente der barocken Architekturausbildung. Darüber hinaus gewährt die kompakte Schau am Beispiel des Klosters Mehrerau Einblicke in die kollektive Baupraxis der Vorarlberger, die - wie das Schlusskapitel zeigt - in einzelnen Fällen bis heute das Architekturgeschehen im Westen Österreichs prägt.

[ Bis 29. Oktober im Vorarlberger Landesmuseum. Katalog: Architectura practica. Barockbaumeister und moderne Bauschule aus Vorarlberg. Hrsg. Tobias Natter und Ute Pfanner. Bucher-Verlag, Hohenems 2006. 94 S., Euro 17.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.09.15

12. September 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukünstlerische Höhenflüge

Immer mehr Architekten fühlen sich als Künstler. Dies lässt sich nirgends so gut ablesen wie an den Kulturbauten, die mit skulpturalen Formen oder dramatischen...

Immer mehr Architekten fühlen sich als Künstler. Dies lässt sich nirgends so gut ablesen wie an den Kulturbauten, die mit skulpturalen Formen oder dramatischen...

Immer mehr Architekten fühlen sich als Künstler. Dies lässt sich nirgends so gut ablesen wie an den Kulturbauten, die mit skulpturalen Formen oder dramatischen Raumfolgen ihren Inhalt ganz bewusst zu überbieten trachten. Ikonen wie Frank Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao, Jean Nouvels KKL, Daniel Libeskinds Jüdisches Museum in Berlin, Zaha Hadids «Phæno»-Center in Wolfsburg oder Ben van Berkels Mercedes-Benz- Museum in Stuttgart, die oft nur ihrer Architektur wegen besucht werden, gelten als Hauptfaktoren des Städtetourismus und der Standortgunst. Doch solche baukünstlerische Höhenflüge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbst in führenden Architekturnationen wie der Schweiz, den Niederlanden oder Spanien die gebaute Wirklichkeit im besten Fall Mittelmass darstellt, dieweil man die Meisterwerke suchen muss.

Verführerische Bauwerke

Es liegt nicht allein an dieser Unstimmigkeit, dass die neuste Architekturbiennale, die am vergangenen Sonntag in Venedig ihre Tore öffnete, vom Kult der Einzelbauten wegzukommen und das Augenmerk vermehrt auf die Stadt und deren Sorgen zu richten sucht. Unter der Leitung des Londoner Architekten und Stadtplaners Richard Burdett will sie darlegen, wie sekundär Aspekte der architektonischen Ästhetik verglichen mit den Herausforderungen und Chancen sind, welche die rasante Verstädterung mit sich bringt. In einer Welt, in der es bald Dutzende von Megastädten mit über 20 Millionen Einwohnern geben soll, muss über die urbane Zukunft nachgedacht werden - und dennoch fragt man sich, ob der Grossanlass in der Lagune ein Publikum, das auf visuelle Reize und nicht auf Belehrung aus ist, befriedigen oder gar fesseln kann.

Als Alternative zur eher faktenorientierten Architekturbiennale bietet sich den Liebhabern kunstvoller Bauten die Möglichkeit, gleichsam vom Sofa aus die neusten Highlights zu besichtigen: weltweit in Form einer heiteren Blütenlese oder - etwas reflektierter - auf virtuellen Reisen durch Grossbritannien, Japan, die Niederlande und die Schweiz. Möglich wird dies dank zwei Serien reich bebilderter, vom Kunst- und Architekturpublizisten Philip Jodidio im Taschen-Verlag herausgegebener Übersichtswerke. Von der 2001 gestarteten Reihe «Architecture Now» liegt bereits der vierte Band vor. Er zeigt 83 neue Arbeiten von 73 Architekten. Erhellen die einen Gebäude die Bezüge zwischen Architektur und Kunst, so loten andere das ökologische Potenzial des Bauens aus. Die nüchterne Kiste muss dabei immer öfter zerklüfteten neokubistischen Kreationen oder biomorphen Archiskulpturen weichen. Denn das Publikum sehnt sich ganz offensichtlich nach komplexen Gebilden wie der Seattle Central Library von Rem Koolhaas oder nach verspielten Anlagen wie dem Dalki-Themenpark von Moongyu Choi im südkoreanischen Paju.

Überbordender Bilderreigen

An diesem Kokettieren mit dem schönen Schein kann sich die solide Schweizer Baukunst höchstens mit den Kultbauten von Herzog & de Meuron in München, Minneapolis und San Francisco beteiligen. Wer mehr über die hiesige Szene erfahren will, greift deshalb zum Band «Architecture in Switzerland». Neben Arbeiten international bekannter Grössen wie Roger Diener oder Peter Zumthor finden sich so unterschiedliche Bauten wie die buntfarbene Primarschule in Rolle von Devanthéry & Lamunière aus Genf oder der über einem Glassockel schwebende Kupferquader von Aldo Celorias Villa Travella in Castel San Pietro. Da auch hier verführerische Bilder die Botschaft überbringen müssen, kommt etwa der Zürcher Wohnungsbau, der wichtigste Beitrag der Limmatstadt zur Schweizer Architektur der letzten Jahre, nicht mit seinen innovativsten Beispielen zum Zug, sondern mit der neoexpressionistischen Siedlung Broëlberg von E2A und der «Wallpaper»-Extravaganz eines Hauses am Üetliberg von Fuhrimann Hächler. Dennoch gibt der Querschnitt einen gültigen Einblick in die sich allmählich von der «Schweizer Kiste» lösende Baukunst unseres Landes, dessen architektonische Psychologie Jodidio in der kurzen Einführung erstaunlich gut trifft.

Ähnlich repräsentativ ist der Band «Architecture in the United Kingdom», der wie alle Publikationen dieser neuen Serie knapp 30 Arbeiten von rund 15 Büros in einem Bilderreigen vorführt. Nicht zu übersehen ist eine gewisse baukünstlerische Erstarrung im Inselreich, wo noch immer die beiden Lords - Norman Foster und Richard Rogers - das Sagen haben. Auch wenn der bald 60-jährige Exzentriker Will Alsop die Popkultur von Archigram in die Gegenwart hinüberretten will, gehen derzeit die interessantesten Impulse von Architekten aus, die von überall her nach London streben. Während das iranisch-spanische Duo FOA in seiner neuen Wahlheimat erst Projekte vorweisen kann, ist der aus Tansania stammende David Adjaye mit seinen Idea Stores bereits zum Idol der Jungen geworden.

Selbst in den Niederlanden, dem «Hollywood der Architekten», ist eine gewisse kreative Stagnation auszumachen. Das können die geheimnisvoll im Wasser sich spiegelnden «5 Sphinxen» von Neutelings Riedijk in Huizen oder das wie in einem Eissturm erstarrte Rathaus von Erick van Egeraat in Alphen aan den Rijn ebenso wenig überspielen wie die Neustadt Almere, in der neben dem Vordenker Rem Koolhaas auch Nachwuchsarchitekten tätig sind. Diese stehen jedoch meist im Bann der übergrossen Vorbilder oder dann der neusten Moden, wie der deutlich an Koolhaas' Rotterdamer Kunsthal inspirierte Teepavillon von SeARCH in Rheden oder die Blob-Architektur von Nox zeigen.

Japan hingegen scheint aus seiner Krise herauszufinden. Neben Fumihiko Maki, Arata Isozaki oder Tadao Ando, den vielbeschäftigten Vertretern der «grauen» Neo- und Postmoderne, konnten jüngst die angesehenen Büros von Toyo Ito und Sanaa wichtige Aufträge realisieren, darunter die Flagship-Stores grosser Modefirmen. Diese erlauben es ihnen genauso wie ihrem Kollegen Jun Aoki, den baukünstlerischen Luxus zu thematisieren. Mit Kulturbauten beweisen sich schliesslich einige jüngere Architekten: Takaharu und Yui Tezuka mit dem klosterartigen Museum für Naturwissenschaften in Matsunoyama oder Makoto Yokomizo mit dem camouflierten, von Mies van der Rohe beeinflussten Tomihiro- Kunstmuseum in Azuma. Im Häuserbrei der endlosen japanischen Stadtlandschaften kommt diesen Juwelen nicht zuletzt die wichtige Aufgabe von städtebaulichen Katalysatoren zu.

[ Philip Jodidio: Architecture Now. Band 4. Taschen-Verlag, Köln 2006. 575 S., Fr. 50.-. ]

[ Architecture in Japan; Architecture in the Netherlands; Architecture in Switzerland; Architecture in the United Kingdom. Alle vier Bände: Hrsg. Philip Jodidio. Taschen-Verlag, Köln 2006 (dreisprachig: dt., engl., frz.). Je 192 S., Fr. 35.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2006.09.12

01. September 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Glas und Farbe

Das Lakefront Center von Justin Rüssli in Luzern - ein neuer Akzent in der Schweizer Hotel-Landschaft

Das Lakefront Center von Justin Rüssli in Luzern - ein neuer Akzent in der Schweizer Hotel-Landschaft

Die Belle Epoque gilt als die grosse Zeit der Hotellerie. Den damals in den Metropolen und eleganten Kurorten entstandenen Luxustempeln ebenbürtig waren wohl erst wieder das «Fontainebleau» oder das «Eden Roc» mit ihren glitzernden Lobbys, Klubs und Restaurants, die Morris Lapidus um 1955 im Norden von Miami Beach schuf. Ende der achtziger Jahre brachte dann Ian Schrager mit den von Philippe Starck gestylten New Yorker Häusern «Royalton» und «Paramount» das Designhotel in Mode. Neue baukünstlerische Impulse erhoffte man sich daraufhin von Schragers Projekt am Astor Place in Manhattan, das Herzog & de Meuron und Rem Koolhaas zu einem Leuchtturm in der Hotel- Landschaft machen sollten. Doch das ehrgeizige Projekt scheiterte 2001. An seiner Stelle zogen leider bald schon pompöse Riesenbauten wie der segelförmige «Burj al-Arab» in Dubai oder die mit Design überladene «Puerta América» in Madrid die Aufmerksamkeit auf sich.

Hierzulande setzte der Wiederaufschwung im Hotelbau Mitte der neunziger Jahre ein mit Tilla Theus' Transformation einer Zürcher Altstadtzeile zum Hotel «Widder» und der Erweiterung des «Zürichbergs» um einen schneckenförmigen Solitär von Burkhalter & Sumi. Vor zwei Jahren dann konnte mit dem architektonisch bedeutenden «Park Hyatt» von Meili Peter Zürichs erstes grosses Stadthotel des 21. Jahrhunderts eröffnet werden. Ihm folgte nun vor sechs Wochen in Luzern das «Radisson», das mit seiner skulpturalen Glashaut noch abstrakter wirkt als das Zürcher Luxushaus und einen farbigen Akzent in die Luzerner Hotel-Landschaft setzt. Seit die Leuchtenstadt mit Jean Nouvels KKL über eine neue Attraktion verfügt, herrscht bei den Hoteliers Aufbruchstimmung. So konnten Diener & Diener dem altehrwürdigen «Schweizerhof» und Pia Schmid dem «Montana» zu einem zeitgemässen Auftritt verhelfen, während Nouvel einen Altbau in das trendige «The Hotel» verwandelte; und zurzeit erweitern Herzog & de Meuron das 1957 wegweisende «Astoria», ein Frühwerk von Theo Hotz, um einen Anbau zum Kongresshotel.

Anders als diese Häuser, die entweder an der Seepromenade, am Hang oder im schönen Gründerzeitquartier zwischen Bahnhof und Altstadt liegen, erhebt sich das «Radisson» als Teil des multifunktionalen, auch Schulen und Wohnungen umfassenden Lakefront Center zwischen Bahnhof, KKL, Werftanlage und Dienstleistungszone in einer ebenso heterogenen wie städtebaulich spannenden Umgebung, die bis vor zwei Jahren noch durch die Güterschuppen der Bahn geprägt war. Obwohl es mit einem Nutzungsmix auf die wenn nicht schöne, so doch abwechslungsreiche Nachbarschaft antwortet, tritt das Lakefront Center zum See hin ganz entschieden als Stadthotel auf. Der 42-jährige Luzerner Architekt Justin Rüssli, der seine Sporen bei Steven Holl in New York abverdiente und in Zusammenarbeit mit diesem soeben die Schweizer Botschaftsresidenz in Washington vollenden konnte, gab dem Gebäude gleich mehrere Gesichter. Seine grösste Bildhaftigkeit erreicht das wie die Washingtoner Residenz mit seinen rechtwinkligen Auskerbungen und Erkern an eine minimalistische Skulptur gemahnende Haus an der Seefassade, die sich wie die Werftfassade aus einer Vielzahl gläserner Rechtecke zusammensetzt. Dabei erzeugen die bunten, in den Fenstern angebrachten Sonnenstoren ein Farbenspiel, das Erinnerungen an Holls MIT-Studentenheim in Cambridge wachruft.

Die zum Pilatus hin orientierte Gebäudewand öffnet sich auf einen U-förmigen, wiederum von drei unterschiedlichen Fassaden gefassten Innenhof, den sich Hotel und Schulen teilen. Man betritt ihn von einer der beiden das Bahnareal überspannenden Passerellen aus auf einer angedockten Brücke, die bereits den industriellen Touch der Gleisfassade vorwegnimmt. Diese mehrfach gebrochene Rückseite des Gebäudes verweist ihrerseits mit einer fünfgeschossigen Auskragung ganz im Norden auf die elegante Seefront.

Spaziert man vom KKL am Inselipark vorbei in Richtung Werft, so erblickt man vom Lakefront Center zunächst die seeseitige Terrasse des Hotelrestaurants. An der Werftstrasse betritt man die in kühles Blau getauchte Lobby des «Radisson», deren Wellenmotive und Raumteiler aus Fiberglas-Stäben an ein Aquarium denken lassen. Der transparente Raum geht fliessend über in die in Retrofarben von Orange bis Violett gehaltene Lounge-Bar mit ihren geblümten Sofas und den Sesseln von Ron Arad. Am Schluss der heiteren Raumsequenz wartet das Restaurant mit erdigen Tönen, dezentem Mobiliar und einer orange illuminierten Schauküche auf. Aus dieser von Justin Rüssli und dem französischen Designer Henry Chebaane ganz lichtdurchlässig konzipierten Eingangsebene führt eine Treppe hinauf zu den introvertierten Tagungs- und Kongressräumen. Darüber befinden sich die 165 bald in coolem Business-, intimem Ferien- oder angesagtem Freizeitlook gehaltenen Zimmer und Suiten. Anders als Nouvels «The Hotel», das sich mit kunstvoll inszenierten Räumen an ein mondänes Publikum richtet, will das «Radisson» als angenehme Light-Version eines Designhotels einem breiten Publikum gefallen.

Noch schöner als die Hotelgäste haben es nur die Besitzer der 23 Maisonettewohnungen, die sich im siebten und achten Geschoss wie ein Kranz um das Gebäude winden und dessen Starrheit rhythmisch auflösen. Dank wechselnden Ausblicken auf Berge, See und Bahnhof darf man sich hier permanent in den Ferien wähnen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.09.01



verknüpfte Bauwerke
Bahnhofportal Süd

29. Juli 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Verstand und Gefühl

Ihren ersten Grossauftritt erlebte die Tessiner Architektur anlässlich der Zürcher «Tendenzen»-Ausstellung von 1975. Mit der vor gut zehn Jahren von Mario Botta vorangetriebenen Gründung der Architekturakademie Mendrisio etablierte sich dann die «Tessiner Schule». Seither formierte sich - von vielen kaum bemerkt - eine vitale junge Architektenszene.

Ihren ersten Grossauftritt erlebte die Tessiner Architektur anlässlich der Zürcher «Tendenzen»-Ausstellung von 1975. Mit der vor gut zehn Jahren von Mario Botta vorangetriebenen Gründung der Architekturakademie Mendrisio etablierte sich dann die «Tessiner Schule». Seither formierte sich - von vielen kaum bemerkt - eine vitale junge Architektenszene.

Das alte Klagelied, architektonischer Wildwuchs habe in den vergangenen Jahrzehnten weite Gebiete des Tessins in eine gesichtslose Agglomeration verwandelt, hört man von Deutschschweizern immer wieder. Dabei spiegelt sich in dieser Entwicklung nur ein gesamtschweizerisches Phänomen. Die durch den ungezügelten Bauboom bewirkte Landschaftszerstörung nahmen die Protagonisten der «Tessiner Schule» schon in den sechziger Jahren wahr. Der immer noch unterschätzte Rino Tami konzipierte damals einen Bebauungsplan für die später zum suburbanen Chaos verkommene Scairolo-Ebene bei Lugano. Doch dieser scheiterte an den gegenläufigen Interessen der vielen Kleingemeinden.

Anders als etwa der von Frank Lloyd Wright begeisterte Franco Ponti, der 1961 das pittoreske San-Michele-Quartier bei Caslano als eine Art Kleinvenedig diskret in eine Bucht des Luganersees fügte, setzten Aurelio Galfetti, Luigi Snozzi, Livio Vacchini und bald auch Mario Botta oder Ivano Gianola mit harten Betongebäuden im amorphen Häuserbrei auffällige Zeichen, die jedoch die Zersiedelung nicht bremsen, sondern allenfalls ästhetisieren konnten. Gleichwohl begründete ihr formal höchst unterschiedliches Schaffen, das 1975 dank der Zürcher Ausstellung «Tendenzen - Neuere Architektur im Tessin» fast über Nacht zu internationalen Ehren kam, einen in den Jahren der postmodernen Popularisierung der Baukunst vielbeachteten Regionalismus. Ging es bei dieser Architektur für Architekten anfangs um Denkmodelle, so stand bald schon das Bauen im Mittelpunkt. Das ist bis heute so geblieben, kümmert sich doch die neuste Architektengeneration weniger um die Ethik und den Widerstand von einst als vielmehr um das Realisieren von Bauten, deren bildhafte Fassaden Stimmung und Atmosphäre vermitteln wollen.

URBANISTISCHES DESINTERESSE

Gut drei Jahrzehnte sind es nun her, seit die Welt erstaunt von einer Architektur des Aufbegehrens in der italienischsprachigen Schweiz Kenntnis nahm. Vor zehn Jahren dann, als es um die Baukunst des Südkantons bereits ruhiger geworden war, wurde die Accademia di Architettura in Mendrisio gegründet, an der seither bedeutende Architekten und Theoretiker aus dem In- und Ausland unterrichten. Trotz dieser Schule und den andauernden Erfolgen von Botta, Gianola, Snozzi und Vacchini nahm aber das Interesse am Tessiner Architekturgeschehen ab. Selbst vor Ort hat die qualitativ hochstehende Architektur - obwohl sie von den Tourismusbehörden seit Jahren gerne und gezielt vermarktet wird - einen schweren Stand.

Bevorzugt gelegene Bauten werden meist von Durchschnittsbüros realisiert, wie etwa das Projekt des megalomanen Palazzo Mantegazza von Giampiero Camponovo an der Seepromenade in Lugano Paradiso oder der rein spekulative Zwillingsbau der «Residenza Forum» am Lungolago von Locarno zeigen. Nun sollen auf der anschliessenden Parzelle noch die letzten historischen Bauten am Ufer - ein schönes Beispiel der Novecento-Architektur sowie ein kleines Gründerzeit- Hotel - einem weiteren Luxus-Apartmenthaus weichen. Hier werden Vetternwirtschaft, die fehlende architektonische Kultur der Investoren und das skandalöse Schweigen der Architektenschaft sichtbar, aber auch ein mangelndes Sensorium breiter Kreise - auf baukünstlerischem wie auf städtebaulichem Gebiet. Allerdings hat es nicht einmal die Architekturakademie in Mendrisio mit ihrem Allerweltsneubau von Soliman und Zurkirchen geschafft, als Vorbild zu wirken.

Was das urbanistische Engagement für die Stadt betrifft, so tun und taten sich schon die Exponenten der Tessiner Tendenza schwer, auch wenn einige sorgfältig ins Stadtgewebe integrierte Bauten wie Galfettis Postgebäude in Bellinzona und Bottas Ransila-Geschäftshaus in Lugano (beide 1985 vollendet) das Gegenteil zu untermauern scheinen. Mit ihrer Architektur der «starken Formen» vermochten sie zwar Orte zu bauen und damit Akzente in der Landschaft zu setzen. Aber die Stadt mit ihren komplexen historischen und soziologischen Bezügen blieb ihnen eher fremd, vielleicht weil diese sich kaum für autistische Solitäre eignet. Das veranschaulicht etwa Bottas krabbenartiger Zylinder des Centro Cinque Continenti (1992), welcher sich nicht in den Strassenraster von Paradiso integrieren will.

Zu einer eigenen Theorie des Städtebaus fand seit den siebziger Jahren nur Snozzi über seine urbanistische Kritik in Monte Carasso. Bis heute ist dieser Vorort von Bellinzona neben Iragna, wo Raffaele Cavadini mit einigen gezielten Eingriffen das urbanistische Gewebe zu festigen verstand, der einzige Ort, der ahnen lässt, wie sich die Tessiner Dörfer und Städte in den vergangenen Jahrzehnten glücklicher hätten entwickeln können. Doch ebenso schwer wie das verbreitete stadtplanerische Desinteresse der Architekten wiegt der Mangel an politischem Willen in einem in zahllose Gemeinden aufgesplitterten Kanton, in welchem mittelmässige Architekten gerne Bürgermeister spielen. So wird im Tessin nicht Städtebau betrieben, sondern der Siedlungsteppich der Città diffusa immer weiter ausgebreitet. Statt diesen Zustand zu kritisieren, pries Galfetti schon 1993 - anlässlich seiner Ausstellung im Museo Vela in Ligornetto - die durch die suburbane Wucherung entstandene Bandstadt, die sich der Autobahn entlang von den Toren Comos bis fast zum Gotthard hin ausdehnt, als Ausdruck des zeitgenössischen, im Tessin ganz auf das Privatfahrzeug ausgerichteten Lebens.

Neuerdings bilden sich in diesem amorphen Häusermeer aber einzelne Kristallisationskerne wie das 2005 eröffnete Max Museo von Pia Durisch und Aldo Nolli in Chiasso. Gleichzeitig versucht Lugano seine städtischen Qualitäten zu stärken: In den nächsten Jahren soll hier - ausgehend von Ivano Gianolas Plänen - die Ruine des Grand-Hotels «Palace» in ein Zentrum mit Kunstmuseum, Theater- und Konzertsaal umgebaut und erweitert werden; und derzeit wird die lange vernachlässigte Zone rund um den Jachthafen an der Cassarate-Mündung nach den Entwürfen von Gino Boila und Enzo Volger urbanistisch aufgewertet. Ebenfalls in Lugano konnte 1998 Galfetti, der kurz zuvor noch in Locarno mit seiner Megarotunde ein städtebaulich fragwürdiges Zeichen gesetzt hatte, einen vorbildlichen Masterplan für den neuen, im Jahr 2002 eröffneten Universitätscampus vorlegen. Das Bauen überliess er - mit Ausnahme der von ihm und Jachen Könz konzipierten Aula Magna - jüngeren Architekten wie Sandra Giraudi und Felix Wettstein, die das Laboratorio bauten, oder Giorgio und Michele Tognola, welche einen vorbildlichen Bibliotheksumbau realisieren konnten. Mittlerweile geht die zweite Bauphase mit dem Gebäude der Informatikwissenschaften der Tognolas und dem als Scharnier zwischen den Neubauten und dem denkmalgeschützten Altbau dienenden Corpo Centrale, einem Kubus mit Glasstirn und seitlichen Betonwangen von Elio Ostinelli, der Vollendung entgegen. So ist hier ein Ort im Werden, an dem sich die Tessiner Architektur in ihrer heutigen Ausdrucksvielfalt ganz ähnlich manifestieren kann wie einst die Tendenza im Schulbauprogramm der siebziger Jahre.

WEITUNG DES BLICKFELDS

Es sind also nicht die international bekannten Exponenten der «Tessiner Schule», die - wie so oft vermutet - dem Nachwuchs im Wege stehen. In einem kleinen Land, das nur selten Prestigeaufträge zu vergeben hat, leiden die jungen Architekten vielmehr unter den komplexen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Konstellationen. Diese hinderten schon die mittlere Generation an der Entfaltung. Man trifft daher nur selten auf deren Bauten. Dabei überzeugen Arbeiten wie Cavadinis ethnographisches Museum (2000) in Olivone oder Michele Arnaboldis Raiffeisenbank (2002) in Intragna durch ihre kritische Weiterführung der Ideen der Tendenza mittels eines kargen Minimalismus und Roberto Briccolas Bauten durch eine asketische Einfachheit, mit der er allerdings immer wieder aneckt, wie der langwierige Streit um sein bereits 1998 errichtetes und mit viel Kritikerlob bedachtes Ferienhaus in Campo Vallemaggia zeigt.

All diesen Schwierigkeiten zum Trotz kehren auch heute die jungen Tessiner Architekten nach ihren Lehr- und Wanderjahren fast immer in ihre Heimat zurück - nicht zuletzt, weil sie hoffen, dank ihrer Kenntnis der lokalen Verhältnisse und dank ihren Beziehungen der architektonischen Kultur neue Impulse vermitteln zu können. Obwohl sie die Anliegen der Tendenza - vom kritischen Dialog mit dem Territorium bis zum Lavieren zwischen «poesia e maniera» - durchaus respektieren, pflegen sie einen in der steten Auseinandersetzung mit dem aktuellen Architekturdiskurs weltgewandter gewordenen baukünstlerischen Ausdruck. Eine der Tendenza ebenbürtige, aber den neusten Strömungen auf dem Gebiet der Architektur adäquate regionale Sprache zu kreieren, fällt ihnen dennoch schwer, zumal ihnen als Betätigungsfeld meist nur der Privatauftrag bleibt, der sich oft in Umbauten oder in der Realisation von Einfamilienhäusern erschöpft.

NEUER INTERNATIONALISMUS

Auch wenn der Bau kleiner Villen im engräumigen Tessin oft eine weitere Beeinträchtigung von Dorfbildern und Landschaften zur Folge hat, zeitigt er doch immer wieder interessante Lösungen. Erwähnt sei nur der geschickt in den vorstädtischen Kontext eingebettete karge Betonkörper der 2004 in Monte Carasso vollendeten Casa Grossi, bei der Giacomo und Riccarda Guidotti das Gleichgewicht dramatisch zu inszenieren wussten und gleichzeitig Snozzis architektonische und urbanistische Ideen virtuos weiterdachten. In einer globalisierten Welt, in der sich die Architektur fast nur noch durch spektakuläre Werke Gehör verschaffen kann, wird es jedoch immer schwieriger, mit solchen Miniaturen überhaupt noch zur Kenntnis genommen zu werden. Denn die von klingenden Namen beherrschte Szene lässt kaum mehr Platz für architektonische Haltungen, die sich mit den historischen, topographischen oder baugeschichtlichen Eigenheiten eines Gebiets auseinandersetzen.

So macht sich auch im Tessin - wie in anderen Hochburgen des Regionalismus von Katalonien über die Deutschschweiz und Vorarlberg bis in die Steiermark - dank einem durch die Medien geförderten Ideenaustausch und der rasend schnellen Verbreitung des computergestützten Entwerfens eine globalisierende Tendenz bemerkbar. Die äussert sich derzeit in skulptural abgewinkelten oder blobartig-organischen Baukörpern, die neben den kantigen Betonhäusern, wie sie etwa die Guidottis oder Cavadini pflegen, auch in der Südschweiz immer öfter anzutreffen sind. Das hat zur Folge, dass sich Tessiner Bauten zusehends weniger von anderswo ausgeführten Werken unterscheiden. Diese Entwicklung lässt sich etwa im Schaffen von Giorgio und Giovanni Guscetti aufzeigen: Während in deren burgartiger, von einem fast romanisch strengen «Bergfried» akzentuierter Zentrumsbebauung in Airolo urbanistische Gedanken von Snozzi nachklingen, zeugt die gekrümmt in die Höhe wachsende Kletterhalle, die wie ein Periskop aus der Auenlandschaft von Ambri auftaucht, von einer Öffnung hin zum Internationalen.

Von der kompromisslos harten Haltung der alten Garde haben sich die jungen Tessiner Architekten ebenso befreit wie von deren Tabula-rasa-Mentalität. Das demonstriert etwa die feinfühlige Vergrösserung eines alten Loggienhauses von Mario Ferrari, Michele Gaggetta und Stefano Moor in Cureglia (1999), die Restaurierung eines geschundenen mittelalterlichen Steinhauses in Mendrisio (2000) und des hoch über Claro gelegenen Benediktinerinnenklosters Santa Maria Assunta (2004) durch Durisch & Nolli. Mit dem Ort, seiner Geschichte und Atmosphäre haben sich diese Luganeser Architekten danach auch beim Projekt des Max-Museums in Chiasso (2005) auseinandergesetzt und daraus eine Architektur der Bilder und der Stimmungen geschaffen, die internationalen Vergleichen standhält. Ebenso vielseitig geben sich Britta und Francesco Buzzi aus Locarno. Nachdem sie in Ascona mit der Villa «sulla Roccia» ein Traumhaus aus dem Geist der sechziger Jahre geschaffen und in Gerra Gambarogno eine minimalistische Holzkonstruktion in die brüchige Aussenhülle eines Rusticos eingefügt hatten, entschieden sie sich bei einer ihrer neusten Planungen, einem wie eine kubistische Plastik aus den alten Trockenmauern herauswachsenden Haus in Ronco über dem Lago Maggiore, für eine ganz modisch-aktuelle Formensprache. Mit dieser spielt auch der Luganese Luca Gazzaniga, wie seine stark vom gegenwärtigen Architekturdiskurs geprägten Davoser Entwürfe oder die von organischen Öffnungen durchdrungene Casa Cedrini in Muzzano beweisen. Dabei setzt er seine Villen eleganten Möbeln gleich ins Grüne, als wolle er damit der von der Tendenza propagierten «starken Form» eine Abfuhr erteilen.

Die Casa «Le Terrazze» von Giraudi & Wettstein am Monte Brè in Lugano scheint hingegen gleichsam aus dem Berg herauszubrechen, wobei das freie Linienspiel der Sonnendecks und der relingartigen Geländer der lieblichen, von Buchten und Hügeln geprägten Landschaft am Luganersee antwortet. Damit erinnert dieses Werk an die von ihnen zusammen mit Cruz & Ortiz konzipierte Basler Bahnhofspasserelle, bei der sie mit einem gezackten Dachverlauf auf die Juraketten Bezug nahmen. Der freie Fluss der Wände bestimmt auch ihr siegreiches Wettbewerbsprojekt für die Neugestaltung der Hauptfassade des etwas in die Jahre gekommenen Luganeser Kongresshauses. Doch dieser überzeugende Entwurf aus dem Jahre 2004 harrt derzeit - wie manch anderer Wettbewerbsentwurf im Tessin - der Ausführung. Das ist umso bedauerlicher, als die jüngeren Tessiner ihre Vorstellungen in den grossen Ausschreibungen der jüngsten Zeit für das Centro Turistico Culturale in Ascona oder die Neubebauung des Campo Marzio in Lugano nicht durchsetzen konnten. Da erweist es sich als eine glückliche Fügung, dass die Tessiner Sektion des Schweizerischen Alpenclubs (SAC) - im Gegensatz zu anderen touristische Institutionen - die junge heimische Architektur entdeckt hat. Ausgehend von einem Wettbewerbsentwurf, konnten Nicola Baserga und Christian Mozzetti aus Muralto hoch über Bedretto die hotelartige Berghütte «Cristallina» errichten, deren langgestreckter Flachdachbau aus Holz über den Bruchsteinsockel in Richtung Tal zu gleiten droht und so einen geschützten sonnenseitigen Vorplatz schafft. Die Erfahrung, die sie mit diesem Haus und dem vor genau einer Woche eröffneten hochhausartigen Michela-Motterascio-Refugium im Bleniotal sammelten, brachte ihnen nun über eine weitere Ausschreibung den Auftrag für die fein proportionierte Erweiterung der Moiry-Hütte im Val d'Anniviers, die gleichsam neben dem Altbau über dem Abgrund schweben wird.

SCHÖ4NHEIT UND GLAMOUR

All die erwähnten Bauten und Projekte machen deutlich, dass derzeit die Tessiner Architektur weder programmatisch noch formal eine einheitliche Linie kennt. Das überrascht nicht, denn schon zur Zeit der Tendenza pflegten die Protagonisten ihre eigene Sprache. Nur wurde diese damals von einer kämpferischen gesellschaftspolitischen Haltung übertönt. Es lassen sich aber auch Gemeinsamkeiten unter den jungen Tessinern ausmachen. So ist für sie - anders als in Italien, wo die Theorie immer noch weit über der Praxis steht - weiterhin die Bauausführung zentral. Dabei haben sie die Architektur des Aufbegehrens in eine Baukunst der Gefühle und der Stimmungen transformiert, in der mediterrane Phantasie, lateinische Rationalität sowie eine deutschschweizerisch inspirierte Sachlichkeit und Detailsorgfalt zusammenfinden.

Wenn man heute noch von einer Tessiner Architektur spricht, dann wohl in erster Linie hinsichtlich dieser Vermischung von cis- und transalpinen Haltungen und des Ideenaustausches zwischen Nord und Süd. Dazu gesellt sich die mit einer Offenheit für internationale Diskurse einhergehende Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Betons, die bei Buzzi & Buzzi, Giraudi & Wettstein oder den Tognolas zu minimalen Betonskulpturen und bei Durisch & Nolli zu einer Verschränkung von Raum und Konstruktion führte. Das einstmals ethisch begründete Streben nach Einfachheit scheint dabei allerdings immer mehr einer Sehnsucht nach Schönheit und Glamour zu weichen.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2006.07.29

27. Juli 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Moderne Manierismen

Im Wiener Sommer häufen sich alljährlich die Architekturereignisse. Obwohl es sich dabei meist nur um kleinere Ausstellungen handelt, verdichten sie sich jeweils zu einem neuen Bild. Diesmal lenkt eine Joze-Plečnik-Retrospektive den Blick auf das manieristisch Übersteigerte.

Im Wiener Sommer häufen sich alljährlich die Architekturereignisse. Obwohl es sich dabei meist nur um kleinere Ausstellungen handelt, verdichten sie sich jeweils zu einem neuen Bild. Diesmal lenkt eine Joze-Plečnik-Retrospektive den Blick auf das manieristisch Übersteigerte.

Wie ein riesiges Füllhorn erscheint Wien all jenen, die sich für das Gebaute interessieren. Das beeindruckte schon Joze Plečnik (1872-1957), nachdem er sich 1892 von Ljubljana über Graz in die Donaumetropole vorgetastet hatte. Damals war die Ringstrassen-Architektur en vogue - und stellte mit ihrem Pomp eine Herausforderung für den strengen Slowenen dar. Aus heutiger Sicht darf sie denn auch als Nährboden der Wiener Moderne gelten, selbst wenn die unlängst von Wien Tourismus herausgegebene Architekturbroschüre «Vom Jugendstil bis zur Gegenwart» kein Auge für die Bauten von Hansen, Semper oder Ferstel hat. Dafür verweist das kleine, in sechs Kapitel gegliederte Heft nicht nur auf Ikonen wie das Loos-Haus, sondern auch auf weniger bekannte Meisterwerke wie den Ringturm von Erich Boltenstern, das Hauptwerk der Wiener Nachkriegsarchitektur, in welchem die Sachlichkeit von Adolf Loos weithin sichtbar weiterlebt. Im Ausstellungsraum der Ringturm-Lobby wird nun das Werk von Plečnik präsentiert, der anlässlich der grossen Pariser Retrospektive von 1986 «wiederentdeckt» wurde und seither vielen als erster postmoderner Architekt gilt.

Plečniks übersteigerte Klassik

Die Ausstellung dokumentiert Plečniks Schaffen in Wien, Prag und Ljubljana anhand von reproduzierten Plänen, Zeichnungen und Fotos. Weiter sind kunsthandwerkliche Gegenstände, Stühle und Zeichnungen aus Privatbesitz zu sehen. Die fulminanten Blätter aus dem Ljubljaner Nachlass aber fehlen. Mit solchen Skizzen feierte der ursprünglich zum Tischler ausgebildete Plečnik in Wagners Atelier erste Erfolge, um sich dann 1901 nach seiner prägenden Italienreise in Wien selbständig zu machen. Die Unabhängigkeit von Wagner demonstrierte er mit der am französischen Jugendstil inspirierten, von einem Rosenteppich überzogenen Villa Langer. Ihr folgten das von Sempers Bekleidungstheorie ausgehende Zacherl-Haus und 1913 die tempelartige Heilig- Geist-Kirche, ein früher Betonbau, der dem Thronfolger missfiel und Plečnik letztlich um eine Wiener Professur brachte. Stattdessen unterrichtete er in Prag, wo er seine Ruhmestaten - die Umgestaltung der Burg und den Bau der in einen «Hermelinpelz» aus Klinker und Stein gehüllten Herz-Jesu-Kirche - erst nach der Übersiedlung in seine Heimat realisieren konnte.

Dort setzte er alles daran, das verschlafene Ljubljana zusammen mit dem Stadtbaumeister Matko Preslowšek in eine mediterran angehauchte Metropole zu verwandeln, indem er bauliche Juwelen wie die Ljubljanica-Brücken, das Wehr, den Markt, die Universitätsbibliothek, das Bügeleisenhaus und den Friedhof ale schuf. Daneben entstanden eigenwillige Gotteshäuser wie die Michaelskirche im Laibacher Moor, bei der er die rurale Bautradition neu interpretierte und mit einer Balkendecke all'antica seiner Theorie einer Abstammung der Slowenen von den Etruskern Nachdruck verlieh. All diese Werke zeigen, dass Plečnik, dem jede Ironie beim Bauen abging, im Grunde mit der Postmoderne nichts zu tun hat. Denn «Geschichte war für ihn Gegenwart», wie Friedrich Achleitner in der Einführung zum kleinen, attraktiv bebilderten Katalog feststellt. Näher steht Plečnik der mitunter ebenfalls aus Wiener Quellen schöpfenden lombardischen Novecento-Architektur. Doch anders als etwa Gio Ponti, der die antiken Vorbilder surrealistisch umdeutete und schliesslich zu einer geschliffenen Moderne fand, flüchtete sich Plečnik in seinen letzten Jahren im sozialistischen Jugoslawien in eine religiös parfümierte Dekorationskunst.

Zacherl-Haus und Donau-City-Center

Auf Plečnik Bedeutung für Wien wird gegenwärtig auch im Architekturzentrum (AZW) hingewiesen. Die im Museumsquartier angesiedelte Institution präsentiert neu als Dauerausstellung ein A-Schau genanntes «Schaufenster zur baukulturellen Identität» Österreichs der letzten 100 Jahre, zu der Ende August bei Birkhäuser ein Katalog erscheinen soll. Auftakt zu der 420 Bauten von 170 Architekten umfassenden Synopse macht Plečniks Zacherl-Haus am Bauernmarkt, das bereits 1905, also sechs Jahre vor dem Loos-Haus, mit seiner nüchternen Fassade, den stilisierten Atlanten und dem vorkubistischen Gesims die moderne Architektur in Wien ankündigte. In einen internationalen Kontext gestellt werden die Bauten mittels Vergleichsabbildungen, unter denen sich auch die Bibliothèque Nationale de France von Dominique Perrault findet.

Dieser Franzose wird nun in der «Alten Halle» des AZW mit der Ausstellung «Meta- Buildings» geehrt. Anlass zu der vier neue Projekte zelebrierenden «Personale» gab das in der Wiener Donau-City im Bau befindliche, aus zwei «auseinander gezogenen Torsi» bestehende Doppelhochhaus. In den mit 220 und 160 Metern Höhe vergleichsweise kleinen Glastürmen will Perrault erstaunlicherweise seine Theorie der Meta-Buildings verkörpert sehen, welche «die Dimension herkömmlicher Bauten sowohl massstäblich als auch konzeptionell zugunsten der Umgebung» überschreiten und eine neue stadträumliche Qualität schaffen sollen. Nach einem ähnlich exaltierten Raumausdruck - wenngleich in weitaus bescheidenerem Massstab - streben auch Wiener Designbüros wie Checkpointmedia, welches für das frische Ausstellungskonzept des Wiener Mozart-Hauses zeichnet, oder das für seine Raumexperimente bekannte Architektenteam AllesWirdGut. Sie kommen in diesen Tagen im Designforum (gleich beim AZW) zum Zug, wo unter dem Titel «360° Design Austria» insgesamt 36 in den Bereichen Graphic, Industrial, Multimedia, Interior und Experimental Design tätige Büros vorgestellt werden.

Während die von einem opulenten Katalog begleitete Schau nur Abbildungen zeigt, kann die Studiensammlung des Museums für Angewandte Kunst (MAK) die 80-jährige Geschichte des Freischwingers mit kostbaren Originalen von Mies van der Rohes Klassikern bis hin zu den Verrücktheiten von Luigi Colani oder Ron Arad illustrieren. Nicht weniger exzentrisch als die heutigen Designer war Yves Klein, dessen zukunftsoptimistische «Luftarchitekturen», die er zusammen mit dem Architekten Claude Parent um 1960 entwickelte, derzeit in der MAK-Galerie zu sehen sind. Zeichnungen aus Privatbesitz wie «Eingang ins technische Eden» vergegenwärtigen vollklimatisierte Städte, in denen die Menschen in Bauten aus Feuer und heisser Luft ihr Glück hätten finden sollen.

Österreicher im MAK

Gleichsam die Antithese zu Kleins Luftkunst stellt der die Festigkeit der Semper-Schule verkörpernde Ringstrassen-Palast des MAK selbst dar. Der Genese dieses von der italienischen Renaissance beeinflussten Gesamtkunstwerks geht die intime «Stadtumbau»-Ausstellung im Kunstblättersaal des MAK nach. Zeichnungen und Modelle belegen die Zusammenarbeit des Architekten Heinrich von Ferstel mit Kunsthistorikern, Freskenmalern und Bildhauern ebenso wie die von Peter Noever initiierten Neuerungen und Erweiterungen von 1989. Das damals von Hermann Czech im Nordflügel des Ferstel-Baus eingerichtete MAK-Café musste jüngst einem neuen Innenraumkonzept Platz machen.

Dieses stammt vom unkonventionellen Wiener Büro Eichinger oder Knechtl, das schon 1998 mit dem Café im Palmenhaus Aufsehen erregt hatte. Dem etwas düster zum Nobelrestaurant «Österreicher im MAK» umgestalteten Saalbau antwortet der an diesen mittels einer balgenartigen Passerelle angedockte luftig heitere Pavillon, den man als Glanzlicht der neusten Wiener Baukunst bezeichnen darf. Durch das pastellfarbene, an einen Diner erinnernde Interieur, das mit Schiebedächern zum Himmel geöffnet werden kann, weht der Geist der fünfziger Jahre. Doch nach aussen gibt sich der Anbau, der mit seinem kubisch gebrochenen Fensterkranz über dem eingezogenen Sockelgeschoss zu schweben scheint, ganz zeitgemäss. Dabei beherrschen Eichinger oder Knechtl die Kunst der manieristischen Überspitzung ähnlich gut wie Plečnik. Nur dass die Wiener statt mitteleuropäischer Schwere mit heutigen Materialien und Detaillösungen eine poppig-barocke Atmosphäre erzeugen.

[ «Joze Plečnik» bis 8. September, Katalog 22 Euro. - «A-Schau» permanent, Katalog erscheint Ende August. - «Dominique Perrault» bis 23. Oktober, Katalog Euro 26.80. - «360° Design Austria» bis 3. September, Katalog Euro 19.80. - «Freischwingen» bis 29. Oktober, Katalog 21 Euro. - «Yves Klein - Air Architecture» bis 24. September, Katalog Euro 24.80. - «Raumplanung» bis 29. Oktober, kein Katalog. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2006.07.27

14. Juli 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der Stuhl als Architektur

Dänisches Design geniesst Weltruf. Dazu beigetragen haben auch die Möbelklassiker von Poul Kjærholm (1929-1980). Dem grossen Entwerfer widmet nun das Louisiana-Museum eine Retrospektive.

Dänisches Design geniesst Weltruf. Dazu beigetragen haben auch die Möbelklassiker von Poul Kjærholm (1929-1980). Dem grossen Entwerfer widmet nun das Louisiana-Museum eine Retrospektive.

Fällt der Name Poul Kjærholm, so geraten Kenner des modernen Möbeldesigns ins Schwärmen. Gibt es doch kaum einen formschöneren Stuhl als den filigranen PK 22. Bei ihm fügen sich Konstruktion, Verbindungen und Sitzgeflecht zu jener harmonischen Ausgewogenheit, die einst Christian Frederik Hansen mit seinen klassizistischen Gesamtkunstwerken in Dänemark zum gestalterischen Standard erhoben und Arne Jacobsen seit den 1920er Jahren in den modernen Alltag übergeführt hat. Gleichwohl hält man im Anfang 2006 vom Kulturministerium in Kopenhagen publizierten Kanon der dänischen Kultur vergeblich Ausschau nach einem Werk Kjærholms. Dabei zählt er zusammen mit dem Allroundgenie Jacobsen, dem Leuchtenmacher Poul Henningsen, dem Kunststoff-Magier Verner Panton und dem Sesselkünstler Hans Wegner zu den Grossmeistern der vielbewunderten dänischen Gestaltung. Der Kanon wird deshalb im Dansk Design Centrum in einer kleinen Schau auf die Design-Auswahl hin kritisch durchleuchtet. Gleichzeitig kann man in der englisch betitelten Hauptausstellung «Use it! Danish Design in Everyday Life» nicht nur neuste Gebrauchsgegenstände testen, sondern auch den Sitzkomfort der Klassiker von Wegner, Jacobsen, Panton und Kjærholm prüfen.

Klassizistische Formvollendung

Die Nähe zum Klassizismus im Sinne einer zeitlosen Vollkommenheit verdeutlicht kein anderer Entwurf Kjærholms so klar wie der faltbare Hocker PK 91 von 1961, der direkt aus einem Relief von Bertel Thorwaldsen stammen könnte, nur dass die propellerartig verdrehten Scherenbeine aus Chromstahl und der Sitz aus feinstem Leder sind. Für den 1929 in Østervr geborenen Kjærholm, der nach einer Lehre als Möbelschreiner von 1949 bis 1952 an der Kunsthndværkskolen in Kopenhagen bei Wegner studierte, standen stets natürliche Materialien wie Holz, Stahl, Leder oder Schnur im Mittelpunkt des kreativen Denkens. Damit unterschied er sich früh schon von seinen mit Kunststoffen experimentierenden Kollegen wie Panton, dessen berühmter «Panton- Chair» wohl von Kjærholms 1953 in Papiermaché und in Metalldraht ausgeführtem Entwurf für einen Gartenstuhl und von Aagaard Andersens zeitgleichem Modell für einen Freischwinger inspiriert war.

Die lange auf Innovation fixierte Rezeption der Möbelkunst führte dazu, dass Kjærholms Arbeiten in der Öffentlichkeit bisher nicht die ihnen gebührende Bekanntheit erlangt haben - auch wenn man heute in der Terminal-Halle des Flughafens von Kopenhagen auf dem PK 22 ruhen und im MoMA auf dem 1957 kreierten Tagbett PK 80 sitzend die Exponate oder die Stadtlandschaft betrachten kann. Nun hat es sich das Louisiana-Museum im nördlich von Kopenhagen gelegenen Humlebæk zur Ehrensache gemacht, den 1980 auf dem Höhepunkt seiner Karriere verstorbenen Kjærholm, der 1976 für den Konzertsaal des Hauses den Louisiana Chair, einen wohlproportionierten Klappsitz aus Holz, entwickelt hatte, mit einer ersten grossen Retrospektive einem breiteren Publikum vertraut zu machen. Diese reiht sich ein in die gewichtigen Sommerausstellungen zu Architektur und Design, in deren Rahmen bereits Jacobsen, Jean Nouvel und Jørn Utzon zum Zuge kamen.

Die im Stil der sechziger Jahre inszenierte Kjærholm-Schau kann mit wertvollen Serienmöbeln und Prototypen aufwarten. Darunter befinden sich so eigenwillige Konstruktionen wie der Polstret Stol genannte, aus zwei Teilen bestehende Dreibeiner aus gepolsterten Aluschalen von 1953, in welchem sich Handwerkskunst und Avantgardedesign mit einem ironischen Augenzwinkern vereinen. Zu welch frischen Lösungen Kjærholms Mischung aus handwerklicher Tradition und neuen Techniken führte, veranschaulichte schon seine Diplomarbeit von 1951, der PK 25, ein Sessel aus mehrfach gebogenem Stahl mit einem Sitzpolster aus Fahnenschnur, der ihn schlagartig berühmt machte und ihm eine Forschungsstelle bei der renommierten Designfirma Fritz Hansen eintrug. Dieses Frühwerk steht zusammen mit weiteren Prototypen aus dem unerhört fruchtbaren Jahr 1952 in der Abteilung «Werkstatt». Sie macht den Auftakt zu der in sechs Stationen gegliederten Schau, welche die Möbel auf Präsentationsinseln und vor Paravents zeigt und so auf Kjærholms legendäre Ausstellungseinrichtungen der sechziger und siebziger Jahre verweist.

Im anschliessenden «Fabrik»-Raum begegnet man Prototypen, Zeichnungen und Entwürfen - etwa für den aus zwei organisch geformten Holzteilen zusammengefügten PK 0 von 1952, der von Kjærholms Interesse am sechs Jahre zuvor von Charles Eames ebenfalls in Holz ausgeführten LCW-Stuhl zeugt. Unter dem Stichwort «Montage» werden dann all jene Stühle, Sessel oder Tische, die Kjærholm zur Kultfigur machten, bis auf ihr Skelett aus Stahl oder Holz entblösst und Einblicke in den streng architektonischen, von Funktion und Modell ausgehenden Entwurfsprozess gewährt. Im «Handwerk»-Bereich wird anschliessend die sorgfältige Herstellung von Lederpolster und Rohrgeflecht - beispielsweise der berühmten Liege PK 24 von 1965 - zelebriert, die die Möbel des Dänen so kostspielig machen.

Architektonische Konstruktionen

Dass die klassische Aura von Kjærholms Möbeln nicht zuletzt von der gestalterischen Beschränkung auf primäre geometrische Formen herrührt, veranschaulicht die Abteilung «Elemente» am Faltstuhl PK 91, am Rundhocker PK 33, am würfelförmigen Beistelltisch PK 71 oder am modularen Vitrinensystem von 1971. Dem gingen die Schaukastenentwürfe für die dänische Kunsthandwerks-Ausstellung von 1957 voraus. Hier begann Kjærholms Suche nach dem idealen Raum, den er bald schon im dänischen Beitrag für die Mailänder Triennale von 1960 und im leider nicht realisierten Entwurf für die Möblierung des John F. Kennedy Center for the Performing Arts in Washington (1967) formulierte. Solchen Inszenierungen ist das Schlusskapitel «Raum» gewidmet, in welchem man erfährt, wie Kjærholm, der bereits in den fünfziger Jahren in einem Essay die Wichtigkeit des Zusammenklingens von Körper, Material und Raum betonte, mit Möbeln, wandgrossen Fotos und Stellwänden schwebend leichte Installationen gestaltete.

Ebenso makellos wie die architektonisch gedachten Arbeiten Kjærholms präsentiert sich auch die Ausstellung. Weder Querverweise auf die Entwicklungen in der damaligen Designerszene noch eine kritische Annäherung an die späten, formal stärker vom Zeitgeist beeinflussten Möbel stören das Bild. Denn mittlerweile gelten Kjærholms schwere, weniger zeitlose Holzstühle und Freischwinger als Ikonen der Seventies. Als solche sind sie hoch im Kurs, wie jüngst erst die «Design Miami»-Messe in Basel zeigte.

[ Die Kjærholm-Ausstellung im Louisiana-Museum in Humlebæk dauert bis zum 24. September. Katalog: Poul Kjærholm. Furniture Architect (englisch). Hrsg. Michael Sheridan. Louisiana- Museum, Humlebæk 2006. 224 S., dKr. 348.-. - Die Ausstellung «Use it! Danish Design in Everyday Life» im Dansk Design Centrum in Kopenhagen dauert bis zum 1. November. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.07.14

07. Juli 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Glitzernde Fassaden am See

Vor neun Jahren wurde das 1980 eingeweihte Festspielhaus in Bregenz von Dietrich & Untertrifaller erweitert. Nun konnte der Altbau in nur zehn Monaten von denselben Architekten für 40 Millionen Euro saniert, umgestaltet und mit einer attraktiven Fassade versehen werden.

Vor neun Jahren wurde das 1980 eingeweihte Festspielhaus in Bregenz von Dietrich & Untertrifaller erweitert. Nun konnte der Altbau in nur zehn Monaten von denselben Architekten für 40 Millionen Euro saniert, umgestaltet und mit einer attraktiven Fassade versehen werden.

Seit geraumer Zeit erlebt Vorarlberg eine kulturelle Blüte. Dies dank seinen Musikfestspielen, seinen Museen und nicht zuletzt dank seiner Baukunst. Zwar war es ein Schweizer, der die lokale Architekturlandschaft mit dem Glaskubus des Kunsthauses Bregenz weltbekannt machte. Doch schon lange bevor Peter Zumthors städtebaulich perfekt inszeniertes Meisterwerk 1997 eröffnet wurde, gab es in Vorarlberg eine kreative Architekturszene. Diese hat inzwischen aber mit allzu verspielten Fingerübungen etwas Terrain eingebüsst. Nun soll mit einem weiteren Kulturbau in der Landeshauptstadt Bregenz die lokale Architektur neu positioniert werden. Es handelt sich dabei um das Festspielhaus, das sich mit über 400 000 Besuchern jährlich als das bedeutendste Veranstaltungs- und Kongresszentrum im Bodenseeraum anpreist. Obwohl das Bauwerk mit seiner Glasfassade und dem skulpturalen Bühnenturm ganz neu und zeitgemäss erscheint, ist es ein über die Jahre entstandenes Konglomerat. In ihm spiegelt sich die Geschichte der Bregenzer Festspiele, die 1946 ihren Anfang nahmen.

Verschmelzung sperriger Bauteile

Begonnen hatten die Bodensee-Festspiele auf zwei Ledischiffen. 1952 entstand auf dem Gelände des jetzigen Strandbads die erste Festspieltribüne. Ihr folgte 1979 etwas weiter nördlich die heutige Arena als seeseitiger Anbau an das Festspiel- und Kongresshaus des Bregenzer Architekten Wilhelm Braun, das im Januar 1980 mit einem Soloabend des Pianisten Arturo Benedetti Michelangeli eröffnet wurde. Wohl eignete Brauns Betongebäude eine gewisse Ausdruckskraft, doch der geknickte, banal durchfensterte und rein funktionalen Anforderungen gehorchende Unterbau nahm ihm jegliche Ausstrahlung. Das 1992 siegreich aus einem Wettbewerb hervorgegangene Projekt zur Erweiterung, Sanierung und innenräumlichen Ordnung des Festspielhauses der Bregenzer Architekten Helmut Dietrich und Much Untertrifaller stellte dann dem Kulturtempel ein attraktives Antlitz in Aussicht. Fünf Jahre später konnte der erste Bauabschnitt abgeschlossen werden - bestehend aus dem geduckten, als Gegenstück zum aufragenden Bühnenturm konzipierten Kubus der Werkstattbühne, dem Seestudio und dem vitrinenartigen Seefoyer, welches das zuvor völlig introvertierte Festspielhaus zum Wasser öffnet. Diese Addition sperriger Bauteile wird logisch erschlossen mittels eines hoch über die ganze Anlage gespannten, brückenartigen Verwaltungsbalkens, in dessen Stahlfachwerk die industrielle Anmutung der Erweiterung ihren Höhepunkt erreicht.

Doch erst die vor zwei Jahren genehmigte, vierzig Millionen Euro teure zweite Bauphase brachte dem Haus (in nur zehn Monaten) eine identitätsstiftende Platzfassade. Mit ihrer Haut aus Glas und Putz verwandelt sie den Bau, der zuvor hermetisch wirkte, in eine «offene und kommunikative», die Passanten zum Eintreten auffordernde Architektur. Blickfang ist ein teleskopartig aus der dunklen Verglasung vorspringender, auf die neue Erschliessungsachse im Innern verweisender Erker, in dessen Stirn sich der Himmel spiegelt. Nach Süden geht die durchsichtige Aussenhülle in eine verputzte Lochfassade über, hinter der sich Garderoben und Arbeitsräume befinden. Zum See hin aber weicht der Glasvorhang allmählich dem auskragenden Teil der Seetribüne, durch deren Stahlkonstruktion hindurch die Ufer des Bodensees leuchten. Über dieser kosmetisch aufgeputzten Eingangsfront erhebt sich weiterhin der alte, nun mit Glasfaserbetonplatten und einem Fensterband verschönerte Theaterbau. Seeseitig wurde ihm ein über der Freiluftarena schwebender dreigeschossiger Glaskasten mit Stadtfoyer und Lounge vorgehängt, der dem Festspielhaus zusammen mit dem bereits 1997 eingeweihten Seefoyer auch zum Wasser hin ein Gesicht gibt.

Bei der heutigen Eröffnung wird die politische und kulturelle Prominenz das frisch wie ein Neubau glitzernde Haus unter dem als Pendant zum Verwaltungsbalken entworfenen Teleskop-Erker betreten. Wo früher alles unübersichtlich war, erblickt man nun rechts im elegant gestalteten Eingangsbereich das Ticketcenter, links die Garderobe und das ganzjährig bewirtschaftete Restaurant. Geradeaus steigt man über die zentrale Treppe hinauf zum Hauptfoyer. Dort gewährt eine neu geschaffene, durch den Teleskop-Balken angedeutete Raumachse freie Sicht auf Wasser und Bäume - vom Seefoyer bis zum ganz in poliertem Holz gehaltenen Propter-Homines- Saal im Eingangserker. Dieser neue Pausenraum kann wie die beiden anschliessenden, ebenfalls auf den begrünten Vorplatz ausgerichteten Säle für Kongresse genutzt werden.

Leichter als zuvor sind nun im Hauptfoyer die Eingänge zum kleinen Seestudio, zur Werkstattbühne, zur 7000 Sitze umfassenden Arena sowie zum grossen Saal auszumachen. Dieser 1700 Plätze bietende multifunktionale Raum wurde mit dunklem Akazienfurnier und roten Sesseln herausgeputzt, technisch auf den neusten Stand gebracht und so zum Juwel des ganzen Bauensembles geschliffen. Besondere Bedeutung kommt der von Dietrich & Untertrifaller zusammen mit dem Münchner Akustikingenieur Karlheinz Müller entwickelten Decke zu, die es erlaubt, die Nachhallzeit den akustischen Anforderungen von Musikdarbietungen, Theateraufführungen oder Kongressen anzupassen. Neu ist auch die nunmehr fest eingebaute Rangtribüne, von der aus man ins Stadtfoyer und in die VIP- Lounge - beide mit Sicht auf Freiluftarena und See - gelangen kann.

Elegante Zurückhaltung

Die Architekten haben ihr Ziel, «dem Haus ein neues Gepräge innerhalb der vorgegebenen Rohbaugeometrie» zu geben, nie aus den Augen verloren. So kommt das mit Respekt vor Brauns alter Baustruktur verjüngte Festspielhaus ohne grosse modische Konzessionen aus, sieht man einmal vom wolkenbügelartigen Verwaltungsbalken und vom kubischen Eingangserker ab, die aber neben der zeichenhaften auch eine funktionale Aufgabe erfüllen. Störend ist höchstens die etwas dunkle und leblose Glashülle, die der Eingangsfront einen Hauch von banaler Kommerzarchitektur verleiht. Hier hätte der kulturelle Inhalt gestalterisch besser hervorgehoben werden können. Schwerer wiegt aber die Tatsache, dass mit dem umgebauten Festspielhaus ein neuer architektonischer Ort am Bodensee geschaffen wurde.

Gefasst wird das neue Wahrzeichen durch die puristische Aussenraumgestaltung des Zürcher Büros Vogt Landschaftsarchitekten. Schon von weitem schimmert der mit ockerfarbenem Splittmastix belegte Platz, auf dem sich das Festspielhaus wie auf einem Präsentierteller erhebt, durch den lichten, von den Auenwäldern des Rheindeltas inspirierten Grünbereich. Gleichzeitig bringen die Kronen der 373 in inselartigen Gruppen gepflanzten Eschen, Pappeln, Kiefern und Kirschen die hässlichen Bauten des Casinos und des Hotels «Mercure» hinter einem Blättervorhang zum Verschwinden und fokussieren damit alle Aufmerksamkeit auf den von Bescheidenheit und Ehrlichkeit geprägten Umbau.

[ Am 8. Juli findet für alle Interessierten ein volksnaher Tag der offenen Tür statt; am 19. Juli werden im Festspielhaus die Bregenzer Festspiele eröffnet, und am 20. Juli wird der «Troubadour» auf der Seebühne gespielt ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.07.07



verknüpfte Bauwerke
Festspielhaus und Kongresshaus – 2. Bauetappe

28. Juni 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Magische Tannen

Die beiden Boomstädte der vorletzten Jahrhundertwende, La Chaux-de-Fonds und St. Gallen, gelten als Zentren des Jugendstils in der Schweiz. Anders als die Textilhochburg entwickelte aber die Uhrenmetropole unter Charles L'Eplattenier eine eigene, auf Geometrie und Reduktion basierende Variante des Art nouveau: den Style sapin. Ihm widmet das Musée des Beaux-Arts in La Chaux- de-Fonds eine suggestive Übersichtsschau.

Die beiden Boomstädte der vorletzten Jahrhundertwende, La Chaux-de-Fonds und St. Gallen, gelten als Zentren des Jugendstils in der Schweiz. Anders als die Textilhochburg entwickelte aber die Uhrenmetropole unter Charles L'Eplattenier eine eigene, auf Geometrie und Reduktion basierende Variante des Art nouveau: den Style sapin. Ihm widmet das Musée des Beaux-Arts in La Chaux- de-Fonds eine suggestive Übersichtsschau.

Allein schon die Inszenierung lohnt einen Besuch der grossen Jugendstil-Ausstellung «Mon beau sapin» in La Chaux-de-Fonds. Unter der Regie der Zürcher Architekten Barbara Holzer und Tristan Kobler ist in den Hallen des Musée des Beaux-Arts eine eindrückliche Präsentation zustande gekommen, die den Objekten aus der leicht angestaubt wirkenden Epoche eine ungeahnte Frische und Strahlkraft verleiht. Höhepunkte der Schau bilden viele zuvor noch nie gezeigte Entwürfe und Realisationen der Style sapin oder Tannenstil genannten geometrischen Variante des Art nouveau in der Uhrenmetropole. Der erste, in knalligem Gelb gehaltene Raum umschreibt mittels erlesener Möbel, Uhren, Zierobjekte, Glasmalereien und Gemälde die Spannweite der lokalen künstlerischen Produktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Vorbei an Postern und Plakaten, welche die frühe Rezeption des floralen französischen und belgischen Jugendstils, aber auch die sozialen und kulturellen Entwicklungen in der Jurastadt belegen, gelangt man im dritten Saal zu einem grossen Modell von La Chaux-de-Fonds. Dieses visualisiert den durch wiederkehrende Wirtschaftskrisen kaum gebremsten Bauboom der kleinen, multikulturellen Grossstadt in den Bergen, deren modernes Aussehen und deren Dynamik früh schon als amerikanisch bezeichnet wurden.

Weltoffene Stadt

Das nach dem grossen Brand von 1794 ganz rational um einen zentralen Platz mit sternförmig ausstrahlenden Strassen wiederaufgebaute Dorf erhielt 1835 ein von Charles-Henri Junod konzipiertes, zukunftsweisendes Schachbrettraster, das die Stadtwerdung beflügelte und später noch in den urbanistischen Visionen Le Corbusiers nachklingen sollte. Innerhalb dieses Strassennetzes entstanden Fabriken, Mehrfamilienhäuser und Villen, die etwa seit der Zeit der Vollendung der grossen Synagoge (1896) vermehrt mit Dekorelementen des Art nouveau aufwarten konnten. Die schnelle Reaktion auf aktuelle Moden und Stile entsprach ganz der Art der weltgewandten Uhrenfabrikanten. Aber nicht nur die neusten Bauformen wurden importiert. Man sammelte in dem 1886 nach Londoner Vorbild gegründeten Musée d'art industriel auch Vorzeigestücke des gehobenen Kunsthandwerks der Epoche, welche den Schülern der 1870 gegründeten Ecole d'art als Studienobjekte dienen sollten.

Ihre glanzvollsten Jahre erlebte diese Schule unter Charles L'Eplattenier von 1897 bis 1914. Indem der noch immer unterschätzte Künstler, Entwerfer und Lehrer die Ecole d'art erneuerte, verwandelte er La Chaux-de-Fonds in ein Kreativitätszentrum des späten Jugendstils. Inspiriert von der Arts-and-Crafts-Bewegung und den künstlerisch-philosophischen Schriften John Ruskins, William Morris' und des Lausanners Eugène Grasset, hielt er seine Schüler an, die Natur des Juras - von den Tannen bis zur Tektonik der Kalkfelsen - zu studieren, deren Regelmässigkeiten zu analysieren und in abstrakte Ornamente zu übertragen. Kaum hatte er 1905 den Cours supérieur eingeführt, schuf er mit seinen begabtesten Studenten auch schon innenarchitektonische und baukünstlerische Gesamtkunstwerke.

Zum Manifest dieser in der französischsprachigen Welt einzigartigen Transformation des verspielten Art nouveau in eine rationale Dekorationskunst wurde die 1906 vom damals 19-jährigen Charles-Edouard Jeanneret, dem späteren Le Corbusier, unter Mithilfe des Architekten René Chapallaz für den jungen Bijoutier und Unternehmer Louis Fallet entworfene und von Jeannerets Kommilitonen vom Cours supérieur, dem Maler Georges Aubert und dem Bildhauer Léon Perrin, ausgestaltete Villa Fallet. Diesem kleinen Chef d'Œuvre folgten neben verschiedenen Interieurs, darunter der zerstörte Lichtraum der Kapelle von Cernier-Fontainemelon, die zwischen Heimat- und Tannenstil oszillierenden Häuser Stotzer und Jacquemet sowie 1910 - als abschliessender Höhepunkt - das Krematorium von La Chaux-de-Fonds.

Diesen dank der Le-Corbusier-Forschung spätestens seit Stanislaus von Moos' Studie von 1968 «wiederentdeckten» Bauten ist es zu verdanken, dass L'Eplatteniers Style sapin nicht ganz vergessen ging. Den Architekturen ist denn auch zusammen mit Beispielen des Kunsthandwerks sowie den raffiniert gestalteten und 1906 in Mailand ausgezeichneten Taschenuhren der zentrale Raum im Museumsneubau gewidmet. Von hier geht es nach links in eine von Holzer und Kobler ganz frei im Tannenstil eingerichtete Halle, in welcher die vom Musée d'art industriel erworbenen Kostbarkeiten des internationalen Jugendstils mit den Entwürfen des L'Eplattenier-Kreises einen aufschlussreichen Dialog eingehen. Nach rechts hingegen gelangt man durch eine modisch verschachtelte Filmkoje in einen von bunt digitalisierten Jugendstilornamenten überwucherten Saal, der mit Meisterwerken des lokalen Art nouveau aufwartet. Spätestens hier wird klar, dass der Jugendstil-Diskurs künftig nicht mehr um den Style sapin herumkommen wird - zumal mit dem die Schau begleitenden, reich illustrierten Katalogbuch ein wichtiger Beitrag zur Erforschung der damaligen Dekorationskunst und Architektur in La Chaux-de-Fonds geleistet wurde.

Style sapin und klassische Moderne

Zwar erwies sich der Cours supérieur als ebenso kurzlebig wie die von L'Eplattenier anschliessend angeregten und von Aubert, Jeanneret und Perrin 1910 gegründeten Ateliers d'art réunis und die Nouvelle section der Kunstschule, an der sie alle als Professoren unterrichteten. Doch ebneten diese Initiativen zusammen mit der von L'Eplattenier vorangetriebenen Suche nach einer strukturalen Logik hinter den Erscheinungsformen der Natur und damit letztlich nach gestalterischer Wahrheit den Weg für ihn und seine Mitstreiter in die Moderne. Davon zeugt in La Chaux-de-Fonds das prachtvoll neuklassizistische, 1926 nach Entwürfen von L'Eplattenier und Chapallaz vollendete Kunstmuseum, aber auch Jeannerets architektonische Entwicklung.

Dieser lässt sich auf einem Rundgang durch die Stadt nachspüren, zu dem die Ausstellung ebenso wie ein Stadtplan mit eingezeichneten Art-nouveau-Architekturen einlädt. Vorbei an der Maison L'Eplattenier von René Chapallaz, bei welcher der Style sapin erstmals zu erahnen ist, sowie an den zwischen 1906 und 1909 errichteten Villen Fallet, Stotzer und Jacquemet gelangt man oben am Chemin de Pouillerel auch zum Elternhaus Jeannerets (1912). Hier führte der junge Architekt den nach einer «Synthese von Natur und Geometrie» strebenden Tannenstil weiter in Richtung des corbusianischen Spiels geometrischer Körper im Licht, dem er dann 1917 in der für Anatole Schwob erbauten Villa Turc Klarheit verleihen sollte. Dieses Schlüsselwerk veranschaulicht aber auch, wie sehr La Chaux-de- Fonds und L'Eplattenier als grosser Förderer von Jeanneret auf die architektonischen Visionen Le Corbusiers einwirkten. Auch weil sie diesen Aspekt erhellt, ist die von kleinen Nebenausstellungen zur Uhrmacherkunst der Belle Epoque, zum Jugendstil-Plakat und zu den Postkarten der Zeit flankierte Schau im Musée des Beaux-Arts von Bedeutung.

[ Bis 17. September. Katalogbuch: Le style sapin à La Chaux-de- Fonds. Une expérience Art nouveau. Hrsg. Helen Bieri Thomson. Somogy Éditions d'Art, Paris 2006. 199 S., Fr. 48.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2006.06.28

19. Mai 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Tempel des Computerzeitalters

Nach nur viereinhalbjähriger Planungs- und Bauzeit kann heute in Stuttgart das neue Mercedes-Benz-Museum eingeweiht werden. Der Autotempel ist ein Meisterwerk der computergestützten Architektur.

Nach nur viereinhalbjähriger Planungs- und Bauzeit kann heute in Stuttgart das neue Mercedes-Benz-Museum eingeweiht werden. Der Autotempel ist ein Meisterwerk der computergestützten Architektur.

In der Museumsarchitektur, die sich seit langem schon als baukünstlerische Königsdisziplin versteht, überstürzen sich derzeit die Ereignisse. Zog jüngst das De Young Museum von Herzog & de Meuron in San Francisco alle Aufmerksamkeit auf sich, so dürfte bald schon das Bostoner ICA der Expo-Wolkenbauer Diller & Scofidio in aller Munde sein. Und heute wird in Stuttgart ein weiteres ungewöhnliches Ausstellungshaus eröffnet: das Mercedes-Benz-Museum. Mit dem am Rand des DaimlerChrysler-Areals in Untertürkheim gelegenen Autotempel ist Ben van Berkel, dem Vordenker des Amsterdamer UN-Studios, ein Meilenstein der computergestützten Baukunst gelungen. Diese amorphe Bauplastik, die bald an ein geknautschtes Raumschiff, bald an die Guggenheim-Schnecke von Frank Lloyd Wright oder an einen Autosilo erinnert, setzt der seit Le Corbusier gepflegten Liebesbeziehung zwischen Architektur und Auto ein Denkmal und definiert zugleich den umbauten Raum ganz neu.

Monument an der Hochstrasse

Den Autofahrern, die auf der sechsspurigen Hochstrasse zwischen den Fahrzeugwerken und dem Gottlieb-Daimler-Stadion das von Waldhügeln und Weinbergen gefasste Neckartal queren, brennt sich die Baufigur unweigerlich ins Gedächtnis ein. Dieses Monument, das aus dem Vorstadtchaos einen Ort macht, aber auch für die überholte Idee einer autogerechten Stadtentwicklung zu werben scheint, ist hier seit den dreissiger Jahren nun schon das dritte Haus, in welchem die Geschichte des Autos am Beispiel der Marke Mercedes zelebriert wird. Nötig wurde es, weil der architektonisch wertvolle, 1961 von Gutbier und Kammerer errichtete Vorgängerbau für die wachsende Zahl von Exponaten und die mittlerweile jährlich gut 500 000 Besucher zu eng geworden war. Den Bauwettbewerb konnte UN- Studio Anfang 2002 für sich entscheiden: Van Berkel schlug ein organisches Volumen über kleeblattförmigem Grundriss vor, das aus einem hügelartig gewellten Sockelgebäude herauswächst. Der unkonventionelle, auf dem abstrakten mathematischen Modell einer Doppelhelix basierende Entwurf konnte - ausgehend von Maquetten, die aus Papier und Draht gebastelt wurden - nur dank fortschrittlichen Computerprogrammen errechnet werden.

Damit aber erwies sich das Projekt von UN- Studio als Herausforderung, welche die Bauherrschaft umso lieber annahm, als sie sich von ihm ein bauliches Symbol für die Innovationskraft von Mercedes-Benz versprach. Zudem ermöglichte van Berkels Idee der «offenen Planung» eine prozessuale Anpassung der hochkomplexen Entwürfe während der knapp angesetzten Entstehungsphase. Den Neubau könnte man angesichts der ungewohnten Hülle als ein weiteres Architekturspektakel abtun. Doch im Innern entpuppt er sich als geniales Raumgefüge, das von Kritikern euphorisch, aber ungenau als barock bezeichnet wurde. Ähnlich expressiv wie die verschlungenen Raumsequenzen wirkt das Äussere mit seinen matt schimmernden Alu-Flächen und dem endlosen Fensterband, das sich wie die kreisförmig geschälte Haut eines Apfels um das Gebäude zieht und so die Haifischzähne des Stützenkranzes sichtbar macht. Auch wenn hier van Berkel ganz offensichtlich dem weltweiten Trend hin zur skulpturalen Bauform folgte, galt seine auf «Designmodellen» basierende Entwurfsstrategie doch in erster Linie der Schaffung eines subtil vom Licht modellierten Raums, wie er ihn einst während seiner Wanderjahre in Calatravas Meisterwerk, der Höhle des Zürcher Bahnhofs Stadelhofen, kennen gelernt hatte.

Dunkle Kavernen spielen auch in Untertürkheim eine Rolle. Zusammen mit hellen Ausstellungsflächen, introvertierten Rampen und aussichtsreichen Treppenwegen machen sie das Gebäudeinnere zu einer jener fliessenden architektonischen Landschaften, die seit Rem Koolhaas' Rotterdamer «Kunsthal» und dem Weltausstellungspavillon von MVRDV in Hannover den niederländischen Diskurs bestimmen. Doch erst im Mercedes-Benz-Museum verdichtet diese sich - von allem Anekdotischen befreit - zu einer schlüssigen Einheit von Form und Funktion, die alle ehedem gegenüber den Plänen und Modellen gehegten Bedenken vergessen macht. In der kraterartigen, an den Raketenhangar eines Bond- Films erinnernden Eingangshalle, dem einzigen Innenraum, in welchem man das Gebäude fast in seinen gesamten 47 Metern Höhe erfassen kann, wird deutlich sichtbar, wie sich UN-Studio mit Hilfe des Stuttgarter Meisteringenieurs Werner Sobek bis an die Grenzen des zurzeit technisch Machbaren vorgewagt hat.

Das Licht und der Beton

Vier riesige, zweifach gekrümmte Betonträger, die propellerartig aus den drei vertikalen Erschliessungskernen herauswachsen, tragen die halbrunden, auf neun Ebenen ineinander verschliffenen Ausstellungsräume, deren 33 Meter weit sich stützenlos spannende Decken das Gewicht von bis zu 10 Lastwagen aushalten müssen. Die Plastizität des von stets anders einfallendem Licht modellierten Betons lässt an Eero Saarinens New Yorker TWA-Terminal und andere Betonplastiken der fünfziger und sechziger Jahre denken. Damit aber verkörpert dieses Bauwerk eher künstlerische Individualität als jene geschliffene architektonische Anonymität, die in van Berkels zwischen «Art and Airport» pendelnder Recherche sonst ebenfalls eine Rolle spielt.

Zwei gegenläufig verschränkte Wege erschliessen ein Raumkontinuum, das jede Vorstellungskraft zu sprengen scheint. Diese «promenade architecturale», die schon kahl und leer begeistern könnte, diente nun dem Stuttgarter Büro HG Merz als Bühne für eine suggestive Inszenierung der 1500 Exponate: von kleinen Mercedes- Gadgets bis hin zum Papamobil und zu 170 weiteren Fahrzeugen. Den 16 000 Quadratmeter grossen, spiralförmig absteigenden Ausstellungsbereich erreicht man in einer der drei an Science- Fiction-Filme der Nachkriegszeit erinnernden Fahrstuhl-Kapseln, die einen durch eine weisse Stoffwolke hinauf auf eine sternförmige Brücke unter dem verglasten Oberlicht tragen. Dort wird man von einer Pferde-Installation und den ersten, noch kutschenartigen Automobilen empfangen. Nach einem kurzen Blick hinunter ins Atrium hat man die Wahl zwischen den beiden einander entgegengesetzten Abstiegen durch die acht abgedunkelten, im Geist der jeweiligen Epoche gestalteten Räume der Mercedes-Mythen oder durch die taghellen Hallen mit den thematischen Fahrzeugpräsentationen. Sichtbezüge nach aussen auf Autobahn und Stadtlandschaft oder quer durch das Atrium lassen das Labyrinth transparent erscheinen, so dass man ganz unbeschwert zwischen den Ausstellungswelten wechselt.

Nach einem 1,5 bis 5 Kilometer langen Hin und Her und Auf und Ab erreicht man auf beiden Rundgängen die von Motorengeheul erfüllte Ebene des Autorennsports, wo eine gekurvte Rennstrecke mit 34 Flitzern fast das ganze Geschoss einnimmt. Anschliessend gelangt man über eine skulpturale, orangefarbene Treppe hinunter zum Restaurant auf Eingangsniveau und weiter zu den neusten Fahrzeugmodellen im allen Besuchern frei zugänglichen Tiefgeschoss. Von dort mäandert ein unterirdischer Weg vorbei an verglasten Restaurants, Shops und Lichthöfen durch den Sockelbau hinüber zum Mercedes- Benz-Center genannten Verkaufsgebäude. Dieses wächst ebenfalls aus der von UN-Studio konzipierten und von lokalen Gartenarchitekten etwas nüchtern umgesetzten Sockellandschaft heraus, wurde aber von Christoph Kohlbecker nach den restriktiven Vorgaben von DaimlerChrysler ganz wie eine unpersönliche Messehalle gestaltet. Diese sterile Hochglanzarchitektur beweist allen, die noch Vorbehalte gegenüber van Berkels Extravaganzen hegten, dass solche baukünstlerische Experimente immer wieder auch architektonischen Mehrwert schaffen können.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.05.19



verknüpfte Bauwerke
Mercedes-Benz-Museum

05. Mai 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Metamorphosen

Seit Thom Mayne vom Architekturbüro Morphosis im vergangenen Jahr den Pritzker-Architekturpreis erhalten hat, stossen seine dekonstruktivistisch angehauchten Metamorphosen vermehrt auf Interesse. Das Centre Pompidou präsentiert nun Projekte von Morphosis in einer Werkschau.

Seit Thom Mayne vom Architekturbüro Morphosis im vergangenen Jahr den Pritzker-Architekturpreis erhalten hat, stossen seine dekonstruktivistisch angehauchten Metamorphosen vermehrt auf Interesse. Das Centre Pompidou präsentiert nun Projekte von Morphosis in einer Werkschau.

Architektur, man weiss es, lässt sich im Museum nur bedingt wiedergeben. Seit der Computer die handgefertigten Ansichten und Pläne verdrängt hat, muss man zudem immer öfter auf die Begegnung mit Originalzeichnungen verzichten. Deshalb ergriffen die Architekten die Flucht nach vorn und deklarierten die meist von ihnen selbst - und daher ohne kritische Reflexion - als architektonische Gesamtkunstwerke konzipierten Ausstellungen als eigenständige Werke. So haben Herzog & de Meuron schon 1995 ihre Pariser Schau und später die Retrospektiven in Montreal und Basel ins Werkverzeichnis aufgenommen. Auch Rem Koolhaas, Renzo Piano oder UN Studio verwandelten ihre Präsentationen in museale Selbstdarstellungen. In diesen illustren Kreis einzureihen sucht sich nun auch Morphosis, das Büro des letztjährigen Pritzker-Preis-Trägers Thom Mayne, indem es seine Ausstellung im Centre Pompidou zur Architektur erklärt. Die im obersten Stockwerk des Pariser Modernetempels realisierte baukünstlerische Intervention besteht aus einem sanft ansteigenden, mit Glas ausgefachten Aluminiumraster. Wie eine umgestürzte Fassade beherrscht es den Ausstellungsraum und gibt dem Eintretenden zu verstehen, dass Mayne und Morphosis mit den Konventionen des orthogonalen Raums brechen und die Architektur als topographische Gratwanderung sehen.

Formale Spielereien

Ende der achtziger Jahre kulminierte das postmoderne, durch James Stirling beeinflusste Frühwerk von Morphosis im Kult-Restaurant «Kate Mantilini» von Beverly Hills und im Crawford House von Santa Barbara. Danach wandte sich das 1972 gegründete Büro, das sich - seinem Namen folgend - immer wieder neu formen will, der von Gehry propagierten kalifornischen Variante des Dekonstruktivismus zu. Doch kaum hatte das Team die ersten bedeutenden Aufträge erhalten, trennte sich Mayne 1992 von seinem Partner Michael Rotondi. Die wichtigsten seither von Morphosis entworfenen Projekte werden nun in der Pariser Schau mittels Plänen, Computerbildern, Videos und einer Vielzahl reizvoller Modelle unter der bald an eine Vitrine, dann wieder an einen Bildschirm erinnernden, schrägen Glasebene vorgestellt. Auf einer Projektionsfläche in der Tiefe des Raums sind dazu die «Stillen Kollisionen» zu sehen, die Frédéric Flamands Tanzkompanie in einem Bühnenbild von Mayne aufführte. Damit soll wohl angedeutet werden, wie viel Architektur in der Vorstellung des 62-jährigen Kaliforniers mit Bewegung, Chaos und Raum zu tun hat.

Will man die nach einem undurchschaubaren Prinzip angeordneten Exponate studieren und nicht nur wie ein Riese auf der 250 Quadratmeter grossen Glasfläche über Haus- und Stadtmodelle wandeln, geht ohne Plan gar nichts. So findet man die Modelle der Diamond-Ranch-Schule in Pomona, mit der Mayne und Morphosis 1996 ihren Neuanfang eindrücklich demonstrierten, auf Feld «S-5». Dem weniger gelungenen Sitz der Hypobank in Klagenfurt, der wie ein in sich zusammengebrochenes Riesendach aus Stahl erscheint, ist hingegen das Feld «O-1» zugewiesen. Mit dieser exzentrischen Schöpfung besetzten die Südkalifornier 1999 erstmals europäisches Terrain. Ihr folgt nun in Spanien ein Wohnkomplex, der aus dem dreidimensionalen Geflecht eines Scheibenhochhauses und einer Hofhausanlage besteht.

Nähe zur Kunst

Zwei konventionellere Gebäude setzen neuerdings in Kalifornien Akzente: der seit 2004 mit den beweglichen Wimpern seiner Sonnenblenden klimpernde Caltrans-Sitz in Los Angeles und die Grossstadtikone eines soeben vollendeten Verwaltungsgebäudes in San Francisco. Hier wird das Bestreben von Morphosis, auf die Komplexität der Welt mit einer Aufsplitterung von Architektur und Raum zu reagieren, zur formalistischen Attitüde. Als ausdrucksstärker erweist sich etwa die im Bau befindliche Erweiterung der Cooper Union in New York mit ihrem höhlenartigen, nach aussen wie eine Explosionswunde aufklaffenden Erschliessungskern.

Auf den Bedeutungsverlust des öffentlichen Raums in einer zunehmend medialer ausgerichteten Welt antwortet Morphosis mit intuitiv hergeleiteten Stadt- und Gebäudeformen, wie die spaghettiartigen Überwucherungen des Stadtkörpers beim New York City Park zeigen. Dieser Entwurf wird leider ebenso unrealisiert bleiben wie das spannende Wettbewerbsprojekt für die Europäische Zentralbank in Frankfurt - eine Bauskulptur, die mit ihren gegeneinander verschobenen und abgeknickten Körpern den Raum rhythmisiert und Durchblicke gewährt hätte. Mit ihren Tentakeln sollte sie brückenartig über den Main hinausgreifen und so die Nähe von Morphosis zur Kunst verdeutlichen, befasste sich Thom Mayne doch immer wieder mit dem Werk von Gordon Matta-Clark, Robert Smithson, Keith Sonnier oder James Turrell. Diesen künstlerisch-geistigen Hintergrund des Schaffens von Morphosis vertieft die gleichzeitig im Centre Pompidou präsentierte Ausstellung «Los Angeles - naissance d'une capitale artistique».

[ Bis 17. Juli im Centre Pompidou, anschliessend im Museum of Contemporary Art in Los Angeles. Katalog: Morphosis. Continuities of the Incomplete (Continuités de l'inachèvement). Editions du Centre Pompidou, Paris 2006. 208 S., Euro 39.90. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.05.05



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Morphosis

05. Mai 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine Werkbundsiedlung von Kazunari Sakamoto für München

Die Moderne hat in den letzten 100 Jahren zwar viele architektonische Meisterwerke hervorgebracht, doch auf dem Gebiet des Städtebaus ist sie gescheitert....

Die Moderne hat in den letzten 100 Jahren zwar viele architektonische Meisterwerke hervorgebracht, doch auf dem Gebiet des Städtebaus ist sie gescheitert....

Die Moderne hat in den letzten 100 Jahren zwar viele architektonische Meisterwerke hervorgebracht, doch auf dem Gebiet des Städtebaus ist sie gescheitert. Das wirkt sich in gemilderter Form bis heute aus, wie allein schon ein Blick auf die von allzu grossen Neubauvolumen und sterilen Parkanlagen geprägten Umgestaltungen ehemaliger Industrieviertel in Zürichs Norden oder Westen zeigt. Doch nun soll alles besser werden. Will doch die bayrische Sektion des 1907 zur Förderung der Baukultur gegründeten Deutschen Werkbunds mit Blick auf das Hundertjahrjubiläum in München als zukunftsweisendes Wohnmodell die Werkbundsiedlung «Wiesenfeld» realisieren. Diese soll nicht wie 1929 der legendäre «Weissenhof» in Stuttgart und danach die Anlagen in Breslau, Prag, Wien und Zürich auf das familiäre Dasein am Stadtrand, sondern auf ein dem heutigen Lebensstil entsprechendes urbanes Wohnen ausgerichtet sein.

Renaissance des Wohnungsbaus

Auf den vom Münchner Architekten Hannes Rössler, dem Vorsitzenden des Werkbunds Bayern, initiierten und im Juni 2005 ausgeschriebenen Wettbewerb antworteten gut 400 Interessenten aus aller Welt, was eindrücklich beweist, dass der immer wieder stiefmütterlich behandelte Wohnungsbau heute erneut auf Interesse stösst. In einer Vorauswahl reduzierte man den Teilnehmerkreis auf 35 Architekten. Diese sollten neue Perspektiven für ein nachhaltiges, bezüglich Sozial- und Altersstruktur dynamisch durchmischtes Quartier des 21. Jahrhunderts auf dem fünf Hektaren grossen Areal der Schwabinger Luitpold-Kaserne aufzeigen. Im Februar 2006 wurden dann 12 Entwürfe ausgezeichnet, darunter diejenigen von Christian Kerez aus Zürich und Kees Christiaanse aus Rotterdam.

Den ersten Platz aber teilten sich drei andere Projekte: Ausgehend von den teilweise überholten lokalen Vorschriften bezüglich Bauhöhe, Abstandsgrüns und Schattenwurfs, schlug das junge Münchner Büro 03 (Garkisch, Schmid, Wimmer) pragmatische, aus der Stadtstruktur abgeleitete Zeilenbauten vor. Diese vermitteln zwar bezüglich Form und Grundrisses zwischen den Kasernenbauten, einem städtischen Lagerhallenareal und einer kleinen Gartenstadt, gemahnen jedoch stark an die monotonen Siedlungen des Modernismus. Allmann Stattler Wappner, ebenfalls aus München, konzipierten hingegen eine bald geometrisch abgewinkelte, bald schleifenartig ondulierte Grossform mit wechselnden Geschosshöhen, die der Begrenzung des rechteckigen Areals folgt und im Innern eine parkartige Fläche freilässt. Mit seiner Girlande unterschiedlicher Baukörper könnte das entfernt an einen Forschungs- oder Verwaltungs-Campus der sechziger Jahre erinnernde Projekt zwar gut den Anforderungen des sozialen und freitragenden Wohnungsbaus genügen und die geforderten Wohnungstypen für Familien, Singles, Alte und Studenten aufnehmen, aber einen zukunftsträchtigen Entwurf stellt es nicht dar.

Diesen erkannte die Jury im überarbeiteten Projekt von Kazunari Sakamoto, das sie Anfang April denn auch zur Ausführung empfahl. Es schlägt 41 frei innerhalb eines orthogonalen Rasters über das Areal verteilte Einzelhäuser mit Grundflächen von 9 × 12 bis 12 × 15 Metern sowie drei Höhen von 4, 8 und 11 Geschossen vor. Die Häuser mit insgesamt 400 Wohnungen bilden ein allseits durchlässiges, jedoch nicht völlig transparentes Konglomerat, aus dessen Rhythmus mehr noch als der Doppelkubus des Studentenhauses die zentrale Kindertagesstätte ausbricht. Deren wohl von Hertzberger und van Eyck beeinflusste strukturalistische Konfiguration, die der Juror Heinz Tesar treffend ein «sprachliches Missverständnis» nannte, dürfte denn auch Gegenstand der Weiterbearbeitung sein. Da möglichst alle 12 in der ersten Runde prämierten Büros nach den Vorgaben des 63-jährigen Japaners mit dem Bau einzelner Häuser betraut werden sollen, ist nun ein «professoraler Workshop» unter Sakamotos Leitung vorgesehen. Damit soll gewährleistet werden, dass das «visionäre Potenzial» des Entwurfs im Laufe der voraussichtlich im Frühjahr 2007 beginnenden Ausführung nicht durch die beteiligten Bauträger und Architekten verwässert wird.

Worin aber besteht das Aussergewöhnliche von Sakamotos Projekt? Eine entfernt vergleichbare Einzelhausanlage existiert bereits im olympischen Dorf von Turin, einer ökologischen Modellsiedlung, die auf ein urbanistisches Konzept des Münchners Otto Steidle zurückgeht und unter anderem mit Bauten von Diener und Krischanitz aufwarten kann (NZZ 30. 1. 06). Sakamoto geht jedoch weiter und schlägt drei unterschiedlich hohe Typen von Baukörpern mit zwei oder drei Klein- oder Familienwohnungen pro Etage vor. Sie stehen auf Erdgeschosshöhe eng zusammen, gewähren aber dank ummauerten Privatgärten Intimität, ohne dass dadurch der öffentliche Durchlass stark behindert würde.

Tanzende Einzelhäuser

Mit dieser für europäische Verhältnisse ungewöhnlichen Verdichtung bezieht sich Sakamoto wohl auf die Grossstadt-Dörfer der zentralen Tokioter Wohnviertel, wo kleine Einzelhäuser Schulter an Schulter stehen. In München werden sie in einen grösseren Massstab übertragen, etwas auseinander gerückt und von Bäumen umspielt, deren Kronen als Sichtschutz zwischen den Wohnungen dienen sollen. Darüber jedoch dürfen sich die acht elfgeschossigen Türme in einem Abstand von 30 bis 80 Metern den Luftraum und die Sicht auf Innenstadt und Alpen teilen.

Dem Auftrag entsprechend sieht Sakamotos heiter-bewegtes Projekt ein reines Wohnquartier über einer grossflächigen Tiefgarage vor, doch könnten in den Erdgeschossen entlang der beiden internen Erschliessungsstrassen durchaus Cafés, Geschäfte oder Ateliers für etwas Leben sorgen. Für die Wohnqualität wird es zudem entscheidend sein, dass die grossen Fenster und Balkone nicht ästhetischen oder rechnerischen Überlegungen geopfert werden. Wirtschaftlichkeit verspricht ja allein schon die Beschränkung auf drei Haustypen, die eine Reduzierung der Mittel ermöglichen, aber die beteiligten Architekten auch dazu zwingen, sich beim Planen strikt an Sakamotos Kubaturen zu halten. Im Idealfall könnte also bis zum Frühjahr 2010 in München eine städtebauliche Trauminsel entstehen. Eine Trauminsel, auf der die humanistischen Prinzipien des Werkbunds in einer zeitgemässen, gleichermassen von Individualität und Dichte geprägten Wohnkultur neuen Ausdruck finden und so dem Siedlungsbau wieder eine Vorreiterrolle zuerkennen würden.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.05.05



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Werkbundsiedlung Wiesenfeld

11. April 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Virtuose des Betons

Pritzker-Architekturpreis an den Brasilianer Paulo Mendes da Rocha

Pritzker-Architekturpreis an den Brasilianer Paulo Mendes da Rocha

Die Vergabe des oft und gerne mit dem Nobelpreis verglichenen Pritzker-Architekturpreises gibt jedes Frühjahr Anlass zu Spekulationen. So vermutete man, dass sich die aus sieben Architekten, Kritikerinnen und Unternehmern - darunter Frank O. Gehry und der Basler Rolf Fehlbaum - zusammengesetzte Jury erneut für einen Hauptexponenten des zeitgenössischen Architekturdiskurses entscheiden würde. An vorderster Stelle stand dabei Toyo Ito, der grosse Architekt der mittleren Generation in Japan. Aber auch der im uruguayischen Montevideo geborene und in den USA tätige Argentinier Rafael Viñoly oder vielleicht ein junger Chilene - etwa Mathias Klotz oder Alejandro Aravena - waren mögliche Anwärter. Doch das Preisgericht, das in den vergangenen Jahren zwischen Vordenkern wie Rem Koolhaas, Herzog & de Meuron, Zaha Hadid und Thom Mayne, dem ökologisch engagierten australischen Einzelkämpfer Glenn Murcutt und dem fast schon legendären Dänen Jørn Utzon wechselte, wollte diesmal offensichtlich überraschen und kürte - in einer durchaus überzeugenden Wahl - den 1928 in Vitória geborenen Brasilianer Paulo Mendes da Rocha.

Der kreative Altmeister, der immer wieder Architekturen schuf, die europäische Erfindungen der jüngsten Zeit vorwegzunehmen schienen, war in Fachkreisen spätestens seit der 7. Architekturbiennale von Venedig und der Verleihung des Mies-van-der-Rohe-Preises für lateinamerikanische Architektur (2000) bekannt. Die vor vier Jahren von der Zürcher Architektin Annette Spiro im Niggli-Verlag herausgegebene Monographie (NZZ 14. 9. 02) machte Mendes da Rocha dann einem breiteren deutsch- und englischsprachigen Publikum vertraut. Bereits als 30-Jähriger schuf dieser mit dem expressiven Beton-Ufo einer Sporthalle in São Paulo ein Meisterwerk des Brutalismus. Wohnhochhäuser folgten; und mit der formal aus seinen Villen entwickelten São-Pedro-Kapelle, einem transparenten Bau mit schwebendem Betondach, gelang ihm 1987 ein Wurf, der problemlos neben computergenerierten Schöpfungen wie Ben van Berkels Mercedes-Museum in Stuttgart zu bestehen vermag.

Allein in São Paulo zeugen Bauten wie das «Forma»-Möbelgeschäft (1987), dessen Hauptfassade Logo und Vitrine zugleich ist, das Skulpturenmuseum (1988) mit dem dominierenden Schwebebalken oder das Centro Cultural FIESP (1996) von Mendes da Rochas Innovationskraft, die nun hoffentlich dank dem 28. Pritzker-Preis weltweit diskutiert wird. Über seine architektonischen Arbeiten hinaus widmet sich der Brasilianer der ganzen Breite der Gestaltung - von modernistischen Sitzmöbeln über Platzanlagen bis hin zu städtebaulichen Projekten in Montevideo, Vitória oder Vigo. Kurz: Mit Mendes da Rocha wird ein Visionär geehrt, dessen Werk den Architekten des Nordens zeigt, dass sich ein Blick nach Lateinamerika auch heute lohnt.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2006.04.11

07. April 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schaufenster des argentinischen Wirtschaftsbooms

Das neue Puerto-Madero-Viertel am Hafen von Buenos Aires

Das neue Puerto-Madero-Viertel am Hafen von Buenos Aires

Seit je spiegelt sich der Reichtum Argentiniens in Buenos Aires' Stadtbild. Die Prachtstrassen, Parks und Monumente dieser europäischsten Metropole Südamerikas erinnern an Paris, Madrid und Barcelona. Hochhäuser wie in anderen Riesenstädten gab es in der City denn auch lange kaum - einmal abgesehen vom 120 Meter hohen Art-déco-Juwel des 1936 eingeweihten Kavanagh-Hochhauses. Zwischen diesem und den einstigen Hafenanlagen des Puerto Madero bildete sich dann zaghaft eine Skyline. Bereits 1968 wurde der 32-stöckige Turm der Unión Industrial Argentina errichtet, mit dem sich der 1944 in Montevideo geborene Rafael Viñoly früh einen Namen machte. Doch die eigentliche Wolkenkratzer-Phalanx, die nun wie ein Keil die City von der Hafenzone trennt, ist jünger. Hier finden sich mit dem Viertelzylinder des República-Turms (1996) und dem an ein Teppichmesser gemahnenden Boston-Turm (2000) zwei Arbeiten des in New Haven tätigen Argentiniers Cesar Pelli, aber auch das an einen Flaschenöffner aus Kristall erinnernde La-Nación-Hochhaus (2005) von Hellmuth Obata Kassabaum.

Von diesem amerikanischen Kommerzbüro stammt ausserdem das schnittig gekurvte, mit einer preisgekrönten Klimahaut versehene Malecón-Hochhaus, das sich seit Mitte 1999 am Südende des Puerto Madero erhebt. Dieser 1887 bis 1897 nach Plänen von Eduardo Madero realisierte Hafen mit den vier je gut 600 Meter langen Becken dämmerte - für die Frachtschifffahrt zu klein geworden - während Jahren vor sich hin. Im Zeichen der globalen Revitalisierung ausgedienter Hafengebiete wurde 1989 die Corporación Puerto Madero mit dem Ziel gegründet, die 16 langgestreckten Lagerhäuser am Westrand der Hafenbecken zu sanieren und in Universitäts-, Geschäfts- und Wohnbauten umzuwandeln. So entstand zwischen 1992 und 1999 ein stimmungsvolles Quartier mit trendigen Bars und Restaurants, das - nur einen Katzensprung vom Finanzdistrikt und von den an der Avenida Madero emporgeschossenen Hochhäusern entfernt - zur beliebten Flanierzone am Wasser wurde.

Für das über einen Quadratkilometer grosse Areal östlich der Hafenbecken, das sich bis zum Erholungsgebiet Costanera Sur mit seinen Gärten, Museen und Strandanlagen, seinen Lagunen und Naturschutzzonen ausdehnt, wurde im Juni 1991 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Die drei erstplacierten Büros formierten sich um den Architekten Borthagary zu einem Team, das schliesslich einen überzeugenden Masterplan vorlegte - bestehend aus zwei Parkanlagen sowie einem freien Strassenraster, das mit drei die Hafenbecken querenden Brücken und einem Fussgängersteg eng an die Innenstadt gebunden ist. Die niedrigen Bauten entlang der Hafenbecken und die parkseitig bis zu 170 Meter hohen Türme, die auf Le Corbusiers Vision von 1929 für diesen Ort verweisen, sollten insgesamt rund zwei Millionen Quadratmeter Büro- und eine Million Quadratmeter Wohnfläche offerieren. Obwohl man aufgrund der manisch-depressiven Wirtschaftsentwicklung lange an der Verwirklichung dieses ehrgeizigen Projekts gezweifelt hatte, konnten die ersten Bauten noch während der Wirtschaftskrise um das Jahr 2000 vollendet werden: 12 vier- bis neunstöckige Bürobauten an der Cossettini- sowie 8 neunstöckige Wohnblocks an der Manso-Strasse, aber auch Wahrzeichen wie Calatravas Puente de la Mujer mit der drehbaren Haifischflosse oder das Hilton- Hotel von Mario Alvarez, dem wohl erfolgreichsten Architekten der Stadt.

Weitere Entwürfe lagen in den Schubladen bereit, so dass seit Beginn der gegenwärtigen Boomphase im Jahr 2003 die Häuser wie Pilze aus dem Boden schiessen, darunter mehrere nahezu 50-stöckige Wohntürme am Parque Mujeres Argentinas. Deren luxuriöse Wohnungen sind nicht nur bei der oberen Mittelschicht gefragt, die aus den bewachten Vorstadtsiedlungen wieder ins sicher gewordene Zentrum zurückkehrt, sondern auch bei Ausländern. Der florierende Tourismussektor profitiert zudem von neuen Hotels wie jenem, das jüngst von Philippe Starck in der einstigen Porteño-Mühle eingerichtet wurde.

Diesem Schaufenster des neusten argentinischen Wirtschaftswunders, in welchem Ende 2006 bereits 14 000 Menschen wohnen und rund 70 000 arbeiten dürften, fehlt nur noch ein kulturelles Zentrum von nationaler Ausstrahlung. Das 2002 von Rafael Viñoly geplante Fortabat-Museum für argentinische Kunst - eine industriell anmutende Bauform mit tonnenförmig aufgespanntem Glasdach - könnte diesem Anspruch genügen. Doch will der direkt am Jachthafen gelegene Neubau, mit welchem die einst mächtige Zementbaronin Amalia Fortabat dem Ende 2001 vom Unternehmer Eduardo Costantini im Nobelviertel Palermo eröffneten Museum für lateinamerikanische Kunst von Atelman Fourcade Tapia die Stirn zu bieten sucht, nicht fertig werden. Umso rasanter wächst dafür Pellis Torre Repsol über einem aus zwei verschränkten Dreiecken bestehenden Grundriss in den Himmel. Der 160 Meter hohe Bürobau mit dem sich zwischen dem 26. und dem 31. Stock zur Stadt hin öffnenden Wintergarten soll als «ökologisches Wahrzeichen» schon in zwei Jahren weithin sichtbar vom gelungenen Hafenumbau künden, der einer geschickten Mischung aus Baukunst, Investorenarchitektur und historischem Ambiente zu verdanken ist.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.04.07

09. März 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Zwitterwesen

Seit dem Bau des räumlich komplexen Möbius-Hauses in Het Gooi zählt Ben van Berkel von UN-Studio zu den Vordenkern der zeitgenössischen Architekturszene. Im Hinblick auf die Eröffnung des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart ehrt nun das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt das Amsterdamer Büro mit einer Retrospektive.

Seit dem Bau des räumlich komplexen Möbius-Hauses in Het Gooi zählt Ben van Berkel von UN-Studio zu den Vordenkern der zeitgenössischen Architekturszene. Im Hinblick auf die Eröffnung des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart ehrt nun das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt das Amsterdamer Büro mit einer Retrospektive.

Seit Rem Koolhaas' wegweisendem, aber unrealisiert gebliebenem Projekt eines Zentrums für Medientechnologie in Karlsruhe (1989) wurde vor allem in den Niederlanden der architektonische Raum erforscht und die vor achtzig Jahren von Le Corbusier propagierte Idee des freien Grundrisses hin zur dreidimensional verschränkten Innenwelt erweitert. Davon zeugten 1997 das vom Rotterdamer Büro MVRDV mit schiefen und gekurvten Erschliessungsebenen versehene VPRO-Gebäude in Hilversum und ein Jahr später das in einem lichten Wald bei Het Gooi errichtete Möbius-Haus des Amsterdamer UN-Studios. Hier umschreiben kontinuierliche, auf dem Möbiusband beruhende Wandflächen die Innenräume, um gleich darauf dank einer Drehung die Aussenhaut der Villa zu bilden.

Bauen im Computerzeitalter

Mit der architektonischen Umsetzung dieses im 19. Jahrhundert von August Ferdinand Möbius beschriebenen mathematischen Modells war dem heute 49-jährigen Ben van Berkel eine baukünstlerische Sensation gelungen. Seither hat das von ihm geleitete UN-Studio, welches sich selbstbewusst als «eines der innovativsten Architekturbüros Europas» anpreist, eine auf mathematischen Modellen basierende Entwurfsstrategie «für ein neues Bauen im digitalen Zeitalter» entwickelt. Mit einem räumlich komplexen, auf einer verschränkten Doppelhelix basierenden Projekt konnte es 2001 den Wettbewerb des Stuttgarter Mercedes-Benz-Museums für sich entscheiden. Das nun der Vollendung entgegengehende Gebäude erscheint im postindustriellen Niemandsland von Untertürkheim wie ein metallisch glänzender, seltsam gemorphter Zwitter - halb CD- Player, halb Autosilo oder Raumstation. Kritiker schwärmten bereits von einer barocken Lösung. Doch so einfach kann das Form- und Raumgefüge dieser skulpturalen Science-Fiction-Architektur nicht charakterisiert werden. Ihr Inneres lebt von einem doppelten Raumkontinuum, welches der Funktion des Hauses auf spektakuläre Weise entgegenkommt und Ausstellungssituationen von der traditionellen Halle für Oldtimer bis hin zum nachgebauten Autobahnstück voller schnittiger Wagen bietet.

Schon jetzt wird der Autotempel, der im Mai seine Tore öffnen soll, allenthalben als neuer Höhepunkt der zeitgenössischen Architektur gefeiert. Es erstaunt daher nicht, dass das finanziell angeschlagene Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt auf dieses Wunderwerk setzt und nun dessen Grossmodell als Highlight einer Retrospektive anpreist, die von UN-Studio selbst inszeniert wurde. Diese Schau bietet mittels werbewirksamer Farbbilder eine Übersicht über die vom 1988 gegründeten Amsterdamer Büro realisierten Bauten. Gleichzeitig verankert sie auf einem dreidimensionalen Diagramm, das die ganze Erdgeschosshalle füllt, sechzehn Bauten und Projekte in einem zweiachsigen Koordinatensystem, wobei die einzelnen Werke den sich fünfmal wellenartig aufwölbenden Längsbändern zugeordnet sind. Die Wellenberge erheben sich an den Schnittstellen mit den Querachsen, die den fünf Entwurfsmodellen entsprechen: den eher ideellen Prinzipien der «Inklusivität» und der «umfassenden Planung» sowie den strukturellen Leitlinien des «V-Modells», des «mathematischen Modells» sowie des «Blob-und-Box-Modells». So kann man denn die faszinierenden, aus Damenstrümpfen, Schaumgummi, Draht, Papier und Stecknadeln gebastelten Maquetten der aus unterschiedlichen Entwurfsmodellen resultierenden Bauprojekte bald auf dem einen, bald auf dem anderen Wellenberg antreffen.

Mangel an Phantasie?

Die etwas geschmäcklerische, auf den ersten Blick an eine Schmuck- oder Designmesse erinnernde Präsentation versteht sich als räumliche Umsetzung einer praxisorientierten Theorie, die der Architekturwelt zeigen soll, wie sich Bauwerke «unvoreingenommen» im Rahmen einer «offenen Planung» entwickeln lassen. Ob sich dieses Gedankengerüst als «ultimativer» Leitfaden des computergestützten Planens etablieren wird, ist fraglich. Wohl eher dient es dem Versuch einer Selbstpositionierung, denn niederländische Büros befinden sich seit den Theorie-Exzessen von Rem Koolhaas' Think-Tank OMA/AMO unter enormem Profilierungsdruck.

Ein effizientes Werkzeug zur Abwicklung einzelner Planungsschritte muss nicht unbedingt zu baukünstlerischen Spitzenleistungen führen. Das verdeutlichen jene realisierten Werke von UN- Studio, bei denen es sich um intelligente Adaptionen von Vorbildern handelt, welche dann - vielleicht aus Mangel an formaler Phantasie - krampfhaft variiert werden. So ist die zeichenhafte Erasmus-Brücke (1996) in Rotterdam nicht ohne Calatravas Puente Alamillo in Sevilla, das in ein nachts glitzerndes Paillettenkleid gehüllte Galleria-Gebäude in Seoul nicht ohne Future Systems denkbar. Im SUM-Büromöbel hingegen scheinen sich Carlo Mollino und Zaha Hadid zu begegnen, während das Kaffeeservice für Alessi - trotz Verweis auf das geometrische Paradoxon der «Kleinschen Flasche» - an einen allzu symmetrischen Colani-Entwurf gemahnt. Und die Hochhäuser von Arnheim sind kaum mehr als banale Investorenarchitektur.

Allerdings liegt die Stärke der Arbeiten von UN-Studio nicht in deren äusserer Erscheinung - auch wenn das Büro mit dem enigmatischen Umspannwerk in Innsbruck, dem heiter-eleganten Apartmenthaus in Zuoz und nun auch mit dem futuristischen Mercedes-Benz-Museum mehrere höchst einprägsame Baufiguren erfunden hat. Vielmehr sind es die Innenräume, mit denen UN- Studio zu betören weiss. Dies zeigten bereits die Wohnlandschaft des Möbius-Hauses und die Wellness-Unterwelt des Hotels «Castell» in Zuoz. Nun darf man gespannt sein auf die Stuttgarter Museumsräume, auf die 2008 vollendeten Bahnhofskatakomben von Arnheim und den voraussichtlich bis zum Jahr 2010 umgestalteten Parodi- Pier im alten Hafen von Genua.

[ Bis 30. April im DAM in Frankfurt. Katalog: UN-Studio. Entwicklung des Raums. Hrsg. Peter Cachola Schmal. Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt 2006. 128 S., Euro 15.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2006.03.09

03. März 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sehnsucht nach Schönheit

Gut dreissig Jahre sind vergangen, seit die Zürcher «Tendenzen»-Schau dem erstaunten Publikum von einer Architektur des Aufbegehrens in der italienischsprachigen Schweiz berichtete. Nun wirft eine Ausstellung in Rom einen kritischen Blick auf die Tessiner Baukunst von heute. Vorgestellt werden Gebäude und Projekte von sechs Teams und Einzelkämpfern.

Gut dreissig Jahre sind vergangen, seit die Zürcher «Tendenzen»-Schau dem erstaunten Publikum von einer Architektur des Aufbegehrens in der italienischsprachigen Schweiz berichtete. Nun wirft eine Ausstellung in Rom einen kritischen Blick auf die Tessiner Baukunst von heute. Vorgestellt werden Gebäude und Projekte von sechs Teams und Einzelkämpfern.

Leicht könnte man die Ausstellung «Architetture di Passaggio» im Istituto Svizzero in Rom als eine von vielen Veranstaltungen zur Tessiner Baukunst seit der legendären Zürcher «Tendenzen»- Schau von 1975 übergehen. Doch anders als ihre Vorgängerinnen skizziert sie nicht die Erfolgsgeschichte der einstigen Kämpfer Botta, Galfetti, Snozzi und Vacchini - allenfalls garniert mit weiteren Namen. Vielmehr wird seit langem wieder ein kritischer Blick riskiert. Dieser gilt nun ganz der jüngeren Szene, wobei sechs Büros mit Fragen nach dem Stand der Tessiner Architektur in einer globalisierten Welt konfrontiert werden.

Überwindung der Enge

Die von Alberto Alessi kuratierte Ausstellung thematisiert Entwicklungen, die ähnlich auch in der Deutschschweiz, in Katalonien oder Vorarlberg festzustellen wären. Denn nach Jahren regionalistischer Selbstgenügsamkeit macht sich aufgrund des Starkults, aber auch dank intensiverem Ideenaustausch und den Möglichkeiten, die der Computer im Entwurf eröffnet, allenthalben ein neuer Internationalismus bemerkbar. Der äussert sich in kubisch abgewinkelten oder organisch fliessenden Bauformen, die neben rigiden Betonkisten immer öfter anzutreffen sind. Deshalb unterscheiden sich die Projekte jener Tessiner Architekten, die aus dem Schatten der grossen regionalen Vorbilder herauszutreten wagten, kaum noch von den Arbeiten ihrer Kollegen anderswo. Zwar fühlen sie sich weiterhin in den Landschaften und Bautraditionen des Tessins verwurzelt: doch von einem Bauen in der Enge wollen sie nicht mehr sprechen. Wie ihre Vorgänger haben die meisten von ihnen an der ETH in Zürich studiert. Während jene aber den einst von Rossi dominierten italienischen Architekturdiskurs auf die eigene Situation übertrugen, sammelten diese ihre Erfahrungen zwischen Sevilla und Tokio. Gleichwohl schlugen nur wenige anderswo Wurzeln: etwa Andrea Bassi in Genf oder Massimo Scheurer und Michele Tadini als Mitglieder von Arassociati in Mailand.

Allerdings unterscheiden sich die von Alessi ausgewählten Teams und Einzelkämpfer von den im Grossraum Locarno ansässigen Vertretern der mittleren und jüngeren Generation wie Arnaboldi, Briccola, Cavadini, den Geschwistern Guidotti oder den Tognola-Brüdern, die die Anliegen der Tendenza weiterzuentwickeln suchen. Deren Eigenheiten - vom kritischen Dialog mit dem Territorium über die Idee, den Ort zu bauen, bis zur Gratwanderung zwischen «poesia e maniera» - sind aber auch den in Rom präsentierten Büros vertraut. Darüber hinaus schätzen auch sie die Ehrlichkeit des Sichtbetons; und auch sie müssen sich oft mit kleinen Aufträgen zufrieden geben, so dass der Villa noch immer eine wichtige Rolle in der Recherche zukommt. Aber ihr Idiom ist geschliffener, internationaler, anonymer geworden - und der realisierte Bau ist ihnen wichtiger als das rigorose Denkmodell.

Bilder und Stimmungen

Kompromisslosigkeit gilt ihnen nicht mehr als höchste Tugend. So haben Durisch & Nolli aus Lugano in Mendrisio ein geschundenes mittelalterliches Steinhaus rehabilitiert und beim Max- Museum in Chiasso den Ort, seine Geschichte und Atmosphäre in das Projekt einbezogen und daraus eine Architektur der Bilder und der Stimmungen entwickelt. Auch Buzzi & Buzzi aus Locarno üben sich im Bauen im Bestand, wenn sie minimalistische Holzkonstruktionen in brüchige Rustico-Mauern integrieren. Doch bei der Planung eines kubistisch abgewinkelten und in die Trockenmauern eingefügten Hauses nähern sie sich einer modischen Formensprache, die auch der Luganese Luca Gazzaniga bei seinen Davoser Entwürfen oder bei der von organischen Öffnungen durchdrungenen Casa Cedrini in Muzzano beherrscht. Gleichzeitig stellt er seine reduzierten Villenquader wie elegante Möbel ins Grüne.

Ganz aus der Landschaft entwickelt ist das neuste Wohnhaus von Giraudi & Wettstein am Monte Brè in Lugano. Dies dank jenem raffinierten Linienspiel, das schon ihren Universitätsbau in Lugano und die mit Cruz & Ortiz konzipierte Basler Bahnhofpasserelle auszeichnete. Ähnlich wichtige Aufträge konnten Scheurer und Tadini von Arassociati mit dem Tiscali-Campus in Cagliari und einer bald vollendeten Wohnbebauung in Zürich-West übernehmen, die stark von ihrem Lehrer Aldo Rossi und den gravitätischen Mailänder Novecento-Palästen Muzios und Portaluppis geprägt ist. Heiterer ist dagegen der Minimalismus von Andrea Bassi. Er stellt in Rom nur seine bunte, mit transluzenten Kunststoffplatten verkleidete Primarschule in Neuenburg zur Diskussion und widmet ihr im Katalogbüchlein ein konkretes architektonisches Gedicht.

Baukünstlerischer Ästhetizismus

All diese Bauten und Projekte sind in der Schau mittels kurzer Videos zugegen, die wie die sechs kleinen, in einem Schuber angebotenen Kataloge von den Büros ebenso individuell wie aufschlussreich gestaltet wurden. Sie machen deutlich, dass sich die neue Tessiner Architektur weder durch formale Ähnlichkeit noch durch ein gemeinsames Programm auszeichnet. Das überrascht nicht, denn schon zur Zeit der Tendenza pflegten die einzelnen Protagonisten ihre eigene Sprache. Nur wurde sie damals durch den gesellschaftspolitisch-kämpferischen Ton übertönt.

Zu Recht spricht Alessi im Zusammenhang mit dem Tessin von «Architetture di Passaggio», von Architekturen des Übergangs zwischen den Kulturen, aber auch von Architekturen in einem Durchgangsland (der Ideen). Dies illustriert er in der Schau mit einem einstündigen Film, der die Fahrt auf der Autobahn von Chiasso bis zum Gotthard zeigt, während aus dem Off die zur Ausstellung geladenen Architekten über ihr Selbstverständnis und die Existenz einer Tessiner Architektur Auskunft geben. Die in ihrer Präsentation weitgehend immaterielle Architekturausstellung bringt die baukünstlerische Interpretation von Identität in einer globalisierten Welt zur Sprache. Sie veranschaulicht aber auch, wie im Tessin das einstmals ethisch begründete Streben nach Einfachheit einer Sehnsucht nach Schönheit und Glamour gewichen ist. Nun darf man gespannt sein, wie die erste an der Akademie von Mendrisio ausgebildete Generation auf diesen baukünstlerischen Ästhetizismus antworten wird.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.03.03

03. März 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Rationalistische Unterwelt

Cristián Undurragas neues Kulturzentrum La Moneda in Santiago de Chile

Cristián Undurragas neues Kulturzentrum La Moneda in Santiago de Chile

Sie ist ein baukünstlerisches Juwel: die 1780 von Joaquín Toesca (1752-1799) entworfene und vor 200 Jahren als Münzprägeanstalt eröffnete Moneda. Der weisse Palast, der zusammen mit dem eklektizistischen Barrio Civico zum Unesco- Weltkulturerbe ernannt werden soll, gilt als das kostbarste Werk des Frühklassizismus in Lateinamerika und - seit er 1848 zum Präsidentensitz umgebaut worden war - als Symbol der chilenischen Demokratie. Dieser Bau wurde am 11. September 1973 auf Befehl Pinochets bombardiert, und gleichentags schied hier Salvador Allende aus dem Leben. Um ein versöhnliches Zeichen zu setzen, liess Ricardo Lagos nach seinem Amtsantritt im Jahr 2000 die wieder als Präsidentenpalast dienende Moneda für das Volk und die Kultur öffnen. Seither fanden in den beiden Innenhöfen immer wieder Dichterlesungen, Konzerte und Ausstellungen statt.

Um die Politik und die (hier traditionell linksorientierten) Künste in einen noch engeren Dialog zu bringen, beschloss die Regierung Lagos, ein Kulturzentrum zu bauen, und zwar unter der lange vernachlässigten Plaza de la Ciudadanía, dem Platz vor der architektonisch weniger bedeutenden, nach Süden orientierten Rückseite der Moneda. Der Auftrag ging an Cristián Undurraga, einen der bekanntesten chilenischen Architekten der mittleren Generation. Dieser entwarf eine von Bassins und Freiflächen geprägte Platzanlage, unter der er das Centro Cultural Palacio La Moneda (CCPLM) einrichtete. An der Oberfläche tritt das am 26. Januar von Präsident Lagos und Michelle Bachelet eingeweihte, 7000 Quadratmeter grosse Ausstellungs-, Film- und Dokumentationszentrum einzig durch eine Vielzahl gläserner Streifen in Erscheinung, die Licht in das unterirdische Bauwerk bringen.

Beidseits der Wasserflächen wecken zwei abgesenkte Patios am Ost- und am Westrand der Plaza die Neugier der Passanten. Dort betreten sie das unterirdische Reich der Kunst. Durch die von massiven Betonbalken getragene Glasdecke flutet Tageslicht in eine über drei Geschosse sich weitende Halle. Überblick bietet eine umlaufende Galerie, auf die sich Café, Restaurant, Bibliothek und Museumsshop öffnen. Eine breite Rampe mit doppeltem Richtungswechsel führt entlang der blitzartig gezackten, mit unzähligen Bullaugen perforierten und durch Bambus leicht verhüllten Südwand in die Tiefe. Es ist die einzige Extravaganz, die sich Undurraga in dieser lichten, rationalistischen Unterwelt erlaubt. Diese stellt in ihrer klassizistischen Logik und Klarheit gleichsam die Weiterführung der Innenhöfe der ebenfalls dreigeschossigen Moneda unter Tag dar - so dass sie Undurraga zu Recht als «Patio de la Cultura» bezeichnen kann.

Auf dem Mittelgeschoss gewährt die Rampe Zugang zur Cineteca nacional, die aus einem grossen und einem kleinen Kinosaal sowie aus einer Mediathek besteht, bevor man am Grund der mehr als 1000 Quadratmeter messenden, für die Präsentation dreidimensionaler Kunst reservierten Halle ankommt. Hinter einer Glaswand auf der Nordseite befindet sich das Dokumentationszentrum, und durch weite Öffnungen im Osten und im Westen gelangt man in die beiden 600 Quadratmeter grossen Ausstellungssäle, in welchen derzeit eine Übersicht über die präkolumbische Kunst Mexikos zu sehen ist. - Wie die gezackten Wandelemente und das Spiel mit den Perforierungen zeigen, schreckt Undurraga nicht vor modischen Entwurfsideen zurück. Gleichwohl strahlt das CCPLM dank harmonischen Proportionen und materieller Zurückhaltung eine klassische Ruhe aus, von der nicht zuletzt die Exponate profitieren. Die Besucher promenieren unbeschwert auf der Rampe und den Galerien der lichtdurchfluteten, abends spannungsvoll erhellten Halle, in der nie jenes beklemmende Gefühl aufkommt, das man in anderen Anlagen spürt.

Dass Cristián Undurraga ein Meister der subtilen Raum- und Lichtregie ist, hat er bereits mit dem Rathausturm von Las Condes bewiesen. Dessen doppelgeschossiger, von einer wellenartig gebrochenen Decke überdachter Lobby antwortet die Halle des CCPLM mit dem spektakulären Zusammenklang von gezackter Wand und skulpturaler Rampe.

[ Das CCPLM an Plaza de la Ciudadanía ist täglich von 10 bis 21 Uhr geöffnet; die Ausstellung «México. Del cuerpo al cosmos» dauert bis Ende Juli (www.ccplm.cl). ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.03.03

03. März 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Glastürme und Betonvillen

Chiles Wirtschaftsboom der letzten Jahre spiegelt sich in den Hochhäusern von Las Condes. Doch ausser Glitzerarchitekturen findet man in Santiago de Chile auch interessante neue Bauwerke.

Chiles Wirtschaftsboom der letzten Jahre spiegelt sich in den Hochhäusern von Las Condes. Doch ausser Glitzerarchitekturen findet man in Santiago de Chile auch interessante neue Bauwerke.

Das lange als erzkonservativ verschriene Chile hat jüngst mit der Wahl von Michelle Bachelet zur ersten Präsidentin eines südamerikanischen Staates der Welt gezeigt, dass es sich seit dem Ende der Pinochet-Diktatur zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Musterland gewandelt hat. Gewiss, in Valparaíso, das mit dem brüchigen Charme seiner bunten, 2003 zum Unesco- Weltkulturerbe ernannten Hangsiedlungen noch alle Züge einer Stadt in einem Schwellenland aufweist, ist die Arbeitslosigkeit noch immer gross. Umso deutlicher spürt man den Boom in seiner Schwesterstadt Viña del Mar, wo neue Apartmenttürme wie Pilze aus dem Boden schiessen. In diese nebelkühle Sommerfrische flieht der sich wieder festigende Mittelstand des 120 Kilometer entfernt in einem Hochtal am Fuss der Anden gelegenen Santiago vor der Hitze. Dank dem Aufschwung der letzten Jahre präsentiert sich Chiles Hauptstadt heute als neue Finanzhochburg Südamerikas, in der koloniale Pracht und postmoderner Glitter zu einem faszinierenden Amalgam verschmelzen.

Wirtschafts- und Bauboom

Die Fussgängerzonen im Zentrum der in den letzten 40 Jahren von zwei auf fast sechs Millionen Einwohner angewachsenen Kapitale sind voll von Kauflustigen und von Zaungästen aus den ärmeren Vierteln. Touristen bewundern die in neuem Glanz erstrahlenden Säulenhallen des einstigen Kongresspalastes, das seit 1848 als Präsidentensitz dienende klassizistische Meisterwerk der Moneda und das 150 Jahre alte, eine französisch angehauchte Plaza dominierende Opernhaus oder flanieren durch den sorgsam renovierten Barrio París-Londres, der mit Bauten des Jugendstils und des Art déco kleinstädtisches Leben ins Herz der Metropole zaubert. Doch in Santiago wird nicht nur restauriert, es wird auch gebaut, wie ein Blick vom südöstlich der Innenstadt gelegenen Hügelpark des Cerro Santa Lucía zeigt. Die frontale Sicht auf das alte Zentrum wird einem halb verwehrt durch Glastürme, zu deren Füssen die Porträtbüsten von Gabriela Mistral, Pablo Neruda oder Vicente Huidobro daran erinnern, dass Chile nicht nur eine Wirtschaftsmacht, sondern auch eine bedeutende Kulturnation ist - auch was die Architektur betrifft. Davon könnte demnächst die 300 Meter hohe Torre bicentenario zeugen, die der chilenische Jungstar Mathias Klotz im Hinblick auf die Unabhängigkeitsfeier 2010 beim Mapocho-Bahnhof im Norden der Innenstadt als Raumnadel aus schwarzem Beton und Stahl errichten möchte. Bereits jetzt demonstrieren zwei Fakultätsgebäude auf dem südwestlich des Zentrums gelegenen Areal der Privatuniversität Diego Portales sein Können.

Obwohl sich in den vergangenen Jahren architektonisch viel getan hat, verbindet man in Europa mit der chilenischen Baukunst allenfalls die Escuela de Valparaíso. Die Exponenten dieser 1952 von Alberto Cruz in Viña del Mar als Ableger der Katholischen Universität gegründeten Architekturschule nahmen schon in den sechziger Jahren mit alternativen Wohnmodellen und dekonstruktivistisch anmutenden Bauten spätere Entwicklungen vorweg. Noch heute spürt man den Geist von Valparaíso in den oft organisch sich windenden Bauten von José Cruz Ovalle. Von ihm stammen Neubauten der Privatuniversität Adolfo Ibáñez sowie die Mensa auf dem Campus der Architekturfakultät der Katholischen Universität in Santiago. Für diese architektonisch engagierte Hochschule realisierte der auch als Theoretiker einflussreiche 39-jährige Alejandro Aravena neben dem historischen Hauptsitz am Alameda-Boulevard ein neues Fakultätsgebäude, dessen mit grossen Klinker-Scheiben verschattete Nordfassade vom Cerro Santa Lucía aus zum Greifen nahe scheint.

Stadt der Zukunft

Weit hinter Aravenas Fakultätsgebäude glänzt vor den Schneeriesen der Anden die Skyline von Las Condes. Sie steht weniger für Chiles architektonische Blüte als vielmehr für den gigantischen Investorenrausch, der die 1901 gegründete Gemeinde in Santiagos wohlhabendem Osten in den letzten Jahren in ein pulsierendes Wirtschaftszentrum mit 250 000 Einwohnern verwandelt und so die architekturgeschichtlich wertvolle Innenstadt etwas vom Baudruck befreit hat. Denn von den zentral gelegenen Ministerien, Banken, Universitäten und Kulturinstituten erreicht man mit der Metro in gut zehn Minuten die gläsernen Kaskaden, Segel oder Pyramiden der Bürotürme von Las Condes. Im Meer all dieser Kommerzarchitektur entdeckt man aber auch Qualitätsbauten wie die Torre Manantiales von Luis Izquierdo und Antonia Lehmann an der vornehmen Avenida Isidora Goyenechea. Mit bald vertikal, bald diagonal gestellten Betonpfeilern verweist ihr Fassadenbild auf die erdbebensichere Konstruktion. Dieses Zusammengehen von Form und Struktur wurde 2004 mit der Aufnahme in die MoMA-Schau «Tall Buildings» belohnt.

Ein Spaziergang durch den neu am Rio Mapocho angelegten Parque de las Américas, an dem das World Trade Center immer weiter expandiert, lässt etwas von der Lebensqualität von Las Condes erahnen, wo man das höchste Pro-Kopf- Einkommen und die niedrigste Arbeitslosenrate Lateinamerikas registriert. Derselbe Eindruck wiederholt sich beim Parque Araucano, neben dem gerade die Turmbauten des von Hellmuth, Obata & Kassabaum (HOK) entworfenen Neubauquartiers Nueva Las Condes vollendet werden. Nachdem an der Plaza de la Palabra bereits vor drei Jahren mit dem Huidobro-Turm von HOK und Corvalán ein banaler Investorenbau eröffnet worden ist, gehen jetzt die beiden 23-stöckigen, nach Mistral und Neruda benannten Bürohäuser von A4 Arquitectos sowie eine Shopping-Mall mit Theater und Konferenzsälen der Vollendung entgegen. Architektonisch relevant ist aber nur die Torre «CorpGroup» von Cristián Boza: ein skulpturaler 26-stöckiger Glasquader mit kantigen Auskerbungen.

Für ein architektonisches Zeichen entschied sich die Gemeinde Las Condes, als sie beschloss, unweit des alten Rathauses, eines nun als Kulturzentrum genutzten Art-déco-Baus von 1942, einen Neubau zu errichten. In der Glitzerwelt der Avenida Apoquindo erscheint der vom Architekten Cristián Undurraga zusammen mit dem Bauingenieur Rafael Gatica konzipierte 17-stöckige Turm wie ein Bote aus einer anderen Welt. Das 2004 vollendete Werk beweist, dass auch im Hochhausbau mehr als nur Oberflächendesign möglich ist. Die Fassade, welche wie diejenige des Manantiales-Turms ihre antiseismische Struktur zur Schau stellt, erinnert mit ihrem x-förmigen, die stützenfreien Geschossplatten tragenden Geflecht aus betonumhüllten Stahlträgern an einen Korb. Dabei ist diese bildhafte Vereinigung von Architektur und Ingenieurtechnik - wie für gute Neubauten in Chile typisch - einem kraftvollen, unmodischen Rationalismus verpflichtet.

Ein gegenüber der Strasse abgesenkter Hof führt einen zu den Wurzeln des Fassadengitters. Ebenerdig bringt die doppelgeschossige Eingangshalle Licht und Raum zum Klingen. Unmittelbar darüber befinden sich der Plenarsaal der Stadtregierung und anschliessend die zwölf Bürogeschosse. Formale Ästhetik, bautechnische Funktionalität, räumliches Raffinement und materielle Einfachheit machen diesen Verwaltungsbau zu einem Markstein der neuen Hochhausarchitektur in Lateinamerika, dem wohl nur Carmen Pinos' Torre Cube im mexikanischen Guadalajara das Wasser reichen kann.

Es sind immer wieder Betonbauten, die seit dem legendären, 1964 unter dem Eindruck von Le Corbusiers La Tourette von Gabriel Guarda und Martín Correa realisierten Benediktinerkloster von Las Condes in Chiles Architektur für Höhepunkte sorgten. Das zeigt sich auch im Wohnbau. So hat Gonzalo Mardones im vergangenen Jahr mit dem ebenso harten wie eleganten, von zwei Penthousewohnungen mit eigenen Swimmingpools bekrönten Edificio Glamis frischen Wind in die schicken Wohnzonen von Las Condes gebracht. Aber auch die vielen neuen Betonvillen, die Cruz Ovalle, Izquierda & Lehmann, Klotz, Mardones oder Undurraga in den Hügeln von Las Condes und der angrenzenden Nobelgemeinde Vitacura errichten konnten, veranschaulichen die in der Architekturszene von Santiago herrschende Aufbruchstimmung.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.03.03

24. Februar 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Weisse Stadt am Mittelmeer

Auf einem vom schottischen Städteplaner Patrick Geddes entworfenen Strassenraster realisierten Architekten aus halb Europa in den dreissiger Jahren die Weisse Stadt von Tel Aviv. Ihr widmet nun die Galerie der Architekturakademie Mendrisio eine sehenswerte Ausstellung.

Auf einem vom schottischen Städteplaner Patrick Geddes entworfenen Strassenraster realisierten Architekten aus halb Europa in den dreissiger Jahren die Weisse Stadt von Tel Aviv. Ihr widmet nun die Galerie der Architekturakademie Mendrisio eine sehenswerte Ausstellung.

Keine andere Stadt der Moderne besitzt so viel Ausstrahlung wie Tel Aviv. Der Grund dafür liegt in der mediterranen Lebenslust ihrer Bewohner, aber auch in ihrer urbanistischen Anlage. Der ondulierende Linienfluss von schattigen Boulevards, pulsierenden Verbindungs- und ruhigen Quartierstrassen bildet ein organisches Muster, in welchem flachgedeckte Mehrfamilienhäuser wie ungezählte Zuckerwürfel aneinander gereiht sind. Nichts erinnert hier an die harten, rationalistischen Stadtmaschinen des Neuen Bauens. Vielmehr handelt es sich bei der 1925 vom schottischen Urbanisten Patrick Geddes entworfenen Gartenstadt um die einfühlsame Weiterführung einer 1908 in den Dünen nördlich von Jaffa erfolgten Neugründung, die bald schon den Namen Tel Aviv erhielt. Anfangs wurde Geddes' Strassenmuster mit Häusern in eklektizistischem oder orientalistischem Stil bebaut. Zu diesen gesellten sich dann seit den frühen dreissiger Jahren all jene modernen Bauten, die Tel Aviv bald schon zur Weissen Stadt machen sollten.
Internationaler Stil

Diese neue Architektur wurde von europäischen Immigranten konzipiert, die in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz studiert hatten. Im Jahre 1937 zählte man bereits 2600 moderne Bauten, und bis zur Staatsgründung von 1948 entstanden nochmals über 1000 Häuser. Sie werden in Tel Aviv meist mit dem Bauhaus in Verbindung gebracht. Doch abgesehen vom wegweisenden Arieh Sharon, der sich bei seinen Arbeitersiedlungen an die sozialen Ideale des Basler Bauhaus-Direktors Hannes Meyer hielt, waren Tel Avivs Architekten weit stärker von Le Corbusier, Mallet-Stevens oder Erich Mendelsohn beeinflusst. Deshalb werden ihre meist viergeschossigen, oft durch abgerundete Ecken, geschwungene Balkone, pergolabekrönte Dachterrassen oder Pfeilerhallen geprägten Mehrfamilienhäuser inzwischen lieber dem Internationalen Stil zugeordnet.

Diese nur summarisch skizzierte Ausgangslage fasst eine Schau zusammen, die anlässlich der im Sommer 2003 erfolgten Aufnahme der «Weissen Stadt» ins Unesco-Weltkulturerbe erstmals in Tel Aviv zu sehen war und nun - als Europapremiere - in der neuen, vor wenigen Monaten eingeweihten Galerie der Architekturakademie von Mendrisio im Palazzo Canavée gezeigt wird. Die mit Plänen, Fotos, Modellen und Videopräsentationen konventionell gestaltete, bei aller Knappheit aber gut fokussierte Schau empfängt die Besucher mit vier Flugaufnahmen, die Zoltan Kluger zwischen 1937 und 1939 von der schon weitgehend gebauten Stadt machte. Anschliessend blickt die Präsentation zurück und beleuchtet die durch die Einwanderungsschübe aus Osteuropa ausgelöste rasante Stadtentwicklung, die gezielte Planungsarbeiten immer dringlicher machte. Auf die Geschichte des Geddes-Plans folgt eine Bildergalerie, die 98 Architekten mit kurzen Lebensläufen vorstellt, darunter die Le- Corbusier-Schüler Zeev Rechter und Sam Barkai, der Bauhäusler Sharon, die 1934 mit der Planung des zentralen Dizengoff-Platzes betraute Genia Averbouch und der am Technikum Winterthur ausgebildete Zürcher Salomon Liaskowsky. Sie zählten zu den einflussreichsten Baukünstlern der Stadt und waren nicht nur planend, sondern - zumal die Mitglieder der Architektenvereinigung «Chug» - auch theoretisierend tätig. Vom fruchtbaren Architekturklima Tel Avivs in den dreissiger Jahren zeugen auch Auszüge aus drei Nummern der Zeitschrift «Architecture d'aujourd'hui» von 1937 und 1939. Diese brachten neben planerischen Innovationen im britischen Mandatsgebiet Palästina auch Meisterwerke der neuen Architektur wie Barkais Juwel, das Haus Lubin in Tel Binjamin (1937), einem grösseren europäischen Publikum näher.

Einige dieser wichtigen Bauten werden in der Schau besonders hervorgehoben - etwa das 1931 vollendete Kruskal-Haus von Richard Kauffmann, der erste bedeutende moderne Bau in Tel Aviv, das aufgestelzte Engel-Haus von Rechter, das Rubinsky-Haus mit dem dynamischen Fassadenspiel von Lucian Korngold oder das durch seine geschwungene Dachkrone einflussreiche Poliashuk-Haus von Liaskowsky. Damit wagt die Ausstellung jene baukünstlerische Wertung, die im ebenso opulenten wie materialreichen Katalog - einer Überarbeitung des Buchs «Batim min hachol» («Häuser auf Sand») von 1994 - fehlt. Hier geht die Herausgeberin und Ausstellungsgestalterin Nitza Metzger-Szmuk auf die Entstehungsgeschichte, die Stadtplanung von Kauffmann und Geddes, die Herkunft und Ausbildung der Architekten sowie auf die Bautypologien ein, vermeidet aber eine kritische Analyse der theoretischen, ästhetischen und funktionalen Aspekte einzelner Häuser. Nicht einmal die Bedeutung des verwahrlosten, aber im internationalen Vergleich erstrangigen Engel-Hauses am Rothschild Boulevard, mit dem Rechter die anschliessend so erfolgreiche Pilotis-Bauweise gegen die Weisungen der Stadtverwaltung durchsetzte, kommt im Katalog ausführlich zur Sprache.
Standardwerk mit Mängeln

Auch gegenüber denkmalpflegerischen Sachverhalten geben sich Ausstellung und Katalog zugeknöpft. Dabei sind viele Häuser nicht nur vom Verfall, sondern ebenso durch Aufstockungen bedroht. Diese verunstalten die Bauten und beeinträchtigen zudem die harmonisch proportionierten Strassenräume. Aber das wäre wohl Stoff für eine weitere Schau und eine Folgepublikation. Deshalb wird man den vorliegenden Katalog trotz manchen Mängeln doch als Standardwerk bezeichnen. Gleichwohl darf man erfreut zur Kenntnis nehmen, dass sich die Ausstellung dem Begleitbuch gegenüber immer wieder eigene Positionen erlaubt - etwa durch den Verweis auf internationale Vorbilder oder auf Fragen der Innenraumgestaltung. Damit wird aber auch deutlich, wie viel Forschungs- und Interpretationsarbeit hier noch geleistet werden kann und muss.

[ Bis 23. März, jeweils von Mittwoch bis Sonntag (12-19 Uhr) im Akademiegebäude am Viale Canavée, anschliessend in der ETH Lausanne. Katalog: Des maisons sur le sable. Tel Aviv. Mouvement moderne et esprit Bauhaus - Modern Movement and Bauhaus Ideals (franz./engl.). Hrsg. Nitza Metzger-Szmuk. Editions de l'éclat, Paris 2004. 447 S., Fr. 100.- (in der Ausstellung). ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.02.24

13. Februar 2006Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine Stadtkrone am Lago Maggiore

Seit einigen Tagen sind in Ascona die Entwürfe für ein Kultur- und Kongresszentrum ausgestellt. Das hat zu einer Kontroverse um das monumentale Siegerprojekt von Caruso St John geführt.

Seit einigen Tagen sind in Ascona die Entwürfe für ein Kultur- und Kongresszentrum ausgestellt. Das hat zu einer Kontroverse um das monumentale Siegerprojekt von Caruso St John geführt.

Neben dem Wettbewerb für ein neues Basler Stadtkasino darf jener für ein Kultur- und Kongresszentrum in Ascona als eines der prestigeträchtigsten Schweizer Architekturereignisse der letzten Jahre gelten. Doch wer in Ascona einen innovativen, den Architekturdiskurs beflügelnden Entscheid erhofft hatte, wird nun enttäuscht. Die hochkarätige Jury, der Stars wie Peter Zumthor, John Pawson und Roger Diener angehörten, kürte jüngst im zweiten Durchgang das Projekt der Londoner Architekten Adam Caruso und Peter St John, denen vor einigen Jahren mit der turmartigen New Art Gallery in Walsall ein vielbeachtetes Meisterwerk gelungen war (NZZ 6. 11. 00). Für Ascona variierten die Engländer die in Walsall erfolgreiche Idee einer Stadtkrone - allerdings mit wenig Überzeugungskraft. Denn anders als die etwas abgetakelte mittelenglische Industriestadt, die durch den weithin sichtbaren Neubau nur gewinnen konnte, ist im Zentrum von Ascona ein solcher Akzent fehl am Platz. Hier würde der massige «Leuchtturm» mit seiner Hülle aus weissem, marmorglänzendem Zement und den acht Meter hohen, teilweise verspiegelten Fenstern nicht nur den städtebaulichen Massstab verfremden, sondern auch die von zwei Kirchtürmen beherrschte Silhouette zerstören. Denkbar wäre ein solches Zeichen höchstens zwischen Hotelviertel und Lido direkt am See.

Schwerfälliger Leuchtturm

Das Siegerprojekt kann zwar mit einem räumlich interessanten Foyer und - über den Büros der Polizei - im ersten Stock des Sockelgeschosses mit einem intelligent konzipierten Museum aufwarten. Dessen Erschliessung erweist sich jedoch als ebenso unbefriedigend wie die Gestaltung des nochmals eine Etage höher gelegenen, an eine provinzielle Mehrzweckhalle erinnernden Auditoriums, das für Kongresse, Konzerte, Theater- und Filmvorführungen zur Verfügung stehen soll. Hier wird ein Bau mit Funktionen überfrachtet, nur um ihm eine aufsehenerregende Höhe zu verleihen. Seine 31,5 Meter hoch aufragende Fassade wird zum Viale Papio hin durch riesige seitliche Kehlen (die als Reverenz an den Tessiner Barock angepriesen werden) optisch schlanker gestaltet, damit sie neben dem nur wenig höheren Turm der benachbarten Kollegiatskirche nicht zu plump wirkt. Dafür wollen Caruso St John das ebenfalls zur Bebauung freigegebene Grundstück westlich des Viale nur mit einem pavillonartigen Tourismushaus und einem an dieser Stelle urbanistisch fehlplacierten Garten nützen.

Wogende Dynamik

Die Jury wollte all diese Mängel ganz offensichtlich nicht sehen. Neben einem weiteren himmelstrebenden, durch schmale, vertikale Fenster gegliederten Monolithen von Peter Märkli (der immerhin ein annehmbares Auditorium verspricht) lag ihr noch ein Vorschlag von Zaha Hadid vor. Nun werden viele sagen: Bitte, nicht schon wieder Hadid. Doch während beim Basler Stadtkasino der siegreiche Hadid-Entwurf dem Projekt von Herzog & de Meuron in mancher Hinsicht unterlegen war, ist ihre Asconeser Arbeit massgeschneidert für diesen ebenso beengten wie delikaten Ort am Rand des Borgo. Hadid erkannte nämlich als Einzige, dass architektonisches Spektakel hier weniger durch eine zeichenhafte Stadtkrone oder einen Leuchtturm angestrebt werden darf als vielmehr durch formale Überwältigung. Dies gelingt ihr, indem sie mit opulenten Volumen den Strassenraum zum Brodeln bringt.

Zaha Hadids baukünstlerische Argumentation lag nicht auf der Linie der minimalistisch- geometrisch ausgerichteten Jury. Dennoch hätte diese die städtebaulichen, räumlichen und funktionalen Qualitäten des Entwurfs erkennen müssen. Integriert sich doch - trotz wogender Dynamik (um nicht zu sagen Hysterie) - kein anderes Projekt so perfekt in den fragmentarischen Kontext des Viale Papio, auch wenn der geschickt auf beide Parzellen verteilte, durch einen geschwungenen Skywalk verbundene Baukörper mitunter an eine Raumstation erinnert. Attraktive Foyers saugen die Besucher hinauf in die westlich des Viale untergebrachten Museumsräume und in das gegenüberliegende Auditorium, das mit Eleganz und Grosszügigkeit zu überzeugen weiss. Bei aller Rhetorik fügt sich der in seiner stärksten Aufwölbung nur 22 Meter hohe Doppelbau diskret in Asconas Weichbild ein.

Wie schwer sich all die andern Architekten mit dem schwierigen Standort und dem überfrachteten Raumprogramm taten, zeigen in der derzeitigen Asconeser Ausstellung fünf zusätzliche in der ersten Runde ausgezeichnete Projekte: zwei Betonskulpturen von Luigi Snozzi, ein falsch placierter gläserner Novecentobau des Tokioter Kultbüros Sanaa, die gekurvten Volumen von Mansilla & Tuñón aus Madrid, die fabrikartigen Baukörper von Rafael Moneo sowie Mario Bottas diskretes, aber städtebaulich präzises Spiel mit Rechteck und Oval.

Da ein Scheitern des für Ascona wichtigen Kultur- und Kongresszentrums bedauerlich wäre, stellt sich die Frage, ob die Gemeinde - entgegen dem Juryentscheid - nicht Zaha Hadids Projekt weiterverfolgen sollte. Mag sein, dass dessen Realisierung den Finanzrahmen von knapp 55 Millionen Franken sprengen würde. Aber es hätte wie kein anderes das Potenzial, Sponsoren zu motivieren - und dereinst auch Besucher anzulocken. Wenn dann noch das zur permanenten Baugrube verkommene Ex-Taverna-Areal am Eingang zum Viale Papio mit einer anspruchsvollen Architektur bebaut und das historische Postgebäude renoviert würde, könnte Asconas derzeit hässlicher «Empfangssalon» zum stolzen Gegenstück der Piazza am See aufsteigen.

[ Die drei Projekte aus der Finalrunde sowie die fünf weiteren prämierten Arbeiten aus der ersten Runde sind noch bis zum 18. Februar täglich zwischen 15 und 19 Uhr in Ascona (Viale Papio 5) zu sehen. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2006.02.13

23. Dezember 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Welt als Wohnung

Als Gestalterin von Le Corbusiers Stahlrohrmöbeln wurde sie bekannt. Danach schuf Charlotte Perriand (1903-1999) ein breites Œuvre, in welchem sie sich gleichermassen mit dem kostbaren Einzelobjekt wie mit dem Massenwohnungsbau befasste. Das Centre Pompidou in Paris würdigt sie nun als Designerin und sozial engagierte Architektin.

Als Gestalterin von Le Corbusiers Stahlrohrmöbeln wurde sie bekannt. Danach schuf Charlotte Perriand (1903-1999) ein breites Œuvre, in welchem sie sich gleichermassen mit dem kostbaren Einzelobjekt wie mit dem Massenwohnungsbau befasste. Das Centre Pompidou in Paris würdigt sie nun als Designerin und sozial engagierte Architektin.

Der Name Charlotte Perriand ist vielen im Zusammenhang mit Le Corbusiers Möbeln ein Begriff; und dennoch wird die Bedeutung ihres Œuvres bis heute unterschätzt. Schon im Alter von 24 Jahren wagte es die 1903 geborene Absolventin der Pariser Ecole de l'Union central des arts décoratifs, mit ihrem Portfolio unter dem Arm beim Meister anzuklopfen. Doch erst der Erfolg ihrer «Bar sous le toit» am Salon d'automne von 1927 liess Le Corbusier aufhorchen. Denn der schwarz gepolsterte «Fauteuil tournant» und ein ausziehbarer Tisch machten sie in Frankreich zur Vordenkerin in Sachen Stahlrohrmöbeln, die zwei Jahre zuvor schon von Marcel Breuer in Deutschland propagiert worden waren. Jetzt sicherte sich der ehrgeizige Schweizer Architekt Perriands Know-how. Im Atelier von Le Corbusier und Pierre Jeanneret betreute die junge Pariserin daraufhin die Entwicklung der legendären «Corbusier-Liege» und des «Fauteuil Grand Confort», welche bereits 1928 dem Salon der Villa La Roche den letzten Schliff verliehen.
Ikonen aus Stahl und Holz

Diese Geschichte bildet den ersten Höhepunkt der grossen Charlotte-Perriand-Schau im Centre Pompidou in Paris, welche gleichermassen die Designerin wie die sozial engagierte Architektin würdigt. Die überreich mit Designobjekten, Modellen, Plänen, Fotos, Dokumenten, ja ganzen Interieurs bestückte und wie eine riesige Wohnung gestaltete Ausstellung fährt nach der Präsentation des biografischen Materials und der bis 1937 im Atelier von Le Corbusier hergestellten Möbel weiter mit Perriands eigenen Forschungen auf dem Gebiet des «Logement minimum», die in einem lowtech-artigen Biwak kulminierten. Während der dreissiger Jahre entfernte sich Perriand aufgrund ihrer Sympathien für die kommunistische Partei mehr und mehr von Le Corbusier, arbeitete aber weiterhin mit Jeanneret zusammen. An ihr klassenkämpferisches Interesse erinnert die wandbildartige Fotomontage «La Grande Misère de Paris», die sie 1936 auf dem Salon des arts ménagers vorstellte. Zudem belegen surrealistische Fotos und organische Sammelobjekte nicht nur ihre Nähe zur künstlerischen Avantgarde, sondern auch ihre Begeisterung für skelettartige Konstruktionen - und dies lange vor Calatrava.

Die Kriegsjahre verbrachte Charlotte Perriand im Fernen Osten, wo sie westliche Designideen vermittelte und östliche Gestaltungsformen in sich aufsaugte. Obwohl sie nach dem Kriegseintritt Japans das Land in Richtung Indochina verliess, hielt ihre Begeisterung für das Inselreich weiter an. Das dokumentieren nicht zuletzt die japanisch inspirierten Werke, die sie in den fünfziger Jahren schuf. Daneben beschäftigte sie sich mit kollektiven Wohnformen und kreierte die gleichermassen funktionalen wie formschönen Zimmereinrichtungen der Studentenhäuser Brasiliens, Mexikos und Tunesiens in der Pariser Cité internationale universitaire.
Geometrie und Organik

Zuvor schon hatte sie den Prototyp einer Einbauküche für die Unité d'habitation in Marseille entworfen. Neue Anregungen gab ihr der Gedankenaustausch mit Jean Prouvé, Fernand Léger und immer wieder mit Pierre Jeanneret. Die Arbeiten, die nun entstanden - konstruktivistisch elegante Regale in starken Farben und nierenförmige Tische aus massivem Holz - zählen zu den Glanzpunkten der Möbelkunst des 20. Jahrhunderts. Sie zeigen die Virtuosität, mit der Perriand zwischen geometrischer und organischer Abstraktion wechselte. Dabei schreckte sie auch vor grossbürgerlichen Inszenierungen nicht zurück, wie ihre mit opulenten Einbaumöbeln aus Palisanderholz ausgestattete brasilianische Bibliothek von 1962 demonstriert. In den zwischen 1967 und 1986 entstandenen Wohnmaschinen im Skiort Les Arcs verschmelzen schliesslich Baukunst und funktionales Design zu einem ganz dem Geist der siebziger Jahre verpflichteten Stil, in dem ihre sozialistischen Visionen vom Massenwohnungsbau eine seltsame Verbindung eingehen mit den fast schon an die Parodien eines Monsieur Hulot erinnernden Vorstellungen vom kleinen Ferienglück.

Sechs Jahre vor ihrem Tod im Oktober 1999 konnte Perriand in der Maison de thé, die sie für die Unesco in Paris gestaltete, ein letztes Mal ihre japanischen Leidenschaften ausleben. Dieses Alterswerk, dem die Kraft der früheren Arbeiten fehlt, bildet den leicht sentimentalen Ausklang der konventionell, aber klar und logisch eingerichteten Schau. Diese vermag ohne viel didaktisches Beiwerk, aber mit stichhaltigen visuellen Argumenten die theoretische Recherche von Charlotte Perriand ebenso zur Geltung zu bringen wie ihre künstlerischen Fähigkeiten und gesellschaftspolitischen Überzeugungen.

[ Bis 27. März. Katalog: Charlotte Perriand. Éditions du Centre Pompidou, Paris 2005. 184 S., Euro 29.90. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.12.23

02. Dezember 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Embryonale Versteinerungen

Die Bauten des in seiner Recherche betont künstlerisch ausgerichteten Wiener Architekten Heinz Tesar stossen oft auf Kritik oder gar Ablehnung. Nun versucht das Architekturmuseum der TU München mit einer Retrospektive in der Pinakothek der Moderne dieses ebenso vielfältige wie qualitativ heterogene Œuvre zu deuten.

Die Bauten des in seiner Recherche betont künstlerisch ausgerichteten Wiener Architekten Heinz Tesar stossen oft auf Kritik oder gar Ablehnung. Nun versucht das Architekturmuseum der TU München mit einer Retrospektive in der Pinakothek der Moderne dieses ebenso vielfältige wie qualitativ heterogene Œuvre zu deuten.

Der schwarze Kubus im anonymen Wiener Neubauviertel Kagran ist ein Meisterwerk der heutigen Sakralarchitektur. Aussen mit anthrazitfarbenen Chromstahlplatten verkleidet und innen mit hellem Birkensperrholz gefüttert, lebt der Betonkörper vom Spiel des Tageslichts, das durch ungezählte runde «Lichtlochfenster» ins Kircheninnere fällt. Wie in keinem seiner anderen Werke ist es hier Heinz Tesar gelungen, den Raum zum klingen zu bringen. Gleichzeitig scheint die im Geiste Le Corbusiers konzipierte Christus-Kirche von Kagran mit dem früheren Schaffen des in Wien tätigen Architekten zu brechen, obwohl der Bezug zur Kunst weiterhin allgegenwärtig bleibt.

Schon als junger Mann versuchte sich der 1939 in Innsbruck geborene Tesar als freier Künstler, um sich dann in den sechziger Jahren an der Akademie in Wien die Grundlagen der Architektur zu erarbeiten. Damals entstanden die blutroten Plazenta- und Embryobilder, die bis heute Tesars entwerferische Recherche bestimmen. So ist seine städtebaulich bisher wichtigste Realisierung, die Erweiterung des Lagerhausviertels in St. Gallen (1989-2005), kaum ohne die rostrot aquarellierte Skizze eines Forellen-Embryos zu denken. Dieses in der grossen Tesar-Retrospektive in der Münchner Pinakothek der Moderne zwar ausgestellte, im opulenten Katalog aber nicht publizierte Blatt ist offensichtlich den Tesar-Interpreten entgangen. Dabei nimmt es wie keine andere Zeichnung den in einen langgestreckten Körper und einen halbovalen Kopf geteilten Grundriss des an der Vadianstrasse gelegenen Polizei- und Geschäftsgebäudes vorweg, aber auch denjenigen des Bürohauses beim Dresdner Zwinger (1993-99). Doch anders als der formal und urbanistisch missglückte Bau in Dresden erinnert die Ostschweizer Hofrandrekonstruktion mit dem rundtempelartigen, von einem «Säulenmantel» umschlossenen Stirnbau an jene Allüren, die schon die St. Galler Baukunst des Jugendstils auszeichneten.

Biomorphe Formen

Für Tesars Theorie der «Praearchitektur» sind embryonale Grundrisse und biomorphe Formen entscheidend. Solche aus unserem Dasein entwickelten «Homotypen» prägen Tesars Bauten ebenso wie eine immer wieder leicht postmodern angehauchte Fassadensprache. Denn für Tesar, der Architektur als «Versteinerung gesellschaftlicher und individueller Prozesse» versteht, die sich in Schichten überlagern, ist ein gradliniger baukünstlerischer Fortschritt kaum vorstellbar. Die damit verbundene Absage an das Avantgardedenken und an die immer schneller wechselnden Architekturmoden bewirkt zusammen mit den formal und funktional unkonventionellen, oft dem architektonischen Kitsch nahen Entwürfen, dass seine Bauten hierzulande gerne beargwöhnt, wenn nicht sogar abgelehnt werden.

Die Deutung dieser Eigenwilligkeiten bildet nun die Basis der vom Architekturmuseum der TU München zusammengestellten Schau. Sie ist für ein breites Publikum attraktiv, weil sie neben Gemälden und Zeichnungen, die von Beuys, Nitsch und Rainer beeinflusst scheinen, auch anschauliche Modelle sowie grossformatige Fotos (aber keine Pläne) präsentiert und Tesars Œuvre in drei anschauliche Themenkreise gliedert. Der erste gilt der vom organischen Leben bestimmten künstlerisch-architektonischen Formfindung. Dazu werden Tesars Bauten und Projekte aus dem Bereich der Sakralarchitektur vorgestellt, die - abgesehen von der Kagraner Kirche - stark dem Biomorphismus verpflichtet sind. Darunter finden sich so interessante Lösungen wie die evangelische Kirche in Klosterneuburg (1993-95), Tesars erste Verneigung vor Ronchamp. Nur dass hier die Wandöffnungen zu einheitlichen Fensterquadraten geworden sind und das mit saugnapfartigen Lichtkuppeln besetzte Blechdach - welches das «ausserirdische» Erscheinungsbild des Kunsthauses Graz um zehn Jahre vorwegnahm - sich organisch nach aussen wölbt. Das künstlerisch gedachte Detail kann aber auch ins Peinliche kippen, wie bei den «Herzpfeilern» der 1997 projektierten, aber nicht realisierten Synagoge von Dresden. Ganz ähnlich wie die Kirche von Klosterneuburg und die 2003 entworfene Moschee in der Wiener Huttengasse sollte das als riesige Jakobinermütze geformte Gotteshaus von Dresden von oben durch Bullaugen erhellt werden.

Tektonische Platten

Im zweiten Teil der Schau geben die mit attraktiven Oberlichtsälen aufwartende Sammlung Essl in Klosterneuburg (1999) und das von der Kritik einst viel gelobte kleine Stadttheater Hallein (1993) Einblicke in Tesars Welt der «Klanglichträume». Hier trifft man auch auf einen 2001 vorgelegten Wettbewerbsentwurf für das Kunstmuseum St. Gallen. Dort hätte ein «säulenummantelter» Erweiterungsbau wie ein moderner Tempel mit viel städtebaulichem Einfühlungsvermögen in den Stadtpark eingefügt werden sollen. Ähnlich subtilen Haltungen begegnet man in dem mit «Schichtungen» überschriebenen dritten Ausstellungsbereich, der Tesars urbanistischen Studien gewidmet ist. Mit dem malerisch komponierten, aber in der Volksabstimmung gescheiterten Klösterli-Projekt beim Berner Bärengraben hatte Tesar Anfang der achtziger Jahre einen Hauptbeitrag zur europäischen Postmodernediskussion beigesteuert. Danach begab er sich mit seinem vielschichtigen Entwurf für die Neubebauung des Wiener Nordbahnhofgeländes (1991) vorübergehend auf das Terrain des Rationalismus.

Als Synthese dieser beiden Richtungen darf man das stadtplanerische Konzept für die touristische Erschliessung des einsamen Veneguera- Tals im Südwesten Gran Canarias bezeichnen. Der bald wie ein konstruktives Flachrelief, bald wie eine archaische Siedlung, eine Ruinenstätte oder eine Weltraumstadt anmutende Entwurf aus dem Jahre 2002 sah einen flächendeckenden Cluster von Patiohäusern für 16 000 Touristen vor. Diese vielleicht allzu utopische, dank der überzeugenden Interpretation der vulkanischen Ablagerungen aber perfekt in die Umgebung eingepasste Arbeit könnte eine Alternative zur banalen, immer weitere Landschaften verunstaltenden Tourismusarchitektur auf den Kanarischen Inseln bieten. Hätte sich Tesar weiter mit dieser bedeutenden Aufgabe auseinandersetzen können, wäre er vielleicht sogar seine künstlerischen Obsessionen losgeworden, die seit Jahren schon wie ein unruhiger Traum um die Themen «Kalvarienberg» oder «Embryomuseum» kreisen und so der architektonischen Forschung mehr Energie abziehen als beifügen.

[ Die vom Architekturmuseum der TH München in der Pinakothek der Moderne veranstaltete Ausstellung dauert bis zum 8. Januar. Katalog: Heinz Tesar. Architektur. Hrsg. Winfried Nerdinger. Electa, Mailand 2005. 303 S., Euro 35.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.12.02



verknüpfte Publikationen
Heinz Tesar Architektur

02. Dezember 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Südtiroler Delikatessen

Bilder von Schlössern und idyllischen Landschaften prägen unsere Vorstellungen von Südtirol. Dabei wird übersehen, dass sich das südlich angehauchte Bergland zwischen Etsch und Eisack längst zu einer boomenden Wirtschaftsregion entwickelt hat. Diese überrascht heute nicht nur mit Spitzenweinen, sondern auch mit neuer Architektur.

Bilder von Schlössern und idyllischen Landschaften prägen unsere Vorstellungen von Südtirol. Dabei wird übersehen, dass sich das südlich angehauchte Bergland zwischen Etsch und Eisack längst zu einer boomenden Wirtschaftsregion entwickelt hat. Diese überrascht heute nicht nur mit Spitzenweinen, sondern auch mit neuer Architektur.

Seit dem Triumph der Tessiner Tendenza entwickelte sich der zentrale Alpenraum zu einer vielgestaltigen Architekturregion, in der - entgegen den baukünstlerischen Globalisierungstendenzen - die Auseinandersetzung mit der Tradition und dem gebauten Kontext eine zentrale Rolle spielt. Seit einigen Jahren macht nun vermehrt auch Südtirol mit interessanten Bauten auf sich aufmerksam. Auffälliger als die Einzelhäuser sind hier jedoch die geschlossenen Dorfbilder und die kaum zersiedelten Grünzonen. Dies ist nicht zuletzt einem weitsichtigen Planungsgesetz zu verdanken, das seit 1972 mittels strenger Leitpläne das Bauen in der Landschaft regelt.

Architektonischer Aufschwung

Mit dieser erstaunlichen «Architektur des Territoriums» konnte die Qualität der Bauwerke zunächst nicht mithalten. Zwar investiert die seit 1919 zu Italien gehörende, heute rund 470 000 Einwohner zählende Provinz Bozen-Südtirol seit Erlangen des Autonomiestatuts im Jahre 1972 nicht nur in die Infrastruktur, sondern auch in öffentliche Bauten. Diese konnten erstmals in einer vom Bozner Architekten Christoph Mayr Fingerle 1993 herausgegebenen Publikation grösseren Kreisen präsentiert werden. Gleichwohl entstehen in den dicht bebauten Dörfern weiterhin Tourismusbauten in einem bizarren Pseudo-Südtiroler-Stil. Doch daneben trifft man immer häufiger auf Gebäude, die mit ihrer oft eigenwilligen Mischung aus lokalem Idiom und internationalem Ausdruck überraschen.

Erste Beispiele dieser engagierten Architektur begegnen einem schon bald, nachdem man bei Müstair die Schweiz in Richtung Meran verlassen hat. In Mals, das mit seinen alten Türmen einen urbanen Akzent ins weite Gebirgstal setzt, steht an der Bahnhofstrasse ein frühes Hauptwerk der neuen Südtiroler Architektur, das 1970 vollendete, burgartig kompakte Gamperheim des Bozner Altmeisters Helmut Maurer. Ihm antwortet am Bahnhof eine präzise Intervention aus jüngster Zeit: die Vergrösserung der alten Lokremise, welche für die Wartung der neuen Zugkompositionen der wiedereröffneten Vinschgau-Bahn nötig wurde. Sie stammt wie auch die meisten neuen Bahnhofsbauten zwischen Mals und Meran von Walter Dietl. In diesen einfachen Kleinbauten ahnt man bereits den Geist der neuen Südtiroler Architektur, die sich immer wieder durch gestalterische Klarheit und den oft experimentierfreudigen Einsatz von Holz, Stein, Metall oder Glas auszeichnet. Das veranschaulichen auf der Weiterreise neben interessanten Einfamilienhäusern und Schulbauten, die ins satte Gewebe der Dörfer eingepasst wurden, auch die neuen Bauernhöfe von Werner Tscholl bei Latsch, von Stefan Hitthaler in Gargazon und von Peter Plattner in Sinich, aber auch Tourismusbauten wie Arnold Gapps Seilbahnstation St. Martin hoch über Latsch.

Kein Ruhmesblatt sind hingegen die meisten Hotelneubauten, die den Touristen ein verkitschtes Bild von Südtirol vorgaukeln. Eine Ausnahme bildet das Hotel Pergola von Matteo Thun. Dem aus Bozen stammenden Mailänder Designer ist bei Algund - in leicht erhöhter Aussichtslage über dem Meraner Talkessel - ein für die ganze Region wichtiger Hotelbau gelungen, der sich mit seinem Sockelgeschoss aus Naturstein und seinen Aufbauten und Laubenkonstruktionen aus Lärchenholz ebenso diskret wie elegant in die von alten «Pergln» geprägten Rebberge einfügt. Weniger erfreulich ist die derzeit der Vollendung entgegengehende, städtebaulich und architektonisch gleichermassen unbefriedigende Thermenanlage in Meran. Der aus einem kubischen Badegebäude, einem abgewinkelten Stadthotel und einer grossen Tiefgarage bestehende Baukomplex basiert auf dem erstplacierten Wettbewerbsentwurf des jungen Berliner Architektenduos Rüdiger Baumann und Julia Zillich. Wegen konzeptioneller Mängel wurde das Projekt anschliessend von Matteo Thun überarbeitet und damit möglicherweise gar noch verschlechtert.

Besser gelungen ist eine andere touristisch wichtige Anlage: die Umwandlung von Schloss Trauttmansdorff in ein Ausflugsziel mit Tourismus-Museum und botanischem Garten. Dazu musste der über dem Meraner Villenviertel Obermais gelegene, 1850 im Geist des romantischen Historismus erneuerte Herrensitz, in welchem sich Kaiserin Sisi 1870 und 1889 aufgehalten hatte, restauriert und umgebaut werden.

Baukünstlerische Attraktionen

Hier konnten 2001 die jungen Südtiroler Kurt Rauch, Rita Pirpamer und Andreas Grasser vom Wiener Architekturbüro Sofa ein leicht dekonstruktivistisch angehauchtes Restaurant, das wie ein gestrandetes Schiff im Vorgarten des Schlosses liegt, und drei Jahre später aufgrund eines Wettbewerbs auch das Besucherzentrum errichten. Mit seinem auf schrägen Mikadostützen aufgestelzten, schachtelförmigen Volumen wirkt dieses wie ein Verschnitt aus Rem Koolhaas' Villa dall'Ava und Mies van der Rohes Barcelona- Pavillon. Doch die fleischrote und doch floral anmutende Granitverkleidung der Eingangsseite gibt ihm eine sinnliche Objekthaftigkeit, die sich gut mit den zarten Gelbtönen des Schlosses und dem üppigen Grün der Vegetation verträgt. Im Innern empfängt der schöne, hufeisenförmig um einen kleinen Bambus-Hof geführte Bau die Besucher mit Raumsequenzen, die auf das verschlungene Wegsystem des über eine Brücke erreichbaren Parks einstimmen.

Das eigentliche Juwel, mit dem das touristische Meran aufwarten kann, ist jedoch das hoch über dem Tal thronende Schloss Tirol. Dieses wurde aufgrund eines 1998 von Walter Angonese und Markus Scherer erarbeiteten Konzepts bis 2003 zum kulturhistorischen Landesmuseum umgebaut. Das Hauptaugenmerk der Architekten galt dabei dem Bergfried, für dessen völlig ausgehöhltes Inneres sie eine abgehängte Konstruktion aus angerostetem Stahl schufen. Das skulpturale Raumobjekt bildet nun ein ideales Gefäss für die Präsentation der Geschichte Südtirols.

Während sich Angonese und Scherer mit der Typologie der mittelalterlichen Burg auseinandersetzten, dachten Abram & Schnabl jene der ineinander verschachtelten Meraner Altstadtbauten weiter. Nachdem sie schon 1992 mit der Transformation der «Pfarrplatzpassage» eine zeittypische Sanierung im Altstadtgefüge vorgenommen hatten, konnten die beiden Bozner Architekten jüngst eine rund 95 Meter tiefe Parzelle zwischen der historischen Laubengasse und der Freiheitsstrasse neu gestalten. Die durch drei Innenhöfe gegliederte «Kurhauspassage» gleicht mit ihren hintereinander gereihten, gemischt genutzten Bauten einer Stadt in der Stadt. Dabei tritt die neue Architektur nur nach innen und an der stilistisch heterogenen Freiheitsstrasse in Erscheinung, wo sie sich mit einer extravaganten Geste auf ein kleines spätklassizistisches Bankhaus abstützt.

Urbanistische Erneuerung

Weniger spielerisch leicht als die «Kurhauspassage» sind die städtebaulichen Interventionen in Bozen. Dort wurde die Piazza del Tribunale, das neben der Piazza della Vittoria wichtigste Platz- Ensemble der faschistischen Neustadt, nach den Plänen von Stanislao Fierro so umgebaut, dass die Pfeilerhalle des monumentalen Gerichtsgebäudes und die heute dem Finanzamt dienende «Casa Littoria» mit dem 40 Meter langen Duce- Relief wieder zur Geltung kommen. Mit Faschismus-Begeisterung hat das nichts zu tun (obwohl es diese in Bozen leider auch noch gibt). Vielmehr soll der Eingriff dazu dienen, eine dunkle Epoche der heute mehrheitlich Italienisch sprechenden Stadt im kritischen Gedächtnis zu behalten.

Neben Monumentalbauten besitzt Bozen auch rationalistische Meisterwerke aus der Mussolini- Zeit, darunter die Badeanstalt «Lido» und das 1936 vollendete ehemalige GIL-Gebäude. Dieses Architekturdenkmal, das mit seinem roten Turmbau einen Akzent jenseits der Drususbrücke setzt, wurde 2002 von Klaus Kada für die Europäische Akademie (Eurac) mit einem diskreten, dunkeltonigen Glasbau zum Brückenkopf ergänzt. Städtebaulich ebenso präzise gingen die Zürcher Architekten Matthias Bischoff und Roberto Azzola vor, die aufgrund eines 1998 ausgeschriebenen Wettbewerbs die Neubauten der Freien Universität Bozen passgenau ins Altstadtgefüge integrierten. Obwohl von vielen Einwohnern als abweisend beanstandet, fügt sich der von spröder Sachlichkeit und kontextuellem Rationalismus zeugende Baukomplex sensibler in die Häuserfluchten ein als etwa Boris Podreccas kulissenartige Passagenarchitektur hinter dem Hotel Greif am Waltherplatz.

Grosses privates Engagement steht hinter einem Bau, der auch im Ausland viel beachtet wird: die von Walter Angonese 2004 vollendete Kellereianlage des in schöner Aussichtslage über dem Kalterersee gelegenen Weinguts Manincor. Die tief in den sanften Hang eingegrabene «Grottenarchitektur» tritt nur an fünf Stellen mit skulpturalen Bauteilen aus dem Rebberg an die Oberfläche. Damit ordnet sie sich ebenso sensibel wie raffiniert der lieblichen Landschaft und dem barocken Herrenhaus unter, ohne auf die Ausdruckskraft von Form und Material zu verzichten. An diesem aussergewöhnlichsten Bauwerk Südtirols waren neben Angonese auch Rainer Köberl und die erst dreissigjährige Meranerin Silvia Boday beteiligt. Derzeit vollendet diese auf einem winzigen Grundstück im benachbarten Tramin ein leicht dekonstruktivistisch verzogenes Giebelhaus aus Beton, das mit seinem übereck gestellten Dachfenster nicht ohne Ironie auf ein Lebkuchenhaus anspielt. Dass das Bozner Unterland heute zu den architektonisch abwechslungsreichsten Gebieten Südtirols zählt, beweist auch die noch im Bau befindliche Erweiterung des Strandbades am Kalterersee durch die jungen Architekten Marie-Therese Harnoncourt und Ernst Fuchs vom jungen Wiener Büro «the nextENTERprise».

Auf der andern Talseite kann die schnell gewachsene Stadt Leifers mit der spektakulären Erweiterung der katholischen Pfarrkirche aufwarten. Der von Thomas Höller und Georg Klotzner aus Meran in Form einer leicht asymmetrischen, bronzefarben schimmernden Pyramide gestaltete Anbau erscheint wie eine Hommage an Richard Serra. Doch die nur auf den ersten Blick modisch- subjektiv erscheinende Bauplastik resultiert aus einer genauen architektonischen und städtebaulichen Analyse des Ortes. Die beiden Architekten suchten nämlich nach einer Form, welche die Fernwirkung des romanischen Kirchturms nicht beeinträchtigte und die Integrität des neugotischen Kirchenschiffes, das heute als Vorraum und Werktagskirche genutzt wird, wahrte. Deshalb rückten sie den mit Buntmetallschindeln geschuppten Annex, dessen leicht durchhängendes Dach im Längsschnitt entfernt an Le Corbusiers Wallfahrtskirche in Ronchamp erinnert, etwas von der bestehenden Kirche nach Norden ab und bildeten die Verbindungsstelle in Glas aus.

Tritt man nun durch das nördliche Seitenportal des alten Gotteshauses in den neuen, mit warmem Ahornholz ausgekleideten Kirchenraum, so befällt einen kurz ein Schwindelgefühl. Denn die Schrägen der leicht nach innen geneigten Stirnfront und der Decke sowie die perspektivische Weitung der Seitenwände erzeugen eine Atmosphäre des Schwebens und des Schwankens, die durch die sakrale Lichtregie des nur von Westen und oben erhellten Altarbereichs noch verstärkt wird. Dieses aufgrund seiner überzeugenden funktionalen, formalen und materiellen Umsetzung zu Recht mit dem 2004 zum dritten Mal vergebenen Südtiroler Architekturpreis geehrte Meisterwerk verleiht der heutigen Südtiroler Architektur zusammen mit der Kellerei von Manincor und der Transformation von Schloss Tirol ein neues, eigenständiges Gesicht.

Ländliche Interventionen

Der katholischen Kirche sind noch andere architektonisch bemerkenswerte Lösungen zu verdanken. Es handelt sich dabei um Friedhofserweiterungen. Wie die ummauerten Grabstätten, die seit alters die Südtiroler Berglandschaft akzentuieren, neu interpretiert und kompakt vergrössert werden können, machte der Meraner Willy Gutweniger schon 1980 mit dem Bergfriedhof von St. Pankraz bei Lana vor. Eine ebenso schöne Lösung haben jüngst Gerhard Mahlknecht und Heinrich Mutschlechner für den Friedhof in Luttach im Ahrntal gefunden. An der Gelenkstelle zwischen der Zugangsrampe, die dem Nordabhang des Kirchhügels entlangführt, und dem westlich des Gotteshauses terrassenartig abfallenden neuen Gräberfeld placierten sie eine Aufbahrungskapelle aus hellem Sichtbeton, welche die Gesamtanlage räumlich klärt. Der durch die Wand der Urnengräber optisch markant verlängerte Bau gewährt dank den übereck geführten, mit grossen Glasflächen und einer Stahltüre versehenen Öffnung einen Einblick in den Andachtsraum und verleiht so dem sonst hermetisch geschlossenen Volumen etwas Japanisches.

Bis hinauf in die entlegensten Bergtäler Südtirols, wo vor Jahren in Sexten der internationale Architekturpreis «Neues Bauen in den Alpen» ins Leben gerufen wurde, trifft man heute auf interessante Neubauten. Sie zeugen von einem baukünstlerischen Aufbruch, der von der Architekturzeitschrift «turrisbabel» dokumentiert und durch den Architekturpreis Südtirol gefördert wird. Die besten Bauwerke entstehen vor allem dort, wo die Architekten durch den urbanistischen, kulturellen oder baulichen Kontext zu einem kreativen Dialog herausgefordert werden. Noch aber ist das baukünstlerische Potenzial längst nicht ausgeschöpft. So liesse sich das Niveau zweifellos weiter steigern, wenn neben der öffentlichen Hand, die dank Wettbewerben immer öfter gute Bauten realisiert, vermehrt private Bauherren als weltoffene Auftraggeber in Erscheinung treten würden. Doch darf man annehmen, dass die bereits entstandenen Vorzeigebauten den Sinn für gute (und auch touristisch wirksame) neue Architektur weiter fördern werden.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.12.02

02. Dezember 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Im Einklang mit der Landschaft

Das Zusammenspiel von Wein und Architektur führte in jüngster Zeit zu einer Vielzahl meist ebenso schriller wie funktional fragwürdiger Lösungen. Eine der raren Ausnahmen bildet das vor gut einem Jahr vollendete unterirdische Kellereigebäude des Weinguts Manincor von Angonese, Köberl und Boday am Kalterersee in Südtirol.

Das Zusammenspiel von Wein und Architektur führte in jüngster Zeit zu einer Vielzahl meist ebenso schriller wie funktional fragwürdiger Lösungen. Eine der raren Ausnahmen bildet das vor gut einem Jahr vollendete unterirdische Kellereigebäude des Weinguts Manincor von Angonese, Köberl und Boday am Kalterersee in Südtirol.

Stattliche Dörfer und Weingüter prägen die liebliche Landschaft am Kalterersee in Südtirol. Wer hier baut, sollte Sinn für den Ort und dessen Schönheit haben. Dies war Michael Graf Goëss- Enzenberg, dem Besitzer des barocken Herrensitzes Manincor, bewusst, als er nach einem Architekten Ausschau hielt, der seine alten Weinkeller erweitern sollte. Denn eine zeitgemässe Infrastruktur vom Keller über den Degustationsraum bis hin zum Verkaufsgebäude war immer dringender geworden, seit der Graf, ein ausgebildeter Önologe, aus dem Traubengut des 45 Hektaren grossen Anwesens selber Spitzenweine erzeugt.

Tempel und Schlund

Seinen Architekten fand der architekturinteressierte Bauherr vor sechs Jahren in dem 1961 in Kaltern geborenen und in Venedig ausgebildeten Walter Angonese, der neben bedeutenden Arbeiten in ganz Südtirol auch eine Kellerei im benachbarten Tramin vorweisen konnte. Zusammen mit Walter Köberl und Silvia Boday entwickelte Angonese ein Konzept, das - mit Rücksicht auf die «geliebte Landschaft» - eine (dem Wortsinn des Weinkellers entsprechend) weitgehend unterirdische Anlage vorsah. Im sanft abfallenden Rebberg nordöstlich des Herrenhauses wurde im Tagbau eine mit Spritzbeton befestigten Grube angelegt und darin auf einer Grundfläche von nahezu 3000 Quadratmetern ein L-förmiges Kellereigebäude errichtet. Die Konstruktion von bis zu 18 Metern Höhe und einem Volumen von 30 000 Kubikmetern (oder rund 100 Familienwohnungen) wurde nach ihrer Fertigstellung mit Erde überdeckt. Danach konnte der Rebberg in landschaftsgestalterischer Feinarbeit rekonstruiert werden, so dass seit der Einweihung im April 2004 nur einige architektonische Akzente von starker Ausdruckskraft durch den Boden dringen.

Anders als die Mehrzahl der in jüngster Zeit von Kalifornien bis Slowenien wie Pilze aus dem Boden geschossenen Kellereigebäude, die mit bunten Formen und verglasten Barriques-Showrooms die Weintouristen locken, setzt sich der Neubau von Manincor nicht selbstverliebt in Szene. Gleichwohl ist er von grosser architektonischer und räumlicher Präsenz. Nähert man sich dem Weingut von Süden her, so nimmt man zunächst nur die altehrwürdigen Bauten wahr. Nach der Toreinfahrt erblickt man ein Verkaufsgebäude aus tragendem Holzstabwerk und Glas, das einen bald an Laugiers Urhütte, bald an einen archaischen Tempel denken lässt. Rechts neben dieser Kleinarchitektur fällt eine breite Rampe sanft hinab zum halb überdeckten Betonschlund, der sich im Weinberg öffnet. Die aus angerosteten Stahltoren, grünschimmernden Vitrinen und einem weissen Screen gebildete Eingangsfront, die mitunter den Rahmen für Veranstaltungen bildet, erscheint fast wie die zeitgenössisch interpretierte Szenenwand eines antiken Theaters.

Eine rostig gefasste Treppe durchdringt links diese Wand, um als ansteigender Verbindungsweg durch das unterirdische Gebäude hinaufzuführen in den Weinberg, wo man unter einer von Eric Steinbrecher in Stahl gegossenen Pergola ins Freie tritt. Rechts im Schlund weitet sich hinter den riesigen Schiebetoren hingegen eine doppelgeschossige, durch kalkgraue Betonwände sowie rostfarbene Stiegen und Passerellen orchestrierte Querhalle, die in ihrer Detailsorgfalt an Carlo Scarpa denken lässt. Hier ist alles Raum: Ostwärts blickt man schräg hinauf zum Degustationsraum, nach Westen aber durch eine Glaswand in den von den alten Kellereibauten und neuen Verwaltungsbüros gefassten Patio. Durch die Tür neben dem Patio-Fenster betritt man den unteren Barriques-Keller, der wie der darüber gelegene obere Barriques-Keller durch einen schachtartigen Gang befeuchtet und belüftet wird.

Von hier erreicht man den Anlieferungsraum, zu dem hinauf die Trauben von der Querhalle aus mittels einer Liftanlage befördert werden, um danach - dem Verarbeitungsprozess entsprechend - hinunter in den Gärkeller auf der Eingangsebene und dann noch tiefer hinab in den Pressen- und Tankraum zu gelangen. In der logisch durchdachten Raumabfolge zeigt es sich, dass Angonese die Architektur weniger als kunstvolle Inszenierung denn als funktionale Kunst versteht. Umso grösser ist dann die Überraschung, wenn man sich nach der Durchquerung der Technikräume und der Maschinenhalle plötzlich auf der trichterförmigen Traktoreinfahrt mitten im Rebberg wiederfindet. Die hier schräg gestellten Stützmauern versteht Angonese nicht als modische Spielerei, sondern als «Reaktion auf die Topographie», während die «projizierte Patina» des rostigen Metalls einmal mehr darauf hinweist, dass Architektur durch Spuren des Lebens «besetzbar» sein soll.

Unterseeboot im Weinberg

Vom Pressen- und Tankraum aus kann man aber auch - vorbei am Abfüllkeller - hinaufsteigen in den Degustationsraum, der einem Unterseeboot gleich aus dem Rebberg auftaucht. Wie ein elegantes Refektorium eingerichtet, bildet der durch dynamisch geschnittene Fenster zur Landschaft offene Salon das luftig-helle Gegenstück zur unterirdischen Grottenwelt, in der die chromglänzende Technik vorherrscht. Als Höhepunkt der Promenade architecturale darf dieser Bauteil im Aussenraum mit plastischer Expressivität Präsenz markieren. Gleichzeitig verwandelt die von Glyzinien umrankte Terrasse die Sicht auf die über den Eichenwäldern thronende Leuchtenburg in eine Metapher des Zusammenklangs von Kultur und Natur.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.12.02



verknüpfte Bauwerke
Weingut Manincor

14. November 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die kulturelle Neuerfindung einer Stadt

In den vergangenen Jahren ist die längst mit Como zusammengewachsene Tessiner Grenzstadt Chiasso zu einem Zentrum für Gegenwartskultur im Grossraum Mailand geworden. Nach Tanz, Musik und Fotografie kommen nun mit der Neueröffnung des Max-Museo auch die bildenden Künste und die Architektur zu ihrem Recht.

In den vergangenen Jahren ist die längst mit Como zusammengewachsene Tessiner Grenzstadt Chiasso zu einem Zentrum für Gegenwartskultur im Grossraum Mailand geworden. Nach Tanz, Musik und Fotografie kommen nun mit der Neueröffnung des Max-Museo auch die bildenden Künste und die Architektur zu ihrem Recht.

An der Piazza Elvezia hat man die Wahl: Man kann in einem Stadtbus hinunterfahren ins vornehme Como oder - neu - auf dem Corso San Gottardo flanieren. Denn ein Hauch von Eleganz ist nun auch in Chiasso zu verspüren, seit der erste Teil der jahrzehntelang vom Grenzverkehr verstopften Hauptarterie der Stadt im Sommer zur Fussgängerzone wurde. Zwar streiten die Einwohner noch immer über die Vor- und Nachteile des nach den Plänen von Luca Bellinelli und Dario Bettello gestalteten Strassenraums, der gleichsam das innerstädtische Pendant zu Mario Bottas grünlich sich dem Zoll entgegen schlängelndem Schallschutzdach der Autobahn darstellt. Dennoch hat Chiasso, das lange als hässliches Entlein und als «posto più brutto del Ticino» galt, mit dem vom jungen, kulturinteressierten Bürgermeister Claudio Moro vorangetriebenen Stadtumbau gewonnen. Jetzt erkennt man den italienischen Charakter des im Geist des Klassizismus angelegten Corsos wieder, an dessen bald qualitätvollen, bald abschreckenden Bauten sich die Geschichte der letzten 150 Jahre ablesen lässt.

Nach der Eröffnung der Gotthardbahn wurde Chiasso bald schon zur lärmigen Grenzstadt. Die Gründerzeit sah die Entstehung üppig dekorierter Handelshäuser, in den zwanziger Jahren kündeten Robert Maillarts Magazzini Generali vom Aufbruch in die Moderne, und die dreissiger Jahre protzten mit monumentalen Stadtpalästen und einer Bahnhofshalle, in welcher sich «L'Italia e la Svizzera» von Margherita Oswald-Toppi zärtlich umarmen und Pietro Chiesas Fresko vom bitteren Los der Emigranten kündet. Die Wirtschaftswunderjahre wälzten dann das Ortsbild um: Bankenriesen bedrängten die lombardisch- neobarocke Stadtkirche, und manch altes Haus musste einer Tankstelle oder einem Parkplatz weichen.

Janusköpfige Grenzstadt

Bis in die jüngste Zeit war es die Grenze, die gab und nahm. Sie bestimmte nicht nur Fortschritt und Niedergang, sondern auch den geistigen Horizont. Nach einer dramatischen Strukturkrise sucht nun Chiasso, das vor allem mit Staus und hohen Ozonwerten von sich reden macht, nach seiner Identität. Der Fremde findet diese vielleicht in den widersprüchlichen Bildern von mailändisch anmutenden Hinterhöfen, düsteren Lagerhäusern und glänzenden Granitfassaden, von einer von Palmlilien umschmeichelten Säulenallee hinter den Gleisen oder den übereinander getürmten Häusern und Autobahnbrücken jenseits des Zolls in Ponte Chiasso, die einen ganz kurz ins Hinterland von Genua entführen.

Hier scheint alles zwei Seiten zu haben, sogar das Cinema Teatro. Klein, aber mit grosser kultureller Ausstrahlung, ist dieses architektonische Janusgesicht zum Symbol eines neuen Chiasso geworden, das seine Zukunft in der Gegenwartskultur sieht. Der 1936 von Americo Marazzi errichtete Bau gefällt sich zur Via Dante Alighieri hin in einem monumentalen Neuklassizismus. Die Sachlichkeit des neuen Bauens bestimmt dagegen seine zum Corso San Gottardo gewandte Rückseite mit dem wohl schönsten Murale der Schweiz: einem zwischen Pittura metafisica und Futurismus oszillierenden Werk von Carlo Basilico, das mit Wasser und Häuserfronten den durch den Monte Olimpino verwehrten Blick hinunter nach Como ebenso vorgaukeln will wie die Traumbilder der Filmwelt.

Beinahe wäre Basilicos Meisterwerk zerstört worden. Dem Cinema Teatro drohte nämlich der Abriss. Doch dann konnte das Haus von der Stadt erworben, restauriert und Ende 2001 als Kulturzentrum wiedereröffnet werden. Seither stösst es mit einem anspruchsvollen Programm - Theater, Tanz, Musik und Film - selbst im grossen Mailand bei einem an gegenwärtiger Kunst interessierten Publikum auf Interesse. Das hielt die Spekulanten jedoch nicht davon ab, direkt vor dem zum Signet des Theaters gewordenen Wandbild einen ungestalten Palazzo zu planen. Der Widerstand der Öffentlichkeit führte jedoch dazu, dass man dem Architekten Ivano Gianola den Auftrag zu einem denkmalpflegerisch verträglichen Projekt erteilte, welches dem Murale dank einer auf den Corso ausgerichteten Blickachse den nötigen Resonanzraum lassen wird.

Einen würdigen Nachbarn hat das Cinema Teatro nun an der Via Dante Alighieri mit dem an diesem Wochenende eingeweihten Max-Museo erhalten. Das rund 400 Quadratmeter Ausstellungsfläche bietende Zentrum für die visuelle Kunst der Gegenwart, das in seinen Depots den Nachlass des bedeutenden Grafikers Max Huber (1919-1992) sowie ein Archiv für Videokunst beherbergt, wurde im Auftrag der Stiftung Max Huber-Kono von den Luganeser Architekten Pia Durisch und Giancarlo Nolli erbaut. Die Eröffnungsausstellung ist dem Schaffen Hubers gewidmet. Zu einem späteren Zeitpunkt ist zudem eine Retrospektive von Hubers Schwiegervater, dem japanischen Grafiker Takashi Kono, geplant. Sonst aber soll hier - im Sinne eines «museo aperto» - der zeitgenössische Diskurs auf den Gebieten Grafik, Design, Architektur, Fotografie und Video im Mittelpunkt der von freien Kuratoren eingerichteten Ausstellungen stehen.

Zeichenhafte Baufigur

Es waren Durisch & Nolli, welche die Stiftung auf den jetzigen Standort, ein ehemaliges Garagen-Areal, aufmerksam gemacht hatten. Im Laufe der Planungen gelang es ihnen, den Bürgermeister von der Idee zu überzeugen, die zum Abbruch bestimmte Autoeinstellhalle als Erinnerung an den Genius Loci der ehemaligen Industriezone zu erhalten, in ein kulturelles Mehrzweckgebäude, den «Spazio Officina», umzuwandeln und zudem einen städtischen Aussenraum zu gestalten. Realisiert werden konnte das Ganze für wenig Geld, weil die Architekten auf Einfachheit und preisgünstige Materialien setzten. Obwohl das Museumsgebäude ohne alle Extravaganzen auskommt, hat es mit seinem klaren, einprägsamen Erscheinungsbild zweifellos die Kraft, als kultureller Kristallisationskern zu wirken. Das Ideal, den Ort zu bauen, konnte in diesem Museumsbau überzeugend umgesetzt werden. Denn das für Chiasso und die Tessiner Architektur gleichermassen bedeutenden Werk bildet im einstigen Niemandsland eine zeichenhafte Baufigur, um die herum sich das Theater, der Spazio Officina und die Kulturräume der ehemaligen Calida-Fabrik zu einer «Cittadella della Cultura» verdichten.

Eine vitrinenartige Eingangshalle mit Kasse und Café empfängt den Besucher des minimalistisch konzipierten Museums. Dieses besteht aus einer langen, brückenartigen Konstruktion, bei der die Struktur den Raum und der Raum die Struktur bedingt. Das Obergeschoss mit den drei um einen kleinen, die Orientierung klärenden Lichthof angeordneten Ausstellungsräumen kragt auf der Eingangsseite weit auf den podestartigen, für Freiluftausstellungen konzipierten Vorplatz aus. Nach Süden hin überdacht es hingegen einen über das skulpturale Treppenhaus zugänglichen, doppelgeschossigen Mehrzwecksaal im Soussol, der wie die anderen Ausstellungsräume von seitlichen Oberlichtbändern erhellt wird.

Nach aussen tritt der Neubau als weisser Glaskörper von japanischer Leichtigkeit und Transparenz in Erscheinung. Hinter der aus preisgünstigem Industrieglas gebildeten Aussenhaut öffnet sich eine schmale, nachts erleuchtete Raumhülle, die von den Ausstellungsmachern bespielt werden und so die Botschaft des Hauses in die Stadt hinaustragen kann. Denn gemäss dem von den Architekten vertretenen Motto «vivere l'architettura» soll sich das Gebäude durch die Benutzung stetig verändern und so einen eigenen Charakter gewinnen. - Ganz im Hinblick auf die Nutzung haben Durisch & Nolli auch den Spazio Officina geformt, dessen von Oberlichtern erhellte Halle sich durch schwebende Wände unterteilen lässt. Hier wird die mexikanische Künstlerin Flor Garduño vom 26. November an neue Fotoarbeiten zeigen. Danach finden das Jazzfestival und im Herbst die Biennale del'immagine statt, die zuvor in der Calida-Fabrik durchgeführt wurden. Dort dürfte nun - wie jüngst sogar die italienischen Zeitungen berichteten - ein weiterer Traum des Bürgermeisters Wirklichkeit werden: die Schaffung einer Tanzschule unter Leitung der Kalifornierin Carolyn Carlson. Schon jetzt aber ist das mit seiner nächtlichen Beleuchtung etwas Broadway-Glamour verströmende Max-Museo zum Symbol der kulturellen Neuerfindung der Stadt geworden.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2005.11.14



verknüpfte Bauwerke
m.a.x.Museo

04. November 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zukunftsstadt

Daniel Libeskind in St. Gallen

Daniel Libeskind in St. Gallen

Trotz wachsender Verstädterung herrscht in der Schweiz eine latente Stadtfeindlichkeit. Wenn nun das ETH-Studio Basel in diesen Tagen sein «Städtebauliches Porträt» der Schweiz präsentiert, so dürfte dies für Auseinandersetzungen sorgen. Gleichsam vorweggenommen hat diese Diskussion die Universität St. Gallen, die den Studienanfängern seit 2001 eine «Startwoche» zu einem bestimmten Thema anbietet. Vielleicht angeregt durch das architekturtheoretische Engagement der London School of Economics, wählte sie diesmal das Thema «Stadt der Zukunft» und konnte dazu Daniel Libeskind gewinnen. Er kreierte für die mit ihm in 70 Zwölfergruppen tätigen Studenten 98 blitzförmig gezackte Holztürme. Diese durften die Studenten mit ihren erstaunlich politisch ausgefallenen Forschungsergebnissen zu stadtrelevanten Themen wie Wohnen, Freizeit, Produktion, Kultur, Regierung, Ökologie oder Identität dekorieren und schufen so eine abenteuerliche städtebautheoretische Installation. Damit gelang es Libeskind, eine Vielzahl von künftigen Entscheidungsträgern ganz spielerisch auf die Probleme der Stadt der Zukunft hinzulenken.

[ Eine kleine Dokumentation der anspruchsvollen Aktion ist bis zum 13. November im Kunstmuseum St. Gallen zu sehen. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.11.04

21. Oktober 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Nackte Hüllen und Trugbilder

Der Streit, ob historische Bauten nur konserviert und restauriert oder aber rekonstruiert werden sollen, ist drei Dekaden nach dem Europäischen Denkmalschutzjahr von 1975 noch nicht entschieden. Nun beleuchtet eine Ausstellung von internationalem Rang im Dresdner Residenzschloss vielfältige Aspekte der Denkmalpflege in Deutschland.

Der Streit, ob historische Bauten nur konserviert und restauriert oder aber rekonstruiert werden sollen, ist drei Dekaden nach dem Europäischen Denkmalschutzjahr von 1975 noch nicht entschieden. Nun beleuchtet eine Ausstellung von internationalem Rang im Dresdner Residenzschloss vielfältige Aspekte der Denkmalpflege in Deutschland.

Das Areal der ehemaligen Dresdner Altstadt erlebt derzeit einen dramatischen Wandel. Wo nach der Wende nur Ödland war, ist rund um die soeben vollendete Frauenkirche das Neumarktquartier im Entstehen. Touristenscharen nehmen erstaunt zur Kenntnis, wie eine wachsende Zahl historisch bekleideter Betonkonstruktionen diesen Jurassic Park des Barocks zu bevölkern beginnen. Hier wird man Zeuge davon, wie die einst prächtige, durch Krieg und Wiederaufbau geschundene Stadt mit einer architektonischen Beschwörung verlorener Ansichten ihre Identität zumindest maskenhaft zurückzugewinnen sucht. Man befindet sich aber auch am Austragungsort eines Denkmalstreits, der nach 1989 mit der Schleifung verhasster Standbilder einsetzte, sich in Dresden und andernorts an der Rekonstruktion zerstörter Bauten erhitzte und sich nun angesichts der drohenden Entsorgung des Palastes der Republik, eines erstrangigen Berliner Baudenkmals, zuspitzt.

Vom Umgang mit Monumenten

Immer geht es dabei um Bilder der Erinnerung, die Vertrautheit schaffen und den anonym gewordenen Städten ein unverwechselbares Gesicht zurückgeben sollen. Dabei kennen die meisten heutigen Bewohner das einstige Aussehen ihrer Städte höchstens von vergilbten Fotos. Was derzeit in der sächsischen Hauptstadt entsteht, hat denn auch mit dem Alltag der Dresdner kaum etwas zu tun, kommen sie doch - wie ungezählte Tagesausflügler - nur ins Zentrum, um durch eine baulich rekonstruierte Geschichte zu flanieren oder einzukaufen. Kann das Grund genug sein, um eine Stadt 60 Jahre nach der Zerstörung aufgrund alter Aufnahmen und einiger zufälliger Pläne in vermeintlich historischer Form wiederauferstehen zu lassen? Oder ist diese Stadtrekonstruktion nur eine überdeutliche Absage an den unbefriedigenden Urbanismus unserer Zeit? Macht man sich so aber nicht der Geschichtsklitterung schuldig - in Dresden wie in Berlin, wo bedeutende Bauzeugen der DDR zerstört und gleichzeitig Nazibauten wie die Reichsbank oder das Luftfahrtministerium für die bundesdeutsche Regierung umgenutzt werden?

Auf diese und andere Fragen gibt nun die Ausstellung «Zeitschichten» im Dresdner Residenzschloss mehr oder weniger klare Antworten. Die mit über tausend Exponaten - von gotischen Ritzzeichnungen über das 150-jährige Rekonstruktionsmodell der Wartburg und alte Bildarchive bis hin zum Mobiliar des Bonner Plenarsaals - verwirrend reich bestückte Schau beleuchtet alle möglichen Aspekte der deutschen Denkmalpflege seit ihren Anfängen bei Goethe und bei Schinkel. Damit erweist sie sich weit über Deutschland hinaus als relevant für die Denkmaldiskussion. Im Zentrum steht - gleichsam in einer Schau in der Schau - der Kunsthistoriker Georg Dehio (1850-1932), dessen vor exakt hundert Jahren erschienener erster Band des wegweisenden «Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler» einen Höhepunkt der Geschichte der Denkmalpflege markiert. Im Kampf gegen die Rekonstruktionssucht seiner Zeit forderte Dehio, bauliche Zeugnisse nicht anders zu behandeln «als andere Quellen der Geschichte», da deren historischer Wert wichtiger sei als der ästhetische. Von den Vorgängen in Dresden und von den Berliner Projekten wäre Dehio wohl kaum erbaut, lautete sein rigoroser Leitsatz doch «konservieren, nicht restaurieren». Entschieden distanzierte er sich von Viollet-le-Ducs Theorie der «stilreinen Verbesserung» und teilte John Ruskins Idee des «konservierenden Erhaltens». So bekämpfte er 1901 in der Streitschrift «Was wird aus dem Heidelberger Schloss werden?» den Wiederaufbau der Schlossruine. Denn: «Scheinaltertümer hinzustellen ist weder wahre Kunst noch wahre Denkmalpflege.»

Unserer Zeit sind Dehios Gebote bereits zu radikal; und auch die Denkmalpflege wägt heute in Einzelfällen vorsichtig ab. Mehr noch als der Dresdner Neumarkt veranschaulicht dies der Ort der Ausstellung selbst: das kriegsbeschädigte Residenzschloss, welches «als Zentrum der Kunst und Wissenschaft» neu gestaltet und nach historischen Abbildungen rekonstruiert wird. In der als rohe Betonstruktur wiedererrichteten Schlosskapelle und in den einstigen Prunkräumen sind derzeit die Restauratoren tätig. Doch genügen der Thronsessel von August dem Starken, einige Silberobjekte, Gemälde und die Aufnahmen der verlorenen Deckenfresken, um das Audienzgemach in seiner symbolischen und zeremoniellen Pracht wiederauferstehen zu lassen? Oder sollten diese Überbleibsel nicht besser in den kahlen, ungeschönten Raumhüllen gezeigt werden? Die Verfechter der Rekonstruktion können in der Ausstellung indes darauf verweisen, dass der Kölner Dom oder die Wartburg im 19. Jahrhundert nicht nur restauriert, sondern als Nationaldenkmäler weitgehend neu errichtet wurden.

An Beispielen wie der 1906 abgebrannten und sogleich wiederaufgebauten St.-Michaelis-Kirche in Hamburg, den gescheiterten Rekonstruktionsversuchen der römischen Thermen von Trier oder der Restaurierung des Bauhauses in Dessau wird der Geschichtlichkeit des Denkmals im Kontext von Konservieren, Restaurieren, Ergänzen, Sanieren und Rekonstruieren nachgespürt. Aber auch die in der jüngsten Vergangenheit vorgenommene Aufwertung von Wohnanlagen, Fabriken und Verkehrsbauten zu Baudenkmälern wird angesprochen. Diese Vermehrung von Schutzobjekten führte dazu, dass sich der Staat - nicht nur in Deutschland - aus Geldmangel immer mehr seiner Pflicht entzieht und die «Bereinigung der Denkmal-Listen» fordert. Einen Ausweg bieten da mitunter Umnutzungen, die nicht selten zu meisterhaften Lösungen führen.

Das Bauwerk als Symbol

Die für Dehio so wichtigen Zeitschichten werden heute im Umgang mit klassisch modernen Bauten weniger hoch gewertet als die Idee des Architekten. Dass das Bewahren von Zeitschichten manchmal aber auch bei altehrwürdigen Denkmälern problematisch werden kann, wird am Braunschweiger Dom und an den mittelalterlichen Reichsburgen thematisiert, die von den Nazis zu Kultorten für Heinrich den Löwen, den «grossen Kolonisator des Ostens», und damit zu politischen Symbolen umgestaltet wurden. Auch das Brandenburger Tor, welches mit Originalbronzen, Gipsabgüssen und Zeichnungen den spektakulären Ein- und Ausgang der Schau darstellt, wurde im Laufe seiner wechselvollen Geschichte stets als Symbol gelesen: vom Friedens- über das Siegesmonument bis hin zum Inbegriff von Teilung und Wiedervereinigung.

Am Schluss der Ausstellung werden die praktische Denkmalpflege, ihre Theorie, ihre Methoden und ihre handwerklichen Vorgehensweisen dargelegt. Die Inszenierung all dieser Themen verwandelt die Schau mitunter in einen Irrgarten. Klärung gibt hier der Katalog, der Einzelaspekte analysiert, aber auch Gesamtperspektiven skizziert und damit zum unentbehrlichen Handbuch für all jene werden dürfte, die sich vertieft mit Fragen der Denkmalpflege auseinandersetzen möchten.

[ Bis 13. November. Katalog: Zeitschichten. Erkennen und Erhalten. Denkmalpflege in Deutschland. Hrsg. Ingrid Scheurmann. Kunstverlag, München 2005. 340 S., Euro 24.90. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.10.21

07. Oktober 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Aufbruch am Öresund

Die lange vom Staat gegängelte schwedische Architektur steckt in der Krise. Gleichwohl versuchte Malmö vor vier Jahren, der Baukunst mit einer Wohnbauausstellung neue Impulse zu geben. Seither haben Calatrava sowie Diener & Diener die Stadt mit Gebäuden bereichert, die den Blick auch auf städtebauliche Entwicklungen lenken.

Die lange vom Staat gegängelte schwedische Architektur steckt in der Krise. Gleichwohl versuchte Malmö vor vier Jahren, der Baukunst mit einer Wohnbauausstellung neue Impulse zu geben. Seither haben Calatrava sowie Diener & Diener die Stadt mit Gebäuden bereichert, die den Blick auch auf städtebauliche Entwicklungen lenken.

Im Schatten der lebensfrohen dänischen Metropole Kopenhagen fristete Malmö, die Schwesterstadt jenseits des Öresunds, lange ein Mauerblümchendasein. Dabei besitzt die mit knapp 270 000 Einwohnern drittgrösste Stadt Schwedens neben einem historischen Zentrum auch ein Umland, das mit wogenden Getreidefeldern und hellen Stränden im Sommer auf Besucher aus Stockholm fast schon südlich heiter wirkt. Doch diese Vorzüge der einst stolzen Arbeiterstadt wurden durch eine hartnäckige Wirtschaftskrise verdüstert, die dazu führte, dass von der Textilfabrik bis zur Werftanlage ein Betrieb nach dem anderen seine Tore schliessen musste und bis in die neunziger Jahre über 30 000 Arbeitsplätze verloren gingen. Erste Silberstreifen liessen sich nach 1995 am Horizont ausmachen; und im neuen Jahrtausend profitierte auch Malmö vom jüngsten Boom der schwedischen Volkswirtschaft.

Die Brücke über den Sund

Entscheidend gestärkt wurde Malmös neu erwachtes Selbstbewusstsein durch das Jahrhundertwerk der Öresund-Brücke, die nach siebenjähriger Bauzeit am 1. Juli 2000 eröffnet werden konnte. Die 16 Kilometer lange Auto- und Eisenbahnverbindung zwischen dem dänischen Seeland und der südschwedischen Provinz Schonen verläuft zunächst in einem Tunnel vom Flughafen Kastrup zur Insel Peberholm. Dort beginnt die 8 Kilometer lange Brücke, deren Mittelstück aus einer 490 Meter langen Schrägseilkonstruktion besteht. Diese wird von vier 203 Meter hohen Pylonen getragen, den Wahrzeichen des neu entstandenen binationalen Wirtschaftsraums und Forschungsstandorts am Sund. In diesem leben auf einer Fläche, die etwa der halben Schweiz entspricht, rund 3,5 Millionen Einwohner.

Heute pendeln täglich einige tausend Schweden von Malmö mit Zug oder Auto auf einer gut halbstündigen Fahrt nach Kopenhagen, um dort vom reichhaltigeren Arbeits-, Kultur- und Freizeitangebot zu profitieren, während viele Dänen sich in Malmö niedergelassen haben - angelockt von einem attraktiveren Wohnungsangebot, niedrigeren Mietzinsen und günstigeren Lebenshaltungskosten. So munkelt man in Malmö, dass die 147 Wohnungen in Santiago Calatravas luxuriösem «Turning Torso» in diesen Tagen vor allem von zahlungskräftigen Dänen bezogen werden.

Malmös wiedergefundener Optimismus manifestiert sich aber nicht nur im Häuserbau, sondern auch im Ausbau der 1998 eröffneten Högskola, die heute in sechs Abteilungen rund 20 000 Studenten zählt. Sie ist Teil der 1997 gegründeten binationalen Öresund-Universität, der inzwischen 14 Hochschulen mit rund 140 000 Studenten und 12 000 Wissenschaftern angehören. Um der auf verschiedene Bauten in der Stadt verteilten Hochschule von Malmö ein Zentrum zu verleihen, wurde 1997 - also noch vor ihrer Eröffnung - ein internationaler städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben mit dem Ziel, auf den nicht mehr der Schifffahrt dienenden, inselartigen Pieranlagen im historischen Innenhafen beim Hauptbahnhof den Campus Universitetsholmen zu realisieren. Mit ihrem von der Jury für seine «urbanistischen, architektonischen, funktionalen und ökologischen Qualitäten» gelobten Projekt, das vorsieht, «die bestehenden Hafenanlagen und Lagerhäuser weitgehend zu erhalten und in das Bebauungskonzept zu integrieren», schwangen die Basler Architekten Diener & Diener obenaus.

Wie ein geschliffener Diamant

Als zentralen Neubau entwarfen sie direkt am Wasser das rund 150 Meter lange und 50 Meter breite Orkanen-Gebäude, in welches sich in diesem Sommer das Lehrerausbildungszentrum und die Universitätsbibliothek einquartieren konnten. Bezieht sich seine Grossform auf die bald pittoresken, bald sachlichen Hafenbauten, die teilweise schon für universitäre Zwecke umgenutzt wurden, so verweist die bald opak und olivgrün, bald smaragdfarben und transluzent erscheinende Glashülle auf die strukturelle Erneuerung der Hafeninsel. Die von Moiré-Effekten belebte Architektur spiegelt sich im Wasser, blickt aber auch auf einen kleinen Vorplatz, der sich optisch bis zu den jenseits des schmalen Hafenbeckens gelegenen Baudenkmälern von Post und Hauptbahnhof weitet. Fünf hell verputzte Höfe gliedern das grosse, sechsgeschossige Volumen, das im Parterre passagenartige Querverbindungen bietet. In der Eingangshalle wird der öffentliche Charakter durch ein Café und einen Ausstellungsraum betont. Weiter finden sich in dem Gebäude Studienräume, Auditorien, eine Sporthalle und - als Anziehungspunkt - die Hauptbibliothek der Schule.

Ungünstig auf die Ausführung des Projekts wirkten sich die staatlichen Auflagen aus, die dazu führten, dass Diener & Diener ihre entworfene Innenraumgestaltung nicht realisieren konnten. So wirkt sich der durch staatliche Vorschriften beschränkte Spielraum der Architekten, obwohl er in jüngster Zeit etwas erweitert wurde, noch immer negativ auf die Baukultur aus. Dennoch träumt Malmö von Spitzenarchitektur, mit der es im internationalen Standortwettbewerb punkten kann. Nicht ohne Erfolg, denn mit dem geschliffenen Diamanten des Orkanen-Gebäudes hat Malmö eine baukünstlerische Ikone erhalten - zumindest, was die schöne Hülle anbelangt.

Malmö am Meer

Vom Festland führen heute eine neue Fussgängerbrücke und die ebenfalls erst kürzlich eröffnete Universitetsborn hinüber zum bald neokubistisch, bald neoexpressiv wirkenden Neubau, der das Scharnier zwischen der Altstadt und einem weitläufigen Entwicklungsgebiet bildet. Denn hinter dem Orkanen-Haus weitet sich die nahezu achteckige, fast gänzlich von Kanälen, Hafenanlagen und Meer begrenzte Halbinsel des Västra Hamnen genannten Westhafens. Auf dem 150 Hektaren grossen Areal, das einst von der Kockums- Werft und danach zum Teil von den Fabrikationshallen des Autoherstellers Saab-Scania belegt war, erblickt man als ersten Orientierungspunkt ein dreieckiges Sechziger-Jahre-Hochhaus mit konkav geschwungenen Fassaden. Dann geht es vorbei an alten Schuppen, Baustellen und dem etwas verloren dastehenden Stadtarchiv zum rund einen Kilometer nördlich der Altstadt gelegenen Dockplatsen, der bald schon das pulsierende Herz des neuen Dockan-Viertels werden soll. Auf dem in den Aussenhafen hineinragenden Pier sind schon die ersten Wohnhäuser vollendet. In drei weiteren Bauphasen sollen rund um das künftig als Jachthafen genutzte und von einer Fussgängerpromenade gefasste Dock sechsgeschossige Wohnblocks entstehen, während am Dockplatsen ein zwanzigstöckiger Doppelturm als Tor zu dieser neuen Wasserwelt geplant ist, in welcher dereinst gewohnt, gearbeitet und studiert werden soll. Bereits umgebaut für die Designabteilung der Hochschule sind zwei westlich an das Dockan-Viertel anschliessende Industriehallen. Sie sollen später einmal den Übergang zu einem Geschäftsviertel mit Parkanlage markieren.

In dem nach ökologischen Grundsätzen konzipierten Stadtteil Västra Hamnen werden Fussgänger und Radfahrer besonders bevorzugt. Es gibt jedoch auch schon eine Buslinie - und demnächst wird ein Strassentunnel die Anbindung an den Innenstadtring gewähren. Zurzeit aber steht die Designhochschule noch mitten im Ödland, aus dem sich in der Ferne wie eine Fata Morgana der 190 Meter hohe «Turning Torso» von Calatrava erhebt. Südwestlich des Turms bildet die umgebaute Halle 7 der einstigen Kockums-Werft, die später eine Automontagehalle war und nun als Messestandort dient, den Kondensationskern des künftigen Saab-Quartiers. Südlich davon ist ein weiteres Wohn- und Bürogeviert geplant, für dessen ersten Bau, das siebengeschossige, aus zwei über einem Sockelbau schwebenden Baukörpern bestehende Hotel «Bilen 5», bereits Pläne des norwegischen Büros Ramstad & Bryn vorliegen.

Malmös Öffnung hin zum Meer verkörpert aber weiterhin der Calatrava-Turm, der sich dank seiner stählernen Wirbelsäule waghalsig in den Himmel schraubt. Westlich von ihm erstreckt sich jenseits eines Wasserbiotops, des Anker-Parks, bis hin zum Öresund das schönste Neubauquartier der Stadt. Sein südlicher, zwischen dem Scania-Platz und einem kleinen Jachthafen gelegener Bereich wurde im Hinblick auf die Bomässa genannte Wohnausstellung «Bo01» realisiert. Im Gegensatz zu früheren schwedischen Baumessen wurde die im Sommer 2001 durchgeführte Veranstaltung erstmals international ausgerichtet, weshalb neben bekannten schwedischen Architekten wie Gert Wingrdh und Ralph Erskine auch der Finne Kai Wartiainen, der Schweizer Mario Campi und das amerikanische Büro Moore Ruble Yudell mit Aufträgen betraut wurden. Auch wenn damals das Echo wegen architektonischer Vorbehalte eher verhalten blieb (NZZ 6. 7. 01), vermag dieses Quartier urbanistisch und von der Lebensqualität her zu überzeugen.

Im Hinblick auf die Baumesse bestimmte die Stadt 32 Teams von Architekten und Investoren, die die einzelnen Grundstücke auf dem Areal, das sie zuvor dem Autokonzern Saab abgekauft hatte, nach neusten ökologischen Gesichtspunkten bebauen sollten. Seit Abschluss der «Bo01» sind zudem am Scania-Platz ein U-förmiger Zentrumsbau mit Wohnungen und Geschäftslokalitäten sowie nördlich davon die beiden malerisch bunten, auf einen zentralen Wasserlauf ausgerichteten Reihenhauszeilen des «Europäischen Dorfes» entstanden. Ihm zum Meer hin vorgelagert ist der von Thorbjörn Andersson, einem Star der schwedischen Landschaftsarchitektur, mit Grünflächen, Holztreppen und Aussichtsplattformen gestaltete Daniaparken, der zusammen mit den Boulevardcafés an der Sundspromenaden als neue Attraktion von Malmö gilt.

Ökologische Zukunftsstadt

Akzente an der meist fünfgeschossig bebauten Uferpromenade setzten das in einer hohen Maisonettedachwohnung gipfelnde Scaniaplatsen- Gebäude von Erskine und das von einer geometrisch-abstrakten Fassade geprägte Kajplats-Haus von Wingrdh. Diese städtische Häuserfront soll die dahinter gelegenen Wohnzonen vor stürmischen Westwinden schützen. Niedrige Blocks, Reihenhäuser und Einzelbauten wechseln hier mit kleinen Grünanlagen und Teichen ab. Anders als etwa die völlig durchgestalteten Parkanlagen in Zürich-Nord, die zwar von der Fachwelt gelobt, von der Bevölkerung aber kaum genutzt werden, sind hier die weniger auf vordergründige Effekte ausgerichteten Freiräume bei den Bewohnern beliebt. Überhaupt wirkt dieses über einem verschachtelten Grundriss errichtete Neubauviertel, in dem sich die schöne Lage am Sund mit kleinstädtischer Intimität vereint, trotz seiner eher mittelmässigen Architektur sehr attraktiv.

Ungewiss ist allerdings, ob der heutige Eindruck, man befinde sich in einem gewachsenen Ensemble und nicht in einer Retortensiedlung, auch anhalten wird, wenn Västra Hamnen dereinst voll ausgebaut sein und 10 000 Einwohner sowie 20 000 Arbeits- und Studienplätze zählen wird. Die Stadt Malmö tut aber alles, um den Einwohnern mit neusten urbanistischen Erkenntnissen das Leben zu versüssen. - Und dann ist da ja auch noch die Sundspromenaden, auf der man sich sogar an einem windig nassen Sonntag hinter grossen Fensterscheiben bei einer Insalata caprese wie in den Ferien fühlen kann. In diesem Paradies des Mittelstandes ist von den düsteren Krisenzeiten nichts mehr zu spüren. Vielmehr erlebt man hier hautnah, wie sich die boomende Region am Öresund als Stadt der Zukunft zu definieren sucht, in welcher Mensch und Natur wieder möglichst in Einklang leben.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.10.07

07. Oktober 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

In den Himmel gedreht

In den vergangenen Jahren ist der Hochhausbau weitgehend zur Fassadenarchitektur verkommen. Nur noch wenige Wolkenkratzer können es heute in der Übereinstimmung...

In den vergangenen Jahren ist der Hochhausbau weitgehend zur Fassadenarchitektur verkommen. Nur noch wenige Wolkenkratzer können es heute in der Übereinstimmung...

In den vergangenen Jahren ist der Hochhausbau weitgehend zur Fassadenarchitektur verkommen. Nur noch wenige Wolkenkratzer können es heute in der Übereinstimmung von Konstruktion und äusserer Erscheinung mit Meisterwerken wie der Torre Velasca von BBPR in Mailand aufnehmen. Zu diesen gehört zweifellos der «Turning Torso», den der in Zürich tätige Spanier Santiago Calatrava als Wahrzeichen des boomenden Stadterweiterungsgebiets Västra Hamnen (Westhafen) in Malmö entworfen hat. Das soeben vollendete Bauwerk mag von einem gewissen Manierismus zeugen. Dennoch beweist es, dass man in der Hochhausarchitektur die Ingenieurtechnik noch immer zeichenhaft inszenieren kann.

Blickt man an der Küste Seelands hinaus aufs Meer, so erscheint bei klarer Sicht der Turm jenseits des Öresunds wie der Mast eines Segelschiffs. Doch auf der Fahrt hinüber nach Malmö erkennt man, dass Calatravas Wolkenkratzer nicht nur ein Zeichen ist, sondern auch eine selbstbewusste Antwort auf die von vier riesigen Pylonen getragene Schrägseilbrücke, die das Mittelstück der vor fünf Jahren eröffneten Verbindung zwischen Dänemark und Schweden darstellt.

Möglich wurde Calatravas raffinierte Vereinigung von freier Kunst, strenger Geometrie und moderner Technologie dank der Initiative des vormaligen Direktors der schwedischen Wohnbaugesellschaft HSB, der den Valencianer mit einem Hochhaus in der Art von dessen Skulptur «Twisting Torso» beauftragte. Calatrava entwarf daraufhin einen 190 Meter hohen, 54-geschossigen Turm, dessen neun gigantische Wirbel sich um einen zentralen Erschliessungskern aus Stahlbeton drehen. Aufgefangen wird die Bewegung von einem stählernen «Rückgrat», das Erinnerungen wachruft an die Schubladenfrauen auf Salvador Dalís «Brennender Giraffe». Während der Turm in den beiden untersten Volumen Büros beherbergt, finden sich in den sieben oberen Wirbeln Wohnungen. Die 147 unterschiedlich grossen Apartments bieten zwar eine weite Sicht über Sund und Stadt, sind aber wegen des voluminösen Erschliessungskerns vom Grundriss her weder sehr praktisch noch wirklich innovativ.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.10.07



verknüpfte Bauwerke
„Turning Torso“

22. September 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Städtebau als Kunst

Mit Bauten in Berlin, Salzburg und Wien sowie mit traditionalistischen Stadtentwürfen wurde Rob Krier in den achtziger Jahren zu einem Hauptvertreter der Postmoderne in Europa. Heute findet seine Architektur vor allem in den Niederlanden Anklang. Das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt stellt nun sein Gesamtwerk zur Diskussion.

Mit Bauten in Berlin, Salzburg und Wien sowie mit traditionalistischen Stadtentwürfen wurde Rob Krier in den achtziger Jahren zu einem Hauptvertreter der Postmoderne in Europa. Heute findet seine Architektur vor allem in den Niederlanden Anklang. Das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt stellt nun sein Gesamtwerk zur Diskussion.

Immer mehr Städte errichten heute spektakuläre Bauwerke, um sich in einer architektonischen Schönheitskonkurrenz den Touristen, Investoren und Unternehmern anzubieten. Darunter leidet letztlich das urbanistische Ganze, das im 20. Jahrhundert durch Krieg und moderne Theorien ohnehin schon fragmentiert wurde. Einzig während der Blütezeit der postmodernen Baukunst glaubte man, berauscht von der «Strada Novissima» der ersten Architekturbiennale von 1980 in Venedig, der Traum von der traditionellen Stadt mit ihren Strassen- und Hofrandbebauungen könne noch einmal Wirklichkeit werden. Inzwischen kämpfen jedoch nur noch einige Unentwegte für eine Neuordnung unserer wild wuchernden Städte - etwa Hans Kollhoff und Vittorio Magnago Lampugnani an der Zürcher ETH. Mit ihren Ideen haben sie einen schweren Stand gegenüber Stars wie dem Rotterdamer Architekten Rem Koolhaas, der verführerisch die Heterogenität der zeitgenössischen Stadt zu zelebrieren weiss. Nun aber finden ausgerechnet die sonst für ihre innovative Architektur bewunderten Niederlande Gefallen an einem nostalgischen Städtebau. Das hat - abgesehen von gewissen neokonservativen Strömungen - nicht zuletzt mit der Tatsache zu tun, dass dort immer auch traditionsbewusste Architekturkonzepte, auf die sich sogar noch zeitgenössische Grossprojekte wie das von Jo Coenen geplante Céramique-Viertel in Maastricht beziehen, ihren Platz haben durften.

Romantische Stadträume

Viel weiter als Coenen mit seinem moderat modernen Städtebau geht nun der Luxemburger Rob Krier, der schon in den siebziger Jahren als Verfechter des traditionellen Städtebaus im Sinne Theodor Fischers oder Camillo Sittes Schlagzeilen machte. Mit seiner Variante des New Urbanism, die auf geschlossene Strassenräume, Hofrandbebauungen, Plätze und mit Erkern, Giebeln und Türmen dekorierte Häuser setzt, wurde Krier in den Niederlanden zum vielgefragten Wunderheiler. Als solcher rückte er in den vergangenen Jahren zusammen mit seinem Schwiegersohn Christoph Kohl der Anonymität von Suburbia zu Leibe - bald mit metropolitan anmutenden Quartieren in Amsterdam, bald mit kleinstädtisch verschlafenen Neustädten wie Brandevoort Veste bei Helmond. Dieses Phänomen wäre schon Grund genug, das Schaffen des 1938 geborenen Architekten, Künstlers und Theoretikers Rob Krier zu würdigen. Zumal sein 1975 als Plädoyer für die Stadt des 19. Jahrhunderts veröffentlichtes Buch «Stadtraum in Theorie und Praxis» zusammen mit der neun Jahre zuvor von Aldo Rossi publizierten «Architettura della città» noch heute zu den Standardwerken der Städtebauliteratur zählt.

Bei seiner neusten Ausstellung geht es dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt jedoch nicht nur um einen Beitrag zur kontrovers geführten Diskussion über Rob Krier als Städtebauer, sondern ebenso sehr um die Aufarbeitung von dessen architektonischem und künstlerischem Œuvre. Hat Krier doch dieser Institution vor zwei Jahren all seine Skizzen, Pläne, Modelle und Zeichnungen überlassen. Das rund 10 000 Objekte umfassende Geschenk wurde nun von Ursula Kleefisch-Jobst aufgearbeitet und zu einer sehenswerten Ausstellung verdichtet, die in einer chronologisch und thematisch verschränkten Abfolge alle Facetten von Kriers Schaffen anhand von 43 Bauten und Projekten sowie einer Auswahl seiner Farbzeichnungen und Plastiken zeigt.

Ausgehend von Kriers Kampf gegen den fortschreitenden «Verlust des Stadtraums», präsentiert die Schau zunächst dessen Stuttgarter Stadterneuerungsmodelle von 1973, das Tower-Bridge- Housing-Projekt für London und die ersten Berliner Stadtplatzentwürfe, die im Rahmen der IBA zu den einst begeistert aufgenommenen Torhaus- Anlagen an der Rauch- und an der Ritterstrasse führten. Anschliessend werden neuere urbanistische Studien vorgestellt - darunter ein Lieblingsprojekt des Architekten, die Reparatur des Quartiers rund um die Kathedrale von Amiens. Blieb dieses unrealisiert, so konnte Krier mit der Siedlung Forellenweg in Salzburg zwischen 1983 und 1990 seine wohl gültigste Anlage verwirklichen. Die komplexe Genese solcher Quartiere und Neustädte wird dann an den Beispielen des Kirchsteigfelds in Potsdam und der Brandevoort Veste detailreich erläutert.

Im Obergeschoss stehen die wunderbaren, bald von Piranesi, Schinkel oder de Chirico beeinflussten Architekturzeichnungen im Mittelpunkt. Verraten sie eine frühe Auseinandersetzung mit dem von Krier bis heute verehrten Le Corbusier, so erinnern die Bronzen verdrehter Männerkörper an Michelangelo. Eine Gruppe von ihnen steht in einer kahlen weissen Pfeilerhalle, die auf das Projekt eines «Tempels der zehn Temperamente» verweist. Dieser war als Teil der von Krier geplanten Cité Judiciaire auf dem Plateau Saint- Esprit in Luxemburg gedacht. Doch soll nun just auf dieses minimalistische Skulpturenhaus und auf den für die Gesamtkomposition so wichtigen antikisierenden Turm der Winde verzichtet werden. Was von der Cité Judiciaire derzeit gebaut wird, vermag als Erweiterung der Luxemburger Altstadt unter dem Aspekt des Malerischen zu bestehen. Allerdings muss man befürchten, dass bei der Ausführung der zwischen nordischer Renaissance und Wiener Sezession oszillierenden Bauten sich einmal mehr die Poesie der gezeichneten Architektur verflüchtigen wird.

Rationalistische Ansätze

Dass Rob Krier nicht immer dem Neotraditionalismus huldigte, den er jetzt mit so viel Erfolg in grossen Siedlungen und Geschäftszentren ausleben kann, veranschaulichen die Entwürfe aus den siebziger Jahren, welche dem Luxemburger Grossprojekt gleichsam als Antithese gegenübergestellt sind. Sie zeigen rationalistische Villen wie das weisse Würfelhaus Dickes in Luxemburg, aber auch einen 1967 zusammen mit Léon Krier erarbeiteten Entwurf für das neue Rathaus von Amsterdam, bei dem die beiden Brüder noch von den futuristischen Ideen eines Antonio Sant'Elia oder Mario Chiattone schwärmten. Wie weit entfernt ist diese aggressive Grossform vom geschmäcklerischen Erscheinungsbild des die Sprache eines Otto Wagner verballhornenden Hochhauses «Muzentoren», das den Eingang zum zentralen Resident-Quartier in Den Haag bildet! Hier sinkt Rob Krier auf das Niveau seiner Epigonen, die den von ihm aus der Beaux-Arts-Tradition entwickelten romantischen Neohistorismus zur aalglatten Kommerzarchitektur pervertierten. Damit berührt die Ausstellung auch die Problematik der baulichen Umsetzung von Kriers stets so atmosphärisch skizzierten Projekten. Dass es Krier, der Architektur als «ästhetische Überformung» von Funktion und Konstruktion versteht, aber auch besser kann, bewies er jüngst mit den rationalistisch geläuterten Klinkerbauten von Haverleij Slot bei s'Hertogenbosch.

[ Bis 30. Oktober. Katalog: Rob Krier. Ein romantischer Rationalist. Architekt und Stadtplaner. Hrsg. Ursula Kleefisch- Jobst. Springer-Verlag, Wien 2005. 227 S., Euro 29.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2005.09.22

05. August 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Aufbruch in der Zukunftsstadt

Seit der stürmischen Industrialisierung im 19. Jahrhundert erlebte Biel immer wieder architektonische Expansionsphasen, als deren Leitbauten das Volkshaus und das Kongresshaus gelten. Heute bemüht sich die vor einem Jahr mit dem Wakker-Preis geehrte Stadt um eine Verdichtung nach innen, bei der vor allem die junge Szene Zeichen setzt.

Seit der stürmischen Industrialisierung im 19. Jahrhundert erlebte Biel immer wieder architektonische Expansionsphasen, als deren Leitbauten das Volkshaus und das Kongresshaus gelten. Heute bemüht sich die vor einem Jahr mit dem Wakker-Preis geehrte Stadt um eine Verdichtung nach innen, bei der vor allem die junge Szene Zeichen setzt.

Vom urbanistischen Standpunkt aus gesehen zählt Biel zu den interessantesten Städten der Schweiz. Geprägt von einer wechselhaften wirtschaftlichen Entwicklung, dehnte sich die «Zukunftsstadt» in den letzten 150 Jahren schubweise aus, ohne dabei die bereits bestehenden Teile gross zu tangieren. So besitzt Biel eine in ihrer Substanz weitgehend intakte Altstadt. An diese schmiegt sich die gut erhaltene, beidseits der Quai-Promenaden am Schüss-Kanal in Richtung See ausgreifende Stadt des 19. Jahrhunderts an mit dem grossstädtischen Zentralplatz, mit Wohnquartieren und dem spätklassizistischen Museum Schwab als architektonischem Leitbau. Die 1912 beschlossene Verlegung der Gleisanlagen nach Südwesten schuf dann Freiraum für eine nächste Stadterweiterung, deren Wahrzeichen 1932 das Volkshaus von Eduard Lanz am Guisanplatz werden sollte. Zwischen diesem Kristallisationskern und dem neuklassizistischen Bahnhof entstand ein einheitlich modernes Viertel - geprägt von lateinisch anmutenden, grossstädtischen Hofrandbebauungen mit doppelt abgetreppten Attiken.

Urbanistische Utopien

Diese geschlossene Stadtanlage wurde in den Wirtschaftswunderjahren verunklärt durch die Solitäre des Hotels Palace und des Kongresshauses, welches 1966 von Max Schlup als flacher Hallenbau mit Turmhaus vollendet wurde. Dieses skulpturale Meisterwerk sollte als Blickfang eines auf dem anschliessenden Gaswerkareal zu realisierenden Stadtzentrums einen neuen Aufbruch signalisieren. Doch diese Vision scheiterte ebenso wie die von Fritz Haller vorgeschlagene Neubebauung der Quais entlang des Schüss-Kanals mit Hochhäusern, die Biel in einer grossen Geste bis an das Seeufer hätten führen sollen.

Längst ist man von solch hochgemuten städtebaulichen Utopien abgekommen. Stattdessen setzt die als Swatch-Metropole zu neuem Selbstbewusstsein gelangte Stadt seit Mitte der neunziger Jahre auf gezielte Interventionen, die meist von jungen, mit dem internationalen Architekturdiskurs bestens vertrauten Architekten konzipiert werden. Am Anfang stand der Wunsch nach einer Aufwertung der Innenstadt, der wegen der zu erwartenden Konkurrenz des 2001 eröffneten Shoppingcenters Carrefour im Bözingenfeld, aber auch wegen der Expo 02 zu einer städtebaulichen Hauptaufgabe wurde. Diese umfasst die Neugestaltung wichtiger Platz- und Strassenräume sowie Neubauten, aber auch Renovationen in der Art des bereits Ende der achtziger Jahre von einer Arbeitsgemeinschaft um den Bieler Architekten Henri Mollet vorbildlich revitalisierten Volkshauses. Viel beachtet wurden die einfühlsam moderne Neugestaltung der «Hasard Bar» (1994) an der Bahnhofstrasse sowie der mit einer neuen Platzgestaltung verbundene Kasino-Umbau (1998) beim «Palace»-Hochhaus. Sie stammen von Bauzeit, dem heute wohl bekanntesten Bieler Büro. Vor drei Jahren konnte dann die Sanierung des Kongresshauses durch Rolf Mühlethaler aus Bern abgeschlossen werden; und 2004 wurde der vom Wiener Karl-Marx-Hof inspirierte Brühlhof an der Mattenstrasse einem sorgfältigen Facelifting durch Spaceshop unterzogen.

Einen ersten phantasievollen Eingriff in den Strassenraum nahm 1996 das inzwischen aufgelöste Büro Gebert Liechti Schmid mit dem Boulevardcafé «Chez Rüfi» an einer Querstrasse zur Nidaugasse vor. Diese von der Altstadt zum Zentralplatz führende Einkaufsmeile wurde zwischen 1997 und 2002 nach einem von Bauzeit und Simon Binggeli erarbeiteten Konzept mittels Lichtmasten und einheitlicher Bodenbeläge in einen zusammenhängend erfahrbaren Raum verwandelt. Im Rahmen dieser Transformation, die bis zum Bahnhof weitergezogen werden sollte, bildet der Zentralplatz ein Scharnier. Er wurde 2002 von einer Arbeitsgemeinschaft unter Gebert Liechti Schmid durch eine farblich hervorgehobene Bodengestaltung, eine zurückhaltende Bepflanzung, eine beruhigte Verkehrsführung sowie durch die Verlegung des Brunnens und des denkmalgeschützten Art-déco-Tramhäuschens aufgewertet. Gleichzeitig errichtete Henri Mollet im Südosten des Platzes das Geschäftshaus «Central», das mit seinem runden Eckturm die Bieler Moderne neu zu interpretieren sucht. Der formal leider nicht ganz geglückte Bau erweist sich als ein Vertreter jener dekorativ historisierenden Architektur, wie sie in den letzten Jahren vor allem im Bahnhofquartier - etwa mit dem 1996 vollendeten Swisscom-Gebäude von Andry & Habermann - aufgekommen ist.

Baukünstlerisch weit subtiler ist die von Kistler & Vogt im Hinblick auf die Expo 02 ebenfalls beim Bahnhof realisierte Parkgarage. Sie wird durch ein Oberlicht, das an eine kistenförmige minimalistische Skulptur erinnert, erhellt und leuchtet nachts wie eine Laterne. Von diesen Architekten stammt auch die unter der Gleisanlage hindurchführende, sich Richtung See perspektivisch weitende Passage. Sie verbindet den Bahnhofplatz - der nach einem 2004 gekürten Wettbewerbsprojekt von Bauzeit und Binggeli durch einen neuen Belag und Kleinarchitekturen aufgewertet werden soll - mit dem vor drei Jahren eingeweihten Robert-Walser-Platz. Das aus drei hintereinander gestaffelten, spitz in Richtung See weisenden Raumsequenzen bestehende Platzgefüge wurde von Bart & Buchhofer als ein die industrielle Vergangenheit des Ortes beschwörender, aber exakt strukturierter Eschenhain inszeniert mit zentraler Kiesfläche, zwei langen Sitzbänken, Trinkbrunnen und an «Bahn-Oberleitungen» aufgehängten Leuchtkörpern. Für eine räumliche Definierung des Platzes mittels Bäumen entschieden sich die Architekten nicht zuletzt deswegen, weil dessen architektonisches Erscheinungsbild, abgesehen vom Haifischschlund der Bahnunterführung, dem Medienhaus von Gebert Liechti Schmid und Mäder sowie der einstigen, aus dem Jahr 1948 datierenden General- Motors-Wagenhalle, noch nicht feststand.

Architektonischer Aufbruch

Nun soll bis 2007 ein Aushängeschild der jungen Bieler Szene neben dem Medienhaus errichtet werden. Es handelt sich dabei um den von vertikalen Blenden rhythmisierten Glasbau der Kaufmännischen Berufsschule Biel, mit dem das junge, durch das Erweiterungsprojekt des Historischen Museums Bern bekannt gewordene Architektenteam :mlzd sein erstes bedeutendes Werk in Biel realisieren kann. Damit dürfte der Robert- Walser-Platz bald schon zu einem Symbol für Biels architektonischen Aufbruch werden. Dieser wurde durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren möglich. Entscheidend war die durch Studienaufträge und Wettbewerbe betriebene Architekturförderung unter Baudirektor Ulrich Haag. Man kann daher dem neuen Baudirektor, Hubert Klopfenstein, nur empfehlen, das Engagement seines Vorgängers weiterzuführen. Zum guten architektonischen Klima trägt aber auch die Tatsache bei, dass keine übermächtigen Büros den kreativen Jungarchitekten, die oft auch ausserhalb der Stadt erfolgreich tätig sind, vor dem Licht stehen. Dank der Kleinräumigkeit, aber auch der Tätigkeit des Architekturforums kennen sich hier die Architekten, tauschen sich ohne Angst vor Ideendiebstahl aus und bilden für gewisse Projekte immer wieder büroübergreifende Teams. Bedauerlich ist nur, dass die Architekturschule der HTL Biel jüngst nach Burgdorf verlegt wurde. Massstäbe setzen aber weiterhin zwei 1999 eröffnete Hauptwerke der neuen Deutschschweizer Architektur: die Holzfachschule von Meili & Peter sowie die Erweiterung des Centre Pasquart von Diener & Diener. Diesem vielbeachteten Kulturbau antwortete 2003 Bauzeit mit der Renovation und Erweiterung des spätklassizistischen Museums Schwab.

Hier wird am Einzelobjekt jener Hang zur Verdichtung nach innen deutlich, der auch in den städtebaulichen Entwicklungsschwerpunkten auszumachen ist. Erwähnt sei das nordöstlich an das Kongresshaus anschliessende und bis auf den als Jugendzentrum genutzten Gaskessel geräumte Gas- und Drahtwerk-Areal. Nachdem hier die optimistischen Planungen der sechziger Jahre gescheitert sind, soll das Gelände nun in einem neuen Anlauf mit kammartigen und L-förmigen Wohn- und Bürobauten so bebaut werden, dass eine 300 Meter lange, geschlossen auf das Kongresshaus ausgerichtete Esplanade entsteht, in deren Mitte sich weiterhin die Halbkugel des Jugendzentrums erheben soll. Von hier schweift jetzt der Blick noch ungehindert in Richtung Industriequartier, wo sich im Vorjahr auf einem Bürobau an der Mattenstrasse ein zwischen technoider Zeltarchitektur und silberglänzendem Raumschiff oszillierendes Objekt niedergelassen hat. Dieser attraktive Dachaufsatz von Sollberger & Bögli ist nur einer der Auf- und Anbauten, die jüngst in Biel entstanden sind. So schnitten etwa Bart & Buchhofer einem kleinen Einfamilienhaus an der Neuenburgstrasse das Giebeldach ab und stockten es um ein möbelartiges, der Ästhetik der siebziger Jahre verpflichtetes Volumen auf. Henri Mollet hingegen setzte mit einem roten Kubus einen frischen Akzent zwischen altehrwürdige Chalets im Rebbergquartier am Jurahang. In einen Dialog mit diesem Würfel treten weiter südlich ein im Holzelementbau errichtetes Wohnhaus von Markus Bolliger und bald wohl auch eine von SPAX geplante, holländisch-exzentrisch anmutende Stadtvilla. Auf Wohnhäuser anderer Bieler Architekten trifft man zudem in benachbarten Seegemeinden wie Ipsach, Sutz oder Twann.

Tradition des Wohnungsbaus

Einen ähnlichen Blickfang wie die Villen am Jurahang bilden die hoch am Berg die Dorfkante von Magglingen markierenden Gebäude des Bundesamtes für Sport: die alte Schulanlage, die von Spaceshop in einem zeitgemässen Idiom aufgefrischt und erweitert werden soll, die Spielsporthalle von Bauzeit und der Bellavista-Neubau von Leimer & Tschanz. - Schaut man von Magglingen aus hinunter auf die Stadt, so kann man sich schon jetzt die künftige Kongresshaus-Esplanade als neues Herz von Biel vorstellen. Bereits steht an deren nordöstlichem Ende ein sich winkelförmig zur renaturierten Schüss hin öffnender Wohnblock von Kistler & Vogt, auf den südwärts ein Neubau derselben Architekten mit Alters- und Mietwohnungen folgen soll. Schon vor diesen Projekten konnte dieses Büro mit einem aus Duplex- und Geschosswohnungen bestehenden Riegel samt Attika und weit vorspringenden Balkonen die Initialzündung zur Wohnsiedlung Löhre geben, während Bauzeit zusammen mit anderen Architekten gerade eben die Wohnanlage Madretschried fertigstellte. Diese Bauten lassen Erinnerungen an die goldenen Zeiten der Bieler Wohnbauförderung aufkommen, von der noch heute Arbeiten von Eduard Lanz zeugen.

Weit fortgeschritten ist inzwischen die Bebauung des Renfer-Areals, wo auf einer ehemaligen Lagerfläche südöstlich der 1998 von Simon Binggeli umgebauten Renfer-Villa neben durchschnittlichen Renditebauten auch drei bemerkenswerte, kubisch-einfache Reihenhauszeilen der Architektengemeinschaft Bauzeit, Joliat & Suter sowie Molari & Wick entstanden. Ihnen antworten jenseits der Schüss zwei Wohnblöcke mit Eigentumswohnungen des Berner Büros Matti Ragaz Hitz, die mit ihren grosszügigen Aussenräumen etwas Mondänes in diese ehemalige Industriezone bringen. An die ehemals gewerbliche Nutzung des Areals erinnert 200 Meter flussaufwärts noch immer eine rittlings über der Schüss am Eingang zur Taubenloch-Schlucht errichtete Fabrikanlage, die möglicherweise umgebaut und saniert wird. Auf dem Bieler Bauamt überlegt man sich zudem, ob man im Zuge der städtischen Verdichtung von Bözingen und der Erneuerung der Bieler Sportanlagen das Fussball- und das Eisstadion in die Nähe des Renfer-Areals verlegen soll.

Fehlender Mut am See

Mehr städtebaulichen Zündstoff als die Projekte im Bözingen-Quartier dürften die Planungen am See bieten. Soll doch nach der Eröffnung der Umfahrungsautobahn der Bereich von der Aarbergstrasse bis zum Hafen restrukturiert werden - allerdings nur moderat. Dabei böte sich hier die Möglichkeit, zwischen dem prachtvollen, 1932 vom damaligen Bieler Stadtbaumeister Otto Schaub vollendeten und jüngst von Joliat & Suter mustergültig renovierten Strandbad und dem Jurahang eine architektonische Fassade zum See hin zu realisieren, wie sie auch andere Schweizer Städte aufweisen. Dabei könnte im mittleren Teil des Europaquais durch eine als Platz am Ufer inszenierte Baulücke der Blick von der Grünanlage des Strandbodens auf den Bielersee weiterhin gewährt werden. Wichtige Denkanstösse für eine derartige Stadterweiterung gaben die tanzenden Expo-Türme von Coop Himmelb(l)au sowie der im Expo-Jahr veranstaltete Wettbewerb für einen Hotelturm an der Neuenburgstrasse. Die Verwirklichung der vor 100 Jahren schon einmal erträumten Seestadt könnte Biel und seinen Architekten ganz neue Horizonte öffnen. Gleichsam eine Art Auftakt dazu macht das trendige, entfernt an Arbeiten des Rotterdamer Büros MVRDV erinnernde Zweifamilienhaus von Leimer & Tschanz an der seenahen Gwerdtstrasse.

[ Eine Übersicht über die Bieler Architektenszene gibt vom 14. August bis 18. September eine Ausstellung des Architekturforums im Centre PasquArt in Biel. Dazu erscheinen ein Katalog und der Architekturführer «Biel» zum Preis von je Fr. 20.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.08.05

23. Juli 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Orientalische Formenspiele

Der deutschsprachige Raum besass einst einen unvergleichlichen Schatz an Synagogenbauten, der in der Reichspogromnacht fast gänzlich unterging. Eine Idee...

Der deutschsprachige Raum besass einst einen unvergleichlichen Schatz an Synagogenbauten, der in der Reichspogromnacht fast gänzlich unterging. Eine Idee...

Der deutschsprachige Raum besass einst einen unvergleichlichen Schatz an Synagogenbauten, der in der Reichspogromnacht fast gänzlich unterging. Eine Idee von der zerstörten Pracht vermag aber die jüdische Sakralarchitektur der Schweiz zu geben. Zu deren herausragenden Werken zählen etwa die beiden über 150 Jahre alten, perfekt erhaltenen und bald in neuromanischem, bald in maurischem Stil geschmückten Land-Synagogen von Ferdinand Stadler in Lengnau und von Caspar Joseph Jeuch in Endingen - oder die trotz ihrer orientalischen Farbigkeit diskrete St. Galler Synagoge von Chiodera & Tschudy, deren originale Innenausstattung heute der schönste Zeuge eines polychromen Synagogenraums in der Tradition von Gottfried Semper ist. Trotz weiteren wichtigen Bauten in Baden, Basel, Bern, Biel Luzern und Zürich sowie in La Chaux-de-Fonds, Delsberg, Genf, Lausanne und Lugano, denen zwei Abbrüche in Avenches und Pruntrut gegenüberstehen, gab es bis anhin kein Übersichtswerk über den Schweizer Synagogenbau.

Umso erfreulicher ist es, dass sich nun die Zeitschrift «Kunst + Architektur in der Schweiz» in ihrer neusten Ausgabe ganz dem jüdischen Sakralbau unseres Landes widmet. Diese vereint mehrheitlich Wissen, das dem Spezialisten, nicht aber dem interessierten Laien bekannt sein dürfte. Neben Exkursen zum jüdischen Leben im mittelalterlichen Basel und Zürich (wo 1996 das äusserst rare Beispiel einer profanen jüdischen Wanddekoration entdeckt wurde) finden sich Aufsätze zu den Surbtaler Judendörfern, zur bis heute aktuellen Frage «Langhaus oder Zentralbau?» oder zu den Synagogen in der Romandie, wo Genf mit der ältesten neuzeitliche Stadt-Synagoge der Schweiz (von Jean Henri Bachofen) aufwarten kann. Neues Material bietet ein Essay von Guido Kleinberger, der sich mit den beiden international bisher kaum beachteten Zürcher Synagogen des 20. Jahrhunderts befasst: dem Gemeindezentrum der Israelitischen Religionsgesellschaft an der Freigutstrasse, einem 1924 von Walter Henauer und Ernst Witschi erbauten Hauptwerk des Art déco, und der 1960 von Walter Sonanini in moderner Kastenform errichteten Synagoge der Agudas Achim an der Erikastrasse, die hier erstmals publiziert wird. - Das Heft ist erst ein Anfang; es weckt den Wunsch nach einer umfassenden Monographie zur Synagogenarchitektur in der Schweiz.

[Kunst + Architektur in der Schweiz. 2005.2. Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK). 80 S., Fr. 25.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2005.07.23

16. Juli 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Magie des Ortes

Seit dem Bau des Kultur- und Kongresszentrums Luzern gilt Jean Nouvel hierzulande als Garant für Spitzenarchitektur, obwohl er längst nicht mehr im Zentrum des Architekturdiskurses steht. Zurzeit arbeitet er an Grossprojekten in Paris, Madrid, Minneapolis - und in Kopenhagen, wo er nun sein Werk in Form eines Manifestes präsentiert.

Seit dem Bau des Kultur- und Kongresszentrums Luzern gilt Jean Nouvel hierzulande als Garant für Spitzenarchitektur, obwohl er längst nicht mehr im Zentrum des Architekturdiskurses steht. Zurzeit arbeitet er an Grossprojekten in Paris, Madrid, Minneapolis - und in Kopenhagen, wo er nun sein Werk in Form eines Manifestes präsentiert.

Zwei aussergewöhnliche Bauwerke bilden die Eckpfeiler von Jean Nouvels Schaffen: das mit orientalisierendem Hightech kokettierende Institut du Monde Arabe von 1987 in Paris und das mit seinen komplexen Durchblicken und Spiegelungen nach dem Immateriellen strebende Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL). Auch wenn dieses seit seiner Fertigstellung im Jahr 2001 den internationalen Architekturdiskurs nur marginal beeinflusst, erfreut es sich noch immer grosser Popularität. Denn es gibt wohl nur wenige Gebäude, welche der Stadt, in der sie stehen, so sehr schmeicheln wie dieses vielschichtige Werk. In seiner Formensprache antwortet es den umliegenden Bauten, während die präzis gesetzten Öffnungen die Stadtlandschaft zu Postkartenbildern verdichten. Ausserdem fehlt dem KKL auf angenehme Weise die Selbstverliebtheit von Frank Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao, jener anderen im Wettstreit der Städte oft beschworenen Architekturikone. Das eigentliche Gegenstück zu Gehrys hell glänzendem Musentempel am trüben Nervión ist Nouvels Gerichtsgebäude an der Loire in Nantes. Das in seinem Inneren schwarz und rot glitzernde Gebäude mit dem sich vielfach reflektierenden Gitterwerk wirkt wie eine filmartige Bildsequenz über Rechtsstaat und Justiz.

Architektur als Film

Wie in Luzern benutzte Nouvel in Nantes und nun auch bei der im Bau befindlichen Erweiterung des Reina-Sofia-Museums in Madrid ein weit auskragendes Dach, unter dem er alle Baukörper zu einer Grossform vereint - eine Geste, die schnell von anderen Architekten vereinnahmt wurde. So gleicht das jüngst von 3XNielsen in Amsterdam vollendete Muziekgebouw einer schlechten Kopie von Nouvels KKL, und auch die vom namhaften dänischen Architekten Henning Larsen entworfene neue Oper von Kopenhagen ist nur ein phantasieloser Abglanz des Luzerner Meisterwerks. Gleichsam als Entschädigung für diesen Ideenraub darf Nouvel nun das neue Konzerthaus des Dänischen Rundfunks in Ørestad errichten. Nach seinen Plänen entsteht in der gesichtslosen, auf halbem Weg zum Kopenhagener Flughafen liegenden Neustadt ein bald von Claude Parent, bald von Hans Scharoun angeregter, kubistisch-skulpturaler Findling, welcher der anonymen Umgebung eine eigene Identität verleihen soll. In der Auseinandersetzung mit dem Ort sieht Nouvel, in dessen architektonischer Recherche neben Bildern aus Science-Fiction-Filmen stets auch der gebaute Kontext eine wichtige Rolle spielt, die Möglichkeit, jener Anonymität der globalisierten Stadt und jenem seelenlosen Chaos von Suburbia entgegenzuwirken, die beispielsweise Rem Koolhaas so sehr faszinieren.

Nun erhielt der Franzose, der am 12. August seinen 60. Geburtstag feiern kann, im Rahmen einer Ausstellung im Louisiana Museum die Gelegenheit, öffentlich Position zu beziehen gegen eine vom historischen, kulturellen, sozialen, städtebaulichen oder landschaftlichen Kontext losgelöste Architektur, wie sie heute überall auf der Welt wie Unkraut spriesst. Angeregt durch die Harmonie des an den Ufern des Øresund in Humlebæk bei Kopenhagen gelegenen Kunstzentrums, erklärte Nouvel seine Schau kurzerhand zum «Louisiana Manifesto» und ruft nun dazu auf, von diesem Ort zu lernen. Dazu setzt er mittels eines Pavillons mit gezielt placierten Fenstern die parkartige Anlage in Szene und ermöglicht es den Besuchern, von einem neu erstellten Steg aus erstmals das meerseitige Panorama von Louisiana zu geniessen.

Den Auftakt zur eigentlichen Ausstellung macht der «Copenhagen Room» in der alten Villa. Er ist ganz Nouvels Ørestad-Projekt gewidmet, das 2007 eingeweiht werden soll. Kopflastiger wird es dann im unterirdischen Ausstellungsbereich, in dessen Zentrum der «Manifesto- Raum» steht. Stapel von Ausstellungszeitungen und Plakaten mit Abbildungen seiner wichtigsten Bauten auf der einen und seinem Manifest auf der anderen Seite fordern hier zur Selbstbedienung auf, während an den Wänden bombastische Sätze eine Neubesinnung in der Architektur fordern. Wer sich Pläne und Modelle erhofft hat, wird enttäuscht. Stattdessen präsentiert Nouvel in der anschliessenden «Porträt-Galerie» - wie schon vor vier Jahren im Centre Pompidou - leuchtende Dias und Farbfotos. Sie erlauben ein Wiedersehen mit «emblematischen» Bauten wie dem raumschiffartigen Nemausus-Studentenwohnhaus in Nîmes (1988), dem an rostige Tabakscheunen gemahnenden Hotel Saint-James bei Bordeaux (1989), der würdevollen Aufstockung des Opernhauses von Lyon (1993) oder der fast körperlos wirkenden Fondation Cartier (1995) in Paris.

Im Durchgangsraum, der sich tunnelartig zum Meer hin öffnet, bleibt einem kaum Zeit, sich ein Bild der gegenwärtigen Baustellen des Guthrie Theater in Minneapolis, des Musée Quai Branly in Paris und der Reina-Sofia-Erweiterung in Madrid zu machen. Denn hier wird der Blick hinabgezogen in eine überhohe Halle, deren Wände mit grossformatigen Comics französischer und belgischer Zeichner tapeziert sind. Eine Bildsequenz zeigt, wie Nouvel nach einem Himmelssturz sanft auf einem Orangenwagen landet, um anschliessend Valencia mit seiner megalomanen Delta-Park-Vision zu beglücken. Eine andere führt durch Nouvels Pariser Hallen-Projekt, welches das Herz der Seinestadt in ein Raumgebilde à la «Star Wars» hätte verwandeln sollen. Betont menschenfreundlich wird Nouvel dann im künftigen Alcantara-Viertel in Lissabon dargestellt, für welches er eine sanfte Bebauung mit Wohnungen, Ladengeschäften und Büroräumen konzipiert hat: Fassaden mit Azulejo-Mustern, rankenden Pflanzen und wehenden Vorhängen umschliessen Höfe mit künstlichen Wasserfällen und wecken ein südländisches Stadtgefühl. Nouvels Motto, «Jede neue Situation verlangt nach einer neuen Architektur», überzeugte selten so wie hier.

Flüchtige Erscheinung

Weniger human als das Alcantara-Projekt gibt sich die Torre Agbar in Barcelona, der man derzeit auch im Dänischen Architekturzentrum in Kopenhagens Gammel Dok im Rahmen der aus Düsseldorf übernommenen Ausstellung «Dream of Tower» (3. 12. 04) begegnen kann. Im Betonkäfig dieses raketenartigen, mit bedrucktem Glas umhüllten Riesenphallus kriegt sogar Nouvel Migräne, wie aus dem vieldeutig betitelten Kurzfilm «Gaudir Nouvelle» des spanischen Regisseurs Bigas Luna hervorgeht. Der Betrachter aber zerbricht sich den Kopf darüber, ob Nouvel mit diesem nicht wirklich gelungenen Hochhaus zu seinem jugendlichen Rebellentum zurückfinden wollte, als er als Vorkämpfer einer architektonischen «Nouvelle Vague» mit frechen baukünstlerischen Statements zu irritieren suchte. Trotz ihren Schwächen vermag sich einem aber auch die Torre Agbar - wie alle Bauten von Nouvel - als flüchtig aufflackernde Erscheinung ins Gedächtnis einzuprägen.

[ Bis 18. September im Louisiana Museum in Humlebæk bei Kopenhagen. Statt eines Katalogs werden gratis eine Ausstellungszeitung und ein Poster mit Nouvels Manifest abgegeben. - Die Ausstellung «Dream of Tower» im Dänischen Architekturzentrum in Kopenhagen dauert bis Anfang Oktober. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2005.07.16

01. Juli 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lichträume zwischen Himmel und Erde

Die Liebe der Italiener zum Luganeser Architekten Mario Botta ist bekannt. Sie äussert sich nicht nur in bedeutenden Bauaufträgen wie dem MART-Museum in...

Die Liebe der Italiener zum Luganeser Architekten Mario Botta ist bekannt. Sie äussert sich nicht nur in bedeutenden Bauaufträgen wie dem MART-Museum in...

Die Liebe der Italiener zum Luganeser Architekten Mario Botta ist bekannt. Sie äussert sich nicht nur in bedeutenden Bauaufträgen wie dem MART-Museum in Rovereto oder dem Mailänder Scala-Umbau, sondern auch in Ausstellungen. So zelebrierte Padua vor anderthalb Jahren neuere Hauptwerke des Tessiners in einer grossen Schau im altehrwürdigen Palazzo della Ragione; und jetzt werden Bottas Sakralbauten im jüngst renovierten Hauptsaal der Gipsoteca dell'Istituto Statale d'Arte in Florenz präsentiert.
Baukünstlerische Rhetorik

Beim Rundgang durch die Schau stellt sich unweigerlich die Frage, welcher zeitgenössische Architekt ausser Botta allein mit Gotteshäusern eine ganze Ausstellung bestreiten und darüber hinaus ein prächtiges Katalogbuch füllen könnte. Zu sehen sind nicht weniger als zehn Bauten und zwei Projekte, die zwischen den riesigen Gipsabgüssen von Giambolognas Neptun und Michelangelos David anhand von zierlichen Holzmodellen (im Massstab 1:50), Zeichnungen, Plänen und hervorragenden Grossfotos von Enrico Cano und Pino Musi vorgestellt werden.

Dem Zweifel, ob man heute überhaupt noch sakrale Räume realisieren kann, begegnet Botta, wie vor ihm schon Le Corbusier, mit der verführerischen Rhetorik seiner Werke. Obwohl Bottas Zentralbauten nach Meinung einiger katholischer Kritiker nicht wirklich auf die liturgischen Bedürfnisse eingehen, sind sie - vor allem in der italienischsprachigen Welt - bei den Kirchgängern ebenso beliebt wie bei architekturbegeisterten Laien. Denn Botta baut weder frömmelnden Kitsch noch stimmungslose Mehrzweckhallen. Vielmehr nähert er sich dem Sakralen mit den ästhetischen Mitteln von Licht- und Schattenzonen sowie sinnlichen Materialien. Das Ergebnis sind Raumgebilde, die all jene ansprechen, welche spirituelle Erfahrung suchen, und dies ganz unabhängig von einem Glaubensbekenntnis. Im Zusammenhang mit dem Bergheiligtum am Monte Tamaro meinte Botta denn auch: «Chi entra in questo spazio troverà il suo Dio.» Dennoch gelang es ihm, in Evry eine überzeugende Kathedrale und auf dem Campus der Tel Aviv University ein Meisterwerk des Synagogenbaus zu errichten.

Nicht in der Ausstellung gezeigt wird jenes Frühwerk, welches einst Bottas Interesse an der Kirchenarchitektur weckte. Es handelt sich dabei um den Umbau des Kapuzinerklosters von Lugano, dem Botta den wohl schönsten zeitgenössischen Bibliotheksraum unseres Landes anfügte. Entscheidend für Bottas Grosserfolg als Kirchenarchitekt war aber Mogno, das kleine Dorf in der Valle Lavizzara. Für dessen im Lawinenwinter 1986 zerstörtes Kirchlein schuf Botta unentgeltlich ein Projekt, das aufgrund heftiger Diskussionen erst eine Dekade später gebaut werden konnte. Der horizontal gestreifte Ovalzylinder aus Granit und weissem Marmor mit dem abgeschrägten, kreisrunden Glasdach, der die romanische Architektur des Tessins ganz neu interpretiert, stiess vor allem in Italien auf Interesse. So konnte Botta schon 1987 in Pordenone einen Neubau beginnen, der mit seinem weithin sichtbaren Konus an Le Corbusiers unvollendete Kirche von Firminy erinnert, nur dass Botta in der materiellen Umsetzung des Entwurfs den Brutalismus des Vorbilds stark milderte.
Kathedrale und Synagoge

Kurz nach diesem zeichenhaften Meisterwerk konzipierte er die würfelförmige Kirche von Sartirana, aber auch die zylinderartige Kathedrale von Evry in der Art einer monumentalen «Casa di Dio», deren Erscheinung sich - ausser im Massstab - nicht wesentlich von Bottas Wohnbauten der frühen neunziger Jahre unterscheidet, wenngleich sie sich durch das zenitale Licht im Innern ganz klar von jeglicher Profanarchitektur abhebt. Gestaltete Botta mit der baumbekränzten Kathedrale von Evry das Zentrum der Pariser Vorstadt neu, so lotete er mit der Marienkapelle am Monte Tamaro das Archaische in der Architektur aus - und erbrachte gleichzeitig den wohl sinnfälligsten Beweis für seine These, dass erst die Architektur den Ort baue. Die ins Unendliche gerichtete Aussicht erinnert hier entfernt an Louis Kahn Salk Institute. Anregungen des grossen Amerikaners wurden von Botta auch bei den jüngsten Sakralbauten weitergedacht - etwa bei der unlängst geweihten, kubisch-skulpturalen Kirche von Paderno-Seriate nahe Bergamo oder bei der Cymbalista-Synagoge in Tel Aviv, deren Verschmelzen von Kubus und Zylinder ausserdem Le Corbusier verpflichtet ist. Kahns nie realisierte Hurva-Synagoge schliesslich entwickelte Botta im Entwurf der Santo-Volto-Kirche zu einem Rundbau weiter, der demnächst in Turin gebaut werden soll.

Auch wenn Bottas Gotteshäuser wie alle seine Arbeiten von Symmetrien und primären Geometrien, von schwerem Mauerwerk und ausgekerbten Öffnungen geprägt sind, so wirken sie doch weniger formalistisch als die Profanbauten. Denn seine Architektursprache korrespondiert besonders gut mit sakralen Inhalten. So gut, dass selbst das von Botta entworfene liturgische Mobiliar in diesen Räumen erstaunlich harmonisch wirkt.

[ Bis 30. Juli in der Gipsoteca dell'Istituto Statale d'Arte bei der Porta Romana in Florenz. Katalog: Mario Botta. Architetture del sacro. Hrsg. Gabriele Cappellato. Editrice Compositori, Bologna 2005. 207 S., Euro 40.- (Euro 35.- in der Ausstellung). ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.07.01

25. Juni 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein skulpturales Gefäss der Stille

Mit der Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp erneuerte Le Corbusier nicht nur die Sakralarchitektur. Er schuf mit ihr auch ein Gebäude, das zum Inbegriff der architektonischen Moderne wurde. Dieses Meisterwerk, dem im Zeichen der Blob- Architektur neue Aktualität zukommt, wurde heute vor 50 Jahren feierlich eingeweiht.

Mit der Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp erneuerte Le Corbusier nicht nur die Sakralarchitektur. Er schuf mit ihr auch ein Gebäude, das zum Inbegriff der architektonischen Moderne wurde. Dieses Meisterwerk, dem im Zeichen der Blob- Architektur neue Aktualität zukommt, wurde heute vor 50 Jahren feierlich eingeweiht.

Wie kein anderes Bauwerk des 20. Jahrhunderts hat die Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp die Gemüter bewegt. So sehr, dass der blendend weisse Sakralbau mit dem dunklen, kissenförmigen Betondach und dem bald an eine Stele, bald an afrikanische Masken erinnernden Hauptturm zum bekanntesten Gotteshaus der Moderne wurde. Dabei sorgte der Neubau, als er am 25. Juni 1955 feierlich geweiht wurde, in Fachkreisen für Konsternation. Denn just als sich die rationalistisch geprägte moderne Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg endlich zu behaupten schien, brach deren Vordenker mit einer primitiv-handwerklich anmutenden, höchst subjektiven Architekturskulptur, die alle modernen Errungenschaften in Frage stellte, zu neuen baukünstlerischen Ufern auf. Während James Stirling und Nikolaus Pevsner vor diesem heftig diskutierten «Manifest des Irrationalismus» ratlos den Kopf schüttelten, war das breite Publikum von dessen Bildhaftigkeit fasziniert. Und bald schon bereicherte Le Corbusiers neue plastische Formensprache den heiter-frivolen Jargon der fünfziger Jahre und triumphierte schliesslich in Jørn Utzons Opernhaus von Sydney.

Form-, Raum- und Lichtwunder

Heute, in einer Zeit, die den individuellen baukünstlerischen Erfindungen grossen Spielraum gewährt und die sich im Zeichen der computergenerierten Blob-Architektur auch wieder für das Organisch-Irrationale zu begeistern vermag, ist das Jahrhundertwerk von Ronchamp aktueller denn je. Diesem Form-, Raum- und Lichtwunder, das sich in Le Corbusiers Schaffen bereits nach 1946 ganz leise in den Entwürfen für die skulpturale Dachlandschaft der Unité d'habitation in Marseille ankündigte, ging eine Lebenskrise des Meisters voraus. Auslöser dieser Krise, die Le Corbusier schliesslich ganz neue Horizonte eröffnen sollte, war das Scheitern seiner algerischen Stadtbaupläne, für welche er vergeblich das Vichy-Regime zu gewinnen hoffte. Nach diesem politischen Sündenfall zog sich Le Corbusier ernüchtert ins Pyrenäendorf Ozon zurück. Wohl weniger, um Sühne zu leisten, als vielmehr, um sich neben der Modulor-Theorie ganz der Malerei zu widmen, die ihm immer wieder ein Mittel der architektonischen Selbstfindung gewesen war. Damals entstanden plastisch wirkende Bildsujets, die er seit 1945 zusammen mit dem Kunsttischler Joseph Savina zu «akustischen» Skulpturen weiterentwickelte. Diese organisch geformten, oft farbig gefassten Holzobjekte strahlen in den Raum aus, um das Echo mit konkaven «Rezeptoren» wieder einzufangen.

Ausgehend von diesem geheimnisvollen Raumbezug, begann Le Corbusier seine Skulpturen mittels des leicht formbaren Werkstoffs Beton architektonisch zu interpretieren. Daraus entstanden die bauplastischen Meisterwerke von Ronchamp, La Tourette und Chandigarh, die gleichsam die Antithese zur normativen Schönheit der Stahl- Glas-Konstruktionen eines Mies van der Rohe bildeten. Doch der unermüdliche Forscherdrang liess Le Corbusier, der sein eigenes Œuvre stets kritisch analysierte, wenige Jahre später zu einer weiteren überraschenden Lösung finden: der farbigen Bauskulptur aus Stahl von Heidi Webers Ausstellungspavillon am Zürichhorn, dessen Entwurf er kurz vor seinem Tod am 27. August 1965 vollendete. Als architektonisches Vermächtnis beweist dieses Werk noch heute, dass der grosse Schweizer in seiner stets vorwärts drängenden Kreativität unter den Künstlern des 20. Jahrhunderts nur mit Picasso verglichen werden kann.

Künstlerische Inkubationszeit

Über Ronchamp ist viel geschrieben worden. So ist bekannt, dass Le Corbusier als Atheist, der allerdings für Spirituelles durchaus empfänglich war, sich anfangs nicht sonderlich interessierte, für die katholische Kirche zu bauen, auch wenn seine enthusiastischen Auftraggeber reformerische Ideen auf dem Gebiet der Sakralkunst vertraten. Als er dann aber am 20. Mai 1950 während einer Zugsfahrt von Paris nach Basel kurz vor Belfort die Ruine der im Krieg zerstörten Marien-Wallfahrtskirche auf dem Bourlémont hoch über Ronchamp erblickte, griff er spontan zum Skizzenblock. Ein kurz darauf unternommener Besuch der magischen Stätte begeisterte ihn dann derart, dass er mit einer ebenso kosmologischen wie musikalischen Konstellation konkaver und konvexer Formen auf die Landschaft, die vier Himmelsrichtungen und auf das Gemurmel des Ortes reagierte. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Villa Hadriana bei Tivoli, die Le Corbusier 1911 besucht hatte, hingewiesen. Nicht weniger bedeutend dürfte während der künstlerischen «Inkubationszeit» aber für den von einer Erneuerung der mediterranen Architektur träumenden Architekten auch die schneeweisse, halb biomorph und halb kubistisch geformte Paraportiani-Kirche von Mykonos gewesen sein, die über dem Blau der Ägäis auf ähnliche Weise zu schweben scheint wie nun seit 50 Jahren die Kapelle von Ronchamp über den rollenden Hügeln von Jura und Vogesen.

Eine komplexe Recherche, bei der Le Corbusier auch Naturformen - Knochen, Schalentiere, Muscheln - zur poetischen Inspiration nutzte, liess ihn schliesslich zur definitiven Form des Marienheiligtums vordringen. Diese realisierte er auf unkonventionelle Weise, nämlich mit Hilfe eines Betonskeletts, das er mit den Bruchsteinen der zerstörten Kirche ausfachen liess. Pfeiler aus solchen Steinen tragen auch die als doppelte Membran gegossene Betonplastik des Daches, deren Gestalt man heute ohne Hilfe des Computers wohl kaum noch herzustellen wagte. Diese gleichermassen technisch raffinierte wie archaische Konstruktion wurde schnell zum Symbol einer aus ihrer calvinistischen Strenge erlösten Architektur, aber auch zum wohl wichtigsten Prototyp des zeitgenössischen Sakralbaus. Mit seinem magischen Innenraum, in welchem Langhaus und Zentralbau verschmelzen, und mit der als Stiftszelt unter dem baldachinartigen Dachvorsprung angeordneten Aussenkapelle strahlte er schnell weit über die katholische Welt hinaus.

Dieses von den Kirchenfenstern und dem liturgischen Mobiliar bis hin zu den Farbräumen und dem sinnlichen weissen Klosterputz überreiche Gesamtkunstwerk soll nun zum Weltkulturerbe ernannt werden. Aber damit hören die Ehrbezeugungen an den Kirchenbauer Le Corbusier nicht auf: wird doch die sprödere Schwester von Ronchamp, die nach dem Tod des Meisters unvollendet gebliebene Kirche Saint-Pierre in Firminy, derzeit fertiggestellt, um im Sommer 2006 geweiht zu werden.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2005.06.25



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03. Juni 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Alpiner Urbanismus

In Meran werden Gion A. Caminadas architektonische Visionen für Vrin diskutiert

In Meran werden Gion A. Caminadas architektonische Visionen für Vrin diskutiert

Die Schweiz ist ein Land, das immer mehr verstädtert. Gleichwohl waren es bis anhin weniger die Zentren als vielmehr die Randgebiete, die hierzulande den Architekturdiskurs belebten. Zwar kann Zürich zahlreiche neue Wohnanlagen und sogar ein Stadthotel von hoher Qualität vorweisen, doch auf Leitbauten von der Bedeutung des Luzerner KKL wartet man hier lange schon vergeblich und verfolgt deshalb umso gespannter den Wettbewerb für ein Kongresszentrum am See. Einzig in Basel, wo rund um den Bahnhof SBB eine urbane Architekturlandschaft und auf dem Novartis-Areal ein Forschungs-Campus entstehen, plant man grossstädtisch. Als ländlich- alpines Äquivalent zur Rheinstadt könnte man Vrin in der Val Lumnezia bezeichnen, ein fast 1500 Meter über Meer gelegenes 300-Seelen- Dorf, das dank seiner Architekturpolitik über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden ist.

Modellfall Vrin

Im Gegensatz etwa zum Ferienort Vals, welcher mit der von Peter Zumthor realisierten Therme auf Architekturtourismus setzt, verstand man es in Vrin - ausgehend von einer Melioration und der zur Pflicht erhobenen Bauberatung -, die alten bäuerlichen Strukturen zu erhalten. Über den Modellfall Vrin und dessen überregionale Bedeutung bezüglich Raumplanung, ganzheitlicher Landwirtschaft und Baugesetzgebung ist viel geschrieben worden, seit das Dorf 1998 mit dem Wakker-Preis des Schweizer Heimatschutzes und 2004 mit dem Arge-Alp-Preis ausgezeichnet wurde. Eine zentrale Rolle bei der Renaissance des Dorfes spielte der 1957 in Vrin geborene Architekt Gion A. Caminada. Als Dorfplaner formulierte er - ausgehend von sozioökonomischer Grundlagenforschung und in Zusammenarbeit mit Gemeindevertretern - die Voraussetzungen für das Bauen innerhalb des Dorfkerns, das er (ähnlich wie Snozzi in Monte Carasso) als gesellschaftsbezogenen Akt versteht.

Auf dieser Basis sind seit den neunziger Jahren in Vrin mehrere Meisterwerke des zeitgenössischen Holzbaus entstanden, die Caminada ganz aus dem Ort, seiner Kultur, Architektur, Sozialstruktur und Wirtschaft herleitete und die sich ins Dorfbild einfügen, als seien sie schon immer da gewesen. Denn Caminada geht es weder um baukünstlerische Selbstinszenierung noch um rückwärts gewandte Anbiederung. Vielmehr werden seine Interventionen, die in Vrin von der Scheune über das Wohnhaus und die Mehrzweckhalle bis zum Totenhaus reichen, durch Kargheit und konstruktive Sorgfalt bestimmt. So entwickelte Caminada für die Ställe die traditionelle Bohlenkonstruktion weiter und kreierte ein vorfabriziertes Rahmensystem, mit dem sich zeitgenössische Strickbauten realisieren lassen, die innen mit Spanplatten verkleidet, aussen aber mit Latten verschalt sind.

Präzise unterhalb des Dorfzentrums in der Landschaft aufgereiht sind die beiden Ställe und die genossenschaftliche Mazlaria (Metzgerei). Während sie sich mit ihren Pultdächern sanft in den Hang schmiegen, treten ihre Fassaden bildhaft in Erscheinung. Städtischer wirkt die durch ein langes Bandfenster akzentuierte Mehrzweckhalle, die - als Zentrum des Gemeindelebens - unterhalb des Schulhauses an die Hangkante gesetzt ist. Ihr weiter Innenraum wurde dank einer von Jürg Conzett erfundenen Binderkonstruktion möglich, die von Robert Maillarts Magazzini Generali in Chiasso angeregt wurde, aber auch an japanische Tempel gemahnt. Das von Caminada bewusst als Ort der Begegnung gestaltete Totenhaus schliesslich ist in seinem Inneren als rötlich schimmernde Raumskulptur konzipiert. Aussen aber ist der Holzbau weiss gekalkt, um ihn optisch der steinernen Barockkirche anzunähern. Eine archiskulpturale Lösung fand Caminada auch für das als begehbares Kunstobjekt ausgeformte Treppenhaus des Mädcheninternats in Disentis. Der kubische Aussenbau hingegen ist exakt eingepasst in das urbanistische Gefüge unterhalb der monumentalen Klosteranlage. Hier, im städtisch angehauchten Disentis, wechselte Caminada ganz selbstverständlich vom ländlichen Holz zum urbaneren Beton und Putz.

Der längst auch ausserhalb Graubündens lehrende und arbeitende Caminada hat kürzlich mit seinen «Thesen zur Stärkung der Peripherie» skizziert, dass die Alpenregion den urbanen Zentren durchaus noch Impulse (von der Baukunst bis zur Identitätsfindung) geben kann. Es wäre deshalb wünschbar, dass seine aus der Analyse des Ortes hergeleitete Architektur nicht nur in Bergdörfern, die durch architektonischen Wildwuchs bedroht sind, sondern auch im städtischen Raum vermehrt als vorbildlich anerkannt würde.

Meraner Retrospektive

Bereits geschehen ist dies im benachbarten Südtirol. Dort hat das Ausstellungshaus Kunst Meran eine erhellende Schau zusammengestellt, die Caminadas bisheriges Schaffen mittels Plänen, Modellen und suggestiver Fotos von Lucia Degonda fassbar macht und im umfassenden Katalogbuch theoretisch vertieft. Damit führt das initiative Zentrum, das sich ganz der Gegenwartskultur widmet, seinen Architekturzyklus fort, in welchem bereits der Schweizer Jürg Conzett zum Zuge kam. Caminadas Werk macht sich hier gut, denn das in einem von den Meraner Architekten Höller & Klotzner umgebauten Altstadthaus untergebrachte Museum darf selbst als Beispiel eines sorgsamen Umgangs mit dem baulichen Bestand gelten. Damit kündet dieser Bau im Etschtal, das ähnlich wie die Schweiz auf die Probleme der Zersiedelung einer prachtvollen Natur umweltverträgliche Antworten finden muss, einen leisen architektonischen Aufbruch an.

Bis 26. Juni im Kunsthaus Kunst Meran (Lauben 163). Katalog: Gion Caminada. Hrsg. Bettina Schlorhaufer. Quart-Verlag, Luzern 2005. 193 S., Fr. 78.- (Euro 49.- in der Ausstellung).

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.06.03

31. Mai 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Leichtigkeit des Bauens

Mit ihren wie von einer frischen Brise geblähten Segeln kündeten fünf ineinander verzahnte zeltartige Pavillons auf der Expo 64 in Lausanne von einer unbeschwerten...

Mit ihren wie von einer frischen Brise geblähten Segeln kündeten fünf ineinander verzahnte zeltartige Pavillons auf der Expo 64 in Lausanne von einer unbeschwerten...

Mit ihren wie von einer frischen Brise geblähten Segeln kündeten fünf ineinander verzahnte zeltartige Pavillons auf der Expo 64 in Lausanne von einer unbeschwerten Zukunft. Diese heiteren Zeichen des Aufbruchs lagen damals im Trend. So war der Genfer Marc Saugey, der die Expo- Zelte entworfen hatte, nicht nur inspiriert von Le Corbusiers Philips-Pavillon von 1958 in Brüssel, sondern mehr noch von den Segelkonstruktionen, die der junge deutsche Architekt und Ingenieur Frei Otto für die Bundesgartenschauen von 1955 in Kassel und 1957 in Köln entwickelt hatte. Für die Ausführung seiner Expo-Vision holte Saugey denn auch Rat bei Otto, der schon in seiner 1955 publizierten, international beachteten Dissertation die Technik des Spitzzeltes formuliert hatte.

Expo-Pavillon und Olympia-Zelt

Aber nicht nur Schweizer interessierten sich für den damals in Berlin tätigen Bauforscher. Die Stadt Stuttgart bot Otto 1964 die Leitung des von ihm zu gründenden Instituts für leichte Flächentragwerke an. Die dort gesammelten Erkenntnisse konnte Otto bald schon beim deutschen Pavillon der Weltausstellung in Montreal anwenden, den er zusammen mit Rolf Gutbrod konzipierte. Dank Ottos Seilnetztechnik, die es erlaubte, grosse Membranflächen mittels schlaufenförmiger Fangseile aufzuspannen, liess sich eine tanzende Zeltlandschaft komponieren, die 1967 der Welt eine spielerische Bundesrepublik vorführte. Auf dieses Meisterwerk bezog sich Günter Behnisch bei seinem Wettbewerbsprojekt für die Olympischen Spiele von 1972 in München. Obwohl der Schweizer Bauingenieur Heinz Isler berechnet hatte, dass die Spannweiten des Expo-Zeltes problemlos verdreifacht werden konnten, brachte erst Frei Otto, der später zum Team gestossen war, mit der Idee sattelförmig gekrümmter und an Tragmasten aufgehängter Netze die formalästhetische und technische Lösung des Projektes.

Dem eng mit der Isarmetropole verbundenen Meister, der am heutigen 31. Mai seinen 80. Geburtstag feiern kann, widmet nun das Architekturmuseum der Technischen Universität München in der Pinakothek der Moderne aus Anlass dieses Jubiläums die erste grosse Retrospektive überhaupt. Die reich mit Originalmaterial - Skizzen, Zeichnungen, Plänen und sympathisch altmodisch wirkenden Modellen - bestückte und durch einen wissenschaftlichen Katalog vertiefte Schau ermöglicht es, das Œuvre dieses Erfinders unter den Nachkriegsarchitekten erstmals in all seinen Dimensionen zu erfassen. Otto realisierte nicht nur leichte Zeltkonstruktionen, von denen die ebenfalls zusammen mit Gutbrod entwickelte und an ein gigantisches Beduinenzelt erinnernde Sporthalle in Jidda die wohl eigenwilligste ist. Mit der Multihalle der Bundesgartenschau von 1975 in Mannheim schuf er eine organisch geformte Stabwerkskuppel, die wie eine Vorläuferin heute modischer Blobformen - etwa der «Blauen Blase» des Kunsthauses Graz von Cook & Fournier - wirkt. Erarbeitet hatte Otto den komplexen Bau mittels einer an Gaudís Kettenmodell der Sagrada Familia erinnernden Maquette. Diese ist in der Münchner Schau ebenso zu sehen wie die Forschungsdokumente zu seinen pneumatischen Riesenkuppeln - beispielsweise für eine arktische Stadt, die er gemeinsam mit Kenzo Tange ausgedacht hatte - oder zu seinen Ökohäusern, von denen eines für die IBA in Berlin stark modifiziert realisiert werden konnte.
Vorbildlich bis heute

Zu einer Erfolgsgeschichte wurden auch seine als Grossschirme ausgeformten wandelbaren Dächer, die 1977 sogar auf der Amerikatournee von Pink Floyd zum Einsatz kamen. Mit den Ufo-artigen Fertigungspavillons der Büromöbelfirma Wilkhahn in Bad Münder bewies er 1988, dass Industriearchitektur mehr leisten kann als nur das Bereitstellen banaler Fabrikcontainer. Wie aktuell Frei Ottos Erfindungen heute noch sind, zeigt Renzo Pianos «Bigo» im Hafen von Genua ebenso wie der Londoner Millennium Dome von Richard Rogers. Für einen der aussergewöhnlichsten Bauten der Expo 2000 in Hannover schliesslich, den aus Kartonröhren konstruierten japanischen Pavillon, konnte Shigeru Ban sogar die Mitarbeit Frei Ottos gewinnen. Dessen Traum vom pneumatischen Bauen mit Luft und dünnen Folien lebt bildhaft aber auch in einem Bau weiter, der just gestern in München eingeweiht wurde (NZZ 28. 5. 05): der an ein weisses Gummiboot erinnernden Allianz-Arena von Herzog & de Meuron.

[Bis 28. August in der Pinakothek der Moderne. Katalog: Frei Otto. Das Gesamtwerk. Hrsg. Winfried Nerdinger. Birkhäuser- Verlag, Basel 2005. 392 S., Fr. 118.- (Euro 40.- in der Ausstellung).]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2005.05.31

23. Mai 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Weltraumdesign und Kommerzarchitektur

Beinahe über Nacht rückte Japan 1972 mit dem Nakagin-Kapselturm ins Bewusstsein der internationalen Architektenavantgarde. An der noblen Ginza in Tokio...

Beinahe über Nacht rückte Japan 1972 mit dem Nakagin-Kapselturm ins Bewusstsein der internationalen Architektenavantgarde. An der noblen Ginza in Tokio...

Beinahe über Nacht rückte Japan 1972 mit dem Nakagin-Kapselturm ins Bewusstsein der internationalen Architektenavantgarde. An der noblen Ginza in Tokio hatte damals Kisho Kurokawa ein Haus wie aus einem Science-Fiction-Film realisiert, von dem die jungen Wilden in Europa, die sich in Gruppen wie Archigram oder Superstudio zusammenfanden, nur träumen konnten. An zwei Erschliessungsmasten liess Kurokawa 140 waschmaschinenartige Wohncontainer befestigen, in denen auf jeweils zehn Quadratmetern Grundfläche Küche, Bad, Büro, Sitzecke und Bett untergebracht sind. Fast wie in einer Weltraumrakete erlauben sie auf einem Minimum an Platz ein Maximum an Komfort. Es erstaunt daher nicht, dass der Kapselturm und sein gestylter Bruder, der Sony-Tower in Osaka, längst zu Ikonen der japanischen Nachkriegsmoderne geworden sind.

Diese legendären Frühwerke wirken zwar verglichen mit Kurokawas jüngsten Megaprojekten wie dem Grossflughafen von Kuala Lumpur bescheiden. Gleichwohl handelt es sich bei den Türmen um gebaute Manifeste, an denen Kurokawa die 1960 zusammen mit Kiyonori Kikutake entwickelte Theorie des Metabolismus im realen Raum erprobte. Der Begriff Metabolismus, den die beiden Architekten von der Biologie übernommen hatten, stand für eine prozesshafte, auf gesellschaftliche Entwicklungen reagierende und durch den baulichen «Stoffwechsel» bestimmte Architektur des Lebens, die - eher auf die Städteplanung als auf das Einzelhaus ausgerichtet - eine Alternative zum Maschinenprinzip der abendländischen Moderne bieten wollte.

Ihren Höhe- und Endpunkt sollte die metabolistische Bewegung 1970 mit den Pavillons der Weltausstellung von Osaka erreichen. Danach wurde es eher still um Kurokawa, bis er in den achtziger Jahren mit einem geschliffen eleganten, von west-östlichen Traditionen inspirierten Klassizismus einmal mehr für Irritierung sorgte. Die seither entstandenen Bauten erklärte er mit der Symbiose heterogener Konzepte und verwies auf die von ihm proklamierte «Kultur des Graus», wobei er im Grau eine Antwort auf die dualistische, schwarzweisse Weltsicht Europas sah. Die daraus resultierende ganzheitliche Planung manifestierte sich unter anderem im stahlgrauen, entfernt an ein japanisches Dorf erinnernden Museum für zeitgenössische Kunst von Hiroshima, das sich seit 1988 leicht erhöht über dem Zentrum der Stadt in einem Hain aus Kampferbäumen verbirgt. Dieser Baukomplex verkörpert im Sinne der für Kurokawa wichtigen «buddhistischen Koexistenz» ein Zusammengehen von Geschichte, Stadt, Natur und Technik. Der von der Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie geprägte Versuch, Ordnung ins Chaos zu bringen, fand 1987 Eingang in den architekturphilosophischen Traktat «Shin Kyosei no shiso», für den Kurokawa 1993 den Grossen Preis der japanischen Literatur erhielt und der nun als «Kurokawa-Manifest» auch auf Deutsch vorliegt.

Der 71-jährige Kurokawa leitet noch immer sein seit 1962 allmählich zur Grossfirma angewachsenes Architekturbüro, das bis heute mehr als 100 Bauten realisiert und gut 400 Projekte entworfen hat. Diese erstaunliche Produktivität spiegelt sich zurzeit in einer überreichen, fast wie eine Werbeveranstaltung inszenierten Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt, die von einem Katalog mit lesenswerten Essays begleitet wird. Anhand von Bildtafeln und miniaturhaften, bis in jedes Detail ausgearbeiteten Modellen werden Kurokawas Hauptwerke vorgestellt vom längst zerstörten Vergnügungszentrum «Hawaii Dreamland» in Yamagata (1967) bis hin zum Projekt des organisch geformten und ökologisch angehauchten Zwillingshochhauses «Fusionpolis» in Singapur, das 2007 eröffnet werden soll. Darüber hinaus veranschaulicht die Schau - wohl eher unbeabsichtigt, dafür umso deutlicher -, wie das immer stärker kommerzialisierte Baugeschehen der letzten Jahre aus einem kreativen Vordenker einen sich mit den wirtschaftlichen und technologischen Zwängen arrangierenden Architekten gemacht hat, dem offensichtlich kein Projekt zu gross ist.

Von riesigen Strukturen war Kurokawa allerdings seit je fasziniert. So entwarf er 1961 für die Bucht von Tokio die von DNA-Strängen angeregte Helix City, die sogar als «Star Wars»- Kulisse beeindrucken würde. Verglichen mit dieser Stadtutopie erscheinen seine Masterpläne für die Neustadt von Zhengdong in China oder für Kasachstans Hauptstadt Astana trotz ihren gigantischen Dimensionen fast schon bescheiden. Bei diesen Mammutunternehmen scheint sich Kurokawa, der sich mit Investoren stets zusammenraufen konnte, damit abgefunden zu haben, dass auch die ambitioniertesten Entwürfe im Getriebe sich widersprechender Interessen letztlich nur in verstümmelter Form umgesetzt werden können. Wichtiger als der schöne Schein ist diesem Denker unter den Architekten ohnehin der respektvolle Umgang mit der Natur, den Ressourcen und den Bedürfnissen der Nutzer und der Menschen ganz allgemein.

[ Bis 19. Juni im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt. Katalog: Kisho Kurokawa. Metabolismus und Symbiosis. Deutsch und englisch. Hrsg. Peter Cachola Schmal, Ingeborg Flagge und Jochen Visscher. Jovis-Verlag, Berlin 2005. 159 S., Fr. 50.40 (Euro 29.80). - Kisho Kurokawa: Das Kurokawa-Manifest. Jovis-Verlag, Berlin 2005. 382 S., Fr. 42.20. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2005.05.23

21. Mai 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Selbstbewusste Monumente

Schon in den ersten Jahrzehnten nach Krieg und Shoah entstanden in Deutschland einige beachtenswerte Synagogen. Doch erst die Zuwanderung aus Osten bewirkte eine zaghafte Blüte des jüdischen Sakralbaus. Davon zeugen Synagogen in Chemnitz, Dresden oder Duisburg sowie bedeutende Projekte für Mainz und München.

Schon in den ersten Jahrzehnten nach Krieg und Shoah entstanden in Deutschland einige beachtenswerte Synagogen. Doch erst die Zuwanderung aus Osten bewirkte eine zaghafte Blüte des jüdischen Sakralbaus. Davon zeugen Synagogen in Chemnitz, Dresden oder Duisburg sowie bedeutende Projekte für Mainz und München.

Eine Welt der Toleranz, der vielen Wahrheiten hat die Europäer von jeder Vormundschaft des Glaubens befreit. Trotz der damit einhergehenden Schwächung der religiösen Institutionen erlebt die Sakralarchitektur seit Jahren eine Blüte - zumal, was den formalen Reichtum neuer Bauten anbelangt. Denn Künstlerarchitekten können sich hier wie kaum anderswo entfalten und ihre Projekte durch mystische Stimmungen und poetische oder metaphysische Dimensionen adeln. Während aber seit den achtziger Jahren von Portugal bis Finnland aussergewöhnliche Kirchen entstanden, blieb es um die Synagogenarchitektur lange eher still. Wohl wurden seit dem Zweiten Weltkrieg auch in Europa jüdische Sakralbauten errichtet. Spektakuläre Bauwerke wie Angelo di Castros Synagoge in Livorno (1962), eine hochexpressive Architekturskulptur mit einem polygonalen, zeltartigen Innenraum, blieben jedoch rar. Und selbst dieser Bau konnte und wollte sich mit dem Jahrhundertwerk von Le Corbusiers Wallfahrtskapelle in Ronchamp nicht messen. Gleiches galt für die beiden architektonisch bedeutendsten Synagogen jener Zeit in Deutschland: die durch Erich Mendelsohn angeregte halbkugelförmige Anlage von Dieter Knoblauch und Heinz Heise in Essen (1959) sowie Hermann Guttmanns halb ovalen Bau von 1963 in Hannover.

NEUBEGINN MIT BOTTA

Erst gut dreissig Jahre nach den Bauten von Guttmann und di Castro gelang dem Tessiner Architekten Mario Botta mit der von einem Schweizer Stifterpaar in Auftrag gegebenen Cymbalista-Synagoge ein neues Meisterwerk des europäischen Synagogenbaus - nicht auf dem alten Kontinent allerdings, sondern auf dem Campus der Tel Aviv University. Dieses Monument mit seinen Kubus und Zylinder zum kosmischen Symbol vereinenden Zwillingstürmen erscheint wie eine moderne Kreuzritterburg oder - dank den beiden an Boas und Jachin erinnernden Eingangspfeilern - wie eine eigenwillige Interpretation des Salomonischen Tempels und darf als Quintessenz der jüdischen Sakralarchitektur von der Prager Altneuschul bis hin zu Louis Kahns unrealisiert gebliebener Hurva-Synagoge in Jerusalem gelten. Sein baldachinartig überdachtes, von segmentförmigen Oberlichtern und einem kleinen Fensterkranz erhelltes Inneres kann ebenfalls als idealtypisch bezeichnet werden. Es erstaunt daher nicht, dass dieses Gebäude sogleich einen bemerkenswerten Einfluss ausübte.

Wenige Monate nach der Eröffnung von Bottas Cymbalista-Synagoge konnte am 9. November 1998, dem sechzigsten Jahrestag der Reichspogromnacht, in Duisburg das jüdische Gemeindezentrum von Zvi Hecker eröffnet und in Dresden der Grundstein zu einer neuen Synagoge gelegt werden. Diese beiden Anlagen sollten durch ihr ungewöhnliches Erscheinungsbild die Geschichte der jüdischen Sakralarchitektur nach 1945 in Deutschland verändern. Denn die zwischen der Gründung der Bundesrepublik und der Wiedervereinigung gebauten Synagogen und Betstuben - rund 60 an der Zahl - waren mehrheitlich klein und folgten in ihrem einfachen Äusseren meist der modernen Kistenform, die Fritz Landauer 1930 bei der Synagoge in Plauen oder Robert Friedmann und Felix Ascher 1931 in Hamburg entwickelt hatten. Aufsehenerregende Bauwerke waren damals nicht gefragt, zum einen weil die meisten Gemeinden klein waren, zum andern weil ihre von der Shoah traumatisierten Mitglieder keine Zeichen setzen wollten.

In ihrem Inneren zeigen viele dieser Bauten eine bei Reformgemeinden schon seit der Gründerzeit auszumachende «Tendenz zur Synagogenkirche», bei der das Bima oder Almemor genannte Podest für die Thoralesung von der Raummitte hin zu dem nach Jerusalem ausgerichteten Thoraschrein verschoben ist. Diese architektonische Entwicklung drohte aus Synagogen optisch neutrale Sakralräume zu machen, die nur noch durch einige Symbole als jüdisch charakterisiert sind. Nicht zuletzt deshalb publizierte 1988 der Architekt und heutige Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, im Katalog zur Frankfurter Ausstellung «Die Architektur der Synagoge» mit dem Traktat «Synagoge '88» seine Theorie des zeitgenössisch aschkenasischen Synagogenbaus - und dies, obwohl er damals kaum mehr eine Zukunft für die Synagogenarchitektur in Deutschland sah.

THEORIE DES SYNAGOGENBAUS

Korn hielt in seiner Abhandlung fest, dass es keine besondere jüdische Bauweise, wohl aber eine «originär-räumliche Anordnung» für aschkenasisch-orthodoxe Synagogen gebe. Die zentral positionierte Bima und der in die Ostwand eingelassene Thoraschrein verlangten nach den unterschiedlichen Raumformen von Zentralbau und Langhaus. Auf die daraus sich ergebende «synagogale Raumantinomie» solle der Architekt mit einem spannungsvollen Raumkontinuum im Sinne eines zentralisierten Langhauses oder eines longitudinalen Zentralraums antworten. Zu diesem Zweck könne die Frauenempore hilfreich sein, aber auch die architektonische Umsetzung des Gegensatzes von «provisorischem» Stiftszelt und «dauerhaftem» Tempel, wobei mit einem von der steinernen Raumhülle abgehängten Baldachin die Längsrichtung auf den Thoraschrein hin, mit einem zenitalen Licht über der Bima aber das Zentrum betont werden könne. Im Entwurf müssten diese synagogalen Elemente in eine zeitgenössische Architektursprache übersetzt werden. Bei Neubauten in Deutschland sei dabei zudem der Aspekt des «schmerzlichen, aber notwendigen Erinnerns» zu berücksichtigen.

Dieser theoretische Leitfaden, welcher dreizehn Jahre später in der neuen Synagoge von Dresden eine grossartige künstlerische Umsetzung finden sollte, war genau im richtigen Zeitpunkt erschienen. Strömten doch nach den Umwälzungen im ehemals kommunistischen Machtbereich aufgrund einer bewusst liberalen, seit Anfang 2005 allerdings durch das mit Israel abgesprochene Zuwanderungsgesetz modifizierten Einwanderungspraxis Zehntausende von Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland, was bald schon den Bau neuer jüdischer Gemeindezentren und Synagogen nötig werden liess. Dieser Baubedarf machte zusammen mit Korns theoretischem Impuls aus Deutschland ein Zentrum der innovativen Synagogenarchitektur.

Als eindrücklichster Beweis dafür darf der 1997 durchgeführte Wettbewerb für ein jüdisches Zentrum auf dem Gelände der zerstörten Semper- Synagoge in Dresden gelten, an dem international bekannte Architekten wie Zvi Hecker, Daniel Libeskind, Heinz Tesar und Livio Vacchini teilnahmen und Entwürfe vorlegten, welche bezüglich ihrer architektonischen Qualität durchaus neben den in den letzten 50 Jahren realisierten Meisterwerken von Frank Lloyd Wright, Louis Kahn, Philip Johnson, Minoru Yamasaki oder Mario Botta bestehen können. Das Siegerprojekt des Locarneser Architekten Vacchini, in welchem sich lateinischer Rationalismus mit Kahns additiver Bauweise vereinte, erinnerte mit den beiden Kuben von Synagoge und Gemeindehaus entfernt an Bottas Bau in Tel Aviv. Hohe Betonpfeiler sollten die beiden Volumen und den dazwischen sich öffnenden Innenhof umfassen. Durch einen Vorhof wäre man in den nach Südosten gerichteten quadratischen Sakralraum gelangt, in welchem wie bei Bottas Synagoge in Tel Aviv der Raumkonflikt durch eine Bestuhlung nach sephardischem Ritus sowie durch eine der italienischen Tradition folgende bipolare Anordnung von Bima und Thoraschrein gelöst werden sollte.

Die jüdische Gemeinde von Dresden gab aber dem drittrangierten Projekt von Wandel Hoefer Lorch und Hirsch den Vorzug. Ausgehend von Korns Theorie des Synagogenbaus, schufen die jungen Architekten aus Saarbrücken und Frankfurt eine höchst eindrückliche Anlage. Wie Bottas Synagoge besteht sie aus zwei bipolar angeordneten Steinkuben, wobei das Gemeindehaus mit einer vitrinenartigen Glasfassade auf den zentralen Hof blickt, der fast hermetisch geschlossene Würfel der Synagoge sich aber mit zunehmender Höhe nach Osten abdreht. In diesen ist ein baldachinartiges, den eigentlichen Betsaal umschliessendes Gewebe aus golden schimmerndem Messingdraht eingehängt, unter welchem Thoraschrein, Bima und Frauenempore wie Möbel angeordnet sind. Von geheimnisvollem Oberlicht erhellt, verweist dieser Raum auf das mosaische Stiftszelt. Die steinerne Gebäudehülle hingegen soll an den Tempel in Jerusalem erinnern. Den Architekten gemäss symbolisiert damit die neue Synagoge den schon von Korn thematisierten «Konflikt zwischen Stabilität und Zerbrechlichkeit, zwischen Dauerhaftem und Provisorischem». Trotz starker Anlehnung an Korns Theorie haben es die Architekten verstanden, die Klippen des Formalismus zu umschiffen und ein stimmungsvolles Raumgefüge zu schaffen, in welchem sich - wie einst bei Kahns Sakralbauten - alles um Spiritualität, Mystik, Licht und Schatten dreht.

Das prominent als Abschluss des Elbpanoramas errichtete Bauwerk zeugt vom neuen Selbstverständnis der in den letzten Jahren schnell gewachsenen jüdischen Gemeinde Dresdens. Gleichzeitig erinnert es mit dem Davidstern über dem Synagogeneingang, mit einigen in die Hofwand eingemauerten Fundamentsteinen und dem durch Bruchglas angedeuteten Grundriss an die in der Reichspogromnacht geschändete Synagoge Gottfried Sempers und erfüllt so Korns Forderung, dass neue Synagogen in Deutschland auch die dunkle Vergangenheit in Erinnerung rufen sollen. Deshalb darf dieses architektonisch, künstlerisch und kultisch gleichermassen überzeugende Bauwerk, in dem Synagoge, Gemeindezentrum und Mahnmal eine Einheit von grosser skulpturaler Klarheit bilden, als einer der bedeutendsten Sakralbauten unserer Zeit bezeichnet werden.

ZEICHENHAFTE VIELFALT

Verzichtete man in Dresden bewusst auf formale Anleihen an die Semper-Synagoge, so zitierte der an der ETH Zürich ausgebildete Frankfurter Architekt Alfred Jacoby in der postmodern stilisierten «Doppelturmfassade» seiner 1988 geweihten Synagoge von Darmstadt dieses Hauptwerk der deutschen Architektur ganz explizit. Aufgrund der leicht lesbaren Bildhaftigkeit und der stereometrischen Einfachheit stiess der Darmstädter Sakralbau ausser bei Salomon Korn, der damals ganz allgemein eine philosemitische Scheu vor der Kritik am Synagogenbau feststellte, durchwegs auf Zustimmung und begründete Jacobys Erfolg als Synagogenarchitekt. Dank Wettbewerben und Direktaufträgen konnte Jacoby denn auch in den letzten 17 Jahren sechs weitere Synagogen in Aachen, Chemnitz, Heidelberg, Kassel, Köln und Offenbach realisieren.

Der stimmungsvolle Innenraum und die an den Salomonischen Tempel gemahnende Hülle aus Zedernholz, durch deren Lattenwerk der Thoraschrein von aussen zu erahnen ist, verleihen Jacobys Kasseler Synagoge eine gewisse Intimität. Das 1998 aus einem Direktauftrag hervorgegangene und 2002 eingeweihte jüdische Zentrum von Chemnitz, das leicht erhöht am Rand der Innenstadt errichtet wurde, verströmt hingegen fast schon glamouröse Eleganz. Dies nicht zuletzt wegen des einer Thorakrone gleich über ovalem Grundriss aus dem niedrigen Gemeindehaus emporwachsenden Synagogenturms aus Beton und Glas, der in einer Art Vitrine den Thoraschrein nach aussen sichtbar werden lässt. Der Zentralbau und Langhaus verschmelzende Innenraum, der - in Widerspruch zu Korn - liberal gestaltet ist, besticht durch sorgfältige Details und das in Synagogen beliebte magisch blaue Licht.

Weniger geglückt ist hingegen Jacobys Neubau in Aachen, der aus einem 1991 durchgeführten Wettbewerb resultierte. Weit überzeugender war hier das rigorose Projekt des Basler Architekten Roger Diener, der sich im Zusammenhang mit der Restaurierung der alten Synagoge seiner Heimatstadt eingehend mit der Geschichte des jüdischen Sakralbaus befasst hatte. Diener widersetzte sich mit dem Entwurf eines leicht zurückversetzten kubischen Gebäudeclusters, der durch Höfe und Passagen zum Synagogeneingang führt, der gewünschten Reparatur des Stadtraums, um an den Bruch in Aachens jüdischer Geschichte zu gemahnen. «Mit der aufgesetzten Struktur einer lichtführenden Decke» (Diener) hätte sich die Synagoge selbst über die anderen Bauteile der Anlage erhoben und so eine Forderung im Talmud erfüllt, wonach das Heiligtum die höchste Stelle eines Ortes markieren soll.

Im Innern des einfachen, von zenitalem Licht erhellten Hallenbaus wollte Diener die räumliche Trennung der Geschlechter nicht nach dem seit dem Barock bewährten integrativen Schema der Frauenempore, sondern nach dem additiven romanischen Vorbild von Worms handhaben, indem er die «Frauenschul» rechtwinklig an die Nordseite des Synagogenraums gefügt und auf diesen geöffnet hätte. Dadurch, dass Diener den longitudinalen Hauptraum mittels der Frauenabteilung auf die Bima hin zentrierte, fand er zu einer höchst eigenwilligen Lösung des synagogalen Raumkonflikts. Aussen sollte die Synagoge von einer papieren wirkenden Holzhaut mit aufgemalten hebräischen Zeichen umhüllt werden, die laut Diener an die «Bedeutung von Wort und Schrift für die jüdische Religion» erinnert hätte.

Mit seiner urtümlichen Trennung von Männerbereich und «Frauenschul» berief sich Diener auf die lange deutsche Tradition der Synagogenarchitektur, die schon in der rheinländischen Romanik von Speyer über Mainz bis Köln bedeutende Bauten hervorgebracht hatte. Damals begann sich das aschkenasische Raumschema mit zentraler, oft zwischen zwei Pfeilern errichteter Bima und nach Osten orientiertem Thoraschrein zu formen, während die Frauenempore erst in der Neuzeit grössere Verbreitung fand. Nach der Aufklärung wurde es in einigen deutschen Residenzstädten erstmals möglich, wirklich repräsentative Synagogen zu planen und zu bauen, wie Heinrich Christoph Jussows pantheonartiger Entwurf für Kassel oder die 1806 geweihte ägyptisierende Synagoge von Friedrich Weinbrenner in Karlsruhe beweisen. Später im 19. Jahrhundert entstanden dann viele grosse, meist liberale Synagogen, die bald im maurischen Stil mit neu erwachtem Selbstbewusstsein das religiöse Anderssein, bald mit romanischen Formen die Zugehörigkeit zur deutschen Kulturnation betonten.

EXPRESSIVE FORMEN

Einem barocken Jugendstil verpflichtet war hingegen die 1912 geweihte Hauptsynagoge von Willy Graf an der Hindenburgstrasse in Mainz, von der nach Reichspogromnacht und Krieg einem Mahnmal gleich nur noch die Säulen des Portikus übrig blieben. Beim 1999 ausgelobten Wettbewerb für eine neue Synagoge an derselben Stelle schlug Roger Diener zwei aneinander gefügte, kistenförmige Bauten für Synagoge und Gemeindehaus vor. Der Thoraschrein wäre in die östliche Längswand des von vier grossen Fenstern erhellten Raumes eingefügt worden, während die lange Westwand bei Bedarf zum höher gelegenen Gemeindesaal hätte geöffnet werden können. Für eine eigentliche Sensation aber sorgte der damals 30-jährige Manuel Herz aus Köln, der an der renommierten Architectural Association (AA) in London studiert und anschliessend für Daniel Libeskind die Synagogen- Wettbewerbe in Duisburg und Dresden betreut hatte. Sein Siegerprojekt, das hoffentlich bald realisiert werden kann, verspricht zum bedeutendsten jüdischen Zentrum der letzten 60 Jahre in Deutschland zu werden.

Mit einer fast wie ein Schofar oder Widderhorn gebogenen Grundrissform, die vor der Synagoge einen kleinen Platz frei lässt, nähert sich Herz der einstigen Hofrandbebauung an. Das auffällige Aussehen von Sakralbau und Gemeindehaus basiert auf der stilisierten Umsetzung der fünf hebräischen Zeichen des Wortes Keduscha, das für den Akt des Lobpreisens steht und die Anlage unter einen besonderen Segen stellen soll. Herz liess sich vom Objektcharakter hebräischer Buchstaben anregen, «die fast wie Bausteine gesetzt werden» und aus denen etwa die Texte im Talmud «wie ein Gebäude oder eine Bühne konstruiert» sind. Der Synagoge verleiht das Kuf genannte hebräische K eine himmelweisende Bewegung, während die Buchstaben Dalet, Waw, Schin und He den Umriss von Eingangsfoyer, Versammlungssaal und Schule bestimmen. Dadurch entsteht eine dekonstruktivistisch verschachtelte Miniaturstadt, in welcher die Synagoge als höchster Bau ausgezeichnet ist. Deren trichterförmiges Dach lässt Tageslicht auf die Bima fluten, gibt dem Längsbau ein Zentrum und löst so den synagogalen Raumkonflikt. Die geplante Aussenhaut aus orientalisch anmutendem türkisfarbenem Klinker verweist mit ihrer gerillten Oberfläche erneut auf das uralte jüdische Blasinstrument des Schofar, dessen Klang an hohen Feiertagen die Gemeinde zusammenruft.

Schriftlastigkeit, Expressivität und ein Hang zu abstrakten Symbolen verbinden das Schaffen von Herz mit dem von Libeskind oder Zvi Hecker. Obwohl es auch jüdische Architekten gibt, die eher rational bauen wie Richard Meier, glaubte der grosse italienisch-jüdische Architekturhistoriker Bruno Zevi im Dynamischen und Logozentrischen typische Eigenschaften der vom jahrhundertealten Erbe der Heimatlosigkeit geprägten jüdischen Architektur zu erkennen. Dieser Sicht entspricht Heckers ausdrucksstarkes Gemeindezentrum in Duisburg. Seine fünf weit ausgreifenden Betonbügel verkörpern die geöffneten Seiten des Buchs der Bücher, das über Jahrtausende die Diaspora zusammenhielt und über das und die Kultur der Schrift ganz allgemein sich laut Hecker «jüdische Kultur und Identität hauptsächlich entwickelten». Als eine Art Wegweiser stellen diese Bügel geistige Bezüge zu fünf Orten im Duisburger Stadtgefüge her, die mit der jüdischen Geschichte verknüpft sind.

Der dreieckige, spitz zum Thoraschrein und zur Bima zulaufende Synagogenraum mit Frauenempore, der über Grundriss und Sichtachsen eng mit dem Gemeindezentrum verwoben ist, nimmt nur einen bescheidenen Teil der Gesamtanlage ein. Denn für den laizistischen Israeli Hecker stand von Anfang an die Gemeinde im Zentrum - eine mehrheitlich aus älteren, mit religiösen Überlieferungen oft kaum vertrauten Immigranten bestehende Gemeinde, die nach Identität sucht. Hier bildet erstmals eine Synagoge in der von Hermann Guttmann beschriebenen Entwicklung «vom Tempel zum Gemeindezentrum» nicht mehr das eigentliche Herzstück der Anlage.

Für die gegenteilige Haltung entschieden sich Wandel Hoefer Lorch und Hirsch in München, wo sie die Synagoge als skulpturalen Blickfang vor einem Baukomplex inszenieren, zu dem neben dem Gemeindehaus auch ein Jüdisches Museum zählt und der bei seiner Fertigstellung Ende 2006 das grösste jüdische Zentrum Europas darstellen wird. Diese räumliche Verdichtung jüdischer Lebensbereiche erachtete Manuel Herz in einem 2003 an der Stanford University gehaltenen Vortrag als typisch für Deutschland und kritisierte die damit verbundene Zeichenhaftigkeit aus kulturellen und politischen Überlegungen heraus. Allerdings war die jüdische Gemeinde München an einem baukünstlerischen Zeichen gar nicht interessiert. Sie hätte lieber den ebenso konventionellen wie architektonisch banalen Kuppelbau realisiert, den der Münchner Architekt Johannes Dotzauer in der ersten Wettbewerbsrunde vorgelegt hatte. Doch die Stadt München träumte von einer bedeutungsvollen Architektur am Jakobsplatz, damit - laut Oberbürgermeister Christian Ude - «jüdische Kultur wieder einen würdigen Platz in der Münchner Innenstadt erhält». Deshalb wurden für den zweiten Durchgang einige Büros dazugeladen, darunter Wandel Hoefer Lorch, die 2001 den Sieg errangen. Wenn nun die Bautafel vor Ort stolz verkündet, «die Israelitische Kultusgemeinde kehrt in die Mitte Münchens zurück», so drückt sich darin vor allem die Hoffnung vieler nichtjüdischer Münchner aus, das grossartige Werk möge zum weithin sichtbaren Symbol dafür werden, dass Deutschland 60 Jahre nach Holocaust und Krieg wieder ein Land wie jedes andere geworden sei.

MONUMENTE IM HERZEN DER STADT

In der Tat dürfte München Ende 2006 mit dem neuen Zentrum der Israelitischen Kultusgemeinde ein leuchtendes Wahrzeichen erhalten, das weltweit Beachtung finden wird. Von den drei leicht gegeneinander verschobenen Baukörpern, die den Jakobsplatz neu definieren, dürfte das multifunktionale Gemeindehaus, das mit einem Altbau zu einem Hofrandgeviert und so gleichsam mit der Geschichte Münchens verschmolzen wird, vergleichsweise konventionell ausfallen. Das Museum hingegen wird sich als steinerner Quader, der über einem vitrinenartigen gläsernen Erdgeschoss schwebt, wie eine minimalistische Skulptur in Szene setzen. Mehr noch gilt dies für die Synagoge, die als ein nachts schimmerndes textiles Objekt aus einem klagemauerartigen Travertinsockel herauswachsen wird. Dabei wird sie - ähnlich wie die Dresdner Synagoge - den Widerspruch zwischen Provisorischem und Dauerhaftem thematisieren, nur dass diesmal das erneut aus einem Metallgewebe bestehende «Stiftszelt» nicht in den «Tempel» hineingehängt ist, sondern nach aussen in Erscheinung treten wird.

Das gegenwärtig vielerorts in Deutschland auszumachende Bestreben, jüdische Sakralbauten an städtebaulich prominenten Orten zu errichten, wird in München eine neue Dimension erreichen. Es liesse sich aber auch am Projekt der neuen Synagoge von Bochum aufzeigen. Dort wird der Kölner Peter Schmitz aufgrund eines im Februar 2005 gefällten Juryentscheides neben dem zentrumsnah gelegenen Planetarium für alle unübersehbar eine von niedrigen Annexbauten gerahmte kistenförmige Synagoge mit metaphorischem Bezug zu Stiftszelt und Tempel realisieren. Sie wird zusammen mit anderen, hier nicht genannten Bauten den formalen Reichtum des zeitgenössischen Synagogenbaus in Deutschland weiter mehren. All diese Beispiele tragen dazu bei, den Pessimismus Salomon Korns zu relativieren. Meinte er doch noch 1999, die wenigen substanziellen Beiträge zur Architektur der Synagoge reichten nicht aus, «um dieser eher marginalen Baugattung schon eine gesicherte Zukunft in Deutschland zu bescheinigen». Zwar lässt sich zurzeit nirgends auf der Welt eine wirkliche Blüte der Synagogenarchitektur ausmachen, mehrere überdurchschnittliche Bauten und Projekte haben in Deutschland ein Repertoire an architektonischen Lösungen hervorgebracht, die weit über Europa hinaus befruchtend wirken könnten.

[ Beim vorliegenden Text handelt es sich um die überarbeitete Version eines am 14. April dieses Jahres im Jüdischen Museum in Berlin gehaltenen Vortrags. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2005.05.21

06. Mai 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur und Identität

Die klassische Moderne strebte einst eine international gültige Architektur an, die funktionale Klarheit, formale Einfachheit und materielle Ehrlichkeit...

Die klassische Moderne strebte einst eine international gültige Architektur an, die funktionale Klarheit, formale Einfachheit und materielle Ehrlichkeit...

Die klassische Moderne strebte einst eine international gültige Architektur an, die funktionale Klarheit, formale Einfachheit und materielle Ehrlichkeit über alle regionalen oder kulturellen Ansprüche setzte. Dies wirkt bedingt bis heute nach, wenn etwa das japanische Büro Sanaa für Lausanne, Herzog & de Meuron aber für Peking planen, ohne dass sie ihr jeweiliges Idiom aufgeben müssen. Allerdings haben sich die international tätigen Baukünstler längst von der Anonymität der Moderne losgesagt und eine Architektur der Markenzeichen entwickelt, die vor allem ihre eigene Identität zelebriert. Die Frage, ob die heutige Baukunst - über die banale Inszenierung von Corporate Identity hinaus - auch der Identität einzelner Auftraggeber oder gar ganzer Gemeinschaften gerecht werden kann, stellt sich nun im Zusammenhang mit der Ausstellung «Jüdische Identität in der zeitgenössischen Architektur», die, aus Amsterdam kommend (NZZ 13. 4. 04), zurzeit im Jüdischen Museum in Berlin siebzehn Bauten und Projekte von zwölf Architekten präsentiert. Dabei gibt das Ausstellungsgebäude von Daniel Libeskind als eines der Hauptexponate besonders interessanten Anschauungsstoff. Deckt sich doch das Bewegte und Instabile dieses Bauwerks mit Bruno Zevis Sicht der jüdischen Architektur, als deren Charakteristika er 1993 in seiner Schrift «Ebraismo ed Architettura» das Dynamische und Expressive zu erkennen glaubte.

Nun zeigt aber die Schau auch statische Bauten wie die monolithische Synagoge von Wandel Hoefer Lorch und Hirsch in Dresden oder die burgartige Cymbalista-Synagoge von Mario Botta in Tel Aviv, die beide - von Louis Kahns unrealisierter Hurvah-Synagoge in Jerusalem inspiriert - den Dualismus von Stiftszelt und Tempel thematisieren und so im weitesten Sinne der jüdischen Tradition verpflichtet sind. Nicht zuletzt durch ihre Funktion bedingt, versuchen diese Bauten etwas unverwechselbar Jüdisches zu vermitteln: sowohl über spezifisch räumliche Ausformungen als auch bezüglich der symbolischen Inhalte.

Libeskinds Berliner Museum hingegen verweist von seiner äusseren Form her zunächst einmal auf den Meister selbst und könnte damit ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Erst das Innere mit seinen dramatischen Leerräumen stellt den Bezug zur Shoah und damit auch zur Geschichte der Juden in Deutschland her. In die Ausstellung wurde - ausser Katalog - aber auch Libeskinds jüngstes Berliner Projekt aufgenommen: die Hofüberdachung des barocken Altbaus von Berlins Jüdischem Museum. Hier beziehen sich einzig der Arbeitstitel «Sukkah», der an die temporären Bauten des Laubhüttenfests erinnert, und mit ihm das baumförmige Stützsystem auf den jüdischen Kontext. Das geplante Bauwerk selbst hat aber nicht viel mit jüdischen Inhalten gemein. Spätestens hier verrät die konzeptuelle Unschärfe der Schau, dass im Grunde kaum von einer «jüdischen Identität in der zeitgenössischen Architektur» gesprochen werden kann. Einen Zusammenhang zwischen zeitgenössischer Architektur und jüdischer Identität existiert aber insofern, als die in der Ausstellung versammelten Synagogen, Museen, Schulen und Mahnmale durch ihre architektonische Qualität das Selbstwertgefühl der Juden in der Diaspora zu stärken vermögen.

Peter Eisenman scheint die inhaltlichen Widersprüche der Schau erkannt zu haben, als er sich gegen eine in diesem Rahmen nicht sehr passende Aufnahme seines Holocaust-Mahnmals in die Berliner Präsentation aussprach. Trotz ihren Ungereimtheiten ist die Ausstellung sehenswert: zum einen wegen ihrer Exponate, dann aber auch, weil sie zum Nachdenken über Architektur und Identität ganz allgemein anregt. Zu beanstanden ist höchstens, dass auch in Berlin auf die Präsentation des von Manuel Herz 1999 entworfenen jüdischen Zentrums Mainz, des seit Louis Kahn vielleicht weltweit interessantesten Synagogenprojekts, verzichtet wurde. Umso mehr bleibt zu hoffen, dass dieser aussergewöhnliche, entfernt dem Dekonstruktivismus verpflichtete Entwurf des jungen Kölner Architekten, der sich in seiner Recherche wie kein anderer mit Wesen und Geschichte der europäischen Juden beschäftigt hat, bald gebaut werden kann.

[ Bis 29. Mai in Berlin, anschliessend in Wien, München und London. Katalog: Jüdische Identität in der zeitgenössischen Architektur. Hrsg. Angeli Sachs. Prestel-Verlag, München 2004. 176 S., Fr. 100.- (Euro 29.95 in der Ausstellung). ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.05.06

02. April 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bauen auf Ruinen

Mit der Architektur der Wirtschaftswunderjahre verbindet man organischen Schwung und heitere Eleganz. In Deutschland aber gestaltete sich die bauliche Entwicklung aufgrund der geschichtlichen Zäsur widersprüchlicher als anderswo. Eine Ausstellung in München beleuchtet nun die Vielfalt der Nachkriegsbaukunst am Beispiel Bayerns.

Mit der Architektur der Wirtschaftswunderjahre verbindet man organischen Schwung und heitere Eleganz. In Deutschland aber gestaltete sich die bauliche Entwicklung aufgrund der geschichtlichen Zäsur widersprüchlicher als anderswo. Eine Ausstellung in München beleuchtet nun die Vielfalt der Nachkriegsbaukunst am Beispiel Bayerns.

Noch heute zeugt das Weichbild deutscher Städte von Kriegsverlust und schnellem Wiederaufbau. Doch während sich die fünfziger Jahre in Hamburg oder Köln mit leichten Pavillons und filigranen Rasterbauten zukunftsfroh gaben, blickte man in Bayern gern zurück. Deshalb waren dort die städtebaulichen Veränderungen der Nachkriegszeit viel weniger einschneidend als sonst in Deutschland - und dies, obwohl Städte wie Augsburg, München oder Nürnberg grösstenteils in Schutt und Asche lagen. Doch statt die Trümmer abzuräumen und neu zu bauen, entschied man sich im Freistaat oft für die Wiederherstellung der Strassenachsen und der wichtigen Fassaden. So vergisst man heute leicht, dass etwa das «mittelalterliche» Rothenburg ob der Tauber ein Remake der fünfziger Jahre und Münchens Zentrum vom Königsplatz bis hin zu Residenz und Siegestor weitgehend nachgebaut ist.

Die denkmalpflegerisch nicht unproblematische, psychohygienisch aber wichtige möglichst abbildgetreue Rekonstruktion von Platz- und Strassenräumen liess München als wohl schönste Metropole Deutschlands wiederauferstehen. Nur an zurückversetzten Orten durften hier im Zentrum auch wegweisende Neubauten wie das 1957 vollendete Justizgebäude der Neuen Maxburg errichtet werden. Dieser Glaspalast von Sep Ruf und Theo Pabst verkörperte in seiner programmatischen Transparenz den neuen demokratischen Geist der Bundesrepublik. Doch offener als für die gläserne Nachkriegsmoderne war man an der Isar für die autogerechte Stadt. So schlug der schon unter den Nazis tätige Oberbaudirektor Karl Meitinger bereits 1945 erfolgreich den Bau eines Cityringes vor. Auch wenn dieser ein Fragment bleiben sollte, fügte er dem Stadtbild bleibende Wunden zu. Derartige Interventionen nährten den Mythos, die Fehlgriffe im Wiederaufbau der deutschen Städte basierten auf Plänen von Albert Speer. Neuste Forschungen entkräften zwar diese Vermutungen weitgehend, machen dafür aber deutlich, dass auch in Architektenkreisen einstige Parteimitglieder und Mitläufer nach dem Krieg schnell zu «Wendehälsen» wurden, welche mit der Heiterkeit der Fifties oft höchst erfolgreich ihre dunkle Vergangenheit zu überspielen wussten. Wohl setzten Ewiggestrige wie Roderich Fick beim Verlagsgebäude von C. H. Beck oder Paul Schmitthenner beim neuen (überraschend fein proportionierten) Münchner Sitz der Frankona-Versicherung weiterhin auf die Gravität der Nazizeit. Doch andere konservativ-moderne Bauten wie der Hauptsitz der Allianz in München von Josef Wiedemann oder das Rathaus in Aschaffenburg von Diez Brandi belegen eine kreative Auseinandersetzung mit dem skandinavischen Klassizismus eines Gunnar Asplund.

Baukünstlerischer Reichtum

Dieser Vielfalt von urbanistischen und architektonischen Entwicklungen zwischen vorsichtiger Rekonstruktion und stürmischer Modernisierung, zwischen monumentaler Schwere und spielerischer Eleganz spüren nun Winfried Nerdinger und Inez Florschütz am Beispiel Bayerns in einer sorgfältig konzipierten Ausstellung nach. Die vom Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne unter dem Titel «Architektur der Wunderkinder» materialreich inszenierte Schau verweist auf Kurt Hoffmanns Film «Wir Wunderkinder», der 1958 die Widersprüchlichkeiten der Wirtschaftswunderzeit zwischen Schuld, Verdrängung und Neuanfang aufzeigte. Obwohl schon 1949 die ersten Bauausstellungen - von denen eine ausgerechnet in der ehemaligen Nazi-Kongresshalle in Nürnberg durchgeführt wurde - die leuchtend moderne Architektur der USA, Skandinaviens und der Schweiz unter dem Slogan «Wir müssen bauen» zur Nachahmung empfahlen und obwohl bald neue Schulhäuser, Wohnsiedlungen und Freibäder ein fortschrittlicheres Zeitalter ankündigten, glaubten verunsicherte Geister wie der Schriftsteller Wolfgang Koeppen, selbst unter den neuen Strassen weiterhin «den unheimlichen deutschen Grund, das völkische Moor» zu spüren.

Anhand einer Vielzahl zeitgenössischer Fotos, Pläne und Modelle stellt die Schau städtebauliche Konzepte zwischen Wiederherstellung und Tabula rasa ebenso vor wie schnell errichtete Notkirchen, nüchterne Verwaltungsbauten, das improvisierte Wohnen in ehemaligen Rüstungsfabriken oder etwa den einer faschistischen Ästhetik verpflichteten Neubau des Herkules-Saals von Rolf Esterer in der zerstörten Münchner Residenz. Doch bald schon manifestierte sich der Traum von einem schöneren Leben in Pavillons, Eiscafés, Kinos, Kaufhäusern oder in den Villen von Hans und Traudl Maurer, aber auch in fortschrittlichen Ständerbauten, kühnen Flugdächern und geschwungenen Freitreppen. Als architektonisch besonders interessant erweist sich heute der kritisch-schöpferische Wiederaufbau der Kirche St. Bonifaz und der Alten Pinakothek durch Hans Döllgast, des Siegestors und des Odeons durch Wiedemann oder der Kirche St. Johannis in Würzburg durch Reinhard Riemerschmid. Hier trat an die Stelle der bald schon als «Geschichtsfälschung» oder «kultureller Atavismus» abgelehnten Rekonstruktion eine baukünstlerische Intervention, welche die Ruine und deren zeitgenössische Ergänzungen gleichermassen thematisierte und die Bauten so zu eigentlichen Monumenten der Erinnerung machte.

Gefährdetes Architekturerbe

Anders als aus dem hervorragenden Katalog geht aus der Ausstellung der heutige Erhaltungszustand all dieser Leuchttürme der Nachkriegsmoderne nicht hervor. Nur am Beispiel des 1957 eröffneten Landesversorgungsamtes von Hans und Wassili Luckhardt wird in einem eigenen Kapitel auf die mutwillige Zerstörung eines rationalistischen Hauptwerks hingewiesen. Die Bedeutung der Ausstellung reicht weit über die zweifellos wichtige Aufarbeitung der vielen architektonischen Aspekte der Wirtschaftswunderjahre hinaus. Als Plädoyer für die Nachkriegsarchitektur, die vom konservativen Steinhaus bis hin zum Meisterwerk aus Glas und Stahl viele hochinteressante Bauten umfasst, macht die auf bayrische Beispiele beschränkte Schau klar, dass Deutschland neben einem historischen auch ein eminent baukünstlerisches Erbe zu verwalten und zu schützen hat. Wie nötig dies ist, demonstriert der jüngst durchgeführte Abriss der 1952 aus einem hochkarätigen Wettbewerb hervorgegangenen Chemisch-Pharmazeutischen Institute unweit des Münchner Königsplatzes. Hier lässt sich ein ähnlicher Mangel an Respekt vor dem gebauten Patrimonium ausmachen wie etwa in Frankfurt, wo vor gut drei Jahren mit dem Zürich-Haus ein Juwel der frühen Hochhausarchitektur der Spitzhacke zum Opfer fiel.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2005.04.02

23. März 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Weltoffenes Bauen

Der japanische Architekt Kenzo Tange ist am Dienstag in Tokio einem Herzversagen erlegen. Der 91-Jährige wurde durch seine Bauten für die Olympischen Spiele 1964 in Tokyo weltweit bekannt.

Der japanische Architekt Kenzo Tange ist am Dienstag in Tokio einem Herzversagen erlegen. Der 91-Jährige wurde durch seine Bauten für die Olympischen Spiele 1964 in Tokyo weltweit bekannt.

Es waren die kühn geschwungenen Sporthallen der Olympischen Spiele von 1964 in Tokio, die den japanischen Architekten Kenzo Tange weltweit bekannt machten. In seiner Heimat aber galt der 1913 geborene Architekt - der im Büro von Kunio Maekawa früh schon mit den Ideen Le Corbusiers in Kontakt gekommen war - seit der Eröffnung des Friedenszentrums von Hiroshima im Jahre 1956 nicht nur als Star, sondern mehr noch als moralische Instanz. Denn er bemühte sich wie kein anderer um die architektonische Form der Demokratie. Neben skulpturalen Einzelbauten interessierten diesen toleranten Meister, unter dessen Fittichen eine Gruppe junger Rebellen um Arata Isozaki und Kisho Kurokawa den architektonischen Metabolismus entwickelte, seit den späten fünfziger Jahren auch urbanistische Studien. Das beweisen etwa die vieldiskutierte, von alten Tempelanlagen ebenso wie vom zellenartigen Wachstum des Metabolismus beeinflusste Utopie einer schwimmenden Stadt auf Pfählen in der Bucht von Tokio (1960) oder sein Masterplan für die Weltausstellung von 1970 in Osaka.

Das Streben nach einem Ausgleich zwischen abendländischer Architektur und einheimischer Baukunst führte Tange zu immer neuen Ausdrucksformen - und schliesslich zur Eroberung des Himmels. Noch im Alter von 75 Jahren entwarf er das heftig kritisierte, an die Doppelturmfassade von Notre-Dame erinnernde neue Rathaus von Tokio. Diesem nicht unproblematischen Spätwerk zum Trotz wurde Tange als Doyen der japanischen Architektur verehrt; und selbst heute berufen sich Vordenker wie Toyo Ito hinsichtlich der Annäherung neuster Bautechnologien an die Naturgefühle des Schintoismus noch immer auf ihn. Aber auch international wurde Tanges Schaffen - das von christlichen Gotteshäusern und arabischen Palästen bis zu Flughäfen und Universitäten reicht - stets mit Interesse verfolgt. Davon zeugt nicht zuletzt der Pritzker-Architekturpreis, den er 1987 als erster Japaner entgegennehmen durfte. Gestern Dienstag nun ist Kenzo Tange 91-jährig in Tokio einem Herzversagen erlegen.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2005.03.23



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Tange Kenzo

21. März 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gebaute Metamorphosen

Lange folgte die Jury des seit 1979 alljährlich von der Hyatt Foundation vergebenen Pritzker Architecture Prize dem Mainstream des architektonischen Erfolgs...

Lange folgte die Jury des seit 1979 alljährlich von der Hyatt Foundation vergebenen Pritzker Architecture Prize dem Mainstream des architektonischen Erfolgs...

Lange folgte die Jury des seit 1979 alljährlich von der Hyatt Foundation vergebenen Pritzker Architecture Prize dem Mainstream des architektonischen Erfolgs und kürte Grössen von Ando bis Portzamparc, die zwar schöne Bauten realisiert, aber wenig zum aktuellen Architekturdiskurs beigetragen haben. Der Höhepunkt dieser Phantasielosigkeit war 1999 erreicht, als der «Nobelpreis der Architektur» an den Vielbauer Norman Foster ging. Doch im darauf folgenden Jahr wurde - im Zeichen eines Paradigmenwechsels - der Querdenker Rem Koolhaas geehrt und 2001 mit Herzog & de Meuron ein Team, das mit seiner baukünstlerischen Recherche ähnlich grossen Einfluss hat wie Koolhaas. Nach so viel Mut entdeckten die Preisrichter 2002 Glenn Murcutt und setzten - politisch korrekt - auf eine naturnahe Architektur, um ein Jahr danach entgegen allen Erwartungen (die eher in Richtung Zaha Hadid weisen) mit dem Altmeister Jørn Utzon einen Vorkämpfer des archi-skulpturalen Bauens auszuzeichnen. Die in London lebende Irakerin Hadid hingegen musste sich (wohl wegen des Kriegs am Golf) noch bis 2004 gedulden. Für dieses Jahr stellte sich nun die Frage, ob die Japanerin Kazuyo Sejima oder der höchst innovative Toyo Ito die Palme davontragen würde. Da aber die USA seit 1991 keinen Preisträger mehr stellen konnten, schien auch der subtile New Yorker Raum- und Lichtkünstler Steven Holl gute Chancen zu haben - oder der Blob-Guru Greg Lynn aus Los Angeles, mit dem sich die Foundation als trendy hätte erweisen können.

Der Preis geht nun zwar nach Südkalifornien, doch nicht an Lynn, sondern an den 62-jährigen Thom Mayne, der zusammen mit dem von ihm 1972 gegründeten Büro Morphosis vor allem in den achtziger und neunziger Jahren mit einer eigenwilligen, stark künstlerisch geprägten Spielart des Dekonstruktivismus auf Interesse gestossen war und mit dem «Kate Mantilini» in Beverly Hills ein Kult-Restaurant geschaffen hatte. In seiner Architektur strebt Mayne nicht nach der schönen Hülle. Vielmehr sollen seine Bauten das Komplexe und Fragmentarische unserer Zeit ausdrücken, wie etwa das 1999 eröffnete, auf den ersten Blick eher hässlich wirkende Hypo-Zentrum in Klagenfurt zeigt. Im gleichen Jahr konnte er sein bisher überzeugendstes Werk, die Diamond Ranch High School in Pomona, vollenden. Doch ausschlaggebend für die Wahl des für die USA wichtigen, international aber bisher wenig einflussreichen Mayne war wohl die spektakuläre, jüngst abgeschlossene Transformation des Caltrans-Gebäudes in downtown Los Angeles. Bedeutende Projekte von New York bis Alaska dürften nun zusammen mit dem Pritzker-Preis wieder vermehrt die Aufmerksamkeit auf ihn und das Büro Morphosis lenken.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2005.03.21



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Mayne Thom

12. März 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Weisser Monolith am Genfersee

Die Architekturszene am Genfersee kommt in Bewegung. Jüngst machte Lausanne nicht nur mit Schul- und Wohnbauten auf sich aufmerksam, sondern auch mit einem Projekt von Kazuyo Sejima. Nun soll das Musée des Beaux-Arts aus den engen Verhältnissen im Palais de Rumine erlöst werden. Geplant ist ein monolithischer Neubau am See.

Die Architekturszene am Genfersee kommt in Bewegung. Jüngst machte Lausanne nicht nur mit Schul- und Wohnbauten auf sich aufmerksam, sondern auch mit einem Projekt von Kazuyo Sejima. Nun soll das Musée des Beaux-Arts aus den engen Verhältnissen im Palais de Rumine erlöst werden. Geplant ist ein monolithischer Neubau am See.

Lange wirkte die Romandie in Sachen Architektur etwas verschlafen. Doch nun scheint sich rund um den Genfersee eine Szene zu formieren. Im Schatten des für seine Wohnbauten bekannten Atelier Cube, des in die rhetorische Geste verliebten Rodolphe Luscher und des experimentierfreudigen Teams von Brauen & Waelchli versuchen immer mehr Jungarchitekten ihr Glück in Lausanne. Davon zeugt noch bis zum 20. März eine kleine Schau im altehrwürdigen Espace Arlaud, dem 1840 nach Plänen von Louis Wenger vollendeten ersten Kunstmuseum von Lausanne. Neben Brauen & Waelchli, Luscher sowie Richter & Dahl Rocha (die ihr Projekt für das Parkareal «Im Forster» am Zürichberg vorstellen) sind die Newcomer Personini Raffaele Schärer mit einer organisch geformten Liftkabine, Didier Castelli mit Ideen zur Stadt der Zukunft sowie Graf & Rouault mit architektonischen Objekten präsent. In Lausanne lässt man aber auch Auswärtige zu Wort kommen. So realisierte Bernard Tschumi unlängst den «Interface Flon», während Devanthéry & Lamunière aus Genf und Bonnard & Woeffray aus Monthey vielbeachtete Schulhäuser schufen. Nun widmet die ETH Lausanne den jungen Walliser Minimalisten Geneviève Bonnard und Denis Woeffray eine Ausstellung, die noch bis zum 25. März mittels grossformatiger Fotos von schwindelerregender Direktheit insgesamt sechs Bauten zur Diskussion stellt, darunter das von abstrakten, bildhaften Fassaden geprägte Atelierhaus in Monthey und eine Wohnsiedlung mit starkfarbigen Metallfassaden in St-Maurice.

Kulturmeile und Museumsufer

Auf dem Lausanner ETH-Campus selbst kommt die umschwärmte japanische Architektin Kazuyo Sejima vom Büro Sanaa zum Zug, die hier ein wellenförmiges «Learning-Center» errichten wird. Nicht weniger ehrgeizig ist aber auch das Projekt des neuen Kunstmuseums, das zu einem Wahrzeichen am Genfersee werden soll. Bereits 1992 kam die Idee auf, das Musée des Beaux-Arts aus den beengten Verhältnissen des multifunktionalen Palais de Rumine herauszulösen. Die Sammlung, die unter anderem bedeutende Werke der Waadtländer Künstler Ducros, Gleyre und Vallotton umfasst, kann nämlich in dem pittoresken, 1906 eröffneten Palast von Gaspar André aus Lyon nicht mehr zufriedenstellend präsentiert werden. Vor vier Jahren wurde deshalb eine Parzelle bei der Bellerive Plage bestimmt, wo zwischen dem Château d'Ouchy und Max Bills Théâtre de Vidy mit dem Museumsbau ein neuer städtebaulicher Akzent gesetzt werden soll. Doch die etwas periphere Lage am See ist nicht nur schön, sondern auch schwierig, denn das Gebäude wird sich, von Ouchy aus gesehen, hinter Werfthallen verbergen. Dafür wird es zusammen mit dem Musée Olympique und dem Musée de l'Elysée die Lausanner Kulturmeile in ein eigentliches Museumsufer verwandeln.

Am letzten Donnerstag gab nun die Jury die Sieger des im Februar 2004 ausgeschriebenen zweistufigen Wettbewerbs bekannt, an dem sich nicht weniger als 249 Teams aus 15 Ländern beteiligten. Die Überraschung war gross, denn kein Weltstar wurde gekürt, sondern die gerade erst dreissig Jahre alten Architekten Maurice Berrel. Charles Wülser und Raphael Kräutler, die zwar noch nichts gebaut haben, aber mit einem Hotel in der kalifornischen Sierra Nevada und dem Privatmuseum Ernst Koller in Basel demnächst zwei interessante Projekte verwirklichen können. Wer dachte da nicht an den Wettbewerb für das ebenfalls am Wasser gelegene Opernhaus von Sydney, bei dem einst mit Jørn Utzon auch ein Nachwuchsarchitekt die Palme davongetragen hatte.

Die drei Zürcher haben es verstanden, zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Guido Hager und mit Beratern aus der Museumswelt ein Projekt zu kreieren, das wie kein anderes überzeugt, auch wenn der zweitplacierte Entwurf der jungen Lausanner Mondada, Bieler, Saurer ebenfalls mit einer zeichenhaften Erscheinung und einer spannenden Abfolge der Ausstellungsräume aufwarten kann. Dennoch hätte man es begrüsst, wenn zur zweiten Runde noch einige internationale Grössen geladen worden wären, auch wenn die Projekte der wenigen am ersten Durchgang beteiligten Architekten von europäischem Ruf - Dominique Perrault, MVRDV und Mario Bellini - enttäuschen. So muss nun offen bleiben, ob Stars auf die grandiose Kulisse von Stadt, See und Hochgebirge subtiler geantwortet hätten als die von der Jury einstimmig gekürten Senkrechtstarter, welche sich zu Recht gegen ein Architekturspektakel à la Bilbao und für einen formschönen, präzise placierten Bau entschieden haben.

Wahrzeichen am Wasser

Der polygonale, über einem Glasband schwebende Kubus aus weissem Kunststein steht - inspiriert von Adalberto Liberas Villa Malaparte in Capri - wie ein skulptural geschliffener Fels auf einem Sockel im Wasser. Eine platzartig gestaltete, dem benachbarten Strandbad Halt verleihende Rampe mit weitem Blick über den Léman akzentuiert die Verbindung zwischen Uferstrasse und Neubau. Vom verglasten Eingangsraum fällt eine Panorama-Rampe sanft ab zum Aussichtsrestaurant, während die darüber liegende Terrasse ins Museumsfoyer führt. Im Gegenuhrzeigersinn erreicht man auf einer weiteren Rampe den zur Stadt hin orientierten Vorraum der beiden Ausstellungsgeschosse. Hier werden zwei grosse, frei unterteilbare Kunstlichträume mit den beiden höher gelegenen Oberlichtsälen durch gegenläufige Treppen räumlich übers Kreuz verschränkt. Diese vielseitigen Räume gewähren einem immer wieder überraschende, an Jean Nouvels KKL erinnernde Ausblicke, bevor man auf der Dachterrasse vom Panorama überwältigt wird. Aber das Siegerprojekt bietet nicht nur eine sinnreiche Promenade architecturale durch die auf unterschiedliche Anforderungen antwortenden Säle und einen separat bespielbaren Restaurationsbetrieb. Es soll auch hinsichtlich Kosten und Ökologie hervorragend abgeschnitten haben.

Schon jetzt fiebert man deshalb in Lausanne der Eröffnung entgegen, die im Idealfall noch vor 2010 erfolgen soll. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn private Gönner und der einen rigorosen Sparkurs verfolgende Kanton sollen die auf 54 Millionen Franken veranschlagten Kosten je zur Hälfte übernehmen. Während die Linke aus bildungs- und kulturpolitischen Erwägungen für das Projekt eintritt, geben sich die bürgerlichen Kreise zugeknöpft. Dabei gelten heute attraktive Kunstmuseen längst als erstklassige Standortfaktoren. Auch wird das Musée des Beaux-Arts kaum mehr auf grosse Schenkungen hoffen können, wenn es seine Sammlung weiterhin nur bruchstückhaft zeigen kann. Vor diesen Tatsachen darf der Grosse Rat die Augen nicht verschliessen, wenn er demnächst über den Planungskredit abstimmt - zumal das in einem professionellen Wettbewerbsverfahren gekürte Projekt Lausannes Position als heimliche Kulturhauptstadt der Romandie weiter stärken wird. Dies veranschaulicht derzeit die gelungene, mit Verweisen auf das Musée Arlaud und den Palais de Rumine angereicherte und von einem vorbildlichen Katalog begleitete Ausstellung im Musée des Beaux-Arts.

[ Bis 15. Mai im Palais de Rumine. Katalog: 143 S., Fr. 35.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2005.03.12



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Musée des Beaux-Arts (Beitrag Ying Yang)

04. März 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine neue Gründerzeit

Die grossen Schweizer Städte erleben gegenwärtig eine neue Gründerzeit: Lausanne baut eine Metro, Zürich boomt in West und Nord, Basel wandelt sich beim...

Die grossen Schweizer Städte erleben gegenwärtig eine neue Gründerzeit: Lausanne baut eine Metro, Zürich boomt in West und Nord, Basel wandelt sich beim...

Die grossen Schweizer Städte erleben gegenwärtig eine neue Gründerzeit: Lausanne baut eine Metro, Zürich boomt in West und Nord, Basel wandelt sich beim Bahnhof SBB sowie auf dem Novartis-Campus, und Bern erhält mit Renzo Pianos Klee-Museum und Daniel Libeskinds Shopping Mall zwei vorstädtische Kristallisationskerne, die zusammen mit geplanten Siedlungen, Grün- und Platzanlagen jüngst in einer informativen Publikation vorgestellt wurden. Ambitionen hegt auch Lugano, das durch die Eingemeindung einiger Vorstädte von 29 000 auf 52 000 Einwohner angewachsen ist. Sein neues Selbstverständnis als nunmehr neuntgrösste Stadt der Schweiz und Zentrum einer Agglomeration von über 100 000 Einwohnern manifestiert sich im neuen Universitätscampus, einem aus Theater und Kunstmuseum bestehenden Kulturzentrum, das nach Plänen von Ivano Gianola an das zu sanierende «Palace» angedockt werden soll, oder in der geplanten Erweiterung des Kongresshauses durch Giraudi & Wettstein.

Das wichtigste Projekt allerdings ist urbanistischer Natur und betrifft ein in der dicht bebauten Stadtlandschaft rares, fast einen Quadratkilometer grosses Areal am Nordrand der Cassarate-Ebene. Dort soll das etwas chaotische Cornaredo-Quartier mit seinen Stadien, dem Multiplexkino in der ehemaligen «Termica» und dem Technikum im Park des einstigen Castello di Trevano im Hinblick auf die Eröffnung des Tunnels der neuen Nordzufahrt der Stadt zum repräsentativen «Eingangstor» werden. Aus dem Ende 2004 jurierten internationalen Wettbewerb ging der von einem grossen, an die sechziger Jahre erinnernden Geschäftszentrum dominierte Entwurf Federico Olivas und Cino Zucchis aus Mailand als Sieger hervor. Die Tessiner Architektenschaft bevorzugte indessen das Projekt von Pierino Borella und Aurelio Galfetti, das über eine von rationalistisch angeordneten Scheibenhäusern und Wohntürmen gerahmte Wasserfläche den Fernblick auf Luganos Zuckerhut, den Monte San Salvatore, freigibt. Am meisten Entwicklungspotenzial hat aber Kees Christiaanses Vision eines stark verdichteten Quartiers zwischen Trevano-Park und Cassarate- Fluss. Denn die Stadt braucht weniger monumentale Perspektiven als vielmehr einen planerischen Rahmen, der ein harmonisches Weiterbauen erlaubt. Da Borella und Galfetti gegen den Juryentscheid wegen formalen Fehlern Rekurs einlegten, ist - zumindest vorläufig - die städtebauliche Zukunft von Cornaredo noch offen.

Günstiger stehen die Vorzeichen für die neuen Messebauten mit Hotel auf dem Campo Marzio beim Cassarate-Delta, wo vor wenigen Tagen die jungen Zürcher Architekten Stefan Hauswirth, Andreas Keller und Mario Branzanti einen zweistufigen Wettbewerb, an dem auch viele renommierte Tessiner Architekten teilnahmen, für sich entscheiden konnten. Die Präsentation aller 81 Projekte vor wenigen Tagen in Lugano machte den Juryentscheid nachvollziehbar, auch wenn man zumindest den bereits in der ersten Runde ausgeschiedenen Vorschlag von Pia Durisch und Aldo Nolli gerne in der zweiten Runde gesehen hätte. Er besteht - wie die meisten eingereichten Arbeiten - aus einer Kombination von Hotelturm und flacher Messehalle, wobei Durisch & Nolli dem zeichenhaften Zwanzigstöcker einen kubistisch-topographischen Hallenbau entgegenstellten. Aus diesem Schema brachen neben dem siegreichen Team nur wenige aus: etwa Luca Bobst aus Bioggio mit einer konservativen, an Hans Kollhoff gemahnenden Komposition oder Hernandez & Garcia Casanova aus Rotterdam mit einer aus frei geformter Hülle und geometrischem Kern bestehenden Megastruktur sowie José Lluis Mateo aus Barcelona und Luca Gazzaniga aus Lugano mit ihrem drittprämierten Entwurf. Hier rahmen ein zeichenhaftes aus zwei verschränkten Z-Formen bestehendes Scheibenhaus und ein plastisch durchgeformter Hallenbau eine Piazza, während beim Siegerprojekt, das sich subtil in den Kontext einordnet, sieben bis zu achtgeschossige Volumen über trapezoiden Grundrissen eine platzartig angeordnete Halle fassen. Dieser formal zurückhaltende Entwurf dürfte sich aussagestark materialisieren lassen.

Die Ergebnisse des Cornaredo-Wettbewerbs sind publiziert in «archi» 6, 2004 (Edizioni Casagrande, Bellinzona). Fr. 20.-.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.03.04

22. Februar 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Märchenbilder

Seine Gouachen zählen zum Zauberhaftesten, was die Architekturzeichnung im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Ihnen ist es zu danken, dass das Werk von...

Seine Gouachen zählen zum Zauberhaftesten, was die Architekturzeichnung im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Ihnen ist es zu danken, dass das Werk von...

Seine Gouachen zählen zum Zauberhaftesten, was die Architekturzeichnung im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Ihnen ist es zu danken, dass das Werk von Hassan Fathy (1900-1989) bis heute unvergessen ist. Denn mehr als dessen Bauten, von denen nur noch wenige wohlerhalten sind, vermitteln sie eine Idee vom Bestreben des Ägypters, die herkömmliche arabische Architektur mit den Errungenschaften der Moderne zu versöhnen. Damit erweist er sich als Geistesverwandter von Néstor Martín, einem nicht weniger interessanten regionalistischen Künstler, der auf Gran Canaria ebenfalls weisse Dörfer aus verschachtelten Kuppelhäusern visionierte und einen Pueblo Canario entwarf, den sein Bruder, der Architekt Miguel Martín, nach Néstors Tod im Jahre 1938 in Las Palmas auch ausführte.

Kaum dreissig Jahre alt, befasste sich der aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Fathy mit dem Entwurf einer Primarschule in Talkha. Zunächst entwickelte er ein neuklassisch-pantheonartiges Projekt, wandte sich dann aber der im Nahen Osten seit der Antike verbreiteten Lehmarchitektur zu, wie sie sich heute noch besonders schön am Beispiel der Wüstenstädte und Burgen Omans studieren lässt. Bei seinem ersten bedeutenden Werk, dem 1941 bei Kairo vollendeten landwirtschaftlichen Modelldorf Bahtim, konnte er dann - aufgrund des kriegsbedingten Materialmangels - erstmals die mit Hilfe nubischer Handwerker wiederbelebte Lehmbautechnik im grossen Stil einsetzen. Danach wurde ihm gegen erheblichen Widerstand der Bau des Dorfes Neu-Gourna bei Luxor anvertraut, das leider ein Fragment geblieben ist. Für einen sozial engagierten Grossgrundbesitzer verwirklichte er 1950 die Siedlung Lulu'at al-Sahara, und zwei Jahre später entstand mit der grandiosen Villa Stopplaere bei Luxor sein erstes grosses Privathaus. Die Honorare für seine Villen, von denen er einige im Ausland, andere für vornehme Auftraggeber wie Prinz Sadrudin Aga Khan baute, soll Fathy (so wird erzählt) in Bauprojekte für die arme Landbevölkerung investiert haben.

Nachdem er Mitte der sechziger Jahre noch Neu-Bariz, seine letzte grosse Dorfanlage in Ägypten mit Moschee, Souk, Schule und Krankenhaus, realisieren konnte, verunmöglichten neue Gesetze den Lehmbau weitgehend. Umso begeisterter wandte er sich daher 1980 der Aufgabe zu, für eine muslimische Gemeinschaft in New Mexiko das in der lokalen Adobe-Technik entworfene Lehmziegeldorf Dar al-Islam zu errichten. Nicht zuletzt dank einem postmodernen Paradigmenwechsel begann damals die Architekturwelt die künstlerische und moralische Haltung des Ägypters, der von den dogmatischen Modernisten in seiner Heimat lange als romantischer Kämpfer für überholte Konstruktionsweisen und traditionelle Bauformen belächelt worden war, als vorbildlich zu bewundern. So ehrte ihn die Aga Khan Foundation in Genf 1980 für sein Lebenswerk. Obwohl er nur gut 30 seiner 110 Projekte verwirklichen konnte, gilt Fathy heute als der wichtigste moderne Architekt Ägyptens, wenn nicht des ganzen arabischen Kulturkreises. Davon zeugt etwa das Fortleben seiner Ideen im Schaffen seines «Schülers» Abdelwahed al-Wakil und jüngerer nahöstlicher Architekten (NZZ 11. 2. 05).

Feierte das Deutsche Architektur-Museum in Frankfurt im vergangenen Sommer mit dem Werk von Geoffrey Bawa aus Sri Lanka bereits einen charismatischen Vertreter der aussereuropäischen Baukunst (NZZ 20. 8. 04), so gewährt es nun in einer kleinen Schau mittels 41 kostbarer Papierarbeiten Einblick in die verschiedenen Facetten von Fathys Kunst: von graphisch sorgsam gestalteten Bauplänen und Detailstudien über aquarellierte Ansichten eigener Häuser, dörflicher Szenen oder mameluckischer Monumente bis hin zu den zu Recht berühmt gewordenen, bald von persischen Miniaturen oder pharaonischen Wandmalereien inspirierten Gouachen idealer Architekturlandschaften. Ergänzt werden diese Blätter durch mehr als sechzig Fotos, welche Fathys Villen, Schulen, Moscheen und Bauerndörfer im gegenwärtigen Zustand festhalten. Dabei zeigt es sich, dass diese Bauten, in denen herkömmliche und moderne Architekturelemente harmonisch zusammenfinden, heute bereits so aussehen, als seien sie seit je Bestandteil der nahöstlichen Landschaft gewesen.

[ Bis 13. März. Katalog: Traumbilder der Architektur. Gouachen und Zeichnungen von Hassan Fathy. Deutsches Architektur-Museum, Frankfurt 2005. 47 S., Euro 12.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2005.02.22

10. Januar 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Wunder der Ewigen Stadt

Als Symbol des aufklärerischen Ordnungswillens wird Giovanni Battista Nollis Rom- Plan bis heute gerühmt. Der grandiose Stadtplan prägte nicht nur Piranesis Sicht der Ewigen Stadt. Er wurde auch zur urbanistischen Richtschnur von L'Enfants Washington bis hin zur kontextualistischen Entwurfspraxis von heute. Eine Ausstellung in Rom würdigt nun dieses kartographische Meisterwerk in seinem künstlerischen Kontext.

Als Symbol des aufklärerischen Ordnungswillens wird Giovanni Battista Nollis Rom- Plan bis heute gerühmt. Der grandiose Stadtplan prägte nicht nur Piranesis Sicht der Ewigen Stadt. Er wurde auch zur urbanistischen Richtschnur von L'Enfants Washington bis hin zur kontextualistischen Entwurfspraxis von heute. Eine Ausstellung in Rom würdigt nun dieses kartographische Meisterwerk in seinem künstlerischen Kontext.

Nach Jahren der baukünstlerischen Lethargie hat Rom in jüngster Zeit eine neue Lust auf zeitgenössische Architektur entwickelt. Den diskreten Auftakt machte schon vor Jahren Paolo Portoghesis Moschee. Mit ihr, der Città della Musica von Renzo Piano und Richard Meiers Chiesa del Giubileo erhielt die Stadt erstmals seit der wunderbar geschwungenen Vorhalle des Bahnhofs Termini wieder Bauten von internationalem Flair. Zu ihnen sollen sich dereinst der wolkige Kongresspalast von Massimiliano Fuksas, Roger Dieners Erweiterung der Galleria Nazionale d'Arte Moderna und Zaha Hadids Zentrum für Gegenwartskunst gesellen. In diesen Bauten und Projekten kann man die modernen Pendants zu den einst in den Veduten von Giuseppe Vasi oder Giovanni Battista Piranesi verewigten Kirchen und Palästen sehen. Nur dass sie - mit Ausnahme von Meiers vieldiskutiertem Projekt einer neuen Umhüllung des Ara Pacis genannten augusteischen Friedensmonuments - nicht innerhalb der antiken Mauern stehen oder stehen werden.
Kartographisches Kunstwerk

Das historische Zentrum Roms erscheint auf den ersten Blick denn auch bis heute wie versteinert. Dabei wurde es seit der Einigung Italiens tatkräftig umgestaltet - von den Tiberufern über den Corso Vittorio Emanuele bis hin zu den Strassenachsen, die Mussolini durch die vatikanischen Borghi und die Kaiserforen schlagen liess. Gleichwohl hat sich der Grundriss der Altstadt in den vergangenen 250 Jahren nur wenig verändert. Dies zeigt der grosse, 1748 von Giovanni Battista Nolli publizierte Stadtplan Roms. Das kartographische Meisterwerk verewigt - als Symbol des aufklärerischen Ordnungswillens - den Zustand Roms an der Schwelle zum Frühklassizismus, als die Stadt nach den urbanistischen und architektonischen Herkulestaten des Barocks ihre grösste Schönheit seit der Antike erreicht hatte.

Trotz der Verzwanzigfachung der Einwohnerzahl und der damit einhergehenden «banalizzazione estetica», welche Italiens Hauptstadt seit 1870 zu erdulden hatte, erklärt Nollis Karte in ihrer wissenschaftlichen Exaktheit, kartographischen Klarheit und künstlerischen Pracht die Wunder Roms noch immer besser als jede neue. Auf Nollis Plan sind nicht nur alle Bauten, Plätze und Strassenräume minuziös festgehalten, sondern sogar die Grundrisse der Kirchen, Paläste und antiken Monumente bis auf die einzelnen Säulen wiedergegeben. Mit diesem grossartigen Werk, das uns ebenso gut wie die Ruinen lehrt, wie Rom einst war, sicherte sich der in Lanzo d'Intelvi hoch über dem Luganersee geborene und in Mailand, dem damaligen Zentrum der italienischen Kartographie, ausgebildete Nolli (1701 bis 1756) Ruhm in der Stadt, die dank den Grand-Touristen gerade zum kulturellen Wallfahrtsort wurde. Nolli selbst war 1736 nach Rom gekommen, wo er schnell Zugang fand zum wissenschafts- und kunstfreundlichen Kreis um Kardinal Alessandro Albani, dessen frühklassizistische Villa er - nach neusten Erkenntnissen - plante. Über den an der Sapienza lehrenden Mailänder Mathematiker und Archäologen Diego Revillas erhielt er noch im selben Jahr den Auftrag zur Schaffung des Rom-Plans. Dieser sollte «äusserst exakt» sein und darüber hinaus die «antike Topographie» bestmöglich berücksichtigen.

Zwar hätte sich Nolli auf den 1551 von Leonardo Bufalini erstellten Stadtplan (den er zeitgleich mit seiner Karte in einem Nachstich herausgab) und auf den perspektivischen Plan von G. B. Falda (1676) abstützen können. Doch der Lombarde zeichnete mit Hilfe der neusten Vermessungstechnik die Stadt völlig neu. Gleichzeitig versuchte er zusammen mit Revillas und dem jungen Piranesi die auf dem Kapitol gehüteten und teilweise schon 1673 von Giovanni Pietro Bellori publizierten Fragmente der Forma Urbis genannten Rom-Karte aus der Zeit von Septimius Severus neu zu interpretieren. Obwohl die oft unter neuzeitlichen Überbauungen verborgenen Ruinen nicht immer exakt lokalisiert und im Plan nicht vollständig wiedergegeben werden konnten, verschmelzen in ihm die antike und die moderne Stadt, wie dies die am unteren Kartenrand erscheinenden Capricci, die wohl von Pannini entworfen wurden, mit ihren Tempeln, Triumphbögen und der damals frisch vollendeten Fassade der Laterankirche veranschaulichen.

Hier setzte Piranesi an, als er sich - beflügelt von Nollis wissenschaftlichem Ansatz und der eigenen Ruinensehnsucht - daranmachte, altrömische Monumente in seiner Phantasie aus dem lebendigen Gewebe der Stadt herauszuschälen und beispielsweise das Pompejustheater als Ruine oder den Hadrianstempel als Säulenwald mit freier Sicht aufs Pantheon zu inszenieren. Piranesi kreierte aber nicht nur visionäre Ruinenbilder, sondern unter dem Eindruck der Forma Urbis und von Pirro Ligorios «Antiquae Urbis Imago» (1561) auch Rekonstruktionen des alten Rom in Plan und Bild, die er 1762 unter dem Titel «Campus Martius Antiquae Urbis» herausgab. Die spektakulären, zwischen Archäologie und Utopie oszillierenden Ansichten einer monumentalen antikischen Stadt, die bereits die Revolutionsarchitektur von Ledoux und Boullée ankündigten, bilden den exakten Gegenpol zu Vasis Romprojekt. Mittels 240 Stich-Veduten schuf dieser parallel zu Nollis historisch-wissenschaftlichen und Piranesis antiquarisch-spekulativen Plänen ein faszinierendes Bildgeflecht des modernen Rom, das seine eindrückliche Quintessenz im grossen Rom-Panorama von 1765 fand.

Panoramen und Veduten

Die spannende Gegenüberstellung dieser drei Künstler, welche die Wahrnehmung der Ewigen Stadt lange bestimmten, bietet zurzeit eine erhellende Schau im Palazzo Fontana di Trevi. Sie vereint alle erwähnten Stadtpläne, Panoramen und Traumbilder des antiken und des zeitgenössischen Rom bis hin zur Vorzeichnung und zu den Druckplatten von Nollis Rom-Plan und bereichert sie um Veduten Vasis und Piranesis sowie einige Capricci von Giovanni Paolo Pannini. Dazu kommen Porträts von Grand-Touristen und von Förderern der Wissenschaften am päpstlichen Hof, aber auch Publikationen, Vermessungsinstrumente und Belege der Rezeptionsgeschichte. Diese reicht von Giovanni Carafas riesiger «Mappa di Napoli» (1775) über Pierre-Charles L'Enfants Idealplan von Washington (1791) bis hin zur «Nollimap» von 1978, auf welcher Vordenker wie Robert Venturi oder Aldo Rossi eine kontextualistische Weiterentwicklung der «Complexity and Contradiction» von Nollis Rom wagten.

Der vorzügliche Katalog mit seinen fundierten Essays bildet nicht nur die wichtigsten Exponate ab, sondern gibt auch die zwölf Tafeln von Nollis äusserst rarem Rom-Plan einzeln im Massstab 1:3 wieder. Daneben vermitteln mehrere lesenswerte Essays - unter anderem von Mario Bevilacqua, dem Kurator der Schau - neue Forschungsergebnisse. Diese zeigen, dass die Beziehung zwischen dem fast nur noch in Fachkreisen bekannten Nolli und seinem grossen Schüler Piranesi weit intensiver und komplexer war als bisher angenommen.

[ Bis 7. Februar im Palazzo Fontana di Trevi in Rom. Katalog: Nolli Vasi Piranesi. Immagine di Roma Antica e Moderna. Hrsg. Mario Bevilacqua. Artemide Edizioni, Rom 2004. 118 S., Euro 30.- (Euro 21.- in der Ausstellung; www.artemide-edizioni.com). ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2005.01.10

16. Dezember 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukunst als Leitmedium

In den neunziger Jahren zum kulturellen Leitmedium erklärt, geniesst die Architektur zurzeit mehr Aufmerksamkeit als je zuvor. Und dabei sind wir heute...

In den neunziger Jahren zum kulturellen Leitmedium erklärt, geniesst die Architektur zurzeit mehr Aufmerksamkeit als je zuvor. Und dabei sind wir heute...

In den neunziger Jahren zum kulturellen Leitmedium erklärt, geniesst die Architektur zurzeit mehr Aufmerksamkeit als je zuvor. Und dabei sind wir heute weit entfernt von jenen lautstarken Debatten, die in den zwanziger Jahren die Moderne und um 1980 die Postmoderne in Mode brachten. Nun sind es die Bauten selbst, die bald dank neuen Höhenrekorden, bald dank verführerischen Hüllen oder organisch-skulpturalen Formen im Rampenlicht stehen. Noch immer unerreicht in seiner durchschlagenden Zeichenhaftigkeit, geistert Frank Gehrys baskischer Ableger des Guggenheim-Museums und mit ihm der Traum vom Bilbao-Effekt durch die Köpfe der Architekten und Stadtväter. So wurden kürzlich sogar in Zürich Entwürfe für architektonische Identifikationsfiguren am Bürkliplatz und auf dem Papierwerdareal von berühmten Architekten wie Zaha Hadid oder Dominique Perrault erbeten - mit dem Erfolg, dass keiner der Vorschläge zu überzeugen vermochte. Dass architektonische Spitzenwerke nicht in Auftrag gegeben werden können, sondern als Resultat glücklicher Zufälle nur ganz selten entstehen, demonstrierte ungewollt auch die im November zu Ende gegangene neunte Architekturbiennale von Venedig. Die oft fragwürdigen skulpturalen Phantasien, welche sie unter dem Titel «Metamorph» im offiziellen Teil präsentierte, liessen jedenfalls schnell ein Gefühl der Übersättigung aufkommen.

Spiegel einer Epoche

Den theoretischen Überbau zum venezianischen Grossanlass reichen nun zwei Ausstellungen nach: «ArchiSkulptur» in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel und «Arti e Architettura» im Palazzo Ducale in Genua. Wer weder diese Events noch die baukünstlerische Mammutveranstaltung in der Lagune besuchen konnte und auch nicht jedem neu eröffneten Gebäude eines sogenannten Stararchitekten nachreisen will, dem bietet eine üppig illustrierte Buchreihe mit dem eingängigen Titel «Architecture Now!» die Möglichkeit zu einer spannenden Reise durch die Welt der Architektur, welche aber leider auf Abstecher in exotischere Gefilde wie Südamerika oder gar Afrika weitgehend verzichtet. Die in den Jahren 2001 und 2002 sowie vor wenigen Tagen erschienenen drei Bände präsentieren dem bequem vom Fauteuil aus die Weltarchitektur abklappernden Leser auf über 1700 Seiten und mittels ähnlich vieler Farbabbildungen einen Überblick über die baukünstlerische Spitzenproduktion der letzten sechs Jahre. Den 235 in knapp gefassten Texten vorgestellten Bauten und Projekten von 128 Architekten traut der Herausgeber Philip Jodidio zu, dass sie stärker noch als die Kunst «den wahren Geist der Epoche ausdrücken».

Jodidios Auswahl, die von einer lesenswerten Einführung begleitet wird, kann und will keine letzte Objektivität vermitteln. Gleichwohl gibt sie ein buntes Spektrum von der Ökoarchitektur bis zur virtuellen Baukunst, von der asketischen Box bis zum blubbernden Blob. Dabei lässt sich von Band zu Band eine Steigerung der Qualität der ausgewählten Werke feststellen. Neben Meisterwerken wie dem Kursaal von Rafael Moneo in San Sebastian, dem Palmach Museum von Zvi Hecker in Tel Aviv oder der Tate Modern von Herzog & de Meuron in London und schönen Miniaturen wie dem Liner-Museum von Gigon Guyer in Appenzell oder dem Restaurant Georges von Jakob & MacFarlane im Centre Pompidou wurden anfangs immer wieder auch nichtssagende Bauten berücksichtigt: etwa das Shanghai World Finance Center von Kohn Pedersen Fox, der Roissy-Flughafen von Paul Andreu oder die TGV-Bahnhöfe von Jean-Marie Duthilleul. Hingegen fanden die vieldiskutierten Expo-Bauten von Zumthor oder MVRDV in Hannover keine Aufnahme. Dafür kamen mit Greg Lynns biomorphen Wucherungen und Marcos Novaks Aliens computergenerierte Visionen zu einem grossen Auftritt.

Der neuste Band überrascht nun durch ein fast gleichmässig hohes Niveau. Segeln Arbeiten wie das niederländische Son-O-House von NOX, der Serpentine Gallery Pavillon von Toyo Ito in London, der Yokohama International Port Terminal von Foreign Office Architects oder die Grazer Kunsthalle von Cook & Fournier im «archiskulpturalen» Fahrwasser von Venedig, Riehen und Genua, so zeigen etwa das nahe der Chinesischen Mauer errichtete Bambushaus von Kengo Kuma und die minimalistischen Würfel eines Minihauses von Masaki Endoh in Tokio oder des Glashauses von Werner Sobek in Stuttgart die ungebrochene Kraft des Einfachen.

Selbstverliebte Prestigebauten

Erstaunlich aber ist, dass selbst in dieser Hitparade der Innovationen die Bauten der Expo 02 zu glänzen vermögen: In Murten stiess der Minimalismus mit Jean Nouvels Cube zu neuen Grenzen vor, in Biel begann mit den Türmen von Coop Himmelb(l)au der Dekonstruktivismus zu tanzen, und in Yverdon eroberten Diller & Scofidio mit ihrer Blur-Wolke ungeahnte Dimensionen des Immateriellen. Abstrakter und zugleich naturnäher kann sich «organische» Architektur wohl nicht geben. Ganz nebenbei offenbart der stählerne Kern der Wolke, dass auch dieses Bauwerk letztlich auf der mathematischen Logik des Computers basiert. So verführerisch diese drei Arbeiten auch sind, können sie - wie die meisten in der Reihe «Architecture Now!» zelebrierten Prestigebauten - doch ihre formale Selbstverliebtheit nicht verbergen. Während der Augenschmaus im Zentrum steht, spielen kontextuelle, ethische oder soziale Themen eine ebenso geringe Rolle wie der (von einigen exzentrischen Villen abgesehen) meist wenig glamouröse Wohnungsbau oder die städtebaulichen Probleme der Dritten Welt.

[ Philip Jodidio: Architecture Now! Architektur heute / L'architecture d'aujourd'hui. Taschen-Verlag, Köln 2001, 2002 und 2004. Drei Bände. Pro Band 570 S., Fr. 50.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2004.12.16



verknüpfte Publikationen
Architecture Now I
Architecture Now II
Architecture Now III

08. Dezember 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Schätze der Gründerzeit

Vor dreissig Jahren wurde das Inventar der neueren Schweizer Architektur (INSA) zur Erfassung der gründerzeitlichen Baukunst unseres Landes initiiert. Das in zehn Sammelbänden publizierte Forschungsprojekt konnte nun soeben mit der Veröffentlichung des wissenschaftlich wichtigen Registerbandes abgeschlossen werden.

Vor dreissig Jahren wurde das Inventar der neueren Schweizer Architektur (INSA) zur Erfassung der gründerzeitlichen Baukunst unseres Landes initiiert. Das in zehn Sammelbänden publizierte Forschungsprojekt konnte nun soeben mit der Veröffentlichung des wissenschaftlich wichtigen Registerbandes abgeschlossen werden.

Das stadthistorisch und architektonisch wohl reichste Erbe der Schweiz stammt aus den Jahren zwischen 1850 und 1920. Damals wandelten sich unsere Zentren von malerischen Kleinstädten, die gerade erst ihre barocken Mauern gesprengt hatten, zu modernen Gemeinwesen. Ganze Quartiere wurden nach städteplanerischen Erkenntnissen realisiert, aber auch neue Bauaufgaben in Angriff genommen: von Bahnhöfen, Verwaltungsbauten, Schulhäusern, Universitätsgebäuden und Fabriken über Mietshäuser, Spitäler, Kurhotels, Kasernen und Gefängnisse bis hin zu Theatern und Museen. Der technisch-innovative und ästhetische Wert dieser Bauwerke - von denen sich in vielen Schweizer Städten hervorragende Beispiele befinden - wurde von der kämpferisch in Richtung einer lichten, von jedem Pomp befreiten Zukunft stürmenden Avantgarde des 20. Jahrhunderts nicht erkannt und nach dem Zweiten Weltkrieg völlig negiert. So war es möglich (um ein ganz besonders tristes Beispiel zu nennen), dass in St. Gallen, der Stadt, die dank ihrer Stickerei- und Textilindustrie um 1900 zu einer Metropole des Luxus und der Mode aufgestiegen war, in den siebziger Jahren gleich zwei Hauptwerke des bedeutenden Spätklassizisten Johann Christoph Kunkler zerstört wurden: das Stadttheater und der monumentale Versicherungspalast Helvetia.

Schutz durch Publizieren

Da damals eine denkmalschützerische Protektion dieser ungeliebten und in ihrem Wert völlig verkannten Bauten noch kaum bestand und auch nicht jedes Haus der Epoche zwischen 1850 und 1920 unter Schutz gestellt werden konnte, war es dringlich, sie wissenschaftlich zu erfassen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dadurch konnte jene Entwicklung eingeleitet werden, die dazu führte, dass heute die Bauten des Historismus, des Jugendstils und der klassischen Moderne als wertvolle Zeugen unserer politischen, sozialen und kulturellen Entwicklung, aber auch als baukünstlerische Objekte geschätzt, gepflegt und mit viel Sensibilität den gegenwärtigen Bedürfnissen angepasst werden.

Das übergrosse architekturhistorische Erbe dieser Zeitspanne macht jedoch schon das Erfassen der bedeutenderen Bauten höchst aufwendig. Deshalb scheut man sich in vielen Ländern bis jetzt vor einer Bestandesaufnahme. Ein wichtiges Pionierprojekt war die Dokumentierung der an Meisterwerken reichen Wiener Ringstrassenarchitektur. Doch so flächendeckend wie in der Schweiz wurden die städtebaulichen und baukünstlerischen Leistungen der gründerzeitlichen Boomjahre wohl noch nirgends publiziert. Zu verdanken ist dies einer 1973 von Georg Germann initiierten Herkulesarbeit mit dem lapidaren Titel «Inventar der neueren Schweizer Architektur» (INSA).

Germann und seinen Mitstreitern, darunter vor allem Hanspeter Rebsamen, schwebte anfangs ein die klassischen Kunstdenkmäler-Bände zeitlich fortschreibendes Kurzinventar aller zwischen 1850 und 1920 in der Schweiz entstandenen Bauten vor. Doch mussten sie schon zu Beginn ihrer Feldforschung feststellen, dass eine Beschränkung nötig war, um das Vorhaben, das ins Uferlose abzudriften drohte, nicht zu gefährden. Schliesslich entschied man sich, nur die Kantonshauptorte sowie jene Gemeinden, die um 1920 mindestens 10 000 Einwohner zählten, nach ganz spezifischen Kriterien zu bearbeiten. Insgesamt 40 Städte wurden in den zehn zwischen 1982 und 2003 von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK) herausgegebenen und vom Schweizerischen Nationalfonds mitfinanzierten Bänden nach einem einheitlichen Schema erfasst: So folgt bei jeder Stadt auf einen Überblick mit Bevölkerungsstatistik, Zeittafel und Planmaterial eine spannend zu lesende Siedlungsgeschichte sowie - als architekturhistorisches Kernstück - das topographische, nach Strassen geordnete Kurzinventar ausgewählter Bauten und schliesslich ein knapper Anhang (ohne Personenregister). Diese reich bebilderten Bücher, die ursprünglich als Basis für die weitere wissenschaftliche Forschung, aber auch für die praktische Denkmalpflege gedacht waren, wurden schnell von einer breiteren Leserschaft als kultur- und stadtgeschichtlich fundierte Führer entdeckt.

Da aus Platzgründen vor allem beim Kurzinventar der grossen Städte Einschränkungen nötig waren, vermisst man hier immer wieder Bauten, die aus heutiger Sicht berücksichtigt werden müssten. Als leicht störend empfinden kann man zudem die Übergewichtung kleinerer Gemeinden. So darf der dörfliche Kantonshauptort Stans fast gleich viel Platz beanspruchen wie Genf, die Schweizer Stadt mit dem wohl grössten bauhistorischen Erbe. Hier spielten föderalistische und freundeidgenössische Überlegungen eine Rolle. Wichtig war beim Problemfall Genf aber auch die um 1980 schwierige Archivlage in der Rhonestadt. Beim Durchsehen der Inventarteile entsteht daher der Eindruck, dass es vor allem kleinere Objekte waren, die das Schweizer Baugeschehen dominierten, und weniger Monumente wie etwa die Kaserne, die ETH, das Landesmuseum oder die Universität in Zürich. Da zudem die baukünstlerische Entwicklung in Kantonshauptorten wie Altdorf, Appenzell, Delsberg und Sarnen oder in der Alpenstadt Davos eher einer von Industrialisierung oder Tourismus geprägten ländlichen Schweiz entspricht, spiegelt das INSA schon jetzt gewissermassen einen gesamtschweizerischen Durchschnitt.

Hilfreicher Registerband

Dennoch wäre zu wünschen, dass in einer weiteren Buchreihe auch die architektonischen Schätze der Landgebiete und Agglomerationen erfasst werden könnten. Zudem harrt die zwischen 1920 und 1970 entstandene Architektur noch der Bearbeitung. In beiden Fällen könnte der zwar bewährte, aber wegen der fehlenden Namensregister nicht immer benutzerfreundliche Aufbau der bisherigen INSA-Bände verbessert werden. Als deren Nachrüstung versteht sich nun der soeben erschienene Registerband, der dem ebenso ambitiösen wie gelungenen publizistischen Unternehmen nach 30 Jahren die wissenschaftliche Krone aufsetzt. Auch wenn die an ein handliches Telefonbuch erinnernde Publikation spröde wirkt, macht sie doch mit ihren rund 25 000 Familien- und Firmennamen das INSA «zum umfassenden Nachschlagewerk zur Bau- und Kulturgeschichte der Schweiz in der frühen Moderne». Wäre der Band zeitiger erschienen, so hätten beispielsweise die Juristen in Lugano nur unter Americo Marazzi nachschlagen müssen, um anhand der Stichwörter (1879-1963; architetto, capotecnico comunale di Lugano) und der folgenden 50 Verweise die Bedeutung dieses heute unterschätzten Architekten für die Entwicklung des Tessins zu erkennen und den vor wenigen Tagen bewilligten Abbruch eines der letzten Zeugen seiner Montarina- Gartenstadt in Lugano zu überdenken.

Der Registerband wertet aber nicht nur die INSA-Reihe aus der Sicht von Denkmalpflege und Forschung entschieden auf. Er dürfte auch bei vielen interessierten Laien den Wunsch wecken, das INSA-Nachschlagewerk integral zu besitzen. Das ist aber kaum mehr möglich, weil die Bände zwei und zehn längst vergriffen sind. Da diese wohl kaum mehr nachgedruckt werden, sollte dringend die Reihe der aus den INSA-Bänden herausgelösten Stadtmonographien - von denen bisher Bern, Luzern, Olten, Solothurn, St. Gallen, Winterthur, Zürich und Zug erschienen sind - verlängert werden. Zumal mit ihnen den Schweizer Städten ein erstklassiges, auch touristisch nutzbares Mittel der historischen Selbstdarstellung zur Verfügung steht. Im Fall von Genf wäre es zudem möglich, in einer Ergänzung den heutigen Forschungsstand zur dortigen Architektur beizufügen.

[ INSA-Register. Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK). Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2004. 319 S., Fr. 78.-. Die ebenfalls bei Orell Füssli erschienenen Inventarbände (je 464 bis 544 Seiten) kosten zwischen 108 und 128 Franken, die acht bisher erschienenen Stadtmonographien (je 112 bis 296 Seiten) kosten zwischen 43 und 49 Franken. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2004.12.08



verknüpfte Publikationen
INSA Band 11, Register

07. Dezember 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Verwandlung eines Wahrzeichens

Das vom Klassizisten Giuseppe Piermarini 1778 errichtete Teatro alla Scala zählt zu den legendären Opernhäusern der Welt und ist zugleich ein Wahrzeichen Mailands. Nach einer umfassenden Restaurierung und Mario Bottas vieldiskutierter Erweiterung wird es heute Abend mit «L'Europa riconosciuta» von Antonio Salieri wiedereröffnet.

Das vom Klassizisten Giuseppe Piermarini 1778 errichtete Teatro alla Scala zählt zu den legendären Opernhäusern der Welt und ist zugleich ein Wahrzeichen Mailands. Nach einer umfassenden Restaurierung und Mario Bottas vieldiskutierter Erweiterung wird es heute Abend mit «L'Europa riconosciuta» von Antonio Salieri wiedereröffnet.

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verknüpfte Bauwerke
Teatro alla Scala - Umbau

03. Dezember 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Ekstase der Himmelsstürmer

Nach der Zerstörung des World Trade Center schwand für kurze Zeit die Ausstrahlung der Wolkenkratzer. Doch dann wurde aus Taipeh ein neuer Höhenrekord gemeldet; und auch die Museen entdeckten die Himmelsstürmer wieder: Im Sommer fand in New York eine grosse Schau statt, und nun feiert auch Düsseldorf die Turmbauten.

Nach der Zerstörung des World Trade Center schwand für kurze Zeit die Ausstrahlung der Wolkenkratzer. Doch dann wurde aus Taipeh ein neuer Höhenrekord gemeldet; und auch die Museen entdeckten die Himmelsstürmer wieder: Im Sommer fand in New York eine grosse Schau statt, und nun feiert auch Düsseldorf die Turmbauten.

Unmittelbar nach den Attentaten auf das World Trade Center in New York schien sich die Hochhauseuphorie zu verflüchtigen, die in den neunziger Jahren noch gigantische Visionen von «vertikalen Invasoren» wie Harry Seidlers 650 Meter hohem Grollo Tower für Melbourne oder Norman Fosters 840 Meter hohem Millennium Tower für Tokio hervorgebracht hatte. Doch die von hitzigen Debatten begleitete Idee vom Wiederaufbau der Zwillingstürme stachelte die Phantasie der Architekten erneut an und brachte einige der formal eigenwilligsten und spannendsten Hochhausentwürfe überhaupt - allen voran die futuristische Sky-Stadt von United Architects. Schon zuvor waren auf der Architekturbiennale 2002 in Venedig Vorschläge wie die in den Himmel züngelnden Schlangentürme von Lars Spuybroek für Ground Zero heftig diskutiert und eine aus Riesenmodellen bestehende, von Science-Fiction-Romantik durchwehte «Strada Novissima» mit Hochhäusern von Stars wie Zaha Hadid oder Toyo Ito gefeiert worden. Seither konnte in der gebauten Realität mit dem 508 Meter hohen «101 Tower» in Taipeh die magische Grenze von einem halben Kilometer Höhe durchbrochen werden; und in Dubai soll Adrian D. Smith vom Grossbüro Skidmore Owings Merrill (SOM) mit dem Burj Dubai bis 2009 das welthöchste Bauwerk realisieren, dessen definitive Masse aus Konkurrenzgründen noch geheim gehalten werden (NZZ 5. 3. 04). Demnach dürfte der Freedom Tower auf Ground Zero, der nun nach einem von SOM-Partner David Childs stark überarbeiteten Entwurf Daniel Libeskinds ebenfalls im Jahr 2009 vollendet sein soll, mit seiner symbolträchtigen, auf die amerikanische Unabhängigkeit anspielenden Höhe von 1776 Fuss oder 541 Metern den angestrebten Rekord verfehlen.
Wettstreit der Giganten

Angesichts dieses neuen Höhenrausches wundert es nicht, dass jüngst das MoMA in New York der Architektur der Wolkenkratzer eine Schau widmete (NZZ 31. 7. 04). Zur Aktualität, welche den Turmbauten als Symbolen wirtschaftlicher Potenz und politischer Macht in der globalisierten Welt zukommt, gesellt sich ihre jahrtausendealte Faszination. Denn seit Menschen bauen, träumen sie von der Eroberung des Himmels - angefangen bei der Zikkurat von Babel, die wir dank der Bibel als Inbegriff menschlicher Hybris verinnerlicht haben. Dabei erfüllte sie eine ähnliche religiöse Funktion wie die mittelalterlichen Kirchtürme. Weil diese bis in die Moderne auch städtisches Selbstbewusstsein verkörperten, empfahlen sie sich - nach anfänglichen Versuchen mit hohen Häusern in der Art des modern anmutenden Reliance Building in Chicago oder des Flat Iron Building in New York - als Vorbilder für die frühen, in ihrer typologischen Ausformung noch nicht festgelegten Wolkenkratzer. Um diese Entstehungsgeschichte kommen auch die neusten Arbeiten zum Thema Hochhaus nicht herum: die schön bebilderte Monographie von Andres Lepik und der handliche Katalog zur Düsseldorfer Hochhaus-Ausstellung «Der Traum vom Turm» mit seinen lesenswerten Essays zu gesellschaftlichen, ästhetischen und vor allem zu ingenieurtechnischen Aspekten. Waren letztlich doch Erfindungen wie der Lift, der Stahlbeton oder das Röhrentragwerk für den Hochhausbau entscheidend.

Während Lepik, ein Kenner der Materie, nach einer kunsthistorischen Analyse der Hochhausarchitektur eine Auswahl bekannter Wolkenkratzer in attraktiven Abbildungen bietet, setzt die didaktisch gut gemachte Schau im NWR-Forum in Düsseldorf ganz auf die Verführungskraft grosser Modelle, die in lockerer Chronologie von Babylon bis hin zu formal und technologisch gleichermassen raffinierten Zukunftsprojekten reichen. Da die Maquetten für die Ausstellung alle eigens im Massstab 1:200 gefertigt wurden, erlauben sie einen einmaligen Höhenvergleich. So schweift denn der Blick, inspiriert von Giorgio de Chiricos metaphysischer «Torre» aus dem Zürcher Kunsthaus, im ersten Raum über Kirchtürme und Minarette hinweg, um erstaunt die Grösse des kathedralartigen Woolworth Building und anderer früher Hochhäuser zu erfassen, die 1931 in der 381 Meter hohen Art-déco-Zikkurat des Empire State Building kulminierten. Fotos von Berenice Abbott und Alfred Stieglitz sowie Bücher von Erich Mendelsohn und Hugh Ferris feiern diese Meisterleistungen und leiten über zu den Zukunftsvisionen von Antonio Sant'Elias «Città Futurista», Le Corbusiers «Plan Voisin» oder Frank Lloyd Wrights «Mile-High-Tower». Sie alle aber werden überstrahlt vom Modell des 400 Meter hohen Internationale-Monuments, das Wladimir Tatlin 1919 als Verschnitt von Eiffelturm und Samarra-Minarett konzipierte.

Nach Wirtschaftsdepression und Krieg beeindruckte Amerika die Welt mit minimalistischen Schöpfungen wie dem Lever House von SOM oder Mies van der Rohes Seagram Building. Ihnen folgten bald Giganten wie der Sears Tower, mit dem Chicago seine einstige Leaderposition zurückeroberte. Europa hingegen setzte mit der Torre Velasca von BBPR und dem Pirelli-Hochhaus von Gio Ponti in Mailand auf kontextbezogene Hochhaustypen, die William Pereira 1972 in San Franciscos Transamerica Pyramide zu einem der ersten «Signature Building» weiterentwickeln sollte. Diesen werbewirksamen «Icons» antworten nun in Südostasien Türme, die bald an Kriegsschiffe, an riesige Pagoden oder an Flaschenöffner erinnern. Die Düsseldorfer Schau schliesst mit Hochhäusern wie dem Freedom Tower, dem Burj Dubai, der CCTV-Hochhausschlaufe von Rem Koolhaas in Peking oder dem Turning Torso von Calatrava in Malmö, die bald Realität sein dürften, aber auch mit technologisch und formal innovativen Entwürfen wie dem Al Ghorfa Tower in Kuwait von Hamzah & Yeang, dem Soho Forum in Peking von Zaha Hadid, dem Bundle Tower von Foreign Office Architects und dem Skin Tower von Werner Sobek.
Deutsche Hochhaustradition

Bei diesem Ausblick vermisst man den Schatzalp-Turm von Herzog & de Meuron in Davos. Das 105 Meter hohe, an einen gläsernen Tannzapfen erinnernde Bauwerk, welches nach seiner Realisierung der höchstgelegene Wolkenkratzer Europas sein wird, hat hierzulande der bisher vor allem in Basel und Zürich geführten Hochhausdebatte Auftrieb verliehen. Gleiches erhofft sich nun die Düsseldorfer Ausstellung wohl auch für Deutschland. Denn nachdem vor wenigen Tagen das Münchner Stimmvolk Hochhäuser, welche die Türme der Frauenkirche überragen, verboten und damit demonstriert hat, dass sich selbstbewusste europäische Kulturstädte nicht unbedingt am zwanghaften Höhenwettstreit junger Metropolen beteiligen müssen, wird sich vermutlich auch am Niederrhein die Kritik an den neuen, nicht unumstrittenen Hochhäusern verstärken. Deshalb verweist die Schau in einer eigenen Abteilung auf die lokale Hochhaustradition, die 1925 im legendären Kölner Brückenkopf-Wettbewerb einen kreativen Höhenflug erlebte, von welchem in der Ausstellung nicht weniger als 121 Entwürfe zeugen. Ihm vorausgegangen war 1921 Wilhelm Kreis' Projekt für ein 160 Meter hohes Säulenhaus am Düsseldorfer Graf-Adolf-Platz. An dieses erinnert nun am gleichen Ort der banale Investorenturm des lokalen Büros JSK. Ein Vergleich dieses elliptischen Glasbaus mit dem Wilhelm-Marx-Haus, das Wilhelm Kreis 1924 als expressionistisches Wahrzeichen im Zentrum Düsseldorfs erstellte, veranschaulicht nicht zuletzt den Niedergang von Qualitäts- und Formbewusstsein im weitgehend zum Designproblem verkommenen Hochhausbau von heute.

[ Bis 20. Februar im NRW-Forum Kultur und Wirtschaft in Düsseldorf. Katalog: Der Traum vom Turm. Hrsg. NRW- Forum. Hatje-Cantz-Verlag, Ostfildern 2004. 272 S., Fr 39.- (Euro 22.80 in der Ausstellung). - Andres Lepik: Skyscrapers. Englisch. Prestel-Verlag, München 2004. 160 S., Fr. 52.30. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.12.03

25. November 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kannibalisches Bauen?

Die grosse Abschlussausstellung im Programm der diesjährigen europäischen Kulturhauptstadt Genua ist dem Dialog zwischen Architektur und Kunst gewidmet. Die materialreiche Schau im Palazzo Ducale und im Aussenraum der Altstadt versteht sich als eine mögliche Neuschreibung der Architekturgeschichte der letzten hundert Jahre.

Die grosse Abschlussausstellung im Programm der diesjährigen europäischen Kulturhauptstadt Genua ist dem Dialog zwischen Architektur und Kunst gewidmet. Die materialreiche Schau im Palazzo Ducale und im Aussenraum der Altstadt versteht sich als eine mögliche Neuschreibung der Architekturgeschichte der letzten hundert Jahre.

Seit der diesjährigen Architekturbiennale von Venedig, die unter dem Titel «Metamorph» skulpturales Bauen ins Zentrum rückte, verspürt die in den neunziger Jahren propagierte Idee der Baukunst als kulturelles Leitmedium wieder Aufwind. Doch während das breite Publikum noch immer von den spektakulären Musentempeln Zaha Hadids, Libeskinds oder Nouvels schwärmt, signalisiert in diesen Tagen das MoMA in New York mit Yoshio Taniguchis diskretem Neubau, dass die Ära der exzentrischen Solitäre möglicherweise ihren Zenit schon überschritten hat. Dabei wollte uns Venedig doch davon überzeugen, dass nur noch die zwischen neokubistischer und biomorpher Plastik oszillierenden und sich gegenseitig übertrumpfenden Bauvisionen unseren Hunger nach jenen skulpturalen Ereignissen stillen können, um die sich die Kunst schon lange nicht mehr kümmert.

Der Traum vom skulpturalen Bauen

Jedenfalls ist der Glaube an den weltweiten Triumph einer skulpturalen Architektur ungebrochen, auch wenn mitunter behauptet wird, sie falle auf ihrem Höhenflug wie eine Kannibalin über ihre Schwester, die Bildnerei, her und verschlinge sie zum eigenen Vorteil. Gleichsam als historisch-theoretische Vertiefung dieses Vorgangs finden derzeit zwei gewichtige Ausstellungen statt, die sich mit den Wechselwirkungen von «freier» Kunst und «zweckgebundener» Architektur befassen. In der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel wird unter dem an ein monströses Zwitterwesen gemahnenden Titel «ArchiSkulptur» eine zwischen klassischer Rationalität und barocker Expressivität pendelnde Zusammenschau von Baukunst und Plastik seit Borromini und Boullée gegeben (NZZ 6. 10. 04). Diese argumentiert mit suggestiven Rückblenden, Assoziationen und Gegenüberstellungen des Ungleichzeitigen und versucht so eine Theorie der skulpturalen Architektur anzudeuten. Gleichzeitig findet in Genua, das dieses Jahr mit Lille die Würde der europäischen Kulturhauptstadt teilt, die von Germano Celant im Palazzo Ducale inszenierte Ausstellung «Arti e Architettura» statt. Mit weit über 1000 Originalwerken soll die These, «dass heute Architektur mehr denn je in allen Künsten präsent ist und umgekehrt», illustriert und darüber hinaus eine Neuschreibung der Architekturgeschichte der letzten hundert Jahre aus dem Geist der Kunst gewagt werden.

Begeistert von der Idee der «Fusion», der Verschmelzung aller Kunstformen, träumte Celant bei der Zusammenstellung seiner Megaschau von einer künstlerisch-architektonischen Jam-Session. Entstanden ist aber nicht die geniale Improvisation, welche darlegt, wie «die Architektur ihr künstlerisches Territorium erweitert, indem sie zur Performance wird», sondern vielmehr eine streng chronologische Präsentation. Diese spürt mittels eines erschlagenden Aufgebots an Exponaten den Überschneidungen von Kunst und Architektur im 20. Jahrhundert nach. Trotz kostbaren Arbeiten von Sant'Elia, Finsterlin und Feininger über Malewitsch, Le Corbusier, Kiesler, Oldenburg und Gehry bis hin zu Dan Graham, Herzog & de Meuron, Pipilotti Rist und Greg Lynn bleibt am Schluss nicht viel mehr als ein reiches Sammelsurium. Dieses verdichtet sich leider weder zu einem kohärenten Bild noch zu einer Theorie des Künstlerischen in der Architektur oder des Architektonischen in der Kunst.

Gleichförmiger Erzählfluss

Den Auftakt zur dreiteiligen Veranstaltung, die neben einem historischen und einem zeitgenössischen Parcours im altehrwürdigen Palazzo Ducale auch eine Freiluftausstellung in der Genueser Altstadt umfasst, machen Légers «Constructeurs» von 1950. Dieses Riesenformat markiert geschickt die zeitliche Mitte der Schau sowie eine mögliche Verschwisterung von Architektur und Malerei. Danach aber entwickelt sich Celants Geschichte im engen Korsett der Stile und der Ismen: Ausgehend vom deutschen Werkbund (und nicht vom kurzerhand ausgeblendeten Jugendstil eines Gaudí oder Horta), werden architektonische Pläne und Modelle sowie Gemälde, Skulpturen, Fotos und Filme des Futurismus, Kubismus, Expressionismus, Purismus, Konstruktivismus und Rationalismus, der Nachkriegskunst, des Metabolismus, der Pop- und der Minimal Art sowie der aktuellsten Strömungen gezeigt. Da nichts hervorgehoben wird, geht Le Corbusiers Wallfahrtskirche in Ronchamp als seither nie wieder erreichter Höhepunkt einer Legierung von Architektur und Kunst im gleichförmigen Erzählfluss ebenso unter wie Tatlins unrealisiertes Internationale-Denkmal von 1919, in welchem El Lissitzky immerhin «einen der ersten Versuche einer Synthese des Technischen und Künstlerischen» sah.

Doch die oft etwas monoton wirkende Chronologie verunmöglicht nicht nur die gebührende Inszenierung von Sternstunden des raumkünstlerischen Erfindungsgeistes, sondern auch das Hervorheben der erstaunlichen Verwandtschaft zwischen den organisch-amorphen Blob-Entwürfen heutiger Architekten mit Werken von Arp oder Henry Moore. Überhaupt wird die Schau, je mehr sie sich im Piano Nobile des Palazzo Ducale der Gegenwart nähert, immer schriller und zusammenhangsloser. Dadurch kommt die Ausstrahlung der architektonisch konzipierten «Useful Sculpture» eines Dan Graham oder Siah Armajani ebenso wenig zur Geltung wie die Bedeutung der architekturkritischen Phantasien von Archigram, Superstudio, Site und der Metabolisten, die der Architektur in den sechziger Jahren den nicht unproblematischen Weg hin zur freien, die Stadt und den Kontext ignorierenden Kunst ebneten. In Simone Cantonis grandioser Sala del Minor Consiglio argumentiert Celant dann fast nur noch mit skulpturalen Modellen. Doch die Maquetten des Pekinger Nationalstadions von Herzog & de Meuron oder des Karlsruher ZKM-Entwurfs von Koolhaas stehen hier beziehungslos auf derselben Ebene wie James Turrells Ufo-Bauten oder Louise Bourgeois' weisse Puppenhäuser.

Konversation statt Kritik

In der Einführung zur opulenten Materialsammlung des zweibändigen Katalogs stellt Celant durchaus überzeugend fest, dass die heutige Architektur in gewissen modischen Bereichen zum Monument und zum Narzissmus neige, dass sie eine Weiterentwicklung der modernen Skulptur in neuem Massstab und Wirkungsfeld sei, dass ihr Interesse dem Äusseren statt dem Inneren, der Oberfläche statt der Struktur gelte und dass es ihr immer mehr um die Realisierung von medial verwertbaren, global zu konsumierenden Erscheinungsbildern gehe. Doch statt diese Einsichten kritisch und pointiert zu veranschaulichen, verharrt die Schau auf dem Niveau einer netten Konversation der Künste. Dabei verselbständigt sich der Flirt der Architekten mit dem Skulpturalen und jener der Künstler mit dem Architektonischen zusehends. Dies belegt jener Teil der Schau, in welchem grossformatige Arbeiten den Aussenraum Genuas besetzen dürfen. Während das rekonstruierte «Teatro del Mondo» von Aldo Rossi den alten Hafen von Genua im Geist de Chiricos zu verzaubern sucht und Anselm Kiefers weisses, für die tugendhafte Römerin Cornelia auf der Piazza San Matteo erbautes Steinhaus dem gotischen Herzen der Stadt einen noch morbideren Zug verleiht, inszeniert Renzo Piano im Corvetto-Park Originalbauteile seines Kulturzentrums in Nouméa auf Neukaledonien wie ein Kunstwerk. Hans Hollein hingegen verweigert sich mit seinem «Goldenen Kalb», welches die Piazza Fontane Marose in surrealistische Schieflage bringt, dem Dialog von Architektur und Kunst. Schliesslich prophezeit Rem Koolhaas mit seiner im Hof des Palazzo Lomellino präsentierten Skulptur der Togok Towers nicht ohne Ironie, dass die Architektur nach der Kunst wohl bald auch die Natur auffressen wird.

[Bis 13. Februar im Palazzo Ducale und in der Altstadt von Genua. Katalog: Arti e Architettura. Hrsg. Germano Celant. Skira, Genf und Mailand 2004. 2 Bände mit 784 S., Euro 49.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2004.11.25



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Arti e Architettura

22. November 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Stammeskunst beim Eiffelturm und Islam im Louvre

Seit de Gaulle hat sich jeder französische Staatspräsident auf die eine oder andere Art im Kulturbereich hervorgetan. Spätestens seit Mitterrand gilt der Brauch, sich durch «grands travaux» zu verewigen. Chirac hat den Bau eines Museums für Stammeskunst und die Schaffung einer Abteilung für islamische Kunst im Louvre angeordnet.

Seit de Gaulle hat sich jeder französische Staatspräsident auf die eine oder andere Art im Kulturbereich hervorgetan. Spätestens seit Mitterrand gilt der Brauch, sich durch «grands travaux» zu verewigen. Chirac hat den Bau eines Museums für Stammeskunst und die Schaffung einer Abteilung für islamische Kunst im Louvre angeordnet.

Die Verfassung der Fünften Republik - es ist ein Gemeinplatz - macht den französischen Staatspräsidenten zum sublimierten Nachfolger der Könige von einst. Wie diese als protecteurs des arts agierten, wird von jenem heute ein aktives Eintreten für Kunst und Kultur erwartet. Der besondere Platz, den la culture im öffentlichen Diskurs einnimmt, die weltweit beispiellose staatliche Kulturförderung gründen - auch - auf dieser nabelschnurartigen (und in mancher Hinsicht infantilen) Beziehung zwischen einer Nation und ihrem ersten Repräsentanten. «L'Etat c'est moi», beschied Ludwig XIV. - und noch heute identifizieren viele in Frankreich den Staat mit seinem Oberhaupt. Der Präsident ist kein auf Zeit gewählter Funktionär, sondern gleichsam der Depositär der Essenz des «Französischen». Er bekleidet eine Art laizistisches Priesteramt, dessen er sich auch im Kulturbereich als würdig zu erweisen hat.
Nachruhm durch Kunstförderung

Seit 1958 hat sich jeder Präsident dieser Aufgabe gestellt - jeder auf seine Art. Charles de Gaulle war als Schriftsteller ein Stilist von klassischer Grandeur; seine Memoiren haben die Weihen der prestigeträchtigen Bibliothèque de la Pléiade erhalten. Georges Pompidou veröffentlichte eine Anthologie der französischen Lyrik und interessierte sich für Malerei; das nach ihm benannte Zentrum in Paris war bei seiner Eröffnung 1977 richtungweisend und ist es noch heute. Valéry Giscard d'Estaings kulturelle Bilanz ist demgegenüber bescheidener; immerhin jedoch hat er das Projekt des Institut du monde arabe lanciert, mit Michel Guy einen der besten Kulturminister ernannt, die Frankreich je hatte - und Ende letzten Jahres den Sitz von Léopold Sédar Senghor in der Académie française übernommen. François Mitterrand endlich umgab sich mit einem Hof von Dichtern und Denkern; die im Lauf seiner beiden Amtszeiten realisierten grands travaux - der «Grand Louvre», die Nationalbibliothek, die Cité de la musique, das Musée d'Orsay . . . - dürften seinen Nachruhm als republikanischer protecteur des arts gesichert haben.

Und Jacques Chirac? Der sich gern hemdsärmelig gebende Präsident stand noch nie im Ruch, ein feinsinniger Ästhet zu sein. Wohl nur wenigen ist seine Liebe zu China und zu Japan bekannt - und zwar nicht nur zu dem Traditions- und Kultursport Sumo, sondern auch zur Kunst dieser beiden Kulturkreise. Ein staatliches Museum für asiatische Kunst existierte freilich bereits: das zwischen 1996 und 2001 summa cum laude renovierte Musée Guimet in Paris (NZZ vom 15. 1. 01). Doch zeigt dieses vornehmlich «Hoch- und Hofkunst», während Hunderttausende von Gebrauchsgegenständen - nicht nur aus Asien, sondern auch aus anderen Weltteilen - in den Reserven des Musée de l'homme und des Musée national des arts d'Afrique et d'Océanie lagerten. Diese beiden Pariser Museen harrten bei Chiracs Amtsantritt 1995 schon seit Jahren einer grundlegenden Neukonzeption; 1996 empfahl eine vom Präsidenten einberufene Kommission die Zusammenführung der beiden Sammlungen in einer neuen Institution. Im Juli 1998 wurde ein rechteckiger Baugrund direkt beim Eiffelturm ausgewählt, im Dezember das «Etablissement public du musée du quai Branly» gegründet. Damit war der Entstehungsprozess von «Chiracs Museum» lanciert.

Das Gros der vereinigten Sammlung stammt aus der Kolonialzeit und weist die entsprechenden geographischen Schwerpunkte auf: Nord- und Westafrika, Madagaskar, Naher Osten, Indochina und Polynesien. Lange Zeit als Kuriosa betrachtet und in ethnographischen Museen aufbewahrt, wurden die Objekte um 1905 von den Fauvisten, Kubisten und Expressionisten als «Art nègre» recht eigentlich neu entdeckt. «Der Louvre sollte gewisse exotische Meisterwerke aufnehmen, deren Anblick nicht minder ergreifend ist als der der schönsten Exemplare der westlichen Bildhauerkunst», schrieb Apollinaire 1909 - André Malraux und Claude Lévi-Strauss schlugen später in dieselbe Kerbe. 1990 forderte eine von dreihundert Kulturschaffenden unterzeichnete Petition die Gründung einer Louvre-Abteilung für die Kunst Afrikas, Ozeaniens, der beiden Amerika sowie des indischen Subkontinents. Der Initiator dieser Petition, der 2001 verstorbene Kunstsammler Jacques Kerchache, hatte Chiracs Ohr gewonnen, als dieser noch Bürgermeister von Paris war. Kerchache ist der geistige Vater des Musée du quai Branly - und auch des vor vier Jahren eröffneten Pavillon des Sessions im Louvre, wo 120 Meisterwerke der Stammeskunst zu bewundern sind (NZZ vom 17. 4. 00).
Auf dem Fluss der Zeit

Den internationalen Wettbewerb für den Entwurf des neuen Museums hat, wie bereits gemeldet, Jean Nouvel gewonnen. Sein Projekt dürfte, zumindest auf dem Papier, das Herz jedes Architekturliebhabers höher schlagen lassen. Wenn sich die Qualität eines Museums nicht nur an der Güte der Exponate misst, sondern auch und vor allem an der Übereinstimmung - oder aber an der produktiven Reibung - zwischen Form und Inhalt sowie am Reichtum des Dialogs (im weitesten Sinn) mit den Besuchern, könnte das Musée du quai Branly zum konzeptionell überzeugendsten Museum in Paris werden. Laut Nouvel ist «diese Architektur zuvörderst eine Hommage an Zivilisationen, die sich hauptsächlich entlang Flüssen, in Wäldern und in den Bergen entwickelt haben». Vor dem Autolärm und den Abgasen von dem an der Seine entlangführenden Quai Branly schützt eine 120 Meter lange und 12 Meter hohe Glaswand; auf diese sind die Blätter der Eichen und Ahornbäume serigraphiert, welche die hügelige Prärielandschaft hinter der «Palisade» säumen.

Der Weg führt den Besucher unter der auf Pfählen gebauten langgestreckten «Grande Galerie» hindurch zu einem Tal, das in die Eingangshalle mündet. Auf dieser Seite des von Gilles Clément gestalteten Parks wachsen Kirsch- und Magnolienbäume und bilden zwei grosse Becken mit Wasserpflanzen eine Art natürliche Grenze zur Rue de l'Université, die parallel zum Quai Branly im Süden das Gelände abschliesst. - In der Eingangshalle erblickt der Besucher als Erstes einen eiförmigen, verglasten Silo mit einem Umfang von 51 Metern. Dieser durchquert das Gebäude von unten bis oben und beherbergt auf acht Stockwerken 9500 Musikinstrumente. Eine Treppe führt hinab zum Foyer, zu den Atelier- und Unterrichtsräumen, zum Projektionssaal und zum Auditorium. Dieses ist dank einem ausgeklügelten Vorhangsystem modulierbar; die verglaste Fassade lässt sich auf ein Freilufttheater öffnen. Während die beiden «Module» für Wechselausstellungen auf dem Niveau der Eingangshalle liegen, ist das eigentliche Herz des Museums über eine sinusförmige, 3 Meter breite und 160 Meter lange Rampe zu erreichen - Nouvel spricht von einer «Reise den Fluss hinauf». Die auf Pfählen stehende «Grande Galerie» weist mit 170 Metern Länge, 9 Metern Höhe und 30 bis 35 Metern Breite gewaltige Dimensionen auf. Der 4500 Quadratmeter grosse Raum ist nicht unterteilt, wird wegen der Dichte der Museographie aber kaum mit einem Blick zu erfassen sein: Beabsichtigt ist ein (ur)waldähnlicher Eindruck.

Vier geographische Sektionen grenzen aneinander: Afrika, Amerika, Asien und Ozeanien. Die Nordfassade zur Seine hin weist 26 schachtelförmige Auswüchse von verschiedener Grösse auf: Die meisten dieser Räume sind einzelnen Ländern gewidmet, von Äthiopien bis Tibet. Laut Isabelle Guillauic, der Bauleiterin von den Ateliers Jean Nouvel, soll die wolkenähnliche Decke der «Grande Galerie» im Wechsellicht «wie der Bauch einer Sardine schillern», während sich am Boden künstliche Schatten abzeichnen. Statt Vitrinen im eigentlichen Sinn wird es drei Meter hohe und fünf Meter lange Glasplatten geben, die scheinbar frei im Raum stehen und mitunter im Dunkel verschwinden. Täuschung und Entmaterialisierung, zwei Kernbegriffe von Nouvels Ästhetik, dienen hier der Erzeugung einer traumähnlichen, gleichsam schwebenden Stimmung. Die oftmals unregelmässigen, zum Teil fast biomorphen Formen sind neu im Werk des Architekten. Park, Gebäude und Exponate sollen zu einer Art «Promenade artistique et architecturale» verschmelzen - Leitthema ist die (Entdeckungs-) Reise, der «Parcours initiatique».

Neben den grossen, internationalen Wechselausstellungen im Erdgeschoss und der Präsentation von eigenen Objekten sowie von langfristigen Leihgaben in der «Grande Galerie» sind auch thematische Ausstellungen vorgesehen und sogenannte Expositions dossiers, die einzelne Aspekte der Sammlung vertiefen. Für diese stehen zwei 800 beziehungsweise 670 Quadratmeter grosse Mezzanine zur Verfügung, die amöbenförmig die «Grande Galerie» überragen. Die dortigen Ausstellungen sollen nicht nur von Konservatoren konzipiert werden, sondern auch von auf Zeit ans Haus gebundenen Forschern. Die Institution versteht sich nämlich dezidiert als ein Ort des Dialogs zwischen den Welten des Museums und der Universität - ein Ort, wo nicht nur konserviert, sondern auch geforscht und gelehrt wird.


Islamische Kunst unter dem Glasdach

Rund zwanzig Forscher sollen für zwei bis zwölf Jahre vor Ort an individuellen Projekten arbeiten, die von der Sammlung ausgehen, dank der Vergabe von Börsen aber auch Feldforschung in den Ursprungsländern umfassen können. Parallel dazu werden sie im Haus unterrichten: Das Museum bietet in Zusammenarbeit mit Universitäten und mit der Ecole du Louvre Seminare vom Grundstudium bis zur Habilitation an. So soll am Quai Branly ein richtiger Campus entstehen.

Das zweite vom Staatspräsidenten initiierte Museumsprojekt ist zugleich bescheidener und ambitiöser. Bescheidener in seinen räumlichen und finanziellen Dimensionen. Ambitiöser, weil die Schaffung einer eigenen Abteilung für islamische Kunst im Louvre einen massiven Eingriff in das hochkomplexe (und -empfindliche) Innenleben des «grössten Museums der Welt» darstellt. Die - ebenfalls von Jacques Chirac angeordnete - Eröffnung des oben erwähnten kleinen Pavillon des Sessions im Südflügel des Louvre, einer Art Antenne des Musée du quai Branly, hatte vor vier Jahren zu erheblicher Nervosität unter den Konservatoren geführt. Das mit rund 3000 Quadratmetern mehr als doppelt so grosse neue Département des arts d'Islam könnte auf einen gnädigeren Empfang stossen. Zum einen findet sich islamische Kunst (im Gegensatz zur Stammeskunst) seit je in der Sammlung des Museums und wird dort auch in einer eigenen Raumfolge gezeigt. Zum andern soll mit dem geplanten Umbau eines grossen Innenhofs dem beengten Palast kein bestehender Raum weggenommen, sondern im Gegenteil neuer hinzugefügt werden.

Wie bereits die Cours Marly und Puget dürfte die Cour Visconti mit einem Glasdach überbaut, im Gegensatz zu diesen aber auch mit einer internen Konstruktion versehen werden. Konkrete Gestalt wird das Projekt allerdings erst nächstes Jahr mit der Bestimmung eines Architekten annehmen. Fest steht hingegen bereits, wie der Leiter der Islam-Abteilung, Francis Richard, im Gespräch ausführt, «dass im Louvre die Quasi- Gesamtheit der 3000 Objekte umfassenden Sammlung der Union centrale des arts décoratifs (Ucad) deponiert werden wird». Die beiden Kollektionen ergänzen sich: Schwerpunkte des Louvre sind Werke des «klassischen» Islam zwischen dem 8. und 14. Jahrhundert: Metallarbeiten, Keramik und architektonische Dekorelemente; weniger gut vertreten sind Textilarbeiten - die einen Gutteil der Bestände der Ucad bilden. Richard verspricht sich von der partiellen Zusammenführung der beiden Kollektionen die Entstehung «eines der schönsten Ensembles islamischer Kunst in der Welt - wenn nicht das schönste». Ziel ist erklärtermassen, mit den entsprechenden Abteilungen des New Yorker Metropolitan Museum und des Londoner Victoria and Albert Museum rivalisieren zu können.

Der Louvre setzt dabei auch auf eine innovative Museographie. Der Zeitschrift «Connaissance des arts» hat der Direktor des Museums, Henri Loyrette, unlängst erklärt: «Die islamische Kunst wird von einer subtilen Kontinuität bestimmt, die uns eine segmentierte Präsentation wie anderswo im Museum verbietet, etwa eine Trennung zwischen den verschiedenen Glas- und Keramiktechniken. Wir müssen dem Besucher auf sinnlich nachfühlbare Weise die Idee vermitteln, dass das kleinste Objekt wie auch das monumentalste Bauwerk auf ein und denselben geistigen Raum verweisen. Das erheischt eine ganzheitliche Herangehensweise, die Philosophie wie Wissenschaftsgeschichte, Heilkunde, Kalligraphie, Textilhandwerk und noch viele andere Dimensionen mit einbezieht. Dieser Blick für das Gesamte, der justament dem Geist entspringt, von dem die islamischen Kulturen durchdrungen sind, sollte eine vorbildhafte Neuerung sein im Vergleich zur traditionellen Aufteilung der Départements des Louvre.» Dem Museum nicht bloss eine weitere Abteilung hinzugefügt, sondern zu einer eigentlichen Neukonzeption seiner Museographie geführt zu haben, wäre nicht das geringste Verdienst von Chiracs Initiative.


Zahlen und Fakten

zit. Das Musée du quai d'Orsay hängt vom Kultur- sowie vom Erziehungs- und Forschungsministerium ab. Es vereint die früheren Sammlungen des Ethnologielaboratoriums des Musée de l'Homme und des endgültig geschlossenen Musée national des arts d'Afrique et d'Océanie: insgesamt rund 300 000 Inventarnummern (wobei ein Kostüm aus sieben bis zehn Objekten besteht und die Sammlung rund 40 000 Tonscherben zählt). Direkt beim Eiffelturm auf einem Gelände von etwa 220 mal 120 Metern gelegen, wird das Museum von einem 18 Hektaren grossen Park umgeben sein. Jean Nouvels Bau umfasst eine Mediathek mit 25 000 frei zugänglichen Werken, ein modulierbares Auditorium, Atelier- und Büroräume, ein Dachrestaurant mit Panoramablick sowie Räumlichkeiten für Dauer- und Wechselausstellungen (knapp 7000 beziehungsweise 2000 Quadratmeter). Mehr als 4000 Objekte sollen in der «Grande Galerie» dauerhaft gezeigt werden. Der Rest der - mit der Software «The Museum System» von Grund auf neu inventarisierten - Sammlung ist für Forscher und für Angehörige der Ursprungsländer in vier «Studiensälen» zugänglich. Die Gesamtkosten sind auf 216,5 Millionen Euro veranschlagt - das Fünfjahresbudget für Ankäufe von fast 23 Millionen Euro nicht mitgerechnet. Die Eröffnung soll 2006 erfolgen.

Das Département des arts de l'Islam, die achte Abteilung des Louvre, wurde am 1. August 2003 geschaffen. Bis dahin war die 10 000 Objekte umfassende Sammlung ein Teil des Département des antiquités orientales. Derzeit sind im Richelieu-Flügel etwa 1300 Exponate zu sehen: Die dreizehn 1993 eröffneten Säle sind unterirdisch gelegen und räumlich beengt. Mit der für den Jahreswechsel 2008/2009 geplanten Eröffnung der im Denon-Flügel gelegenen Cour Visconti soll sich die Ausstellungsfläche (heute: 1108 Quadratmeter) verdreifachen, desgleichen die Zahl der Exponate. Der Architekt wird Mitte 2005 nach einem internationalen Wettbewerb bestimmt; die Baukosten sind auf 50 Millionen Euro veranschlagt.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2004.11.22

11. November 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Berghütten, Villen und Museen

Eine Blütenlese zur neusten Baukunst im Tessin

Eine Blütenlese zur neusten Baukunst im Tessin

Architektonischer Wildwuchs entstellte in den letzten fünfzig Jahren weite Gebiete des Schweizer Mittellandes. Aber auch die zwischen Schneebergen und Palmengestaden sich weitenden Landschaften des Tessins blieben von ihm nicht verschont. Dabei wurde der ungezügelte Bauboom schon in den sechziger Jahren von den Protagonisten der «Tessiner Schule» kritisiert. Mit harten Betonbauten setzten damals Aurelio Galfetti, Luigi Snozzi, Livio Vacchini und bald auch Mario Botta oder Ivano Gianola im amorphen Häuserbrei Zeichen, die jedoch die Zersiedelung nicht bremsen, sondern höchstens ästhetisieren konnten. Gleichwohl begründete ihr formal höchst unterschiedliches Schaffen, das 1975 dank der Zürcher «Tendenza»-Ausstellung fast über Nacht zu internationalen Ehren kam, eine in den Jahren der postmodernen Popularisierung der Baukunst vielbeachtete Tradition.

Obwohl diese bekannten Meister noch immer wichtige Projekte und städtebauliche Interventionen realisieren, vernimmt man vom Baugeschehen zwischen Airolo und Chiasso nur mehr wenig. Eine Ausnahme bildete vor zwei Jahren die Erweiterung der Universität Lugano. Deren Bauten konnten dank dem Einsatz von Galfetti, dem Urheber des Masterplans, an Architekten vergeben werden, die damals noch nicht vierzig Jahre alt waren. Dieses bedeutende, entfernt mit dem Tessiner Schulbauprogramm der sechziger Jahre vergleichbare Unternehmen bildet einen Schwerpunkt in der soeben erschienenen Publikation «Tessin Architektur - Die junge Generation». Weiter präsentieren darin Thomas Bamberg und Paola Pellandini anhand von guten Farbabbildungen, knappen Texten und etwas klein geratenen Plänen rund 40 Villen, Kindergärten, Sakralbauten, Museen, Hotels und Berghütten von 24 Architekturbüros. Mit diesem Material wollen sie aufzeigen, wie in den letzten Jahren «beinahe ‹unbemerkt› eine neue Generation junger Architekten nachgewachsen ist».

Auch wenn nichts leichter ist, als eine Auswahl zu zerzausen, muss doch die Frage erlaubt sein, warum unter dem gewählten Titel das Schaffen interessanter jüngerer Architekten wie Roberto Briccola oder Britta und Francesco Buzzi übergangen wird, dafür aber (zweifellos bedeutende) Bauten der Altmeister Galfetti und Gianola ebenso zur Sprache kommen wie etwa der mittelprächtige Neubau der Architekturakademie Mendrisio, dessen Entwerfer Soliman & Zurkirchen weder aus dem Tessin stammen noch dort ihr Studio betreiben. Wäre es da nicht ehrlicher gewesen, das Buch unter dem Titel «Neue Architektur im Tessin» anzubieten und dafür auf die Behauptung zu verzichten, hier würden die jungen Tessiner Architekten erstmals umfassend porträtiert?

An der Qualität der hier versammelten Gebäude vermöchte allerdings auch ein geänderter Titel nichts zu ändern. Als überdurchschnittlich bezeichnen wird man neben den Universitätsgebäuden in Lugano die Umbauten von Pia Durisch und Aldo Nolli in Mendrisio und Claro, die Raiffeisenbank von Michele Arnaboldi in Intragna, das Kirchlein in Porta und das ethnographische Museum in Olivone von Raffaele Cavadini, die Erweiterung des Kulturzentrums «La Fabbrica» von Giorgio und Michele Tognola in Losone, die Berghütte «Cristallina» bei Bedretto von Nicola Baserga und Christian Mozzetti sowie einige eigenwillige Villen von Andrea Bassi oder Giorgio und Giovanni Guscetti. Einen spannenden Ausblick in die Zukunft bietet zudem Gianolas Entwurf für das neue Luganeser Kulturzentrum in den Ruinen des ehemaligen Hotels «Palace». Schade nur, dass neben diesem keine weiteren wichtigen Projekte vorstellt werden - beispielsweise die organisch gewellte und mit einem Fassadenschleier versehene Umhüllung des Kongresspalastes in Lugano von Sandra Giraudi und Felix Wettstein oder das «MaxMuseo» von Durisch & Nolli in Chiasso. Dieses Museum, an dem zurzeit gebaut wird, ist ein Beweis dafür, dass sich auch ausserhalb Luganos in der entlang der Autobahn ungebremst weiter wuchernden «Città diffusa» des Tessins neue kulturelle Kristallisationskerne bilden. Doch statt solche zukunftsweisende Arbeiten zu erwähnen, wird in der vorliegenden Anthologie immer wieder Platz für banale Realisationen verschwendet, die weder dieser Blütenlese noch dem Ansehen der Tessiner Baukunst gut tun.

[ Tessin Architektur - Die junge Generation. Hrsg. Thomas Bamberg und Paola Pellandini: Deutsche Verlags-Anstalt, München 2004. 160 S., Fr. 120.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2004.11.11



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Tessin Architektur - Die junge Generation

10. November 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Südländische Traumgärten

Ferdinand Bac und Luis Barragán in Lausanne

Ferdinand Bac und Luis Barragán in Lausanne

Obwohl von Klima und Natur verwöhnt, können die Gärten der Côte d'Azur nicht mit den berühmten Parks im Norden Frankreichs konkurrieren. Dennoch finden sich hier neben eklektischen Anwesen wie der vornehmen Villa Ephrussi Rothschild auf Cap Ferrat auch bedeutende, der mediterranen Tradition verpflichtete Anlagen: allen voran der Villenpark «Les Colombières» in Menton. Dieser vielleicht stimmungsvollste romantische Garten der Moderne steht nun im Zentrum einer Ausstellung der Archives de la construction moderne der ETH Lausanne, die sich mit dem landschaftsgestalterischen Schaffen von Ferdinand Bac (1859-1952) und Luis Barragán (1902-1988) befasst. Der gemeinsame Auftritt dieses auf den ersten Blick ungleichen Paars, des als Gartenkünstler fast vergessenen Karikaturisten und Schriftstellers Bac und des grossen Architekten Barragán, verdankt sich einem Zufall. Stiessen doch die Organisatoren der Schau, die ursprünglich nur auf Barragáns bereits gut dokumentierte Gärten ausgerichtet sein sollte, eher zufällig auf Bac und dessen Bedeutung für den Mexikaner.

Während seiner ersten Europareise entdeckte Barragán 1925 die Schriften zur Gestaltung südländischer Gärten von Ferdinand Bac. Der vornehme, aus Stuttgart stammende Bohémien lebte lange in Paris, bevor er 1912 mit der Transformation der Villa Croisset bei Grasse eine neue Karriere im Midi startete, um in der Nachfolge des Engländers Harold Peto zum bedeutendsten Erneuerer der mediterranen Gartenkultur zu werden. Begeistert vertraute ihm die Herzogin Thérèse de Beauchamp die Umgestaltung der Villa Fiorentina am Cap Ferrat an, und auch «la belle Madame Ephrussi» wagte einen vergeblichen Versuch, Bac für sich zu gewinnen. Mit dem Auftrag zur Neuanlage ihres Gartens im nordfranzösischen Compiègne wurden Emile und Caroline- Octavie Ladan-Bockairy um 1920 zu Bacs Freunden und Mäzenen. Für sie schuf der geniale Autodidakt anschliessend das 1925 vollendete Meisterwerk von «Les Colombières», dessen Thema die Welt der Odyssee ist. Unweit dieses Triumphs einer von den unterschiedlichsten Gestaden des Mittelmeers inspirierten Kunstlandschaft errichtete er sein kleines, orientalisch angehauchtes Gartenparadies «Bethsaïda» mit Sicht auf Menton, wo ihn 1931 Barragán besuchte. Hatte sich der Mexikaner schon zuvor durch Bacs Erkenntnisse zu den Gärten von Guadalajara inspirieren lassen, so interpretierte er diese fortan in den Grünräumen von Calzada Madereros, den Lavaschluchten von Pedregal, den surrealistischen Landschaften von San Jerónimo sowie den abstrakten Gärten von Los Clubes ganz neu.

Die Ausstellung, welche als Nachspiel zur diesjährigen Gartenschau «Lausanne Jardins» inszeniert wurde, erweist sich aber nicht wegen des Zugpferdes Barragán, sondern vielmehr wegen Bac als kleine Sensation. Denn hier begegnet man nicht nur den ebenso raren wie prachtvoll illustrierten Publikationen, sondern auch kaum je gezeigten Dokumenten und Skizzen sowie den poetischen nächtlichen Gartenzeichnungen aus «Les Colombières». Die romantisch-antikischen Visionen Bacs, die - aus Symbolismus und Jugendstil herausgewachsen - auf einer fast schon surrealistischen Ebene die Ideen der Moderne umkreisen, wurden vor allem in der lateinischen Welt diskutiert. So könnte Le Corbusier die geheimnisvolle Terrasse des Beistegui-Apartments in Paris und die «homerische Dachlandschaft» der Unité d'habitation in Marseille durchaus als Antwort auf Bac entworfen haben. Bacs Traumgärten scheinen aber auch auszustrahlen auf die Bildwelten des kanarischen Künstlers Néstor Martín, auf die Wüstengärten von César Manriques oder auf die tropischen Kompositionen von Roberto Burle Marx und Geoffrey Bawa. Von Barragán aber wissen wir mit Bestimmtheit, dass Bacs mediterrane Gärten in ihm «die Sehnsucht nach dem perfekten Garten weckten», wie er 1980 anlässlich der Verleihung des Pritzker-Preises festhielt.

[ Bis 20. November im Bâtiment SG der ETH Lausanne in Ecublens. Kein Katalog. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2004.11.10

05. November 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wie ein umgestürzter Wolkenkratzer

Hotel- und Apartmenttürme verleihen Benidorm, dem grössten Ferienort Europas, eine Skyline, wie man sie sonst nur von Metropolen kennt. Nachdem im Stadtteil Cala mit dem «Gran Bali» das höchste Bauwerk Spaniens hat eröffnet werden können, setzt nun das neue Rathaus in Form eines gefällten Wolkenkratzers einen vieldeutigen Akzent.

Hotel- und Apartmenttürme verleihen Benidorm, dem grössten Ferienort Europas, eine Skyline, wie man sie sonst nur von Metropolen kennt. Nachdem im Stadtteil Cala mit dem «Gran Bali» das höchste Bauwerk Spaniens hat eröffnet werden können, setzt nun das neue Rathaus in Form eines gefällten Wolkenkratzers einen vieldeutigen Akzent.

Kaum eine andere Küstenlandschaft am Mittelmeer wurde von Planern und Spekulanten derart misshandelt wie die Costa Blanca, als deren Inbegriff Benidorm gilt. Dabei ist diese vielgeschmähte Hochburg des Massentourismus mit ihrer eindrücklichen Skyline, den weit geschwungenen Stränden und der bizarren Bergszenerie rein optisch nicht der schlimmste Ort der weissen Küste zwischen Valencia und Alicante. Dennoch vermag die von Urbanisten und Soziologen gleichermassen gelobte und von manchen gar als ökologisch sinnvoll gepriesene Verdichtung Benidorms nicht wirklich zu überzeugen, auch wenn ihr das trendige Rotterdamer Architekturbüro MVRDV mit dem im Jahr 2000 erschienenen Manifest «Costa Iberica» ein Denkmal setzte. Zwar stehen in keiner anderen Stadt am Mittelmeer die Hotel- und Apartmenttürme so eng zusammen wie in diesem 65 000 Einwohner zählenden Ferienort. Doch dahinter wird das Land nur umso mehr geschunden und verletzt. Lagerhallen, Shopping-Malls, überdimensionierte Erschliessungsstrassen und Verkehrskreisel sowie seit neustem der aus dem Gebirge herausgeschlagene Vergnügungspark «Terra Mítica» haben die einstige Gartenlandschaft völlig verunstaltet.

Das höchste Haus am Mittelmeer

Während an Benidorms äusserst betriebsamer Playa del Levante, wo in den späten fünfziger Jahren die erste städtische Erweiterung des alten Fischerdorfs vonstatten ging, sich heute Dutzende von 25- bis 40-stöckigen Wohntürmen auf wenigen Hektaren drängen, konnte sich das bürgerlichere Cala am westlichen Ende der Playa del Poniente ein vergleichsweise ruhiges Ambiente wahren. Nun aber wachsen auch hier im staubigen Niemandsland unmittelbar hinter dem Häuserkranz am Strand gleich mehrere leicht geschwungene Giganten in den Himmel. Ihre Betonskelette werden aber in den Schatten gestellt vom breitschultrigen Turm des «Gran Bali» auf dem Hügel von Cala, der mit seinen knapp 200 Höhenmetern und rund 50 Geschossen nicht nur das höchste Hotel Europas ist, sondern darüber hinaus das höchste Haus des ganzen Mittelmeerraums. Obwohl es sich bei diesem vom valencianischen Architekten Antonio Escario realisierten Turm um kein wirklich erstklassiges Bauwerk handelt, setzt es in der architektonisch und städtebaulich banalen, im Gesamtbild aber umso suggestiveren Ansammlung von gestapeltem Ferienraum als Eyecatcher genauso wie als gebaute Quintessenz der schrillen Tourismusmaschine Benidorm ein weithin sichtbares Wahrzeichen.

Zieht man in Betracht, dass heute in Benidorm rund 150 meist schlanke Turmhäuser von über 75 Metern Höhe sowie eine Vielzahl von Bauten mit «nur» knapp 20 Stockwerken wie Palisaden den Strand vom Hinterland trennen, so erstaunt es kaum, dass dieser jährlich von fast 5 Millionen Gästen besuchte grösste Ferienort Europas wie die meisten Küstenstriche Spaniens seit bald zwei Jahren in einer leichten Krise steckt. Denn obwohl hier auch wirtschaftliche Gründe mitspielen, wünschen sich viele Touristen nicht mehr nur Sonne, Sand und Wasser. Während MVRDV in ihrer «Costa Iberica» noch von unbegrenztem Wachstum ausgingen und vorschlugen, den gesamten spanischen Tourismus auf ein himmelwärts erweitertes Benidorm zu konzentrieren, das von einem mehrere hundert Meter hohen, entfernt an El Lissitzkys Wolkenbügel erinnernden Hochhausgitterwerk überfangen wird, versucht die Stadtverwaltung seit einigen Jahren, dem Stelenwald mittels ruhiger Refugien etwas Luft zu verschaffen.

So konnte Ricardo Bofill 1995 unmittelbar hinter dem historischen Zentrum im ehemaligen Geröllbett des Rio Seco den Parque de l'Aigüera als langgestreckte grüne Lunge gestalten. Mit seinen schattigen Zypressenalleen und Olivenhainen, mit seinem antikischen Freilufttheater und den Pavillons gleicht er einem mediterranen Versailles für das Volk. Dabei wirkt er trotz einer gewissen Vernachlässigung durchaus einladend - obwohl er kaum genutzt wird. Umso beliebter ist dagegen die Playa del Levante, die in den späten neunziger Jahren durch die katalanischen Altmeister Josep Martorell, Oriol Bohigas und David Mackay (MBM) sanft postmodern von einer ehemals engen und verkehrsbelasteten Uferstrasse in eine palmenbestandene, nachts heiter erleuchtete Strandpromenade verwandelt wurde.

Hier knüpfte 2002 Carlos Ferrater, dessen topographische Gestaltung des botanischen Gartens von Barcelona vor einigen Jahren Aufsehen erregte, mit seinem Vorschlag einer Umgestaltung der Playa del Poniente an - und zwar mit einer wie Höhenlinien schlängelnden Abtreppung zwischen der Strasse und dem tiefer gelegenen Strand. Diese urbanistischen Interventionen und Projekte fanden ihren Höhepunkt in dem vor einem Jahr eingeweihten Rathaus am südlichen Ende des Parque de l'Aigüera. Der Bau, der bereits mit mehreren Preisen und Ehrungen ausgezeichnet wurde, stammt erstaunlicherweise nicht von einem bekannten spanischen Architekten, sondern von Benidorms Stadtbaumeister José Luis Camarasa, der schon zusammen mit MBM an der Gestaltung der Strandpromenade arbeitete. Camarasa gelang es, mit einem 97 Meter langen, brückenartigen Gebäude, das wie ein gefälltes Hochhaus auf zwei Sockelbauten aufliegt, ein durchaus ambivalentes Zeichen in der urbanen Szenerie dieses Wolkenkratzerbabels zu setzen. Mit seiner Einsicht, dass ein Bauwerk sich in einer der Vertikalen verfallenen Stadt horizontal ausbreiten muss, um aufzufallen, gelang es Camarasa aber nicht nur, den schwierigen Baugrund über einer bereits bestehenden, ins einstige Bachbett eingelassenen Tiefgarage zu meistern, sondern auch, Bofills Parkanlage abzuschliessen und der Stadt einen öffentlichen Platz zu geben.

Neuerfindung der Stadt

Vom Stadtzentrum her führt nun eine breite, von Dattelpalmen gerahmte Rampe hinauf zum Neubau, der wie eine Toranlage den Blick auf den Park, die Berge und die Hochhäuser im Hinterland rahmt. Der nur auf zwei Doppelträgern ruhende riesige Schwebebalken verschattet - im heissen Klima der Costa Brava durchaus vorteilhaft - stets einen Teil des Rathausplatzes. Während im linken Sockelbau ein Café, Verwaltungsräume und der Eingang zur Tiefgarage untergebracht sind, befindet sich im rechten eine elegante doppelgeschossige Eingangslobby, deren lichte Transparenz den Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe in Erinnerung ruft. Nach drei Seiten öffnet sich die Halle auf kleine Hofgärten, zwischen denen die beiden Versammlungsräume des Salo d'Actes und des Salo de Plens eingeschoben sind. Lifte garantieren die Erschliessung des aufgeständerten horizontalen Haupttrakts, dessen Grossraumbüros durch verglaste, tief eingezogene Loggien, Sitzungszimmer und durch die Repräsentationsräume des Bürgermeisters angenehm gegliedert werden. Das Stahlfachwerk dieser dreigeschossigen Brückenkonstruktion liegt auf der Schattenseite frei, während es nach Süden hin mit bedruckten gläsernen Sonnenblenden verschleiert ist, die sich zu immer neuen Bildern verstellen lassen. - Kurz: Benidorms neues Rathaus stellt als Ausdruck neu erwachten Bürgerstolzes den ersten Schritt in Richtung einer Neuerfindung der Stadt dar.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.11.05



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Rathaus

05. November 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Wassergarten in der Felsensteppe

Der Ereta-Park von Marc Bigarnet und Frédéric Bonnet über der Altstadt von Alicante

Der Ereta-Park von Marc Bigarnet und Frédéric Bonnet über der Altstadt von Alicante

Lange dämmerten die Altstadt von Alicante und die Hänge des über ihr wachenden Monte Benacantil vor sich hin. Doch in jüngster Zeit wurden viele der einst staubig grauen Häuser renoviert. Heute rahmen sie in frischen Farben steile Strassen und blumengeschmückte Treppenwege. Steigt man die Gassen hinauf, so gelangt man zuoberst in der Altstadt unvermittelt an eine Wand aus rostfarbenem Stahl mit eingeschweissten Piktogrammen. Sie ist verschlossen - und man denkt sogleich an eine Planungsruine. Doch wenige Schritte weiter, wo unter der hoch liegenden Santa-Bárbara-Festung neue, sorgsam in den kleinteiligen Altbestand eingepasste Häuser die Strasse zum Berg hin abschliessen, gewahrt man neben einem mit hellem Lattenwerk verkleideten Eckbau eine weitere rostbraune Schiebewand, die nun dem Besucher offen steht. Auf ihr verheissen erneut Piktogramme und poetisch klingende Wörter wie Jardín del angel oder Valle umbral del puente einen hier kaum erhofften Erholungsraum.

Trockenmauern und Terrassen

Man geht hinein, schreitet eine von Dattelpalmen gesäumte und von Steinmauern gefasste Rampe hinan. Dann weitet sich der Blick über ein kleines, mit Steinplatten bedecktes Plateau, das von stämmigen Johannisbrotbäumen überschattet wird. Eine Abstufung, auf der hölzerne Liegen in langgestreckter S-Form zur Siesta einladen, führt zu einem kleinen Geländeabsatz. Dieser wird von einer hohen, tischartigen Dachkonstruktion aus einem Geflecht von Holzlatten überfangen, das im gleissenden Mittagslicht ein rautenförmiges Schattenmuster auf ein ausgedorrtes Feld mit Zyperngras wirft. Dahinter setzt eine zweiarmige Marmortreppe mit Richtungswechsel einen fast sakralen Akzent. Sie endet vor einem mit dem niedrigen Pflanzenwuchs der Macchia bewachsenen Hang, über dem weitere terrassierte Flächen und eine Steinmauer mit Pergola folgen.

Die Regie der wie ein langgestreckter Teppich den Berg hinansteigenden Anlage ist so geschickt, dass stets ein neues Versprechen lockt. So vernimmt man bei der aus L-förmigen Holzträgern gebildeten Pergola erstaunt ein leises Plätschern, erblickt aber erst weiter oben die Spitzen kleiner Springbrunnen. Sie klatschen auf eine ebene Steinfläche, über der sich ein sandiger, von einem Pulverhaus aus dem 18. Jahrhundert begrenzter Platz weitet. Rechts, hinter einigen noch etwas schmächtigen Pinien, öffnen sich in einer Stützmauer hohe Läden, deren hölzerne Rahmen mit geflochtenen Zweigen gefüllt sind. Mit ihnen kann die Glasfront des in den Berg eingelassenen Ausstellungsgebäudes und des dazugehörigen Cafés geschlossen werden. Da dieses nicht bewirtschaftet wird, lässt einen der Durst besorgt nach oben blicken, wo man vor der mittelalterlichen, die Burg und das in einer Schlucht gelegene San-Rafael-Quartier verbindenden Wehrmauer ein Pavillonrestaurant erblickt. Das als verglastes, pergolaartiges Belvedere gestaltete, von der Nordseite des Benacantil her über eine Strasse zugängliche Bauwerk, das im vergangenen Juli eröffnet wurde, ist das architektonische Juwel der Gesamtanlage und beeindruckt in diesem kargen Felsenpark durch sein elegantes Interieur und seinen weiten Ausblick über Stadt und Meer.

Ein Europan-Projekt

Hier geht der formale Garten am Berg über in ein Wegnetz, welches ganz modisch in kubisch gebrochenen, der Topographie folgenden Formen den von ursprünglicher Trockenvegetation bewachsenen Abhang bis hinauf zur Burg erschliesst. Bei dieser ebenso eigenwilligen wie überzeugenden Landschaftsgestaltung des in Lyon tätigen Architekten Marc Bigarnet und seines Pariser Partners Frédéric Bonnet handelt es sich um das Resultat ihres erstprämierten Beitrags zum 3. Europan-Wettbewerb von 1994. Obwohl die meisten Siegerprojekte der zur Förderung des Architektennachwuchses eingerichteten Europan- Wettbewerbe leider nicht verwirklicht werden, gelang es den jungen Franzosen, den zuständigen Behörden einen überarbeiteten Vorschlag für das ehemalige militärische Sperrgebiet schmackhaft zu machen. Im Rahmen des Rehabilitierungsprogramms für das historische Zentrum Alicantes erteilten ihnen daraufhin die Stadt und die Comunidad Valenciana einen Bauauftrag. Im Sommer 2003 konnte der rund 12 Millionen Franken teure Landschaftsgarten, in dem über 300 meist einheimische Pflanzenarten gedeihen, der Öffentlichkeit übergeben werden, auch wenn damals das Restaurant «La Ereta» noch nicht vollendet war.

Traditionelle Elemente des mediterranen Gartens vom maurischen Wasserspiel über die barock inspirierte Treppenanlage bis hin zur rustikalen Pergola prägen diesen Park ebenso wie fast unberührt gebliebene Felsenhänge. Bald erinnert er an Carlos Ferraters wegweisenden botanischen Garten auf dem Montjuic in Barcelona, dann wieder an den unrealisierten Entwurf des jungen Valencianers Vicente Guallart für einen terrassierten Berghang über einer Tiefgarage in Denia. Er belegt aber auch Spaniens wichtige Position auf dem Gebiet der zeitgenössischen Landschaftsarchitektur, die in jüngster Zeit vermehrt das Zusammenspiel von harten architektonischen Elementen mit einer teilweise naturbelassenen Pflanzenwelt auslotet. Nach der in den Steilhang von Toledo eingekerbten Rolltreppenrampe von Martínez Lapeña & Torres Tur ist der Ereta-Park das vielleicht konsequenteste Beispiel dieses Trends, wobei hier die gestalterischen Elemente von Licht und Schatten, Architektur und Natur durch einen strengen, der französischen Tradition verpflichteten Formalismus noch verstärkt werden.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.11.05



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Ereta-Park

26. Oktober 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wiederentdeckung eines grossen Klassizisten

Im Palazzo Serbelloni, der nach seiner Fertigstellung im Jahre 1793 wie kein anderes Bauwerk Mailands den Geist des liberalen Klassizismus verkörperte,...

Im Palazzo Serbelloni, der nach seiner Fertigstellung im Jahre 1793 wie kein anderes Bauwerk Mailands den Geist des liberalen Klassizismus verkörperte,...

Im Palazzo Serbelloni, der nach seiner Fertigstellung im Jahre 1793 wie kein anderes Bauwerk Mailands den Geist des liberalen Klassizismus verkörperte, nächtigten im Mai 1797 Napoleon und Joséphine de Beauharnais während ihres Aufenthalts in der lombardischen Hauptstadt. Einen Monat später, am 17. Juni 1797, besuchten sie Como, wo sie in einem anderen architektonischen Meisterwerk Wohnsitz nahmen: der direkt am See gelegenen Villa Olmo des Herzogs Innocenzo Odescalchi. Die beiden derart nobilitierten Bauwerke gelten heute ebenso wie der Palazzo Ducale in Genua oder die Pfarrkirche von Gorgonzola als Juwelen des italienischen Klassizismus. Ihr Schöpfer war der aus Muggio im Südtessin stammende Simone Cantoni (1739-1818). Trotz innovativen Bauten steht dieser grosse Architekt bis heute im Schatten Giuseppe Piermarinis (1734-1808), der als Architekt der österreichischen Verwaltung Mailands die prestigeträchtigen Aufträge für die Scala und den Palazzo Reale erhielt. Der republikanisch gesinnte Cantoni hingegen verkehrte in den aufklärerischen Kreisen der Österreich-feindlichen Eliten von Mailand und Como, die ihn mit dem Bau von Stadthäusern und Landsitzen betrauten.

Glänzende Karriere

Schon 1774 begründete Johann Caspar Füsslis «Geschichte der besten Künstler in der Schweiz» den Mythos vom Wunderkind, das früh die Heimat verlassen musste, um bei seinem Vater Pietro in Genua, wo die Cantoni seit Generationen als Architekten tätig waren, die baukünstlerischen Grundlagen seines Könnens zu erlernen. Später wurden seine Inventionen vom einflussreichen Theoretiker Francesco Milizia gewürdigt, so dass Cantoni im frühen 19. Jahrhundert höher geschätzt wurde als Piermarini - ein Urteil, das mit einem Blick auf den Geniestreich des Palazzo Serbelloni durchaus einleuchtet. Dennoch war es schliesslich Cantoni und nicht der Staatsarchitekt Piermarini, der ausserhalb von Mailand, Como und dem Tessin, wo seit den 1940er Jahren erste Studien und Monographien über ihn erschienen, in Vergessenheit geriet. Dies belegt etwa die Tatsache, dass er im 1998 veröffentlichten «Architektenlexikon der Schweiz» unerwähnt bleibt. Dabei können nur wenige Schweizer Architekten des 18. und 19. Jahrhunderts eine ähnlich strahlende Karriere vorweisen wie Cantoni.

Wegen seiner ungewöhnlichen Begabung wurde der Siebzehnjährige 1756 von Genau aus zum Studium nach Rom geschickt. Dort machte er sich mit den Bauwerken der Antike und mit der Klassik Vanvitellis vertraut. Mit dem Entwurf eines Krankenhauses konnte er 1766 den von der Accademia di Parma kurz zuvor eingeführten Architekturwettbewerb für sich entscheiden. Statt nach Genua zurückzukehren, suchte Cantoni nun in Mailand, dem aufblühenden Zentrum der italienischen Aufklärung, sein Glück. Nachdem er mit dem Palazzo Mellerio am Corso di Porta Romana eine eigenwillige Probe seines Könnens gegeben hatte, legte er 1774 die Pläne für den Palazzo Serbelloni vor. Dessen Säulenportikus nimmt - als offensichtlich bis heute unbemerkt gebliebene politische Aussage - Bezug auf die spätrömischen Kolonnaden von San Lorenzo, welche die Österreicher damals abtragen wollten.

Während der langwierigen Genese dieses bedeutenden Stadtpalastes wandte sich Cantoni anderen Projekten zu. Karrierefördernd war dabei zweifellos sein Sieg im Wettbewerb um den Neubau des 1777 abgebrannten Dogenpalastes in Genua. Dieses frühklassizistische Wahrzeichen, das Cantoni dank familiärer Zusammenarbeit von Mailand aus verwirklichen konnte, rivalisierte nach seiner Vollendung 1783 mit den legendären Barockpalästen der Hafenstadt. Obwohl man zur malerischen Ausschmückung der Säle des Maggior und des Minor Consiglio vergeblich den damals in Rom und Madrid als künstlerischer Wegbereiter umschwärmten Anton Raphael Mengs zu gewinnen suchte, entstanden im Palazzo Ducale dennoch vielbewunderte Interieurs, die ihre Fortsetzung in den Prunksälen der zwischen 1782 und 1794 realisierten Villa Olmo fanden. Zu diesem architektonischen Gesamtkunstwerk steuerte Cantonis Landsmann und Freund Domenico Pozzi olympische Freskenzyklen und Francesco Carabelli, der schon den Fries des Palazzo Serbelloni skulptiert hatte, Statuen und Cäsarenbüsten bei.

Bald konnte sich Cantoni der Aufträge kaum mehr erwehren: Wurde 1788 in Bergamo nach kurzer Bauzeit der heitere Palazzo Vailetti vollendet, so entstanden fast zeitgleich in Como die Stadtpaläste der Giovio, Mugiasca, Porro, Raimondi und Somigliana sowie Villen in der Brianza und bei Varese (darunter die monumentale Anlage der Scotti in Oreno und der neopalladianische Komplex für die Mugiasca in Mosino), aber auch Kirchen in Carate, Gorgonzola, Lomazzo, Morazzone, Ponte Lambro und im Tessiner Muggiotal. Abgesehen von diesen Sakralbauten und vom Palazzo Ducale in Genua konnte Cantoni nur wenige öffentliche Bauten errichten, darunter 1804 den Liceo von Como. Den ehrenvollen Auftrag zum Entwurf eines Pantheon degli Italiani in Mailand, den die französische Verwaltung ihm als wichtigstem Architekten der Lombardei erteilen wollte, lehnte er im Sommer 1809 aus Altersgründen ab und verwies auf seine «Schüler», von denen dann Luigi Cagnola mit einem letztlich unrealisiert gebliebenen Entwurf berücksichtigt wurde.

Cantoni hatte schon um 1795 begonnen, sich mit der Transformation seines Elternhauses in ein architektonisches Sanktuarium im heimatlichen Muggio ein Refugium zu schaffen. Vielleicht bemühte sich der für seine Zurückgezogenheit und Bescheidenheit bekannte Architekt deswegen nicht um eine Professur an der Brera, wo neben Piermarini auch der zum Arbiter elegantiarum von Mailand avancierte Luganese Giocondo Albertolli lehrte. Dennoch war Cantonis Einfluss auf jüngere Kollegen gross, so dass über Luigi Clerichetti und Giacomo Moraglia auch Lugano, das bald die Tessiner Hochburg des italienischen Widerstandes gegen Österreich werden sollte, zu vornehmen Bauten im Geiste Cantonis kam.

Vorbildliche Monographie

Nun liegt zum Schaffen von Simone Cantoni eine mit Quellenmaterialien, Gemälden, Skizzen und Plänen reich dokumentierte sowie mit neuen Farbaufnahmen von Lorenzo Mussi versehene Monographie von Nicoletta Ossanna Cavadini vor. Dank ihrer unermüdlichen Forschungsarbeit in öffentlichen und privaten Archiven sowie ihrer profunden Kenntnis der einzelnen Bauwerke gibt uns die an der Architekturakademie von Mendrisio lehrende Wissenschafterin nicht nur einen grossen Vertreter des lombardischen Klassizismus wieder. Sie versteht es darüber hinaus, ihre in einem thematisch-chronologischen Wechselspiel aufgebaute, durch viele neue Funde erhellte Werkanalyse zu einer komplexen kunstsoziologischen und gesellschaftspolitischen Epochendarstellung zu verdichten. Diese vorbildliche Publikation verhilft nicht nur einem Grossmeister des europäischen Klassizismus zu seinem Recht; sie setzt auch auf dem Gebiet der immer schnelllebiger werdenden Architekturpublizistik neue Massstäbe.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2004.10.26



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Simone Cantoni architetto

15. Oktober 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schwarzbrot statt Patisserie

Die Bauten des international angesehenen Basler Architekturbüros Diener & Diener gelten als Inbegriff der Deutschschweizer Einfachheit. Doch an die Stelle der einstigen Betonkuben treten nun vermehrt Bauten mit immateriell erscheinenden und neu auch farbigen Fassaden. All dies zeigt eine grosse Retrospektive in München.

Die Bauten des international angesehenen Basler Architekturbüros Diener & Diener gelten als Inbegriff der Deutschschweizer Einfachheit. Doch an die Stelle der einstigen Betonkuben treten nun vermehrt Bauten mit immateriell erscheinenden und neu auch farbigen Fassaden. All dies zeigt eine grosse Retrospektive in München.

In einer Zeit, da das Schrille, Laute und Exzentrische als Inbegriff des Neuen gilt, fallen Architekten, die sich bei jedem neuen Auftrag um eine exakt auf die städtebauliche, historische und gesellschaftliche Situation eingehende Lösung bemühen, kaum mehr auf. Dass man sich mit einem konsequent vorangetriebenen Werk aber dennoch stets von neuem Respekt und internationales Ansehen schaffen kann, beweist das Basler Büro Diener & Diener. Schon 1986 sorgten die Häuser im St.-Alban-Tal, die mit viel Gespür für den gewachsenen Kontext in einem modernen Idiom in das kleinteilige Altstadtviertel am Rhein eingefügt wurden, für kontroverse Diskussionen. Mit seinem kritisch-analytischen Ansatz machte der heute 54-jährige Roger Diener die Bauten des 1942 von Marcus Diener gegründeten Architekturbüros schliesslich zum Inbegriff einer neuen Deutschschweizer Einfachheit. Diese anspruchsvollen und oft auch unbequemen Werke, welche die Wahrnehmung des Ortes schärfen wollen, bedeuten eine Absage an alles Schnelllebige und Modische. Es erstaunt daher auch nicht, dass dieses architektonische Schwarzbrot gegenwärtig an der leichtfüssigen Architekturbiennale von Venedig nicht vertreten ist. Denn obwohl es sich auch durch eine hohe plastische Präsenz auszeichnet, hebt es sich deutlich ab von der Patisserie der heute aktuellen künstlerisch-zeichenhaften Architekturskulpturen, die sich nur allzu gerne als autistische Solitäre der Stadt verweigern.

Condition architecturale

Die mediale Vermarktung liegt Roger Diener nicht. So existiert zu seinem Œuvre noch immer keine repräsentative Werkmonographie. Das macht es schwierig, sein Schaffen in allen Dimensionen zu erfassen. Doch findet nun - nach der inhaltlich enger gefassten Zürcher Schau von 1998 - die erste Diener-Retrospektive statt, und zwar im Architekturmuseum der Pinakothek der Moderne in München. Dass es sich dabei nicht um ein Feuerwerk der Bilder handelt, versteht sich bei diesem Verfechter einer unaufgeregten, ethisch anspruchsvollen Architektur von selbst. Statt mit einer simplen Präsentation architektonischer Leckerbissen wartet die in enger Zusammenarbeit zwischen Winfried Nerdinger und dem Büro Diener entstandene Schau mit einer baslerisch intellektuell gefärbten Lektion zum Thema Architekturausstellung auf. Dabei geht es weniger um Augenlust, Spektakel oder Selbstinszenierung als vielmehr um das Reflektieren einer «condition architecturale».

Wie wichtig hier die Reflexion ist, macht schon der Spiegel klar, der am Eingang zur Schau den ersten Raum zunächst als Trugbild vorführt, bevor er als reale Gegebenheit in Erscheinung treten darf. Gezeigt werden hier «Stadtansichten», wie sie ähnlich schon in Zürich zu sehen waren. Bei den 24 tischgrossen Modellen von ganzen Stadtquartieren, auf denen die subtilen, erst aus den beigegebenen Lageplänen hervorgehenden Interventionen zunächst kaum wahrzunehmen sind, kommt das Verhältnis zwischen Einzelbau und Stadtraum, zwischen ereignishaftem Gebäude und statischem Städtebau zur Sprache. Riesige Fotos an den Wänden vermitteln zugleich einen Eindruck von wichtigen Werken und der von ihnen erzeugten Spannung im Stadtganzen. So gaben Diener & Diener dem Luzerner Hotel Schweizerhof die spätklassizistische Würde wieder, erweiterten den Komplex aber rückseitig zur Stadt hin um neue, dem Hier und Heute angemessene Baukuben, die mit ihren flaschengrün schimmernden Hüllen minimalistischen Skulpturen ähneln. Verglichen mit früheren Basler Arbeiten wie dem Geschäftshaus am Barfüsserplatz, dem Warteck-Areal oder dem Vogesen-Schulhaus, die sich in Sichtbeton, Ziegel oder Stein präsentierten, überraschen die Luzerner Kuben. Doch ihre städtebauliche Integration ist ebenso präzise wie die des in sich ruhenden Doppelwohnblocks im alten Amsterdamer Hafen.

Kernstück der Ausstellung bildet im nächsten Raum das «Archiv der Konzepte», das auf acht Tischen 67 von insgesamt rund 150 Projekten der letzten 25 Jahre präsentiert. Hier verweigern sich Diener & Diener der seit Jahrhunderten von den Architekten mit rhetorischem Geschick eingesetzten Macht der Bilder und fordern die Besucher auf, die in Mappen vorgelegten Werkdokumentationen zu studieren. Wer die Mühe auf sich nimmt, wird feststellen, dass für Roger Diener nicht nur das städtebauliche Umfeld, sondern auch die Reibung an der Geschichte wichtig ist. Sie prägte schon das Aachener Synagogenprojekt von 1991 und führte bei der Schweizer Botschaft in Berlin zu einem harten Anbau, der in Deutschland eine heftige Debatte auslöste. In Form einer Zeitungstapete präsent, veranschaulicht sie, dass die meisterhafte Strenge von Dieners Bauten oft kaum verstanden und ihre vorbildliche Einbindung in den urbanistischen Kontext nicht leicht erkannt wird.

Immaterielle Fassaden

Die Schweizer Botschaft macht auch den Auftakt zur abschliessenden Präsentation von drei Schlüsselwerken, die anhand von Ausführungsplänen, detaillierten Modellen und originalen Bauteilen einen Einblick in den Realisierungsprozess geben. Bei der bevorstehenden Erweiterung des opulenten Belle-Epoque-Monuments der Galleria d'Arte Moderna in Rom um einen ebenso sachlichen wie zeichenhaften Anbau erhält Dieners rigorose Haltung, wie sie noch bei der Schweizer Botschaft zum Ausdruck kam, einen heiteren, erfrischenden Akzent: Mit einer Vitrinen-Fassade, in welcher dereinst die aus den Depots erlösten Marmorskulpturen des 19. Jahrhunderts zu neuem Leben erwachen sollen, wird dem Musentempel ein Signet von zeitgenössischer Frische verliehen. Diese neue Architektursprache bedeutet eine Abwendung von den einst kubisch geschlossenen, nur durch unregelmässige Fensteröffnungen beseelten Bauten hin zu einer abstrakten, immateriellen Gebäudehülle. Sie kam schon in Luzern zum Zug und wird sich in dem derzeit im Bau befindlichen Novartis-Hauptsitz als farbiger, von Helmut Federle künstlerisch überhöhter Fassadenschleier manifestieren.

Bei dieser bildhaften Klimahülle handelt es sich weniger um eine verspielte Phantasie als um den Versuch, Architektur und Kunst zu einer Einheit zu verschmelzen. Dieses wichtige Bauwerk, das von der Gestaltung der Grossraumbüros bis hin zum künstlerischen Überbau auf einem dichten Ideengewebe basiert, wird auf dem neuen Basler Novartis-Campus ein Firmenzeichen setzten und gleichzeitig an die Geschichte der hier einst ansässigen Farbenindustrie erinnern. Um Erinnerung geht es aber auch bei der Transformation einer Kriegsruine in das Naturkundemuseum der Humboldt-Universität in Berlin. Über diese seit 1997 nur langsam voranschreitende Arbeit und über das Universitätsprojekt in Malmö hätte man gerne mehr erfahren. So aber bleibt die Botschaft dieser Schau, dass Roger Diener seine Architektursprache in jüngster Zeit geöffnet hat, ohne dabei den Hang zur einfachen, prägnanten Form aufzugeben. Seine Bauten dürften demnach auch in Zukunft zeigen, wie sich unspektakuläre Architektur zur starken, die Stadt bestimmenden Aussage verdichten kann.

Bis 9. Januar 2005 im Architekturmuseum der Pinakothek der Moderne in München. Katalog: Diener & Diener. Von innen und aussen bewegt. Hrsg. Winfried Nerdinger. Architekturmuseum der TU München, 2004. 87 S., Euro 14.-.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.10.15

01. Oktober 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Kulturzentrum am See

Ivano Gianolas Projekt für Lugano

Ivano Gianolas Projekt für Lugano

Zwei Themen beherrschen derzeit den Architekturdiskurs: der skulpturale, Image prägende Solitär und das Bauen im Bestand. In diesem Spannungsfeld soll in Lugano das ehemalige Palace-Hotel, der vornehmste Zeuge der frühen Tessiner Tourismusgeschichte, zu einem Kulturzentrum erweitert werden. Das im Juli 2002 gekürte Wettbewerbsprojekt des für seine Um- und Ergänzungsbauten in Mendrisio, Plochingen und München bekannten Ivano Gianola aus Mendrisio umfasst sowohl ein Sanierungskonzept für die denkmalgeschützten Fassaden des Palace und dessen Umbau in ein Wohn- und Geschäftshaus als auch einen zeichenhaften Neubau - bestehend aus einem Theatersaal, einem Kunstmuseum und einer grossen Eingangshalle, die als Scharnier zwischen den kulturellen Polen, der Piazza am See und dem hangseitigen Park dienen soll.

Mit dem Bau könnte nach der Mitte Dezember stattfindenden Versteigerung der Palace-Ruine, die von einen Investor revitalisiert werden soll, begonnen werden. Dabei sind die erhofften Einnahmen von mindestens 20 Millionen Franken als Starthilfe für den auf gut 150 Millionen Franken veranschlagten Neubau gedacht. Doch nun droht dieses grösste Kulturprojekt des Tessins wegen des jüngst ins Spiel gebrachten, höchst wünschenswerten Kaufs der Villa Favorita um seinen Museumsflügel amputiert zu werden. Dass dies Gianolas Entwurf nicht nur inhaltlich, sondern auch in seiner städtebaulichen und architektonischen Aussage beeinträchtigen würde, zeigt gegenwärtig eine Ausstellung in der Villa Saroli in Lugano. Sie dokumentiert anhand von Plänen und Maquetten das von Gianola überarbeitete Projekt, dessen neues, teilweise in den Hang eingelassenes Volumen dasjenige des Altbaus weit übertrifft. An einem grossen Modell lässt sich der flexible Theatersaal studieren, der sich in ein Kino, in einen Kongressraum oder in einen Konzert- und Opernsaal verwandeln lässt. Mit zwei übereinander liegenden, entfernt an Herzog & de Meuron erinnernden Oberlichtgeschossen überrascht der Museumstrakt. Ohne diesen skulptural den neuen Platz vor dem Palace einfassenden Bauteil würde die auf erfrischende Weise von modischen Attitüden freie Anlage, die Elemente von Louis Kahn und Le Corbusier mit Ideen des Tessiner Rationalismus vereint, zum Fragment. Dabei gäbe es in Lugano mit dem städtischen und dem kantonalen Kunstmuseum, der Villa Malpensata und der Brignoni-Sammlung genügend Kunstinstitutionen, welche in den Galerien der Villa Favorita und des neuen Palace ideale Räumlichkeiten finden könnten.

Die Ausstellung ist bis 5. November montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr 45 und von 14 bis 16 Uhr 45 zugänglich.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.10.01



verknüpfte Bauwerke
Lugano Arte e Cultura

20. September 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kokons und Kristalle

Venedig im Zeichen der skulpturalen Architektur

Venedig im Zeichen der skulpturalen Architektur

Dutzende von meist noch ungebauten Projekten mit biomorphen oder kristallinen Hüllen bestimmen das Erscheinungsbild der diesjährigen, von Kurt W. Forster ausgerichteten Architekturbiennale von Venedig (NZZ 11. 9. 04). Viele dieser Entwürfe, «die das Gebäude nicht mehr als ein statisches Objekt, sondern als eine metabolische, mit der Umwelt interagierende Einheit verstehen», erscheinen als etwas seltsam Verwandeltes, das kaum mehr traditionellen Häusern gleicht und dessen Vorbilder im Skulpturalen zu suchen sind. Diese skulpturalen Formen kreisen meist um Positionen, die seit dem frühen 20. Jahrhundert im Bereich der abstrakten Kunst - vom Kubismus bis zum organischen Surrealismus - entwickelt wurden und aus heutiger Sicht doch eher überholt erscheinen. Es ist denn auch vor allem der Massstab, der diese gigantischen Gebilde interessant macht. Doch was in Modell und Rendering spektakulär aussieht, vermag in der gebauten Realität (trotz Beizug neuster Computertechnik und innovativer Baumaterialien) meist nicht wirklich zu überzeugen. Denn anders als etwa die suggestive, 1956-62 von Eero Saarinen geschaffene Betonskulptur des TWA-Terminals in New York, erinnern Peter Eisenmans brüchig- spröde Bauten stets an Bühnenbilder. Ähnliches gilt für die riesigen, mit Titanblech umhüllten Stahlgerüste von Frank Gehrys Kulturmaschinen in Bilbao und Los Angeles. Einen Mittelweg zwischen plastischer Beton- und additiver Stahlkonstruktion strebt nun Zaha Hadid beim Wissenschaftszentrum in Wolfsburg an, das vielleicht dereinst ähnlich überzeugen wird wie der skulpturale, sich logisch aus dem Skelett heraus entwickelnde Bau des Prada Store in Tokio von Herzog & de Meuron.

Architektur und Kunst

Dieser Hang zur plastisch-skulpturalen Architektur ist an sich nichts Neues. Schon Renaissance, Manierismus und Barock kannten mit Michelangelo, Raffael, Giulio Romano und Bernini den Künstlerarchitekten; und Borromini versuchte die Architektur aus Vitruvs technisch- ästhetischem Korsett von Firmitas, Utilitas und Venustas zu befreien und sie zur expressiven Raumkunst hin zu öffnen. Doch erst das 20. Jahrhundert zelebrierte in Werken von Gaudí, Mendelsohn, Le Corbusier oder Wright den abstrakten Solitär - und dies, obwohl die moderne Architektur mit ihrem Funktionalismus der Kunst im Grunde eine klare Absage erteilt und ihr Heil im Rationalismus der Ingenieure gesucht hatte. Diesem von Vernunft geprägten Bauen sollten sich ausgerechnet Ingenieure wie Pier Luigi Nervi, Félix Candela oder Eduardo Torroja mit monumentalen Betonkonstruktionen entgegenstellen.

Wenig später wagte Minoru Yamasaki mit den stelenartigen Zwillingstürmen des World Trade Center in New York einen Dialog mit der Kunst von Minimalismus und Konzeptualismus. Ideen der Land-Art schlugen sich hingegen im Werk der 1969 von James Wines gegründeten Architektengemeinschaft SITE nieder, um dann - mit Erkenntnissen von Terragni und den russischen Konstruktivisten aufgeladen - bei Eisenman und Hadid ganz neue Aktualität zu erlangen. Etwa zur gleichen Zeit gelang es Gehry, wohl angeregt durch Kurt Schwitters Merz-Bau, mit Material- Assemblagen die sachliche Nutzarchitektur zu überwinden. Mit den Bauten und Entwürfen von Eisenman, Gehry, Hadid oder Bernard Tschumi, die Philip Johnson 1988 in einer New Yorker Ausstellung als «dekonstruktivistisch» deklarierte, wurde das Plastisch-Skulpturale zu einem Hauptthema der zeitgenössischen Baukunst.

Während bei den von Forster in den Corderie von Venedig versammelten Werken die Minimal Art, welche seit den achtziger Jahren vor allem die Deutschschweizer Architektur zu neuen Höhenflügen anregte, keine Rolle mehr spielt, bleiben dekonstruktivistisch-topographische, auf die Land-Art zurückgehende Aspekte bei Eisenmans Entwurf für ein Kulturzentrum in Santiago de Compostela oder beim Novartis-Park von Foreign Office Architects in Basel weiterhin wichtig. Das Brüchig-Topographische wirkt - neokubistisch angereichert - aber auch in Ben van Berkels Projekt für den Ponte Parodi im Hafen von Genua weiter, während es sich in dem von Lab Architecture aus Melbourne geplanten BMW-Werk in Leipzig kristallin verhärtet.

Die von Eisenmans unrealisiertem Max-Reinhard-Haus von 1992, dem 1993 von van Berkel entworfenen Möbius-Haus oder Hadids dynamischem, 1999 eröffnetem Landesgartenschau-Pavillon in Weil am Rhein angekündeten fliessenden Formen und Faltungen wurden schliesslich von Greg Lynn und Hani Rashid mit Hilfe des Computers zu gallertartig wirkenden Blob-Formen weiterentwickelt, die allerdings kaum über die organischen Plastiken von Hans Arp oder Henry Moore hinaus weisen. Vor vier Jahren sorgten die Blobs von Lynn und Rashid auf der siebten Architekturbiennale von Venedig für Aufsehen. Seither liessen sich von ihnen ungezählte junge und reifere Architekten bis hin zum Altmeister Arata Isozaki anregen. So finden sich denn in Venedig derzeit allenthalben Modelle und Entwürfe, die bald an halb verwitterte Knochen, bald an verschlungene Knoten, Kokons, Wucherungen oder gar an Gigers Aliens erinnern.

Die bis anhin vielleicht expressivsten Lösungen im Reich der Blobs fand der Niederländer Lars Spuybroek vom Büro Nox. Er entwarf nicht nur in den Himmel züngelnde Schlangentürme für New York, sondern schuf mit den gläsernen Blasen des Son-O-House in der niederländischen Kleinstadt Son en Breugel eine faszinierende Klang- und Rauminstallation, bei der die Grenzen zwischen Architektur und Kunst endgültig überwunden scheinen. Sie erinnert aber auch daran, dass schon Hans Poelzig oder Friedrich Kiesler Konzerthäuser und Theaterbauten als Raumkunstwerke sahen, die dann mit Scharouns Berliner Philharmonie und Jørn Utzons Opernhaus von Sydney ihre volle plastische Präsenz erhielten. Heute sind die Musiktempel, wie Forster in Venedig anschaulich zeigt, neben Kirchen und Museen das liebste Spielfeld der Künstlerarchitekten. Aber auch Hochhäuser bestimmen seit Yamasakis New Yorker Twin Towers und der Transamerica-Pyramide von William L. Pereira in San Francisco als skulpturale Objekte das Bild der Städte, wie ein Blick auf Norman Fosters gurkenförmigen Swiss Re Tower in London oder auf Libeskinds Entwurf des Freedom Tower zeigen.

Der Blob und die Stadt

Die meisten dieser neuen architektonischen Skulpturen verlieren sich im Formalismus. Doch aus dem sich zwischen Blob und Kristall bewegenden Einheitsbrei ragt in Venedig der Entwurf von Toyo Itos nicht realisiertem Musiktheater in Gent heraus. Hier wird ein schwammartiges strukturelles Skelett, das entfernt an einen Emmentalerkäse erinnert, von einer ruhigen gläsernen Hülle umschlossen. Auch wenn dieser Blob im Glasschrein demonstriert, wie sich amorphe Architektur in historisch gewachsene Städte integrieren lässt, stellt sich angesichts der meisten Projekte die altbekannte Frage, wie viele selbstverliebte skulpturale Monumente eine herkömmliche Stadt verkraften kann. Denn futuristisch anmutende Bauskulpturen, die als Science-Fiction- Kulissen interessant und für den akademischen Zeitvertreib anregend sein mögen, überspielen letztlich nur die wirklichen architektonischen und planerischen Probleme der Städte, die nicht nur in der Dritten Welt unter Verarmung, Verslumung, Übervölkerung oder Verkehrschaos leiden. Diese Ansiedlungen verwandeln sich zurzeit rasend schnell in wuchernde Gebilde, denen die in Venedig beschworene Metamorphose von Bauten in schöne Skulpturen wohl keine Heilung versprechen kann.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2004.09.20

11. September 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukünstlerische Metamorphosen

Mit der neunten Architekturbiennale öffnet heute in Venedig die weltgrösste Architekturausstellung ihre Pforten. Unter dem suggestiven Titel «Metamorph» präsentiert der diesjährige Ausstellungsdirektor, der Schweizer Kurt W. Forster, eine Blütenlese neuer Bauten und Projekte. Gleichzeitig zeigen die Länderpavillons eigene Beiträge.

Mit der neunten Architekturbiennale öffnet heute in Venedig die weltgrösste Architekturausstellung ihre Pforten. Unter dem suggestiven Titel «Metamorph» präsentiert der diesjährige Ausstellungsdirektor, der Schweizer Kurt W. Forster, eine Blütenlese neuer Bauten und Projekte. Gleichzeitig zeigen die Länderpavillons eigene Beiträge.

Als Venedig 1980 mit der von Paolo Portoghesi unter dem Titel «Strada Novissima» veranstalteten Ausstellung die erste Architekturbiennale durchführte, glaubte wohl kaum jemand, dass dieses im Schatten der Kunstbiennale spriessende Pflänzchen wirklich gedeihen könnte. Die folgenden drei Veranstaltungen waren denn auch nicht mehr als Provinzereignisse; und obwohl die Architekturbiennale 1991 anlässlich ihrer fünften Ausgabe einen kräftigen Anstoss erhielt, sollte es noch neun Jahre dauern, bis die mittlerweile zum architektonischen Grossanlass gewordene Veranstaltung in der siebten Ausgabe (2000) ihren Zweijahresrhythmus fand. Gleichzeitig gewann die Architekturbiennale ein gewisses intellektuelles Profil. Waren die 1996 vom damaligen Ausstellungsdirektor, dem Wiener Hans Hollein, unter dem Titel «Sensori del Futuro» in Aussicht gestellten Zukunftsentwürfe nur ein Vorwand, möglichst eigenwillige und für ein breites Publikum attraktive Bauten und Projekte vorzustellen, so suchte sein Nachfolger, der Römer Massimiliano Fuksas, im Jahre 2000 mit «Less Aesthetics, More Ethics» den architektonischen Diskurs - wenn auch wenig überzeugend - vom Formalen hin zum Philosophischen zu lenken, während sich vor zwei Jahren der Londoner Deyan Sudjic damit begnügte, künftige architektonische Realitäten zur Diskussion zu stellen.

Schwanengesang auf den Blob

Nun wäre die Zeit zweifellos reif gewesen, um mit der neunten Architekturbiennale, die heute in den Corderie und in den Giardini feierlich eröffnet wird, dem baukünstlerischen Diskurs neue Impulse zu vermitteln. Der diesjährige Ausstellungsdirektor, der von seiner Tätigkeit in Los Angeles, Montreal und Zürich her bestens ausgewiesene Schweizer Kunsthistoriker Kurt W. Forster, schien dafür ebenso ein Garant zu sein wie das von ihm gewählte Thema «Metamorph». Mit diesem auf das sich stark wandelnde Erscheinungsbild der Architektur verweisenden Begriff, der gleichermassen biologisch-physiologische, geologische und mythologische Assoziationen weckt, versprach die Architekturbiennale eine derzeit höchst aktuelle Entwicklung kritisch zu befragen, die - ohne Rücksicht auf Vitruvs «Utilitas» - Nutzbauten bald in neo-kubistische, bald neo- organische Hüllen verpackt oder sie in blubbernde Blob-Formen oder gar in Aliens verwandelt.

Doch leider erweist sich der Ausstellungstitel auch diesmal als zu hoch gegriffen. Statt wie angekündigt «die fundamentalen, in der zeitgenössischen Architektur auf den Gebieten der Theorie, der Entwurfspraxis und der neuen Konstruktionstechniken stattfindenden Veränderungen» darzustellen, begnügt sich Forster mit einer reichlich diffusen Präsentation von Werken einer für Venedig rekordhohen Zahl von rund 140 Architekturbüros, von denen gut ein Drittel aus dem angelsächsischen, aber - mit Ausnahme einiger in den USA oder in London tätiger «Exoten» - keines aus Südasien, China, Afrika oder Südamerika stammt. Dazu lässt er in den Corderie eine betörende «Symphonie» anklingen, die mit «Transformationen» einsetzt und über die heute viel diskutierten Aspekte «Topographie» und «Oberfläche» zum leider etwas flachen Finale der «Hyperprojekte» führt. Die fast unendlich lange Halle der Corderie wurde vom trendigen New Yorker Büro Asymptote, das heute im Peggy-Guggenheim-Museum mit dem Friedrich-Kiesler-Preis geehrt wird, eingerichtet: Wie venezianische Gondeln scheinen die fischförmigen Präsentationstische zwischen den schweren Säulen zu tanzen. Sie tragen eine Vielzahl von Modellen, zu denen an den Wänden auf nüchternen Bildtafeln knappe Informationen gegeben werden.

Auffällig ist, dass Forster architektonische Metamorphosen vor allem mit amorphen Bauformen in Verbindung bringt. So wird denn die Schau über weite Strecken zu einer Hymne auf Raumhüllen, die sich frei von tektonischen Gesetzen entfalten. Doch all diese Schnecken, Knoten und Zerknitterungen ermüden das Auge bald. Damit wird - ungewollt - klar, dass organische Architektur sich in der Masse gegenseitig totschlägt und so keine Städte bilden kann. Gleichzeitig erweist sich die Schau als Schwanengesang auf die angesagten Blob-Formen, die kaum je expressive Raumerweiterungen bieten.

Dies wird leider im italienischen Pavillon in den Giardini, dem zweiten Austragungsort von Forsters theoretisch-rhetorischer Vorstellung, nicht besser. Hier hat Forster - wohl um seine alten Freunde Frank Gehry mit der Disney Concert Hall in Los Angeles, Peter Eisenman mit dem Kulturzentrum von Santiago de Compostela und Rafael Moneo mit dem «Kursaal» von San Sebastián ins rechte Licht zu rücken - inhaltlich nicht ganz konsequent den Fokus auf Konzerthallen gelegt. Dabei ging es erneut mehr um die Form als um den Raum, variieren doch die meisten Säle nur Scharouns Berliner Weinberg-Prinzip. Auch wenn die exzentrischen Hüllen im Zentrum stehen, hätten Jean Nouvels Luzerner Musiktempel, Santiago Calatravas Auditorium in Santa Cruz, vor allem aber Rem Koolhaas' nahezu vollendetes Musikhaus in Porto dabei sein müssen. Ohnehin sucht man Koolhaas und (von einigen kleinen Fotos abgesehen) auch Herzog & de Meuron, die das Architekturgeschehen der letzten Jahre weitgehend dominierten, vergeblich, während man allenthalben auf verwässerte Aufgüsse ihrer Erfindungen trifft.

Stattdessen versucht Forster die jüngste Architekturgeschichte neu zu schreiben, indem er den intellektuell brillanten, architektonisch aber nicht immer überzeugenden Eisenman, der den diesjährigen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk erhält, zum Vater aller Blobs macht und dazu - im einzigen historischen Exkurs der Schau - Unrealisiertes wie den Frankfurter Rebstockpark oder das Berliner Max-Reinhardt-Hochhaus bemüht.

Gewiss, nichts ist einfacher, als in einer Übersichtsausstellung Auswahl und Gewichtung zu beanstanden. Und dennoch drängen sich Fragen auf. Etwa die nach der sozialen oder ästhetischen Relevanz der meisten Arbeiten, nach dem Sinn der hier gepriesenen Hyperprojekte oder nach dem heutigen Stand der Architektur, die zwischen pseudokünstlerischen Attitüden, Kommerzialisierung und dem Niedergang des Handwerks zu stranden droht. Da hätte statt der Flucht in eine Flut von Exponaten die Konzentration auf Schlüsselwerke ebenso nützlich sein können wie eine vertiefte Auseinandersetzung mit der niederländischen Kreativität, dem spanischen Sinn für Grösse und Eleganz oder der Schweizer Einfachheit, Detailsorgfalt und Ökologie. Aber die unaufgeregten Schweizer sind in dem in Venedig entfachten baukünstlerischen Wirbel offensichtlich fehl am Platz. Forster hat deshalb nur gerade Gigon & Guyer, Bernard Tschumi sowie das Büro AGPS Architecture eingeladen. Dessen kubisches Doppelhaus in Zürich wirkt denn auch in den Corderie geradezu erfrischend «fremdartig».
Phantasiearme Länderpavillons

Hier hätte der Schweizer Pavillon in die Bresche springen und zeigen können, dass es zwischen Basel, Genf und Lugano noch andere interessante Architekten gibt. Doch das Bundesamt für Kultur setzte auf den Baukünstler Christian Waldvogel. Das von ihm vorgestellte utopische Projekt einer Umstülpung und Vergrösserung der Erde, das gleichermassen naiv-verspielt und unheimlich anmutet, bildet zweifellos den eigenwilligsten Beitrag zum Thema «Metamorph». Auch andere Länder haben Forsters Motto aufgenommen: So träumt Frankreich von nachhaltigen Metamorphosen der nördlichen Stadtlandschaft von Paris, während Israel unter der Überschrift «Metamorphosisrael» Neuland für Tel Aviv im Meer sucht, Lettland «geschichtlich-kulturellen Metamorphosen» nachspürt, Slowenien «Metamorphosen der Erinnerung» vorschlägt, die Niederlande ihre Verwandlung in einen hybriden Städtecluster dokumentieren, aber auch amerikanische, brasilianische und skandinavische Metamorphosen Aufmerksamkeit erheischen. Die erstaunlichste Länderschau aber nennt sich «Deutschlandschaft» und zeigt ein riesiges collagiertes Vorstadtpanorama von geradezu erschlagender Präsenz, in welches ganz subversiv neue, in unserem Nachbarland viel diskutierte Bauten integriert sind. Damit findet im deutschen Pavillon - als einzigem Ort der ganzen Biennale - auf rein visueller Ebene eine überzeugende Kritik an der Gesichtslosigkeit der wuchernden Agglomerationen und am künstlerisch-individuellen Bauen statt, die sich spielend gegen den Lärm der sonstigen Veranstaltung zu behaupten vermag.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2004.09.11

10. September 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sinn für das gebaute Erbe

Genua feiert den Architekten Renzo Piano

Genua feiert den Architekten Renzo Piano

Wenn der alte Kontinent am Wochenende den Tag des Baudenkmals begeht, kann Genua als diesjährige Kulturhauptstadt Europas stolz auf die Wiederbelebung seines reichen architektonischen Erbes blicken. Glanz verströmen die vor einer Dekade von Aldo Rossi transformierte Kriegsruine des klassizistischen Opernhauses von Carlo Barabino, der sorgsam restaurierte Palazzo Ducale oder die von Ignazio Gardella in das San- Silvestro-Kloster integrierte Architekturfakultät ebenso wie - als neustes Werk - das jüngst mit einer suggestiven Ausstellung über Ozeandampfer eröffnete Museo del Mare in der vom Spanier Guillermo Vasquez Consuegra umgebauten historischen Werfthalle auf dem Ponte Parodi. Die folgenreichste Intervention aber bleibt der im Hinblick auf die Kolumbus-Feiern von 1992 nach Renzo Pianos Plänen revitalisierte Alte Hafen. Mit ihm hat die wirtschaftlich angeschlagene Stadt eine Touristenattraktion erhalten und zugleich ihren seit Menschengedenken unzugänglichen Mittelpunkt zurückgewonnen.

Ausstellung im Alten Hafen

Renzo Piano, der heute 67-jährige Architekt aus Genua, musste lange warten, bis ihm seine Geburtsstadt - nach Ausstellungen in Bonn, Riehen, Paris und Berlin - die erste grosse Werkschau in Italien ausrichtete. Nun feiert er im Alten Hafen vor der geschichtsträchtigen Kulisse der «Superba» ein triumphales Heimspiel. Austragungsort ist die Porta Siberia, das prachtvolle, zum Ausstellungsgebäude umgewidmete Renaissance-Stadttor, das einst vom Meer her Einlass ins Hafenviertel bot. Diese Toranlage wurde von Piano ebenso restauriert wie die barocken Depots und der reich bemalte Palazzo San Giorgio, der schon im 15. Jahrhundert als Bankhaus diente. Pianos Eingriffe umfassten aber auch die Umgestaltung der riesigen Baumwollspeicher in ein Kongress- und Ausstellungszentrum, den Bau des Bigo genannten Aussichtskrans und des an ein Containerschiff erinnernden Aquariums. Als grösstes seiner Art am Mittelmeer lockt es jährlich über eine Million Besucher an und zählt heute zu den Hauptsehenswürdigkeiten Italiens.

Aber auch in die Piano-Ausstellung strömen zurzeit die Besucher, darunter viele Einheimische. Sie sind stolz auf ihren Landsmann, denn zurzeit ist kein Architekt aus dem italienischen Kulturkreis - der Tessiner Mario Botta ausgenommen - weltweit so erfolgreich wie Piano und sein Building Workshop. Das zeigt die Ausstellung, für welche die einst in Bonn entwickelte Präsentation in Form eines Ateliers erweitert wurde, eindrücklich. Im Zentrum der Haupthalle steht ein riesiger Tisch, an dem man sich fast wie in Pianos hoch über der Steilküste der Punta Nave gelegenem Genueser Studio fühlt. Faksimilierte Skizzenbücher, Entwürfe, Fotos und Modelle in jeder Grösse lassen Pianos gesamtes Schaffen Revue passieren: von der genialen Hightech-Ausstellungsmaschine des Centre Pompidou, die er zwischen 1971 und 1977 zusammen mit Richard Rogers realisierte, über das De-Menil-Museum in Houston, den bei Osaka im Meer schwimmenden Kansai-Flughafen, das Kulturzentrum von Nouméa auf Neukaledonien und den Parco della Musica in Rom bis hin zu den Projekten des New York Times Building, des London Bridge Tower oder des in Bern allmählich der Vollendung entgegengehenden Klee-Museums.

Immer wieder wird dabei deutlich, dass Piano aller Technikbegeisterung zum Trotz ein klassischer Baumeister ist, der für jede Aufgabe eine neue Lösung sucht und findet. Als solcher nähert er sich mit viel Sensibilität dem architektonischen und städtebaulichen Kontext, sei es in Umbauten wie dem Paganini-Auditorium in Parma oder dem Lingotto in Turin, sei es bei der Integration des Beyeler-Museums in die Parklandschaft von Riehen oder eines Wolkenkratzers in die Skyline von Sydney. Neben meisterhaften Museumsbauten oder dem eleganten San-Nicolao-Fussballstadion von Bari schufen Piano und seine Büros in Genua und Paris aber auch weniger überzeugende Arbeiten. Zu nennen wären einige der Häuser am Potsdamer Platz in Berlin, das Wissenschaftsmuseum in Amsterdam oder die vor wenigen Wochen eingeweihte Pater-Pio-Wallfahrtskirche im apulischen San Giovanni Rotondo.

Neue Visionen für Genua

Zu den Höhepunkten aus genuesischer Sicht aber zählt ein grosses, durch eine separate Publikation dokumentiertes Restrukturierungsprojekt für den gesamten Küstenbereich der ligurischen Metropole. Piano, der Architektur und Städtebau als eine Kunst zwischen Ökologie, Soziologie und Formgebung versteht, schlägt darin den Abriss der hässlichen Hafenhochstrasse und den Bau neuer S-Bahn-Verbindungen ebenso vor wie schattige Promenaden, Parks und die Schaffung einer Flughafeninsel. Gleichzeitig visioniert er mit dem auf dem Erzelli-Plateau hoch über Sampierdarena zu errichtenden Stadtteil Leonardo ein formal zwischen Flugzeugträger und Raumstation oszillierendes, in eine mediterrane Parklandschaft eingebettetes Technologiezentrum, das zu Genuas neustem architektonischem Aufbruchssignal werden könnte.

Bis 31. Oktober in den Ausstellungsräumen der Porta Siberia im Alten Hafen von Genua.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.09.10



verknüpfte Akteure
Piano Renzo



verknüpfte Publikationen
Renzo Piano & Building Workshop. Progetti in mostra
Genova: Città & Porto. Renzo Piano & Building Workshop

20. August 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Hofhäuser unter Kokospalmen

Mit seinem modernen Regionalismus wurde Geoffrey Bawa (1919-2003) aus Sri Lanka für die Architekten in ganz Südasien zum Vorbild. Nun präsentiert das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt das Werk des in Europa kaum bekannten Baukünstlers.

Mit seinem modernen Regionalismus wurde Geoffrey Bawa (1919-2003) aus Sri Lanka für die Architekten in ganz Südasien zum Vorbild. Nun präsentiert das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt das Werk des in Europa kaum bekannten Baukünstlers.

Mit abendländischer Überheblichkeit glauben wir Europäer nur zu gerne, dass in Afrika und Asien - Japan ausgenommen - höchstens zweitklassige, mit lokalen Bauformen camouflierte oder aber banale Architektur betrieben wird. Um diese Annahme zu widerlegen, liessen sich neben dem Ägypter Hassan Fathy und dem Inder Charles Correa viele bedeutende Baukünstler aufzählen - bis hin zum Malaysier Ken Yeang, dem Vordenker eines ökologischen High Tech für die Tropen. Einer der engagiertesten und meistbewunderten Architekten Südasiens war der im Mai 2003 verstobene Geoffrey Bawa aus Sri Lanka. Er machte sich zeitlebens für einen klar durchdachten modernen Regionalismus stark, der auf einer kreativen Verschmelzung neuster architektonischer Erkenntnisse mit der baukünstlerischen Tradition seines Heimatlandes basierte.
Liebe zur Tradition

Der 1919 in Colombo geborene Bawa, der von alteingesessenen - väterlicherseits arabischen und mütterlicherseits holländischen - Einwanderern abstammte, liess sich zunächst zum Juristen ausbilden, bevor er in den frühen fünfziger Jahren an der Architectural Association in London studierte. Nach seiner Rückkehr ins damalige Ceylon konnte er die etablierte Architekturfirma Edwards Reid and Begg übernehmen. Zusammen mit seinem langjährigen dänischen Partner Ulrik Plesner formulierte er Anfang der sechziger Jahre das Vokabular einer auf die Bedürfnisse Sri Lankas ausgerichteten Moderne. Neben Villen, in denen Bawa eine überzeugende Verbindung des kolonialen Bungalows mit dem klassischen Hofhaus gelang, entstanden so unterschiedliche Werke wie die burgartige Klosterkirche in Bandarawela (1962), das Bishop's College mit den gitterartigen Sonnenblenden in Colombo (1963), ein Stahlwerk mit filigranen Betonfassaden in Oruwela (1969), der schwimmende buddhistische Seema-Malaka- Tempel in Colombo (1978), das aus mehreren in einem künstlichen See gelegenen Pavillons bestehende Parlamentsgebäude in Kotte bei Colombo (1982) oder die 1988 wie ein altportugiesisches Städtchen zwischen Hügeln und Meer arrangierte Ruhunu-Universität in Matara.

Das natürlich belüftete zwölfgeschossige Gebäude der State Mortgage Bank von 1978 in Colombo, das Ken Yeang als «das wohl weltweit beste Beispiel eines bioklimatischen Hochhauses» bezeichnete, ist mit seinem komplex verwinkelten Grundriss heute wieder voll im Trend. Und das leider nicht realisierte, streng kubische Hilton- Hochhaus (1967) mit den organischen Fassadendekorationen könnte man als einen Entwurf von Herzog & de Meuron halten. In seinem eigenen, durch ein modernes Raumkontinuum geprägten Hofhaus in Colombo und in seinem von europäischen Gärten inspirierten Landsitz Lunuganga in Bentota verwirklichte er den Traum vom tropisch- eklektischen Wohnen. Gleichzeitig strebte er in diesen lyrischen Gesamtkunstwerken nach der Einheit von From, Material und Raum. Hier integrierte Bawa aber auch ganz harmonisch Architekturteile von zerstörten Altbauten - eine Vorliebe, die er mit dem Bündner Rudolf Olgiati und dem kanarischen Baukünstler César Manrique teilte. Wie Manrique hegte Bawa zudem ein unermüdliches Interesse für den Bautyp Hotel, das zu Meisterwerken wie dem «Triton»-Hotel in Ahungalla (1982) oder dem an eine Star-Wars-Stadt erinnernden «Kandalama»-Hotel in Dambulla (1994) führte. Mit diesen sensibel in die Küsten- und Berglandschaften eingefügten Anlagen verwirklichte er für ungezählte Touristen das Idealbild des Ferienparadieses Sri Lanka.
Zurück zur Moderne

Nach einer Krise, die bedingt war durch die Auflösung seines bisherigen Büros, fand Bawa in den neunziger Jahren zu einer minimalistischen Moderne, die sich in geometrisch einfachen Hotels, vor allem aber in der hoch über dem Meer bei Mirissa gelegenen Villa Jayewardene manifestierte - einer gebauten Hymne auf die Transparenz der Moderne und die Schönheit der Natur, die vom Sri Lanker Michael Ondaatje in einem Gedicht verewigt wurde. Ähnlich klar und stimmungsvoll wie dieses architektonische Meisterwerk gibt sich zurzeit die grosse Bawa-Retrospektive im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt, zu der ein hervorragender Œuvrekatalog sowie ein kleines Begleitbuch vorliegen.

Mit Originaldokumenten, Modellen, suggestiven Fotografien, Kunstwerken und bald exotisch, bald modernistisch anmutenden Möbeln gelingt es der vergleichsweise konventionell inszenierten Ausstellung, eine Vorstellung von der Welt zu vermitteln, in der Bawa als Grenzgänger zwischen den Kulturen eine eigene südasiatische Formensprache entwickelte. Diese poetische Architektur, die auf vor Ort gefundene Materialien und auf klimatisch und kulturell bedingte Bauelemente setzte, aber den Raum ganz neu interpretierte, liess sich auch an die Erfordernisse anderer Länder anpassen. So wurden die 1975 von Bawa entworfenen Batujimbar-Häuser in Sanur auf Bali zum Inbegriff eines «balinesischen Stils». Heute gilt Bawas Architektur in ganz Südasien als vorbildlich. Hierzulande aber ist sie noch immer kaum bekannt, obwohl sie eindrücklich beweist, dass Schönheit und Feingefühl in der Architektur ebenso wichtig sind wie avantgardistische Theorien und Recherchen.

[ Bis 17. Oktober. Œuvrekatalog: Geoffrey Bawa. The Complete Works. Hrsg. David Robson. Tahmes & Hudson, London 2004. 278 S., Euro 67.- (in der Ausstellung). - Begleitpublikation: Bawa. Genius of the Place. An Architect of Sri Lanka. Deutsch und englisch. Hrsg. David Robson und Ingeborg Flagge. Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt 2004. 111 S., Euro 12.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.08.20

26. Juli 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baltischer Architekturaustausch

Um 1900 bescherte eine Wirtschaftsblüte den Ostseestädten Helsinki, Riga, St. Petersburg, Stockholm und Tallinn einen architektonischen und urbanistischen...

Um 1900 bescherte eine Wirtschaftsblüte den Ostseestädten Helsinki, Riga, St. Petersburg, Stockholm und Tallinn einen architektonischen und urbanistischen...

Um 1900 bescherte eine Wirtschaftsblüte den Ostseestädten Helsinki, Riga, St. Petersburg, Stockholm und Tallinn einen architektonischen und urbanistischen Boom. Eine Ausstellung in Helsinki widmet sich nun diesen Erfolgsgeschichten, aber auch dem spannenden baukünstlerischen Austausch zwischen den baltischen Metropolen.

Obwohl unter kühlen Himmeln liegend, ist Helsinki eine klassische Stadt. Dominiert wird sie von der tempelartigen Kathedrale, die Carl Ludwig Engel im frühen 19. Jahrhundert im Auftrag von Zar Alexander I. mit den Säulenhallen von Senatspalast, Rathaus, Universität und Bibliothek zu einem grandiosen Forum vereinte. Die Holzhäuser, welche zur selben Zeit innerhalb des schachbrettartigen Strassenrasters entstanden, mussten hingegen nach und nach den monumentalen spätklassizistischen Wohn- und Verwaltungsbauten von Gustav Nyström und Carl Theodor Höijer weichen. Um 1900 wurde die Stadt, die bis zum Ersten Weltkrieg als Regierungssitz des Grossherzogtums Finnland zu Russland gehörte, das Zentrum einer durch Jugendstil, Nationalromantik und Neuklassizismus bestimmten baltischen Frühmoderne. Diese strahlte bald in die anderen Ostseemetropolen aus und weckte selbst in Zentraleuropa noch Interesse. Diesem erstaunlichen Phänomen geht nun im Finnischen Architekturmuseum in Helsinki eine Ausstellung mit dem Titel «Architecture 1900» nach. Gleichzeitig beleuchtet die von einem hübschen, nostalgisch-albumartigen Katalog begleitete Schau mittels historischen Plan- und Fotomaterials, Dokumenten sowie einiger Modelle die baukünstlerische und urbanistische Erneuerung von vier weiteren durch Wirtschaftsblüte und Bevölkerungswachstum geprägten Ostseestädten: Riga, St. Petersburg, Stockholm und Tallinn.

Der Erfolg der Nationalromantik

Seinen Anfang genommen hatte der architektonische Aufbruch in Stockholm, wo - in einer Zeit der Rückbesinnung auf Vasa-Renaissance und schwedischen Barock - Ferdinand Boberg 1892 ein vom amerikanischen Neuerer Henry Hobson Richardson inspiriertes, burgartig massives Elektrizitätswerk schuf. Kurz danach vollendete dort Isak Gustaf Clason den nüchternen, nur von wenigen neugotischen Dekorationen belebten Hallwyl-Palast. Dessen Sprache wirkte sich in Helsinki auf die Wasa-Aktie-Bank von Grahn, Hedman & Wasastjerna (1899) sowie auf das von Selim Lindqvist im Geist der Chicagoer Schule konzipierte Lunqvist-Geschäftshaus aus. Selbst Höijer wich von seinem antikisierenden Vokabular ab und errichtete 1897 das in der Ausstellung gut dokumentierte Norrmén-Haus. Dieser Bau, der mit seinen Türmchen und Giebeln einen Fremdkörper in Helsinkis klassizistischer Hafenfront darstellte, musste 1960 dem sachlich-klassischen Enso-Gutzeit-Haus von Alvar Aalto weichen - was letztlich zeigt, dass in der finnischen Hauptstadt architektonisch bis heute ein klassizistischer Geist tonangebend ist.

Dennoch sollte - als fruchtbares Intermezzo - die bei Richardson und dem frühen Boberg, bei der Arts-&-Craft-Bewegung und dem Jugendstil, vor allem aber bei der finnischen Tradition anknüpfende Nationalromantik um 1900 Triumphe feiern. Als Inbegriff dieser neuen Strömung, in der sich die finnische Sehnsucht nach staatlicher Unabhängigkeit manifestierte, galt der schwere, aus Granit realisierte Pohjola-Versicherungspalast von Eliel Saarinen, Herman Gesellius und Armas Lindgren an der zentralen Aleksanterinkatu. Dieses Trio, das sich schon bald auseinander leben sollte, sowie ihm nahestehende Architekten wie Selim Lindqvist und Lars Sonck bauten Villen, Stadthäuser, ganze Wohnquartiere, Verwaltungssitze sowie das kathedralartige Nationalmuseum in diesem neuen Stil.

Strahlte der Entwurf von Soncks Kallio-Kirche bis nach Stockholm aus, wo Israel Wahlman 1906 mit der Engelbrekt-Kirche ein erstaunlich ähnliches Projekt vorlegte, so sicherten sich seine Kollegen über Wettbewerbe vermehrt auch Aufträge in Tallinn. Neben den von Lindgren und Saarinen realisierten öffentlichen Gebäuden wurden in der estnischen Hauptstadt vor allem Jacques Rosenbaums zwischen finnischer Nationalromantik und St. Petersburger Jugendstil oszillierende Bauten zu einem den Zeitgeist verkörpernden Element. Die Nationalromantik fand ihren Niederschlag aber auch im Rigaer Jugendstil von Aleksandrs Vanags sowie in den phantastischen Bauwerken des Exzentrikers Eugen Laube, während Mikhail Eisensteins lettisches Neo-Rokoko dem Petersburger Vorbild von Alexander Dmitriyev folgte. An der Newa selbst waren es Architekten wie Fredrik Lidvall und Ippolit Pretro, die unter finnischem Einfluss einen der Nationalromantik nahe stehenden Jugendstil entwickelten.

Doch diese irrational-malerische Architektur war nicht wirklich tief im nordischen Denken verwurzelt, weshalb bald rationalistische und neuklassische Strömungen dagegen anzukämpfen begannen. In Finnland entzündete sich früh schon die Debatte: Anlässlich des Wettbewerbs für den neuen Hauptbahnhof, den Saarinen 1904 mit einem nationalromantischen Projekt für sich entschieden hatte, forderte Sigurd Frosterus in einem Pamphlet eine Architektur der Vernunft. Saarinen überarbeitete daraufhin sein Projekt und schuf damit eines der ersten wirklich modernen Gebäude, das schnell zu einer Ikone der europäischen Baukunst des 20. Jahrhunderts werden sollte. Bereits vor der Vollendung dieses Bahnhofs, der des Krieges wegen erst 1919 eröffnet werden konnte, errichtete der zum Rationalisten gewordene Saarinen 1912 die wuchtige Credit-Bank in Tallinn und widmete sich danach vermehrt dem Städtebau, wie in der Ausstellung etwa seine Visionen für Gross-Tallinn (1913) zeigen.

Rückkehr zum Klassizismus

Aber nicht nur die Finnen wandten sich einem modernen Klassizismus zu, der in Soncks Bauten wohl seine eigenwilligste Ausformung erreichte. Laube verlieh 1913 dem Rigaer Hypotheken-Verein eine strenge Tempelfront, während Lidvall in St. Petersburg zur gleichen Zeit, als Behrens die Säulenfront der deutschen Botschaft baute, in seinem Tolstoi-Wohnblock vom Jugendstil zu einer fast schon die italienische Novecento-Architektur vorwegnehmenden Formensprache fand. In Stockholm schliesslich sollte Gunnar Asplund etwas später zum überragenden Meister der neuklassizistischen Moderne werden. Damit waren die baltischen Zentren weiterhin auf der Höhe der Zeit, die fast weltweit eine Abwendung von den Kapricen des Jugendstils und des Expressionismus hin zu einer rational geprägten Architektur der Ordnung sah.

[ Bis 26. August im Finnischen Architekturmuseum in Helsinki, anschliessend in Stockholm und Visby. Katalog: Architecture 1900. Stockholm, Helsinki, Tallinn, Riga, St. Petersburg. Englisch. Hrsg. Jeremy Howard. Museum für Estnische Architektur, Tallinn 2003 (ISBN 9985-9400-5-9). 127 S., Euro 26.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2004.07.26

09. Juli 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Düstere Denkmäler und lichte Paläste

Obwohl Giuseppe Terragni nur 39 Jahre alt wurde, gilt er als der wichtigste italienische Architekt des 20. Jahrhunderts. Anlässlich seines 100. Geburtstags feiert ihn nun seine Heimatstadt Como mit einem Veranstaltungsreigen, wagt es aber nicht, Terragnis Begeisterung für einen modernistisch ausgerichteten Faschismus kritisch zu beleuchten.

Obwohl Giuseppe Terragni nur 39 Jahre alt wurde, gilt er als der wichtigste italienische Architekt des 20. Jahrhunderts. Anlässlich seines 100. Geburtstags feiert ihn nun seine Heimatstadt Como mit einem Veranstaltungsreigen, wagt es aber nicht, Terragnis Begeisterung für einen modernistisch ausgerichteten Faschismus kritisch zu beleuchten.

Lange musste er warten, bis seine Heimatstadt sich voll zu ihm bekannte: Doch 61 Jahre nach seinem Tod steht Como ganz im Zeichen von Giuseppe Terragni, dem grössten italienischen Architekten des 20. Jahrhunderts. Zwar fand hier schon 1949 eine von Pietro Lingeri inszenierte Terragni-Retrospektive statt, die sogar Le Corbusier überzeugte, und 1989 feierte Como seinen Sohn im Kontext des europäischen Rationalismus. Gleichwohl trug man schwer am Erbe dieses Architekten, der souverän mit den Grossmeistern der internationalen Moderne wetteiferte und dennoch ein glühender Anhänger der vom Duce propagierten, anfangs durchaus noch modernistisch ausgerichteten Italianità war. Man versuchte daher lange, den faschistischen Makel, der Terragnis Bauten anhaftete, zu überspielen, und verwies auf die Begeisterung, die seine Bauten in der Kulturwelt - von Peter Eisenman bis Günther Förg - auslösten. Denn kein anderer Architekt prägte Como so sehr wie Terragni, sieht man einmal ab vom Tessiner Frühklassizisten Simone Cantoni und dessen Stadtpalästen in der Via Volta sowie der grandiosen Villa dell'Olmo am See. Terragnis Hauptwerk, die Casa del Fascio, schönten die Comasker, erfüllt von Stolz und Scham, zur «Casa Terragni», lobten aber die heitere Poesie des Kindergartens, der nach einem anderen Sohn der Stadt, dem allzu jung im Ersten Weltkrieg gefallenen Architekten Antonio Sant'Elia, benannt ist.

Heitere Jubiläumsfeierlichkeiten

Noch ganz im Zeichen Sant'Elias standen die frühen futuristischen Entwürfe Terragnis, von denen zwei - ein Gaswerk und eine Fabrikanlage - den Eingang zur Schau «Terragni, Architetto europeo» in der ehemaligen Chiesa San Francesco markieren. Diese Ausstellung bildet gleichsam das Rückgrat der Festivitäten, die seit Terragnis 100. Geburtstag am 18. April (NZZ 18. 4. 04) die Stadt beleben. So wurden eigens Schilder an dreizehn Bauten - vom grossbürgerlichen Wohnblock Novocomum bis zum Arbeiterhaus in der Via Anzani - angebracht, Vortragszyklen veranstaltet, Konzerte im Teatro Sociale gegeben und ein Informationszentrum im mittelalterlichen Broletto neben dem Dom eingerichtet. Zudem findet bis zum 26. September allabendlich im Atrium der Casa del Fascio (wie die Ikone heute wieder heisst) eine Licht- und Bildschau zu deren Genese und Wirkungsgeschichte statt.

Auch wenn Como wie kein anderer Ort das Studium Terragnis direkt vor seinen besten Bauten ermöglicht, so lohnt sich ein Besuch der Hauptausstellung in der Chiesa San Francesco am Largo Spallino doch. In ihrer Konzeption knüpft sie an die Schau von 1949 an, bei der Terragnis Freund und Mitarbeiter Lingeri mittels einer transparenten Installation nicht das Einzelwerk, sondern die Wechselbezüge zwischen Bauten und Ideen, kurz den Kosmos des Architekten in den Mittelpunkt stellte. Die gegenwärtige Ausstellung folgt Lingeris hermetischer, auf sich selbst bezogener Inszenierung, indem sie Terragnis Werk einzig anhand von Plänen, Zeichnungen, Modellen und Fotografien sowie Originalzitaten des Meisters und seiner Mitstreiter (in Italienisch und Englisch) erklärt und es dem Besucher überlässt, sich aus dem Gesamtkontext heraus sein eigenes Bild zu machen. So lassen sich peinvolle Klippen mit Anspielungen umschiffen: etwa bei dem in einem schwarz glänzenden Schrein präsentierten spätfuturistischen Selbstbildnis, auf dem sich Terragni als Kanonen befehligenden (und somit potenziell Häuser und Menschen zerstörenden) Offizier darstellt.

Während im Hauptraum auf der einen Seite die wichtigsten Arbeiten vom frühen Umbau des Hotels «Métropole Suisse» bis hin zur genialen Casa Giuliani-Frigerio von 1940 anhand von neuen Farbaufnahmen dokumentiert werden, verdeutlichen auf der gegenüberliegenden Wand faksimilierte Zeichnungen Terragnis Aneignung der Welt. Im Zentrum des Saals aber wurde eine Art Spiegelkabinett mit originalen Präsentationszeichnungen und Modellen eingerichtet. Dieses soll wohl einerseits auf Terragnis Traum vom transparenten gläsernen Haus anspielen, anderseits mittels dynamischer Sichtachsen die Gesamtschau erleichtern. Hier offenbart sich, von Sirenenklängen begleitet, der kreative Zwiespalt eines Architekten, der gleichermassen Kriegsdenkmäler, die von der romanischen Architektur Comos und vom manieristisch übersteigerten Neuklassizismus der Novecento-Bewegung beeinflusst sind, und moderne, einer dezenten Polychromie verpflichtete Wohnhäuser schuf. Die Schau kulminiert in einer visuellen Analyse der Casa del Fascio, die in ihren vier unterschiedlichen Fassaden und dem komplex geschichteten Atrium mediterrane Traditionen mit modernen Vorstellungen vereint.

Dunkles Ende mit Lichtblick

Danach führt ein mit Kriegsfotos und Terragnis Zeichnungen von der russischen Front tapezierter Korridor, in welchem wohl die mutmassliche Läuterung des politisch irregeleiteten Wunderkinds angedeutet werden soll, zu den späten Projekten, die in der verdunkelten Apsis zu sehen sind. Hier trifft man auf das zweifellos gegen Piacentinis Monumentalismus gerichtete, gleichwohl aber nicht antifaschistisch zu nennende Projekt des Palazzo Littorio in Rom (1937) sowie auf die letzte Vision des krank von der Front Zurückgekehrten. Sie stellt eine sich aus dem Korsett des strengen Rationalismus lösende Kathedrale mit einem sphärisch gewölbten Dach dar, die kurz vor Terragnis plötzlichem Tod am 19. Juli 1943 wie ein nicht mehr einzulösendes Versprechen an eine sich ihm entziehende Zukunft erscheint. Den Ausklang der Schau bilden sechs Porträts des auch künstlerisch begabten Terragni, deren schwermütige Palette mit der subtilen Farbigkeit der Bauten in Bezug gebracht wird. Hier keimt eine Melancholie auf, die Como demnächst mit einer denkmalhaften Arbeit von Dan Graham vertreiben will. Wenn dessen «Half Square - Half Crazy» genannter Pavillon aus Glas und Stahl am 16. Juli vor der Casa del Fascio installiert sein wird, dürfte ein weitgehend rehabilitierter Terragni vom «Architetto italiano» nicht nur zum «Architetto europeo», sondern endgültig zum Heros der Moderne aufgestiegen sein.

[ Die Ausstellung in der Chiesa San Francesco dauert bis zum 30. November (www.gt04.org). Begleitpublikation: Atlante Terragni. Italienisch und englisch. Hrsg. Attilio Terragni und Daniel Libeskind. Skira, Mailand 2004. 276 S., Euro 55.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.07.09

05. Juli 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Weisse Segel und Säulenhallen

Das Jahrhundertwerk des Opernhauses von Sydney machte Jørn Utzon früh berühmt. Bald danach wurde es jedoch stiller um den Architekten, obwohl er in Kuwait und in Dänemark weitere Meisterleistungen realisierte und für Zürich eine Theater-Akropolis entwarf. Nun widmet ihm das Louisiana Museum in Humlebæk eine Retrospektive.

Das Jahrhundertwerk des Opernhauses von Sydney machte Jørn Utzon früh berühmt. Bald danach wurde es jedoch stiller um den Architekten, obwohl er in Kuwait und in Dänemark weitere Meisterleistungen realisierte und für Zürich eine Theater-Akropolis entwarf. Nun widmet ihm das Louisiana Museum in Humlebæk eine Retrospektive.

Sein grösster Triumph wurde auch zu seiner schwersten Bürde. Nachdem der 1918 in Kopenhagen geborene Jørn Utzon als 38-jähriger Architekt im Wettbewerb für ein Opernhaus in Sydney mit einem spektakulären Entwurf und dank der Weitsicht des Jurymitglieds Eero Saarinen gesiegt hatte, schien einer gloriosen Karriere nichts mehr im Weg zu stehen. Er wurde eingeladen, Projekte für ein neues Opernhaus in Madrid (1962), ein Schauspielhaus in Zürich (1964) oder ein Theater in Wolfsburg (1965) einzureichen. Diese Entwürfe blieben Makulatur, obwohl er in Zürich mit einem aufsehenerregenden, vom Pfauen zur Kantonsschule hin ansteigenden Podiumsbau den ersten Preis erzielte. Auch in Sydney lief wegen politischer und bürokratischer Intrigen bald nichts mehr wie erhofft, so dass Utzon 1966 im Zorn die Stadt und sein Projekt verliess. Nicht einmal zur Einweihung des 1973 vollendeten Meisterwerks, das schnell zum Wahrzeichen eines Kontinents und zum Kronjuwel der Baukunst des 20. Jahrhunderts avancieren sollte, kehrte er nach Australien zurück. Da half auch die ihm vom Royal Australian Institute of Architects dargereichte Goldmedaille nichts. Utzon hatte sich zu jener Zeit bereits nach Mallorca zurückgezogen, von wo aus er fortan im Stillen wirkte. Dies erklärt auch, warum bis zum Erscheinen von Richard Westons monumentaler Monographie vor zwei Jahren keine fundierte Publikation über sein Werk existierte. Selbst die zeitgenössische Architekturgeschichte klammerte sein Schaffen bis auf das Opernhaus weitgehend aus. Erst unsere für Brüche offenere Zeit machte es möglich, dass Utzon im vergangenen Jahr den begehrten Pritzker-Preis erhielt. Mit dem Alter milde geworden, liess Utzon sich nun sogar dazu bewegen, an der Restaurierung und am Umbau des innen nicht nach seinen Plänen verwirklichten Opernhauses von Sydney mitzuwirken.
Klassisch und organisch

In diesem Denkmal einer organischen Moderne, das im Zeichen der heutigen Blob-Architektur ganz neue Aktualität erhält, erwies sich Utzon als virtuoser Eklektiker, der die Kunst des Schiffbaus mit der Betonarchitektur von Maillart und Nervi zu verbinden und die Theorien Le Corbusiers mit den fliessenden Bauformen Frank Lloyd Wrights und Saarinens zusammenzubringen wusste. Der eigentliche Clou des Opernhausprojektes war das für die Infrastruktur und die Eingangsfoyers des Musikpalastes genutzte Podium, auf dem Utzon hoch über Sydneys Hafen die geblähten Segel, in denen sich Opern- und Konzertsaal befinden, hissen konnte. Dieses über steile Treppen erreichbare Podest wird gemeinhin mit Utzons Studium der Maya-Tempel im Jahre 1949 in Mexiko zusammengebracht. Dabei wird übersehen, dass der stark vom Klassizismus Kopenhagens geprägte Architekt 1945 kurz in Helsinki bei Alvar Aalto gearbeitet hatte. Damals muss ihn auch die Kathedrale von Carl Ludwig Engel beeindruckt haben, die auf einem Sockel, zu welchem eine steile Treppenwand hinaufführt, hoch über der Innenstadt thront. Die weissen Säulenhallen dieses Tempels haben sich in Sydney dann ganz offensichtlich in segelartige Formen verwandelt.

Um die damals (ohne heutige Computertechnik) höchst aufwendige Umsetzung dieser Riesensegel, die er schliesslich mit weissen Fliesen verkleiden liess, bemühte sich Utzon seit den späten fünfziger Jahren zusammen mit dem Ingenieur Ove Arup. Gleichzeitig realisierte er in Elsinore und Fredensborg zwei Wohnsiedlungen, bei denen ihm das griechisch-römische Atrium- und das chinesische Hofhaus als Vorbilder dienten. Diese Spannung zwischen klassischer und organischer Formgebung, zwischen Miniaturstadt und skulpturalem Solitär, dominiert auch die vom Meister selbst mitkonzipierte Ausstellung im Louisiana Museum in Humlebæk. Sie setzt - erwartungsgemäss - mit einer fulminanten Präsentation des Opernhauses von Sydney ein und veranschaulicht die komplexe künstlerische, technische und politische Genese dieses Jahrhundertwerks mit Filmen, Fotos, Modellen, Plänen und Dokumenten. Daneben müssen die anderen Arbeiten gezwungenermassen etwas zurücktreten. Gleichwohl erfährt man, dass Utzon schon 1953 beim Entwurf des zwischen Wright-Hochhaus und Pagode oszillierenden Langelinie-Pavillons in Kopenhagen sich mit organischer Architektur befasste. Dieser magische, wie ein riesiger Brunnen wirkende Turm aus Beton und Glas wurde jedoch nicht gebaut. So vergab die Stadt die Chance, ein Meisterwerk von Utzon ihr eigen nennen zu können. Verwirklicht wurde zwischen 1968 und 1976 hingegen im nahen Bagsværd eine grandiose Kirche, die in ihrem leisen Äusseren dem dänischen Klassizismus ebenso verpflichtet ist wie der einfachen Industriearchitektur, während das Innere von einer wogenden, das Licht modellierenden Betondecke beherrscht wird.
Vision und Intuition

Der erste Grossbau, bei dem klassische Geometrien und gezielte Lichtführung im Zentrum standen, war aber die 1960 vollendete Bank Melli in Teheran, bei der Utzon seine Analysen orientalischer Basare einfliessen liess. Dennoch ist Utzon weniger ein Theoretiker als vielmehr ein Visionär, der in seinen architektonischen Kompositionen intuitiv nach gezielten Lösungen für neue Orte, Aufgaben und Menschen sucht. Dies zeigt etwa der im Ersten Golfkrieg beschädigte Palast der Nationalversammlung in Kuwait (1972-82), bei dem er vom Zelt über den Hofgarten bis hin zur überdachten Strasse arabische Bautraditionen aufnahm und sie in eine moderne Form aus vorgefertigten Betonelementen giessen liess. Das sich hier, aber auch in anderen Bauten manifestierende seriell-additive Vorgehen führte ihn zur Erfindung des intelligenten Fertighaus-Systems «Espansiva». Additiv gedacht sind aber auch seine beiden Villen auf Mallorca, die Can Lis von 1974 und die Can Feliz von 1995, die sich mit Säulen, Ziegeldächern und Peristylen fast wie pompejanische Herrensitze bald hoch über der Felsenküste, bald verborgen im Pinienhain erheben. Ihr Neoklassizismus findet ein Echo im wenig geglückten postmodernen Möbelhaus «Pausistan» (1987), welches er zusammen mit seinen Söhnen konzipierte. Die Zweifel an Utzons Meisterschaft, die hier aufkeimen, werden am Ende der Schau dann mit dem Entwurf für eine 1963 von Asger Jorn initiierte, leider aber nicht ausgeführte Erweiterung des Kunstmuseums von Silkeborg völlig ausgeräumt. Dieses weitgehend unter der Erde sich ereignende, ebenso musikalisch wie skulptural gedachte Raumwunder beweist, dass Utzon weit über das rein Architektonische hinaus ein Künstler ist.

[ Bis 29. August. Katalog: Jørn Utzon. The Architect's Universe. Louisiana Museum, Humlebæk 2004. 95 S., dKr. 148.- (ISBN 87-90029-93-3). - Ausserdem: Richard Weston: Utzon. Edition Bløndal, Hellerup 2002. 432 S., Fr. 250.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2004.07.05

02. Juli 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Humane Baukunst

Die jüngsten Architekturtrends lassen auf den ersten Blick herkömmliche Baumaterialien als überholt erscheinen. Doch Werke wie die Kirche, die das junge...

Die jüngsten Architekturtrends lassen auf den ersten Blick herkömmliche Baumaterialien als überholt erscheinen. Doch Werke wie die Kirche, die das junge...

Die jüngsten Architekturtrends lassen auf den ersten Blick herkömmliche Baumaterialien als überholt erscheinen. Doch Werke wie die Kirche, die das junge finnische Architekturbüro JKMM zurzeit in Vikki, einer neuen, ökologisch konzipierten Vorzeigestadt im Nordosten Helsinkis realisiert, zeigen, dass man Bauten mit blobartig- organischen Aussenformen durchaus auch aus Holz herstellen kann. Die JKMM-Architekten benutzen dazu biegbare Balken, die sie - ganz ähnlich wie der finnische Nachwuchsstar Ville Hara bei seinem knochenförmigen Aussichtsturm im Zoo von Helsinki - zu korbartigen Hüllen verflechten. Darüber wird eine Haut aus Schindeln gezogen, die den unregelmässig gekrümmten Oberflächen ebenso gut folgt wie ein dank den Mitteln der Raumfahrtindustrie computertechnisch gebogenes Blech- oder Kunststoffelement.

Während der kreative Nachwuchs im Norden demonstriert, dass der Werkstoff Holz, welcher sich wie kaum ein anderer durch umweltfreundliche Eigenschaften auszeichnet, auch in komplexen Bauverfahren verwendet werden kann, setzt die finnische Holzindustrie neuerdings auf einen Preis, um auf die vielfältigen Möglichkeiten von Bau-, Sperr- und Schichtholz in der Architektur aufmerksam zu machen. Seit dem Jahr 2000 vergibt die von ihr getragene Finnish Forest Foundation zusammen mit der Wood in Culture Association den ökologisch ausgerichteten Spirit of Nature Award, welcher vergleichbar hohe Ansprüche geltend macht wie die ebenfalls von einer finnischen Institution vergebene Aalto-Medaille. Vor vier Jahren war Renzo Piano für seine technologische Erforschung des Baumaterials Holz als Erster mit dem Spirit of Nature Award ausgezeichnet worden; im Jahr 2002 ging dann die Ehrung an den Japaner Kengo Kuma, der unter anderem für seine Neuinterpretationen herkömmlicher Holzbautechniken bekannt ist. - Einen globalen Anspruch kann der mit 50 000 Euro dotierte Preis seit neustem geltend machen, wurde er doch anlässlich der World Conference in Timber Engineering (WCTE) Mitte Juni in der vor vier Jahren eingeweihten Sibelius-Halle von Lahti - einer kistenartigen, in Holz und Glas gehaltenen Erweiterung eines Backsteingebäudes am malerischen Vesijärvi-See - dem 1939 in Melbourne geborenen Architekten Richard Leplastrier übergeben. Ähnlich wie sein drei Jahre älterer, mit der Aalto-Medaille von 1992 und dem Pritzker-Preis von 2002 dekorierter Landsmann Glenn Murcutt fand Leplastrier in der Auseinandersetzung mit der architektonischen Tradition und mit der Kultur der Aborigines zu einer human geprägten, nachhaltigen Baukunst.

Nachdem er rund zwei Jahren auf der Baustelle von Jørn Utzons Opernhaus in Sydney gearbeitet hatte, liess sich Leplastirer Mitte der sechziger Jahre in Kyoto während 18 Monaten von Masuda Tomoya in klassisch japanischer Holzarchitektur unterweisen. Diese Erfahrung und die Beschäftigung mit dem australischen Verandahaus brachten ihn dazu, seine Wohnhäuser auf die nötigsten Funktionen zu reduzieren. Diese aus den alltäglichen Abläufen heraus entwickelten Bauten stehen in engem Bezug zur Landschaft. Berühmt wurde das 1982 vollendete Cammery House in Sydney, das aus drei mit Satteldächern versehenen, abgetreppt am terrassierten Hang errichteten Längspavillons besteht, in denen Struktur, Funktion und Ästhetik harmonisch zusammenfinden. Spannende räumliche Lösungen sind für Leplastriers Schaffen ebenso charakteristisch wie die Erkundung einfacher Materialien. So schuf er umweltverträgliche Häuser aus Holz und Blech, schon lange bevor Ökoarchitektur zum Modethema avancierte. Auch nach der Ehrung mit der Goldmedaille des Royal Australian Institute of Architects im Jahre 1999 hat dieser stille Einzelkämpfer seine architektonische Recherche konsequent weiterverfolgt. Damit ist er ein würdiger Träger eines Preises, bei dem es nicht nur um Architektur, sondern auch um Natur und Geist geht. Spannend wäre es nun, wenn die Jury, der diesmal unter anderem die Französin Anne Lacaton angehörte, im Jahr 2006 ein in Theorie und künstlerischer Formgebung entschieden zukunftsorientiertes Architekturbüro auszeichnen würde, das die nachhaltigen Eigenschaften des Werkstoffes Holz wiederum in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen würde.

[ Publikation: Richard Leplastrier. Spirit of Nature Wood Architecture Award 2004. Rakennustieto Oy Rati, Helsinki 2004. 80 S., Euro 44.- (ISBN 951-682-748-9). ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.07.02

18. Juni 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sichere Höhle und schwankendes Schiff

Daniel Libeskinds Jüdisches Museum in Kopenhagen

Daniel Libeskinds Jüdisches Museum in Kopenhagen

Mit einer Architektur, deren Raumverschrankungen ebenso auf kabbalistische Zahlenmystik wie auf komplexe Erinnerungslinien verweisen, empfiehlt sich Daniel Libeskind seit geraumer Zeit als idealer Baumeister jüdischer Museen. Mehrere hat er bereits geplant; nun konnte er vor wenigen Tagen in Kopenhagen sein zweites eröffnen: das Dansk Jødisk Museum. Verwandtschaften lassen sich leicht ausmachen zwischen seinem Berliner Geniestreich und der Miniatur auf Slotsholmen. Doch die Stiftung für ein dänisches Jüdisches Museum, die sich seit 1985 für einen Ort der Geschichtsvermittlung stark machte, hat nicht einfach auf einen grossen Namen gesetzt.

Vielmehr nahm sie schon 1987, also bevor Libeskind den Berliner Wettbewerb gewonnen hatte, mit dem damals noch kaum bekannten Architekten Kontakt auf. Daraus ergab sich für ihn ein erster Studienauftrag für das geplante Jüdische Museum. - Eigene Ausstellungsräume hatten sich jüdische Kreise allerdings schon nach der ersten Judaica-Schau von 1908 gewünscht. Anlässlich der 300-Jahr-Feier der Jüdischen Gemeinde Dänemarks von 1984 hatten dann mehrere Veranstaltungen erneut gezeigt, wie reich das jüdische Erbe des Landes war. Mit dem Ziel, dieses Patrimonium permanent zugänglich zu machen, formierte sich im Jahr darauf die Stiftung für ein dänisches Jüdisches Museum. Realität wurde deren Traum am Ende einer langen Standortsuche aber erst, als der Staat das ehemalige, 1609 von Joseph Matzen realisierte Bootshaus von König Christian IV., das seit bald hundert Jahren ins Erdgeschoss der Königlichen Bibliothek von Hans J. Holm eingebaut ist, als Lokalität zur Verfügung stellte.

Neokubistisches Raumgefüge

Trotz der Denkmalwürdigkeit der aus der nordischen Spätrenaissance stammenden Halle erhielt die Stiftung die Erlaubnis, aufgrund der im Jahr 2001 von Libeskind vorgelegten Pläne einen ebenso sanften wie exzentrisch wirkenden Umbau des Interieurs vorzunehmen. Entstanden ist ein kleines neokubistisches Meisterwerk, das mit seinen abgewinkelten Wänden aus hellem Birkenholz, den blitzartig durch den Raum zuckenden Lichtbalken, den dunkel glühenden Vitrinen und den altehrwürdigen Backsteingewölben heiteres Geschichtsbewusstsein ausstrahlt. In seiner Atmosphäre unterscheidet es sich damit grundlegend von der düsteren Dramatik des Jüdischen Museums in Berlin. Anders als dieser Bau, bei dem sich alles um die Schrecken und Verbrechen des Holocausts dreht, ging Libeskind in Kopenhagen von der stark durch Ausgleich und Toleranz geprägten Geschichte der dänischen Juden aus. Diese setzte 1622 ein, als Christian IV. aus wirtschaftlichen Erwägungen sephardische Juden in das von ihm gegründete Glückstadt an der Elbe einlud.

Im Jahre 1675 erhielten sie in der auf Jütland neu angelegten Garnisonsstadt Fredericia sowie 1684 auch in Kopenhagen Aufenthaltsbewilligungen; und Anfang des 19. Jahrhunderts wurde ihnen dann das Bürgerrecht zuerkannt. Obwohl es später durch Einwanderung zu innerjüdischen Spannungen kam, verlief die Integration so selbstverständlich wie kaum anderswo. Das zeigte sich während der deutschen Besetzung, als die Dänen im Oktober 1943 die meisten ihrer damals knapp 8000 jüdischen Mitbürger nach Schweden retteten. Diese beherzte Tat, die aber ohne schwedische Grosszügigkeit nicht möglich gewesen wäre, nahm Libeskind als Grundlage seiner Planung. Dabei verwob er die vier Buchstaben des hebräischen Wortes «Mitzwah», dessen Bedeutung von Gebot bis hin zu gute Tat reicht, zu einem Wegsystem, welches labyrinthartig durch die Schluchten des Museums führt.

Zwar ist die neue Institution auch als Treffpunkt und Identifikationsort der heute überwiegend laizistischen jüdischstämmigen Dänen gedacht. Doch nach aussen tritt sie weniger als Begegnungszentrum denn als Schatzkammer in Erscheinung. Der kleine, mit Zacken und Linien zum Bibliotheksgarten sich weitende Vorplatz weist die Ankommenden in Richtung einer Tresortüre mit der Aufschrift «Mitzwah». Dahinter öffnet sich Libeskinds Welt, in der es auf knapp bemessenen 400 Quadratmetern neben dem Ausstellungsbereich auch Platz gibt für Kasse, Garderobe, Buchladen, Café-Ecke und Videoraum. Dennoch fühlt man sich nie eingeengt. Dies ist einerseits der spannungsvollen Rauminszenierung, anderseits den raffiniert in die stürzenden Wände eingebauten Vitrinen zu verdanken. In ihnen sind die Exponate - historische Dokumente, Bücher, Fotografien, Alltags- und Kultobjekte - nach den fünf Themenbereichen «Ankunft», «Standortfindung», «Flucht», «Dänemark und Israel» sowie «Tradition» geordnet.

Schätze jüdischer Kultur

Selbst wenn es die wenigen zum Stichwort «Tradition» gezeigten Kunstgegenstände, die teilweise aus den aufgelösten Synagogen in der Provinz stammen, kaum ahnen lassen, so können die jüdischen Dänen doch auf ein beachtliches künstlerisches Erbe zurückblicken. Nicht nur besitzt Kopenhagen mit dem 1833 eingeweihten ägyptisierenden Gotteshaus von Gustav Friedrich Hetsch eine der architektonisch bedeutendsten Synagogen Europas. Auch im Bereich der jüdischen Silberkunst wurde Grosses geschaffen. Dies veranschaulicht die von Mirjam Gelfer-Jørgensen herausgegebene Publikation über «Danish Jewish Art», in der sich auch Entwürfe berühmter Architekten und Künstlern finden. Mit Libeskinds meisterhafter Miniatur setzt nun das neue Museum die Tradition fort, und zwar in Form eines architektonischen Aufbruchzeichens. Dass diesem demnächst weitere Bauten folgen werden, welche der in Theorie und Ausformung etwas festgefahrenen Baukunst Kopenhagens neue Impulse verleihen dürften, zeigt noch bis zum 15. August die Ausstellung «Grænseløs Arkitektur» im Kopenhagener Architekturzentrum Gammeldok, in welcher auch Libeskinds Arbeit dokumentiert ist.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.06.18



verknüpfte Bauwerke
Jüdisches Museum Kopenhagen



verknüpfte Publikationen
Danish Jewish Art - Jews in Danish Art
The Danish Jewish Museum

04. Juni 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Museen und umgestürzte Türme

Selbst eiligen Besuchern dürfte kaum entgehen, dass Wiens Innenstadt ein riesiges Architekturmuseum ist mit wichtigen Gebäuden von der Gotik bis zur Gegenwart. Dieses Ambiente bildet zusammen mit einer regen architektonischen Ausstellungs- und Vermittlungstätigkeit den Nährboden für eine florierende baukünstlerische Kultur.

Selbst eiligen Besuchern dürfte kaum entgehen, dass Wiens Innenstadt ein riesiges Architekturmuseum ist mit wichtigen Gebäuden von der Gotik bis zur Gegenwart. Dieses Ambiente bildet zusammen mit einer regen architektonischen Ausstellungs- und Vermittlungstätigkeit den Nährboden für eine florierende baukünstlerische Kultur.

In kaum einem anderen Land gedeiht die zeitgenössische Baukunst so üppig wie in Österreich. Während Graz und Innsbruck neuerdings auf Bauten internationaler Stars setzen, ist Wiens Innenstadt längst schon ein Freilichtmuseum mit Gebäuden von der Gotik bis heute. Darunter finden sich Juwelen wie die barocke Karlskirche von Johann Bernhard Fischer von Erlach oder Joseph Maria Olbrichs theatralische Secession, aber auch strengere Meisterwerke wie Theophil Hansens neuattisches Parlament oder die nüchterne Postsparkasse von Otto Wagner. Einzig die Gegenwart muss hier - abgesehen von Hans Holleins pompösem Haas-Haus - in Form diskreter Umbauten etwas im Verborgenen blühen. So wurde das im Klassizismus prachtvoll erneuerte Albertina-Palais jüngst subtil erweitert von Erich Steinmayr und Friedrich Mascher. Gleichzeitig durfte Hollein mit seinem vor fünf Monaten eingeweihten, die rosa Palastfassaden scharf durchschneidenden Flugdach ein Zeichen setzen. Diese provokative Geste demonstriert, dass es vor allem die Museen sind, die dem eiligen Touristen Eindrücke vom heutigen, zwischen Minimalismus und Dekonstruktivismus oszillierenden Architekturschaffen in der Donaumetropole vermitteln. Dazu gehören etwa das Museum am Judenplatz mit dem sachlich-eleganten Innenausbau von Jabornegg & Pálffy, der ähnlich zurückhaltende, vom Geist Mies van der Rohes durchdrungene Pavillon des «Kunsthalle Project Space» von Adolf Krischanitz sowie der mit einer gewissen barocken Opulenz von Laurids und Manfred Ortner zum einladenden Museumsquartier umgewidmete Messepalast Fischers von Erlach.

Zentren der Architekturvermittlung

Im Museumsquartier befindet sich neben den neuen Kunsttempeln auch das vor elf Jahren gegründete Architekturzentrum Wien (AzW), das mit einem regen Veranstaltungsprogramm den fachlichen Architekturdiskurs voranzutreiben und dem kritischen Wiener Publikum die Baukunst näherzubringen sucht. Im Rahmen der als Trilogie konzipierten «A-Schau» illustriert es zurzeit anhand von baugeschichtlichen Dokumenten der Zeit von 1850 bis 1918 das Seilziehen zwischen gründerzeitlicher Dekorationslust und Loos'scher Einfachheit. Wurde der Niedergang des Kaiserreiches von einer beispiellosen Bautätigkeit eingeläutet, so ging nach dem Zweiten Weltkrieg fast nichts mehr. Die jungen Architekten flüchteten sich vor der grauen Realität in eine Welt der Visionen. Den zwischen 1958 und 1973 von Architekten wie Raimund Abraham, Coop Himmelb(l)au, Hollein, Missing-Link oder Zünd-up ausgeheckten revolutionären Ideen, die sich an Aktionismus, Pop-Art, Metabolismus oder Raumfahrt entzündeten, nähert sich (noch bis zum 12. Juli) eine weitere Schau des AzW unter dem Titel «The Austrian Phenomenon».

Jahre bevor diese exzentrischen Bau-Künstler die Stadt ohne grosse Folgen anarchisch weiterdachten und sich Inspiration bei Friedrich Kieslers skulpturalen Raumgebilden oder den Hausmaschinen von Archigram suchten, hatte Erich Boltenstern mit dem modernistischen Ringturm einen der wenigen Grossbauten im Wien der Nachkriegszeit realisiert. Dessen Eingangshalle wurde vor fünf Jahren von Boris Podrecca zum Ausstellungsraum im Ringturm umgebaut, in welchem vor allem das internationale Architekturgeschehen zur Diskussion gestellt und damit Wiens Neigung zur Nabelschau etwas durchbrochen wird. Mittels Fotos, Plänen und Modellen werden hier bis zum 26. Juni «Europas beste Bauten» präsentiert, die in die Endrunde des Mies-van-der-Rohe-Preises 2003 gelangten. Zum Siegerprojekt gekürt wurde die von Zaha Hadid mit sparsamsten Mitteln realisierte Park-and- Ride-Tramstation Hoenheim-Nord in Strassburg, während der Anerkennungspreis für junge Architektur an das Stadthaus Ostfildern bei Stuttgart von Jürgen Mayer H. aus Berlin ging. Zusammen mit diesen beiden Arbeiten fanden auch jene der übrigen 39 Finalisten Eingang in die Schau und in den Katalog. Österreich ist - anders als die Schweiz, die sich an diesem Wettstreit leider nicht beteiligt - mit drei Bauten vertreten, darunter das Wiener Museumsquartier.

In dieser einfach und ohne jede falsche Attitüde inszenierten, dafür aber kostenlos zugänglichen Ausstellung dürfen die Wiener, deren «Geraunze über Neubauten» laut Friedrich Achleitner schon seit dem Mittelalter zu vernehmen ist, einmal mehr erleichtert feststellen, dass die von ihnen gerne als hässlich abgetane Architektur in der weiten Welt durchaus auf Interesse stösst. Das heisst nun aber nicht, dass alles, was jüngst etwa in den äusseren Bezirken ins Kraut geschossen ist und noch entstehen soll, vorbildlich wäre. So erscheint die «Donau-City» trotz gelungenen Miniaturen wie dem Christus-Kirchlein von Heinz Tesar als eine eher triste, auf einer Fussgängerplatte dösende Retortenstadt, die von Harry Seidlers verzweifelt optimistisch sich in den Himmel reckendem Wohnturm überragt wird.

Neubauten und ein Gartenpalais

Hochhäuser von Meistern wie Hollein und Gustav Peichl prägen nicht nur die Ufer von Donau und Donaukanal, sondern auch den Wienerberg. Hier sind vier bis zu vierzig Geschosse zählende Wohnhochhäuser im Bau, die schon jetzt mit ihrem exzentrischen Gehabe irritieren. Daneben erheben sich als Ruhepol die gut 130 Meter hohen, durch Skywalks miteinander verbundenen Twin Towers des Italieners Massimiliano Fuksas: zwei abstrakte Glasstelen, deren minimalistische Klarheit vor allem nachts zum Tragen kommt. Ihnen antwortet seit neustem am Ende des Rennwegs ein langer Bau auf Stelzen, der wie ein umgestürztes und in zwei Teile geborstenes Hochhaus wirkt. Sowohl dieser vom Grazer Günther Domenig in Anlehnung an Hadids Dekonstruktivismus realisierte liegende Verwaltungsturm als auch Fuksas' Twin Towers sind dem Publikum heute Freitag und morgen Samstag anlässlich der österreichischen Architekturtage (www.architekturtage.at) zugänglich. Zu ihnen führt aber auch ein neuer Wiener Architekturführer, der den zahllosen seit 1975 entstandenen Bauten gewidmet ist.

Beim Rundgang durch die Stadt trifft man dann aber immer wieder auf interessante Neubauten, zu denen sich kein Eintrag in diesem an sich nützlichen, mitunter aber etwas ungenauen Führer findet. So sucht man vergeblich nach dem der Vollendung entgegengehenden Wohn- und Geschäftshaus an der Schlachthausgasse von Coop Himmelb(l)au oder nach dem von Otmar Edelbacher und Peter Hartmann luxuriös erneuerten Gartenpalais Liechtenstein. Anlässlich der Eröffnung des hier eingerichteten Liechtenstein Museum ist in der von Joseph Hardtmuth geschaffenen klassizistischen Bibliothek (die aus dem 1913 abgerissenen Liechtensteinischen Stadtpalast in der Herrengasse stammt) noch bis zum 27. Juni eine kleine Schau zu sehen, die anhand von Originalblättern Johann Bernhard Fischers von Erlach, Domenico Egidio Rossis, Joseph Kornhäusels und Heinrich Ferstels die komplexe Genese des Gartenpalais veranschaulicht. Blieb das schliesslich um 1700 von Rossi und Domenico Martinelli in einem fast schon klassizistisch anmutenden Barock realisierte Bauwerk mit seiner reichen künstlerischen Ausstattung bis heute unverändert erhalten, so wurde der zugehörige, einst neben dem Belvedere-Park bedeutendste Barockgarten Wiens im 19. Jahrhundert in eine englische Anlage umgestaltet und Fischers Lustgartenpavillon durch einen monumentalen Neubau von Ferstel ersetzt. Damit zeigt dieser stolze Herrensitz, dass in Wien die stete Transformation wertvoller architektonischer Komplexe auf eine lange Tradition zurückblicken kann.


[ Kataloge: European Union Prize for Contemporary Architecture. Mies van der Rohe Award 2003. Actar Press, Barcelona 2003. 303 S., Euro 33.50. - Liechtenstein Museum. Ein Haus für die Künste. Hrsg. Johann Kräftner. Prestel-Verlag, München 2004. 64 S., Euro 7.95. - Architekturführer: Wien 1975-2005. Hrsg. August Sarnitz. Springer-Verlag, Wien 2003. 256 S., Fr. 51.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.06.04



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04. Juni 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Fussgängertunnel auf der Prager Burg

In unserer von Kunststoff und Computer geprägten Welt scheint der Ziegelbau vergangenen Zeiten anzugehören. Dass dem - allen dekonstruktivistischen und...

In unserer von Kunststoff und Computer geprägten Welt scheint der Ziegelbau vergangenen Zeiten anzugehören. Dass dem - allen dekonstruktivistischen und...

In unserer von Kunststoff und Computer geprägten Welt scheint der Ziegelbau vergangenen Zeiten anzugehören. Dass dem - allen dekonstruktivistischen und neoorganischen Formorgien zum Trotz - nicht so ist, zeigen die Resultate des ersten Brick Award für europäische Ziegelarchitektur, der vor einer Woche in Wien verliehen wurde. Der insgesamt mit 21 000 Euro dotierte Preis, der künftig alle zwei Jahre ausgeschrieben werden soll, wird vom weltgrössten Ziegelhersteller, der österreichischen Firma Wienerberger, gestiftet - und zwar mit dem Ziel, auf die Aktualität und Attraktivität eines der ältesten Werkstoffe überhaupt aufmerksam zu machen.

Insgesamt wurden mehr als 200 Bauten aus 20 europäischen Staaten zur Begutachtung angemeldet. Eine Blütenlese von 38 Arbeiten aus 18 Ländern fand schliesslich Eingang in ein reich dokumentiertes Übersichtswerk. Dieses vermittelt einen Eindruck von der Vielfalt des heutigen Einsatzes von Ziegeln von Frankreich bis Rumänien. Zu den interessantesten Bauten dieser Blütenlese zählen das Kontorhaus «Holzhafen Ost» von Kees Christiaanse in Hamburg, der Main-Plaza- Turm von Hans Kollhoff in Frankfurt, der Umbau der Gasometer in Wien-Simmering von Jean Nouvel und Coop Himmelb(l)au, die Feuerwehrzentrale von Neutelings Riedijk in Breda oder das Freilichtmuseum von Mecanoo in Arnheim. Aus der Schweiz vermochten die Mehrzweckhalle von Oeschger Erdin in Hirschenthal, die mit einer der 12 Anerkennungen geehrte, durch attraktive Höfe und Aussenräume geprägte Heilpädagogische Schule in Wettingen von Burkard Meyer Architekten sowie das mit einem der beiden Sonderpreise bedachte minimalistische Einfamilienhaus bei Aarau von Peter und Christian Frei Aufmerksamkeit zu erheischen: Den zweiten Sonderpreis erhielt Massimo Caramassi für seine sorgsam den historischen Kontext berücksichtigende Stadtreparatur in Pisa.

Von den Hauptpreisen ging der dritte an Cino Zucchis poetisches Wohnhaus auf der Giudecca in Venedig, der zweite an Benedict Tonons von bunten Fassadenmustern geprägtes Gefahrstofflager der Humboldt-Universität in Berlin und der erste an Josef Pleskot. Geehrt wurde der tschechische Architekt für seinen Fussgängertunnel, der beide Teile des Hirschgrabens auf der Prager Burg verbindet. Bei diesem oval gewölbten Durchgang, durch den sich neben dem Fussweg unter einem Gitterrost auch noch das Brusnitz- Bächlein zwängt, wurden die Betonwände mit Ziegeln verkleidet, um eine freundlichere Stimmung zu erzeugen. Diese Miniatur mit ihrer wie geflochten wirkenden Oberflächentextur führt ganz offensichtlich die architektonische Tradition der einst von Joe Plenik neu komponierten Terrassengärten des Prager Burgkomplexes weiter.

Auch wenn sich die Gültigkeit des Brick Award durch eine gezieltere Vorjurierung in den einzelnen Ländern qualitativ noch steigern liesse, ist es der Jury unter dem Vorsitz der Wiener Architektin Elsa Prochazka doch gelungen, durchwegs Arbeiten zu prämieren, die aufgrund ihrer formalen Schönheit und technischen Präzision weit über den Durchschnitt der alltäglichen Architekturproduktion herausragen.

Brick Award 2004. Die beste europäische Ziegelarchitektur. Callwey-Verlag, München 2004. 207 S., Fr. 102.-.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.06.04



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14. Mai 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Container und gebaute Landschaft

Das Rotterdamer Architektenteam MVRDV in Bern

Das Rotterdamer Architektenteam MVRDV in Bern

Auf der Welle des Hypes, den sie mit dem niederländischen Pavillon an der Expo 2000 in Hannover erzeugten, surfen sie seit Jahren mit Geschick: Winy Maas, Jacob van Rijs und Nathalie de Vries vom 1991 in Rotterdam gegründeten Büro MVRDV. Als eine in mehreren Ebenen übereinander gestapelte Landschaft mit Wiesen, Wald und Windmühlen war dieses gebaute Manifest nicht nur eine mit Ironie vorgetragene Hymne auf Künstlichkeit und Machbarkeit, sondern auch eine Illustration ihrer Theoriebibel «Metacity/ Datatown». Wie sehr seither Themen wie Schichtung und Verdichtung ihren Entwurfsprozess bestimmen, lässt sich im Kornhaus Bern überprüfen, wo zurzeit die Wanderschau von MVRDV gastiert. Riesige Planen, auf denen in erschlagenden Dimensionen ihre Werke abgebildet sind, unterteilen den grossen Ausstellungsraum in vier lange Kojen. In diesen werden unter dem Titel «The Hungry Box - die endlosen Interieurs von MVRDV» Modelle von neun zwischen 1993 und 2002 konzipierten Bauten und Entwürfen präsentiert, die wie der VPRO-Hauptsitz in Hilversum dem Expo-Pavillon den Weg bereiteten oder die aus ihm hervorgegangenen Erkenntnisse weiterführen: etwa in dem als «Grüne Burg» gedachten Umbau des Den Haager Landwirtschaftsministeriums zu einem riesigen Gewächshaus.

Bei den in Bern vorgestellten Arbeiten gehen die Architekten von der leeren Gebäudehülle aus, die mit Inhalten in Form von funktionsbezogenen Containern oder fliessenden Architekturlandschaften gefüllt wird. Eine Vorgehensweise, die sich schnell erschöpft, wie die unrealisierten Wettbewerbsentwürfe für den Palau de la Biodiversitat in Barcelona oder für das Musée universel in Paris belegen. Diese Projekte vermitteln - ähnlich den spektakulären neueren Forschungsarbeiten über Benidorm oder die 600 Meter hohen Schweinezucht-Türme - den Eindruck, bei MVRDV drehe sich alles fast zwanghaft um Originalität und Unkonventionalität.

Doch MVRDV sind keine Architektur-Neurotiker. In der bewusst konventionell gestalteten Schau, die in ihrer Konzentration auf das Wesentliche überzeugt, stellen die Architekten auch ihr bisher wichtigstes Werk zur Diskussion: den 10-geschossigen Silodam-Wohnblock im Amsterdamer Hafen. Dieses «Museum der Wohnungstypen» erweist sich als moderate, aber konsequente Umsetzung ihrer Forschungen. Schon 1998 hatten sie in der Schrift «Farmax» extreme horizontale und vertikale Verdichtung gefordert, um der Bevölkerung (und der Natur) mehr Raum zu geben. Auf die Schweiz bezogen bedeutete das in ihrem Beitrag zur Studie «Stadtland Schweiz» von 2003 Hochhauswälder am Zürichsee oder in der eine halbe Million Einwohner und 125 000 Hotelbetten zählenden «Matter City». Selbst wenn derartige Vorschläge irritieren, führen die Recherchen der hippen Rotterdamer immer wieder zu so erstaunlichen Resultaten wie dem Amsterdamer Altersheim mit den schubladenartig aus dem Baukörper herausgezogenen Wohnungen.

Neben den suggestiven Wohnbauten weisen vor allem die in der Ausstellung gezeigten Entwürfe des nicht realisierten keilförmigen Eyebeam-Minihochhauses in New York und des 240 Meter hohen Bücherturms von Eindhoven in die Zukunft. Hier scheinen MVRDV aus der etwas hohl gewordenen Vorstellungswelt der Container- Stapel auszubrechen. Diese Vermutung bestätigen zwei in Bern nicht präsentierte jüngere Projekte: das an Lissitzkys Wolkenbügeln inspirierte Opernhaus von Oslo und die in die Stockholmer Hügellandschaft eingegrabene, durch organisch geformte Öffnungen erhellte Höhlenwelt des Silicon-Hill-Gebäudes, in dem Erinnerungen an Oscar Niemeyers Pariser Sitz der Kommunistischen Partei mit subtiler Kritik an der aktuellen Blob-Architektur zusammenklingen. Obwohl es ruhiger geworden ist um MVRDV, beweist das neuste Projekt der Pariser Hallen, dass ihre Ideen weiterhin gefragt sind.


[Bis 31. Mai im Kornhausforum in Bern. Begleitpublikation: MVRDV Reads. Hrsg. Aaron Betsky und Winy Maas. NAi Publishers, Rotterdam 2003. 160 S., Fr. 45.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.05.14

07. Mai 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bauen in der Vorstadt

Die Freiburger Europan-Projekte

Die Freiburger Europan-Projekte

Seit seiner Gründung 1987 wurde der internationale Europan-Wettbewerb im vergangenen Jahr zum siebten Mal ausgeschrieben und Ende 2003 juriert. Thema war diesmal der «Suburbane Challenge». Dazu standen dem Architektennachwuchs Dutzende von vorstädtischen Projektgebieten in halb Europa zur Verfügung. Anders als früher war das Schweizer Engagement diesmal bescheiden, vielleicht weil es bis heute trotz vielen guten Resultaten kaum je zu einer Realisierung kam. Dennoch wurden insgesamt 72 Projekte für die beiden Wettbewerbsareale im waadtländischen Renens und in Freiburg eingereicht. Doch während in der Lausanner Vorstadt kein Sieger ausgezeichnet wurde, konnte an der Saane mit dem unkonventionellen Entwurf von Roland Stutz und Martin Bruhin aus Schongau eine vielversprechende Arbeit triumphieren. Dies war nun dem vor einem Jahr gegründeten Freiburger Architekturforum und seinem initiativen Vorstandsmitglied Alain Fidanza Anlass, die fünf besten Projekte vor Ort im Monrevers-Quartier zu präsentieren, und zwar auf der Ringmauer neben dem Murtentor. Der gekürte Entwurf sieht neben einem Grünraumkonzept für das Vallée de Monrevers eine brückenartige, quadratische Plattform vor, die - auf Stelzen über dem Talgrund schwebend - fünfzig zweigeschossige Atriumwohnungen trägt. Aufmerksamkeit verdient die kleine Schau deswegen, weil die Stadt Interesse signalisiert hat, das innovative Konzept zu realisieren, in dem Ideen von Atelier 5 und den Metabolisten, aber auch von Herzog & de Meuron, Rem Koolhaas und MVRDV zusammenklingen.


[Die kleine Ausstellung ist am 8., 9., 15. und 16. Mai von 13 bis 17 Uhr gratis zugänglich (www.europan.ch). Eine reich illustrierte «Hochparterre»-Sondernummer (1-2/2004) liegt auf.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.05.07

07. Mai 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Geometrisch gezähmte Naturform

Mit dem 180 Meter hohen, formal zwischen Tannzapfen und Ananas oszillierenden Swiss Re Tower in London ist es Norman Foster gelungen, die modische Blob-Architektur geometrisch zu zähmen. Städtebaulich von Bedeutung ist zudem, dass der perfekt proportionierte Wolkenkratzer harmonisierend auf die Skyline der City einwirkt.

Mit dem 180 Meter hohen, formal zwischen Tannzapfen und Ananas oszillierenden Swiss Re Tower in London ist es Norman Foster gelungen, die modische Blob-Architektur geometrisch zu zähmen. Städtebaulich von Bedeutung ist zudem, dass der perfekt proportionierte Wolkenkratzer harmonisierend auf die Skyline der City einwirkt.

Er ist nicht der höchste, aber zweifellos der einprägsamste und schönste Wolkenkratzer Londons. Mit Norman Fosters elegantem Swiss Re Tower, in welchem strenge Geometrie und organische Naturform zusammenfinden, wandelt sich die Skyline der City of London, die bis anhin kaum zu begeistern vermochte, in eine ausgewogene Komposition. Gleichzeitig beweist der 180 Meter hohe Londoner Verwaltungssitz des Schweizer Rückversicherers, dass das Büro Foster, welches mit Ikonen wie dem High-Tech-Turm der Hongkong and Shanghai Bank in der ehemaligen Kronkolonie berühmt wurde, auch noch heute mehr als banale Investorenarchitektur in der Art seines HSBC-Tower in den Docklands zu schaffen weiss. Die noble Adresse 30 St. Mary Axe, an welcher einst der im April 1992 durch ein IRA-Attentat schwer beschädigte Baltic Exchange stand, hatte Foster schon gereizt, bevor die Swiss Re sich um eine Baubewilligung bewarb. Nach seinen Visionen hätte hier der höchste Himmelsstürmer der Themsestadt entstehen sollen: der 386 Meter hohe, durch einen Abschluss in Form eines Kamelhöckers geprägte Millennium Tower. Dieser überdimensionierte, formal wenig überzeugende Bau hätte wohl das Erscheinungsbild der City völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.

Erotische Essiggurke

Es war ein Glücksfall, dass dann die Swiss Re 1997 von Foster statt des megalomanen Millennium Tower den Entwurf eines Gebäudes erbat, das auch von den nicht gerade hochhausfreundlichen Londonern akzeptiert werden konnte. Foster liess von seinen Utopien ab und stellte sich den neuen Gegebenheiten. Diese verlangten von ihm die Implantation eines immerhin noch 40- geschossigen und rund 40 000 Quadratmeter Bürofläche bietenden Turms in der beengten City, welcher der Firmenphilosophie des Schweizer Unternehmens zufolge den aktuellsten ökologischen Standards genügen musste. Dabei konnte Foster auf den Erfahrungen aufbauen, die er mit dem von mehreren Sky-Gärten gegliederten Commerzbank-Hochhaus in Frankfurt gemacht hatte.

Aspekte wie breite formale Akzeptanz und Umweltverträglichkeit lenkten Fosters planerische Recherche zunächst auf die Aussenform: Ein die Gesamtfläche des einstigen Baltic Exchange ausfüllender Wolkenkratzer wäre als grober Klotz auf wenig Gegenliebe gestossen; ein runder Turm hätte zwar Freiraum für eine Plaza geschaffen und zudem kleinere Windlasten am Schaft bedeutet, doch wäre er wohl zum einfallslosen Glaszylinder oder aber zur Betonzigarre im Stil von Jean Nouvels Torre Agbar in Barcelona verkommen. Foster suchte deshalb in der Vergangenheit und Gegenwart nach Anregungen, verlangte doch dieser Ort in unmittelbarer Nachbarschaft zu Richard Rogers' 1986 vollendetem High-Tech-Wunder des Lloyds Building und zu Richard Seiferts kantigem Tower 42 (der seit der Eröffnung im Jahre 1980 mit seinen 183 Höhenmetern die City dominiert) nach einem Meisterwerk. - Beim Entscheid für die an einen Tannzapfen oder an eine Ananas erinnernde Gebäudeform, die über rundem Grundriss zur Schaftmitte hin an-, danach in Richtung Kuppe wieder abschwillt und auf der Hälfte des Grundstückes Raum freigibt für einen in der City äusserst raren Platz, orientierte sich Foster wohl an Christopher Wrens nie realisiertem Laternenaufsatz der benachbarten St. Paul's Cathedral. Noch offensichtlicher aber ist die Verwandtschaft mit dem 1996 vom Londoner Trendbüro Future Systems geplanten phallischen «Green Bird», der sich in Chelsea als von einer rautenförmigen Netzfassade mit Spiralaufsätzen umhüllter Wolkenkratzer 450 Meter über die Themse hätte erheben sollen. Fosters Verdienst ist es, die allzu vordergründig organische Form des «Green Bird» in dem bald schon «Erotic Gherkin» genannten Swiss Re Tower geometrisch gezähmt sowie ökologisch, aber auch konstruktiv verbessert zu haben. So ist dieser nun mit einem tragenden Fassadenskelett versehen, für das Foster und die ihm zur Seite stehenden Ingenieure von Ove Arup sich durch die auf Dreiecken und Rauten basierenden räumlichen Tragwerke von Buckminster Fuller inspirieren liessen.

Diese mit Hilfe des Computers leicht zu berechnende stählerne Wabenstruktur erlaubte eine vergleichsweise einfache Realisierung der komplexen, doppelt gekurvten Geometrie des Swiss Re Tower. In der so entstandenen modischen, aber im Windkanal aerodynamisch gestrafften Blob-Form finden das Klassische und das Barocke, das Minimalistische und das Organische zusammen. Auch wenn die Verbindung des Tragwerks mit der Plaza in Form einer umgekehrten Zackenkrone, die eine öffentliche Arkade bildet, nicht wirklich gelöst ist, vermag der Swiss Re Tower als perfekt proportioniertes Hochhaus zu überzeugen. Deshalb kann das von Foster als «technologisch, architektonisch, ökologisch, sozial und räumlich radikal» bezeichnete Gebäude harmonisierend auf die Komplexität der City einwirken und deren Skyline nachhaltig aufwerten.

Städtebauliche Erneuerung

Damit entspricht der Swiss Re Tower ganz den Anforderungen des «London Plan», welcher im Auftrag des für seine Hochhausbegeisterung bekannten Bürgermeisters Ken Livingstone erstellt wurde. Der Plan hält fest, dass die für die Konkurrenzfähigkeit einer globalen Metropole an gewissen Orten nötige städtebauliche Verdichtung unweigerlich zu sehr hohen Häusern führen wird. Deshalb verlangt er für neu zu bewilligende Hochhäuser neben architektonischer Spitzenqualität und Umweltverträglichkeit auch eine sorgsame Integration in die Londoner Skyline, damit die über Generationen gewachsene Stadtlandschaft nicht weiter leidet. Auch wenn es beim Swiss Re Tower wie bei allen Wolkenkratzern um «Macht, Prestige, Status und Ästhetik» geht - wie Anfang 2002 eine «Tall Buildings» betreffende Stellungnahme der Regierung ganz allgemein festhielt -, so erfüllt er doch viele Anforderungen eines zukunftsweisenden Hochhauses und trägt mit seiner Verdichtung in einem durch den öffentlichen Verkehr bestens erschlossenen Gebiet und mit der Schaffung öffentlicher Freiflächen zu der im Regierungsmemorandum geforderten «effizienten Entwicklung» bei.

Ökologisches Hochhaus

Beim Gang durch das Strassengewirr der City verliert man den Swiss Re Tower, der - von der Themse aus gesehen - dank seiner ungewohnten Form allgegenwärtig scheint, schnell aus den Augen. Doch plötzlich schiesst er, gerahmt vom expressiven High-Tech des Lloyds Building, wie eine Rakete in den Himmel. Steht man dann auf der Plaza, so ist die Masse des Gebäudes kaum noch fassbar, da aus der Untersicht betrachtet die geblähte Form des Turms den oberen Teil wegblendet. Trotz diesem angenehmen Effekt mag man kaum glauben, dass es sich bei diesem imposanten Himmelsstürmer um ein «grünes Hochhaus» handelt, und zwar um das erste in London. Gleichwohl können Architekt und Bauherrschaft neben der begrünten Plaza und der Tiefgarage, in der ausser einer beschränkten Zahl von Autoparkplätzen Hunderte von Velo-Einstellplätzen samt Umkleide- und Duschanlagen geschaffen wurden, eine Vielzahl ökologischer Errungenschaften auflisten, die der Stadt zugute kommen und gleichzeitig ein angenehmes Arbeitsklima schaffen.

Zwar ist die Lobby, wohl wegen schweizerisch- britischer Zurückhaltung, etwas gar nüchtern geraten. Doch die hellen, weiten Bürogeschosse gewähren freie Ausblicke über die Stadt. Die mehrschichtige Glasfassade, die individuell verschattet werden kann und dank schuppenartigen Klappfenstern eine natürlich Belüftung erlaubt, reduziert den Energiebedarf für Heizung und Kühlung gegenüber herkömmlichen Glashäusern um gut die Hälfte. Die sich ringförmig um den zentralen Erschliessungskern ausbreitenden Bürogeschosse werden ideal belichtet, weil die wabenförmige Tragkonstruktion an der Fassade nicht nur pfeilerfreie Arbeitsflächen möglich machte, sondern auch die Wegnahme von sechs dreieckigen Spickeln auf jeder Etage und dadurch die Schaffung von jeweils sechs angenehm dimensionierten Büroplattformen erlaubte. Die spickelförmigen Einschnitte werden zu Lichtschneisen, die sich durch eine leichte Drehung der Plattformen spiralförmig nach oben bewegen und dem Turm dank dem Wechsel von klaren und blau getönten Glasflächen eine dynamische, fast tänzerische Erscheinung verleihen. Die Kuppel, in der sich das höchstgelegene private Aussichtsrestaurant der Stadt befindet, überstrahlt nachts nach dem Konzept der Londoner Lichtarchitekten Speirs und Major die City wie ein Leuchtturm.

Als weithin sichtbares Zeichen zeugt der Swiss Re Tower gleichermassen von den ökologischen Ambitionen und der noch immer existierenden Innovationslust schweizerischer Unternehmen. Sollte der architektonische Erfolg der Swiss Re, welche sich spätestens seit ihrem von Meili & Peter neu gestalteten Prachtsitz in der Zürcher Seegemeinde Rüschlikon für wegweisende Baukunst einsetzt, nun auch hierzulande Firmen anspornen, ihre Corporate Identity mit qualitätsvollen Neubauten zu festigen, könnte davon die Allgemeinheit nur profitieren. Ungewiss ist jedoch, ob der harmonisierende Einfluss des Swiss Re Tower auf die Londoner Skyline von Dauer sein wird, weil in der City trotz Terrorangst allenthalben neue und vor allem höhere Bauten entstehen: etwa das Heron Building der New Yorker Kommerzarchitekten Kohn Pedersen Fox, das 183 (und mit der Antenne über 200) Meter hoch in den Himmel wachsen wird, und mehr noch die 217 Meter hohe Stele des Minerva Building von Nicholas Grimshaw, die stadträumlich höchst ungünstig den östlichen Rand der City akzentuieren soll. Diese Konfektionsware wird wohl gegenüber der Haute Couture des Swiss Re Tower blass aussehen. Mit ihm wird sich höchstens die «Glasscherbe» von Renzo Pianos unlängst bewilligtem London Bridge Tower messen können. Der unweit der Tate Modern in Southwark geplanten, spitz zulaufenden Pyramide von über 300 Metern Höhe dürfte es aber kaum gelingen, den Swiss Re Tower formal und ökologisch zu übertrumpfen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.05.07



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06. Mai 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Pariser Glitzerwelten

In jüngster Zeit ist in Paris eine Vielzahl interessanter Interieurs entstanden. Einige dieser Transformationen erregten internationales Aufsehen, allen voran jene des Palais de Tokyo von Lacaton & Vassal. Nun zelebriert Philippe Starck im ehemaligen Stadtpalast von Marie-Laure de Noailles die magische Kristallwelt des Hauses Baccarat.

In jüngster Zeit ist in Paris eine Vielzahl interessanter Interieurs entstanden. Einige dieser Transformationen erregten internationales Aufsehen, allen voran jene des Palais de Tokyo von Lacaton & Vassal. Nun zelebriert Philippe Starck im ehemaligen Stadtpalast von Marie-Laure de Noailles die magische Kristallwelt des Hauses Baccarat.

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15. April 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Rem Koolhaas total

Ausstellungen im NAI und in der Kunsthal Rotterdam

Ausstellungen im NAI und in der Kunsthal Rotterdam

Wer «Content», die grosse Ausstellung des Architekturgurus Rem Koolhaas und seines Rotterdamer Büros OMA in der Neuen Nationalgalerie Berlin (NZZ 20. 11. 03) verpasst hat, dem bietet sich zurzeit Gelegenheit, den Besuch dieser ebenso genialen wie verwirrenden Schau in Rotterdam nachzuholen. Anders als an der Spree, wo Koolhaas die von ihm konstatierten «Mies-takes» der Neuen Nationalgalerie mit seiner chaotischen Installation zu übertönen suchte, durfte er in Rotterdam die Schau in seiner eigenen, von Mies van der Rohe beeinflussten, aber ironisch verfremdeten Kunsthal arrangieren. Mit Erfolg. Denn der in 20 Stationen unterteilte Ausstellungsrundgang wird zu einer schwindelerregenden Reise durch die widersprüchliche Welt des jüngsten, zwischen gebauter Kritik und Kommerzarchitektur schwankenden Œuvre von Koolhaas, seines Büros OMA und seiner städtebaulich-soziologisch tätigen Forschungsabteilung AMO.

Nach dem Projekt für das Universal-Hauptquartier in Los Angeles und mehreren jüngst eröffneten oder der Vollendung entgegengehenden Bauten wie der niederländischen Botschaft in Berlin, der Casa da Musica in Porto und der Stadtbibliothek von Seattle trifft man unvermittelt auf eine Sequenz aus jener «Sex and the City»- Folge, in der Carrie mit ihrem Lover Burger den von Koolhaas kreierten Prada Store in Manhattan besucht. Vom Glamour, der vom Label Koolhaas ausgeht, liess sich selbst Chinas Führung beeindrucken. Soll Koolhaas in Peking doch in ihrem Auftrag einen u-förmig gekrümmten Wolkenkratzer für China Central Television bauen. Am Ende des mit künstlerischen Interventionen aufgelockerten ausstellerischen Wechselbads findet man sich dann in einer Boutique wieder, wo man durch den Erwerb von entsprechend bedruckten T-Shirts oder dem äusserst schrillen Kultbuch «Content» (NZZ 26. 2. 04) die «Koolhaasmania» weiter anheizen kann.

Nach einer Verschnaufpause in Koolhaas' Kunsthal-Restaurant, das (neben dem Café Rotterdam am anderen Maas-Ufer) noch immer eines der angenehmsten Trendlokale Hollands ist, gelangt man durch den vom jung verstorbenen OMA-Wunderkind Yves Brunier gestalteten Museumspark zum Nederlands Architectuurinstituut (NAI). Ergänzend zur Kunsthal-Schau wirft dieses anlässlich von Koolhaas 60. Geburtstag einen Blick auf dessen zwischen 1978 und 1994 entstandenes Frühwerk, und zwar anhand von Zeichnungen, Fotos und Modellen aus den eigenen Beständen. Das NAI konnte nämlich zwischen 1984 und 1994 wichtige Teile von Koolhaas' Archiv erwerben. Deshalb wohl ist in der mit «Start» betitelten und in die Abteilungen «Design Process», «Discovery», «Innovation» und «Masterpieces» gegliederten Schau eine Art Depot eingerichtet, aus dem man sich von Archivaren Unterlagen zu verschiedenen Bauten reichen lassen kann. Im Mittelpunkt dieser Präsentation stehen neben dem noch einem sinnlichen Dekonstruktivismus verpflichteten Nederlands Danstheater in Den Haag und der Kunsthal Rotterdam die nicht realisierten Projekte für das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, die Jussieu-Bibliothek in Paris und das Rotterdamer NAI (das jedoch nach Jo Coenens Plänen erbaut wurde). Diese Arbeiten zeigen, wie sehr Koolhaas den internationalen Architekturdiskurs nun schon seit über 25 Jahren vorantreibt.

[«Content» in der Kunsthal dauert bis zum 29. August, «Start» im NAI bis zum 31. Mai. Katalog: Content. Hrsg. Rem Koolhaas und Brendan McGetrick (englischsprachig). Verlag Taschen, Köln 2004. 544 S., Fr. 19.80.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2004.04.15



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13. April 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gebautes Selbstbewusstsein

In den vergangenen Jahren errichteten bekannte Architekten in Europa, Israel und den USA bedeutende Bauten für jüdische Institutionen. Nun stellt das Joods Historisch Museum in Amsterdam ein gutes Dutzend dieser Gebäude in einer Blütenlese vor.

In den vergangenen Jahren errichteten bekannte Architekten in Europa, Israel und den USA bedeutende Bauten für jüdische Institutionen. Nun stellt das Joods Historisch Museum in Amsterdam ein gutes Dutzend dieser Gebäude in einer Blütenlese vor.

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02. April 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Geduckte Berliner Skyline

Das Beisheim-Center schliesst den Potsdamer Platz

Das Beisheim-Center schliesst den Potsdamer Platz

Der Potsdamer Platz, einst Inbegriff des modernen Berlin, war nach dem Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs und dem Mauerbau weitgehend ausradiert; doch heute verkörpert er in ganz anderer Erscheinung erneut den Mythos der Metropole. Jüngst fand er nun mit der Einweihung des Beisheim-Centers seinen baulichen Abschluss.

Im Jahre 15 nach dem Mauerfall ist das Berliner Baufieber deutlich abgeklungen. Während die vielgeschmähte steinerne Architektur mit den Leibniz-Kolonnaden von Hans Kollhoff in Charlottenburg und mit Frank Gehrys DZ-Bank am Pariser Platz durchaus auch respektable Lösungen hervorgebracht hat, scheint es ungewiss, ob Günter Behnischs Akademiegebäude aus Glas und Stahl das historische Platzgeviert am Brandenburger Tor stärken wird, auch wenn es qualitativ die benachbarte Kulissenarchitektur des Hotels Adlon und vermutlich auch die gegenüberliegende französische Botschaft von Christian de Portzamparc in den Schatten stellen dürfte. Deren Schwäche offenbart sich im Vergleich mit dem Glanzlicht unter all den neuen Berliner Landesvertretungen: der unlängst vollendeten niederländischen Botschaft. Der von Rem Koolhaas konzipierte Bau darf wohl zusammen mit Daniel Libeskinds Jüdischem Museum als Höhepunkt der neuen Hauptstadtarchitektur bezeichnet werden. Neben diesen Einzelwerken ragt als Ensemble der Potsdamer Platz aus dem steinernen Berliner Alltagsgrau heraus. Gross angelegte Medienkampagnen und die inzwischen verschwundene Infobox machten das Ballett der Baukräne auf «Europas grösster Baustelle» zur Touristenattraktion.


Mythos Weltstadt

Die Anziehungskraft des historisch jungen Potsdamer Platzes hat Tradition. Schon in den wilden zwanziger Jahren schwärmten Flaneure und Feuilletonisten vom metropolitanen Flair der «verkehrsreichsten Kreuzung Europas». Mit ihren grossen Hotels, Vergnügungsetablissements und Lichtreklamen war sie das pulsierende Herz der Stadt. Dieses erhielt 1929 mit Erich Mendelsohns sachlich-modernem, durch gekurvte Bandfenster dynamisiertem Columbus-Haus ein zukunftsweisendes Wahrzeichen. Es hätte - nach einem urbanistischen Entwurf der Brüder Luckhardt - zusammen mit seinem südlich der Potsdamer Strasse zu errichtenden Spiegelbild einen 14-stöckigen Turm aus Glas und Stahl rahmen sollen. Doch bald schon erstarrten diese futuristischen Ideen im eisigen Wind der Nazidiktatur. In den fünfziger Jahren musste schliesslich das nach dem Krieg wieder hergerichtete Columbus-Haus zusammen mit anderen baulichen Überbleibseln der Mauer und dem Todesstreifen weichen.

Nach der Wiedervereinigung weckte die riesige Brache zwischen dem Westberliner Kulturforum und der Ostberliner Friedrichstadt als zentral gelegenes Scharnier sogleich die Aufmerksamkeit der Investoren. 1991 wurde ein städtebaulicher Ideenwettbewerb für den Leipziger und den Potsdamer Platz durchgeführt. Das Siegerprojekt von Hilmer & Sattler, das dem vom Senat propagierten Ideal der «Europäischen Stadt» verpflichtet war, sollte - obgleich von Kritik und Architektenschaft stark angefeindet - die Zukunft des neu zu bebauenden Areals bestimmen: Die sechs bis zu vier Hektaren grossen «Filetstücke» am Potsdamer Platz gingen an Grossinvestoren, wobei sich die Daimler-Benz-Tochter Debis gleich deren zwei sicherte. Im Realisierungswettbewerb für das seither dominierende Debis-Areal wurde 1993 der Masterplan von Renzo Piano gekürt, der mit Gassen, Strassen, Plätzen und Blockrandbauten die Vorgaben von Hilmer & Sattler berücksichtigte.

Während auf dem Debis-Areal die im Wettbewerb auf die Plätze verwiesenen Architekten - Kollhoff, Moneo, Rogers und Isozaki - ebenfalls bauen durften, realisierte Helmut Jahn auf der nördlich anschliessenden Tranche für Sony im Alleingang einen amerikanisch anmutenden Geschäfts- und Unterhaltungskomplex aus Stahl und Glas. Bei den von Giorgio Grassi konzipierten Park-Kolonnaden schliesslich, die den Platz nach Süden hin begrenzen, überzeugen vor allem die beiden L-förmig einen Hof umschliessenden Wohnblocks von Roger Diener. Missglückt hingegen ist das prominenteste Gebäude der Kolonnaden: der direkt an den Potsdamer Platz vorstossende Kopfbau von Schweger & Partner, dessen verglaste Rundung an das einstige Haus «Vaterland» erinnern soll. Der 12-geschossige Hochhausstummel hat nun quer über den Platz hinweg mit Kollhoffs 17-geschossigem Delbrück-Haus und dem 18-geschossigen Beisheim-Tower von Hilmer & Sattler ein vornehmes Gegenüber erhalten. Zusammen mit den Debis-Türmen von Piano und Kollhoff sowie Jahns über 100 Meter hohem Sony-Tower bilden sie eine etwas geduckt wirkende Skyline im Herzen der Stadt.


Eine Insel des Konsums

Damit schliessen jetzt - knapp zehn Jahre nach Baubeginn und fünf Jahre nach der Teileröffnung des Debis-Centers - sechs die Spitze der jeweiligen «Tortenstücke» markierende Hochhäuser den Potsdamer Platz halbkreisförmig, während nach Osten hin der Leipziger Platz nur langsam seiner Vollendung entgegengeht. Blickt man vom Nobelhotel Ritz-Carlton, das die ersten elf Etagen des einem amerikanischen Art-déco-Hochhaus nachempfundenen Beisheim-Towers einnimmt, oder aus den darüber liegenden Luxuswohnungen auf den Potsdamer Platz, so schliesst sich dieser zu einem einprägsamen Grossstadtbild. Tagsüber rahmen die Türme aus Stein, Klinker, Terracotta und Glas ein pulsierendes Strassenleben, während nachts die leuchtenden Fassaden als Hauptdarsteller agieren. Hinter ihnen verbirgt sich das neue Quartier, das sich - ursprünglich als Gelenk zwischen Ost und West gedacht - wie eine isolierte Insel des Konsums im innerstädtischen Niemandsland von Tiergarten, Kulturforum und Gleisdreieck ausdehnt.

Obwohl Renzo Piano auf dem Debis-Areal einen Wohnen, Arbeiten und Freizeitvergnügen vereinenden städtischen Kosmos schaffen wollte, ist nicht viel mehr als eine riesige Shopping-Mall mit U- und S-Bahn-Anschluss in einer ebenso zentralen wie isolierten Lage entstanden. Sie wirkt trotz Kinos und Restaurants, Hotel, Musicaltheater und Spielcasino am Abend recht vorstädtisch. Wohl fühlt man sich an der von stattlichen Linden und historischen Randsteinen gefassten Alten Potsdamer Strasse durchaus in einem traditionellen Stadtraum. Doch die überwiegend mit gelboranger Terracotta verkleideten Fassaden erinnern an eine Retortenstadt, auch wenn das 100-jährige Weinhaus Hut als einziger weitgehend erhalten gebliebener historischer Bau und Kollhoffs abgetreppter Klinkerturm Geschichte vorgaukeln. Es sind denn auch diese beiden Bauten, welche der Strasse jene Festigkeit verleihen, die man nur wenige Schritte weiter am Marlene- Dietrich-Platz umso mehr vermisst.

Der mit schrägen Metallplatten camouflierte Doppelbau von Musicaltheater und Casino, dessen mehrfach gebrochene Form auf die dahinter sich verbergende Staatsbibliothek von Hans Scharoun anspielt, möchte die städtebaulich schwierige Situation am Ende der kurzen Alten Potsdamer Strasse zu einer Plaza formen, doch versperrt er den Übergang zum Kulturforum, das man nun nur an einem kleinen See vorbei erreichen kann. In diesem spiegelt sich Pianos gelungenster Bau, die in einem Hochhaus kulminierende Debis-Verwaltungszentrale mit ihrer kathedralartigen Galerie, die sich jenseits einer tristen Stichstrasse in der glasüberdachten Einkaufswelt der «Arkaden» fortsetzt. Hier treffen sich jetzt täglich Zehntausende von Touristen und Berlinern aus Ost und West zum Shopping-Spass, während gleichzeitig die meisten Strassen und Hintergassen des Quartiers veröden. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass man für das ganze Potsdamer-Platz-Viertel nur einen Wohnanteil von 20 Prozent vorgeschrieben hat und nun viele der raren Apartments als temporäre Wohnungen für Firmenmitarbeiter genutzt werden. Dabei gäbe es genügend Platz für Wohnhäuser - im Bereich des locker bebauten Kulturforums ebenso wie auf dem von den Amsterdamer Landschaftsarchitekten Bruno Doedens und Maike van Stiphout geschaffenen Tilla-Durieux- Park, der im Grunde nichts anderes ist als eine künstlich geböschte Rasenskulptur von 450 Metern Länge, die das Debis-Areal städtebaulich wenig sinnvoll von den Park-Kolonnaden trennt.


Luxus im Beisheim-Center

Verglichen mit der Vergnügungswelt des Debis-Areals, dessen Pop-Tech sich zumindest zeitweise zu einem städtischen Raum verdichtet, erscheint das Sony-Quartier wie ein metropolitaner Themenpark, der mit seinen anonymen Fassaden und dem völlig unmotiviert gekurvten Glasturm den Glamour eines amerikanischen Business District zelebriert. Bei Dunkelheit aber herrscht im riesigen Innenhof, der von einer gigantischen, stets die Farbe wechselnden Zeltkonstruktion überfangen ist, ein magisches Halbdunkel, in welchem raffinierte Lichteffekte und Sphärenklänge etwas Surreal-Science-Fiction-Artiges evozieren.

Eine ganz andere Atmosphäre herrscht auf dem jüngst erst eingeweihten, weitgehend nach den 1991 von Hilmer & Sattler erstellten Vorgaben realisierten Lenné-Areal, das von der Gebäudegruppe des nach Otto Beisheim, dem Investor und Gründer der Metro-Handelsgruppe, benannten Beisheim-Centers dominiert wird. Den Eingang ins Quartier markieren die beiden durch platzseitige Ecktürme akzentuierten Blockrandbebauungen des Beisheim-Towers und des Delbrück-Hauses, die mit ihren reich gegliederten Steinfassaden die Tradition des amerikanischen Hochhausbaus fortschreiben. Sie bilden den Auftakt zur kurzen Auguste-Hauschner-Strasse, die sich vor dem im «Chicago-Stil» errichteten Bürohaus von Hilmer & Sattler und dem sich durch eine spektakuläre Lobby auszeichnenden «Marriott» von Bernd Albers zum kleinen Inge-Beisheim-Platz weitet. Danach atmet die von zwei stimmungsvollen Hofgärten gesäumte Strasse etwas vom Geist eines noblen Mailänder Wohnquartiers aus dem frühen 20. Jahrhundert. Dass hier nicht nur prestigebewusste Firmen, sondern auch zahlungskräftige Bewohner einziehen sollen, zeigen neben den Luxusapartments im Beisheim- Tower die nahezu fertiggestellten grossbürgerlichen Eigentumswohnungen in den zehngeschossigen «Parkside Apartments» von David Chipperfield, von denen aus man über die ebenfalls von Doedens und van Stiphout als «Gartenkunstwerk» gestaltete Henriette-Herz-Anlage auf den Tiergarten blickt. Architektonisch weniger interessant als Chipperfields wuchtiger Steinbau, der mit seinen burgartig abgerundeten Ecken entfernt an Mendelsohns Anglo-Palestine-Bank in Jerusalem erinnert, sind die ebenfalls zehnstöckigen, jedoch von zweitrangigen Architekten errichteten «Stadtvillen» mit Wohn- und Bürogeschossen.

So bietet denn der neue Potsdamer Platz die unterschiedlichsten Bilder: vom traditionsbewussten Nobelviertel bei Beisheim über die Futureworld bei Sony und den Jahrmarkt bei Debis bis hin zur rationalistischen Strenge der Park-Kolonnaden. Allen architektonischen und urbanistischen Ungereimtheiten zum Trotz ist hier - gleichsam als Quintessenz von Moderne und Postmoderne - ein interessantes Stück Stadt des frühen 21. Jahrhunderts entstanden, das auf vielfältige Weise immer wichtiger werdende städtebauliche Aspekte wie Entertainment, Shopping und die damit einhergehende Verwandlung der Innenstadt in einen Themenpark, aber auch das Verschwinden des öffentlichen Raums veranschaulicht.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.04.02



verknüpfte Bauwerke
Beisheim Center - Ritz Carlton Tower

20. März 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Dynamische Kurven und sachliche Kuben

Das Werk des aus dem ostpreussischen Allenstein stammenden Architekten Erich Mendelsohn (1887-1953) wurde erst in jüngster Zeit in all seinen Dimensionen wahrgenommen. Grund dafür war nicht zuletzt der durch die Emigration im Jahre 1933 verursachten Karriereknick. Nun zeigt eine Berliner Schau die Vielfalt seines Schaffens.

Das Werk des aus dem ostpreussischen Allenstein stammenden Architekten Erich Mendelsohn (1887-1953) wurde erst in jüngster Zeit in all seinen Dimensionen wahrgenommen. Grund dafür war nicht zuletzt der durch die Emigration im Jahre 1933 verursachten Karriereknick. Nun zeigt eine Berliner Schau die Vielfalt seines Schaffens.

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09. März 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kunstraum als Raumkunst

Friedrich Kiesler als Ausstellungsarchitekt in Venedig

Friedrich Kiesler als Ausstellungsarchitekt in Venedig

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05. März 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Eroberung des Himmels

Am Golf von Arabien entsteht das höchste Haus der Welt

Am Golf von Arabien entsteht das höchste Haus der Welt

Wenn es heute noch ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt - zumal für Architekten - so ist es Dubai. In der Wirtschaftsmetropole der Vereinigten Arabischen Emirate denkt man nicht nur in Superlativen, man baut auch so. Die grössten künstlichen Inseln, die grösste überdachte Wintersportanlage, die grösste Shopping- Mall der Welt - sie alle sind hier im Entstehen. Als Krönung dieser planerischen Megalomanie wagen sich Dubais Investoren nun an eine weitere Etappe auf dem Weg zur ingenieurtechnischen Eroberung des Himmels. Denn obwohl der 11. September 2001 die Grenzen des architektonischen Höhenrausches andeutete, baut man allenthalben munter weiter: etwa auf Taiwan, wo Ende letzten Jahres mit dem 508 Meter hohen Taipeh- Tower das höchste Haus der Welt vollendet wurde. Doch schon Monate zuvor hatte man in Dubai bekannt gemacht, dass mit dem «Burj Dubai» an der Sheikh Zayed Road, der Wolkenkratzermeile der bald eine Million Einwohner zählenden Stadt, ein 560 Meter hoher Bau entstehen solle, der das auf 2007 angekündigte World Financial Center in Schanghai übertreffen und bei seiner Fertigstellung im Jahre 2008 einen neuen Höhenrekord setzten werde.

Um beim Bau dieser neusten architektonischen Identifikationsfigur Arabiens keine Zeit zu verlieren, fragte die Developmentfirma Emaar Properties, die mit dem «Burj al-Arab» und den «Emirates Towers» bereits die höchsten Wolkenkratzer des Orients realisiert hat, in Melbourne an: Dort nämlich hatte der Investor Bruno Grollo mit dem 1995 entwickelten Projekt eines über 500 Meter hohen Wohn- und Büroturms schon Vorarbeit geleistet. Doch scheiterte das hochgemute Projekt schliesslich, so dass die Firma froh war, ihren Entwurf den zukunftsgläubigen Wüstensöhnen anbieten zu können. Allein, die einfach gestrickte, schwerfällige Form des Turms wollte bald nicht mehr befriedigen. Hatte man doch in Dubai erkannt, dass ein einprägsames und unverwechselbares Erscheinungsbild, wie es etwa der schnell populär gewordene «Burj al-Arab» mit seiner Segelform verkörpert, ebenso wichtig ist wie schiere Grösse. Deshalb übergab man im vergangenen Mai den Auftrag den global tätigen Hochhausspezialisten von Skidmore Owings Merrill (SOM), die seit vergangenem Juli auch an Daniel Libeskinds Freedom Tower auf Ground Zero mitplanen, der nun (inklusive Antenne) von 541 auf 610 Meter erhöht wurde.

Der von SOM entworfene «Burj Dubai», der nun rund 650 Meter hoch werden soll (exakte Zahlen erhielt man bisher wohl aus Konkurrenzangst keine), wächst aus einem flachen, leicht pyramidenartigen Sockel, um dann rhythmisch abgestuft immer steiler in die Höhe zu schiessen. Obwohl in Dubai - anders als etwa in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Emirate - Hochhäuser keine arabischen Stilelemente aufweisen müssen, wurde als Vorbild des «Burj Dubai» eine sechsblättrige Wüstenblume gewählt. Die aus der Blumenform resultierenden Einkerbungen im Grund- und Aufriss bewirken nicht nur eine ansprechendere Gestalt, sondern auch eine bessere Belichtung dieser gigantischen, auf rund 1,5 Milliarden Franken veranschlagten «City in the Sky», in der neben Vergnügungseinrichtungen, Geschäften und Büros auch ein Hotel sowie eine Vielzahl von Wohnungen untergebracht werden sollen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.03.05



verknüpfte Bauwerke
Burj Khalifa Dubai

05. März 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zukunftsland im Wüstensand

Wie kaum anderswo auf dieser Welt wird in Dubai, dem boomenden Wirtschaftszentrum der Vereinigten Arabischen Emirate, die Selbstwahrnehmung durch Stadtplanung und Architektur bestimmt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Wüstenstadt am Golf in eine glitzernde Metropole der Superlativen verwandelt.

Wie kaum anderswo auf dieser Welt wird in Dubai, dem boomenden Wirtschaftszentrum der Vereinigten Arabischen Emirate, die Selbstwahrnehmung durch Stadtplanung und Architektur bestimmt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Wüstenstadt am Golf in eine glitzernde Metropole der Superlativen verwandelt.

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05. März 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bergfried über der Bergstadt

Ein Hochhausprojekt von Herzog & de Meuron für Davos

Ein Hochhausprojekt von Herzog & de Meuron für Davos

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02. März 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sehnsucht nach dem Süden

Aspekte italianisierender Architektur in St. Petersburg

Aspekte italianisierender Architektur in St. Petersburg

Ein wichtiges, wenn auch ausserhalb der italienischsprachigen Welt nur wenig beachtetes Ereignis des Veranstaltungsjahres 2003 war die Luganeser Architekturausstellung über die «Maestri italiani e ticinesi nella Russia neoclassica» (NZZ 10. 10. 03). Mit ein Grund für die geringe Resonanz war zweifellos die Tatsache, dass der Katalog zu dieser anspruchsvollen Schau, die nun noch bis zum 18. April in der Eremitage von St. Petersburg gastiert, erst im Dezember erschienen ist. Schon jetzt aber darf diese zweibändige Begleitpublikation dank den grundlegenden Essays von Forschern aus Russland, Italien und dem Tessin sowie dem reichen Abbildungsmaterial als ein Standardwerk zur Architektur des Klassizismus in Russland gelten. Der monumentale Doppelband erlaubt es einem nicht nur, die Schau nochmals Revue passieren zu lassen: Er ermöglicht auch die nötige Vertiefung der in der Ausstellung vor allem visuell vermittelten Inhalte. Obwohl die Spannweite der Katalogbeiträge vom Antikenkult unter Katharina II. und Alexander I. bis hin zu den grossen in St. Petersburg tätigen Architekten und Dekorateuren reicht, kann diese sprudelnde Informationsquelle zur italianisierenden Architektur um 1800 im Zarenreich bei weitem nicht alle Aspekte erschöpfend behandeln. So kommen beispielsweise von dem aus Agno stammenden Tessiner Luigi Rusca nur der palastartige Kasernenbau der Gardekavallerie sowie die unter Alexander I. neu inszenierten Säulenhallen des Taurischen Palais zur Sprache.

Damit lässt die Publikation der weiterführenden Forschung noch viel Spielraum, wie eine von Konstantin Malinowski verfasste Monographie über die während dreier Generationen an der Newa aktive Architektenfamilie Rusca beweist. Im Mittelpunkt der Studie steht der lange Zeit zu Unrecht unterschätzte Klassizist Luigi Rusca (1762-1822), von dem neben den erwähnten Bauten höchstens noch zwei andere Kasernen sowie der tempelartige Rusca-Portikus am Newski Prospekt bekannt waren. Selbst Fachleute hatten bis anhin kaum eine Ahnung davon, dass auch Werke wie das Gartenpalais Mjatlew, die Stadtpaläste Kussow und Iljin, der Palast der vier Kolonnaden, der Sitz des Jesuitenordens, der Bau der Theologischen Fakultät, die Kasaner Brücke sowie bedeutende Interieurs und Möbelentwürfe von Rusca stammten. Mit Malinowskis Arbeit ist zur Aufarbeitung dieses Œuvre, von dem lange nur ein 1810 von Rusca selbst herausgegebenes Stichwerk zeugte, ein wichtiger Schritt getan. Es wäre jedoch zu wünschen, dass früher oder später ein eigentliches Werkverzeichnis nachgereicht werden könnte.


[Konstantin Malinowski: La famiglia Rusca a San Pietroburgo e nei dintorni. Ital. und russ. Ente turistico del Malcantone, Caslano 2003. 240 S., Fr. 20.- (info@malcantone.ch). - Dal mito al progetto. La cultura architettonica dei maestri italiani e ticinesi nella Russia neoclassica. Hrsg. Nicola Navone und Letizia Tedeschi. Archivio del Moderno, Mendrisio 2003. 2 Bde., 453 u. 462 S., Fr. 90.-. - Weiter liegt eine von Präsenz Schweiz herausgegebene CD-ROM (www.stpetersburg2003.ch) vor.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2004.03.02

26. Februar 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Provozierend geniales Chaos

Das neuste Kultbuch des Architekturgurus Rem Koolhaas

Das neuste Kultbuch des Architekturgurus Rem Koolhaas

Er ist wieder einmal allen weit voraus: Während trendbewusste Baukünstler und Designer verzweifelt das monumentale Theorie-Kult-Bilderbuch «SMLXL» zu überbieten suchen, wirft der mit 59 Jahren immer noch jugendlich-unkonventionelle Rem Koolhaas unter dem Titel «Content» schon wieder eine neue Architekturbibel auf den Markt - diesmal im etwas fett geratenen Pocketformat von billigen Lifestyle-Magazinen. Auf dem schrillen Cover des von Simon Brown und Jon Link mit einer provozierenden Collage camouflierten Theoriewerks treffen sich George W. Bush als Exorzist mit Freedom-Narrenkappe, Saddam Hussein als geschminkter Rambo, Kim Jong Il als Terminator und Joschka Fischer als grüner Flaschengeist vor dem von Koolhaas projektierten Pekinger CCTV-Gebäude zur unheiligen Sacra Conversazione. Gleichzeitig verspricht das «Magazin» eine Titelstory über «pervertierte Architektur», kündigt jedoch auch Beiträge über «Slum-Soziologie», «mörderische Ingenieurskunst», «paranoide Technologie», «Big-Brother- Wolkenkratzer» und «Al-Kaida-Fetisch» an. Doch so schlimm, wie der Umschlag droht, kommt es im Innern des Wälzers nicht.


Architektonisch-politischer Diskurs

Immerhin aber wird man von grellen Landkarten, bunten Grafiken und flirrenden Bildern in eine auf den ersten Blick schwindelerregend aggressive Welt gezerrt, in der Architektur zur blossen Dienerin der Macht degradiert zu werden scheint. Wenn dann noch Eyal Weizmann - ausgehend von einer zusammen mit Rafi Segal konzipierten Wanderausstellung - aufzeigt, wie eng Stadtplanung und Kriegsführung etwa im israelisch-palästinensischen Raum verknüpft sind, wundert man sich nicht, dass die in ihrem Tun und ihrem Ethos zwischen «Right Wing Think Tanks» und «Left Wing Action Tanks» taumelnden Architekten Lebensberatung nötig haben, um ihr fragiles Ego wieder aufzumöbeln. Danach werden ihnen ein «Re-Learning from Las Vegas» als frohe Botschaft und «Sex and the City» zur metropolitanen Entspannung angeboten, wohl um sie fit zu machen für die Hölle von «Lagos Life». Nicht anders als in echten Magazinen sind zwischen solch schwere Themen Reklamen eingestreut: bald redaktionell verkappt, wenn es um das Engagement von Koolhaas und seinem OMA-Team für «Prada-yada» geht, bald ganz unverblümt, wenn die orientalisch gekleidete Zürcher Architektin Jasmin Grego verführerisch à la Blade Runner mit dem Gesäusel: «Ein gutes Interior lässt Menschen gut aussehen», für «Architectural Digest» wirbt.

Schön verpackt in diesen bizarren architektonisch-politischen Diskurs, werden die Bauten und Projekte von Koolhaas und OMA gleich dreifach vorgestellt: in einem chronologischen Abriss, einem Miniatur-Werkverzeichnis sowie in Einzelpräsentationen. Hier geht Koolhaas geographisch vor und verortet jede Stätte seines Tuns (nicht immer ganz korrekt) im globalen Koordinatensystem. Auf der geistigen Architekturwanderung von West nach Ost stellt der «Weltbaukünstler» nach seiner Bibliothek in Seattle und den im vergangenen Jahr vollendeten «Mies-takes»-Verbesserungen auf dem Campus des IIT in Chicago die niederländische Botschaft in Berlin vor (deren Einweihung jüngst Anlass war zu einer zwischen Baustelle und Studentenatelier oszillierenden Koolhaas-OMA-Schau, die ab Ende März in erweitertem Kontext in seiner Heimatstadt Rotterdam gastieren wird). Danach träumt der Meister von östlicher Grösse und erläutert seine als futuristische Cities in the Sky inszenierten Entwürfe für ein Hyperbuilding in Bangkok, die Togok Towers in Seoul und den Sitz von China Central Television (CCTV) in Peking. Obwohl Koolhaas um die sicherheitstechnischen, ökologischen und sozialen Probleme der Hochhausarchitektur weiss, setzt er weiterhin auf Wolkenkratzer - aber nicht auf irgendwelche, sondern auf verwegene Himmelsstädte wie aus Science-Fiction-Filmen, welche die Erde nur noch mit Stelzen berühren.

Wie global vernetzt das Bauen heute ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Koolhaas und viele seiner Kollegen vom «Go East» schwärmen, zumal da in Europa immer mehr Rekurse und in den USA immer ungehemmteres Profitstreben die Architektur zu banalisieren drohen. Dabei stört es sie offensichtlich wenig, dass ihre Kreationen an den pazifischen Küsten Asiens bald verwässert, bald zur Verherrlichung politischer Systeme missbraucht werden. Dies gilt nicht zuletzt für China. Doch gerade dieses Land, das nun alles noch schneller und noch grösser bauen will, zieht Koolhaas magisch an. Sein Traum von einer letztlich auf Kosten von Detail, Stimmung und Inhalt gehenden Beschleunigung führte etwa dazu, dass er und OMA sich beim Wettbewerb für das demnächst vollendete Konzerthaus in Porto die Aufgabe stellten: «How to turn a Dutch house into a Portuguese concert hall in under 2 weeks.»


Irritierend-inspirierendes Machwerk

Ein Hauptproblem der Baukunst sieht Koolhaas darin, dass in unserer schnelllebigen Welt Projekte bei ihrer Fertigstellung meist schon veraltet sind. Erst wenn die Architektur, diese «krude Mischung aus uraltem Wissen und zeitgenössischer Praxis», vom Zwang zu bauen befreit wäre, könnte sie - laut Koolhaas - zu einer Disziplin werden, die befähigt wäre, kritisch über alles nachzudenken. Deshalb hat er als Spiegelbild seines praktisch tätigen Büros OMA das AMO- Team zusammengestellt, das in die freien Sphären des Denkens abheben darf. Von dort erhält er jenen Input, der es ihm erlaubt, die Tätigkeit der zwischen dem Diktat der Mode und den Ansprüchen der Investoren schwankenden Architekten immer neu zu hinterfragen. Die Komplexität des Planens und Bauens in einer immer stärker auf soziale und ökologische Verträglichkeit angewiesenen Welt veranschaulichen die 544 Seiten dieser Publikation in einer solchen Dichte, dass man nur staunen kann, wie der vielbeschäftigte Koolhaas es schafft, das von ihm und AMO zusammengetragene Material geistig zu verdauen und darüber hinaus noch in eine publizierbare, wenn auch provozierend chaotische Form zu bringen. Doch dann erinnert man sich daran, dass Koolhaas, der seine Karriere ja als Journalist und Filmer begann, spätestens seit «Delirious New York» ein Faktensammler ist. Das spiegeln auch seine Bauten - allen voran die Kunsthal in Rotterdam, in der er tausend Anregungen zu einem wie immer nicht ganz kohärenten, aber irritierend-inspirierenden Bauwerk vereinigt hat.

Um ein ähnlich anregendes Machwerk handelt es sich bei «Content», das in seiner verwirrenden Gestaltung viel Fun, Anregung und Information bietet, aber auch eine halluzinatorische Fülle von Assoziationen evoziert, aus der sich jeder seine eigene Architekturtheorie destillieren kann. Die jeweiligen Erkenntnisse - und damit rechnet Koolhaas wohl insgeheim - dürften von Atlanta bis Zürich ganz unterschiedlich ausfallen. Damit sind die Zeiten, als Le Corbusiers weisse Kathedralen der Avantgarde noch Richtschnur waren, endgültig vorbei. In seiner theoretischen Uferlosigkeit öffnet «Content» die Schleusen für Junk-Architektur aus Spiegelglas ebenso wie für blubbernde Blob-Monster oder nostalgische Neugotik. Auch wenn der architektonische Vordenker Koolhaas sich seinen Projekten weiterhin mit aufwendigen Analysen nähert, will er mit «Content» wohl eher heterogen-selbstverliebte Bauorgien auslösen als Wege zu einer besseren Architektur weisen - und dies alles einmal mehr in höchst kultverdächtiger Form.


[Content. Hrsg. Rem Koolhaas und Brendan McGetrick (englischsprachig). Verlag Taschen, Köln 2004. 544 S., Fr. 19.80.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2004.02.26

06. Februar 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Flügel über Ground Zero

Santiago Calatravas Projekt für den neuen Umsteigebahnhof in Lower Manhattan

Santiago Calatravas Projekt für den neuen Umsteigebahnhof in Lower Manhattan

Die Terrorattacke vom 11. September 2001 verursachte nicht nur grosses Leid. Durch sie verlor Manhattan auch ein Wahrzeichen und die Hochhausarchitektur ihr minimalistisches Hauptwerk. Ob dafür ebenbürtiger Ersatz geschaffen werden kann, scheint heute ungewisser denn je. Zu widersprüchlich sind die Wünsche von Investoren, Politikern und Hinterbliebenen, als dass die verschiedenen Projekte - Mahnmal, Bürotürme, Grünraum und Verkehrsbauten - zu einem überzeugenden architektonischen Ganzen verschmolzen werden könnten. Der Masterplan von Daniel Libeskind, von vielen als Geniestreich gefeiert, wirkte vor allem durch die Verführungskunst des Modells, das in der Umsetzung - wohl meist durch kommerziell denkende Architekten - viel von seiner Magie einbüssen dürfte. Denn wenn Baukunst und Investoreninteressen aufeinander prallen, kann kaum Grosses entstehen. Das zeigte der Wirbel um den Entwurf des Freedom Tower, den der im Turmbau unerfahrene Libeskind nun in Zusammenarbeit mit dem Hochhausspezialisten David Childs von SOM, der Larry Silversteins Vertrauen geniesst, realisieren muss. Auch beim Mahnmal auf Ground Zero gab es viel Hin und Her. Am Ende eines Wettbewerbs der Superlative wurde schliesslich ein zurückhaltend einfaches, in den Computerbildern durchaus ansprechendes Projekt gekürt. Doch dürfte es dem zuvor gänzlich unbekannten Architekten Michael Arad schwer fallen, diesen unsentimentalen Entwurf durchzusetzen, zumal sein Konzept vom Landschaftsgestalter Peter Walker bereits zum Lieblichen hin verwässert wurde.

So schienen denn bis anhin an Ground Zero alle architektonischen Hoffnungen zu zerschellen. Doch dann kürte die Port Authority in einem Auswahlverfahren für den neuen Umsteigebahnhof mit Santiago Calatrava einen Architekten, in dessen Bauten sich die Aura des Startums mit technischer Virtuosität vereint. Obwohl Calatrava in jüngster Zeit vor allem mit exzentrischen Kulturbauten in Valencia, Milwaukee oder Santa Cruz de Tenerife auf sich aufmerksam machte, sind es (neben den spektakulären Brücken) doch vor allem Bahnhöfe, die seinen Ruf begründeten. Beim Zürcher Bahnhof Stadelhofen, bei den Bahnhofshallen von Luzern und Lyon-Satolas oder den Perronüberdachungen in Lissabon zeigte er, wie durch das Zusammenklingen von Ingenieurskunst und Architektur Verkehrsbauten zu zoomorphen Meisterwerken werden können. Im Entwurf des aus den Tiefen von Ground Zero emporstrebenden WTC-Bahnhofs kann man denn auch ein Insekt mit flirrenden Flügeln oder aber eine weisse Friedenstaube sehen. Unter dieser für Calatrava typischen, formal aber bereits etwas abgenutzten Bauskulptur aus hellem Beton, Stahl und Glas wird sich dereinst eine transparente, sich bei gutem Wetter wie eine Blume öffnende Halle weiten, die all das an Luft, Raum und Klarheit bieten dürfte, was die düster lastende Penn Station den Reisenden verwehrt. Über ein Dutzend U-Bahn-Linien sowie der Path Train nach New Jersey werden an diesem lichten unterirdischen Umsteigebahnhof zusammentreffen und ein gigantisches Nervenzentrum des öffentlichen Verkehrs bilden.

Der in der Meisterung grosser Projekte erfahrene Calatrava dürfte sich in den Monaten bis zum Baubeginn Anfang 2005 mit Unterstützung der als Bauherrin fungierenden Port Authority gegen allfällige Änderungswünsche gewiss besser durchsetzen können als Libeskind, zumal sein Entwurf jüngst von George Pataki und Michael Bloomberg ebenso enthusiastisch begrüsst wurde wie von der Bevölkerung und den Medien (NZZ 24. 1. 04). Damit besteht die Chance, dass auf Ground Zero doch noch ein Werk aus einem Guss entstehen wird: ein tief in die Erde hineinreichender, aber von Tageslicht durchfluteter Verkehrstempel, der nach der Fertigstellung im Jahr 2009 den ihn umgebenden Wolkenkratzern durchaus die Show stehlen könnte. Wohl nicht ganz zu Unrecht: Denn für die Metropolen der Zukunft wird ein attraktiver und effizienter öffentlicher Verkehr immer wichtiger. Und dieser sollte - wie schon einmal im 19. Jahrhundert - durchaus mit imposanten Monumenten auf sich aufmerksam machen können.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2004.02.06



verknüpfte Bauwerke
Ground Zero - Überbau des Fernbahnhofs

15. Januar 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schwebender Stahlkäfig

Im Quartiere Nuovo von Locarno hat der siebzigjährige Tessiner Livio Vacchini mit der von einem Stahlgitter umhüllten «Ferriera» ein Geschäftshaus realisiert, das die Quintessenz seines rationalistischen Neuklassizismus darstellt.

Im Quartiere Nuovo von Locarno hat der siebzigjährige Tessiner Livio Vacchini mit der von einem Stahlgitter umhüllten «Ferriera» ein Geschäftshaus realisiert, das die Quintessenz seines rationalistischen Neuklassizismus darstellt.

In einer Zeit, da die Baukunst sich mit heiteren Fassadenspielereien und bombastischen Inszenierungen um Popularität bemüht, haben Architekten, die sich ernsthaft mit Theorie und Regelwerk befassen, einen schweren Stand. So wundert man sich nicht, dass Livio Vacchinis Bauten vom breiten Publikum kaum wahrgenommen werden, auch wenn sie in der Konsequenz ihrer Ausführung durchaus Emotionen wachrufen können. Diese reichen von der Begeisterung vieler Architekten bis hin zur heftigen Ablehnung jenes wütend gestikulierenden Herrn, der jüngst das neuste Werk des siebzigjährigen Tessiners, das Geschäftshaus «La Ferriera» in Locarno, lautstark als «Orrore della città» beschimpfte. Diese «Eisenkiste» (NZZ 27. 2. 03) verbindet im gründerzeitlichen Quartiere Nuovo mittels einer Galerie die Via Ciseri und die Via Luini.

Mit ihrem alle vier Fassaden umhüllenden Gitterwerk aus braunschwarzem Stahl, bei dem sich Transparenz und Verschleierung die Waage halten, bildet die Ferriera einen in der Höhe halbierten Würfel. Trotz seinem Gewicht von 1200 Tonnen scheint dieser mächtige Metallkäfig über acht gedrungenen Betonpfeilern zu schweben, fast wie Le Corbusiers Pilotis-Bauten. Aufgrund der Massstabslosigkeit will das Auge jedem der elf übereinander liegenden, aus quadratischen Rasteröffnungen bestehenden Fassadenstreifen eine Etage zuordnen. Damit nimmt das in Wahrheit nur sechsgeschossige Gebäude geradezu grossstädtische Dimensionen an - vergleichbar mit Steven Holls unlängst vollendetem Studentenheim in Cambridge, Massachusetts (NZZ 4. 7. 03), das auf den ersten Blick ähnliche Fassaden aufweist. Doch anders als Holls Wohnmaschine verzichtet Vacchinis rigides Geschäftshaus auf liebliche Farbakzente und regelwidrige Durchbrüche.

Metropolitanes Gebäude

Ein halbtransparentes Erdgeschoss und das die Obergeschosse verhüllende Stahlgitter verleihen der Ferriera eine beinahe surreale Erscheinung. Die ebenso abstrakte wie hermetische Gesamtform macht dieses Geschäftshaus - ähnlich wie Vacchinis Postgebäude von 1997 am Eingang von Locarnos Piazza Grande - aber auch zu einem Verwandten von Arne Jacobsens Nationalbank in Kopenhagen. Doch während dessen Bankpalast sich wie ein Tempel über einem massiven Sockel erhebt, interpretiert Vacchini das antike Vorbild anders: Er erklärt die Stadt selbst zum Sockel, placiert das «Säulengeschoss» auf Strassenniveau und ordnet dem Architrav sowie dem Giebel die auf je zwei Pfeilern pro Fassade ruhende Gitterhülle zu, hinter der sich als Gebäudekern eine doppelte, sechs Geschosse in die Höhe strebende «Cella» verbirgt. Erinnern die acht mittig angeordneten Pfeiler und das kassettierte stählerne «Gebälk» der Fassadenhaut an Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin, so stellt die Ferriera insgesamt eine Weiterentwicklung von Mies' Seagram Building in New York dar. Doch während bei diesem eine vorgeblendete Curtain Wall die Tektonik auf der Fassade nachzuzeichnen sucht, wird bei Vacchinis Bau die Konstruktion durch das Raumgitter bewusst verschleiert.

Erst wenn man hinaufschaut in die rund anderthalb Meter tiefe raumhaltige Gebäudehülle, erblickt man Stahlbalken, welche die Geschossebenen des inneren Doppelhauses an das tragende Gitterwerk binden. Diese neuartige, mit dem Chitinpanzer eines Schalentiers vergleichbare Konstruktion befreit den Innenbau vom sonst üblichen Skelett der Stützen und der Pfeiler. Zugleich übernimmt sie als gigantische Sonnenblende die Funktion der Klimahaut und erzeugt mit den dahinter liegenden hellen Wandflächen stets neue Lichteffekte: von bleiernem Schwarz bis zu lichtem Stahlblau. Dieser Wechsel sorgt für eine Dynamik, welche die Fassaden, wie Vacchini begeistert festhält, bald «männlich stark», bald «weiblich empfangend» erscheinen lässt, was dem kompromisslosen Bau eine humane Dimension verleiht. Auf das Chaos des vom Boom der letzten Jahrzehnte geschundenen Quartiere Nuovo kann er so - im Dialog mit dem spätklassizistischen Palazzo del Pretorio von Ferdinando Bernasconi - klärend und festigend einwirken.

Von Nizza nach Locarno

Ausgangspunkt der in architektonischer und städtebaulicher Hinsicht wichtigen, mit Gesamtkosten von rund 25 Millionen Franken aber vergleichsweise preisgünstigen Ferriera war ein Wettbewerbsprojekt, das Vacchini zusammen mit Silvia Gmür Ende der neunziger Jahre für das neue Rathaus von Nizza konzipiert hatte. Es sollte aus zwei von Gitterhüllen aus Beton umfassten Würfeln von je 50 Metern Seitenlänge bestehen. Die Perle der Côte d'Azur hätte mit diesen minimalistischen Zwillingskuben, zu denen noch eine quadratische Wasserfläche und ein Palmenhain gekommen wären, eine wegweisende Architektur erhalten. Doch scheiterte Vacchinis rigorose Vision am Kleinmut der Jury.

Kurz nach dem niederschmetternden Juryentscheid sprach dann Mitte 2000 die Rentenanstalt Swiss Life bei Vacchini wegen des Grundstücks an der Via Luini in Locarno vor, für das er Ende der achtziger Jahre einen Entwurf erarbeitet hatte. Im Laufe der Verhandlungen vermochte Vacchini die Bauherrschaft für ein neues Projekt zu begeistern, in welchem er die zentrale Idee von Nizza weiterentwickelte. In Rekordzeit entstand daraufhin - nicht zuletzt dank dem Einsatz vorgefertigter Stahlelemente - der allansichtige Halbkubus der Ferriera, deren rationalistischer Klassizismus sich etwa in den Proportionen von 20×35×50 Metern oder in dem von zwei Symmetrieachsen dominierten Grundriss zeigt. Hinter der dunklen Gebäudehülle, die mit ihren leeren Öffnungen und den verdichteten Ecklösungen an Palladios Basilica in Vicenza denken lässt, verbergen sich zwei fünfstöckige Längsbauten, die durch eine überdachte, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Einkaufsgalerie voneinander getrennt sind. Als Antithese zur Shopping-Mall stellt die Galleria - wie der Bau ganz allgemein - ein Bekenntnis zur mediterranen Stadt dar, die den suburbanen Idealen eines Rem Koolhaas diametral entgegensteht.

Der Klarheit von Vacchinis Architektur entsprechend, beruhen die beiden den Nukleus des Gebäudes bildenden Innenbauten auf einem einfachen Plan: An den zur Galerie hin orientierten Ecken der beiden spiegelverkehrt identischen Baukörper sind zur konstruktiven Versteifung des Gebäudes vier Treppentürme mit Lifts und Nasszellen angeordnet. Dazwischen spannt sich auf jeder Etage ein völlig stützenloser und daher frei unterteilbarer loftartiger Grossraum von rund 50×13 Metern. Da die Wände (ausser an den durch die Erschliessungszonen markierten Ecken) verglast sind, öffnet sich ein weiter Rundblick auf Stadt, See und Gebirge, der durch das aussen vorgesetzte Gitterwerk gefiltert wird. Dadurch stellt sich in den Grossraumbüros ein Mansardeneffekt ein, der Vacchinis Idee einer Tragkonstruktion in Form eines abstrahierten «Tempelgebälks» auch innen spürbar macht.

Quintessenz von Vacchinis Schaffen

Mit dem logisch aus der Tradition hergeleiteten, sich zum dreidimensionalen «Ornament» verdichtenden Stahlgitter, aus dem man den ganzen Bau herleiten kann, stellt die Ferriera (deren Wurzeln zurückreichen bis zum 1965 in Bellinzona realisierten Bürohaus Fabrizia) die Quintessenz von Vacchinis Theorie und Praxis dar. Trotz seiner klassischen Rationalität wirkt dieser Geschäftstempel weder monumental noch einschüchternd. Vielmehr sorgen die mit viel Sensibilität gemeisterten Proportionen für eine Poesie des Minimalen - etwa bei dem als Reverenz an die Arkaden der Piazza Grande interpretierbaren, exakt nach Le Corbusiers Modulor proportionierten «Portikus» mit seinen acht leicht abgeschrägten Pfeilern. Vacchini hat mit diesem geschichtsbewussten Bau einen ebenso wichtigen wie innovativen Beitrag zur zeitgenössischen Geschäftshausarchitektur geleistet, die hierzulande seit langem kaum mehr mit interessanten Neuerungen aufwarten konnte.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2004.01.15



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Ferriera

07. Januar 2004Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Noblesse der Gründerzeit

Ein Bildband zur Ringstrassenarchitektur in Wien

Ein Bildband zur Ringstrassenarchitektur in Wien

Wien ist eine Stadt des 19. Jahrhunderts - noch heute und trotz seinem weit grösseren Erbe. Das demonstriert die Donaumetropole seit nunmehr 25 Jahren mit den Neujahrskonzerten. Doch die beschwingten Walzer sind nur ein sinnlich wahrnehmbarer Aspekt dieser Epoche. Ein anderer ist die Baukunst. Im spätklassizistischen Goldenen Saal des Musikvereins von Theophil Hansen gibt sie den heiteren Klängen erst Raum und Halt. Mit diesem Meisterwerk der Architektur der Gründerzeit schuf der gebürtige Däne das vielleicht nobelste Gebäude der Wiener Ringstrassenarchitektur. Zu deren Schönheit hatte er schon zuvor mit seinen palastartigen und doch antikisch einfachen Zinshäusern für den wohlhabenden Bürgerstand beigetragen. Später adelte er den Strassenzug, der nach einem Erlass von Kaiser Franz Joseph I. anstelle der einstigen Basteien als vier Kilometer langer Ring um Wiens Innenstadt gezogen wurde, mit den Tempelhallen des Parlamentsgebäudes. Diesen griechisch inspirierten Bauten des späteren Mentors von Otto Wagner antworten die neugotischen Interpretationen der Votivkirche von Heinrich Ferstel und des Rathauses von Friedrich Schmidt, die dem Rundbogenstil verpflichtete Oper von Eduard von der Nüll und August von Siccardsburg, vor allem aber die barock übersteigerte Neurenaissance des Kunst- und Naturhistorischen Museums, des Burgtheaters und der Neuen Hofburg, die Carl Hasenauer zusammen mit Gottfried Semper kreierte.

Obwohl in den Dekaden zwischen 1860 und 1890 an der Ringstrasse Hunderte von Palästen, Mietshäusern, Hotels, Verwaltungs- und Regierungsbauten, Hochschulen, Museen und Theater zum weltweit wohl grössten historistischen Ensemble vereint wurden, scheint nach den damaligen Aufnahmen die neue Stadt gleichsam über Nacht entstanden zu sein: Keine Baustelle trübt die Ansicht der Prachtsbauten. Einen Eindruck dieser architektonischen Perlenkette vermittelt nun ein Bildband mit Fotos aus der Entstehungszeit der lange in ihrem Wert unterschätzten Gebäude, die glücklicherweise dennoch aus dem Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs in neuem Glanz erstehen durften. Die gut ausgewählten Bilder geben nicht nur die Bauten in ihrem ursprünglichen Zustand wieder, sondern veranschaulichen auch eine frühe Zeit der Architekturfotografie: So lassen sich die bereits sehr unterschiedlichen Sichtweisen von Fotografen wie Victor Angerer, Carl Haack, Wilhelm Kral, August Stauda und Charles Scolik ausmachen.

Der eigentliche Meister aber war Michael Frankenstein (1843-1918), der seit 1870 in seinen sachlich präzisen Aufnahmen den exakt ins Zentrum gerückten Bauten eine unmittelbare, modern anmutende Präsenz verlieh. Der attraktive Bilderreigen wird abgerundet durch einen Überblick über die Architekten der Ringstrasse, durch das «Handbillet an Innenminister Bach», mit dem Kaiser Franz Joseph I. im Jahre 1857 seinen Willen zur Schaffung der Ringstrasse kundtat, durch Otto Wagners Würdigung der gründerzeitlichen Wiener Architektur sowie durch einen 1935 in der «Neuen Freien Presse» veröffentlichten Artikel, in welchem der Architekt Leopold Bauer die von der damaligen Avantgarde abgelehnte Ringstrasse städtebaulich und baukünstlerisch zu rehabilitieren sucht.


[Die Architektur der Wiener Ringstrasse. 1860-1900. Hrsg. Markus Kristan. Album-Verlag, Wien 2003. 119 S., Fr. 63.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2004.01.07

23. Dezember 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonisches Abendmahl

Ausstellung Giraudi & Wettstein in Como

Ausstellung Giraudi & Wettstein in Como

Ein von acht Lampen erhellter, langer Tisch leuchtet geheimnisvoll durch die grosse Vitrine, die den Eingang zur Kirche des ehemaligen Klosters von Santa Caterina an der Via Borgo Vico in Como einnimmt. Das 1634 geweihte Gotteshaus diente nach der Profanierung als Seminar sowie als Warenlager und verkam schliesslich nach einem Brand im 20. Jahrhundert zur Ruine. Nach einer sorgfältigen Intervention der jungen Architekten Paolo Brambilla aus Como und Elisabetta Orsini aus Mailand bildet es heute mit seinem rohen Ziegelwerk und den barocken Freskenresten die stimmungsvolle Hülle des Borgovico 33 genannten Kulturraums, der seit der Eröffnung mit einer dem grossen einheimischen Architekten Giuseppe Terragni gewidmeten Fotoausstellung von Pino Musi im Frühling 2002 nun die fünfte Schau zeigt. Diese gilt dem Schaffen von Sandra Giraudi und Felix Wettstein.

Die beiden 41-jährigen Luganeser Architekten machten sich einen Namen mit dem vor einem Jahr vollendeten gläsernen Informatikgebäude auf dem Universitätscampus Lugano und der zusammen mit Cruz & Ortiz aus Sevilla realisierten Passerelle des Basler SBB-Bahnhofs. War es in Lugano und Basel das Prinzip der Schichtung, aus dem - unter Berücksichtigung des städtebaulichen Kontextes - ganz unterschiedliche Lösungen resultierten, so verleihen Addition und Subtraktion von Volumen der Casa di Paola in Cadro eine an Alvaro Siza erinnernde skulpturale Präsenz. Diese Entwurfsstrategie führte beim Papier gebliebenen Doppelprojekt für ein Gotthardtunnel-Informationszentrum in Pollegio und Erstfeld zu einer sprechenden Architektur zwischen Teleskop und Dinosaurier, während die in der Tradition der Moderne konzipierte Parksiedlung Nocc in Gentilino mit Anklängen an die klassische italienische Gartenbaukunst überrascht.

In Como werden diese Arbeiten zusammen mit drei weiteren Projekten in einer ebenso einfachen wie überzeugenden Installation präsentiert. Ein Tisch mit acht Hockern lädt zum architektonischen Abendmahl: Die Pläne und Fotos sind auf zwei weisse Tischtücher aufgedruckt, zwischen denen - auf einem knallorangefarbenen Mittelstreifen - fünf schwarze Modelle stehen. Eine Diaschau rundet die von einem kleinen Katalog begleitete Ausstellung ab.


[Bis 18. Januar jeweils donnerstags bis sonntags von 17 bis 20 Uhr (Weihnachtstag und Neujahr ausgenommen). Katalog: Giraudi & Wettstein. Hrsg. Associazione Culturale Borgovico 33. Gabriele Capelli Editore, Mendrisio 2003. 48 S., Fr. 26.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.12.23

05. Dezember 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Faszination der Farbe

Der Münchner Architekt Otto Steidle als Baukünstler und Städteplaner

Der Münchner Architekt Otto Steidle als Baukünstler und Städteplaner

Nicht nur bei Schweizer Architekten wie Burkhalter und Sumi oder Gigon Guyer ist Farbe in der Baukunst ein Thema. Auch das Schaffen einiger der wichtigsten deutschen Büros zeichnet sich durch einen Hang zur Farbigkeit aus. So suchen die in Berlin tätigen Architekten Sauerbruch Hutton in ihren Bauten die Tradition eines Bruno Taut mit experimentellen und ökologischen Aspekten zu vereinen. Der Münchner Otto Steidle hingegen vertraut der Verführungskunst einer Architektur, die aus dem Widerspruch von bunt schillernden Fassaden und klaren Volumen resultiert. Obwohl man Steidles heutige Liebe zur farbigen Fassade wohl auch aus dem Münchner Kontext heraus erklären könnte, ist sie doch das Resultat einer jahrzehntelangen Annäherung. Bei seiner ersten Arbeit, der Wohnsiedlung an der Genter Strasse in München, die ihn 1972 bekannt machte, stand noch der strukturelle Ansatz im Mittelpunkt der Recherche, während die Farbe höchstens unterschwellig zum Zuge kam. Eine Dekade später, beim Projekt für die Documenta urbana in Kassel, beschäftigte ihn der postmoderne Zeitgeist. Gemeinsam mit Kiessler und Schweger gelang ihm dann Anfang der neunziger Jahre mit dem Verlagshaus Gruner und Jahr in Hamburg ein einprägsamer Baukomplex, auf den sich die Hochglanzmagazine begierig stürzten. Mit seinen grauen Fassaden und den beinahe expressiv zur Schau gestellten konstruktiven Teilen entspricht dieser Bau einem gemässigten Hightech. Sein immer noch strukturalistisch verflochtener, von den alten Parzellen abgeleiteter Grundriss aber generiert eine urbanistische Abfolge interner Wege, Passerellen und Höfe.

Diese Stadtplanung «en miniature» verband Steidle in seinem Entwurf für den Potsdamer Platz mit der Blockrandstruktur des 19. Jahrhunderts, um schliesslich bei seinem bisher wichtigsten städtebaulichen Projekt, der Neugestaltung des einstigen Münchner Messegeländes auf der Theresienhöhe, zu einem freien Spiel von Block, Zeile und Punkthaus zu finden, bei dem nun der zuvor in Ulm und Wien erprobten Farbigkeit ein ganz zentraler Stellenwert zukommt. Zu diesem gemischt genutzten, aus Geschäftshäusern und Wohnanlagen mit insgesamt 1600 Apartments bestehenden Quartier steuerte Steidle unter anderem das KPMG-Verwaltungsgebäude bei, dessen Fassadenraster effektvoll mit buntem Klinker verkleidet ist, sowie das in Orange und Gelb gehaltene Hochhaus - einen Wohnbau, der mit seinen Erkern und weit ausladenden Balkonen an zeitgenössische holländische Bauten erinnert. Noch plakativer eingefärbt als dieser Turm sind die einfachen Baukörper einer von den Grundrissen chinesischer Hofhäuser ausgehenden Siedlung in Peking, die eben erst nach kürzester Planungs- und Bauzeit fertig gestellt wurde. Den gut zehngeschossigen Wohnblöcken gibt neben der Farbigkeit eine fast pittoresk anmutende Verschachtelung Halt in der Anonymität der Vorstadt.

Eine zum 60. Geburtstag von Otto Steidle in der Architekturabteilung der Pinakothek der Moderne in München präsentierte Ausstellung zeigt nun, wie Steidle - gleichsam als Antipode des von Suburbia und Beschleunigung begeisterten Stadt-Chaoten Rem Koolhaas - die kontinuierlich gewachsene Stadt auf eine subtile, konservative Weise weiterdenkt, indem er auf die Wechselwirkung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit setzt. Die Schau verdeutlicht ausserdem, wie sorgfältig sich Steidle auch mit der Ausstrahlung seiner oft in Zusammenarbeit mit dem Berliner Künstler Erich Wiesner konzipierten, «nicht nur in der Oberfläche, sondern im Wesen» eingefärbten Architekturen befasst. So verlieh er der Ludwig-Erhard-Strasse, einer monotonen Hamburger Stadtschneise, deren einziger Akzent zuvor die wiederaufgebaute Barockkirche von St. Michaelis war, eine neue Fassung: Wird doch das neue «Michaelis-Quartier» zur Durchgangsstrasse hin abgegrenzt durch eine städtebaulich differenzierte Baugruppe mit pixelartig aufgelöster Farbfassade, als deren Ausgangspunkt eine Grafik von Blinky Palermo diente. Im jüngst vollendeten Alfred- Wegener-Institut in den von Schuppen und Hallen geprägten Docks von Bremerhaven fand Steidle wieder zurück zu einem strukturalistisch anmutenden Grundriss. Hinter den mit einem geometrischen Muster aus schwarzem und weissem Klinker überzogenen Fassaden öffnen sich gelbe und grüne Hofräume, über die in den gleichen Farben gehaltene «Türme» hinausragen.

Steidles ständig sich wandelnder architektonischer Kosmos wird in München in der - bei Architekturausstellungen beliebten - Form eines Studios mit Tischen voller Arbeitsmodelle und Wänden voller Fotos und Pläne veranschaulicht. So erhält ein Œuvre Konturen, das zwar nur selten über den guten Durchschnitt hinausragt, aber mit seiner soliden Qualität der Stadt das gibt, was sie in erster Linie braucht: urbanistische und architektonische Substanz als Humus, aus dem heraus dann ab und zu ein extravagantes Meisterwerk wachsen kann.


[Bis 15. Februar. Katalog: Otto Steidle. Land, Stadt, Haus. Hrsg. Winfried Nerdinger. Architekturmuseum der Technischen Universität München, 2003. 108 S., Euro 21.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.12.05



verknüpfte Bauwerke
Theresienhöhe / Alte Messe

05. Dezember 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Szenen und Netzwerke

Die von den 68er Unruhen ausgelösten Gärungsprozesse, die bald darauf folgende Ölkrise und der damit verbundene Wachstumsschock sowie die Kritik an einem vor allem wirtschaftlichen Kriterien gehorchenden spekulativen Bauen führten in den siebziger Jahren an den Hochschulen und in Kreisen junger Architekten zu einer Verweigerungshaltung, welche die Lust am theoretischen Hinterfragen der Baukunst weckte.

Die von den 68er Unruhen ausgelösten Gärungsprozesse, die bald darauf folgende Ölkrise und der damit verbundene Wachstumsschock sowie die Kritik an einem vor allem wirtschaftlichen Kriterien gehorchenden spekulativen Bauen führten in den siebziger Jahren an den Hochschulen und in Kreisen junger Architekten zu einer Verweigerungshaltung, welche die Lust am theoretischen Hinterfragen der Baukunst weckte.

Dieses Extrem wurde in den letzten zwei Dekaden abgelöst vom eher populär ausgerichteten Schaffen von «Stararchitekten», die vor allem auf den Erfolg schielten. Heute führt der verbreitete Wunsch nach spektakulären Bauwerken zusammen mit einem eingeladene Berühmtheiten favorisierenden Wettbewerbssystem dazu, dass sich junge Architekten kaum noch durchsetzen können. Gleichzeitig werden an den Hochschulen mehr Architektinnen und Architekten denn je ausgebildet. Diese wählen nun aber nicht mehr die Flucht in die praxiskritische Theorie, sondern in eine oft betont hedonistische Diskussionskultur. Den neusten Tendenzen dieser «Off- Architektur» spürt nun das jüngste Doppelheft der deutschen Architekturzeitschrift «Archplus» unter den hippen Titeln «Szenen» und «Netzwerke» nach. Im ersten Heft wird anhand von Beispielen aus Berlin, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart dargestellt, wie sich «lose Arbeitsgemeinschaften» bilden, aus denen durch die Öffnung der Büros, die mediale Vermittlung eines vermehrt prozessual ausgerichteten Entwurfs und die Einbeziehung des interessierten Publikums neue Szenen entstehen. Das zweite Heft präsentiert anschliessend Beispiele dieser «Netzwerkkultur», die «im Off beginnt (. . .) und sich durch die Abkehr von der Egomanie der Vätergeneration auszeichnet». Dabei werden Zusammenschlüsse wie das «raumlabor.berlin» oder das Office for Subversive Architecture (OSA), aber auch Kleinbauten wie das mobile Atelierhaus «Cocobello» oder das Jugendzentrum «Roter Drachen» in München vorgestellt sowie ein Blick auf die neue Zeitschrift «An Architektur» (NZZ 13. 8. 03) geworfen.

[«Archplus»: Off-Architektur 1 (Szenen) und 2 (Netzwerke). Nr. 166 und 167. Berlin, Oktober 2003. Pro Heft Euro 14.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.12.05

02. Dezember 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Paradiese

Schatten über zwei Meisterwerken der Moderne

Schatten über zwei Meisterwerken der Moderne

Der Grossraum Los Angeles besitzt eine Vielzahl von Meisterwerken der Villenarchitektur. Doch während man von Frank Gehrys spektakulärer Disney Hall neue städtische Impulse erhofft, ziehen Schatten über zwei Ikonen der Moderne auf: Frank Lloyd Wrights Hollyhock House und Rudolf Schindlers Bungalow in West Hollywood.

Für seine gebauten Extravaganzen ist Los Angeles bekannt. So besitzt Downtown nicht nur bizarre Kinopaläste, sondern mit Public Library und City Hall zwei Art-déco-Wahrzeichen, auf die andere Städte stolz wären. Doch erst das von Richard Meier wie eine neue Alhambra auf den Hügeln von Brentwood errichtete Getty Center, die neue Kathedrale von Rafael Moneo, vor allem aber die wogende Stahlskulptur von Frank Gehrys Disney Hall konnten den Angelenos die Gewissheit geben, dass ihre Stadt nun auch architektonisch erwachsen ist. Dabei besitzt der Grossraum Los Angeles seit langem eine Vielzahl wegweisender Villen - vom Gamble House der Arts- and-Craft-Architekten Green and Green über die Bauten Irving Gills und Richard Neutras Lovell- Haus bis hin zu den Case Study Houses von Charles und Ray Eames oder Pierre Koenig. Die bedeutendste Wohnarchitektur der südkalifornischen Metropole aber ist das Hollyhock House - eine Mischung aus Villa, Heiligtum und Kulturbezirk. Diesen magischen, zwischen aztekischen, ostasiatischen und modernen Formen oszillierenden Baukomplex liess Aline Barnsdall, die Tochter eines Ölmagnaten aus Pennsylvanien, ab 1917 auf Olive Hill errichten - und zwar von keinem Geringeren als Frank Lloyd Wright.


Eine Akropolis der Kunst

Die Anlage, die ursprünglich neben der Villa und zwei ebenfalls realisierten Gästehäusern auch ein Theater, ein Kino sowie Schauspielerunterkünfte hätte umfassen sollen, markiert die Wende Wrights vom offenen Präriestil hin zu einer monumentalen, nach innen gerichteten Architektur. Da sich der Meister damals aber ganz auf das Imperial-Hotel-Projekt in Tokio konzentrierte, überwachte sein junger Mitarbeiter Rudolf Schindler die Entstehung dieser «Californian Romanza», die sich bald schon höchst pittoresk auf der Kuppe von Olive Hill erheben sollte. Doch nicht einmal die prachtvolle Aussicht über Stadt und Berge konnte es verhindern, dass Aline Barnsdall sich auf ihrem Musenhügel unwohl fühlte, das Kulturprojekt abbrach und 1927 das Hollyhock House samt weitläufiger Parkanlage der Stadt schenkte: mit der Auflage, daraus einen Kulturbezirk zu machen.

Das Geschenk war ebenso wertvoll wie der Unterhalt aufwendig. Zwar liess die Stadt ein formal Wrights kalifornischen Werken nachempfundenes Municipal Art Center mit Galerie und Theater errichten, vermietete aber mit dem Hollyhock House das eigentliche Juwel an kulturelle Institutionen, welche das von Wright und Schindler ausgestattete Innere veränderten. Mitte der siebziger und Ende der achtziger Jahre wurden dann Restaurierungsarbeiten durchgeführt, die Interieurs und Möbel zum Teil rekonstruiert und das Haus Besuchern geöffnet. Doch nach dem Northridge-Erdbeben schloss man das in Mitleidenschaft gezogene Haus; und der lange schon vernachlässigte Park wurde zum Refugium für Obdachlose. Erst im September 2001 machte sich die Stadt an die fast 20 Millionen Dollar teure Sanierung der Grünanlagen: Am Nordhang mit dem Traumblick auf die Hollywood Hills wurden wieder Olivenhaine und auf dem Hochplateau zwischen Hollyhock House und Municipal Art Gallery ein Pinienwäldchen angepflanzt.

Doch auch nach der Wiedereröffnung von Olive Hill im letzten Mai bleibt das Hollyhock House geschlossen. Zwar wurden die schlimmsten Erdbebenschäden saniert; das Gebäude aber zeigt sich weiterhin in einem verwitterten Zustand, der eines Baudenkmals von Weltrang nicht würdig ist. Wann die auf zusätzliche 20 Millionen Dollar geschätzte Restaurierung in Angriff genommen werden kann, bleibt ungewiss. Sicher hingegen ist, dass sich die architektonisch und kulturhistorisch bedeutende Anlage zusammen mit einem noch zu bauenden Aussichtsrestaurant sowie dem Museum, das man anspruchsvoll (und nicht nur mit der improvisiert wirkenden Hollyhock-House- Show) bespielen könnte, in ein erstrangiges Ausflugsziel verwandeln liesse.

Wie wichtig eine besucherfreundliche Infrastruktur ist, zeigt das Beispiel des Bungalows, den Rudolf Schindler 1922, während er auf Olive Hill arbeitete, in Fertigbauweise als Doppelhaus mit gemeinsamer Küche, aber individuellen Gartenhöfen in West Hollywood realisierte. Obwohl das einst wohl als Antithese zum gravitätischen Hollyhock House gedachte, mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Experimentalhaus öffentlich zugänglich ist, wird es höchstens von Architekturliebhabern besucht, weil es ausser einem Bookshop und gelegentlichen Ausstellungen nur leere Räume bietet. Gleichwohl rückte das Schindler- Haus jüngst ins Rampenlicht. Dies, weil der Investor Richard Loring auf dem Nachbargrundstück an der einst von Villen gesäumten Kings Road ein grosses Apartmenthaus erstellen möchte. Zum Widerstand gegen das Vorhaben rief nun das Museum für angewandte Kunst in Wien (MAK) auf, welches sich seit 1995 am Betrieb des Schindler-Hauses beteiligt. MAK-Direktor Peter Noever sprach sogar davon, dass «Schindler's Paradise» zum isolierten Museumsstück degradiert werde, wenn man den Kontext zerstöre.


Ideenwettbewerb

Dieser Sicht kann man entgegenhalten, dass das Haus schon jetzt von Wohnblocks bedrängt und seine Nutzung längst museal sei. Dennoch trifft es zu, dass die stimmungsvollen Gartenhöfe durch ein aufdringliches Gegenüber ihren Charakter verlieren würden. Um dem Bauprojekt eine konstruktive Alternative entgegenzustellen, lud Noever zwanzig teils international bekannte, teils junge regionale Büros zu einem Ideenwettbewerb ein. Von Coop Himmelb(l)au über Zaha Hadid bis Eric Owen Moss wurden meist dekonstruktivistische Vorschläge unterbreitet, die - trotz architektonischer Qualität - das Schindler-Haus nicht weniger einengen würden. Die Projekte, von denen man am ehesten Peter Eisenmans Vision eines wie durch ein Erdbeben geborstenen und vom Terrain halbwegs verschluckten Flachbaus realisiert sehen möchte, werden zurzeit mittels Plänen, Computerbildern und Modellen im Schindler-Haus zur Diskussion gestellt. Auch wenn sich dadurch Loring kaum zum Umdenken bewegen lassen dürfte, so wird vom Engagement des MAK zumindest ein Katalog bleiben, der demnächst erscheinen soll.


[Die Ausstellung im Schindler-Haus dauert bis zum 7. Dezember. Angekündigter Katalog: Architectural Resistance: Contemporary Architects Face Schindler Today. Hrsg. Peter Noever. Verlag Hatje Cantz, Ostfildern 2003. 120 S., Fr. 42.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.12.02

22. November 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Glitzernde Katakomben für kostbare Bücher

Mit ihren kostbaren Handschriften und Erstausgaben von der altägyptischen Zeit bis ins 20. Jahrhundert gilt die Fondation Martin Bodmer in Cologny bei Genf als eine der bedeutendsten Privatbibliotheken überhaupt. Nun hat ihr der Tessiner Architekt Mario Botta ein Museum gebaut, das sich sorgsam in das bestehende Bauensemble einfügt.

Mit ihren kostbaren Handschriften und Erstausgaben von der altägyptischen Zeit bis ins 20. Jahrhundert gilt die Fondation Martin Bodmer in Cologny bei Genf als eine der bedeutendsten Privatbibliotheken überhaupt. Nun hat ihr der Tessiner Architekt Mario Botta ein Museum gebaut, das sich sorgsam in das bestehende Bauensemble einfügt.

Neue Kulturbauten sind in den vergangenen Jahren immer mehr zu Spielwiesen architektonischer Eitelkeiten geworden, die Institutionen und Baukünstlern gleichermassen als Visitenkarten dienen. Mit der Watari-um-Galerie in Tokio, dem MoMA in San Francisco oder dem Tinguely- Museum in Basel, aber auch mit einer stolzen Gruppe von Sakralbauten beteiligte sich Mario Botta tatkräftig an dieser Entwicklung. Doch gleichzeitig hat er immer wieder kleine, stille Werke ausgeführt, bei denen die Verführungskunst der Fassaden gegenüber dem Inhalt zurücktreten musste. Das Centre Dürrenmatt in Neuenburg oder die im Entstehen begriffene Architekturbibliothek von Werner Oechslin in Einsiedeln sind ebenso Beispiele dafür wie das neue Museum der Fondation Martin Bodmer in Cologny bei Genf, das heute eröffnet wird. Tritt man durch das schmiedeiserne Tor an der Route du Guignard in den kleinen, von zwei neubarocken Pavillons gerahmten Ehrenhof, so öffnet sich dem Auge eine fast mediterran anmutende, von Zypressen und Rebpergolen akzentuierte Sicht auf den Genfersee und die Kalkriffe der Jurakette. Erst auf den zweiten Blick nimmt man, geblendet von diesem klassischen Panorama, eine zeitgenössische Intervention wahr: einen mit feinen weissen und grauen Bändern aus Marmor und Granit gestreiften Bodenbelag, in dessen Mitte fünf Glasstelen eine Symmetrieachse bilden. Diese zum Fussboden gewordene «Botta-Fassade» ist zunächst das einzige sichtbare Zeichen des halbwegs unterirdisch angelegen Museumsneubaus.


Humanistisch geprägtes Sammeln

Schon vor Bottas Neubau nutzte die Biblioteca Bodmeriana einen etwas beengten Saal, der die Pavillons unterirdisch miteinander verband, für Ausstellungen. Diese Anlage hatte Martin Bodmer (1899-1971) nach dem Zweiten Weltkrieg für seine aus Zürich übergeführte Büchersammlung errichten lassen. Als Spross einer reichen Zürcher Industriellenfamilie war er schon als Gymnasiast in der Lage gewesen, Erstausgaben und bald auch kostbare Manuskripte zu erwerben. Nach und nach baute er seinen Besitz zu einer alle schriftlichen «Schöpfungen des menschlichen Geistes» einschliessenden Bibliothek der Weltliteratur aus. Dabei war er sich wohl bewusst, «dass die Sammlung stets ein Fragment bleiben» musste. Deswegen bemühte er sich um eine «Auswahl nach Autoren, Texten, Sprachen, Ausgaben», mit der er «das Allgemeingültige im Typischen» aufzuzeigen suchte.

Im Zusammenhang mit seiner 1939 aufgenommenen kulturpolitischen Tätigkeit für das IKRK, dessen Vizepräsident er bald werden sollte, liess er sich in Genf nieder und erwarb auf den Rebhügeln von Cologny ein prachtvolles Anwesen. An dessen äusserstem Ende, beim alten Dorfkern von Cologny, bewahrte er in den neu errichteten Pavillons seine museale Bibliothek auf, die von ägyptischen Totenbüchern über die älteste bekannte Abschrift des Johannesevangeliums, persische Manuskripte, wissenschaftliche Abhandlungen, musikalische Autographen und ungezählte Inkunabeln bis hin zu Kunstwerken seine stark humanistisch geprägte Vorstellung von Literatur in über 150 000 Objekten dokumentiert. Dass deren Ausrichtung auf die fünf Pfeiler Bibel, Homer, Dante, Shakespeare und Goethe stark von der grossbürgerlichen Kultur Bodmers geprägt war, verleiht dieser einen entschieden abendländischen Charakter.


Botta statt Michelangelo

Die kurz nach Bodmers Tod im März 1971 in eine Stiftung eingebrachte Bibliothek genoss in den letzten dreissig Jahren nicht nur in Gelehrtenkreisen einen ausgezeichneten Ruf. Mit Publikationen und Ausstellungen versuchte sie auch ein breiteres Publikum zu erreichen. Dabei war es ihrem jetzigen Direktor, Martin Bircher, seit je klar, dass die Fondation Bodmer nur mit einem den heutigen Ansprüchen genügenden Museum, das permanent seine Highlights präsentieren sowie Wechselausstellungen veranstalten kann, im gegenwärtigen Kulturbetrieb zu bestehen vermag. Deshalb nahm die Fondation 1998 Kontakt mit Botta auf. Der im Jahr darauf erfolgte Verkauf einer einst als italienische Arbeit für wenig Geld in die Sammlung gelangten Zeichnung, die im Rahmen der Wiener Vittoria-Colonna-Ausstellung vor nicht allzu langer Zeit als Michelangelos «Christus und die Samariterin» erkannt worden war, erlaubte dann weitestgehend die Finanzierung des Museumsneubaus, der inklusive Innenausbau auf elf Millionen Franken zu stehen kam.

Mit einer chirurgisch präzisen Intervention schuf Botta einen neuen Raum in der Genfer Stadtlandschaft, der nicht nur zum Wallfahrtsort für Bibliophile, sondern - dank seiner schönen Lage - auch zu einem beliebten Ausflugsziel werden könnte. Die steinerne Esplanade mit den symmetrisch angeordneten, auf Bodmers fünf Pfeiler der Literatur verweisenden Glasstelen der Oberlichter saugt die Besucher förmlich in die Tiefe des Raums zwischen den Pavillons, wo zwei gekurvte Treppen sowie ein in Beton und Glas gehaltener Liftturm hinunterführen in den tiefer gelegenen Eingangshof. Schiessschartenartige Öffnungen in der alten Stützmauer, die den Blick freigeben auf die Dorfstrasse, bilden mit darauf angebrachten Sentenzen Bodmers den Auftakt zum Ausstellungsparcours. Angelegt ist er als Weg der Menschheitsgeschichte, die in die Urzeit - an die im Foyer Versteinerungen erinnern - zurückreicht, aber erst eigentlich mit der Erfindung der Schrift einsetzt. Davon zeugen Hieroglyphen sowie die gleichsam als Bewacher des Zugangs zu den Ausstellungsräumen placierte Kalksteinskulptur eines ägyptischen Schreibers.


Unterirdischer Literaturparcours

Die beiden zusammen rund 750 Quadratmeter grossen Schauräume hat Botta so übereinander angeordnet, dass dank einem Schlitz im Fussboden des oberen, auf der Höhe des abgesenkten Eingangshofs gelegenen Saales das seitlich und durch Oberlichter einfallende Tageslicht hinunter bis in den zweiten Saal gelangt. Beide Säle sind nachtschwarz gehalten - vom Buchenparkett über die glänzenden Stucco-lucido-Wände bis hin zu den ebenfalls von Botta entworfenen Vitrinen - und zudem von kleinen Spots beleuchtet, so dass sich der Eindruck von glitzernden Katakomben einstellt. Die ganz gezielt auf eine effektvolle Präsentation der Schriftstücke und Kunstwerke ausgerichtete Inszenierung vermittelt eine angenehme, mitunter fast spirituelle Atmosphäre, in der sich leicht ein Dialog mit den Exponaten entspinnen kann. Botta ist das seltene Kunststück einer unterirdischen Raumsequenz gelungen, in der man sich kaum unter der Erde und nie in den lastenden Tiefen eines Luftschutzbunkers fühlt.

Der Ausstellungsparcours führt hier zunächst vorbei an Zeugnissen der frühen Hochkulturen, an antiken Schriftstücken, illuminierten mittelalterlichen Handschriften und Kostbarkeiten der Renaissance - darunter das berühmte Dante-Porträt von Sandro Botticelli - zu den Reichtümern des Orients und Asiens. Eine Etage tiefer locken dann Inkunabeln der Klassik Englands, Frankreichs und Spaniens, Manuskripte und Aquarelle der Goethezeit (sowie ein Porträt des jugendlichen Erzherzogs Joseph von Liotard), gesellschaftliche und politische Dokumente, wissenschaftliche Publikationen von der Antike bis Einstein und literarische, aber auch künstlerische Äusserungen von der Romantik bis zur Moderne.

Mit der nun permanent zugänglichen Präsentation exemplarischer Stücke der Weltliteratur, die demnächst durch Wechselausstellungen mit Exponaten aus eigenen Beständen erweitert werden soll, wurde eine Grundlage geschaffen, auf der sich die Bodmeriana neu positionieren kann. Ankäufe und Donationen sollen die Sammlung weiterhin lebendig halten. So konnten jüngst die Korrespondenz zwischen Rilke und Baladine Klossowska, die von Proust im Frühjahr 1913 bis hin zum Titel radikal redigierten Druckfahnen des ersten Bandes der «Recherche» sowie das in Genf entstandene Manuskript der Novelle «El sur» von Jorge Luis Borges erworben und gewichtige Schenkungen entgegengenommen werden. Da bleibt nur zu hoffen, dass künftig die finanziellen Mittel zum Betrieb der Museumsbibliothek vermehrt auch von privater Seite fliessen werden, damit die Fondation Bodmer noch stärker zum Ort des interkulturellen Dialogs im internationalen Genf werden kann.


[ Tage der offenen Tür: Samstag und Sonntag, 14-18 Uhr, anschliessend täglich ausser montags 14-18 Uhr. - Katalog: Martin Bircher: Fondation Martin Bodmer. Bibliothek und Museum. Eine Einführung. Hrsg. Fondation Bodmer, Cologny 2003. 111 S., Fr. 15.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2003.11.22



verknüpfte Bauwerke
Fondation Bodmer

07. November 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wogende Wände

Vor sechzehn Jahren wurde die Walt Disney Concert Hall, das neue Haus des Los Angeles Philharmonic, von Frank Gehry entworfen. Nach einer turbulenten Baugeschichte und vielen konzeptuellen Änderungen konnte das spektakuläre Gebäude vor zwei Wochen eröffnet werden. Mit ihm erhält Los Angeles ein neues Wahrzeichen.

Vor sechzehn Jahren wurde die Walt Disney Concert Hall, das neue Haus des Los Angeles Philharmonic, von Frank Gehry entworfen. Nach einer turbulenten Baugeschichte und vielen konzeptuellen Änderungen konnte das spektakuläre Gebäude vor zwei Wochen eröffnet werden. Mit ihm erhält Los Angeles ein neues Wahrzeichen.

Der Anblick ist betörend: Matt glänzende Wandflächen aus Edelstahl wogen über einem Sockel aus hellem Stein, unter dem sich - wie in downtown Los Angeles nicht anders zu erwarten - eine vielgeschossige Tiefgarage verbirgt. Kaum vollendet, erweist sich der fulminante Bau der Walt Disney Concert Hall auch schon als neustes Wahrzeichen einer Stadt, die aus dem Auto erfahren werden will. Doch wird eine solche Wahrnehmung Gehrys Geniestreich nur bedingt gerecht. Erst dem Flaneur erschliesst sich nämlich der Zauber dieser gebauten Sinfonie, dieser kinetischen Riesenskulptur, die (ähnlich wie die Stadt Los Angeles selbst) ihre Erscheinung stets wandelt und doch gleich bleibt. Auch wenn das neue Haus des L. A. Philharmonic kaum die Grossartigkeit des ebenfalls von Frank Gehry entworfenen Guggenheim-Museums in Bilbao erreicht, so übertrifft es dieses doch an Schönheit und Verführungskraft. Schwankend zwischen Hochkunst und Hollywood-Kitsch, verkörpert das Konzerthaus wie kein anderes Gebäude den auf Bewegung, Effekt und Show basierenden Genius loci der südkalifornischen Riesenstadt. Es offenbart zudem, dass Gehry - wie auch die ihm zurzeit im benachbarten MOCA gewidmete Schau zeigt - seit Bilbao im Grunde den immer gleichen Bau verwirklicht: mit solcher Hartnäckigkeit, dass er aus den rein künstlerischen Sphären, in denen er sich zu drehen scheint, kaum mehr auf den aktuellen Architekturdiskurs einwirken kann.


Das Wunder von Los Angeles

Als Gehry 1991 auf der fünften Architekturbiennale von Venedig die neusten Entwürfe der Disney Hall vorstellte, hielt man das als gigantische steinerne Blüte konzipierte Projekt für eine kalifornische Verrücktheit. Doch gegenüber dem plumpen, eher an ein Shopping-Center denn an einen Musentempel gemahnenden Vorschlag, welcher Gehry in dem 1987 (dank einer 50-Millionen-Dollar-Spende von Lillian Disney) lancierten Wettbewerb über Böhm, Hollein und Stirling hatte triumphieren lassen, bedeutete es einen grossen Fortschritt. Der lässt sich mit der späten Selbstfindung des heute 74-jährigen Architekten erklären: Seit dem «dekonstruktivistischen» Umbau seines Wohnhauses in Santa Monica vor dreissig Jahren hatte sich Gehry nämlich auf einer Gratwanderung zwischen Architektur, Kunst und Bricolage befunden. Erst der Beizug des Computerprogramms CATIA im Jahre 1991 ermöglichte es ihm, seine Visionen - die sich in ungezählten Skizzen, zerknüllten Papieren und Materialcollagen niedergeschlagen hatten - in Bauten umzusetzen. Als dann die Auswirkungen der Rezession, der Rodney-King-Unruhen und des Northridge- Erdbebens das Disney-Projekt im Jahre 1994 zum Stillstand brachten, nutzte Gehry die Atempause, um über dessen Erscheinungsbild nachzudenken. So fand er - zeitgleich mit dem 1991-1997 verwirklichten Guggenheim Bilbao - von einer steinernen Hülle zu jenem viel leichter, selbstverständlicher und eleganter wirkenden Schuppenkleid aus matt schimmerndem Metall, das seither zu seinem Markenzeichen geworden ist.

Gehry, ein Meister des prozesshaft-intuitiven Schaffens, behielt von dem in Venedig ausgestellten Entwurf nur den Konzertsaal bei: eine mit dem Akustiker Yasuhisa Toyota erarbeitete Kreuzung der klassischen Schuhschachtel mit Hans Scharouns Berliner Weinbergprinzip. An den leicht eingeknickten quaderförmigen Saal fügte Gehry in der Art des synthetischen Kubismus das Foyer, die gipsern flammende Grotte des Founders Room sowie Arbeitsräume an und umspielte das Ganze mit gewaltigen Girlanden aus Edelstahl, welche nun die im Grunde einfache Disney Hall hinter einer aufsehenerregenden kubosurrealistischen Kulisse verbergen. Diese nimmt man bald als silberne Seerose oder als Segelschiff in der endlos flutenden Stadtlandschaft wahr, bald aber auch als Stadtkrone, die im harten Mittagslicht weiss gleisst und bleigrau schimmert, um dann bei Sonnenuntergang langsam zu verglühen. Auf den Höhen von Bunker Hill darf dieses architektonische Kunstwerk nun als verspieltes Symbol der Stadtwerdung und der kulturellen Reifung von «La-La-Land» in Erscheinung treten.


Eine hölzerne Barke

Eine Freitreppe weist hinauf zur Plattform, auf der sich Gehrys 274 Millionen Dollar teure Bauskulptur erhebt. Von hier betritt der Besucher zwischen stählernen Wogen und durch eine nicht ganz stimmige Glasfassade das Foyer, sofern er nicht über die Rolltreppen direkt aus der Tiefgarage ankommt. Der weisse, sich über mehrere Ebenen ausdehnende Eingangsbereich wird von baumartigen Holzgebilden akzentuiert, in deren Ästen sich die tragende Struktur, die Klimaanlage sowie Lichtquellen verbergen. Einzig die sich zur Stadt hin öffnenden Glaswände erlauben einen Einblick in die Konstruktion dieses futuristischen Gebäudes, das wie aus einem Stück Metall gefräst erscheint, dessen eisernes Skelett letztlich aber auf den Erkenntnissen des Eiffelturms aufbaut und formal einer Berg-und-Tal-Bahn gleicht. Aus dem Foyer, das (im Gegensatz zur genialen Eingangshalle von Bilbao) etwas gar unruhig und zerfahren wirkt, gelangt man in den Konzertsaal - eine in ihrer Klarheit ebenso grossartige wie überzeugende Raumschöpfung. Trotz Einfachheit und strenger Symmetrie wirkt der 2265 Plätze anbietende Saal weniger monumental als fast schon intim. Bei Tag wird er von natürlichem Licht erhellt, am Abend aber verleiht ihm das Holz der terrassenförmigen Weinbergbestuhlung und der baldachinartigen Decke eine ruhige Atmosphäre, welche von der wie eine goldene Monstranz strahlenden Orgel mit hollywoodesker Theatralik ins Quasi-Sakrale überhöht wird.

Der Raum, den Gehry gerne mit einer hölzernen Barke vergleicht, zählt nicht nur zu den stimmungsvollsten Musiksälen der jüngsten Zeit. Mit seinem «Fülle, Wärme und direkt einwirkende Kraft» ausstrahlenden Klang (NZZ 28. 10. 03) vermag er auch die Musikkritiker zu überzeugen. Dürfte der Konzertsaal eher eine musikalisch gebildete Elite ansprechen, so begeistert die äussere, entfernt an das Opernhaus von Sydney erinnernde Hülle alle. Als leicht zugängliche Pop- Architektur, die von den Medien unisono zum Meisterwerk erklärt wurde, soll die Disney Hall auch den Zaungästen aus ärmeren Stadtteilen die Schwellenangst nehmen. Einladend gestaltet wurden deshalb gerade auch die Gartenterrassen (mit dem 300-plätzigen Freilufttheater), die das Konzertgebäude auf zwei Seiten umfassen und es vom fast schon schweizerisch einfachen Verwaltungstrakt trennen. In diesem so gar nicht an Gehry erinnernden Gebäude befinden sich auch das experimentelle Redcat Theater und eine Galerie, die nun zusammen mit Café, Restaurant und Music- Shop die Kulturmeile der Grand Avenue weiter beleben dürften.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.11.07



verknüpfte Bauwerke
Walt Disney Concert Hall

07. November 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Stadtwerdung einer Metropole

Die Disney Hall als Symbol urbanistischer Erneuerung

Die Disney Hall als Symbol urbanistischer Erneuerung

Amerikas Städte leben schnell. Galt downtown Los Angeles - die von öden Parkplatzarealen geprägte Stadtlandschaft zwischen dem vor 222 Jahren gegründeten Pueblo und den Türmen des Geschäftsviertels - unlängst noch als «City of Fear», so erlebt das Herz der südkalifornischen Metropole gegenwärtig eine wunderbare Transformation: Ein mexikanisch bunter Broadway, ein geschäftiger Fashion District, betriebsame Markthallen, restaurierte Baudenkmäler, noble Wohnhochhäuser und prachtvolle Sakral- und Kulturbauten machen Downtown zum neusten In-Bezirk der Riesenstadt, in dem man - laut «San Francisco Chronicle» - die «Bohemian Rhapsody» eines aufkeimenden Nachtlebens von der Roof Bar des hippen Standard-Hotels bis hin zu Little Pedro's Blue Bongo Bar vernehmen kann.

Die Stadtwerdung der auch schon «Kapitale der Dritten Welt» genannten Megalopolis ist das Resultat vieler Häutungen und Metamorphosen. Als ihr strahlendes Symbol darf Frank Gehrys soeben eröffnete Disney Hall bezeichnet werden. Denn trotz schwindelerregender Erscheinung ist dieses weltweit beachtete Monument ein Zeichen der Verdichtung in einer bis anhin von zentrifugalen Kräften und städtebaulichem Wildwuchs geprägten Stadt, die nun durch Schaffung von Wohnbauten, Boulevards und Grünanlagen neue Lebensräume erhalten soll. Angesichts der Aufbruchstimmung geht leicht vergessen, dass Downtown in den Roaring Twenties mit bombastischen Premierenkinos und Theatern bereits einmal das pulsierende Herz der Stadt war. Doch dann läutete der Siegeszug des Autos den Niedergang der Innenstadt ein. Nach dem Wegzug der Oberschicht verlotterten die viktorianischen Herrensitze auf Bunker Hill, dem zentral gelegenen Villenhügel, so dass die mächtige Community Redevelopment Agency (CRA) in den zukunftstrunkenen fünfziger Jahren das Viertel niederwalzen liess, um Platz zu schaffen für die Glitzertürme einer bald schon weithin sichtbaren Skyline.

Den Auftakt zur Neugestaltung von Bunker Hill machte das Hochhaus der Wasserwerke, das seither zusammen mit dem 27-stöckigen Art- déco-Turm der City Hall die Eckpunkte der Verwaltungsachse des Civic Center markiert. Quer dazu wurde entlang der auf dem abgeflachten Hügel verlaufenden Grand Avenue die dreiteilige Akropolis des Music Center mit der 1964 eröffneten Dorothy Chandler Hall realisiert. Schnell galt dieser auf Autofahrer ausgerichtete und von Brachen umgebene Verwaltungs- und Kulturbezirk abends und an Wochenenden als unsicher. Deshalb lancierte die CRA 1980 eine urbanistische Aufwertung der Grand Avenue zwischen dem Music Center und dem sich weiter südlich um die Central Library formierenden Finanzdistrikt. Doch statt auf den vom Büro Maguire & Thomas vorgelegten Entwurf einer kleinteiligen Bebauung durch renommierte Architekten wie Gehry, Legorreta, Moore und Pelli einzugehen, entschied sich die CRA für das Projekt von Fairview & Erickson. Aus diesem gingen schliesslich die von zwei Hochhäusern bewachte California Plaza und - als kleiner städtebaulicher Glücksfall - Arata Isozakis postmodernes Meisterwerk des Museum of Contemporary Art (MOCA) hervor.

Der California Plaza gegenüber bilden seit 1984 die scharfkantigen Wolkenkratzer des Wells Fargo Center von SOM das Tor zur Hope Street. Diese gefällt sich auf der Länge von zwei Strassenblöcken mit ihrem beachtlichen Skulpturenschmuck und dem versunkenen Farngarten der Orchard Plaza schon heute als eleganter (aber nur wenig begangener) Boulevard, welcher zu den von Lawrence Halprin, dem Altmeister der US- Landschaftsarchitektur, als mediterrane Treppenanlage konzipierten Bunker Hill Steps führt. Sie verbinden I. M. Peis 330 Meter hohen Library Tower mit dem tiefer gelegenen Art-déco-Juwel der 1993 renovierten und erweiterten Central Library zu einem modernen Ensemble im Geist der City Beautiful, das ostwärts bis zum Biltmore Hotel reicht und seine Fühler über den 1994 von Ricardo Legorreta umgeformten Pershing Square fast bis zum Broadway hin ausstreckt.

Die zunehmende Verdichtung des Finanzdistrikts machte mit chronisch überlasteten Freeways und astronomischen Parkplatzgebühren die Grenzen des Privatverkehrs deutlich, was in den frühen neunziger Jahren zum Bau der Red Line Metro führte. Gleichzeitig förderte die Stadt den Ausbau der Grand Avenue zur Kulturmeile. Diese schien nach der Eröffnung des MOCA und der Lancierung des Wettbewerbs für die Walt Disney Concert Hall im Jahre 1987 zum Greifen nahe, bevor Rezession, Rassenunruhen und das Northridge-Erdbeben zu Verzögerungen führten. Erst die Wiederaufnahme der vorübergehend eingestellten Bauarbeiten an der Disney Hall, die Vollendung der Colburne School of the Performing Arts und der Wettbewerb für eine neue Kathedrale am Nordende der Avenue verliehen dem Projekt Kulturmeile wieder Aktualität. So plante man im Hinblick auf die Einweihung der prächtigen, von Rafael Moneo entworfenen Kathedrale vor einem Jahr und die Eröffnung der Disney Hall eine Umgestaltung der Grand Avenue zur palmengesäumten und mit Springbrunnen belebten Flanierstrasse, doch wird diese schöne Vision nun nur als Fragment verwirklicht.

Dafür hegt das Grand Avenue Committee Pläne zur Investition von mehr als einer Milliarde Dollar in Büro- und Wohnhochhäuser mit Restaurants, Kinos und Geschäften, die auf die vier östlich und südlich an die Disney Hall anschliessenden, seit bald fünfzig Jahren als Autoparking genutzten Brachflächen zu stehen kommen sollen. Die Stadt ihrerseits verfolgt Ideen weiter, die unterschiedlich genutzten Areale zwischen den Bauten des Civic Center in einen Stadtpark umzuformen. Von der fortschreitenden Reurbanisierung zeugen aber auch die 8000 Lofts und Apartments, die bis 2007 in Neubauten oder umgenutzten Denkmalobjekten entstehen und so den Wohnungsbestand in dem gut 1,5 Quadratkilometer grossen Geviert rund um Grand Avenue und Broadway auf 23 000 Einheiten erhöhen sollen. Schon wird - mit Blick auf Bilbao - vom «L. A. effect» gesprochen. Und in der Tat haben die Kulturbauten an der Grand Avenue, vor allem aber die Disney Hall bereits ein neues Bewusstsein von Urbanität aufkommen lassen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.11.07



verknüpfte Bauwerke
Walt Disney Concert Hall

15. Oktober 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Glasschrein mit Gründach

Das Aargauer Kunsthaus besitzt eine hervorragende Sammlung von Schweizer Kunst der letzten 200 Jahre. Dieser verhelfen nun die Basler Architekten Herzog & de Meuron mit ihrem Um- und Erweiterungsbau zu einem stolzen Auftritt, der Aarau in der Museumslandschaft ganz neu positioniert. Am Samstag findet die Eröffnung statt.

Das Aargauer Kunsthaus besitzt eine hervorragende Sammlung von Schweizer Kunst der letzten 200 Jahre. Dieser verhelfen nun die Basler Architekten Herzog & de Meuron mit ihrem Um- und Erweiterungsbau zu einem stolzen Auftritt, der Aarau in der Museumslandschaft ganz neu positioniert. Am Samstag findet die Eröffnung statt.

Unspektakulär ist das Wort, das einem einfällt, wenn man sich von der Altstadt her dem umgebauten Aargauer Kunsthaus in Aarau nähert. Unspektakulär deswegen, weil man den Eingriff des international gefeierten Architektenteams Herzog & de Meuron zunächst kaum wahrnimmt. Je näher man dann aber dem zurückhaltend transformierten Musentempel kommt, desto selbstbewusster weiss sich dieser im früher doch so desolaten Umfeld des zur lärmigen Verkehrsdrehscheibe verkommenen Aargauer Platzes zu behaupten. Das alte, 1959 vom lokalen Architekturbüro Loepfe, Hänni und Hänggli vollendete Kunsthaus, welches ganz klar vom Zürcher Bührletrakt und vom Kunsthaus Glarus beeinflusst wurde, wirkt unverändert. Nur der einstige Vorplatz, der sich etwas unmotiviert zwischen dem stimmungsvollen klassizistischen Ensemble von Regierungs- und Grossratsgebäude, dem höher gelegenen Rathauspark und dem Kunsthaus weitete, ist einem flachen Anbau gewichen. Dieser besteht aus einer langen, nachts sich in einen Leuchtkörper verwandelnden Fensterfront, gebildet aus dem weiter gezogenen gläsernen Sockel des Altbaus und einem windschiefen Dach, welches in der milden Oktobersonne grasgrün leuchtet - fast wie die nahen Jurahöhen.

Dialog mit Stadt und Altbau

Dieser pavillonartig leichte Glasschrein mit Gründach öffnet sich nun zur Freifläche vor dem Regierungsgebäude mit einer an das Basler Schaulager erinnernden trichterförmigen Fassadeneinkerbung. Hier ist neu der Museumseingang. Doch unmittelbar daneben zieht einen die zur Lobby hin giftgrün verglaste Wendeltreppe sogartig hinauf. Oben angelangt, findet man sich staunend in einer moosbewachsenen Felslandschaft aus Tuffstein wieder. Diese dehnt sich - eingeengt von Grossratsgebäude und Kantonsbibliothek - bis hinauf zum Rathausgarten und bis an die Mauern des alten Kunsthauses, wo man hinunterblicken kann in ein rundum verglastes Atrium, das Licht in die Parterresäle des Museums fliessen lässt.

Was man leichthin als subjektive Spielerei kritisieren könnte, erweist sich als das Resultat einer sorgfältigen Analyse der städtebaulichen Anlage und des architektonischen Kontextes. Im 1996 ausgeschriebenen Wettbewerb wurde ein unterirdischer Erweiterungsbau gewünscht. Doch Herzog & de Meuron wollten die Chance zu einer urbanistischen Lösung, die das Kunsthaus stärker an die Stadt anbindet, nicht ungenutzt lassen. Eine bauliche Verdichtung mittels eines transparenten, auch räumlich durchlässigen Annexes lautete ihr Vorschlag. Dieses eingeschossige Gebäude schoben sie gleichsam unter den ehemaligen Museumsplatz, der so auf die Höhe der Terrasse vor dem Grossratsgebäude angehoben wurde, wobei die Glaswände optisch als «Stützmauern» der erhöhten Platzanlage dienen.

Die doppelte Lesbarkeit der Intervention als gartenarchitektonisches Element und als räumliche Erweiterung des alten Kunsthauses zieht sich im Innern des Gebäudes fort. Das sich hinter der eingekerbten Nordostecke weitende, ganz in weissem Stucco lustro gehaltene Foyer wirkt bald wie die abstrakte, von einer bunt wuchernden Pflanzenphantasie des Künstlerpaares Steiner und Lenzlinger belebte Version einer grottenartigen Sala terrena, wie man sie etwa vom barocken Palazzo Borromeo auf der Isola Bella kennt, bald wie eine begehbare neokubistische Raumskulptur in der Tradition von Oskar Schlemmers Merzbau. Diese Rauminstallation, welche die Wendeltreppe des Altbaus monumental überhöht, wird als elegantes Scharnier zwischen Stadt und Museum zur Bühne des urbanen Lebens und weckt Erinnerungen an Jacques Herzogs frühe künstlerische Tätigkeit. Gleichzeitig dient dieser Kunstraum als Eingang, Bibliothek, vor allem aber als Café, durch dessen Fenster man dem städtischen Treiben zuschauen kann. Hier darf die beschauliche Hauptstadt des Kantons Aargau für einige Momente zur Metropole werden.

Räume für die Kunst

Während die neue Wendeltreppe - nun im Innern des Hauses - vom Eingang hinunter in die von Thomas und Martha Huber gestaltete Bibliothek und zu den Garderoben führt, gelangt man in der Tiefe des Foyers in die eigentlichen Schauräume. Wer befürchtet, dass sich dort das Spiel von Architektur und Kunst zuungunsten der Exponate fortsetzt, wird eines Besseren belehrt: Über die alte Wendeltreppe gelangt man in die sanft renovierten Oberlichtsäle des Altbaus. Der Schneckenbewegung des Aufstiegs antwortet hier ein Steinkreis von Richard Long, um den sich die Hochgebirgsdarstellungen von Caspar Wolf zu einer der suggestivsten Konstellationen der Eröffnungsschau gruppieren. Diese konzentriert sich unter dem Titel «Neue Räume» ganz auf die Sammlungsbestände und will mit rund 500 Meisterwerken von Johann Heinrich Füssli bis Marc- Antoine Fehr den Anspruch des Kunsthauses als heimliche Nationalgalerie für Schweizer Kunst unterstreichen. Noch nie konnten die Aarauer Bestände in dieser Breite präsentiert werden. Vielmehr dämmerten sie im früher vor allem als Kunsthalle bespielten Haus meist in den Depots vor sich hin. Das wird sich nun ändern, bleiben doch die Oberlichtsäle und die Räume im Untergeschoss künftig für die Sammlung reserviert, während das Parterre weiterhin Wechselausstellungen vorbehalten werden soll.

Die gegenwärtige Schau bildet über weite Strecken einen - von Franzosen wie Corot, Courbet oder Gauguin, von deutschen Expressionisten und internationalen Gegenwartskünstlern gefassten - Höhenweg der Schweizer Kunst, auf dem man allerdings einige Meister aus dem Westen und Süden des Landes vermisst. Werke von Anker, Böcklin, Koller und Zünd erzählen von den sammlungspolitischen Anfängen des 1860 gegründeten Aargauer Kunstvereins, während sich Hodler, Giacometti und Amiet zu einem ersten leuchtenden Gipfel vereinigen. Im Untergeschoss, in das neu über die Wendeltreppe Tageslicht vordringt, begegnet man der zwischen Kubismus und Abstraktion oszillierenden Kunst der Zwischenkriegszeit, einer schönen, erst jüngst zusammengekommenen Gruppe der Zürcher Konkreten und der mit gestisch-abstrakten Werken in einen Dialog gebrachten Eisenplastik. Die in den ehemaligen Depots untergebrachten Grafikräume überraschen mit einem noch nie gezeigten Legat von Werken Sophie Taeuber-Arps, während in den neu hinzugekommenen Sälen fotorealistische Malerei, expressive Skulptur und Objektkunst bis hin zu John Armleder zu sehen sind. Die vom Altbau übernommenen Asphaltböden verunklären den Übergang von Alt zu Neu, zumal auf dem unterirdischen Rundgang die Orientierung nicht ganz einfach ist. Da hilft auch die aufdringliche Neonbeleuchtung wenig. Schade, dass es nicht möglich war, durch den Boden des Atriums Tageslicht in diese Tiefen zu führen.

Umso heiterer präsentieren sich dagegen die Säle im Erdgeschoss, in denen das Seitenlicht des ehemaligen grossen Parterresaals dominiert. Dass dieser in transformierter Form weiterlebt, zeigt sich in allen vier um das Atrium angeordneten Räumen, vor allem aber in jenem Saal, der noch immer mit dem alten Terrazzoboden ausgestattet ist. Hier, wo sich die zeitgenössische Kunst ins beste Licht setzen darf, sucht man vergeblich nach neuen Medien und dunklen Videoboxen. Vielmehr triumphiert für einmal die zeitgenössische Malerei - von Helmut Federle über Rudolf de Crignis, Renée Levi und Adrian Schiess bis hin zu Joseph Marioni und Marcia Hafif. Deren Werke finden in den leuchtenden Sälen zu einer Aussagedichte, wie man sie ausserhalb der Ateliers kaum je erleben kann. - Herzog & de Meuron ist in Zusammenarbeit mit Remy Zaugg ein Amalgam aus Bestehendem und Neuem gelungen, das sich gleichermassen selbstbewusst und bescheiden, skulptural und urbanistisch, spektakulär und kunstgerecht gibt. Obwohl die 17 Millionen Franken teure Transformation verglichen etwa mit der Tate Modern in London klein erscheint, hat Aarau einen stolzen Museumsbau erhalten, der beides bietet: einen Ort für stille, quasisakrale Begegnungen mit der Kunst und ein architektonisches Ereignis.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2003.10.15



verknüpfte Bauwerke
Aargauer Kunsthaus Aarau - Erweiterung

10. Oktober 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Säulenhallen an der Newa

Seit der Tessiner Domenico Trezzini die ersten Wahrzeichen von St. Petersburg schuf, arbeiteten ungezählte Architekten und Dekorateure aus der italienischsprachigen Welt in der vor 300 Jahren gegründeten Metropole. Eine Doppelausstellung in Lugano und Mendrisio beleuchtet den bedeutenden Kulturaustausch zur Zeit des Klassizismus.

Seit der Tessiner Domenico Trezzini die ersten Wahrzeichen von St. Petersburg schuf, arbeiteten ungezählte Architekten und Dekorateure aus der italienischsprachigen Welt in der vor 300 Jahren gegründeten Metropole. Eine Doppelausstellung in Lugano und Mendrisio beleuchtet den bedeutenden Kulturaustausch zur Zeit des Klassizismus.

Am Ende der Herrschaft von Zar Alexander I. galt das damals eine halbe Million Einwohner zählende St. Petersburg als eine der prächtigsten Metropolen Europas. Dabei war die 122 Jahre zuvor von Peter dem Grossen im sumpfigen Newa-Delta gegründete Stadt in ihrer Anfangszeit nicht viel mehr gewesen als eine Ansammlung von Holzhütten, überragt von der Peter-und- Paul-Kathedrale, dem Meisterwerk des Tessiner Architekten Domenico Trezzini. Unter Elisabeth I. realisierte dann Bartolomeo Rastrelli Barockjuwelen wie das Smolny-Kloster, den Winterpalast oder die Anlage von Zarskoje Selo. Doch zur ersten wirklich modernen Stadt des Kontinents wurde Russlands «Fenster nach Europa» in den 63 Jahren zwischen der Thronbesteigung Katharinas II. (1762) und dem Tod ihres Enkels Alexander I. im Jahre 1825. Aufschwung und Neuerung manifestierten sich im Stadtbild in Form antikisierender Prachtsbauten, deren Fassaden und Interieurs die archäologischen Neuentdeckungen sowie die architektonischen und antiquarischen Erkenntnisse von Palladio bis Winckelmann spiegelten und St. Petersburg den Ruf eines neuen Rom eintrugen.
Der Traum von Italien

Zu Beginn ihrer bis 1796 dauernden Herrschaft machte sich die kunstsinnige, mit Voltaire und Diderot korrespondierende Katharina II. stark für einen aufgeklärten Absolutismus, dessen adäquates architektonisches Kleid sie im neu aufkeimenden, zunächst noch französisch geprägten Klassizismus sah. Ihr wachsendes Interesse an Antike und Italien befriedigten aus dem Ausland herbeigerufene oder an der Petersburger Akademie und anschliessend in Rom ausgebildete Architekten. Mit Neubauten wie der Akademie der Wissenschaften oder der Assignatenbank war Giacomo Quarenghi Mitbegründer des sogenannt strikten Klassizismus. Dieser erlebte seinen Höhepunkt in Potemkins Taurischem Palais von Iwan Starow sowie im Palast von Pawlowsk, den der von Palladio und Robert Adam beeinflusste Schotte Charles Cameron für Katharinas Sohn Paul I. errichtete. Einmal in Amt und Würde, gab dieser bei Vincenzo Brenna das burgartige, in wuchtigen Neorenaissanceformen gehaltene Michaels- Schloss in Auftrag, den wohl eigenwilligsten italianisierenden Grossbau der Epoche.

Schon bald nach der Thronbesteigung Alexanders I. im Jahre 1801 kristallisierte sich ein stark von der Vorstellung altrömischer Monumentalarchitektur geprägter Stil heraus. Die ersten Meisterwerke des neuen Jahrhunderts, die tempelartige Börse von Thomas de Thomon und Adrian Sacharows durch triumphbogenartige Portale akzentuierte Admiralität, zeugen allerdings auch von einem starken Einfluss der französischen Revolutionsarchitektur, während Andrei Woronichin mit der Kasaner Kathedrale und ihren urbanistisch raffiniert auf den Newski-Prospekt ausgerichteten Kolonnaden eine antikische Antwort auf den Petersdom fand. Alexanders Wille zur imperialen Umgestaltung der Stadt ermöglichte die von zeichenhaften Grossbauten einzigartig gefassten Stadträume von Carlo Rossi, dem genialen Sohn des vermutlich aus Lugano stammenden Giovanni Rossi und einer Tänzerin. Rossis Lösungen am Schlossplatz, beim Alexandratheater oder beim Michael-Palais, dem heutigen Russischen Museum, machten St. Petersburg zum Laboratorium eines frühmodernen Städtebaus, dem in der Neuen Welt in Ansätzen L'Enfants Washington antwortete.
Gelehrte Inszenierungen

Diese ebenso komplexe wie glorreiche Epoche der europäischen Architekturgeschichte versucht nun eine zur Feier des 300. Gründungsjahrs von St. Petersburg im Museo Cantonale d'Arte in Lugano sowie im Archivio del Moderno in Mendrisio veranstaltete Doppelausstellung auf italienische und römisch-antike Wurzeln zurückzuführen. Damit erhellt die anschliessend in die Eremitage weiterreisende Veranstaltung allerdings nur eine (wenn auch die bedeutendste) Quelle, aus der der Petersburger Klassizismus schöpfte. Als nämlich Katharina II. den neuen Stil zum Abbild des aufgeklärten Absolutismus deklarierte, stützte sie sich zunächst auf Vallin de la Mothe, dessen Bauten - etwa die Kunstakademie oder die Kleine Eremitage - noch ganz dem frühklassizistischen Architekturtheoretiker Jean-François Blondel und der Zeit von Louis XIV. verpflichtet waren. Die betont italienische Optik der nun unter Beizug russischer Spezialisten erarbeiteten Ausstellung rührt letztlich daher, dass diese aus der Präsentation zweier Dynastien von Tessiner Baukünstlern und Ingenieuren im Frühjahr 2000 in Mendrisio hervorging: der Adamini und Gilardi, welche in Russland ihre Terra promessa fanden.

Die mit historischen Stadtplänen und Veduten suggestiv gestaltete Ouverture in Lugano vermittelt einen Eindruck von St. Petersburgs schnellem und auf Prachtentfaltung hin angelegtem Wachstum. Im Überblick kann man hier fast allen Bauten begegnen, die dann anhand kostbarer Zeichnungen und Pläne diskutiert werden. Anschliessend wird Katharinas für die Zeit typische Antikenbegeisterung mit Gemälden von Hubert Robert, Pannini und Hackert, mit Stichen Piranesis oder mit Charles-Louis Clérisseaus Vision einer Zarenvilla all'antica illustriert. Eigene Kapitel sind der Petersburger Kunstakademie und dem Einfluss der Architekturtheoretiker von Vitruv bis Scamozzi gewidmet. Dem breit dargelegten italianisierenden Petersburger Klassizismus, der in den Bauten und Interieurs der Quarenghi, Brenna, Rossi und Rusca, der Cameron, Starow, Woronichin und Sacharow triumphierte, wird der spartanische Moskauer Klassizismus Domenico Gilardis entgegensetzt, dessen in der Nachfolge von Baschenow errichtete Bauten den neusten europäischen Geschmack reflektierten.

Wie schwer es fortschrittliche Projekte in dem vom alexandrinischen Empire dominierten Petersburg hatten, zeigt der Wettbewerb für die Isaaks-Kathedrale, bei dem der Vorschlag von Auguste de Montferrand, welcher nur Soufflots Panthéon variiert, dem rationalistisch entschlackten Entwurf von Domenico Adamini vorgezogen wurde. Der mit ihm verwandte Ingenieur Antonio Adamini war es dann, der Montferrand bei der Realisierung der Kathedrale, aber auch 1834 bei der Errichtung der Alexandersäule auf dem Schlossplatz als technischer Berater zur Seite stand. Deren in Mendrisio vorgestellte Arbeiten sowie die in Lugano erläuterten Werke von Domenico Gilardi und Luigi Rusca bilden Glanzlichter der Schau, die sonst - wenn auch mit vielen erstmals gezeigten Exponaten - eher bekannten Wegen folgt. Nun erscheint Luigi Rusca, dem bis zum 2. November auch das Museo plebano in Agno eine kleine Ausstellung mit Katalog widmet, erstmals gleichberechtigt zwischen Rossi und dem aus Bergamo stammenden Quarenghi. Wirkte er doch nicht nur mit seinen säulengeschmückten Kasernen, eigentlichen Militärpalästen, und weiteren, 1810 in einem illustrierten Folioband in Paris publizierten Bauten nachhaltig auf das Stadtbild ein, sondern modernisierte darüber hinaus auch das kostbare Taurische Palais.

Die gelehrte und mit bedeutenden Blättern reich bestückte Doppelausstellung, die - bedingt durch ihren architekturgeschichtlichen Anspruch - etwas an plastischer Anschaulichkeit vermissen lässt und daher ohne Kenntnis der Stadt St. Petersburg nur bedingt zu verstehen ist, wird von einem informativen wissenschaftlichen Katalog begleitet. Aufgrund der Druckfahnen darf dieser schon jetzt als Standardwerk bezeichnet werden, obwohl er erst Anfang Dezember erscheinen wird. Da trifft es sich gut, dass die frühsten bekannten Fotografien von St. Petersburg, die um 1850 vom Tessiner Ivan Bianchi aufgenommen wurden (NZZ 7. 2. 03, Katalog Fr. 70.-), gleichsam als Anschauungshilfe noch bis zum 28. November in der Biblioteca Cantonale in Lugano zu sehen sind.


[ Bis 11. Januar im Museo Cantonale d'Arte in Lugano und im Archivio del Moderno in Mendrisio. Katalog: Dal mito al progetto. La cultura architettonica dei maestri italiani e ticinesi nella Russia neoclassica. Hrsg. Nicola Navone und Letizia Tedeschi. Archivio del Moderno, Mendrisio 2003. 2 Bde., 928 S., Fr. 90.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.10.10

25. September 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Metaphysische Bauskulptur

Eine Monographie zum Colosseo Quadrato in Rom

Eine Monographie zum Colosseo Quadrato in Rom

Heute ist er ein «Medienstar», doch lange Zeit war er der wohl bestgehasste Bau des modernen Rom: der Palazzo della Civiltà Italiana, den Mussolini 1937 in Auftrag gab als zentrales Ausstellungsgebäude der auf 1942 angekündigten, aber nach dem Kriegseintritt Italiens «sine die» verschobenen und schliesslich ganz aufgegebenen Esposizione Universale di Roma (EUR). Anders als das zweite Meisterwerk auf dem EUR-Gelände, Adalberto Liberas rationalistischer Palazzo dei Congressi, dessen Säulenhalle noch im New Yorker Lincoln Center nachklingt, galt der Colosseo Quadrato genannte Palazzo als architektonischer Ausdruck des faschistischen Imperiums.

Nicht zuletzt deshalb geriet das Anfang der vierziger Jahre erst im Aussenbau vollendete Gebäude ins Visier fortschrittlicher Kritiker. Aber auch Architekten wie Giuseppe Terragni, der seit dem Bau der Casa del Fascio in Como von der Versöhnung des Regimes mit der baukünstlerischen Avantgarde träumte, beanstandeten die steinerne Maskerade des von 216 monumentalen Arkaden durchbrochenen Kubus. - Es war der ideologisch unbedarfte, ganz auf optische Reize ausgerichtete Blick der Modefotografen, welcher das von einer kalten Poesie umhauchte Colosseo Quadrato von seinen Stigmata erlöste und zur surrealistisch anmutenden Bühne schöner Menschen umdeutete. Seither ist der von Giovanni Guerrini, Ernesto Lapadula und Mario Romano im Geist der Pittura metafisica entworfene «Tempel der Romanità» das Highlight des 1937 unter Federführung von Marcello Piacentini, dem Hofarchitekten des Duce, geplanten und halbwegs zwischen Stadt und Meer errichteten, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Römer Vorstadt ausgebauten Viertels EUR. Damals wurde auch der kriegsversehrte Palazzo della Civiltà Italiana vollendet, mit den geplanten Statuen versehen und als Ausstellungsgebäude der Landwirtschaftsschau «EA 53» benutzt, ohne dass man aber die durchaus heutiger Stararchitektur vergleichbare Zeichenhaftigkeit des weiterhin negativ besetzten Gebäudes erkannte. So dämmerte dieses lange als Bürohaus vor sich hin, bevor es 1999 per Dekret zum Museo Nazionale dell'Audiovisivo ausersehen wurde.

Nun liegt zu dieser metaphysischen Bauskulptur eine opulente Monographie vor, die alle Facetten des Gebäudes ausleuchtet. In seiner erhellenden Einführung verleiht Sergio Poretti dem Colosseo Quadrato nicht ganz unbegründet das Etikett eines auf dem zweiten Futurismus und der «Neometafisica» basierenden «visionären Klassizismus». Anschliessend wird aufgezeigt, wie Guerrini, Lapadula und Romano in ihrem einstimmig gekürten Projekt Piacentinis Idee eines Kubus übernahmen, diesen dann aber mit einer aus sechs übereinander gestellten Arkadenreihen bestehenden Fassade auflösten. Eine suggestive Präsentationszeichnung von Guerrini zeigt das von Dioskuren bewachte Bauwerk in enigmatischer nächtlicher Beleuchtung, als handle es sich um ein Gemälde von Giorgio De Chirico. Diese metaphysische Ansicht konnten die Architekten in die Realität hinüberretten, indem sie die vom Kolosseum inspirierte Bogenstellung - auf ihre konstruktive Essenz reduziert - in messerscharf geschnittener, harte Schatten erzeugender Flächigkeit umsetzten und so eine Gebäudehülle von rätselhafter Leere schufen.

Aber nicht nur in seiner äusseren Erscheinung war dieser Palazzo im Grunde weit moderner als die weniger heftig kritisierten Bauten des faschistischen Staatsarchitekten Piacentini. Denn Guerrini, Lapadula und Romano konzipierten einen fortschrittlichen Skelettbau, dessen minimalistisch anmutendes räumliches Raster sie anschliessend hinter Bögen aus Travertin verbargen. Die daraus resultierende neuklassizistische Gebäudeform nahm in ihrer doppelten Codierung bereits die architektonische Postmoderne vorweg. Es ist daher gut möglich, dass sich Rafael Moneo 1980 - also noch vor der baukünstlerischen Rehabilitierung des Palazzos - durch dessen purifizierte Architektur beim Bau des Nationalmuseums Römischer Kunst in Mérida anregen liess. Doch eine Rezeptionsgeschichte des Colosseo Quadrato sucht man in der Monographie vergeblich. Dafür werden die Planungs- und Baugeschichte, das baukünstlerische Programm, die geplante «Mostra della Civiltà Italiana», aber auch denkmalpflegerische und biografische Aspekte beleuchtet und ausführlich dokumentiert. Die durch sorgfältig reproduzierte historische Aufnahmen abgerundete Publikation dieses ebenso unbequemen wie magischen Bauwerks darf denn auch als beispielhaft bezeichnet werden.


[Il Palazzo della Civiltà Italiana. Architettura e costruzione del Colosseo Quadrato. Hrsg. Maristella Casciato und Sergio Poretti. Federico Motta Editore, Mailand 2003. 249 S., Euro 72.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2003.09.25

16. September 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Meister der organisch-skulpturalen Form

Das Werk des Architekten Eero Saarinen

Das Werk des Architekten Eero Saarinen

Die Begeisterung junger Baukünstler für die sogenannte Blob-Architektur mit ihren topologischen Formen hat neues Interesse an einem Architekten geweckt, der in den fünfziger Jahren als einer der Ersten den Computer für den Entwurf seiner organisch-skulpturalen Bauten einsetzte - zu einer Zeit also, als diese Technologie für die meisten erst in der Welt der Science-Fiction existierte. Auf die entwurfstechnischen Möglichkeiten der damals noch riesigen Rechner aufmerksam geworden war der 1910 in Finnland geborene und bereits als Teenager nach Amerika gekommene Eero Saarinen im Zusammenhang mit seinen Bauaufträgen für IBM in Rochester und Yorktown. Obwohl der in Yale in der Beaux- Arts-Tradition ausgebildete Architekt sich erst spät aus dem Schatten seines berühmten Vaters Eliel Saarinen (1873-1950) lösen konnte, schuf er im Laufe einer kurzen Karriere Bauikonen, die zu den Meisterwerken der amerikanischen Nachkriegsarchitektur zählen. Der bereits mit 51 Jahren einem Hirntumor erlegene Baukünstler pflegte einen kreativen Eklektizismus, der ihm kritische Bemerkungen wie «Viel Form und wenig Idee» aus dem Lager der orthodox-doktrinären Modernisten eintrug, während ihn Robert Venturi, der Vordenker der postmodernen Architektur, als «prophetische Figur» verehrte.

Unter Berücksichtigung der neusten technischen Erkenntnisse und gemäss dem Wahlspruch «Style for the Job» passte Eero Saarinen das Aussehen seiner Bauten der jeweiligen Aufgabenstellung an, wobei er bei Kultur- und Verkehrsbauten gerne auf die expressiven Formen einer Architecture parlante setzte, während er für Verwaltungsgebäude das von Mies van der Rohe entwickelte rationalistische Vokabular bevorzugte. Sein berühmtestes Werk, der 1956 entworfene und ein Jahr nach seinem Tod eröffnete TWA-Terminal auf dem JFK-Flughafen in New York, darf als das erste zeichenhafte Gebäude der Luftfahrtgeschichte gelten. Deshalb nimmt dieser zwischen Nachtfalter und Düsenjet oszillierende Bau mit seinen dynamischen, fast schon neobarocken Raumsequenzen, der heute noch in den Projekten eines Santiago Calatrava nachklingt, eine zentrale Stellung ein in der ebenso fundiert recherchierten wie attraktiv aufgemachten Eero-Saarinen-Monographie des spanischen Architekturhistorikers Antonio Román. In fünf Essays nähert sich dieser dem Werk des Meisters an und bereichert die anschaulichen Texte durch suggestive Schwarzweissfotos, Skizzen und Pläne.

Am Beispiel des TWA-Terminals gewinnt die mitunter Frank Gehry vergleichbare prozessuale Arbeitsweise des eigenwilligen, aus einer reichen Erfindungsgabe schöpfenden Künstlers Konturen. Einigendes Element der bald plastisch-fliessenden, bald kantigen Bauten ist ein vom Geist der fünfziger Jahre erfüllter Optimismus, dem man in den heiteren, elegant eingerichteten Wohnhäusern ebenso begegnet wie bei den Bauten auf dem MIT-Campus in Cambridge. Dort erntete Saarinen 1955 mit so gegensätzlichen Lösungen wie dem von einer auf nur drei Punkten ruhenden Betonschale überwölbten Kresge- Auditorium oder der in ein Ziegelgewand gehüllten, zylinderförmigen Kapelle viel Beifall, aber auch ätzenden Widerspruch. Während er für die Ingalls-Hockey-Halle der Yale University in New Haven ein rochenartiges Erscheinungsbild erfand, kreierte er für den Hauptsitz der Deere Company in Moline eine abstrakte Raumstruktur aus Glas und dunklem Stahl. Doch auch bei den einer klaren Einfachheit verpflichteten Konzerngebäuden liess Eero Saarinen mitunter seinen Einfällen freien Lauf: So darf sich vor der gekurvten Fassade des IBM-Forschungszentrums in Yorktown die Schwanzflosse eines mit Bruchstein geschuppten Fisches zum Eingangsbaldachin aufschwingen.

Naturstein prägt auch die Aussenhaut der wabenartig um neugotische Campusbauten gruppierten Stiles and Morse Colleges von Yale. Hier spürt man allenthalben jene Liebe zum künstlerischen Detail, die sich auch in seinen Designobjekten manifestiert: etwa dem Womb Chair (1948) oder dem futuristischen Tulpenstuhl aus Kunststoff (1956). Aber auch die grosse Geste war ihm nicht fremd. Sie triumphierte früh schon im monumentalen Bogen des Gateway Arch genannten Jefferson Memorial von St. Louis und dann erneut in der kühn gespannten Abflughalle von Washingtons Dulles International Airport oder im postum ausgeführten, konstruktiv auf die Twin Towers des WTC vorausweisenden CBS Building in New York.


[Antonio Román: Eero Saarinen. Architecture of Multiplicity. Princeton Architectural Press, New York 2003. 225 S., Fr. 98.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.09.16

20. August 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Demokratisches Bauen

Ausstellung Günter Behnisch in Stuttgart

Ausstellung Günter Behnisch in Stuttgart

Mit der Weissenhofsiedlung besitzt Stuttgart ein veritables Pilgerziel für Architekturbegeisterte, obwohl nur gut die Hälfte des Baubestandes den Zweiten Weltkrieg und die Abreisswut der Wirtschaftswunderjahre überstanden hat. Auch wenn zurzeit fast überall in Deutschland die Rekonstruktionssucht grassiert, besteht kaum Aussicht, dass die physisch verlorenen, aber gut dokumentierten Häuser von Taut, Gropius oder Poelzig wiederhergestellt werden können. Gleichwohl vermittelt das in den achtziger Jahren restaurierte Ensemble heute wieder einen guten Eindruck von der 1927 eröffneten Werkbundsiedlung und ihrer damaligen Modernität. Während ein Informationszentrum im Wohnblock von Mies van der Rohe seit einigen Jahren die nötige Vertiefung in Form von Schautafeln und Publikationen bietet, saniert die Stadt Stuttgart nun mit dem Doppelhaus von Le Corbusier-Jeanneret das eigentliche Meisterwerk der Siedlung, um dort voraussichtlich 2004 eine umfassende Dauerausstellung einzurichten.

Dannzumal dürfte der Weissenhof, von dem schon jetzt die Architekturgalerie des BDA im sorgsam zurückgebauten Behrens-Haus profitiert, noch attraktiver werden. Gegenwärtig zeigt diese eine Ausstellung über Stuttgarts wichtigsten zeitgenössischen Architekten: Günter Behnisch, der 1972 mit dem zusammen mit Frei Otto ausgeführten Münchner Olympiapark bekannt wurde und heute wegen des 1994 konzipierten Neubaus der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin im Gespräch ist. Dabei beschränkt sich die Schau aus Platzgründen auf die 18 Bauten und einige Papier gebliebene Projekte, die während der nunmehr fünfzigjährigen Schaffenszeit des 1922 in Dresden geborenen, jedoch seit Beginn seiner Studien in Stuttgart ansässigen Architekten im Grossraum der schwäbischen Metropole entstanden sind.

Blickfang der kleinen, hauptsächlich aus Fotos und Zeichnungen bestehenden Ausstellung bildet aber kein Stuttgarter Bau, sondern das Modell des verdrehten Glashochhauses der Norddeutschen Landesbank in Hannover (1999-2002), das in der deutschen Fachpresse viel Lob und Aufmerksamkeit erfahren hat. Bauten von vergleichbarer Ausstrahlung konnte Behnisch bisher in Stuttgart nicht verwirklichen. Stattdessen errichtet nun das Berliner Büro Hascher & Jehle den Neubau der Galerie der Stadt Stuttgart am zentral gelegenen Schlossplatz in Form eines Glaskubus, der anspielt auf jene demokratisch-transparente Architektur, mit der sich Behnisch im Akademiestreit von Berlins steinerner Baukunst distanzierte.

Immerhin aber konnte der Doyen der modern gesinnten deutschen Architekten 1987 mit dem Hysolar-Institut der Universität Stuttgart in Vaihingen ein frühes Hauptwerk des Dekonstruktivismus realisieren. Es sind denn auch die auf den Ort bezogenen, benutzerfreundlichen Bildungsbauten - allen voran Schulhäuser und Kindergärten -, mit denen er seit der 1958 eröffneten Sommerrain-Schule in der Hauptstadt Baden-Württembergs brilliert. und weniger Bank- und Dienstleistungsgebäude wie das kantig-gläserne LBBW- Zentrum. - Die kleine Stuttgarter Ehrung für Behnisch kommt spät, aber der Meister, in dessen Büro eine Vielzahl junger Architekten zu eigenständigem Schaffen ermuntert wurden, darf sich damit trösten, dass seine Ideen lange schon weit über Süddeutschland hinaus auf fruchtbaren Boden gefallen sind.


[Bis 7. September. Katalog Euro 18.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2003.08.20

08. August 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Heitere Metamorphose

Erweiterungen von historischer Bausubstanz stellen oft Probleme denkmalpflegerischer Art. Neu hinzugefügte Bauteile sollten das Bestehende weder beeinträchtigen noch übertrumpfen und dennoch als Interventionen erkennbar sein. Die Umgestaltung des Albertina-Palais in Wien erfüllt diese Ansprüche auf überzeugende Weise.

Erweiterungen von historischer Bausubstanz stellen oft Probleme denkmalpflegerischer Art. Neu hinzugefügte Bauteile sollten das Bestehende weder beeinträchtigen noch übertrumpfen und dennoch als Interventionen erkennbar sein. Die Umgestaltung des Albertina-Palais in Wien erfüllt diese Ansprüche auf überzeugende Weise.

Der Umgang mit wertvoller historischer Bausubstanz - handle es sich dabei um Einzelbauten oder gewachsene Ensembles - stellt seit der Renaissance eine ganz besondere Herausforderung an die Architekten dar. Doch erst in jüngster Zeit sind Erweiterungsbauten zu einem prestigeträchtigen baukünstlerischen Thema geworden, zu dem fast jede Stadt Beispiele vorweisen kann. So besitzt Zürich mit der Villa Bleuler ein Objekt, welches das Zusammengehen von Alt und Neu auf geradezu exemplarische Weise veranschaulicht: Zehn Jahre ist es her, seit das Zürcher Architekturbüro Marbach & Rüegg den 1888 vollendeten Neurenaissancebau des Semper-Schülers Alfred Friedrich Bluntschli zum neuen Sitz des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft umgebaut und erweitert hat. Dabei wurden die Prunkräume renoviert, die Wohn- und Dachgeschosse behutsam in Büroräume umgestaltet und das grosse Volumen der Bibliothek so in die von einer monumentalen Stützmauer gehaltene Terrasse der Vorfahrt eingegraben, dass die wertvolle Parkanlage von Fröbel & Mertens unberührt blieb. Nur ein linsenförmiges Oberlicht aus Glas und Stahl, das wie eine minimalistische Skulptur durch das Rasenrondell der Vorfahrt dringt, sowie kleine Öffnungen in der Stützmauer zeugen vom unterirdischen Eingriff. Zeichenhaft sichtbar wird die Erweiterung erst im ausserhalb des Parks gelegenen Restaurierungsatelier, welches dezent dem industriellen Formenvokabular des benachbarten Autospritzwerks antwortet.


Verwandlungen eines Stadtpalastes

Vor ähnlichen Problemen stand man in Wien, als es darum ging, das für seine Grafiksammlung weltbekannte Albertina-Palais zu erweitern. Dieses erhebt sich neben der Hofburg auf dem letzten Überrest der nach den Türkenkriegen angelegten Basteien, unter welchem Fragmente der mittelalterlichen Stadtmauer verborgen liegen. Auf diesem Augustinerbastei genannten Bollwerk entstand um 1650 der kaiserliche Bauhof, der später von Graf Sylva-Tarouca, dem Statthalter der Niederlande, zum Palais erweitert und schliesslich von dessen Nachfolger Herzog Albert von Sachsen-Teschen übernommen wurde. Dieser liess den Bau von Louis de Montoyer um einen 180 Meter langen, zum Burggarten hin orientierten Westflügel mit 33 Fensterachsen erweitern und Räumlichkeiten des angrenzenden Augustinerklosters für die von ihm angelegte Grafiksammlung umgestalten. Sein Alleinerbe, Erzherzog Carl, betraute 1822 den grossen Wiener Klassizisten Josef Kornhäusel mit dem Umbau der Erschliessungs- und Repräsentationsräume. Nach der Schleifung der meisten Basteien in den 1850er Jahren erhob sich nun das kurz darauf in seiner äusseren Erscheinung den historistischen Formen des Ringstrassenstils angepasste Albertina-Palais einsam und nur über zwei lange Rampen erreichbar auf seiner elf Meter hohen Bastei. Die schweren Kriegsschäden aus dem Jahre 1945 nahm man deshalb zum Anlass, die Rampe zur Augustinerstrasse durch eine kurze, steile Treppe zu ersetzen, die neue Stützmauer zur Strasse hin als Sockelgeschoss der Ostfassade zu gestalten und hier, im einstigen Kellerbereich, den neuen Haupteingang zu schaffen - eine Lösung, die nie befriedigen konnte, weil sie das Erscheinungsbild des Palais stark verzerrte.

Nach dem Brand der Hofburg im November 1992, der auch die dort gelagerten Schätze der Albertina bedrohte, beschloss man eine grosse Metamorphose, welche die Albertina erweitern und zugleich wieder in den Zustand von 1867 zurückverwandeln sollte. Sie setzte 1993 mit dem Wettbewerb für die neuen Studien- und Speichergebäude und die damit verbundene Restaurierung der Albertina ein und kann vermutlich noch dieses Jahr mit der Installierung von Hans Holleins Flugdach über dem wiederhergestellten alten Eingang auf der Bastei abgeschlossen werden.

Dank einer ausgesprochen intelligenten Lichtführung gestattete es das Siegerprojekt von Erich Steinmayr und Friedrich Mascher, die neuen Bauten von aussen fast unsichtbar in den zum Burggarten hin orientierten Erdkörper der Bastei einzugraben. Dabei brachten die beiden Mittfünfziger, die sich bisher vor allem mit Bauten in Vorarlberg hervorgetan hatten, das Studiengebäude in einem viergeschossigen Neubau unter. Dieser ist auf ein Atrium mit reflektierendem Wasserbassin hin ausgerichtet, das - angrenzend an das Palmenhaus des Burggartens und den Sitz der Bundesgartenverwaltung - tief in die Bastei abgesenkt wurde. Ein schmaler Lichthof bringt zusätzlich Helligkeit ins Zentrum des Studiengebäudes, in dem (wie an der gläsernen Atriumsfassade abzulesen ist) zuoberst die zusätzlich von einem Oberlicht erhellten Studienräume, in der Mitte die Restaurierungsateliers, auf Höhe des Innenhofs die Bibliothek und darunter der Bücherspeicher untergebracht sind. Kann man hier durch eine Glaswand einen 1999 freigelegten Turm der mittelalterlichen Stadtmauer erkennen, so scheinen die historischen Schichten beim Blick vom Atrium hinauf zur historistischen Fassade des Albertina- Palais und zum gotisch-neugotischen Turm der Augustinerkirche wie auf den Kopf gestellt.

An das Studiengebäude schliessen sich nach Süden die für die Albertina-Sammlung bestimmten Depoträume an, die wegen der fehlenden computertechnischen Erschliessung noch lange nicht bezogen werden können. Das zusätzliche Reservelager wurde nach der Übergabe der Albertina-Direktion an Klaus Albrecht Schröder im Jahre 1999 in einen 800 Quadratmeter grossen unterirdischen Ausstellungsraum umgewandelt. Müssen doch die österreichischen Bundesmuseen infolge ihrer Entlassung in die Eigenwirtschaftlichkeit vermehrt Gelder durch Veranstaltungen und Sponsoring selbst beschaffen. Die neue Situation bedingte weitere Projektänderungen: So bauten Steinmayr & Mascher die Pfeilerhalle mit dem Portikus im Westflügel der Albertina in eine zeitgemässe Ausstellungshalle um, richteten - als Gegenstück zu den prachtvoll restaurierten Prunksälen im Piano nobile - die «Propter Homines»-Ausstellungsräume ein, überdachten den zentralen Innenhof und gestalteten den einstigen Eingangsbereich an der schmalen, im Krieg zerstörten Südfassade völlig neu. Dieser Zugang machte einen behindertengerechten Aufgang auf die Bastei nötig. Für diesen wurde Ende 2000 ein Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem sich Hans Hollein mit der architektonischen Geste eines weit ausholenden Flugdaches gegen die Konkurrenz von Coop Himmelb(l)au, Zaha Hadid sowie Steinmayr & Mascher durchsetzen konnte.


Wege durch das Museum

Seit der Eröffnung der neuen Albertina im vergangenen März (NZZ 15. 3. 03) gelangt man nun gleichsam durch die Stützmauern der Bastei hinauf zum Museumseingang. Dazu wurde zwischen dem 1864 von Moritz von Löhr entworfenen Danubius-Brunnen und Holleins neuster Wiener Bar ein Hohlraum in der Bastei geschaffen, von dem aus ein gläserner Aufzug und eine Rolltreppe hinauf zum Reiterstandbild Erzherzog Albrechts führen, welches den neu-alten Eingang des Albertina-Palais bis zur Fertigstellung von Holleins Flugdach noch allein markiert. Dieses Dach wird dereinst zusammen mit der ebenfalls von Hollein umgestalteten und mit postmodern anmutenden Wülsten und Bullaugen versehenen Sockelzone am Albertina-Platz dem historischen Bau einen starken zeitgenössischen Akzent verleihen. - Durch das von Steinmayr & Mascher minimalistisch gestaltete Portal betritt man die fast schon ägyptisch strenge Eingangshalle, von der man in den überdachten und sorgsam in den Zustand von 1822 zurückversetzten Innenhof der Albertina gelangt. Dieser wurde von den beiden Vorarlbergern geschickt zum Scharnier der erschliessungstechnisch höchst komplexen Palastanlage bestimmt. Rechts gelangt man in den von Callum Lumsden eingerichteten Museumsshop, links in das vom jungen Wiener Architekten Arkan Zeytinoglu gestaltete Café und geradeaus in die Minervahalle, die den Auftakt zu Kornhäusels Erschliessungssystem bildet. Hier teilen sich erneut die Wege: Links führen Rolltreppen einer leuchtenden Glaswand entlang hinunter in den von Steinmayr & Mascher als flexiblen White Cube konzipierten Ausstellungssaal in der Bastei. Nach vorn schliesst an die Minervahalle der Säulengang an, auf den sich links ein weiterer Ausstellungsraum, die grosse Pfeilerhalle, öffnet. Über die Sphinxstiege erreicht man das Piano nobile, wo rechts der Ausstellungsparcours der Propter-Homines-Säle beginnt, während zur Linken Kornhäusels Musensaal lockt: das von Apoll und den Musen des Canova-Schülers Josef Klieber bevölkerte Herzstück der Prunkräume.

Von hier geht der Ausblick auf die geometrisch heitere, die Basteiterrasse weiterführende Dachlandschaft des bereits erwähnten Studiengebäudes von Steinmayr & Mascher, das selbst noch in der Aufsicht viel von seiner formalen Klarheit, konstruktiven Einfachheit und materiellen Reduktion verrät - Eigenschaften die das dem Publikum nicht zugängliche Gebäude zu einem der bedeutenden Neubauten Wiens machen. So besitzt die Albertina heute zwar mit dem Studiengebäude ein nahezu unsichtbares Meisterwerk sowie neue Ausstellungsbereiche und renovierte Repräsentationsräume. Aber die Sammlung selbst, deren sichere Unterbringung 1992 den Anstoss zum Umbau gegeben hatte, lagert weiterhin nicht wirklich optimal in der Hofburg.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.08.08



verknüpfte Bauwerke
Albertina

05. August 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schatten über dem Festival

Die beiden magischen Orte des Filmfestivals Locarno sind in Gefahr: Führende Tessiner Architekten schlagen vor, das Freiluftkino von der Piazza Grande auf eine gigantische Plattform im See zu verlegen, und das eng mit der Geschichte des Festivals verwobene «Grand Hôtel» soll abgerissen werden. Hingegen scheinen Geld und architektonisches Engagement für einen zeichenhaften Festivalspalast zu fehlen.

Die beiden magischen Orte des Filmfestivals Locarno sind in Gefahr: Führende Tessiner Architekten schlagen vor, das Freiluftkino von der Piazza Grande auf eine gigantische Plattform im See zu verlegen, und das eng mit der Geschichte des Festivals verwobene «Grand Hôtel» soll abgerissen werden. Hingegen scheinen Geld und architektonisches Engagement für einen zeichenhaften Festivalspalast zu fehlen.

Als Künstler, Vegetarier und Anarchisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Monte Verità bewohnten und Elisar von Kupffer in Minusio sein mediterranes «Sanktuarium» realisierte, galt das von der Natur verwöhnte Locarnese den Mitteleuropäern als irdisches Paradies. Seither ist die Moderne wie ein Tornado über diese kleine Welt gezogen und hat sie arg zerzaust zurückgelassen. Mitunter scheint es so, als bemühte man sich ganz bewusst, der Gegend am oberen Ende des Lago Maggiore die urbane Schönheit auszutreiben, um der rund 50 000 Einwohner zählenden Agglomeration «metropolitanes» Flair zu verleihen. Das sei - so könnte man argumentieren - Sache der Tessiner. Aber angesichts rückläufiger Touristenzahlen sollten die Locarnesi doch etwas weiterdenken. Zumal die beiden jüngsten Projekte ganz direkt den wichtigsten kulturellen Grossanlass der Region tangieren: das Filmfestival, das von morgen an zum 56. Mal der Ferienstadt Locarno einen Hauch von Glamour verleihen wird.


Schwimmendes Kino im See

Auch heuer wird sich die Piazza Grande in jenen riesigen Kinosaal verwandeln, welcher seit nunmehr 33 Jahren zur Attraktion des Filmfestivals Locarno beiträgt - selbst wenn die berüchtigten Gewitter mitunter lästig werden und Ordnungsliebende sich an Improvisation und Chaos stören mögen. Diese «Ärgernisse» haben nun Luigi Snozzi und Livio Vacchini, Locarnos führende Baukünstler, zusammen mit Eloisa Vacchini und Mauro Vanetti auf die Idee gebracht, ein radikales Projekt auszuarbeiten. Dem zufolge sollen die Freiluftvorführungen von der Piazza auf einen im See schwimmenden Pier verlegt und so der bei Publikumsfilmen herrschende Platzmangel durch die Bereitstellung von 10 000 Sitzgelegenheiten und die Wetterabhängigkeit durch ein Schiebedach behoben werden. Dass mit diesem Vorschlag der Piazza-Zauber einem austauschbaren «Kino am See»-Spektakel geopfert würde, dem man ebenso gut in Zürich oder anderswo frönen kann, ist der touristische Schwachpunkt des Projekts. Schwerer aber wiegt der urbanistische, denn die zukunftsgläubigen Altmeister nehmen keine Rücksicht auf das Weichbild der Stadt. Mit rigorosem Rationalismus führen sie das Raster der Neustadt weiter und projizieren die langgestreckten Giardini Rusca über die Schifflände in den See hinaus. Diesem Schildbürgerstreich müsste nicht nur das städtebaulich wichtige historische Hafengebäude weichen: Um die von den Architekten vorgeschlagene Sichtverbindung zwischen Pier und Piazza herzustellen - müssten zudem die Giardini Rusca verschmälert und umgestaltet (oder vielmehr abgeholzt) werden. Schaden nähme auch die Uferpromenade von Muralto, würde doch der Lago Maggiore zwischen ihr und dem geplanten Pier zum traurigen Ententeich schrumpfen.

Wie verheerend sich dieses grösste permanente Bauwerk der Stadt - das bei einer Breite von 50 Metern gut 250 Meter weit in den See vorstiesse und die Installationen für Kino- und Restaurationsbetrieb sowie Überdachung aufnehmen müsste - auf die Landschaft auswirken würde, lässt sich schon jetzt am Beispiel des neuen Jachthafens vor den Giardini Arp erahnen. - Das Ende Mai publizierte Projekt der «schwimmenden Piazza» wurde denn auch Mitte Juni auf der in Locarno unter dem Titel «Città e Festival» durchgeführten Jahresversammlung des Bundes Schweizer Architekten heftig diskutiert. Marco Solari, der Präsident des Filmfestivals, beanstandete zu Recht, dass die Piazza das Kapital von Locarno sei und niemals durch ein Konstrukt auf dem See ersetzt werden könne.

Wollte man, ausgehend vom Festival, die Stadt wirklich neu denken, so wäre nicht bei der Piazza anzusetzen, die ja - trotz oder gerade wegen ihrer Mängel - so beliebt ist, sondern beim lange schon herbeigesehnten Palazzo del Cinema. Diesen hätte man (ähnlich wie Rafael Moneos dem Festival von San Sebastián dienenden «Kursaal» oder das KKL) als weithin sichtbares architektonisches Zeichen eines neuen Locarno auf dem seit Jahren unbebauten, südlich der Schifflände am See gelegenen Ciseri-Luini-Areal errichten können. Doch statt offensiv in diese Richtung zu planen, wurde zugewartet: mit dem Ergebnis, dass nun ein Investor aus Melide auf dem ideal gelegenen Bauplatz zwei siebengeschossige Wohn- und Geschäftshäuser errichten wird - Bauten, die wohl wie das meiste, was hier jüngst realisiert wurde, kaum mehr als vorstädtisch anmutende Banalitäten darstellen werden.


Zerstörung eines Mythos?

Wenn nun die Piazza für die Tausende von Filmbegeisterten, die allabendlich unter freiem Himmel die Bilder über die 1971 von Vacchini kreierte Riesenleinwand flimmern sehen wollen, mitunter zu eng wird, so kann sie dadurch vielleicht sogar etwas von jener Exklusivität zurückgewinnen, die einst das Festival prägte, als die Wettbewerbsfilme noch im Park des «Grand Hôtel» gezeigt wurden. Dieser nach der Zerstörung der legendären Luxusherberge von Brissago letzte prominent gelegene Hotelpalast der Belle Epoque im Locarnese war der Ort, an welchem das Filmfestival von Locarno 1946 geboren und bis 1970 auch durchgeführt worden war. Seine monumentalen Treppen, seine mehrgeschossige Halle mit dem gigantischen Murano-Leuchter und seine üppig dekorierten Säle sahen Berühmtheiten von Marlene Dietrich über Pasolini bis hin zu den Stars aus Bollywood. Aber Geschichte geschrieben hatte das zwischen 1866 und 1876 nach Plänen von Francesco Galli und Luigi Fontana erbaute Haus schon mit der Konferenz von Locarno im Oktober 1925, als hier die wichtigsten Delegationen logierten. Und seine Kulisse bereichert bis heute das Filmfestival: Auf den Terrassen werden bald Empfänge durchgeführt, bald Interviews gegeben; und spät nachts - wenn die Projektoren verstummt sind - darf man hier bei einem Glas Champagner diskutieren oder flirten.

Heute, nach Jahren des leisen Niedergangs, umweht süsse Melancholie das einst so noble Haus. Deshalb erstaunte es wohl die Locarnesi kaum, als am 5. Juli der «Corriere del Ticino» ganz nüchtern titelte: «Grand Hôtel, demolizione in vista». Die Aussicht, dass dieser bis heute in Tessiner Besitz befindliche Bau, dessen Steine getränkt sind von Mythen und Geschichten, niedergewalzt und durch eine Altersresidenz, ein Luxuswohnhaus oder gar ein Einkaufszentrum ersetzt werden könnte, führte dann aber in der Tessiner Presse doch noch zu einem Sturm der Entrüstung. Während der Luganeser Historiker Francesco Mismirigo den Tessinern die Leviten las, forderte Corrado Kneschaurek, der Präsident der Tessiner Hoteliervereinigung, das Hotel möge nicht nur als architektonisches und gesellschaftliches Zeugnis einer Epoche, sondern auch in seiner Funktion erhalten bleiben. Locarnos Bürgermeister dachte laut über dessen Umbau zum Verwaltungssitz des geplanten Gross-Locarno nach, und andere Stimmen schlugen das vor einem Jahr noch zum neuen Kasino bestimmte Haus als Sitz der Tessiner Hotelfachschule oder als Festivalspalast vor. - Auch wenn es der Kanton verpasst hat, den bedeutenden Bau rechtzeitig unter Denkmalschutz zu stellen, so ist nun doch Bewegung in die Sache gekommen. Aber anders als in Lugano, wo sich weite Bevölkerungskreise erfolgreich gegen den Abriss des ruinösen «Palace», eines der ältesten Hotels der Schweiz, wehrten und gegenwärtig mit einer Petition die Zerstörung der wohl schönsten Villa von Americo Marazzi im einst von ihm als «Garden City» geplanten Montarina-Viertel kämpfen, verharrt Locarno weiterhin in Lethargie. Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass dem Filmfestival nicht nur die magischen Orte erhalten bleiben, sondern dass der angedrohte Abbruch des «Grand Hôtel» die Tessiner endlich auch für ihr Patrimonium des 19. und 20. Jahrhunderts sensibilisieren wird. Soll doch als Nächstes in Bellinzona ein stolzer Bau des Späthistorismus fallen: Enea Tallones exzentrischer Palazzo mit dem monumentalen Belvedere im immer stärker von Neubauten bedrängten Villenviertel rund um die Via Nizzola.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.08.05

18. Juli 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ökohäuser und wuchernde Höhlen

Das Bauen feiern andere Städte mit Biennalen oder Architektursommern. In Wien hingegen scheint sich ein permanenter Architekturmarathon einzurichten. Hier buhlen nämlich das Architekturzentrum, das Museum für angewandte Kunst, der Ringturm und bald auch die rundum erneuerte Albertina mit Baukunst um Besuchergunst.

Das Bauen feiern andere Städte mit Biennalen oder Architektursommern. In Wien hingegen scheint sich ein permanenter Architekturmarathon einzurichten. Hier buhlen nämlich das Architekturzentrum, das Museum für angewandte Kunst, der Ringturm und bald auch die rundum erneuerte Albertina mit Baukunst um Besuchergunst.

Wien ist, man weiss es, ein Museum, und dieses ist in Sachen Architektur lebendiger denn je. Neben den bekannten Sehenswürdigkeiten rückt immer mehr die vornehm-theatralische Ringstrasse mit den Prachtbauten von Ferstel, Hansen, Hasenauer oder Semper ins Zentrum des Interesses. Eine ähnliche Gründerzeit, wenn auch weniger pompös als die des späten 19. Jahrhunderts, erlebt die Donaumetropole gegenwärtig wieder. Sie offenbart sich in Verrücktheiten wie Hans Holleins Haas-Haus beim Stephansdom oder den von Jean Nouvel, Coop Himmelb(l)au und anderen umgebauten hundertjährigen Simmeringer Gasometern. Hinzu kommen städtebauliche Unternehmen wie die «Donau-City» oder das Hochhausprojekt «Wien Mitte», welches von der Unesco mit Verweis auf das Weltkulturerbe der Innenstadt bekämpft wird. Eine ähnliche Dynamik lässt sich auch auf dem Gebiet der Museumsarchitektur ausmachen: Spürt das von Jabornegg & Pálffy mit minimalistischer Präzision in den Untergrund der Stadt getriebene Museum Judenplatz der jüdischen Vergangenheit nach, so lädt die rundum erneuerte Albertina ein zur Besichtigung der ebenso klaren wie formsicheren Erweiterungen von Steinmayr & Mascher, der wunderbar restaurierten Kornhäusel-Säle und der von Hollein gestalteten Eingangspartie, deren skulpturales Flugdach allerdings noch etwas auf sich warten lässt.


Arme Architektur aus Frankreich

Wie eine riesige Bauplastik wirkt auch Volker Gienckes expressiv verwinkelter, mit Plexiglas umhüllter Red Room aus Fichtenholz, der - halb Bühne, halb schattiger Tunnel - noch bis zum 3. August zu begehen ist: und zwar im stets belebten Hof des aus dem Messepalast der beiden Fischer von Erlach hervorgegangenen Museumsquartiers. International ebenso beachtet wie die Neubauten von Ortner & Ortner (von denen der dunkle Schrein des Mumok einen Rundgang lohnt) wurde hier im Oktober 2001 das mit einem Himmel aus türkischen Kacheln versehene «Una»-Café des Architekturzentrums Wien (AzW) von Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal. Mit sparsamsten Mitteln veränderten die beiden stimmungsmässig das historische Raumgefüge, so dass ein Kultlokal entstanden ist, welches ganz nebenbei die orientalischen Wurzeln der Wiener Kaffeehauskultur erhellt.

Diesen Meistern einer «armen», kostengünstigen Architektur, deren ungeschminkt-roher Umbau des Palais de Tokyo zum Site de création contemporaine vor anderthalb Jahren nicht nur in Paris Aufsehen erregte, widmet das AzW zurzeit eine Retrospektive. Auf Stellwände aufgezogenes Text- und Bildmaterial sowie einige Videos veranschaulichen den architektonischen Kosmos von Lacaton & Vassal. Neben Projekten, bei denen sie fast ohne Eingriff den Geist des Ortes zu verdichten wissen, werden Billighäuser aus vorgefertigten Materialien präsentiert: eine von Meerkiefern durchwachsene Villa, welche sie für gut 120 000 Euro am Cap Ferret realisierten, ebenso wie ein Universitätsgebäude in Grenoble oder ein Bürohaus in Nantes, die beide kaum mehr als 3 Millionen Euro kosteten.

Entscheidend für die Karriere dieses Teams aus Bordeaux war die erfolgreiche Teilnahme an den «Albums de la Jeune Architecture» von 1991. Kurz darauf wurde dann dieser Nachwuchspreis des französischen Kulturministeriums gestrichen, um jüngst doch noch eine Renaissance zu erleben. Die Arbeiten der 16 Ausgezeichneten von 2002 sind bis zum 22. August in der Eingangshalle des Institut français an der Währinger Strasse 30 zu sehen. Vorgestellt werden unter anderem die Arteplage mobile du Jura der 35-jährigen Pariser Didier Faustino und Pascal Mazoyer, das über hohen Mauern als Glaskörper in Erscheinung tretende Gymnasium Cosec Ruffi in Marseille von Rémy Marciano oder Raphaëlle Hondelattes aufgeständertes Ökohaus am Cap Ferret.


Zaha Hadids wirbelnde Bauten

Während die Schau im Institut français mit wenig Aufwand viel Information vermittelt, setzt die mit barocker Rhetorik inszenierte Retrospektive der in London tätigen Irakerin Zaha Hadid im Museum für angewandte Kunst (MAK) auf optische Verführung. Schon in der grossen Eingangshalle wird man von der Installation «Ice- Strom» überwältigt: Diese höhlenartig wuchernde Wohnlandschaft der Zukunft bietet mit Ausnahme von Tischen und Liegen keine ebenen Flächen, so dass sich für Nippes wie das von Hadid entworfene Kaffeeservice zwar Nischen finden, für deren «Major Paintings» aber keine Wände. Daher nehmen diese Gemälde, die als «multiperspektivische Projektionen» weniger reale Bauten oder Projekte wiedergeben als vielmehr von Hadids aussergewöhnlichem räumlichem Vorstellungsvermögen zeugen, einen der drei grossen Seitensäle ein. Vom frühen, noch weitgehend Rem Koolhaas verpflichteten Eaton-Place-Entwurf über die legendäre Gruppe explosiver «Hong Kong Peak»-Darstellungen (die allein schon den Besuch der Schau rechtfertigen würden) bis hin zum Zentrum für zeitgenössische Kunst in Rom vermitteln diese gemalten Visionen zusammen mit einer Vielzahl von Modellen einen Eindruck von Hadids furioser Entwurfsstrategie. Abschliessend rücken grossflächige Fotos einige vollendete oder noch im Bau befindliche Werke wie die Innsbrucker Bergisel-Sprungschanze, das Contemporary Arts Center in Cincinnati oder das Science Center Wolfsburg ins Rampenlicht.

Berauscht von der spektakulären Zurschaustellung von Hadids höchst subjektiver und mithin nicht unumstrittener Architektur, die zweifellos einen Höhepunkt des Wiener Ausstellungssommers bedeutet, gelangt man auf dem internen Parcours vorbei an der permanenten Präsentation von Architekturmodellen des 20. Jahrhunderts (darunter Kieslers Endless House und Libeskinds Jüdisches Museum in Berlin) zur MAK-Galerie im prächtigen Ferstel-Bau. Dort werden noch bis zum 3. August unter dem enigmatischen Titel «Species - FOA's phylogenesis» die Bauten und Projekte des jungen, von der Iranerin Farshid Moussavi und dem Spanier Alejandro Zaera Polo gegründeten Londoner Büros Foreign Office Architects unter «stammesgeschichtlichen» Gesichtspunkten präsentiert. Ihr Versuch, «Stil und Autorschaft» zu überwinden, führt zu so unterschiedlichen Lösungen wie dem Projekt des aus schlaufenartig ineinander verwobenen Etagen bestehenden Azadi-Kinozentrums in Teheran, dem in den Himmel züngelnden Bundle-Tower-Entwurf für Ground Zero oder dem von einer wogenden Dachlandschaft dominierten, unlängst in Yokohama realisierten Fährterminal.


Von der Toskana zum «Architekturlaub»

Eine Gegenwelt zur modischen Exzentrik von FOA oder Hadid bildet die kleine Scarpa-Schau im Kunstblättersaal. Hier sind bis zum 14. September vom MAK erworbene Originalzeichnungen (darunter ein grossartiges Blatt für die Tomba Brion), Planpausen und kleine Holzmodelle zu sehen, welche Carlo Scarpas Zusammenarbeit mit dem Kunsttischler Saverio Anfodillo illustrieren. Brachte das Veneto mit Scarpa eine Jahrhundertfigur hervor, so ist ausserhalb Italiens die toskanische Architekturgeschichte des vergangenen Jahrhunderts - abgesehen vom Florentiner Hauptbahnhof (1934) des Gruppo Toscano um Giovanni Michelucci - kaum bekannt. Diese versucht nun eine Ausstellung im Ringturm zu erhellen, zu der Philip Johnsons Bauskulptur «Wiener Trio» von 1996 am Franz-Josefs-Kai den Weg weist. Auf einem Parcours, der vom Liberty genannten Jugendstil über Rationalismus, Neorealismus und Brutalismus bis in die Gegenwart führt, werden Hauptwerke der toskanischen Moderne gezeigt, die von avantgardistischen und ländlichen Einflüssen ebenso geprägt sind wie vom historischen Kontext. Dabei begegnet man Juwelen wie Micheluccis Autobahnkirche in Campi Bisenzio, Leonardo Saviolis Villa Taddei in Fiesole, aber auch Wohnmaschinen wie dem Triangolo in Pistoia oder den postmodernen Megastrukturen der einstigen Revolutionäre von Superstudio.

Durch die Toskana-Bilder etwas auf Ferien eingestimmt, wird man beim Schlagwort «Architekturlaub» hellhörig. Mit diesem will das AzW vom 24. Juli bis zum 1. September den in der Stadt Zurückgebliebenen neue Wiener Grossprojekte mittels «Sommer-Tours» und einer Ausstellung näherbringen. Mit solch kommerziell ausgerichteten und von Developern getragenen Veranstaltungen versucht sich dieses Haus, das im Juni sein zehnjähriges Bestehen feiern konnte, zu behaupten, wird doch sein Jahresetat von 2,9 Millionen Euro nur noch zur Hälfte von Stadt und Bund getragen. Verschärft wird die Situation des AzW zusätzlich durch die Konkurrenz unter den Ausstellungshäusern Wiens, die sich mit einem austauschbaren Angebot gegenseitig immer wieder auszustechen suchen.


[Zaha Hadid bis 17. August im MAK. Katalog: Zaha Hadid. Hrsg. Peter Noever. Hatje-Cantz-Verlag, Ostfildern-Ruit 2003. 192 S., Fr. 56.- (Euro 35.- in der Ausstellung). - Lacaton & Vassal bis 6. Oktober im AzW. Katalog: Lacaton & Vassal. Jenseits der Form. Architekturzentrum Wien, 2003. 72 S., Euro 4.40. - Architektur der Toscana bis 3. Oktober im Ringturm. Katalog: Architetture del Novecento. La Toscana. Hrsg. Ezio Godoli. Edizioni Polistampa, Florenz 2001. 342 S., Euro 41.50.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.07.18

08. Juli 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Stadt in der Stadt

Moshe Safdies neues Peabody Essex Museum in Salem

Moshe Safdies neues Peabody Essex Museum in Salem

Hört man den Namen Salem, so kommen einem - wenn überhaupt - die Hexenprozesse von 1692 in den Sinn. Selbst die Amerikaner besuchen das pittoreske Städtchen an der Küste Neuenglands in erster Linie wegen dessen dunkler Vergangenheit, die noch in den Werken von Nathaniel Hawthorne und Arthur Miller nachlebt. Dabei kann das 1626 von Roger Conant gegründete Gemeinwesen ausser mit kitschigen Hexensouvenirs auch mit einem bedeutenden historischen Baubestand aufwarten. Als dessen Kleinod darf das 1805 vollendete klassizistische Gardner- Pingree House des von Charles Bulfinch inspirierten Autodidakten Samuel McIntire gelten, das heute zur bedeutenden Sammlung historischer Bauten des Peabody Essex Museum gehört. Es spiegelt den einstigen Reichtum der Hafenstadt wider, die im späten 18. Jahrhundert internationale Handelsbeziehungen pflegte.

Neben Alltagsgütern aus aller Welt gelangten früh schon exotische Kostbarkeiten aus Asien, Afrika und dem pazifischen Raum nach Salem. Viele von ihnen gingen ein in den Besitz der 1799 von aufgeklärten Bürgern gegründeten East India Marine Society. Deren schnell wachsende Sammlung wird seit 1825 im Prunksaal der neu erbauten East India Hall präsentiert, welche heute gleichsam das Allerheiligste des Peabody Essex Museum (PEM) bildet. Obwohl im Jahr 1988 mit dem Asian Wing der Bostoner Architekten Kallmann, McKinnell & Wood ein grosser Annexbau eröffnet werden konnte, war es dem PEM kaum möglich, alle Highlights seines grandiosen, heute 2,4 Millionen Objekte umfassenden Kunstbesitzes auszustellen. Was lag also näher, als erneut eine Erweiterung zu planen, für die - Renovationen, Umgebungsarbeiten und ein Auditorium eingeschlossen - 125 Millionen Dollar zur Verfügung standen. Da die Parzelle für diesen Anbau östlich der bestehenden Museumsgebäude und nur einen Steinwurf von McIntires Gardner-Pingree House und anderen Baudenkmälern lag, war eine Architektur gefragt, die sensibel auf den Kontext reagierte. Die Wahl fiel auf das Projekt des heute 65-jährigen Bostoner Architekten Moshe Safdie, der 1967 mit seiner Habitat-Wohnpyramide auf der Weltausstellung von Montreal schlagartig bekannt wurde und von dem das in Form einer postmodernen Bergstadt am Sepulveda-Pass in Los Angeles errichtete Skirball Cultural Center oder die National Gallery in Ottawa stammen.

Für das PEM entwarf Safdie mit einigem Geschick zwei neue Baukörper, die er durch einen glasüberdachten, aus zwei «Gassen» und einer zentralen Plaza bestehenden Freiraum von den bestehenden Museumsgebäuden trennte, und schuf so gleichsam eine Stadt in der Stadt. Der grössere, nach Osten orientierte Bau besteht aus einer Zeile von fünf leicht abstrahierten und sich so klar von den Altbauten der Umgebung unterscheidenden Giebelhäusern aus roten Ziegeln. Ihm ist nach Südwesten ein weiterer Ziegelbau vorgelagert, an welchen ein jüngst aus China importiertes, «Yin Yu Tang» genanntes Kaufmannshaus anschliesst, das die hervorragende China-Sammlung im PEM um ein in den USA einmaliges Gebäude aus der Qing-Zeit abrundet.

Die lichtdurchflutete Atmosphäre auf der internen Plaza, wo sich Kasse und Café befinden, stimmt ein auf den Rundgang durch die Sammlungen chinesischen und japanischen Kunsthandwerks, ostasiatischer und indischer Exportkunst, afrikanischer und südpazifischer Idole, architektonischer Modelle sowie historischer Photographie und zeitgenössischer Malerei aus Asien. Diese sind im Altbau sowie im Erdgeschoss der vor wenigen Tagen eingeweihten Erweiterungsbauten untergebracht. Darüber befindet sich im Obergeschoss des grösseren Neubaus eine frei unterteilbare Galerie von 1500 Quadratmetern Fläche für temporäre Ausstellungen, von der aus man über Brücken zurück in den Altbau gelangt. Die Eröffnungsschau befasst sich unter dem Titel «Traverse Time, Place, Culture» mit dem Crossover von Zeiten und Kulturen und reicht inhaltlich von kaiserlichen Rollbildern bis zu heutigen Familienbeziehungen. Auch wenn Safdies Erweiterung architektonisch nur gehobenen Durchschnitt bietet, kann sich dank ihm das PEM mit seinen umfassenden Sammlungen in der amerikanischen Museumslandschaft ganz neu positionieren.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.07.08



verknüpfte Bauwerke
Peabody Essex Museum - Erweiterung

04. Juli 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Monumentale Wohnmaschine

Die amerikanische Campus-Landschaft ist eines der letzten Refugien innovativer Architektur in den USA. Der New Yorker Steven Holl, ein Hauptvertreter der mittleren Architektengeneration, hat nun auf dem Gelände des MIT in Cambridge bei Boston ein monumentales Studentenwohnhaus errichtet, das neue Massstäbe setzt.

Die amerikanische Campus-Landschaft ist eines der letzten Refugien innovativer Architektur in den USA. Der New Yorker Steven Holl, ein Hauptvertreter der mittleren Architektengeneration, hat nun auf dem Gelände des MIT in Cambridge bei Boston ein monumentales Studentenwohnhaus errichtet, das neue Massstäbe setzt.

Die Zeiten sind schwierig, auch in den USA, wo selbst schwache Aufwärtsbewegungen der Börsenindizes in breiten Bevölkerungsschichten mit Erleichterung zur Kenntnis genommen werden. Dessen ungeachtet erlebt das Land - ganz offensichtlich kaum gebremst durch die Katastrophe des 11. Septembers - einen Bauboom. Rund um den farblich und formal etwas hysterisch geratenen Hotelturm von Arquitectonica beim Times Square und um die gläsernen «Twin Towers» von SOM am Columbus Circle schiessen in New York derzeit Wolkenkratzer, zu denen sich bald das Times-Hochhaus von Renzo Piano gesellen dürfte, wie Pilze aus dem Boden. Spannender als diese Spekulationsbauten sind aber neue architektonische Statements, wie sie sich in Manhattan bisher erst in einigen trendigen, die neusten Strömungen reflektierenden Lokalen manifestieren: etwa dem jüngst realisierten Flagship Store von Asymptote im ebenso fashionablen wie übel riechenden Meat Packing District.


Halb Schwamm, halb Bienenwabe

Auch wenn nun voraussichtlich Diller & Scofidio, die nicht mehr ganz jungen Shootingstars der amerikanischen Architekturszene, welche sich als Expo-Wolkenbauer von Yverdon einen Namen machten, mit dem Eyebeam-Projekt das wohl seit langem bedeutendste Gebäude von New York verwirklichen können, muss man interessante Bauten weiterhin in der Provinz suchen: Vor wenigen Wochen konnte auf dem Campus des Bard College Frank Gehrys Fisher Center for the Performing Arts und Anfang Juni Zaha Hadids Contemporary Arts Center in Cincinnati (NZZ 2. 6. 03) eingeweiht werden. In der «Hexenstadt» Salem wurde dann Mitte Monat Moshe Safdies Erweiterung des über grandiose Ostasiatica- und Americana-Sammlungen verfügenden Peabody Essex Museum eröffnet; und zwanzig Kilometer südlich von Salem, an Bostons Outer Harbor, soll demnächst ein ins Hafenbecken auskragendes Museum für zeitgenössische Kunst - wiederum von Diller & Scofidio - entstehen. Bereits im letzten Herbst konnte auf dem Campus des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston nach vier Jahren Planungs- und Bauzeit die monumentale Wohnmaschine der Simmons Hall von Steven Holl bezogen werden.

Geht man auf der den Charles River querenden Harvard Bridge von Bostons viktorianisch noblem Back-Bay-Viertel hinüber zum nüchtern- industriell anmutenden MIT-Campus, so nimmt man hinter Alvar Aaltos langgezogenem Baker House drei wabenartige Türme wahr, die mit ihren vielen Öffnungen geradezu gigantisch wirken. Der Eindruck wird nicht lieblicher, wenn man sich auf der schier endlos langen Vessar Street diesem architektonischen Konglomerat weiter nähert, das sich allmählich als eine zusammenhängende Megastruktur entpuppt: Die Grösse dieser futuristisch anmutenden vertikalen Stadt lässt sich nur schwer schätzen, täuscht doch der aus über 5000 Öffnungen bestehende Fensterraster des porösen, an einen industriell gefertigten Schwamm erinnernden Baukörpers zunächst ein dreissigstöckiges Haus vor. In Wahrheit aber sind es nur zehn Geschosse, denn jeweils drei übereinander liegende Fensterreihen bilden zusammen ein Stockwerk. Grosse Ausstanzungen in der Gebäudescheibe verleihen dem Bau etwas Enigmatisches. Sie lassen von weitem nicht nur den Eindruck von drei gestaffelten Türmen entstehen, sondern erinnern auch an das unbequeme, aber ganz dem amerikanischen Architekturdiskurs der letzten Jahre verpflichtete Wettbewerbsprojekt für Ground Zero von Holl, Richard Meier und Peter Eisenman. Dessen völlig abstrakte doppelte H-Form wurde entschieden von Steven Holl, dem 1947 geborenen Vordenker der mittleren New Yorker Architektengeneration, geprägt.


Hybride Architektur

Mit seiner «Pamphlet Architecture» hatte sich Holl schon vor 25 Jahren als Streiter für eine neue architektonische Kultur, die sich gegen ein immer kommerzieller werdendes Bauen richtete, exponiert. Überzeugten seine bisher bekanntesten Bauten, das Kiasma-Museum in Helsinki und die Ignatius-Kapelle in Seattle, als komplexe skulpturale Inszenierungen von Licht und Raum, so scheint die Simmons Hall mit ihrer aus grauen aluminiumverkleideten Betonelementen bestehenden Fassade auf den ersten Blick einem streng minimalistischen Neuklassizismus verpflichtet zu sein. Doch die Rigorosität der tragenden Gebäudehülle wird gemildert durch amöbenartige Durchbrüche, die innenräumliche Verwandlungen nach aussen dringen lassen, und durch farbige Fensterlaibungen. Diese schillern - je nach den Kräften, welche die tragenden Betonelemente aushalten müssen - von Rot bis Blau und vereinen auf diese Weise naturwissenschaftliche Anschaulichkeit mit künstlerischer Kreativität. Neben dieser fast schon didaktischen Visualisierung eines ingenieurtechnischen Aspektes finden sich auch architektonische Bezüge - etwa zum vor 20 Jahren vollendeten, von einer quadratischen Öffnung durchbrochenen Apartmenthaus «Atlantis» von Arquitectonica in Miami und mehr noch zu Holls eigener Nexus-World-Wohnsiedlung in Fukuoka, die bereits 1991 mit aluminiumverkleideten Fassaden und Auskerbungen überraschte.

Die «hybride» Architektur der Simmons Hall, in der sich japanische Kargheit, Minimalismus und Expressivität, Blockhaftigkeit und organische Form, revolutionäre Rhetorik und baukünstlerische Freiheit zu einem faszinierenden Amalgam vereinen, bietet einen bemerkenswerten Kontrast zur lyrisch geschwungenen Fassade des 1948 für eine ähnlich grosse Studentenzahl konzipierten Baker House von Alvar Aalto. Dennoch scheint sich Holl in Cambridge ausser mit Le Corbusiers Idee der Wohnmaschine auch mit Aaltos Humanität auseinandergesetzt zu haben, findet man hier doch beide Einflüsse eng verflochten.


Dreidimensionales Labyrinth

Betritt man das Gebäude an seiner Südostecke, so erweist sich die fast schon bedrohliche Megastruktur im Innern geradezu als sanft. Die kleine Lobby wandelt sich sogleich in eine zweigeschossige Architekturlandschaft: Hinter einer schräg gewellten, fleckig mit Zement verputzten Wand verbirgt sich ein Mehrzwecksaal mit 125 Plätzen, während geradeaus eine gut zwei Meter breite interne Strasse durch das 100 Meter lange Gebäude führt - vorbei an Aufenthaltsbereichen und einem Restaurant. Eine Treppe schlängelt sich vom Eingang aus hinauf in den ersten Stock, wo der sich über neun Etagen ausbreitende Wohnbereich der Studenten beginnt. Die 155 Einzel- und 95 Doppelzimmer, die jeweils über eigene Toiletten und Bäder verfügen, muten wegen der aus einem «Gitter» von drei mal drei beziehungsweise drei mal sechs Öffnungen bestehenden Fensterfronten wie Zellen an. Der spartanische Eindruck dieser Räume, in denen nur gearbeitet und geschlafen werden soll, wird noch unterstützt durch graue Betonwände, helle Sperrholzmöbel und Kajütenbetten. Umso grosszügiger wirkt dagegen der gemeinschaftliche Bereich: Überbreite Flure weiten sich immer wieder zu mehrgeschossigen, höhlenartigen Gemeinschaftsbereichen, die sich durch unregelmässige Fensteröffnungen auf der Fassade abzeichnen. Das labyrinthartige Ineinanderfliessen orthogonaler Geschossebenen und organischer Zwischenräume, welches durch die äusseren Einkerbungen noch verstärkt wird, soll die aus wissenschaftlicher und sozialer Sicht erwünschten zwanglosen Begegnungen unter den Studenten fördern.

Fand Holl in den letzten Jahren von anfänglich noch stark neokubistisch inspirierten zu weicher fliessenden Raumsequenzen, so zeugen die heiter beschwingten, an die Ohrmuscheln eines Riesenwesens erinnernden Gemeinschaftsbereiche der Simmons Hall von einem wachsenden Interesse an computergenerierten Formen, wie sie von Greg Lynn oder Hani Rashid, zwei Hauptexponenten der zurzeit modischen Blob-Architektur, propagiert werden. Holl spielt hier aber auch - ähnlich wie Gehry, der seinem Berliner Bankenkubus am Pariser Platz ein geheimnisvoll verformtes Interieur einverleibte - äusserst geschickt mit dem Gegensatz von Innen- und Aussenwelt.

Gleichwohl ist die Grossform der Simmons Hall weit entfernt von Bauten wie Gehrys Stata- Center, das zurzeit am zentralen Kendall Square entsteht. Während Gehrys wirbelnde Baukörper aus Klinker, Zinkblech und zurzeit noch sichtbaren Verschlingungen aus rostigen Stahlträgern den Eindruck eines leicht frivolen Déjà-vu vermitteln, hat Holl ein architektonisches Bild geschaffen, das ganz neu und unverbraucht wirkt. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die Finanznöte, die mittlerweile auch das renommierte MIT quälen, nicht zur Sistierung von Holls Projekt für weitere Studentenhäuser an der Vessar Street führen werden - wie dies unlängst schon mit dem Entwurf des japanischen Altmeisters Fumihiko Maki für eine Erweiterung des Media-Lab-Gebäudes geschehen ist. Denn nicht nur der Ruf nach mehr Wohnmöglichkeiten auf dem MIT-Campus, wo gerade einmal 40 Prozent der Studierenden logieren können, wird immer lauter: Die Eliteschule könnte durchaus auch etwas mehr Alltagsleben vertragen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.07.04



verknüpfte Bauwerke
Simmons Hall

04. Juli 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine leuchtende Krone für die Hafencity

Mit mehr als 170 Ausstellungen, Symposien und Führungen begeht Hamburg den vierten Architektursommer, in dessen Zentrum seit kurzem ein Projekt von Herzog & de Meuron für eine neue Philharmonie über dem Kaispeicher in der Hafencity steht.

Mit mehr als 170 Ausstellungen, Symposien und Führungen begeht Hamburg den vierten Architektursommer, in dessen Zentrum seit kurzem ein Projekt von Herzog & de Meuron für eine neue Philharmonie über dem Kaispeicher in der Hafencity steht.

Architektur ist populär und zieht seit Jahren schon die Leute an. Es waren aber nicht allein touristische Überlegungen, die 1994 in Hamburg zur Durchführung des ersten Architektursommers führten. Vielmehr wollte das breit abgestützte Organisationskomitee in der Bevölkerung gleichermassen ein Bewusstsein für baukünstlerisches Erbe wie für niveauvolles Bauen fördern. Wie erfolgreich sich architektonische Qualität inzwischen in der Hansestadt durchsetzt, demonstriert eine «Perlenkette» von gelungenen, wenn auch nicht überragenden Neubauten am nördlichen Elbufer, welche 1992 mit dem Fährterminal von William Alsop ihren Anfang nahm und heute über den Speicherumbau von Jan Störmer und das Holzhafengebäude von Kees Christiaanse bis hin zum Elbberg-Haus von Bothe, Richter, Teherani und zu den Neumühlenbauten von Antonio Citterio oder Massimiliano Fuksas reicht.


Übersättigung und Routine

Diesen positiven Resultaten und einem stolzen Veranstaltungsprogramm zum Trotz droht der Hamburger Architektursommer, der in seiner vierten Ausgabe noch bis in den Spätherbst dauert, allmählich Routine zu werden. Unter dem diffusen Motto «Wege der Moderne» finden rund 70 Ausstellungen sowie mehr als 100 Symposien und Führungen statt, die aber jeden übergeordneten Zusammenhang vermissen lassen. Neben einer Handvoll Hauptausstellungen, zu denen sich demnächst eine Übersicht über «Architektur made in Hamburg», eine Behnisch-Retrospektive sowie - Ende September - eine Fritz-Höger- und eine Bernhard-Hermkes-Schau gesellen, stehen so unterschiedliche Angebote wie «Visionen am Wasser», «Concrete Age» oder «Bollywood versus Slumbay» zur Auswahl. Symptomatisch für dieses zwischen Übersättigung und - vorübergehender? - Erlahmung oszillierende Unterfangen ist jedoch auch die Tatsache, dass die vom Museum für hamburgische Geschichte pompös mit «Exponaten aus aller Welt, von Zeichnungen Le Corbusiers bis hin zum digitalen Erlebnis der Megastadt Schanghai» angekündigte Ausstellung «Der Traum von der Stadt am Meer» kurzfristig auf den Herbst verschoben wurde.

Für kleinere Enttäuschungen sorgen aber auch einige der bereits eröffneten Ausstellungen. Die schon im letzten Sommer in Berlin gezeigte «Neue Deutsche Architektur» etwa skizziert im Kunsthaus Hamburg ein recht fades Bild des Baugeschehens zwischen Rhein und Ostsee. Von Sauerbruch & Hutton, den wohl interessantesten Vertretern der mittleren Generation, wird das noch unvollendete Umweltbundesamt in Dessau vorgestellt; und das Stadthaus Scharnhauser Park des begabten Nachwuchsarchitekten Jürgen Mayer H. sucht man vergeblich. Aufschlussreich ist in dieser Schau immerhin, dass Deutschland auf dem Gebiet des Sakralbaus mit bemerkenswerten Lösungen - der Dresdner Synagoge von Wandel Hoefer Lorch & Hirsch, der Herz-Jesu-Kirche in München von Allmann Sattler Wappner oder Peter Kulkas Haus der Stille in Meschede - aufwarten, aber abgesehen von Hans Kollhoffs Klinkerturm am Potsdamer Platz kaum mit metropolitanen Gesten überzeugen kann. Dennoch ist diese Übersicht, die ganz gleichförmig Farbfotos, Pläne und Modelle zeigt, in ihrer Inszenierung nicht unattraktiv. Die mit wunderbarem Originalmaterial bestückte und von einem schönen Katalog begleitete Retrospektive des einst in Frankreich, Hamburg und den USA tätigen Architekten und Gartenbauers Joseph Ramée (1764-1842) hingegen ist im prachtvollen Rahmen des klassizistischen Jenisch-Hauses so sperrig ausgefallen, dass man beispielsweise kaum herausfindet, welche Werke an den Elbhängen zwischen Altona und Blankenese noch erhalten sind.

Umso klarer wirkt dann die Ausstellung von Werner Kallmorgen (1902-1979), die in einem seiner Hauptwerke präsentiert wird: dem ebenfalls im Jenisch-Park gelegenen Ernst-Barlach- Haus. Vom nüchternen Modernisten Kallmorgen stammen neben den edlen Interieurs der wiederaufgebauten Theater in Hamburg, Hannover und Kiel auch das kantige «Spiegel»-Hochhaus sowie ein glücklicherweise nicht realisiertes Stadtautobahnkonzept. Seiner Liebe zur «lustigen Architektur der 1880er Jahre» verdankt Hamburg jedoch nicht zuletzt den historisch korrekten Wiederaufbau der Speicherstadt. Neben einigen Neubauten, die sich harmonisch in den historischen Kontext dieses stimmungsvollen Quartiers eingliedern, konnte er auch den prominent am Kaiserhöft das innere Hafenbecken beherrschenden, ebenso minimalistischen wie expressiven Kaispeicher errichten. Dieser trapezförmige Kubus soll nun dem geknickten Glasturm des Mediacityports von Benthem Crouwel weichen. Das umstrittene Projekt kann in der vor Ort im Kaispeicher eingerichteten Ausstellung «Atelier Hafencity» studiert werden - zusammen mit Entwürfen anderer Architekten für Wohn- und Bürohäuser, welche demnächst am Sandtorkai als Variationen der kubischen Stadtvilla realisiert werden.


Ein Wahrzeichen für Hamburg

Der Eröffnung dieser im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Hafencity aufschlussreichen Veranstaltung wurde Ende Juni die Schau gestohlen von einer Pressekonferenz, an der eine den Architektursommer belebende Sensation vorgestellt werden konnte: das Projekt für eine neue, als gläserne Krone über Kallmorgens Kaispeicher schwebende Philharmonie von Herzog & de Meuron. Unzufrieden mit der Tatsache, dass mit dem Mediacityport ein rein kommerzielles Projekt Kallmorgens Baudenkmal ersetzen und fortan das neue Herz Hamburgs markieren soll, entwickelte eine Investorengruppe die Idee, den unbequemen Speicherbau in ein Musikgebäude umzuwandeln, für welche sie die in der Umnutzung wertvoller Bausubstanz erfahrenen Basler Architekten gewinnen konnte. Diese entwarfen eine zeltartig leicht wirkende Aufstockung, die den Altbau in einen nahezu 100 Meter in den Himmel über Hamburg ragenden «Leuchtturm» und damit in ein weithin sichtbares Wahrzeichen verwandelt.

Die Finanzierung des auf 40 Millionen Euro veranschlagten Umbaus, der eine Konzerthalle mit rund 2300 Plätzen und einen Kammermusiksaal für mehr als 500 Zuhörer umfassen soll, ist offensichtlich schon gesichert, so dass die Stadt nur den Boden und den Kaispeicher beizusteuern hätte. Denkmalpflegerische Überlegungen sprechen ebenso für dieses Projekt wie die Tatsache, dass wegen des dramatisch grossen Leerbestands an Büroraum selbst in besten Innenstadtlagen zurzeit wohl kaum Interessenten für den neuen Mediacityport gefunden werden könnten. Schwierigkeiten verursachen könnte allenfalls der Umstand, dass für den Mediacityport ein grosser internationaler Wettbewerb durchgeführt wurde, während das Philharmonie-Projekt als Direktauftrag vergeben wurde. Doch machte der suggestive Entwurf der Basler Baukünstler auf einen Schlag die Dürftigkeit der Wettbewerbsergebnisse für den Mediacityport deutlich.

Neben dieser eng mit Hamburgs künftiger Position im Wettstreit der Metropolen verknüpften Diskussion um die Umgestaltung der Hafenzone, die sich in der Dauerausstellung zur Hafencity im ehemaligen Kesselhaus der Speicherstadt vertiefen lässt, bietet der Architektursommer noch einen anderen Höhepunkt: die grosse, vom Louisiana-Museum in Humlebæk übernommene Arne-Jacobsen-Retrospektive. Dieser Publikumsmagnet in den Deichtorhallen zeigt den ganzen kreativen Kosmos des genialen Dänen - die malerischen Anfänge ebenso wie den Triumph der Moderne im Meerbad Klampenborg, die Gesamtkunstwerke des Rathauses von rhus, des SAS- Hotels und der Nationalbank in Kopenhagen oder die grossartigen Innovationen auf dem Gebiet des Möbeldesigns.


[Die besprochenen Ausstellungen enden alle zwischen dem 24. August und dem 28. September. Sie sind von gut bis vorzüglich gemachten Katalogen begleitet, die zwischen 20 und 40 Euro kosten (Information: www.architektursommer.de).]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.07.04

13. Juni 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur als Gesamtkunstwerk

Der 1803 in Hamburg geborene Baukünstler Gottfried Semper sicherte sich architekturgeschichtlichen Ruhm mit Bauten in Dresden, Zürich, Winterthur und Wien, aber auch mit seinen bis heute nachwirkenden theoretischen Schriften. Nun würdigt eine grosse Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne sein vielseitiges Schaffen.

Der 1803 in Hamburg geborene Baukünstler Gottfried Semper sicherte sich architekturgeschichtlichen Ruhm mit Bauten in Dresden, Zürich, Winterthur und Wien, aber auch mit seinen bis heute nachwirkenden theoretischen Schriften. Nun würdigt eine grosse Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne sein vielseitiges Schaffen.

Als der grösste deutsche Architekt des 19. Jahrhunderts nach Schinkel wird Gottfried Semper (1803-1879) gern bezeichnet. Gleichwohl tun wir uns mit seinen Bauten schwer. Denn anders als in den Klassizisten Klenze oder Schinkel und anders als in Theophil Hansen, seinem rationalistischen Wiener Gegenpol, sehen wir in Semper, der angetreten war, die Tradition der als «Verfallsform» bezeichneten Renaissance wiederzubeleben, einen Hauptexponenten barocker Theatralik. Der schwelgerische Pomp der von ihm und Carl Hasenauer entworfenen Architektur des Wiener Kaiserforums ist uns heute fremd, und selbst seine «demokratischen» Zürcher Bauten wirken auf uns - verglichen etwa mit Gustav Albert Wegmanns einfach-klarer alter Kantonsschule - gravitätisch. Einzig die malerisch-asymmetrisch komponierte, «wahrlich poetische» Zürcher Sternwarte, der Winterthurer Rathaus-Tempel oder die ländliche Villa Garbald in Castasegna offenbaren einen schlankeren, «moderneren» Semper.


Theorie und Theatralik

Unsere Schwierigkeit mit diesem genialen Baukünstler kann zumindest teilweise aus dessen sich zwischen höfischer Karriere und Exil bewegendem Schicksal erklärt werden. Das während der unfreiwilligen Mussestunden in der Fremde angelegte und in Zürich vollendete Theoriegebäude wirkte auf den Gebieten der Typologie, des Kontextualismus, vor allem aber bezüglich des «Prinzips der Bekleidung» (und der daraus hervorgegangenen modernen Trennung von Konstruktion und Hülle) weiter bis in die Gegenwart. So konnte Harry Francis Mallgrave 1996 in seiner wegweisenden Semper-Monographie feststellen, dass sich in der Rezeption von Sempers Werk «ein Spalt öffnete (. . .) zwischen seinen stets gedankenvollen und scharfsichtigen künstlerischen Analysen und seinen historistischen Bauten, denen man nunmehr wenig Interesse entgegenbrachte». Dies nicht zuletzt wegen Sempers Neigung zum überschwänglichen Dekor, der anders als das «Schmucklose und Kahle» der von ihm kritisierten Klassizisten bei den Heroen der Moderne nur auf Ablehnung stossen konnte.

Mallgraves ganzheitlich ausgerichtete Forschungen ermöglichten eine neue Sicht dieses «Michelangelo des 19. Jahrhunderts», dessen Lehre gerade in der Schweiz über die Semper- Schule nachhaltig weiterwirkte. Das neue Interesse an Semper wird nun im Hinblick auf dessen 200. Geburtstag am 29. November durch eine grosse, vom Institut «gta» der ETH, die Sempers kostbaren Nachlass verwaltet, und dem Architekturmuseum der TH München organisierte Ausstellung vertieft, welche soeben in der Münchner Pinakothek der Moderne eröffnet wurde und Ende Jahr auch in Zürich zu sehen sein wird. Sie präsentiert Sempers Werk anhand kostbarer Pläne, Zeichnungen, Modelle sowie historischer Dokumente und Fotos in einer chronologisch- thematischen Abfolge, die allerdings das Theatralische etwas allzu sehr betont.

Schon die frühen Aquarelle antiker Tempel und der erste architektonische Entwurf für den Donner-Pavillon in Hamburg zeigen den 30-jährigen Semper als künstlerisch und entwerferisch reife Persönlichkeit. Dabei hatten seine von Ausschweifungen und Raufereien geprägten Lehr- und Wanderjahre in Göttingen, München, Paris, Italien und Griechenland kaum eine grosse Karriere ahnen lassen. Doch dann wurde er im Mai 1834 dank seinem Pariser Lehrer Franz Christian Gau und aufgrund seiner Beiträge zur damals hochbrisanten Diskussion der Polychromie antiker Bauten als Architekturprofessor an die Kunstakademie in Dresden berufen. Hier konnte er neben kleineren Arbeiten (darunter ein Schlüsselwerk der Synagogenarchitektur) zwei Bauten realisieren, die seinen Ruhm begründeten: das von römischen Vorbildern hergeleitete, zur Stadt mit einem Halbrund in Erscheinung tretende Hoftheater und die Klenzes Münchner Pinakothek verpflichtete Gemäldegalerie, die beide urbanistisch überzeugend in den sensiblen Kontext von Zwinger und Schlosskirche integriert wurden.


Demokratie und Neuabsolutismus

Nach dem gescheiterten Dresdner Mai-Aufstand von 1849, an dem er und Richard Wagner sich beteiligt hatten, floh der steckbrieflich gesuchte Semper über Paris nach London, wo er anlässlich der Weltausstellung 1851 in Paxtons Kristallpalast einige Länderkojen gestalten und ausgiebige Grundlagenforschung für seine Schriften treiben konnte, die während der Zürcher Jahre in der epochalen, das deutsche Geistesleben prägenden Kulturtheorie «Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten» kulminieren sollten. Dass Semper 1855 nach Zürich berufen wurde und dort die Architekturabteilung am neu gegründeten Polytechnikum aufbauen konnte, verdankte er nicht zuletzt seinem Freund Wagner. Hier gelang ihm mit der «Stadtkrone» des Polytechnikums, in der sich Kunst und Wissenschaften programmatisch vereinigen, ein Hauptwerk der historistischen Architektur. Der Burg des Wissens folgte mit dem Winterthurer Rathaus sein schönster Bau: ein Tempel der Demokratie: In diesem fand Semper auf der Suche nach dem Ausgleich aller Kräfte zu einer ebenso klassischen wie theoretisch komplexen Lösung, in der sich die Erkenntnisse des «Stils» niederschlugen.

In der «Republik der Vielregiererei» fühlte sich Semper aber nicht lange glücklich. Musste er doch sein Projekt für den neuen Zürcher Hauptbahnhof ebenso scheitern sehen wie die wohl in der Tradition der Villa Laurentium konzipierte Vision des neurömischen Rieter-Palasts am Zürichsee oder den Entwurf für die urbanistisch von der Piazza San Marco angeregte Neuanlage des Zürcher Kratzquartiers, das als «demokratisches Forum» zum stimmigsten historistischen Ensemble Europas hätte werden können. Umso lieber setzte Semper daher auf die alte Allianz zwischen Herrscher und Architekt (von der noch Le Corbusier träumte) und plante für Ludwig II. in München ein städtebaulich monumental angelegtes Wagner-Festspielhaus. Doch das zukunftsweisende Projekt, das auf dem refüsierten Wettbewerbsentwurf für eine Oper in Rio de Janeiro (1858), aber auch auf Wagners Theatervorstellungen basierte, blieb unrealisiert. Als dann im September 1869 das Dresdner Hoftheater niederbrannte, drängte Semper darauf, den Bau im «barocken» Hochrenaissance-Stil seines Münchner Entwurfs samt Exedra und von Dionysos gelenkter Pantherquadriga wiederaufzubauen.

Diese theatralisch überhöhte Formensprache entwickelte er in Wien weiter, wo er - 1869 zum Gutachter des grossen Museumswettbewerbs berufen - bald schon Franz Joseph von der Notwendigkeit eines Kaiserforums überzeugen konnte, das die von Hasenauer entworfenen und von Semper überarbeiteten Museen für Kunst und Natur, die Neue Hofburg sowie das Burgtheater umfasste. Dass Semper in Wien das Glück nicht fand, lag wohl weniger an den Intrigen seines ehrgeizigen Kollegen als vielmehr an der Hybris seines neuabsolutistischen Projekts. Nach Sempers überstürztem Verlassen Wiens wurden die «kolossalen Pläne für einen zusammenstürzenden Staat» (Wagner) von Hasenauer überarbeitet, so dass sich Sempers Anteil an den ausgeführten Bauten bis heute nicht exakt bestimmen lässt.

Der fulminanten Ausstellung gelingt es, den reichen Kosmos von Sempers architektonischem Gesamtkunstwerk mit überbordender Eloquenz zu veranschaulichen. Gleichzeitig entpuppt sich der sie begleitende, mit einer Vielzahl von Dokumenten und Klaus Kinolds präzisen Fotos prachtvoll illustrierte Katalog, der zusätzlich Gewicht erhält durch ein umfassendes Werkverzeichnis, als eine Fundgrube des Wissens. Feiert man Semper in München mit bayrischer Lust am Festlichen als Genius der Architektur, so wird sich hoffentlich dann Zürich seinem Œuvre nochmals anders, nämlich aus demokratisch-puritanischer Warte, annähern.


[Bis 31. August in München, anschliessend vom 1. November bis 25. Januar 2004 im Museum für Gestaltung in Zürich. Katalog: Gottfried Semper. 1803-1879. Hrsg. Winfried Nerdinger und Werner Oechslin. Prestel-Verlag, München, und gta-Verlag, Zürich, 2003. 517 S., Fr. 112.- (Euro 38.- in der Ausstellung).]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.06.13

06. Juni 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kunstvolle Brückenschläge

Die schweizerische Ingenieurbaukunst ist international bekannt für technische und künstlerische Qualität. Einen Überblick von ihren theoretischen Anfängen an der ETH unter Culmann und Ritter bis hin zu Christian Menns raffinierten Brückenbauten gibt nun eine kleine, von einem neuen Standardwerk begleitete Ausstellung in Princeton.

Die schweizerische Ingenieurbaukunst ist international bekannt für technische und künstlerische Qualität. Einen Überblick von ihren theoretischen Anfängen an der ETH unter Culmann und Ritter bis hin zu Christian Menns raffinierten Brückenbauten gibt nun eine kleine, von einem neuen Standardwerk begleitete Ausstellung in Princeton.

Amerika ist ein Land der Brücken. Sie verbinden die Ufer der fjordartigen Buchten an der Ost- und Westküste, aber auch der riesigen Ströme des Mittelwestens. Bald staunt man über altehrwürdige Meisterwerke der Ingenieurkunst, dann wieder entsetzt man sich darüber, wie heutige Zweckbauten schöne Landschaften verschandeln. Im späten 19. Jahrhundert, einer der glorreichsten Zeiten des Ingenieurwesens, war das noch anders. Damals sahen die Amerikaner in den Brücken Symbole einer zweiten, technischen Eroberung ihres weiten Landes und in Brückenbauern wie John Roebling, dem Schöpfer der Brooklyn Bridge, oder Gustav Lindenthal, der von einer gigantischen Brücke über den Hudson River träumte, moderne Helden.

Anlässlich der Weltausstellung von 1893 in Chicago bereiste der Baustatiker Karl Wilhelm Ritter (1847-1906) die USA, um den Geheimnissen der amerikanischen Brückenbauten auf die Spur zu kommen. Sein neues Wissen brachte er in Form von Skizzen, Notizen und der 1894 erschienenen Publikation «Der Brückenbau in den Vereinigten Staaten Amerikas» an die noch junge ETH zurück, wo es von seinen Schülern - allen voran von Othmar Ammann (1879-1965) aus Schaffhausen und dem Berner Robert Maillart (1872-1940) - begierig aufgenommen wurde. Dieser sollte der Welt bald schon mit seinen Schweizer Brückenschlägen zeigen, zu welch technischer Schönheit sich Beton - etwa in der formvollendeten Salginatobelbrücke - zwingen liess. Ammann hingegen wanderte 1904 nach New York aus, wo er von Lindenthal in die neusten Praktiken des Baus grosser, stählerner Hänge- und Fachwerkbrücken eingeweiht wurde. Als oberster Brückeningenieur der New Yorker Port Authority und später in eigener Regie schuf er als Neuerer (ähnlich wie der Genfer William Lescaze im Hochhausbau) seit 1925 so innovative Werke wie die ideal proportionierte George Washington Bridge (1931) und die Verrazano Narrows Bridge (1964), deren stark vereinfachte Pylonen uns heute wie Riesenobjekte der Minimal Art erscheinen, war aber auch beratend am Bau der formal konservativeren, ihrer Lage wegen jedoch unvergleichlichen Golden Gate Bridge beteiligt.

Jahrzehnte nach Ammanns statisch und künstlerisch gleichermassen überzeugenden Arbeiten konnte unlängst in Boston erneut eine gewagte Brückenkonstruktion helvetischer Provenienz, die Bunker Hill Bridge des heute 76-jährigen Bündners Christian Menn, eingeweiht werden. Menn, der hierzulande mit den monumentalen Autobahnrampen bei Giornico und in der Mesolcina sowie der Sunnibergbrücke im Prättigau berühmt geworden ist, hat zur Überbrückung des Inner Harbor zwischen Bostons Nord End und Charlestowne eine Doppellyra geschaffen, deren «Saiten» - von zwei auf gespreizten Beinen stehenden Obelisken ausgehend - diagonal mit der Fahrbahnfläche verbunden sind. Dieser konstruktive Wurf war nun dem Princeton University Art Museum Anlass, den Schweizer Bauingenieuren eine kleine, vom Maillart-Spezialisten David P. Billington zusammengestellte Schau zu widmen. Der in Princeton lehrende Billington, einer der besten Kenner des Schweizer Brückenbaus überhaupt, skizziert dabei anhand von fünf wichtigen Persönlichkeiten gleichsam einen «Stammbaum» der Schweizer Bauingenieure.

Den Auftakt zu der vorwiegend mit Photographien, Modellen und einigen Originaldokumenten bestückten Schau machen die Studien Ritters, der neben Carl Culmann als «Vater» der ETH-Baustatik gilt. Ihm folgten Maillart und Ammann sowie, eine Generation später, Pierre Lardy, der - ähnlich wie zuvor Ritter - als Mittler an der ETH sein Wissen an die Generation von Menn und Isler weitergab. Zwar wird mit dem 1926 geborenen Zürcher Heinz Isler, der keine Brücken, sondern gewagte Schalenkonstruktionen in der Tradition von Maillart, Eduardo Torroja und Felix Candela erfand, die Einheit der Ausstellung etwas gestört. Doch ergibt dieser Bruch nicht nur aus «genealogischen» Gründen Sinn, sondern auch deswegen, weil mit Islers dünnen Gewölbeschalen ein weiteres wichtiges Gebiet der Schweizer Baustatik zum Zuge kommt

Diese Schalentechnik wirkte dann ebenso wie der Brückenbau im Werk des 1951 bei Valencia geborenen und an der ETH ausgebildeten Wahlzürchers Santiago Calatrava weiter. Dass Billington den in Ingenieur- und Architektenkreisen umstrittenen Baukünstler ebenso wenig in die Ausstellung einbezog wie den 57-jährigen Bündner Jürg Conzett, kann man als verpasste Chance bezeichnen. Gleichwohl verdient sein Überblick viel Lob, bringt er doch nicht nur den Amerikanern wichtige Kapitel des Ingenieurwesens näher - zumal die knapp gehaltene Ausstellung von einem hervorragenden, reich bebilderten biographisch- analytischen Katalog begleitet wird, der schon jetzt als Standardwerk gelten darf. Er zeigt, dass die Werke grosser Bauingenieure, deren innovative Kraft früh schon von Vordenkern wie Le Corbusier erkannt wurde, bis heute vom gleichen kreativen Anspruch erfüllt sind wie jene der Architekten.


[Bis 15. Juni im Princeton University Art Museum. Katalog: The Art of Structural Design. A Swiss Legacy. Hrsg. David P. Billington. The Princeton University Art Museum, Princeton (New Jersey) 2003. 211 S., $ 50.- (ISBN 0-300-09786-7).]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.06.06

02. Juni 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schwebende Kisten

Am Wochenende wurde in Cincinnati das Contemporary Arts Center von Zaha Hadid eröffnet. Der kubisch verschachtelte, neobrutalistische Musentempel, welcher als kunsthallenartiges Ausstellungsgebäude dient, markiert eine Wende im bisher von aggressiven Formen geprägten Schaffen der in London tätigen Irakerin.

Am Wochenende wurde in Cincinnati das Contemporary Arts Center von Zaha Hadid eröffnet. Der kubisch verschachtelte, neobrutalistische Musentempel, welcher als kunsthallenartiges Ausstellungsgebäude dient, markiert eine Wende im bisher von aggressiven Formen geprägten Schaffen der in London tätigen Irakerin.

Den meisten Europäern ist Ohio nur ein weisser Fleck auf der Landkarte; und den Amerikanern bedeutet dieser Bundesstaat höchstens guter Durchschnitt. Doch für Architekturinteressierte ist das hügelige Land südlich des Eriesees ein Paradies. Denn hier trieb der baukünstlerische Dekonstruktivismus früh schon bunte Blüten: So konnte 1992 in Toledo Frank Gehrys University Art Building eingeweiht werden, welches im Kleinen bereits einen Vorgeschmack vom metallisch gleissenden Formenspiel des Guggenheim-Museums in Bilbao gab. Drei Jahre zuvor hatte Peter Eisenman in Columbus mit dem an eine aufgeschlitzte Ritterburg erinnernden Wexner Center die internationale Kritik verblüfft und sich damit den Folgeauftrag für das 1993 vollendete, an tektonische Verwerfungen erinnernde Konglomerat des Columbus Convention Center gesichert. Und selbst der postmodern angehauchte Minimalist Ieoh Ming Pei fand bei seiner Rock'n'Roll Hall of Fame in Cleveland zu beschwingten Formen. Kein Wunder also, dass seit neustem die Ohio- River-Metropole Cincinnati, die schon 1866 mit dem orientalistischen Plum Street Temple und erneut 1930 mit der Art-déco-Phantasie des Carew Tower ihren Sinn für das Aussergewöhnliche gezeigt hatte, mit exzentrischer Architektur flirtet: Konnte doch 1996 das wie ein Tatzelwurm aus Karton gefaltete Aronoff Center for Design von Eisenman, 1999 der geblähte Ziegelbau des Vontz Center von Gehry und jüngst die zeltartig überdachte Country Day School des einheimischen Blob-Architekten Michael McInturf bezogen werden.

Neobrutalismus
Im Unterschied zu diesen in parkartiger Umgebung errichteten Vorzeigebauten konnte Ohios neustes expressives Meisterwerk, das kurz Rosenthal Center genannte Contemporary Arts Center (CAC), am Wochenende mitten im dicht bebauten Zentrum von Cincinnati eröffnet werden. Damit hat nun das 1939 als kunsthallenartige Institution gegründete CAC, das seit der Präsentation von Picassos «Guernica» im Jahre 1940 mit seinen Ausstellungen immer wieder Zeichen setzte, ein würdiges Haus erhalten. Wie in den USA bei Kulturbauten - den letzten Refugien innovativer Architektur jenseits des Atlantiks - üblich, erbat man von bekannten Architekten Vorschläge für die Bebauung eines 1100 Quadratmeter grossen Grundstücks an der belebten Kreuzung von Sixth und Walnut Street gleich gegenüber von Cesar Pellis Aronoff Theater. Doch wollte das CAC nicht nur mit der Aura eines Stardesigners um Aufmerksamkeit und Spendengelder buhlen, sondern sich ebenso sehr an der kulturellen Rückeroberung des urbanen Zentrums beteiligen. Es war daher nicht zuletzt auch die präzise Auseinandersetzung mit der gewachsenen Stadt, welche die Auftraggeber dazu brachte, sich für Zaha Hadid und gegen Bernard Tschumi und Daniel Libeskind, die beiden anderen Finalisten, zu entscheiden. Die in London tätige Irakerin wich in ihrem Projekt von der bisher stets stark künstlerisch motivierten, die dynamischen Kraftlinien der (Stadt-)Landschaft bildhaft umsetzenden Recherche etwas ab und antwortete ähnlich wie einst Breuer beim Whitney Museum in New York und doch ganz anders auf die Bauvolumen der Umgebung. Entstanden ist ein hartes, skulpturales Eckgebäude, das in seiner neobrutalistischen Strenge nichts von der Selbstverliebtheit eines architektonischen Markenzeichens an sich hat und höchstens noch unterschwellige Bezüge zu Hadids aggressivem Vitra-Feuerwehrhaus in Weil am Rhein oder zur barock-frivolen Bergisel-Skisprungschanze in Innsbruck aufweist.

Dieses erste von einer Frau realisierte Museumsgebäude in den USA mag denn auch all jene irritieren, die von der Popkönigin der Architektur eher eine modische Spielerei in der Art ihrer spektakulären Innenraumgestaltungen erwartet hatten. Zumal die Entwürfe bunter, transparenter und weit bewegter aussahen als nun das vollendete Bauwerk. Ob dies mit einem Auseinanderklaffen von künstlerischer Vision und gebauter Realität zu tun hat oder ob Hadid bei ihrer ersten grossen urbanen Arbeit die Inszenierungslust im Interesse des Stadtganzen zurücknahm, werden wohl erst ihre Bauten in Rom und Wolfsburg zeigen. Interessant ist jedoch, dass dieser über einer gläsernen Eingangszone schwebende Stapel wackliger Betonkisten von innen, also von den einzelnen Galerien her gedacht ist. Hier spürt man, dass die an der AA in London ausgebildete und von Rem Koolhaas in die Geheimnisse der Baukunst eingeweihte Hadid selbst lange eine betont künstlerische Annäherung an die Architektur betrieben hat. Denn obwohl sie 1983 im Alter von nur 33 Jahren mit ihrem damals beängstigend neuartigen Projekt für den Hong Kong Peak gleichsam über Nacht zur Kultfigur aufgestiegen war, musste sie ihre explosiven Visionen noch lange im Medium der Malerei verwirklichen. Selbst nach dem Welterfolg der Vitra-Miniatur in Weil sah sie noch ihren Traum vom Cardiff Opera House schwinden, so dass nun viel Erwartungsdruck auf Cincinnatis neustem Musentempel lastete.

Ein Fest für die Augen
Gefasst von einem «Urban Carpet», der sich teppichartig von der Strasse durch das Foyer und über die nordseitige Brandmauer bis unter das Dach des Rosenthal Center zieht, scheint die kubistische Raumskulptur des Galerienturms Eisenmans Idee horizontal verschobener Gebäudeplatten ins Vertikale zu transponieren. Doch ist diese eigenwillige, nach aussen sich in Form von grauen Oberflächen aus Glas, Beton und Blech manifestierende Konstruktion, die man durchaus auch als Statement gegen die Banalität des in Amerika grassierenden Fassadendesigns interpretieren darf, weniger das Resultat formalistischer Überlegungen als vielmehr die logische Konsequenz der Unterbringung von möglichst viel Galerie-, Arbeits- und Erschliessungsraum in einem begrenzten Volumen. Ähnliche Lösungen hatte Hadid zuvor schon für ein Hotel in New York und für die Erweiterung des Londoner Victoria & Albert Museum entwickelt. Die einzelnen Galerie- Boxen, zwischen denen durch Glaswände Licht tief ins Gebäude dringt, transformieren das Museum in ein bauliches Fragment. Lange Treppenrampen erzeugen in der schmalen rückwärtigen Erschliessungszone eine piranesieske Atmosphäre, aus der heraus man in die auf vier Ebenen angeordneten Galerien entlassen wird.

Im Gegensatz zur prägnanten Gesamtform des mit einem vergleichsweise bescheidenen Gesamtbudget von gut 30 Millionen Dollar geschaffenen Gebäudes sind die in Grösse und Höhe unterschiedlichen Galerien zurückhaltend gestaltet. Die vielen Rampen und die für Hadid seit je typischen spitzen Winkel aber machen die Räume schwierig zu bespielen. Dafür wird der Spaziergang durch die höchst abwechslungsreiche Architekturlandschaft zum Raum- und Lichterlebnis. Nicht zuletzt deswegen hofft wohl Charles Desmarais, der Direktor des Hauses, dass hier Architektur und Kunst zu einem spannenden Dialog finden werden. Der mit Blick auf den prächtigen Neubau fast schon verwegen mit «Somewhere better than this place» (nach einer Arbeit von Felix Gonzalez- Torres) betitelten Eröffnungsschau jedenfalls gelingt es, die Vorteile der räumlichen Vielfalt auszuloten. Zu sehen sind in dieser politisch korrekten Mini-Documenta Werke von 33 bedeutenden Künstlern wie John Armleder, Vanessa Beecroft, Patty Chang oder Rikrit Tiravanija, welche der Condition humaine unserer Zeit nachspüren. Wichtiger als dieser fulminante Auftakt wird aber die weitere Bespielung des Neubaus sein. Mit einem Konzept, das jährlich rund 15 Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst und Architektur sowie zahlreiche Performances vorsieht, besitzt das Rosenthal Center ein grosses Erfolgspotenzial. Damit dürfte sich Cincinnatis neue Kunsthalle in einer zwischen Museumsboom und Sparmassnahmen hin und her gerissenen Zeit selbstbewusst behaupten können. Gerade weil der Neubau sich nicht so schillernd präsentiert, wie dies die divenhafte Architektin selbst gerne tut, überzeugt hier Zaha Hadid mehr denn je. Damit dürfte für die Irakerin just im Amerika von Präsident Georg W. Bush der Pritzker-Preis in greifbare Nähe rücken.


[Die Eröffnungsausstellung dauert bis zum 9. November.]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2003.06.02



verknüpfte Bauwerke
Contemporary Arts Center

28. Mai 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Blick in die Zukunft?

Blob-Architektur und Klassizismus in Kopenhagen

Blob-Architektur und Klassizismus in Kopenhagen

Zwar oszilliert die vor vier Jahren an den Ufern des Inderhavnen eingeweihte Erweiterung der Königlichen Bibliothek von Schmidt, Hammer & Lassen zwischen dekonstruktivistischen und altägyptischen Formen. Doch abgesehen von diesem «Schwarzen Diamanten» mit seinen schrägen Wänden aus glatt poliertem Granit sind alle wichtigen Neubauten rund um Kopenhagens alten Hafen von streng klassischer Form: Arne Jacobsens Nationalbank mit ihrer noblen Eingangshalle ebenso wie der von diesem Bau beeinflusste, minimalistische Würfel des Nykredit-Hauptsitzes, der ebenfalls von Schmidt, Hammer & Lassen stammt, oder die spätmoderne Säulenhalle der sechsteilig aus den Fluten sich erhebenden Unibank von Henning Larsen. Sie alle zeugen davon, dass in Kopenhagen die klassizistische Tradition von Harsdorff, Hansen oder Hetsch bis heute das architektonische Selbstverständnis bestimmt.

Umso mehr strebt das im Gammel Dok, dem wohl schönsten Speicherhaus der Stadt, ansässige «Dansk Arkitektur Center» nach einer Öffnung des auf eine einfach-funktionalistische Baukunst eingeschworenen dänischen Architekturdiskurses. Im Sinne einer Horizonterweiterung stellt es zurzeit in der Ausstellung «Futures 2 come» sogenannte Blob-Architektur vor, deren theoretische Grundlagen in jüngster Zeit vor allem von jungen amerikanischen Büros erarbeitet wurden. Die auf einer topologischen Geometrie beruhenden neoorganischen Bauten und Projekte wurden durchwegs am Computer kreiert. Zu sehen sind die vor drei Jahren von Lynn, Garofalo und McInturf in Queens realisierte Koreanische Kirche, aber auch Projekte wie das BMW-Zentrum in Leipzig von Reiser & Umemoto, das «Fluxmuseum» von Asymptote, das «Cine» von Hariri & Hariri oder das «Resi-Rise»-Gebäude von Kolatan Mac Donald. Diese Arbeiten dienen als Einstimmung auf die Präsentation des Wettbewerbs für das neue Musikhaus von Aalborg, das nach den Plänen von Coop Himmelb(l)au bis 2006 realisiert werden soll. Durch dieses in den Sphären der Virtualität bereits realisierte, ebenfalls einem organischen Neujugendstil verpflichtete Projekt kann man sich dank einem 3-D-Film schon jetzt bewegen. Ausserdem werden die Pläne und Ansichten dieser Arbeit sowie der nächstrangierten Wettbewerbsbeiträge von Zaha Hadid und Henning Larsen vorgestellt.

Fand Larsen in seinem Entwurf für das Aalborger Musikhaus an den Ufern des Kattegats zu bewegten, entfernt dem Geist der fünfziger Jahre verpflichteten Formen, so baut er gegenwärtig auf der vor Schloss Amalienborg gelegenen Hafeninsel Dokøen eine monumentale zeitgenössische Tempelarchitektur: das von einem an Nouvels KKL erinnernden Flugdach bekrönte Kopenhagener Opernhaus. Wegen seiner prominenten Lage lange Zeit heftig umstritten, soll das nun schnell wachsende Gebäude im Jahr 2005 rechtzeitig zum 80. Geburtstag des dänischen Altmeisters vollendet sein. Gleichsam als Absage an organisch-topologische Phantasien wird dieser Monumentalbau dann einmal mehr bestätigen, dass Kopenhagen allen modischen Versuchungen zum Trotz seine klassisch geprägte Identität in die Zukunft zu retten sucht.


[Die Ausstellung im Dansk Arkitektur Center dauert noch bis zum 9. Juni. Kein Katalog.]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2003.05.28

23. Mai 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Modernde Moderne

Hoffnung für das Teatro San Materno in Ascona?

Hoffnung für das Teatro San Materno in Ascona?

Durch immergrüne Magnolien glänzt das leicht erhöht am Eingang nach Ascona gelegene Teatro San Materno im Frühlingslicht, als sei es erst vor kurzem hier errichtet worden. Beim Näherkommen aber ändert sich das Bild: Modrige Mauern, bis auf die rostenden Armierungseisen ausgezehrte Balkone, eingeschlagene Fenster und Graffiti zeugen von fortschreitendem Verfall und mutwilliger Zerstörung. Dabei handelt es sich bei dem 1927/28 vom Bremer Architekten Carl Weidemeyer verwirklichten Privattheater um den ersten klassisch-modernen Kulturbau unseres Landes. Zusammen mit Emil Fahrenkamps Hotel «Monte Verità», das unlängst saniert und für den Kongressbetrieb der ETH umgenutzt werden konnte, ist es darüber hinaus das erste Beispiel neuen Bauens im Tessins, ja in der italienischsprachigen Welt. Wurde es doch zeitgleich mit Alberto Sartoris' unrealisiertem Projekt für ein Avantgardetheater entworfen und ein Jahr vor Giuseppe Terragnis Novocomum vollendet.

Neues Bauen im Tessin

Während das touristische Tessin sich gern als Land der Architekten anpreist, scheint Ascona bis heute Schwierigkeiten mit seiner «nordischen Importware» zu haben. So wurden die meisten Häuser, die Weidemeyer in den frühen dreissiger Jahren auf der Collina und am See errichtet hatte, umgebaut oder gar zerstört. Einzig die Villa Oppenheimer konnte ihr Aussehen bewahren; und völlig unverändert, wenn auch ruinös ist das Teatro San Materno auf uns gekommen. Dieses Schlüsselwerk veranschaulicht Weidemeyers Auseinandersetzung mit dem neuen Bauen, mit dem sich der lange von der Nationalromantik faszinierte Künstlerarchitekt auf der Stuttgarter Weissenhof-Ausstellung im Spätsommer 1927 vertraut gemacht hatte. Kurz darauf wurde er vom Brüsseler Industriellen Paul Bachrach eingeladen, das Castello San Materno in Ascona umzubauen, in welchem Bachrachs Tochter, die Tänzerin Charlotte Bara, seit drei Jahren lebte. Diese beauftragte Weidemeyer sogleich mit dem Bau des kleinen Teatro San Materno, das bereits im Jahr darauf bezogen werden konnte.

Auf dem abschüssigen Gelände errichtete Weidemeyer einen schachtelartigen Theatersaal und fügte an dessen Nordseite einen vom Castello aus über zwei Treppen erreichbaren apsisförmigen Halbzylinder an, der als Eingang, Foyer und Aufgang zur Empore dient. Während die Nebenräume und ein Studio in den westlichen Steilhang hineingebaut sind, schliessen zwei weitere Ferienwohnungen das einst für Tanzaufführungen genutzte Flachdach gegen Süden ab. Über halbkreisförmig geführte Treppen gelangt man durch den kleinen, formal angelegten Garten direkt zu den Wohnungen. Sie sind es, die das Aussehen des ursprünglich zartgelb gestrichenen und durch petrolgrüne Fensterrahmen akzentuierten Gebäudes bestimmen, so dass es von aussen eher einem grossen Atelierhaus als einem Theater mit 100 Sitzplätzen gleicht.

Diese Tatsache verdeutlicht, dass es Weidemeyer nicht um einen nüchternen Funktionalismus ging. Vielmehr versuchte der auch als Künstler tätige Architekt, eine malerische Antwort auf die in Stuttgart studierten Bauten zu geben, indem er die neue Architektursprache in einer vom Erscheinungsbild her geprägten, künstlerischen Weise einsetzte. Abgesehen vom Sonnendeck der Dachterrasse, dem eine klar definierte Aufgabe zukam, setzte er Le Corbusiers Schiffsmetaphern und Mendelsohns Stromlinienformen vorab dekorativ ein. Mit Stützmauern und loggienartigen Balkonen erwies er aber auch der lokalen Bautradition seine Reverenz und fand so zu einer frühen Form der regionalistischen Moderne, die Parallelen zu Terragnis Novocomum oder zur «Bauhausarchitektur» von Tel Aviv aufweist.

Vordringliche Renovation

Charlotte Bara nutzte das Theater bis Ende der fünfziger Jahre. Später ging das 1970 behelfsmässigen restaurierte Gebäude an die Gemeinde Ascona, die es langsam verfallen liess. Als 1996 auf Initiative des Historikers Wolfgang Oppenheimer die Weidemeyer-Stiftung in Ascona gegründet und der Nachlass für das Museo Communale gesichert werden konnte, war der Zustand dieser Ikone der Moderne bereits besorgniserregend. Dann kam vorübergehend Bewegung in die Sache: Die Gemeinde beauftragte den Architekten Guido Tallone, der sich in den siebziger Jahren mit skulpturalen Betonbauten, später aber mit kontextuellen Arbeiten einen Namen gemacht und damals gerade die malerische Dorfkirche von Maggia vorbildlich erneuert hatte, mit der Ausarbeitung eines Restaurierungsprojekts.

Zusammen mit einem Team von Spezialisten analysierte Tallone den Istzustand des kleinen Bauwerks und spürte der ursprünglichen Farbgebung des auf alten Schwarzweissabbildungen immer strahlend weissen, in Wahrheit aber zart polychromen Gebäudes nach. Um das Theater mit seinem bordeauxroten Saal den heutigen Anforderungen anzupassen, entwarf Tallone neue Räume für Technik und Verwaltung sowie Schauspielergarderoben, die er hinter den bestehenden Stützmauern oder direkt im Hang verwirklichen möchte. Der Theatersaal und die Wohnungen können dereinst wieder mit dem Originalmobiliar ausgestattet werden, das Tallone bei seiner Bestandesaufnahme vorfand und ausbauen liess.

Im März 2000 legte Tallone sein auf 3,7 Millionen Franken veranschlagtes Restaurierungsprojekt vor. Doch konnte sich die Gemeinde bis heute nicht zu einer Sanierung durchringen - und dies obwohl die im Herbst 2001 in Ascona veranstaltete und soeben auch in Venedig mit Erfolg gezeigte Weidemeyer-Retrospektive ein breites Interesse am Schaffen dieses Künstlerarchitekten deutlich machte. Nachdem der Kanton Tessin und der Bund Ende 2002 zusammen rund 1,3 Millionen Franken für die Restaurierung in Aussicht gestellt haben, könnte nun das reiche Ascona mit geringem Aufwand zu einem baukünstlerischen Juwel von internationaler Bedeutung kommen. Bis jetzt wollten die Politiker das Geld für die Renovation aber nicht bewilligen, mit der fadenscheinigen Begründung, zuerst müsse die Nutzung definiert und deren Finanzierung gesichert sein. Dabei wäre die Rettung des Gebäudes das Vordringlichste. Was in Bellinzona und Chiasso mit dem Teatro Sociale und dem Cinema Teatro gelang, sollte doch auch in Ascona möglich sein. Leise Hoffnung weckt nun ein neuer, finanziell realistischer Nutzungsvorschlag, der neben Tanz- und Theateraufführungen auch Konzerte und Tagungen vorsieht, wobei eine Zusammenarbeit mit Bellinzona und Chiasso, aber auch mit dem ETH-Kongresszentrum denkbar wäre. Sollte dieser Vorschlag im Gemeinderat auf taube Ohren stossen, so wäre mit dem Teatro San Materno ein Gesamtkunstwerk der «Monte- Verità-Kultur» ernsthaft in Gefahr.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.05.23

15. Mai 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur in Hamburg

Der „Baumeister“ im Mai

Der „Baumeister“ im Mai

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12. Mai 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Inflation

Neue Bauten von Herzog & de Meuron

Neue Bauten von Herzog & de Meuron

Es ist noch gar nicht lange her, da machte uns das Ansehen der Schweizer Architekten im Ausland fast ein wenig stolz. Als dann aber Botta bald in Tokio, San Francisco oder Athen Neubauten einweihen konnte, gewöhnten wir uns schnell an die Erfolge, und der Tessiner wurde von den Basler Künstlerarchitekten Herzog & de Meuron als Medienliebling abgelöst. Nun darf jedoch - so scheint es - kaum mehr eine Woche vergehen ohne Neuigkeiten vom Rheinknie: Auf die Fertigstellung der Tate Modern folgten die Rue-des- Suisses-Wohnhäuser in Paris, das Rehab und das «Joggeli» in Basel, aber auch Aufträge in Spanien, eine Retrospektive in Montreal sowie die siegreichen Projekte der Münchner Allianz-Arena und des Nationalstadions in Peking (wo Botta übrigens ein Museum bauen soll).

Die immer wieder anders in Erscheinung tretende und daher medial hochwirksame Architektur von «HdeM» könnte das Feuilletonpublikum aber bald ermüden, sollen doch nur kurz nach dem zartfarbenen Laban Centre in London weitere hochkarätige «HdeM»-Bauten eröffnet werden: am 25. Mai das einem neuartigen Museumskonzept verpflichtete Schaulager in Basel, am 7. Juni im schicken Aoyama-Quartier von Tokio der zwischen einem Kristall und einer Bienenwabe oszillierende «Epicenter Store» des Modehauses Prada und Ende Sommer die Erweiterung des Kunsthauses Aarau, dem später die Universitätsbibliothek in Cottbus und ein Geschäftsbau in Basel folgen.

Zumindest hierzulande wird das Basler Kunstlager alles andere überstrahlen. Dabei liesse sich gerade am Beispiel des Prada-Hauses darüber nachsinnen, wie längst selbst zur Marke gewordene Architekturbüros sich immer häufiger für das Branding von zeitgeistigen Projekten - vom Mode- bis zum Musentempel - einsetzen lassen und so dank wachsender Nachfrage letztlich die baukünstlerische Inflation anheizen. Dass dies früher oder später zum Problem für das Luxuslabel «HdeM» werden könnte, zeigte jüngst der Helvetia-Patria-Neubau in St. Gallen, der in den Schweizer Medien auf wenig Resonanz stiess. Doch dieser heimische «Botta-Effekt» muss vorerst die Basler wenig schrecken: Dank dem spektakulären Modejuwel in Tokio, dem De Young Museum in San Francisco und dem Forum 2004 in Barcelona, die alle der Vollendung entgegengehen, dürften die Global Player aus der Schweiz in Zukunft ohnehin vermehrt vor einer internationalen Fangemeinde spielen.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2003.05.12

06. Mai 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukunst auf Papier

Im Verlaufe der letzten siebzig Jahre und mit einem besonderen Effort in jüngster Zeit hat das Museum of Modern Art in New York eine breit gefächerte Sammlung von Architekturzeichnungen des 20. Jahrhunderts zusammengestellt. Eine Auswahl der bedeutendsten Blätter ist nun in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle zu sehen.

Im Verlaufe der letzten siebzig Jahre und mit einem besonderen Effort in jüngster Zeit hat das Museum of Modern Art in New York eine breit gefächerte Sammlung von Architekturzeichnungen des 20. Jahrhunderts zusammengestellt. Eine Auswahl der bedeutendsten Blätter ist nun in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle zu sehen.

Die explodierende Weltlandschaft von Zaha Hadid wirkt auf den ersten Blick wie eine Computerdarstellung. Dabei handelt es sich um ein Acrylgemälde, das die Künstlerarchitektin 1991, Jahre nach dem Scheitern ihres legendären Klubhaus-Projektes für den Hongkong-Peak, ausführte. Seither hat der Computer den entwerferischen Alltag der Architekten derart verändert, dass es möglich geworden ist, am Rechner Präsentationen von ungebauten Werken zu generieren, die wie Fotos eines realen Zustandes aussehen. Gleichwohl dürfte der Computer kaum den Tod der Architekturzeichnung bedeuten. Denn Architekten wie Hadid werden auch in Zukunft ihre künstlerischen Neigungen ausleben wollen; und die schnell auf ein Stück Papier notierte Ideenskizze wird weiterhin wichtig bleiben. Kurz: die Gattung der Architekturzeichnung, die vom flüchtigen Entwurf über den exakten Plan bis hin zur Utopie reicht, dürfte ebenso Bestand haben wie die Architekturphotographie, die heute im Werk von Fotokünstlern wie Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff oder Hiroshi Sugimoto neue Triumphe feiert.


Der Architekt als Visionär

Obwohl man Architekturdarstellungen bereits von pompejanischen Wandmalereien, mittelalterlichen Illuminationen, gotischen Kirchenfenstern oder ostasiatischen Rollbildern her kennt, begegnet man den eigentlichen, auf ein bestimmtes Projekt oder eine Idealvorstellung bezogenen Architekturzeichnungen in grösserer Zahl erst seit der Erfindung der Zentralperspektive in der Renaissance - auch wenn mit dem St. Galler Klosterplan als «weltweit ältestem Bauplan» eine Darstellung aus dem frühen 9. Jahrhundert auf uns gekommen ist. Schon Vasari sammelte Architekturzeichnungen. Doch erst im 18. Jahrhundert stiegen sie dank Piranesi, den französischen Revolutionsarchitekten und den Akademien zur eigenständigen Gattung auf. Ihre hohe Zeit war zweifellos das 19. Jahrhundert mit seiner raffinierten Darstellungskultur, die in Schinkels Visionen eines Königspalastes auf der Akropolis einen Perfektionsgrad erreichte, von dem in den achtziger Jahren postmoderne Architekten wie Leon Krier oder die «Analogen» an der Zürcher ETH um Rossi, Reinhart und Šik nur träumen konnten und der auch neben computergenerierten Bildern mit Leichtigkeit bestehen kann.

Im frühen 20. Jahrhundert wurden die Jugendstilornamente von Hoffmann, Horta oder Mackintosh bald schon abgelöst durch expressionistische Darstellungen von Poelzig oder Bruno Taut, denen wiederum puristische und konstruktivistische Phantasien folgten. Seither avancierte die schnelle Skizze zum Inbegriff der künstlerischen Genialität - wie dies Frank Gehrys Strichknäuel oder Rafael Viñolys nervöse Schraffuren in der soeben eröffneten Ausstellung «Visionen und Utopien - Architekturzeichnungen aus dem Museum of Modern Art» in der Frankfurter Schirn Kunsthalle zeigt. Dort ist in einem stimmungsvollen, von Ben van Berkel mit dynamisch geschwungenen Schwebewänden unterteilten Saal eine Auswahl von knapp 200 kostbaren Architekturzeichnungen aus den an Highlights reichen Beständen des New Yorker Kunstinstituts zu sehen. Diese Vielzahl von Meisterwerken erstaunt, denn das MoMA, das in seiner Architekturabteilung lange vor allem auf Fotos und Modelle setzte, entdeckte die Architekturzeichnung eher spät. Zwar wurden schon anlässlich der pionierhaften «International Exhibition» von 1932 zwei von Le Corbusier kolorierte Lithographien des Pariser «Pavillon Suisse» erworben, doch bis in die achtziger Jahre machten vor allem die 18 000 Nummern des Archivs von Mies van der Rohe, einige prachtvolle Zeichnungen von Louis Kahn, Oscar Niemeyer und Eero Saarinen sowie mehrere von Philip Johnson geschenkte Collagen Raimund Abrahams und Hans Holleins die Bedeutung dieser Zeichnungssammlung aus. - Gewichtige Zugänge in jüngster Zeit - darunter Blätter von Architekten, die zu Ausstellungen eingeladen waren, sowie die Schenkung der in den späten siebziger Jahren zusammengestellten, gut 200 Arbeiten von visionärem Charakter umfassenden Howard Gilman Collection - liessen die Ausstrahlung der MoMA-Bestände schnell anwachsen. Gerade das vor drei Jahren übergebene Gilman-Konvolut, das im vergangenen Winter im MoMA Queens gezeigt wurde (NZZ 5. 12. 02), vermag durch seine utopischen Arbeiten von Buckminster Fuller, Archigram, Superstudio oder Rem Koolhaas zu begeistern. In der Frankfurter Schau ist diesen «Visionen» ein eigener Bereich zugeteilt worden. Dort findet sich aber auch ein bereits 1981 als eine der ersten utopischen Darstellungen in die MoMA-Sammlung eingegangenes Blatt des SITE-Architekten James Wines, das eine zehngeschossige Stahlbetonstruktur zeigt, auf deren einzelnen Etagen Einfamilienhäuser mit Vorgärten stehen. Damit nimmt Wines auf ironische Weise die Verdichtungsvorschläge des Rotterdamer Trendbüros MVRDV vorweg, das mit den gestapelten Landschaften des holländischen Pavillons an der Expo 2000 in Hannover Berühmtheit erlangte und nun auch mit Rezepten für eine neu zu gestaltende Schweiz aufwartet.


Als Kunstwerke inszeniert

Die Schau will aber weder Theorien noch Ideologien veranschaulichen. Vielmehr zelebriert sie die Architekturzeichnungen als eigenständige Kunstwerke in einer eher willkürlich anmutenden Gliederung, die neben den «Visionen» auch Themenbereiche wie «New York» (mit einem hervorragenden Blatt von Paul Rudolph), «Wohnhäuser», «Gedenkstätten» oder «Zentren der Kultur» umfasst. Anders als der attraktive Katalog, der eine ruhige Chronologie von Wagner und Wright bis Ando, Botta und Tschumi bietet, sorgt diese Hängung für spektakuläre Gegenüberstellungen, wenn etwa die expressive Kreidezeichnung des Friedrichstrasse-Hochhauses von Mies van der Rohe auf die Darstellung des kubischen Palazzo della Civiltà Italiana von Ernesto Bruno La Padula trifft - ein Temperagemälde, das in jeder Surrealistenschau zum Blickfang würde.

Verglichen mit staatlichen oder städtischen Bauarchiven und den Sammlungen Technischer Hochschulen oder Institutionen wie des Londoner RIBA, nehmen sich die MoMA-Bestände noch immer bescheiden aus. Sie bestechen aber durch ihre Qualität und ihr breites Spektrum, auch wenn weiterhin grosse Lücken klaffen. Diese im Hinblick auf einen gültigen Überblick über die Architekturzeichnung im 20. Jahrhundert zu schliessen, wird künftig neben dem Zusammentragen von Papierarbeiten und Computerbildern zeitgenössischer Baukünstler eine der Hauptaufgaben des MoMA sein. Da viele Architekten ihre Zeichnungen ungern verkaufen (die Galerieausstellung von Herzog & de Meuron 1997 bei Peter Blum in New York war eine Ausnahme, die diese Regel bestätigt), hängt die Sammlungspolitik auch künftig von einer aktiven Ausstellungstätigkeit ab. Gerade aber auf diesem Gebiet setzt das MoMA seit siebzig Jahren Massstäbe.


[Bis 3. August. Katalog: Visionen und Utopien. Architekturzeichnungen aus dem Museum of Modern Art. Hrsg. Museum of Modern Art. Prestel-Verlag, München 2003. 256 S., Fr. 111.- (die Paperbackausgabe in der Ausstellung kostet Euro 29.-).]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.05.06

02. Mai 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Fremde Federn

Die Fremdenverkehrsstadt Innsbruck galt lange Zeit als architektonisch konservativ. Seit einigen Jahren werden nun aber - oft gegen heftigen Widerstand - zeitgenössische Interventionen in der Innenstadt durchgeführt. Am auffälligsten sind drei vor wenigen Monaten eingeweihte Vorzeigebauten international bekannter Architekten.

Die Fremdenverkehrsstadt Innsbruck galt lange Zeit als architektonisch konservativ. Seit einigen Jahren werden nun aber - oft gegen heftigen Widerstand - zeitgenössische Interventionen in der Innenstadt durchgeführt. Am auffälligsten sind drei vor wenigen Monaten eingeweihte Vorzeigebauten international bekannter Architekten.

Die kreative Szene Österreichs steht zurzeit im Banne der europäischen Kulturhauptstadt Graz. Die steirische Metropole trumpft nicht nur mit Musik, Theater und Kunst auf; sie zelebriert auch die Architektur: Schon jetzt, vier Monate vor der Eröffnung, sorgt das neue Kunsthaus von Peter Cook und Colin Fournier, dessen Plastic-Hülle an ein Herz mit abgetrennten Aorten erinnert, für Aufregung - und dies nicht nur seiner Form wegen. Viele wundern sich nämlich, dass die Aufträge zu diesem Musentempel und zur ebenfalls im Hinblick auf das Kulturjahr 2003 von Vito Acconci realisierten Insel in der Mur an internationale Stars vergeben wurden, wo doch die Grazer Schule seit Günther Domenig mit ebenso exzentrischen Architekten aufwarten kann. - Ganz anders in Innsbruck, der gut 120 000 Einwohner zählenden Hochburg des österreichischen Wintersports. Dort fristete die Baukunst lange Zeit ein Schattendasein. Doch dann erkannte die Tiroler Landeshauptstadt, die seit den Olympischen Winterspielen von 1964 und 1976 weltweit mit Sonne, Schnee und Goldenem Dachl gleichgesetzt wird, dass sie für das touristische Marketing neue Zeichen braucht - auch bauliche. Zu einem solchen kam sie gleichsam über Nacht, als die altersschwache Skisprunganlage auf dem Bergisel, der durch die Tiroler Freiheitskriege und mehr noch durch die Vierschanzentournee bekannt gewordenen Anhöhe über Innsbruck, durch einen Neubau von Zaha Hadid ersetzt wurde.

Diese spektakuläre neue Schanze war nur möglich geworden, weil die Verantwortlichen nach vielem Hin und Her die Notwendigkeit eines Wettbewerbs einsahen. Zu diesem wurden 1999 ausser Hadid auch die aus Tirol stammenden Wahlwiener Dieter Henke und Marta Schreieck sowie Jürg Conzett aus Chur eingeladen. Erstaunlicherweise konnte sich die in London tätige Irakerin, welche den bisher meist als rein funktionale Bauaufgabe angesehenen Schanzenbau zu einer Frage des Designs machte, mit ihrem schwierigen Projekt durchsetzen. Realisiert wurde Hadids einprägsamer Entwurf, der die optimistisch-frivole Sprache der fünfziger Jahre zu perfektionieren scheint, mit der kreativen Unterstützung des Innsbrucker Bauingenieurs Christian Aste. Blickfang dieses ingenieurtechnisches Können und baukünstlerische Phantasie vereinenden Juwels der Sportarchitektur ist die bedrohlich weit auskragende, entfernt an die Kabine einer Schwebebahn erinnernde Kanzel, in der sich ein rundum gläsernes Aussichtsrestaurant befindet. Elegant wird sie vom kantigen Erschliessungsschaft und von der geschwungenen Sprungschanze in den Himmel gestemmt, so dass die 48 Meter hohe skulpturale Konstruktion weithin als neues Wahrzeichen der Stadt und als medial wirksames Aushängeschild des immer populärer werdenden Skispringens in Erscheinung tritt. Gleichzeitig veranschaulicht sie aber auch eine Entwicklung im Schaffen der Architektin vom aggressiv zersplitterten Dekonstruktivismus hin zu einer organischeren Form.

Seit einem halben Jahr wacht Hadids Bauskulptur nun schon wie eine Heilige des Wintersports über der Stadt und gibt jedem, der mit dem Zug in Innsbruck ankommt, bereits von weitem zu verstehen, dass ein neuer Geist durch das traditionsbewusste Touristenmekka weht. Noch mehr Aufbruchstimmung schlägt einem entgegen, wenn man dann die Grossbaustelle des neuen Hauptbahnhofs betritt, der bereits im nächsten Jahr nach den Plänen der Grazer Shootingstars Florian Riegler und Roger Riewe vollendet sein soll. Für dieses Projekt kam die jüngst vom Architekturforum Tirol durchgeführte «Hochhausstudie» (www.hochhausinnsbruck.at) zu spät, so dass am Hauptbahnhof noch kein Himmelsstürmer als «spezielle Ausnahme» in Erwägung gezogen werden konnte. Hochhausgegnern dürfte das recht sein; und vielleicht werden einige in der 75 Meter langen Bahnhofshalle sogar einen gefällten Turm sehen - eine Vorstellung, die noch immer zum Image der Innsbrucker zu passen scheint.
Tiroler Aufbruch

Trotz einigen Neubauten in Bahnhofsnähe misstraut nämlich die lange von der Fiaker- und Hofburgkultur geprägte Stadt, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs alles daransetzte, um ihr zwischen Mittelalter, Barock und Gründerzeit oszillierendes Erscheinungsbild wiederherzustellen, im Grunde bis heute der modernen Architektur, auch wenn die Tiroler Baukünstler - wohl wachgerüttelt durch die Entwicklungen in Vorarlberg und in Graubünden - in jüngster Zeit viel Terrain gutmachen konnten. Noch Mitte der achtziger Jahre stellte nämlich das graue Oktogon von Raimund Rainers Gastspieltheater «Treibhaus» im parkartigen Restraum hinter der Jesuitenkirche eine Provokation dar. Denn selbstbewusste Neubauten hatte man bis dahin nur in den Aussenquartieren toleriert. Dort trifft man auch auf ganz neue Arbeiten wie die grossstädtisch anmutenden Wohnsiedlungen des Vorarlberger Erfolgsbüros Baumschlager & Eberle oder das von einer gläsernen Membran umgebene BTV-Verwaltungsgebäude, das die ortsansässigen Architekten Johann Obermoser und Helmut Reitter vor kurzer Zeit am Langen Weg, einer historischen Ausfallachse, vollenden konnten.

Obermoser war es auch, der 1991 zwischen der Badgasse und dem Innufer im historischen Zentrum eine präzise Reparatur eines «fragmentarischen Stadtraums» durchführte. Zum Fluss hin zeigt der Neubau, der einen alten Kern umschliesst, eine bildhaft flache, grau verputzte Schaufassade, deren kleiner Glasvorbau die in der Altstadt beliebten Erker neu interpretiert. Von Obermosers Können profitierten daraufhin Henke & Schreieck, die ihn als Partner vor Ort für die Realisierung ihres «SOWI» genannten Neubaus der renommierten sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck gewinnen konnten. Der vor vier Jahren eingeweihte, formal noch gewisse Unstimmigkeiten eines Frühwerks aufweisende Gebäudekomplex erhebt sich - umgeben von Hofgarten, Landestheater und Jesuitenkirche - auf dem ehemaligen Kasernenareal. Zwischen einem an die Universitätsstrasse vorgeschobenen Solitär und dem L-förmigen Hauptbau, der formal aggressiv nach Osten und Süden ausgreift und an der Knickstelle eine amöbenartige Fassadenwellung aufweist, weitet sich ein von Studenten belebter Platz, den man als städtebaulichen Wurf bezeichnen kann.

Urbanistisch überzeugt auch Peter Lorenz' siebengeschossiger Neubau des Kaufhauses Mair an der zentralen Colingasse. Dass dieses harte Gebäude mit den modisch lithographierten Betonplatten und der zur Bürgergasse hin vorgestellten Glasfassade auf Ablehnung stiess, überrascht kaum. Dennoch wäre es zu begrüssen, wenn die als riesige Vitrine konzipierte Kaufhauserweiterung möglichst bald vollendet werden könnte. Handelt es sich hier doch um einen gezielten Eingriff, der durchaus verglichen werden darf mit dem viel grösseren, aber ebenfalls in einen gewachsenen Kontext (den des Landeskrankenhauses nämlich) eingefügten Medizinalzentrum von Michael Loudon und Paul Katzberger. Der im Jahr 2001 vollendete sechsgeschossige Grossbau mit seiner modernistisch-abstrakten Fassade aus hellem Kalkstein, Stahl und Glas, die bald an Terragni, bald an Alejandro de la Sotas Regierungsgebäude in Tarragona erinnert, birgt zwei Lichthöfe. Diese verleihen dem Empfangsbereich mit Café und Wintergarten die angenehme Atmosphäre eines Hotels und sorgen für gut belichtete Zimmer und Arbeitsräume.
Findling und Miniaturhochhaus

Die selbstbewusste städtebauliche Rhetorik des Medizinalzentrums lässt die 1927 an der Salurner Strasse vollendeten moderat modernen Stadtwerke des lange in Innsbruck tätigen Lois Welzenbacher geradezu bescheiden wirken. Dabei gab deren neungeschossiger Verwaltungsturm einst Anlass zu Innsbrucks erstem Hochhausstreit. Jetzt aber sorgt ein dunkler, enigmatischer Findling im Hof der Stadtwerke für Irritation: das anthrazitfarbene Umspannwerk Mitte von Ben van Berkel, dem heute neben Rem Koolhaas wohl wichtigsten holländischen Architekten. Dass man in Österreich solchen Infrastrukturbauten eine architektonische Bedeutung beimisst, ist Salzburg zu verdanken, wo in den frühen neunziger Jahren dank einem günstigen architektonischen Klima so exotische Blüten wie das Umspannwerk von Bétrix und Consolascio gedeihen konnten. Damals beschäftigte sich auch van Berkel mit einem Umspannwerk, und zwar für Amersfoort. Das gab ihm jenes Know-how, dank dem er sich 1996 den Innsbrucker Wettbewerb und damit seinen ersten internationalen Auftrag sichern konnte.

Der Holländer fügte die einzelnen Volumen der Transformatoren-, Schalt- und Arbeitsräume additiv aneinander und schuf so einen unregelmässigen Betonkörper, über den er - einem Neoprenanzug gleich - eine fast samtige Hülle aus Basalt stülpte, wodurch eine organisch-topologisch anmutende Aussenform entstand. Das erstarrte Vulkangestein diente ihm als architektonische Metapher der Transformation von Energie - ähnlich den Kupferbändern, welche Herzog & de Meuron zuvor schon als Fassadenschutz ihrer Stellwerke nutzten. Während die Basler damit die Frage nach der Bekleidung eines Stellwerks auf eine überzeugende, bildhaft-narrative Weise beantworteten, wirkt van Berkels Lösung etwas aufgesetzt, vor allem an der Südwestecke, wo die Hülle über den Fensterbändern so aufgeschlitzt wird, dass sich die einheitliche Oberfläche plötzlich in ein banales Steinfurnier verwandelt.

Gibt sich das amorph wirkende Umspannwerk seiner Natur gemäss verschlossen, so ist mit den «Rathausgalerien» im Herzen Innsbrucks eine ebenso öffentliche wie offene Architektur entstanden. Das Projekt des durch die Pariser Bibliothèque Nationale de France bekannt gewordenen Dominique Perrault wurde 1995 in einem Wettbewerb gekürt, zu dem auch Günther Domenig, Aurelio Galfetti und Massimiliano Fuksas eingeladen waren. Der mit viel Fingerspitzengefühl zwischen alte Stadthäuser eingefügte, aus dem neuen Rathaus und einer Ladenpassage bestehende Baukomplex vermag aller lokalen Kritik zum Trotz architektonisch und urbanistisch zu überzeugen. Von der Maria-Theresien-Strasse her betritt man die transparent gestaltete Stadt in der Stadt durch die Portalanlage des barocken Rathauses. Am neu gestalteten Adolf-Pichler-Platz, der von schönen Gründerzeitbauten gerahmt wird, setzt hingegen der gläserne Eckbau des Hotels «Penz» einen zeitgenössischen Akzent. Nur von hier aus ist auch der 37 Meter hohe Glasturm zu sehen, dem Peter Koglers bald an Brice Marden, bald an Fernand Léger erinnernde Serigraphien einen Hauch von «Metropolis» verleihen. Exakt über dem Achsenkreuz der Einkaufsgalerie placiert, dient der Turm dem neuen Rathaus als vertikale Erschliessung. Von seiner Aussichtsplattform und dem anschliessenden Café aus geht der Blick auf den zweiten neuen Turm der Stadt: Zaha Hadids organisch-skulpturale Sprungschanze auf dem Bergisel, die sich anders als Perraults verstecktes Miniaturhochaus ganz selbstbewusst zur Schau stellt.
Bezug zur Alpenlandschaft

Mit den in der Höhe abgestuften «Rathausgalerien», die auf die Topographie der Alpenlandschaft zu antworten scheinen, hat Perrault gleichsam die «Urbanissima» genannte Variante des von der Innsbrucker Hochhausstudie vorgeschlagenen innerstädtischen Hochhauskonglomerats vorweggenommen. Die kühle Intervention aus Stahl und Glas, der eisblaue Wände und fast wie das Goldene Dachl glänzende Sonnenblenden eine heitere Note verleihen, überzeugt durch Klarheit und Abstraktion, lässt aber dennoch Leben zu. Innsbruck jedenfalls hat mit diesem Ende 2002 eingeweihten innerstädtischen Einkaufs- und Flanierbereich einen attraktiven halböffentlichen Raum erhalten.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.05.02

22. April 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukünstlerische Höhenwege

Hugh Pearman sichtet die „Weltarchitektur“ von heute

Hugh Pearman sichtet die „Weltarchitektur“ von heute

Das Buch ist gewichtig, zumindest bezüglich seines Umfangs: Auf über 500 Seiten und anhand von mehr als 1000 zumeist kleinen bis winzigen Farbabbildungen versucht darin der englische Architekturkritiker Hugh Pearman einen Höhenweg der «Weltarchitektur» von heute zu skizzieren. Der gewaltige Stoff, welcher 600 Bauten bekannter Architekten aus den letzten 20 Jahren umfasst, wird von Pearman in 13 Kapitel gliedert: von Kultur- und Konsumbauten über Wohn- und Bürohäuser bis hin zu Verkehrs- und Freizeitanlagen. Die Unterteilung in Gebäudekategorien erlaubt spannende Quervergleiche. Sie führt aber auch zur Vermischung der unterschiedlichsten Architektursprachen, wodurch ein chaotisches Bild entsteht, das manchen Leser irritieren dürfte. Doch damit reflektiert die Auswahl im Grunde nur jene Beliebigkeit, an der die Architektur aufgrund des seit Jahren herrschenden Pluralismus krankt - zumal die angelsächsische, welcher Pearmans besondere Aufmerksamkeit gilt.

In den Essays zu den einzelnen Kapiteln wechseln sich überzeugende und geschwätzige Partien ab. Tiefschürfende architektonische Analysen einzelner Bauten sucht man vergeblich. Dafür betont Pearman die gesellschaftlichen Bezüge und begibt sich so oft unfreiwillig auf dünnes Eis. Bei seinem Lob der von ihm «Ecoscrapers» genannten «ökologischen» Hochhäuser etwa versteigt er sich zu Prophezeiungen, die heute seltsam klingen: «Der Supertower - vielseitig verwendbar, platzsparend und in der Lage, einen immer grösseren Anteil seiner eigenen Energieversorgung selbst zu übernehmen - wird der Magnet des neuen Jahrhunderts sein.» Für die deutsche Ausgabe der bereits vor vier Jahren, also vor dem 11. September, erschienenen Publikation hätte man das letzte, den Supertürmen gewidmete Kapitel zwingend überarbeiten müssen. Die Begeisterung für das Grosse beeinträchtigt aber auch sonst diese Übersicht, manifestieren sich doch Neuerungen zunächst meist in kleineren Architekturen - und nicht in den Kommerzbauten, die hier den meisten Platz einnehmen.

Auch sonst zeigt sich, dass diese britische Sicht der Architektur kaum mit der kontinentaleuropäischen übereinstimmt. So ist hierzulande etwa die «Freizeitarchitektur» von Shopping-Malls und Themenparks bei seriösen Architekten immer noch verpönt. Auch bezüglich des «öffentlichen Raums» lassen sich Unterschiede ausmachen. Am Gravierendsten aber ist die Tatsache, dass Pearman bedeutende europäische Architekturnationen wie Holland, Österreich, Spanien und die Schweiz kaum zur Kenntnis nimmt. In Wien hält er einzig das Haas-Haus von Hans Hollein für erwähnenswert. Zu Peter Zumthors Therme in Vals findet er zwar einige kryptische Worte, hält sie aber nicht für bildwürdig, während er Botta und Calatrava geradezu monumental in Erscheinung treten lässt. Dem Redaktionsschluss der englischen Ausgabe ist es zuzuschreiben, dass Glanzlichter der Gegenwartsarchitektur wie Jean Nouvels KKL in Luzern, Rafael Moneos Kursaal in San Sebastián, der Osanbashi-Pier von Foreign Office Architects in Yokohama, die Yverdoner «Wolke» von Diller & Scofidio oder die Bauten von MVRDV fehlen, während die Tate Modern wenigstens mit einem Computerbild Eingang in dieses ambitiöse Übersichtswerk fand. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, diese Bauten mittels eines Ausblicks in die Publikation zu integrieren. So aber ist dieses widersprüchliche, aber durchaus nützliche Buch leider schon jetzt veraltet.


[Hugh Pearman: Weltarchitektur heute. Phaidon-Verlag, Berlin 2003. 511 S., 1001 Farbabb., 208 Pläne, Fr. 165.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.04.22

08. April 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Mehr als die Oper von Sydney

Pritzker-Architekturpreis an Jørn Utzon

Pritzker-Architekturpreis an Jørn Utzon

Die Jury des Pritzker-Architekturpreises, welcher von den Initiatoren gerne Nobelpreis der Architektur genannt wird, ist immer wieder für Überraschungen gut. Dieses Jahr hätte man im Zeichen des Krieges eigentlich die Ehrung der irakischen Wahllondonerin Zaha Hadid erwartet, die Ende Mai mit dem Contemporary Arts Center in Cincinnati ihr erstes von den Dimensionen her wirklich grosses Werk eröffnen kann. Damit hätte das Preisgericht die mit der Auszeichnung von Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron initiierte Ausrichtung auf Vordenker der zeitgenössischen Architektur fortführen können. Nun aber geht der mit 100 000 Dollar dotierte Preis an Jørn Utzon, dessen überragendes Meisterwerk, das Opernhaus von Sydney, heute das Wahrzeichen Australiens und somit eines der berühmtesten Bauwerke überhaupt ist. Da Utzon wohl vor allem für dieses Werk ausgezeichnet wurde, kommt der fünfte Kontinent erneut zu Pritzker- Ehren, nachdem im vergangenen Jahr Glenn Murcutt den Preis hatte entgegennehmen können.

Der vor 85 Jahren, am 9. April 1918, in Kopenhagen geborene Utzon kann aber mit mehr als «nur» dem Opernhaus von Sydney aufwarten. Nach Lehrjahren bei Asplund, Aalto und Wright eröffnete er 1950 in Kopenhagen sein Atelier. Sieben Jahre später überraschte er die Welt mit dem siegreichen Wettbewerbsentwurf für das Opernhaus von Sydney, das nach vielen Querelen und Planänderungen erst 1973 eröffnet werden konnte. Noch weniger Glück hatte er mit seinem 1964 prämierten Projekt für ein neues Zürcher Stadttheater. Von Utzons realisierten Bauten sind vor allem die Gartensiedlung in Helsingør (1960), die Bagsvaerd-Kirche in Kopenhagen (1976) sowie das zeltartige Parlamentsgebäude in Kuwait City (1972-1982) zu erwähnen, bei dem er gezielt auf islamische Typologien zurückgriff. Interessant sind aber auch seine der lokalen Tradition verpflichteten Villen, die er auf Mallorca baute, wo er seit bald 30 Jahren zurückgezogen lebt. Nachdem ihm 1998 für sein Schaffen die wichtigste kulturelle Auszeichnung Dänemarks, der «Sonningpreis», verliehen worden war, konnte er im vergangenen Jahr das Dunkers-Kulturzentrum im südschwedischen Helsingborg einweihen. Mit Utzon erhält ein Architekt den Pritzker-Preis, dem die humanen Aspekte des Bauens stets wichtiger waren als grosse Gesten.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.04.08

07. April 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

„Eine Höhe, die ideell nie wird übertroffen werden können“

Daniel Libeskind und das neue World Trade Center

Daniel Libeskind und das neue World Trade Center

Im Wettbewerb für den Neubau des World Trade Center in New York wurde Ende Februar das Projekt des 1946 in Polen geborenen US-Architekten Daniel Libeskind gekürt. Es sieht eine dekonstruktivistische, vom höchsten Wolkenkratzer der Welt dominierte Architekturskulptur vor, in der das Drama der einstürzenden Twin Towers und das Trauma des damit nach Amerika gebrachten Krieges verewigt scheinen. Mit Daniel Libeskind, einem Meister suggestiver Baukunst, sprach Roman Hollenstein.

Schon vor Ihrer Teilnahme am eigentlichen Wettbewerb für die Neubebauung von Ground Zero fertigten Sie auf Einladung der New Yorker Max Protetch Gallery einen mikadoartigen Entwurf für ein neues World Trade Center an. Warum beschäftigt Sie dessen Wiederaufbau so sehr? Bedeutet Ihnen Bauen in New York derart viel?

Es geht nicht nur darum, in New York zu bauen. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich ein New Yorker bin. Ich kam als Teenager nach New York und wuchs in der Bronx auf. Ich ging in New York zur Schule und studierte dort Architektur. New York ist meine Stadt. Nach diesem schrecklichen Attentat überlegte ich, wie jeder New Yorker, was mein Beitrag sein könnte.


Widersprüchliche Anforderungen

Wie gingen Sie mit den dem Bauprojekt innewohnenden Widersprüchen zwischen Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsoptimismus, zwischen Zerstörung und Wiederaufbau, zwischen Erinnerung und kommerziellem Druck um?

Das ist genau das Problem: Wie lassen sich die Erinnerungen an das, was am 11. September den Menschen, die in den Twin Towers waren, und darüber hinaus der ganzen Welt geschah, mit einer neuen Vision verbinden? Mit einer Vision, die zeigt, dass das Leben nicht einfach so weitergeht, mit einer Vision, die in Form einer kulturellen Antwort auf die tragischen Ereignisse ein New York des 21. Jahrhunderts zu schaffen vermag: eine Stadt voller Hoffnung und Schönheit.

Nach dem Jüdischen Museum in Berlin, dem Felix-Nussbaum-Museum in Osnabrück und dem Imperial War Museum in Manchester gelten Sie gewissermassen als Mahnmalarchitekt. Wie stellen Sie sich dazu, und wie stellen Sie sich ein Mahnmal für das 21. Jahrhundert vor?

Oh, ich glaube nicht, dass ich ein Mahnmalarchitekt bin. Ich arbeite zurzeit an einem grossen Freizeit- und Einkaufszentrum in der Schweiz, einem Universitätsgebäude in London, einem Bürohaus in Denver und am grossen Umsteigebahnhof des künftigen World Trade Center in New York. Ich bin also kein Mahnmalarchitekt, aber ich beschäftige mich mit Projekten, die mit Geschichte zu tun haben - mit Geschichte, die man nicht vergessen darf. Solche Aufgaben führen zu ganz spezifischen Programmen. Bestimmt handelt es sich beim neuen World Trade Center um eine neue Art von Gedenkstätte. Daran zweifelt niemand in New York - allein schon aufgrund dessen, was hier geschehen ist. Da es sich um ein nie da gewesenes Ereignis handelt, versuche ich alles, was diesen Ort betrifft, ins Stadtganze zu integrieren, in eine lebendige Stadt, nicht in eine Stadt, die nur der Vergangenheit nachtrauert. Ich versuche, die Erinnerung an dieses Ereignis zusammenzubringen mit den demokratischen Werten und mit dem Leben in einer demokratischen Stadt. Das ist die eigentliche Herausforderung, bei der es sich um etwas ganz Neuartiges handelt.

Das zerstörte World Trade Center in New York war als Nabel der globalisierten Finanzwelt gewiss kein Ort der Unschuld. In Ihrem Projekt thematisieren Sie aber - anders als etwa die junge Architektengruppe United Architects - diese eher problematische Seite nicht, sondern glorifizieren den Ort mit einem «Park der Helden», einer «Schneise des Lichts» und den «Gärten der Welt».

Ich versuche, im Wiederaufbauprojekt alle Widersprüche und die ganze Vielschichtigkeit des Ortes zu bewältigen. Bei den Helden, die hier geehrt werden sollen, handelt es sich um ganz gewöhnliche Menschen, wie ich einer bin. Um zu verhindern, dass sie durch die Fundamentalisten der äussersten Rechten instrumentalisiert werden, muss man ihnen wahre Bedeutung verleihen.


Freiheit und Heldentum

Der in den Himmel stossende Turm erinnert formal an die emporgehaltene Fackel der Freiheitsstatue, während die Höhe von 1776 Fuss auf das Jahr der amerikanischen Unabhängigkeit verweist. Sie bringen also das neue World Trade Center mit Freiheit, Demokratie, aber auch mit Heldentum in Verbindung. Sehen Sie - ähnlich wie Präsident Bush - in diesen Werten das Gegengift zum Terrorismus, und übernehmen Sie damit dessen Einteilung der Welt in «Gut» und «Böse»?

Lower Manhattan ist ein Finanzzentrum. Wir sind hier nahe bei der Wall Street, und das World Financial Center ist Teil des Ganzen. Deshalb braucht dieser Ort einen neuen Anstoss für Kultur und Leben. Eine völlig neue Nachbarschaft soll entstehen, in der auch Familien wieder ihren Platz finden. Wichtig sind zudem stadträumliche Verbindungen zwischen dem Hudson und dem East River, zwischen Tribeca und Battery Park. Es geht darum, einen völlig anderen Ort zu denken - das Gegenteil der monolithischen, einseitigen und eingeschränkten Zustände der Vergangenheit. Wenn ich in meinem Projekt Bezug nehme auf Freiheit, Demokratie und Heldentum, so will ich damit nicht den Fundamentalisten der Rechten gefallen. Diese Ideale gehören mir. Ich liebe Amerika, ich liebe, was dieses Land verkörpert und wofür es steht. Das fühlte ich, als sich dieser Vorfall ereignete. Ich hatte nicht das Gefühl, es sei ein Angriff auf irgendjemand, es war ein Angriff auf mich.

Ihr Projekt enthält viele optimistische Symbole und Metaphern, die allerdings nicht direkt aus dessen expressiver Architektur abgeleitet werden können. Vielmehr scheint die von Ihnen bevorzugte dekonstruktivistische Architektursprache, welche die Fragmentierung der Baukörper zelebriert, den Vorgang der Zerstörung zu verewigen. Kann diese Ästhetisierung des Schreckens und der Zerstörung auf Dauer den optimistisch veranlagten New Yorkern zugemutet werden?

Das ist eine Fehldeutung meines Projekts. Ihr Vokabular bezüglich Dekonstruktivismus und Fragmentierung stimmt nicht mit meiner Sprache überein. Daher weise ich diese Art Kritik als ideologisch zurück. Ich machte einen zeitgenössischen Entwurf für eine zeitgenössische Stadt. Einen Entwurf, der die ganze Vielfalt New Yorks zusammenbringt. Schliesslich sollten wir die Komplexität dieser Stadt nicht allzu sehr vereinfachen. New York ist nicht nur eine Stadt der Wolkenkratzer. New York ist eine Stadt von enormer kultureller Bedeutung und grossem städtischem Bewusstsein. Mein Projekt illustriert dies.

Sie operieren mit Gefühlen. Es scheint, als wollten Sie mit Ihrem Projekt letztlich sogar sakrale Empfindungen wecken.

Nein, ich will keine sakralen Empfindungen wecken. Aber Architektur sollte sich nicht nur an den Verstand richten. Sie gehört allen Menschen. Daher sollte sie zu den Menschen sprechen und nicht nur eine intellektuelle Theorie abbilden. Schliesslich haben wir das 20. Jahrhundert mit all seinen Theorien erlebt und wissen, wie schlecht diese sind. Deshalb will mein Entwurf nichts anderes als auf das alltägliche Leben antworten.


Das höchste Haus der Welt

Im Zusammenhang mit Ihrem Hochhaus-Cluster sprachen Sie von «restoring the spiritual peak to the city». Aber ist es nach dem 11. September überhaupt noch sinnvoll, Hochhäuser zu bauen - zumal an diesem belasteten Ort? Oder geht es Ihnen nur darum, sich in New York zu verewigen?

Der Architekt kann gar nicht selbst entscheiden, wie hoch er bauen will. Beim Wettbewerb für das neue World Trade Center gab es ein Programm, das die Dichte der Bebauung vorgab. Es wurde allen Teilnehmern vorgelegt - also nicht von mir erfunden. Ich war mir bewusst, dass die Menschen hier nicht unbedingt wieder 110 Stockwerke hohe Türme sehen möchten. Gleichwohl setzte ich alles daran, die Skyline von New York wiederherzustellen, ihr eine neue Freiheit, einen neuen Sinn zu geben, ohne aber einen riesigen Büroturm vorzuschlagen. Deshalb schuf ich eine andere Typologie: Es handelt sich dabei um ein 541 Meter hohes Gebäude, das aber nicht mehr als 70 Stockwerke aufweist. Dies stellt meiner Meinung nach die maximale Geschosszahl dar, für die sich Investoren noch engagieren. Es wird ein Wolkenkratzer werden mit einem neuartigen Sicherheitssystem, damit sich der Albtraum nicht wiederholen kann, ein Wolkenkratzer, den wir im Griff haben und mit dem wir umgehen können. Zudem wird er mit seinen Restaurants, Plattformen, Gärten und der Antenne zu einer ebenso dramatischen wie bedeutenden Erscheinung im Weichbild von New York werden.

Ihr Wiederaufbaukonzept sieht das höchste Haus der Erde vor. Nun soll aber demnächst in Dubai ein ursprünglich für Melbourne entworfener Wolkenkratzer realisiert werden, der bedeutend höher sein wird als der von Ihnen konzipierte Turm. Könnte das für Sie Anlass sein, Ihren Turm des Rekordes wegen noch höher zu bauen und damit Ihre Zahlensymbolik aufzugeben?

Nun, ich war nie daran interessiert, einfach nur das höchste Gebäude der Welt zu realisieren. Ich wollte ein Gebäude mit einer sehr spezifischen Höhe errichten. Die Höhe von 1776 Fuss ist eine Höhe, die ideell nie wird übertroffen werden können, weil sie der Welt, weil sie Amerika und weil sie vor allem New York etwas bedeutet - und auch mir persönlich. Sie ist nicht zufällig.


Die Realisierung des Projekts

Selbst wenn Ihr Gestaltungsvorschlag realisiert werden sollte, werden Sie wohl kaum die gesamte Anlage selbst bauen können. Werden Sie versuchen, wenigstens das Memorial für sich zu sichern und so Ihren Ruf als Mahnmalarchitekt weiter zu festigen? Oder werden Sie vielmehr versuchen, einen der Bürotürme zu bauen, um nach Ihrem Shopping-Center-Projekt von Brünnen bei Bern erneut zu beweisen, dass Sie auch alltägliche Bauaufgaben bewältigen können?

Ich werde bestimmt nicht der Architekt des ganzen Komplexes sein. Vielmehr wird es internationale Wettbewerbe geben - beispielsweise für das Mahnmal. Ich bin der Architekt, der für die Matrix, für den räumlichen und urbanistischen Charakter sorgt und damit auch den Ort festlegt, wo das Mahnmal errichtet wird. Aber nicht nur als Planer, sondern auch als Architekt werde ich an der Ausführung beteiligt sein. Ich werde den grossen Umsteigebahnhof des neuen World Trade Center realisieren, einen Ort, der täglich von Hunderttausenden von Menschen benutzt werden wird. Ich denke zudem, dass ich auch der Architekt des «1776 Tower» sein werde. Diese beiden Projekte sind für mich wichtig, weil sie Teil des alltäglichen Lebens sind. Gerade an diesem Ort ist neben dem Besonderen auch das Alltägliche von grosser Bedeutung.

Man sagt, Larry Silverstein, der Pächter des World Trade Center, habe kritisch auf die Wettbewerbsergebnisse reagiert. Wenig angetan sein dürften er und andere mögliche Investoren von den vielen ebenso symbolträchtigen wie kostspieligen Aussenräumen, dem Memorial und den hängenden «Gärten der Welt», die ein Drittel des höchsten Turmes einnehmen sollen. Wer wird diese für Ihr Konzept, aber auch für die Angehörigen der Opfer so zentralen Anlagen bezahlen?

Man kann mit Bestimmtheit sagen, dass das Mahnmal nicht allein für New York, den Bürgermeister oder den Gouverneur wichtig ist. Es hat seine Bedeutung für das ganze Land, ja für die ganze Welt. Man muss bedenken, dass bei den Terrorattacken auch viele Ausländer den Tod fanden, darunter sehr viele Briten. Kurz, es handelt sich hier um eine Gedenkarchitektur, für deren Finanzierung mit Sicherheit Gelder aus verschiedenen Quellen fliessen werden. Was die sechs Türme betrifft, aus denen der Komplex bestehen wird, so sind die Investoren der Ansicht, dass sie sehr vernünftig entworfen wurden. Larry Silverstein hat aktenkundig festgehalten, dass sie sehr praktisch seien, dass sie genau die Höhe hätten, die er sich vorgestellt habe, und dass er sie darum realisieren wolle. Dabei möchte ich den höchsten Turm, den «1776 Tower», unbedingt mit den «Gärten der Welt» ausstatten und mit der Antenne bekrönen. Die Antenne ist integraler Bestandteil des «1776 Tower». Man braucht die Antenne, weil die Kommunikationsanlagen bei den Terroranschlägen zerstört wurden und weil sie Geld einspielt. Denn ein Gebäude wie der «1776 Tower» ist sehr kostspielig. Dafür wird er mit seinen Bürobereichen, Gärten, Restaurants und der Antenne etwas wirklich Neues verkörpern: einen Bautyp, der ebenso pragmatisch wie praktisch ist und daher auch gebaut werden kann.

Sie wurden aufgefordert, Ihren Entwurf erneut zu überarbeiten. Was werden Sie ändern?

Beim Wettbewerb musste alles sehr schnell gehen. Nun geht es darum, das Projekt zu verfeinern - unter Berücksichtigung der Auflagen von Stadt und Port Authority. Das sorgfältige Überarbeiten gehört zur Entwicklung eines Projektes; und ich erachte das als etwas sehr Positives.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2003.04.07

04. April 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Thema und Variationen

Wiener Wohnungsbau in Basel

Wiener Wohnungsbau in Basel

Wohnen im vorstädtischen Grün ist aus ökologischen und urbanen Gründen in Verruf geraten. Darauf reagierte Adolf Krischanitz mit der Initiative zu einem städtisch verdichteten Wohnprojekt, in welchem sich die Siedlungsidee der Moderne mit dem Trend zur Stadtvilla verbindet. Krischanitz lud acht Kollegen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ein, in Wien-Hadersdorf je ein Haus mit drei bis fünf Wohnungen zu entwerfen. Die Resultate, die zurzeit im Architekturmuseum Basel zu sehen sind, bieten Variationen zu einem interessanten Thema. Sie sagen aber auch einiges aus über die architektonische Kultur in den jeweiligen Ländern. Im Zentrum der Schau stehen zwölf kistengrosse, aus grauem Zement gegossene Modelle, die bald an Fischli & Weiss, bald an Rachel Whiteread erinnern. Während die komplizierten Entwürfe der beiden Österreicher Hermann Czech und Heinz Tesar im Modell noch manierierter wirken, kommen die Gussformen den strengen Kuben von Krischanitz und Roger Diener entgegen. Ihre Projekte überzeugen zudem mit unkonventionellen Grundrissen, die sich bei Diener in enigmatischen Fassaden spiegeln. Max Dudler hingegen treibt den Formalismus der Aussenhülle so weit, dass sein Mehrfamilienhaus kaum von einem Bürobau unterschieden werden kann. Dem Motto «Form follows function» folgend, schafft Peter Märkli komplexe, aber gut belichtete Räume, die zudem über grosszügige Balkone verfügen. Klingen in diesem Dreifamilienhaus die sechziger Jahre leise nach, so wird man dereinst in Kollhoffs rationalistischen Säulenhallen ganz im Geist des Klassizismus wohnen. Gleichsam als Quintessenz dieser kleinen, für die mittlere Architektengeneration repräsentativen Schau zeigt sich, dass der bereits totgesagten Schweizer Kiste im Wohnungsbau noch immer einiges Potenzial innewohnt.


[Bis 27. April. Begleitheft: «Hintergrund 16», Fr. 7.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.04.04



verknüpfte Bauwerke
Mustersiedlung 9=12

27. März 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Gurken und Eier

Trotz Terrorangst werden in London neue Wolkenkratzer errichtet. Mit Norman Fosters Swiss Re Tower erhält die kantige Skyline der City einen harmonisierenden Akzent, der aber bald durch neue Megastrukturen relativiert werden dürfte. Einen kritischen Kommentar zu diesem Höhenrausch gibt die Ausstellung «Superstudio» im Design Museum.

Trotz Terrorangst werden in London neue Wolkenkratzer errichtet. Mit Norman Fosters Swiss Re Tower erhält die kantige Skyline der City einen harmonisierenden Akzent, der aber bald durch neue Megastrukturen relativiert werden dürfte. Einen kritischen Kommentar zu diesem Höhenrausch gibt die Ausstellung «Superstudio» im Design Museum.

Wer vor nicht einmal zehn Jahren im Zusammenhang mit zeitgenössischer Baukunst London erwähnte, erntete höchstens ein mitleidiges Lächeln. Denn was gab es dort zu sehen ausser den High-Tech-Ikonen des Lloyd's Building und des Channel-Four-Gebäudes von Richard Rogers? Doch die Zeiten, als man für Neubauten englischer Architekten noch in die Provinz fahren musste, gehören der Vergangenheit an, seit mit der Peckham Library von Will Alsop und dem eiförmigen Medienturm im Lord's Cricket Ground von Future Systems zwei höchst eigenwillige Bauten entstanden sind - die allerdings ähnlich versteckt liegen wie die chromglitzernde Unterwelt der neuen Jubilee Line. Umso präsenter im Stadtbild sind die von Herzog & de Meuron in Giles Gilbert Scotts Bankside Power Station eingerichtete Tate Modern und die erst durch ihr Schwanken so richtig ins Gespräch gelangte Millennium Bridge von Ove Arup, Norman Foster und Anthony Caro. Über diesen eleganten Ingenieurbau pilgern heute die Kulturbeflissenen von St. Paul's Cathedral zum Musenkraftwerk der Tate, in dem zurzeit die 135 Meter lange und 35 Meter hohe Turbinenhalle wie verwandelt scheint durch eine ebenso gigantische wie enigmatische Arbeit von Anish Kapoor.


Organoide Formen

Dieses spektakuläre, von Kapoor wohl aufgrund seiner blutroten Kunststoffhaut nach Marsyas, dem von Apollon gehäuteten Satyr, benannte Werk - halb Venusfliegenfalle, halb Trompete - bringt als ingenieurtechnisches Mirakel das Gebäude mit der Kunst in einen Dialog. Gleichzeitig verweisen seine Haut und seine organische Form auf wichtige Positionen des gegenwärtigen Architekturdiskurses, die in der farbigen Hülle des unlängst eingeweihten Laban Dance Centre von Herzog & de Meuron oder in der ovalen Gestalt des im vergangenen Jahr nahe der Tower Bridge eröffneten Stadthauses der Greater London Authority von Norman Foster widerhallen. Dieses Zwitterwesen, halb Ei, halb schiefer Turm, zählt nicht zu Fosters Meisterwerken; und dennoch markiert es eine wichtige Zwischenstufe auf dem Weg hin zu dessen neustem Bau: dem gleich jenseits der Themse in der City sich erhebenden Swiss Re Tower. Beide Arbeiten sind kaum denkbar ohne den organoiden Cricket-Medienturm von Future Systems und mehr noch ohne deren leicht gekrümmten Riesenphallus eines Projekt gebliebenen Themsehochhauses.

Diskret wird der im Rohbau bereits vollendete Swiss Re Tower von den Londonern «The Gherkin», die Essiggurke, genannt, auch wenn der Turm mit seinen diagonalen Fensterbändern eher einem Tannzapfen gleicht. Seine geschmeidige Erscheinung, in welcher die heute gerne gegeneinander ausgespielten organischen und geometrischen Formen überzeugend zusammenfinden, verleiht der harten Skyline etwas Humanes. Gegenüber der leicht geblähten Körpermitte ein wenig eingezogen, macht der kreisrunde Grundriss aus dem Turmbau einen skulpturalen Solitär, der sich gut in die vertikale Stadtlandschaft eingliedert und auf Fussgängerebene einen in der dicht bebauten City höchst erwünschten Platzraum mit vielen Durchblicken schafft. Den Angestellten soll dereinst der nach neusten ökologischen Erkenntnissen errichtete Bau helle Büros und Grossräume mit Ausblicken auf die Stadt und quer durchs Haus bieten; und wo man jetzt in schwindelerregender Höhe noch Wind und Wetter ausgesetzt ist, wird in einem halben Jahr unter einer gläsernen Kuppe ein leider nicht öffentlich zugängliches Aussichtsrestaurant entstehen. Nach seinem vielgerühmten Hongkonger Bankenturm von 1986 beweist hier Foster erneut, dass auch im Hochhausbau, der sich allzu oft im Zusammenspiel von Ingenieurtechnik und Fassadendesign erschöpft, städtebaulicher und baukünstlerischer Mehrwert geschaffen werden kann.

Statt mit einem Höhenrekord aufzuwarten, versucht Foster mit dem 180 Meter hohen Neubau heilend auf die Skyline der Londoner City einzuwirken, deren kantige Hochhäuser schon vor Jahren Prinz Charles wie «Furunkel im Gesicht eines lieben Freundes» erschienen waren. Allerdings dürfte der ausgleichende Einfluss des Swiss Re Tower nur von kurzer Dauer sein, denn trotz verbreiteter Terrorangst sollen allenthalben neue und vor allem höhere Bauten entstehen, wie etwa das Heron Building der New Yorker Kommerzarchitekten Kohn Pedersen Fox, das 218 Meter hoch in den Himmel wachsen wird. Obwohl allen klar ist, dass sich die City mehr denn je gegenüber der neuen Bürostadt in den Docklands behaupten muss, will die Kritik an den neuen Wolkenkratzern nicht abklingen. Vor allem Renzo Pianos 300 Meter hoher London Bridge Tower, eine spitz zulaufende, schon jetzt abschätzig «Glasscherbe» genannte Pyramide, ist heftig umstritten. Würde der als zeichenhafte Erweiterung der City südlich der Themse geplante, von English Heritage als «London's greatest folly» bezeichnete Hochhauskeil in den Himmel getrieben, so bedeutete dies zweifellos eine erneute Verhärtung der Skyline.


«Kapitalistische Architektur»

Entfernt erinnert Pianos vertikale Megastruktur an die utopischen Projekte von Superstudio. Allerdings setzte diese 1966 in Florenz von Adolfo Natalini und Cristiano Toraldo di Francia gegründete Architektengruppe ihre Vision von minimalistischen weissen Gitterstrukturen, die Landschaften und Städte gleichermassen überwuchern, als Kritik an der «kapitalistischen Architektur» ein. Damit unterschied sie sich vom zeitgleich aktiven, aber bekannteren Londoner Team Archigram, dessen fortschrittsgläubiger Ansatz stark vom Pop und vom Metabolismus beeinflusst war. Gleichsam als Beitrag zur gegenwärtigen Londoner Architekturdebatte zeigt nun das Design Museum eine kleine Retrospektive von Superstudio. Die trocken präsentierte Schau wird der aus politischem Widerstand herausgewachsenen Sichtweise der Florentiner Theoretiker, die gegen die «Sterilisierung der Träume» durch eine Architektur der unbegrenzten Möglichkeiten kämpften, durchaus gerecht. Ihre ebenso radikalen wie ideologischen Ansichten machten sie in den sechziger und siebziger Jahren in Zeitschriften, Büchern, Ausstellungen und Filmen einem irritierten Publikum zugänglich. Mit ihren provokativen, von der Erkenntnis der Grenzen des Wachstums geprägten Vorschlägen wollten sie die massiven architektonischen Eingriffe in die Umwelt in Frage stellen. Denn ihr Fernziel war die Verwandlung von Architektur in Leben, ein Wunschtraum, der sich in der Turbinenhalle der Tate Modern - wohl eher zufällig - ein ganz klein wenig zu erfüllen scheint, zumal mit Hilfe von Kunstwerken wie Kapoors «Marsyas».


[Die Ausstellung Superstudio im Design Museum dauert noch bis zum 8. Juni. - «Marsyas» von Anish Kapoor ist noch bis zum 6. April in der Turbine Hall der Tate Modern zu sehen.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2003.03.27



verknüpfte Bauwerke
Swiss Re Tower

21. März 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur im Schatten der Wolkenkratzer

Oscar Niemeyer und Richard Meier in Frankfurt

Oscar Niemeyer und Richard Meier in Frankfurt

Die Skyline ist das Wahrzeichen von Frankfurt. Ihr verdankt «Mainhattan» den Ruf, die vom Erscheinungsbild her amerikanischste Stadt des alten Kontinents zu sein. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Voraussetzungen für diesen spektakulären Höhenrausch gelegt, auch wenn Bruno Taut hier bereits 1931 das erste Scheibenhochhaus realisiert hatte. Wie die stark zerstörte Alt- und Innenstadt zwischen Dom und Hauptbahnhof mit niedrigen Zeilenbauten wiederhergestellt wurde, aus denen sich bald schon zwölfgeschossige Geschäftsbauten wie der «Bienenkorb» erhoben, zeigt nun die kleine Ausstellung «Frankfurt am Main - die fünfziger Jahre» im Institut für Stadtgeschichte anhand von historischen Fotos und Dokumenten. Ungeachtet der Kriegsverluste hatten beim Planen und Bauen die Bewahrer gegenüber den unsentimentalen Erneuerern meist das Nachsehen. So wurde dem 70 Meter hohen Fernmeldehochhaus der Bundespost das Rokoko-Palais der Thurn und Taxis geopfert, das man leicht hätte wiederherstellen können. Die Niederlagen der Denkmalpflege führten bald zur Forderung, der «Amerikanisierung» sei Einhalt zu bieten. Mit wenig Erfolg allerdings, denn am Ende des Jahrzehnts wuchs mit dem zwanzigstöckigen Zürich-Haus von Werner Stücheli gleich neben der Alten Oper der erste amerikanische «Wolkenkratzer» der Stadt in den Himmel.

Mittlerweile ist diese blau schimmernde Nachkriegsikone allen Protesten zum Trotz abgebrochen worden. Ob an ihrer Stelle Christoph Mäcklers Neubauprojekt je verwirklicht wird, steht in den Sternen, denn offensichtlich ist der Versicherungsgesellschaft die Lust am Bauen vergangen. Während in der Nachbarschaft der Zürich-Brache die Spitzhacke weiter gegen Denkmalschutzobjekte wütet, soll nun Mäckler die klassizistische Stadtbibliothek an der Schönen Aussicht wiedererrichten, von der die Aufräumarbeiten von 1945 nur noch den Säulenportikus übrig liessen. Dieser bildet seit den achtziger Jahren als «schönste Kriegsruine Frankfurts» den stolzen Eingang zum Container der Portikus-Kunsthalle. Die Rekonstruktionssucht, deren konservativer Geist längst ganz Deutschland erfasst hat, dürfte im Fall des Portikus zur Wiedergewinnung eines schönen Blickfangs am Main führen. Ein anderer erhebt sich seit einem Jahr gleich auf der Südseite des Flusses in Form des Main-Plaza-Turms von Hans Kollhoff. Mit seiner gravitätischen Erscheinung ist der gedrungen wirkende, zwischen Gotik und Art déco oszillierende Zwanzigstöcker als nobelster Himmelstürmer der Stadt nicht nur die Antithese zum verlorenen Zürich-Haus, sondern auch zum glücklichsten Frankfurter Neubau der letzten zwei Jahrzehnte: der eleganten, aus den Kraftlinien des Ortes hergeleiteten Erweiterung der Villa Metzler zum Museum für Angewandte Kunst (MAK) durch Richard Meier.

Das MAK, das von einer Zeit zeugt, da Vergangenheit und Zukunft noch voller Optimismus zusammenfinden konnten, beherbergt nun eine Ausstellung über den Architekten Richard Meier als Designer und Künstler. Wer dessen gestalterische Arbeiten nicht kennt, wird staunen, wie stark dieser Vertreter der Spätmoderne in seinen Designentwürfen dem Wiener Jugendstil huldigt. So sind die Sitzgelegenheiten, die er 1985 für das MAK schuf, schwerblütige Neuinterpretationen von Josef Hofmanns Möbeln, und seine Silbergegenstände - Schalen, Bilderrahmen, Kerzenständer - sowie das Porzellan sind Erzeugnissen der Wiener Werkstätten zum Verwechseln ähnlich. Wirklich irritierend aber ist der suprematistisch beeinflusste rechteckige Flügel mit den schwerfälligen Chromstahlbeinen, den Meier 1995 für Imbach entworfen hat. Den Übergang zu Meiers künstlerischen Versuchen - den Collagen und den (nur als Abbildungen anwesenden) neokubistischen Metallskulpturen, zu denen er durch seinen Freund Frank Stella angeregt wurde - bilden Objekte wie der Kerzenleuchter «Tower» von 1989. Bei diesem wandte er schon eine ähnliche Kompositionsweise an wie in dem an eine Minimalskulptur erinnernden Wettbewerbsprojekt für das neue World Trade Center, welches er zusammen mit Peter Eisenman und Steven Holl verfasste. Dass bei diesem Vorschlag aber auch wichtige Anstösse von Holl kamen, verdeutlicht gegenwärtig eine Schau im benachbarten Deutschen Architektur-Museum (DAM). Die vor einem Jahr im Auftrag der Max Protetch Gallery in New York von namhaften Architekten schnell hingeworfenen und seither überholten Vorschläge für Ground Zero, die bereits in Venedig vorgestellt wurden, sind deswegen interessant, weil man hier der ersten Vision von Libeskind, einem mikadoartigen Hochhausbündel mit schwebendem Memorial, begegnen kann.

Gleichwohl hätte man auf die Präsentation dieser architektonischen Herzensergiessungen verzichten und dafür der Oscar Niemeyer gewidmeten Hauptausstellung mehr Raum einräumen sollen. Diese zuvor schon unter anderem in Paris gezeigte Schau (NZZ 9. 2. 02) leidet im DAM nämlich unter Platznot. Das hat die Ausstellungsmacher Haron Cohen und Cecília Scharlach dazu bewogen, die Präsentation völlig neu zu konzipieren. Dadurch ist sie von einer rhetorisch weit ausholenden Inszenierung zu einer spröden Retrospektive geworden, der jede brasilianische Eloquenz abgeht. Einem informativen «Fries» mit Bildern aller Bauten und Projekte des 95 Jahre alten Architekten antworten Modelle seiner wichtigsten Bauten in Brasilien, Frankreich und Italien sowie seiner unrealisiert gebliebenen Moschee für Algier. Ergänzt wird diese Zusammenstellung durch Zeichnungen des Meisters, durch aufschlussreiche historische Schwarzweissaufnahmen von Marcel Gautherot und prachtvolle Farbfotos von Michel Moch. Waren diese in Paris das vorherrschende Moment der Schau, so werden sie hier zum bunten Bilderreigen degradiert, der Niemeyers Œuvre allzu marktschreierisch anpreist.

Schade, dass das DAM die Möglichkeit vergeben hat, die Rezeption der organischen Baukunst Niemeyers von Calatrava über Future Systems bis hin zur heutigen Blob-Architektur zu thematisieren. Das hätte - zusammen mit der in diesem Kontext doch noch nützlichen WTC-Schau - einen kritischen Blick auf die Wolkenkratzer jenseits des Mains erlaubt, bei denen wenig Sinn für Form, Raum und Licht auszumachen ist. Doch scheinen die gegenwärtigen Finanzprobleme der Frankfurter Museen keine Eigenleistungen mehr zu erlauben, einmal abgesehen von der erfreulichen Tatsache, dass das DAM zur Ausstellung eine eigene Monographie herausgeben konnte, welche die noch immer schmale Niemeyer-Bibliographie nützlich erweitert.


[Ausstellungen: Bis 23. März im Institut für Stadtgeschichte, Begleitbroschüre Euro 1.50. Bis 18. Mai im MAK, Begleitpublikation: Richard Meier. Der Architekt als Designer und Künstler. Hrsg. Volker Fischer. Edition Axel Menges, Stuttgart 2003. 128 S., Fr. 89.- (Euro 36.- in der Ausstellung). Bis 11. Mai im DAM, Begleitpublikation: Oskar Niemeyer. Eine Legende der Moderne. Hrsg. Paul Andreas und Ingeborg Flagge. Birkhäuser- Verlag, Basel 2003. 144 S., Fr. 45.- (Euro 29.50 in der Ausstellung).]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.03.21

13. März 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Formalistischer Rationalismus

Der südamerikanische Architekt Rafael Viñoly

Der südamerikanische Architekt Rafael Viñoly

Das gespenstische Skelett der Twin Towers machte Rafael Viñoly, den Vordenker der eigens für den Ground-Zero-Wettbewerb formierten Architektengruppe «Think», jüngst einem grösseren Publikum bekannt. Obwohl es eine Zeit lang so aussah, als würde sein Team die Palme davontragen, wurde Viñoly im Schlussspurt von der Vergangenheit eingeholt. Denn der 1944 als Sohn kanarischer Einwanderer in Uruguay geborene, aber in Buenos Aires aufgewachsene Architekt, der zuerst Musiker hatte werden wollen, führte als junger Mann zusammen mit dem Estudio de Arquitectura unter der argentinischen Militärdiktatur offizielle Aufträge aus: einen Pavillon für das Gesundheitsministerium, die Erweiterung des Aussenministeriums und - für die Fussball-WM von 1978 - ein Fernsehgebäude sowie das genial einfache Stadion in Mendoza.

Hätte Viñoly 1967 seinen futuristischen Entwurf des Amsterdamer Rathauses mit abenteuerlich aufgestelzten Glaskugeln verwirklichen können, wäre ihm vielleicht der Flirt mit den Generälen erspart geblieben. So aber sah er sich gezwungen, seine Karriere in Buenos Aires aufzubauen. Hier schuf er in den späten sechziger Jahren mehrere extravagante Bankgebäude, in denen sich Beton, Glasbausteine und Lichteffekte zu raumschiffartigen Interieurs vereinen. Dank diesen frühen Erfolgen konnte er schon mit 28 Jahren sein eigenes Haus realisieren: eine aus zwei Türmen und einem verbindenden Schwebebalken bestehende schwarze Villa am Río de la Plata. Diese Miniatur sowie ein 1974 vollendetes, räumlich sehr komplexes Geschäftshochhaus wiesen bereits voraus auf den Samsung Tower von 1999 in Seoul und auf das Ground-Zero-Projekt.

Im Jahr 1979 emigrierte Viñoly nach New York, wo er sich zunächst mit kleinen Aufträgen durchschlagen musste, bis er - gleichsam als Kampfansage an die Postmoderne - ein rationalistisches, von Richard Meier und seinem Freund Mario Campi beeinflusstes Hochhaus an der 52nd Street verwirklichen konnte. Den bisherigen Höhepunkt in seiner Karriere aber markiert das in einem linsenförmigen Glasschrein kulminierende Tokyo International Forum (1989-96). Dieser Erfolg öffnete ihm in den USA viele Türen, wie das gute Dutzend bedeutender Bauten veranschaulicht, die zurzeit entstehen. Nun wird das Schaffen Viñolys, der neuerdings auch wieder in Buenos Aires tätig ist, in einer üppig bebilderten Monographie mit einem 238 Nummern umfassenden Werkverzeichnis dokumentiert. Sie zeigt einen künstlerisch engagierten Architekten, der unter dem Einfluss der New Yorker Bauwirtschaft immer glatter und kommerzieller wurde. Zu hoffen bleibt daher, dass das Ground-Zero- Projekt eine Rückkehr zur architektonischen Recherche bewirken wird.


[Rafael Viñoly. Hrsg. Román Viñoly. Birkhäuser-Verlag, Basel 2002. 320 S., Fr. 128.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2003.03.13

12. März 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Chronik eines Erfolgs

Tessiner Architektur im CCS in Mailand

Tessiner Architektur im CCS in Mailand

Seit der legendären Zürcher «Tendenzen»-Ausstellung von 1975 sind ungezählte Veröffentlichungen zur Tessiner Architektur erschienen. Dazu gehört auch die vor zwei Jahren herausgegebene CD-Rom «Architetture nel Territorio», die 261 Bauten von 90 Architekten in Wort und Bild vorstellt. Ausgehend von diesem nützlichen, aber nur begrenzt wahrgenommenen Übersichtswerk hat nun Pro Helvetia eine aus 47 informativen Schautafeln bestehende Wanderausstellung zur Tessiner Architektur realisiert, die zurzeit im Centro Culturale Svizzero in Mailand ihre Premiere hat, um anschliessend weltweit an rund 150 Orten gezeigt zu werden. Präsentiert wird ein Tessiner Höhenweg der Baukunst. Er beginnt mit Rino Tami, dessen Bauten aus den vierziger bis sechziger Jahren immer noch mit zum Besten gehören, was in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert im Grossraum Lugano gebaut wurde. Nach Arbeiten der Wrightianer Franco Ponti, Peppo Brivio und Alberto Camenzind werden Highlights bis hin zu Aurelio Galfettis unlängst eröffnetem Universitätscampus von Lugano vorgestellt, bei dem der sonst in der Ausstellung weitgehend ignorierte Nachwuchs zum Zuge kam. Unter den jüngsten Werken finden Arbeiten wie Mario Campis grossstädtischer Wohnpalast in Lugano, Raffaele Cavadinis Oratorium von Porta in Brissago und Livio Vacchinis Mehrzweckhalle in Losone besondere Erwähnung.

Als Erweiterung dieser Chronologie werden die vier Grossen der Tessiner Architektur - Botta, Galfetti, Snozzi und Vacchini - zusammen mit Campi, Fabio Reinhart und Flora Ruchat auch noch monographisch und mit einem Blick auf ihre in der CD-Rom nicht thematisierte Tätigkeit ausserhalb des Tessins beleuchtet. Dabei will nicht einleuchten, warum Ivano Gianola, der mit dem Palace in Lugano eines der grössten Bauprojekte des Tessins in Arbeit hat und zudem auch in Deutschland erfolgreich ist, nicht in die Meistergruppe aufgenommen wurde. Die Spannweite dieser monographischen Sektion erstreckt sich von den Wohnbauten Ruchats in Taranto (1981), Campis in Malmö (2001) und Luigi Snozzis in Maastricht (2002) über die Architekturschule von Vacchini in Nancy (1995) und Galfettis Cité des Arts in Chambéry (2002) bis hin zu Mario Bottas Cymbalista-Synagoge in Tel Aviv (1998) und dessen Tata-Gebäude in Neu-Delhi (2003). Der Ausstellung gelingt es, einen Einblick in eine Erfolgsgeschichte zu geben, die vor fünf Jahrzehnten einsetzte und deren Protagonisten seit den achtziger Jahren Europa und - im Fall von Botta - sogar die Welt eroberten.


[Bis 26. März (täglich ausser sonntags 14.30 bis 18 Uhr) im Centro Culturale Svizzero, Piazza Cavour, Mailand. Begleitpublikation: Architetture nel territorio. Canton Ticino 1970- 2000. CD-ROM. Pro Helvetia und Tarmac Edizioni, Mendrisio 2001 ( www.tarmac.ch). Fr. 88.- (Euro 45.- in der Ausstellung).]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2003.03.12

07. März 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Blütenlese

Schweizer Bauten in der „Archithese“

Schweizer Bauten in der „Archithese“

In Deutschland, Spanien und den Niederlanden wird seit geraumer Zeit in Form von Jahrbüchern auf die Spitze der architektonischen Produktion hingewiesen. Als vorbildlich gelten darf der unprätentiöse „Anuario“ der Zeitschrift „Arquitectura Viva“, der sich Anfang der neunziger Jahre mit Erfolg daran machte, die spanische Architektur in ein günstiges Licht zu stellen. In der Schweiz, die sich in Sachen Baukunst auch nicht zu verstecken braucht, wurde ein ähnlicher Versuch im Januar 2001 gestartet. Die erfreuliche Initiative ging von der „Archithese“ aus. Mittlerweile liegt unter dem Titel „Swiss Performance 03“ bereits die dritte Ausgabe dieses Jahresrückblicks vor. Er präsentiert 16 Werke: von der strengen Wohnsiedlung in Zürich (von Ballmoss & Krucker) bis hin zum neuen Universitätscampus in Lugano. Als einziges Beispiel aus der Romandie wird im Anschluss an den Hauptteil Bernard Tschumis Projekt für die Uhrenfabrik Vacheron Constantin in Genf vorgestellt. Wenn man den einen oder anderen interessanten Bau vermisst, so hat das einerseits mit der platzbedingten Auswahl zu tun, anderseits aber auch damit, dass die bereits im Laufe des vergangenen Jahres in der „Archithese“ vorgestellten Bauten nicht noch einmal zum Zuge kommen konnten. Gleichwohl wäre es nützlich gewesen, wenn diese Arbeiten, der Vollständigkeit wegen und um die Optik zu entzerren, im Anhang nochmals mit einem Bild, einer Kurzbeschreibung und einem Verweis auf das entsprechende Heft erwähnt worden wären.


[ Archithese 1.2003. Swiss Performance 03. Niggli-Verlag, Sulgen 2003. 112"S., Fr. 28.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.03.07

27. Februar 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Rigoroser Rationalismus

Zum 70. Geburtstag des Tessiner Architekten Livio Vacchini

Zum 70. Geburtstag des Tessiner Architekten Livio Vacchini

Das Postgebäude an der Piazza Grande von Locarno und die im Entstehen begriffene Galleria Luini in der nahen Neustadt zählen zu den provokativsten und irritierendsten Werken der neusten Schweizer Architektur. Umso mehr erstaunen mag es daher, dass diese unkonventionellen Bauten von einem Architekten stammen, der das Pensionsalter bereits erreicht hat: Livio Vacchini, der heute seinen 70. Geburtstag feiern kann, ist zweifellos der jugendlichste und unbequemste unter den zu internationalem Ruhm gelangten Tessiner Baukünstlern. Doch will er mit seinen Häusern weniger anecken als vielmehr den architektonischen Mainstream hinterfragen - und dies so konsequent, dass kaum jemand die Bauten, die Vacchini in den vergangenen Jahrzehnten realisierte, als lieblich oder leicht zugänglich bezeichnen wird. Selbst die auf den ersten Blick malerische Casa Rezzonico in Vogorno im Verzascatal (1985) erweist sich als hartes Schwarzbrot, verglichen mit den materialverliebten Bauten der trendigen Deutschschweizer. Denn nicht das photogene Detail, auch nicht der schöne Werkstoff interessieren Vacchini. Im Zentrum seines Schaffens steht vielmehr das Streben nach grösstmöglicher formaler und räumlicher Reduktion.

Nach seinem Studium an der ETH Zürich sowie nach Lehrjahren in Stockholm und Paris tat Vacchini sich vorübergehend mit Luigi Snozzi zusammen. Aus dieser Teamarbeit resultierten Mitte der sechziger Jahre zwei gleichermassen von Mies van der Rohe und Arne Jacobsen inspirierte Bauten, bei denen die Transparenz eine wichtige Rolle spielte: ein Wohnblock in Locarno und das Bürohaus Fabrizia in Bellinzona. Während Snozzi danach das Potenzial einer kontextuellen, sorgfältig aus den Begebenheiten des jeweiligen Ortes entwickelten Betonarchitektur auslotete, erforschte Vacchini die Möglichkeiten eines moderat postmodernen Rationalismus. Daraus resultierten die als Hofanlage konzipierte Saleggi-Schule in Locarno, die im Kern bereits sein späteres Schaffen erahnen liess, und eine Ikone der neuen Tessiner Architektur, der 1975 vollendete Palazzo Macconi in Lugano. Seine bildhafteste Ausformung fand dieser rationale Klassizismus 1984 aber in den symmetrischen Marmorfluchten und Säulenhallen des Schulhauses von Montagnola.


Logik und Poesie

Obwohl die kurz darauf vollendete Casa Alfredo in Dietlikon bei Zürich und das tischförmig angelegte Atelierhaus in Locarno die Hinwendung zu einer kompromisslosen Abstraktion ankündigten, fand Vacchini auf der Suche nach der Essenz des Bauens - während deren das Wohnhaus an der Rue Albert in Paris und die Architekturschule von Nancy entstanden - erst nach einer kreativen Krise zur grossartigen Miniatur der Casa Vacchini in Contra. In diesem kleinen, inmitten von Olivenbäumen hoch über dem Lago Maggiore gelegenen Meisterwerk manifestiert sich Vacchinis Ideal von Logik und Poesie. Mies'sche Einfachheit und Kahns Ausgewogenheit, die in der Aussenform, in der Konstruktion (ein Dach auf zweimal drei Pfeilern) sowie in der Aufteilung in dienende und bediente Räume zur Geltung kommen, vereinen sich hier mit der Tradition des stirnseitig aus dem Hang hervortretenden Tessinerhauses gleichsam zur Erhärtung von Vacchinis Einsicht, dass man, um modern zu sein, die Vergangenheit nicht opfern muss.

Seither kann jeder Bau als eine neue architektonische Recherche verstanden werden, die den Betrachter bald fasziniert, bald ratlos lässt. So antwortete dem in der Landschaft ruhenden Betonhaus in Contra 1996 der minimalistische, zum modisch-jungen Architekturtraktat verdichtete Monolith des verspiegelten Postgebäudes von Locarno, bei dem Vacchini die Tektonik und Geschossigkeit zugunsten einer unterkühlten Anonymität so weit verunklärte, dass die Erdenschwere wie aufgehoben scheint. Nicht weniger auf sich selbst bezogen als dieses rigoros ins historische Stadtbild eingepflanzte Gebäude war der im Jahr darauf eingeweihte Mehrzweckbau in der Einsamkeit des Waffenplatzes von Losone. Im Inneren der Pfeilerhalle, die in ihren harmonischen Proportionen und ihrer Entrücktheit an archaische Tempel erinnert, verwirklichte der Architekt seine platonische Vision eines stützenlosen Glasschreins. Diesem quasisakralen Raumgebilde folgte kurz darauf das kirchenartige Servicecenter von Locarno, mit dem Vacchini bewies, dass auch Nutzbauten eine Aura haben können.


Lob und Kritik

In der Rezeption von Vacchinis Œuvre liegen überschwängliches Lob und ätzende Kritik stets nah beisammen: Wurde die Pfeilerhalle von Losone als Meisterwerk eines gleichermassen zeitgenössischen wie zeitlosen Rationalismus gefeiert, so stiess das Locarneser Postgebäude fast nur auf Unverständnis. Doch sollte sich gerade hier Vacchinis Zuversicht in die klärend wirkende Zeit bewahrheiten. Von dieser profitierte auch die zum Präsentationsteller des Castelgrande umgestaltete Piazza del Sole in Bellinzona. Mit ihren keilförmigen, entfernt an prähistorische Skulpturen gemahnenden Abgängen zur Tiefgarage und dem Spiel von Beton und Granit ist sie in wenigen Jahren zu einem festen Bestandteil im Weichbild der Burgenstadt geworden. Erneut auf Widerspruch stossen dürfte die Galleria Luini in Locarno, die Vacchini mit seiner Partnerin Silvia Gmür, mit der er seit 1995 zusammenarbeitet, entworfen hat. Die anthrazitfarbene Rasterfassade, die nur auf acht mittig angeordneten Betonpfeilern ruht, scheint - ganz ähnlich wie das Postgebäude - zu schweben. Hinter dieser dunklen Hülle, in der sich Transparenz und Verschleierung die Waage halten, verbergen sich zwei Längsbauten, die durch eine offene, in Nord-Süd- Richtung verlaufende Galerie getrennt sind. Aufgrund der Massstabslosigkeit des die wahren Dimensionen verwischenden Fassadengitters ordnet das Auge jedem Rasterfeld eine Etage zu, womit die grossstädtischen Allüren der in Wirklichkeit nur sechsgeschossigen Konstruktion noch stolzer in Erscheinung treten.

Auch wenn Vacchini - anders als beispielsweise Botta - keine Markenzeichen schafft, so prägt doch eine der klassischen Überlieferung verpflichtete Rationalität jeden seiner Bauten. Wer deren konstruktive Schönheit und deren Proportionen verstehen will, kommt nicht um die Publikationspläne herum, die man leicht für konkrete Kunstwerke halten kann. Die meisten dieser formvollendeten Entwürfe konnte Vacchini in den vergangenen Jahren baulich auch umsetzen. Allein, bei seinem 1997 preisgekrönten Wettbewerbsprojekt für eine neue Synagoge in Dresden blieb ihm dies versagt. Anders als der Jury war der Bauherrschaft der nüchterne, von jeglicher Sentimentalität freie Entwurf, in dem eine auf Theorie und Vernunft basierende Architektur triumphiert, zu radikal. Doch Vacchini, der Philosoph unter den Tessiner Baukünstlern, liess sich durch diesen Rückschlag nicht entmutigen. So dürfen alle, denen Architektur etwas bedeutet, hoffen, dass er noch viele aneckende Gebäude planen wird, die den Städten Kanten geben und den kritischen Geist ihrer Bewohner schärfen.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2003.02.27

06. Februar 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lust an Einfachheit

Die neuklassizistische Architektur von Hans Kollhoff

Die neuklassizistische Architektur von Hans Kollhoff

Während sich eine jüngere, technikbegeisterte Generation mehr und mehr der computergenerierten, neo-organischen «Blob»-Architektur zuwendet, treibt in Deutschland eine neuklassizistische Baukunst trockene Blüten. Ihren Ausgang nahm sie im vergangenen Jahrzehnt in der Debatte um ein steinernes Berlin. Seither hat sich ihr eine lose Gruppe unterschiedlich begabter Architekten verschrieben, denen die Metropole an der Spree unter anderem das Remake des Hotels «Adlon» am Pariser Platz verdankt. Als ihr Hauptvertreter gilt der heute 56-jährige ETH- Professor Hans Kollhoff, der in der deutschen Hauptstadt zusammen mit Helga Timmermann ein Büro führt. Hier wie dort hat Kollhoff seine Anhänger und Gegner. Ins Kreuzfeuer der Kritik gelangte er in unseren Breiten, als er seine Zürcher Studenten Villen entwerfen liess, deren Interieurs die schwüle Schwere der Gründerzeit atmen. Dabei liess sein Schaffen - dem Charlottenburg einen gelungenen Wohnblock in der Nachfolge Le Corbusiers verdankt - anfangs diese Entwicklung kaum erahnen. Doch dann vollzog Kollhoff eine Kehrtwende, aber nicht hin zum steinernen Minimalismus seiner ebenfalls in Berlin tätigen Kollegen Ungers, Kleihues oder Dudler, sondern über Mies van der Rohe zurück zu Karl Friedrich Schinkel. Dadurch sind seine Bauten immer klassizistischer geworden, genauer: Sie versuchen heutige Investorenarchitektur mit zeitloser Klassik zu adeln. Allein, das Streben nach einer sich in der «Logik von Tragen und Lasten» spiegelnden «universalen Harmonie» garantiert noch lange keine guten Bauten.

Kollhoffs manieriertem Neoklassizismus widmet sich nun eine schlanke Monographie mit einem kurzen, aber hochtrabenden Einführungstext von Fritz Neumeyer. Darin skizziert der Berliner Architekturtheoretiker die Prämissen einer «Architektur der Erkennenden», denen das kulturelle Bewusstsein von der Menschlichkeit in der Baukunst nicht fremd geworden sei. Sein verstecktes, sich auf Vitruvs Trias von Firmitas, Utilitas und Venustas, aber auch auf Alberti, Kant, Goethe und Nietzsche berufendes Plädoyer für eine Architektur der Gemütlichkeit, Schwere und Innerlichkeit gipfelt in einer überholt anmutenden antimodernen Polemik. Obwohl Kollhoff nicht explizit erwähnt wird, bezieht man die Streitschrift auf ihn, und das tut seinem Schaffen, das bei weitem keine absolute Gültigkeit beanspruchen kann, nicht gut. Die dreizehn von Kollhoff seit 1992 entworfenen und mehrheitlich in Berlin realisierten Gebäude, die in dem Band versammelt sind, versuchen zwar die Möglichkeiten des klassischen Repertoires in einer immer mehr von einer nivellierenden Bauindustrie bestimmten Welt auszuloten. Doch anders als etwa beim klassizistischen Rationalisten Livio Vacchini in Locarno reduziert sich Kollhoffs Kunst auf tektonisch gegliederte Fassadenelemente, auf ein mit der Tradition flirtendes Äusseres und eine möglichst gediegene Innenausstattung.

Wirkt das grossbürgerliche Interieur der Villa Gerl wie ein stark purifiziertes Werk von Schinkel, so fröstelt einen beim Betreten der Empfangshalle im Auswärtigen Amt. Hier vereint sich die Monumentalität der unter den Nazis errichteten und von Kollhoff mit Können, aber ohne Sinn für Brüche und Verfremdungseffekte umgebauten Reichsbank mit dem Mobiliar des Barcelona-Pavillons und Gerhard Merz' Licht- und Farbgestaltung zu einem ebenso faszinierenden wie bedrohlichen Gesamtkunstwerk. Dieser eisige Klassizismus erstarrt vollends in den Schinkels Entwurf für ein Kaufhaus Unter den Linden ins Monumentale steigernden Leibniz-Kolonnaden, die so gar nicht an den nach Walter Benjamin benannten Platz passen wollen. Dass Kollhoff dabei - wohl angeregt durch Neumeyer - an Nietzsches «weitgedehnte Orte zum Nachdenken, Orte mit hochräumigen langen Hallengängen für schlechtes oder allzu sonniges Wetter» und an dessen «Lust an Einfachheit, Übersichtlichkeit, Regelmässigkeit, Helligkeit» gedacht haben dürfte, macht diese spröde Architektur nicht sympathischer. Die Kolonnaden beweisen ebenso wie das Europäische Haus am Pariser Platz, dass die Subtilität von Kollhoffs Architektur eigentlich nur in den sorgsam komponierten Aufrissen zum Tragen kommt. Ihre bauliche Umsetzung führt immer zu einer Verhärtung und Erstarrung, denn die allzu perfekt geschnittenen Profile und Steinoberflächen verströmen kein Leben.

Allen Einwänden zum Trotz darf man Kollhoff zugute halten, dass sich seine Bauten in ihrer Strenge, Stille und in ihrem Stilwollen gut in den städtischen Kontext einpassen. Wo - wie in der von Adolf Loos angeregten Newton Bar an der Friedrichstrasse - die strenge Symmetrie durchbrochen wird, da werden seine Arbeiten sogar verführerisch. Eine gewisse Unbeschwertheit erreichen schliesslich die neugotischen Werke, in denen es Kollhoff ähnlich wie einst Schinkel gelingt, sich aus dem Korsett des allzu Rationalen zu befreien. Das Klinkerhochhaus am Potsdamer Platz, in dem Högers Kontorbauten mit amerikanischem Art déco zu verschmelzen scheinen, ist wohl seine bisher eleganteste Arbeit. Ihr antworten nun seit kurzem die Kathedralgotik des Frankfurter Mainplaza-Tower. All diese Werke präsentiert die Monographie anhand von Ivan Nemecs hervorragenden Schwarzweissfotos, die die Härte von Kollhoffs Baukunst ins Zentrum rücken, während die fachlich Interessierten mit kleinen Fassadenrissen getröstet werden. Die Tatsache, dass der Publikation weder technische Angaben noch Schnitte und Pläne beigegeben wurden, illustriert besser als viele Worte Kollhoffs zwischen klassisch-rationalistischen und romantisch-irrationalen Ansätzen oszillierendes Architekturverständnis, das ganz vom traditionellen, durch die Fassaden definierten Baukörper ausgeht und die Funktionen dem äusseren Erscheinungsbild unterordnet.


[Hans Kollhoff. Architektur. Mit einem Essay von Fritz Neumeyer und Photographien von Ivan Nemec. Prestel-Verlag, München 2002. 112 S., Fr. 101.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2003.02.06

06. Februar 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Akzeptabler Entscheid

Zwei Architekturbüros in der Endrunde für das neue WTC in New York

Zwei Architekturbüros in der Endrunde für das neue WTC in New York

Nun haben sie in Sachen Neubau des World Trade Center einmal mehr entschieden, die Lower Manhattan Development Corporation (LMDC) und die Port Authority von New York und New Jersey - und zwar geradezu salomonisch. Laviert ihr Urteilsspruch doch zwischen dem exzentrischen Design von United Architects und der Banalität von Peterson Littenberg. Gekürt wurden aus den neun im Dezember vorgelegten Entwürfen die Projekte von Daniel Libeskind und der Architektengruppe Think um den Wahl-New-Yorker Rafael Viñoly und den Japaner Shigeru Ban. Bei beiden handelt es sich um ebenso akzeptable wie durchdachte Arbeiten. Doch könnten sie gegensätzlicher nicht sein, der dekonstruktivistisch um ein 530 Meter hoch in den Himmel stechendes Mahnmal wirbelnde Gebäudekomplex von Libeskind, der nicht ganz frei ist von Sentimentalitäten, und die kühle Doppelhelix der als rund 500 Meter hohes Raumgitter ausgebildeten Zwillingstürme von Think.

Erfreulich ist vor allem, dass die Bauherrschaft nicht - wie ursprünglich befürchtet - auf einen verwässerten Mix aus mehreren Vorschlägen setzte, sondern zwei valable Projekte zur Weiterbearbeitung empfiehlt. Ende Februar soll nun einer der beiden Entwürfe samt zugehörigem Masterplan gekürt werden, teilte die LMDC mit, deren Präsident Louis R. Tomson stolz festhielt, es sei im Rückblick auf die im letzten Jahr durchdiskutierten Vorschläge bemerkenswert, «how much progress we've made». Der siegreiche Entwurf soll dem Publikum vorgelegt und anschliessend weiter verfeinert werden. Zu hoffen ist, dass daraus ein würdiger Nachfolgebau für Minoru Yamasakis Zwillingstürme resultiert, der zum Wahrzeichen und zur neuen Identifikationsfigur für Lower Manhattan werden kann.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2003.02.06



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Shigeru Ban Architects
Ban Shigeru

01. Februar 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Poesie des Ortes

Die Bündner Architekten Jüngling & Hagmann

Die Bündner Architekten Jüngling & Hagmann

Erstmals Aufsehen in der Architektenszene erregten sie mit dem Neubau der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Chur, für den ihnen 1994 der eidgenössische Kunstpreis verliehen wurde. Seither sind die beiden in Chur tätigen Architekten Dieter Jüngling und Andreas Hagmann zusammen mit Peter Zumthor sowie mit Bearth & Deplazes zu Hauptexponenten der vielgerühmten Bündner Baukunst geworden. Für ihre dem Berghang angeschmiegte treppenförmige Schule in Mastrils erhielten sie vor drei Jahren eine Auszeichnung für «Neues Bauen in den Alpen»; und heute können sie bereits mit einem beachtlichen, formal und thematisch breit gefächerten Œuvre aufwarten. Diesem widmet der Luzerner Quart-Verlag in seiner schön gestalteten «De Aedibus»-Reihe eine schmale Monographie mit Texten von Walter Zschokke. Es sind aber vor allem die Abbildungen, welche die Architektur von Jüngling & Hagmann zum Sprechen bringen: Bald zeugt ein Atelieranbau an ein altes Holzhaus in Lüen, bald eine streng städtisch anmutende Betonfassade am Churer Ottoplatz von der Fähigkeit dieser Baukünstler, ausgehend von «analogen» Strategien die Poesie eines Ortes in Architektur umzusetzen. So kommt es, dass selbst die Gebäude für den Waffenplatz St. Luzisteig angenehme Heiterkeit verströmen. Ihre neomoderne Transparenz spricht aber auch aus einer unlängst vollendeten Villa in Maienfeld, während ihr jüngstes Werk, ein Verwaltungsgebäude in Chur, mit seiner abgetreppten Fassade sich wie vor zehn Jahren bei der HTW wieder ganz kreativ mit der Anonymität der Vorstadt auseinandersetzt. Kurz: Die beiden gut fünfundvierzigjährigen Architekten dürften auch in Zukunft noch für manche bauliche Überraschungen gut sein.

[ Bauwerke - Dieter Jüngling und Andreas Hagmann. Text Walter Zschokke. De Aedibus 5. Quart-Verlag, Luzern 2003. 69 S., Fr. 48.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2003.02.01



verknüpfte Publikationen
Dieter Jüngling und Andreas Hagmann – Bauwerke

23. Dezember 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

New Yorker Phantasien

Die neusten Projekte für Ground Zero

Die neusten Projekte für Ground Zero

Kaum hatte sich vor gut einem Jahr die Staubwolke über Ground Zero gelegt, da geisterten auch schon die ersten Ideen für den Wiederaufbau des World Trade Center umher. Ihnen folgten eingeladene Ideenwettbewerbe verschiedener direkt oder auch nur indirekt beteiligter Auftraggeber, die im vergangenen Herbst auf der Architekturbiennale in Venedig gezeigt und kontrovers diskutiert wurden. Am Mittwoch konnten nun in New York die mit Spannung erwarteten Resultate eines weiteren, von der Lower Manhattan Development Corporation (LMDC) unter sieben international tätigen Bürogemeinschaften ausgeschriebenen Wettbewerbs präsentiert werden (NZZ 18. 12. 02). Doch die erhoffte Klärung brachte auch diese Ausschreibung nicht - im Gegenteil. Denn was die Architekten nun ausheckten, war noch viel phantastischer und wunderbarer als alles zuvor Gesehene. Zwar hat sich die baukünstlerische Qualität der Entwürfe deutlich verbessert. Als Antwort auf den von Schrecken, Verlust und Tod geprägten Ort aber wirken die exzentrischen Vorschläge doch etwas gar euphorisch. Da legte das Team Eisenman, Gwathmey, Holl und Meier ein gigantisches Raumraster, Daniel Libeskind ein gezacktes, auf die Freiheitsstatue anspielendes Hoffnungszeichen und Norman Foster sowie das Think Team von Rafael Viñoly kristalline Zwillingstürme vor, während sich die United Architects (Greg Lynn, Ben van Berkel usw.) gleich fünf miteinander tanzende Himmelsstürmer aus Glas erdachten. Dieses zweifellos faszinierendste Projekt würde New Yorks Skyline das Aussehen einer Star-Wars-Metropole verleihen, doch solche Science-Fiction-Architektur passt eher an den Pazifik nach Los Angeles, Tokio oder Schanghai. Ground Zero ist wohl kaum der richtige Ort, um eine neue Runde des architektonischen Höhenrausches einzuläuten, auch wenn der Wunsch der Stadt, sich baulich zu erneuern, verständlich ist. Sogar die «New York Times», die ja vor einigen Monaten selbst Architekten um Projekte für Ground Zero gebeten hatte, hält die Entwürfe für unrealisierbar. Jetzt bleibt abzuwarten, was die LMDC mit dieser geballten Ladung an architektonischer Kreativität machen wird. Bis Ende Januar will sie aus den eingereichten Arbeiten einen eigenen Masterplan destillieren. Man darf gespannt sein.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2002.12.23

16. Dezember 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Transformation des Stadtraums

Mit einem präzisen architektonischen und städtebaulichen Eingriff ist es den Basler Architekten Miller & Maranta gelungen, dem Färberplatz in Aarau eine neue Identität zu geben. Obwohl der skulpturale Neubau ein eher kleines Volumen einnimmt, darf er als ein Hauptwerk der neusten Schweizer Architektur bezeichnet werden.

Mit einem präzisen architektonischen und städtebaulichen Eingriff ist es den Basler Architekten Miller & Maranta gelungen, dem Färberplatz in Aarau eine neue Identität zu geben. Obwohl der skulpturale Neubau ein eher kleines Volumen einnimmt, darf er als ein Hauptwerk der neusten Schweizer Architektur bezeichnet werden.

Am Jahresende ist es üblich, Bilanz zu ziehen. In der Schweizer Architekturszene gehört dazu seit einiger Zeit die Kür der besten Bauten. Doch welchem 2002 vollendeten Gebäude gebührt die Palme? Der spektakulären Wolke von Diller & Scofidio in Yverdon, dem rationalen, von Aurelio Galfetti zusammen mit Tessiner Jungarchitekten realisierten Universitätscampus in Lugano oder gar dem diskreten Riffraff-Gebäude von Meili Peter im Zürcher Industriequartier? Sie alle sind würdige Anwärter, je nach den Aspekten, die man ins Zentrum setzt. Aus städtebaulicher Warte jedoch gibt es ein Gebäude, das alle andern überschattet: die Markthalle von Miller & Maranta in Aarau. Diese kleine, aber exakte architektonische Intervention lenkt den immer noch von Themen wie Einfachheit, Material und Detail geprägten Schweizer Architekturdiskurs in eine urbanistische Richtung. Wichtiger als die exakt herausgearbeitete Form ist hier nämlich der respektvolle Umgang mit einem charakteristischen, jedoch unspektakulären Stadtraum. War doch der Färberplatz trotz seiner Weite nie mehr als ein grosser Hinterhof in Aaraus pittoresker Altstadt, dessen räumliches Gefüge seit dem Abbruch der alten Gewerbebauten vor 20 Jahren gestört war.

Irritierende Holzarchitektur

Diese unbefriedigende Situation wollte die Stadt mit einer partiellen Überdachung des Platzes in den Griff bekommen. Den beiden heute gut vierzigjährigen Basler Architekten Quintus Miller und Paola Maranta war aber sogleich klar, dass nur ein ganz präzis gesetztes Gebäude die städtebaulichen Bezüge klären konnte. Sie schlugen daher in ihrem preisgekrönten Wettbewerbsprojekt eine flachgedeckte Hallenkonstruktion aus Douglasienholz in Form eines gestauchten Sechsecks vor, die von nahezu 300 lamellenartigen Stützen und einem zentralen Pfeiler getragen und so zu einem Haus geschlossen wird. Dabei ist es auch Jürg Conzetts ausgeklügelter Ingenieurtechnik zu verdanken, dass in diesem experimentellen Holzbau auf bestechend einfache Weise Tradition und Fortschritt zusammenfinden. Die sich zum seriellen Muster vereinenden Lamellen lassen das im oberen Teil offene, im unteren aber geschlossene Gebäude von jedem Standpunkt aus anders aussehen. Kommt man von der Rathausgasse her, so wirkt der Hallenbau durchscheinend - als sei über einen grossen Tisch ein fadenscheiniges Tuch geworfen worden. Massiv hingegen gibt er sich zu den beiden neu entstandenen Gassen zwischen den Längswänden und den seitlichen Häuserfluchten hin. Gleichwohl verschleiern die geknickten Fassaden die wirklichen Dimensionen des fast 20 mal 30 Meter grossen Gebäudes, bis man schliesslich in die weite Halle tritt.

Obwohl der Neubau mit leiser Melancholie die Poesie des Ortes widerspiegelt, vermag er mit seiner hölzernen Sperrigkeit bei einer flüchtigen Begegnung durchaus zu irritieren. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass die Architekten nicht nur den urbanen Raum analysierten, sondern - von der analogen Tradition herkommend - auch den Erinnerungen, Bildern und Stimmungen des einst von alten Schuppen dominierten Ortes nachspürten. Daraus destillierten sie eine architektonische Form, die ebenso diskret wie treffend den Genius Loci beschwört, sich aber auch genau in den Stadtkörper einpasst. Nichts jedenfalls erinnert mehr an die schwierige Genese dieser Halle, die - aufgrund vielfältiger Widerstände - mehrere Stadien zu durchlaufen hatte, bevor sie nach Jahren nun doch in ihrer ursprünglichen Form realisiert werden konnte. Inzwischen waren Miller & Maranta aber nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Volta-Schulhaus in Basel zu neuen Einsichten gelangt, die sie in Form einer baukünstlerischen Verfremdung auch in das Aarauer Projekt einfliessen liessen. Dazu gehört die stadträumliche Verschleierung ebenso wie die leicht subversive Umdeutung der Holzkonstruktion in eine wie gegossen wirkende Kunstform mittels einer Kupferpigmente enthaltenden Öllasur.

Der daraus resultierende Bronzeton verleiht der Halle etwas Skulpturales: Nicht nur lassen sich Bezüge zum Minimalismus ausmachen; das Gebäude spielt auch mit der Wahrnehmung, ist bald Haus, bald Möbel, bald Kunstwerk - oder, wie Quintus Miller meint, «umhüllte Luft». Gleichzeitig verwandelt es den Ort nachhaltig: Vor der Halle entsteht ein Platz, auf dem nun vier Gassen zusammentreffen, hinter ihr hingegen ein intimer Hof mit einer Kastanienterrasse. Solch subtilen Transformationen, welche die Situation klären und die bereits vorhandene Stimmung verdichten, begegnet man im Schaffen von Miller & Maranta immer wieder. So gelang ihnen vor zwei Jahren mit dem Volta-Schulhaus in einer urbanistisch schwierigen Gegend ein Bau, der sich derart selbstverständlich gibt, dass man ihn kaum als neuen Eingriff wahrnimmt. Ähnliches liesse sich vom Umbau des Hotels Waldhaus in Sils Maria sagen, wo der Geist der Belle Epoque sorgsam aufgefrischt wurde; und das Gästehaus von Gottfried Sempers Villa Garbald in Castasegna rückten sie derart geschickt in den äussersten Winkel des ummauerten Gartens, dass es nach seiner Fertigstellung in einem Jahr als fester Bestandteil des Dorfes in Erscheinung treten dürfte, und dies obwohl es formal ganz entschieden die Sprache unserer Zeit spricht.

Der Geist des Ortes

Die Fähigkeit von Miller & Maranta, mit einem einzigen Bau eine urbanistische Fragestellung auf den Punkt zu bringen und zu lösen, haben die Juroren des Wettbewerbs für ein neues Besucherzentrum des Nationalparks in Zernez - anders als ihre Kollegen in Aarau oder Castasegna - offensichtlich nicht erkannt. Aber vielleicht entwickelt man stattdessen nun in Aarau, ausgehend von der den Stadtraum respektvoll uminterpretierenden Markthalle, ein Gespür für die Schliessung der vielen unbefriedigenden Leerstellen rund um die wertvollen historischen Gebäude am Rand der Altstadt. Dass man mit Protzbauten wie dem La- Suisse-Haus, die das Gleichgewicht massiv stören, keine Stadtreparatur betreiben kann, ist offensichtlich. Allerdings scheint Aarau in den letzten Jahren den Wert guter Architektur erkannt zu haben. Davon zeugt neben der Markthalle und einigen anderen Gebäuden nicht zuletzt die im Bau befindliche Kunsthauserweiterung von Herzog und de Meuron.

Auch wenn sich Miller & Maranta in den vergangenen Jahren dank ihrer konsequenten architektonischen Recherche Einlass in den Olymp der Schweizer Architektur verschaffen konnten, wurden sie bisher mit Aufträgen nicht eben überhäuft. Weder ein Einfamilienhaus noch eine Villa steht bisher auf ihrer Werkliste. Dabei lassen ihre Umbauten ahnen, dass ein solches Haus durchaus zu einem formalen und räumlichen Kleinod werden könnte. Vorerst erproben sie nun beim Gästehaus der Villa Garbald, wie man trotz beschränktem Budget zu gültigen Resultaten gelangen kann. Anstelle teurer Materialien werden sie hier deshalb erneut die Farbe materiell einsetzen und den gegipsten Wänden das Aussehen von zartrosa glänzendem Perlmutt verleihen.

Die gleiche Begeisterung, mit der sie in Castasegna oder in Aarau Flächen, Licht und Raum in Architektur verwandeln, sprüht auch aus ihren urbanistischen Arbeiten, etwa den Masterplänen für das Gebiet rund um den Basler SBB-Bahnhof. Es wäre der Stadt am Rheinknie zu gönnen, wenn sich eines dieser Grossprojekte realisieren liesse, denn Miller & Maranta sind hierzulande Meister in der Kunst, die Stadt räumlich zu interpretieren. Erst durch die Reibung am Vorhandenen fänden sie zu gültigen Lösungen, meint Paola Maranta. Deshalb wohl gälte ihr Interesse den städtischen Interventionen und nicht den sonst bei Architekten so beliebten Objekten auf der grünen Wiese. Selbst das demnächst in Bau gehende achtgeschossige Wohnhaus an der Südspitze des Basler Schwarzparks gibt sich mit seinem unregelmässigen Grundriss, der sich den Bäumen entlang knickt, nicht als eitler Solitär. Vielmehr versteht er sich als Scharnier zwischen Blocksiedlung, Villenquartier und Grünanlage.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2002.12.16



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Markthalle

06. Dezember 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Dialog mit dem historisch Gewachsenen

Ein Bankgebäude von Michele Arnaboldi in Intragna

Ein Bankgebäude von Michele Arnaboldi in Intragna

Spätestens die diesjährige Architekturbiennale von Venedig hat gezeigt, dass organisch-topologische Spielereien der baukünstlerische Modehit des beginnenden 21. Jahrhunderts sind. Wer unter solchen Umständen weiterhin auf formal wenig spektakuläre Betonarchitektur setzt, dürfte von den Trendgurus schnell als langweilig abqualifiziert werden. Gleichwohl ist der jüngste Neubau des 1953 geborenen Locarneser Architekten Michele Arnaboldi wichtig: Mit seiner Miniatur der Raiffeisenbank von Intragna knüpft Arnaboldi - ähnlich wie Raffaele Cavadini oder Roberto Briccola - nicht nur bei der ehrlichen Architektur von Luigi Snozzi an (NZZ 29. 7. 02), sondern veranschaulicht auch, wie man ein historisch gewachsenes Ensemble weiterdenkt.

Intragna, das kleinstädtisch anmutende Dorf am Eingang zu den Centovalli, setzte schon vor Jahrzehnten mit der heiter-eleganten Erweiterung des Ospedale San Donato hoch über der Isorno- Schlucht einen gut sichtbaren zeitgenössischen Akzent. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Arnaboldis Bankgebäude, das aus einem 1995 durchgeführten Wettbewerb hervorgegangen ist, um eine weit härtere und stillere Architektur. Denn der subtil auf den Grundriss und die Topographie des Nucleo von Intragna abgestimmte dreigeschossige Betonbau mit dem Schalterraum auf Strassenniveau und einer Wohnung im obersten Stockwerk fügt sich präzise in den gezahnten Südabschluss des Dorfes ein und ist durch Treppen, Gneis- und Betonmauern sowie durch eine kleine Oliventerrasse fest ins Dorfbild eingebunden. Arnaboldi ist es dabei gelungen, das karge Vokabular der lokalen Baukunst in die heutige Architektursprache zu übertragen und gleichzeitig zu beweisen, dass Bescheidenheit selbst einer Bank gut steht.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.12.06



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Bankgebäude

05. November 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ingenieur und Baukünstler

Ausstellungen in Lausanne und Genf

Ausstellungen in Lausanne und Genf

Die Ingenieurkunst der Schweiz geniesst international nicht zuletzt dank Brückenbauern wie Maillart, Ammann oder Menn einen hervorragenden Ruf. Doch selbst hierzulande ist es nur wenigen bekannt, dass mit Alexandre Sarrasin (1895-1976) ein Romand nicht nur elegante Brücken und das Marécottes-Stauwehr im Wallis, sondern auch bedeutende bautechnische Innovationen in Brüssel, wo er zwischen 1927 und 1940 lebte, Paris und Spanien ausführte. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz war der nun an der ETH Lausanne lehrende Sarrasin unter anderem an der Planung der Genfersee-Autobahn beteiligt, für die er den Viadukt von Aubonne entwarf. Diesem Meister des Betons widmen nun die Archives de la construction moderne der ETH Lausanne-Ecublens noch bis zum 16. November eine Ausstellung, die von der ersten Monographie zu seinem Schaffen begleitet wird. Gleichzeitig findet noch bis zum 10. November im kleinen SIP-Saal des Mamco in Genf eine Dominique Perrault gewidmete Schau statt. Vorgestellt werden 10 Projekte des 49 Jahre alten Pariser Architekten, der 1995 mit der Bibliothèque nationale de France international bekannt wurde, in Form einer Installation aus Leuchtkästen und Videomonitoren, darunter das 1998 vollendete Sportzentrum mit Hallenbad und Velodrom in Berlin, die Mediathek von Vénissieux und der Entwurf für die Fondation Pinault auf der Ile Seguin in Paris.

[ Alexandre Sarrasin. Structures en béton armé. Hrsg. Archives de la construction moderne. Les presses polytechniques et universitaires romandes, Lausanne 2002. 192 S., Fr. 49.50. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.11.05

25. Oktober 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Poetischer Pragmatismus

Die Architekten Adam Caruso und Peter St John in Luzern

Die Architekten Adam Caruso und Peter St John in Luzern

Die New Art Gallery im mittelenglischen Walsall gilt als Geniestreich, der Adam Caruso und Peter St John über Nacht zu Fixsternen am Himmel der Architektur machte. Gleichwohl fielen den beiden vierzigjährigen Londonern, die sich - unbeeindruckt von der Hochglanzarchitektur des britischen Hightech und dem Hyperästhetizismus von Chipperfield oder Pawson - einem poetischen Pragmatismus verschrieben haben, die Aufträge nicht einfach in den Schoss. Zu sperrig ist ihre Kunst, mit der sie dem «wahren Wesen» der Architektur nachzuspüren und zu artikulieren suchen, «was bereits am Ort vorhanden ist». Nach Abschluss ihrer Lehrtätigkeit an der Architekturakademie von Mendrisio sind sie nun in der kleinen, für ihre frühe Zusammenarbeit mit wichtigen Architekten über die Landesgrenzen hinaus bekannten Architekturgalerie Luzern zu Gast.

In der - wie in Luzern üblich - von den Architekten selbst inszenierten und von einem schönen Katalog begleiteten Ausstellung versuchen sich Caruso St John vom Schatten ihres Grosserfolgs in Walsall zu befreien und zeigen deshalb nur neueste Projekte. Im Zentrum der spröden, zur Wahrnehmungsübung verdichteten Schau steht der Galerieraum, der in seiner Leere an ihre mit fast archäologischer Akribie durchgeführten frühen Umbauten erinnert, bei denen sie die Schönheit des Unvollkommenen kultivierten. Friesartig befestigten sie grosse Fotos und Pläne von vier Arbeiten auf den nackten Wänden, verzichteten aber zugunsten der geistigen Konzentration auf Modelle - gleichsam als Absage an deren Kult auf der gegenwärtigen Architekturbiennale in Venedig. Am deutlichsten vernimmt man die für Caruso St John charakteristische Sprache im Entwurf für ein Einfamilienhaus auf einem unregelmässigen Restgrundstück im dicht bebauten Paddington. Mit seinen Rampen, Gewölben, Winkeln und Höfen erscheint es auf den Modellfotos eher wie ein Um- denn wie ein Neubau. Hier ist nicht die formale Perfektion wichtig, sondern das Raumerleben, zu dessen Gunsten auch die äussere Erscheinung vernachlässigt wird.

Die Fassade, mit leuchtenden Luftkissen verkleidet, bildet hingegen den Blickfang des unrealisiert gebliebenen «Sporttheaters» von Arosa. Nicht weniger auffällig sind die farbigen Akustikpaneele im betonbrutalistischen Konzertsaal des Barbican Centre in London. Und dennoch gingen Caruso St John hier ähnlich subtil vor wie bei der Neugestaltung des barocken Marktplatzes im südschwedischen Kalmar, in dessen Mitte sich die Kathedrale von Nicodemus Tessin d. Ä. erhebt. Wie schon in Walsall erlaubte auch in Kalmar die sorgsame Analyse des Kontextes eine Lösung, bei der das Bestehende durch eine zeitgemässe Architektursprache akzentuiert wird. Ausgerechnet aber bei dem in Luzern nicht ausgestellten Erweiterungsvorschlag für das Schweizerische Landesmuseum in Zürich führte diese Vorgehensweise nicht zum Erfolg. Umso mehr möchte man hoffen, dass die beiden Architekten mit ihrem Wettbewerbsprojekt für ein Zürcher Schulhaus, an dem sie zurzeit arbeiten, überzeugen werden. Denn ihre gegen das reine Fassadendenken und einen dem L'art pour l'art verpflichteten Perfektionismus gerichtete Architektur könnte hierzulande durchaus als Vorbild dienen.


[Die Ausstellung in der Architekturgalerie Luzern an der Denkmalstrasse 15 ist bis zum 17. November jeweils donnerstags und freitags 17-19 Uhr sowie samstags und sonntags 11-16 Uhr oder nach Vereinbarung (Tel. 041 240 66 44) geöffnet. Katalog: Caruso St John Architects. Hrsg. Architekturgalerie Luzern. Birkhäuser-Verlag, Basel 2002. 96 S., Fr. 58.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.10.25

21. Oktober 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Moderner Klassizismus

Richard Meiers Burda-Kunstmuseum für Baden-Baden

Richard Meiers Burda-Kunstmuseum für Baden-Baden

Der leicht morbide Charme von Baden-Baden ist verführerisch. Doch will der welke Pomp der Gründerzeit nicht recht zur biederen Beschaulichkeit passen, die heute das Strassenbild dominiert. Ihr Echo findet sie in baulichen Interventionen, welche die Stadt mehr und mehr verschandeln. So wurde vor zwei Jahren das Palais Hamilton des grossen Friedrich Weinbrenner durch eine skandalöse Erweiterung stark lädiert. Nur die im frühen 19. Jahrhundert jenseits der Oos als Gegenstück zur Altstadt inszenierten Kuranlagen verströmen noch immer stille Grösse. Beherrscht von Klenzes antikisierender Stourdza-Kapelle, reihen sich in einer Parklandschaft vom Säulenportikus des Badischen Hofs über die Arkaden von Heinrich Hübschs Trinkhalle bis hin zu Weinbrenners Kurhaus klassizistische Juwelen, deren Tonhöhe wieder aufgenommen wird von der 1909 vollendeten Kunsthalle von Hermann Billing am Eingang zur Lichtentaler Allee.

Der neuklassische Musentempel, der sich vor allem in den achtziger Jahren mit bedeutenden Ausstellungen einen Namen machte, erhält nun einen Nachbarbau. In diesem wird vom Herbst 2004 an die Sammlung Frieder Burda, die ursprünglich im südfranzösischen Mougins ein von Ricardo Legorreta geplantes Domizil erhalten sollte, permanent zusehen sein. Als Ende September mit den Bauarbeiten begonnen wurde, erinnerten nur noch die unter einem Baum hingelegten Blumen und die Inschrift «Wir trauern um die Allee» daran, dass viele Baden-Badener die Vorgeschichte dieses Neubaus noch nicht wirklich überwunden haben. Frieder Burda, der erst 1996 durch die erfolgreiche Präsentation seiner zeitgenössischen Meister in der Kunsthalle auf die Idee gekommen war, die expressionistisch ausgerichtete Sammlung in Baden-Baden anzusiedeln, hatte zunächst das Basler Büro Steib & Steib mit der Planung beauftragt. Doch scheiterte der Entwurf, der auf Grund seiner Dimensionen einen massiven Eingriff in den kostbaren Baumbestand entlang der Lichtentaler Allee verlangt hätte, am vehementen Widerstand der Bevölkerung.


Heiter und leicht

Burda liess sich aber nicht entmutigen und versuchte sein Glück mit einem neuen Architekten. Doch statt einen Traditionalisten wie Hans Kollhoff zu beauftragen, von dem man ein neuklassisches, dem Geist des Ortes angepasstes Projekt hätte erwarten können, entschied er sich für Richard Meier und damit für eine ganz andere Klassizität, die Le Corbusier und der Moderne nahesteht. Meier, der mit Museumsbauten in Atlanta, Barcelona und Frankfurt sein Können längst bewiesen und darüber hinaus mit dem Getty Center in Los Angeles eine spektakuläre Akropolis geschaffen hat, entschied sich einmal mehr für ein weisses Gebäude, das wie die Verkleinerung des MACBA in Barcelona wirkt. Obwohl das Burda-Museum volumenmässig bedeutend grösser wird als die benachbarte, aber leicht erhöht stehende Kunsthalle, ordnet es sich ihr mit seiner tiefer liegenden Traufhöhe diskret unter. Viel Glas und frei gestellte Wandflächen dürften dem neuen Haus, das durch eine gläserne Brücke an den gravitätischen Billing-Bau angekoppelt werden soll, etwas Heiteres und Leichtes geben.

Eine Ausstellung in der Kunsthalle vermittelt zurzeit anhand von Plänen und Modellen sowie Fotos anderer Meier-Werke einen Eindruck vom künftigen Museumsbau. Ein nach Osten zur Lichtentaler Allee hin gerichtetes Vordach wird künftig die Besucher in das dreigeschossige Atrium führen, von wo eine Rampe hinabweist zum Wechselausstellungssaal im Untergeschoss. Hier befinden sich zudem die Büros und die Depots. Von Süden her erlaubt eine durch zwei Wasserflächen und eine Kaskade begrenzte Absenkung des Parks natürlichen Lichteinfall. Im Parterre öffnet sich ein gut 15 × 30 Meter weiter und 13 Meter hoher Ausstellungssaal, der seitlich sowie durch ein Oberlicht erhellt wird. Dieses ist allerdings zum Teil verdeckt durch eine zweite, unter dem Glasdach eingehängte Galerie, die man durch den Luftraum des Foyers über vier Rampen und eine kleine, ebenfalls als Ausstellungsfläche genutzte Plattform im Zwischengeschoss erreicht.


Synergieeffekt

Der Besucher wird auf seiner Promenade architecturale dank grossen Fensterflächen und verglasten Ecken weder den Kontakt zur Aussenwelt noch die Orientierung verlieren. Hingegen dürfte er sich in diesen Sälen, in denen die Wandflächen entweder riesig und von einem Lichtsog nach oben bestimmt oder aber seitlich durch Raumschlitze geöffnet sein werden, wohl nur schlecht auf die Exponate konzentrieren können. Meiers Ausstellungsräume sind nämlich exakt die Antithese zu den vorbildlichen, nach innen orientierten Galerien der Kunsthalle. Als museologisches Experiment dürfte dieses Gegensatzpaar dereinst viel Interesse wecken. Doch wird man wohl bald merken, dass die Gemälde von Kirchner, Macke oder Beckmann, die Werkgruppen Rothkos und des späten Picasso sowie die Arbeiten von Pollock oder Clyfford Still in intimeren Räumen besser zur Geltung kämen; und selbst die grossformatigen Bilder von Baselitz, Polke und Richter könnten im turnhallenartigen Parterresaal dereinst verloren wirken.

Gleichwohl darf man im Neubau - dem ersten architektonisch ernst zu nehmenden zeitgenössischen Gebäude der Stadt - schon jetzt einen Gewinn für Baden-Baden sehen. Das neue Museum wird sich nicht nur gut in den Park einfügen, sondern mit der Burda-Sammlung auch die Stellung der Kunsthalle stärken. Dank der geplanten Zusammenarbeit der beiden Institutionen wird es möglich sein, mindestens einmal im Jahr eine wirklich umfangreiche, beide Häuser einbeziehende Ausstellung zu zeigen. So hofft man ähnlich wie mit dem 1997 von Wilhelm Holzbauer etwas bombastisch umgebauten Festspielhaus im Alten Bahnhof ein grosses Publikum anlocken zu können. Baden-Baden setzt also auf den Synergieeffekt - anders als etwa Bern, wo man mit der Auslagerung von Klee in ein «Museum Center» an der Autobahn das Gewicht des Kunstmuseums vermindern wird.


[Bis 10. November. Katalog: Der Neubau von Richard Meier. Hrsg. Sammlung Frieder Burda. Kunsthalle Baden-Baden, Baden-Baden 2002. 68 S., Euro 10.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2002.10.21



verknüpfte Bauwerke
Museum Sammlung Frieder Burda

02. Oktober 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Wolkenkratzer für New York

Das Schlussbukett des Gaudí-Jahres in Barcelona

Das Schlussbukett des Gaudí-Jahres in Barcelona

Obwohl «L'universo Gaudí», die zentrale Schau des Gaudí-Jahres, und mit ihr mehrere Begleitausstellungen soeben in Barcelona ihre Pforten schlossen, surft Katalonien weiterhin auf den Wellen der Gaudimanía: Nicht nur hatte Ende September Albert Guinovarts Musical «Gaudí» im Teatro Musical Premiere; auch die Touristen stehen weiterhin geduldig Schlange, um Einlass zu finden in die Häuser Batlló, Calvet und Vicens, das Colegio de las Teresianas oder die Torre de Bellesguard, die anlässlich des 150. Geburtstags des populären Architekten dem Publikum vorübergehend zugänglich sind. Einzig im Küstenstädtchen Garraf herrscht Ruhe, denn hier lässt sich die prächtige Miniatur der Bodegas Güell nur nach Voranmeldung besuchen. Das eigentliche Hauptwerk, das Gaudí für seinen grossen Mäzen Eusebi Güell errichtete, die Kirche in der Colònia Güell, lockt hingegen die Jünger zu Tausenden, obwohl es bekanntlich nicht über die Krypta hinausgediehen ist. Eine Zeichnung des Meisters gibt jedoch einen Eindruck davon, wie dieser Sakralbau hätte aussehen sollen. Anders als die gotisch- filigrane Sagrada Família wäre sie mit ihren eng zusammengerückten Paraboloid-Türmen wie ein «Jerusalén celestial» in Erscheinung treten.


«Gaudí en Manhattan»

Die Vision gebliebene «Skyline» dieses «himmlischen Jerusalem» strahlte bis nach New York aus, denn just als Gaudí an der Colònia arbeitete, erreichte ihn aus den USA das Ersuchen, einen Hotel-Wolkenkratzer für Lower Manhattan zu kreieren. Er entwarf daraufhin wohl zwischen 1908 und 1911 einen 310 Meter hohen «Rascacielos», der sich über mandalaförmigem Grundriss als zentraler Turm mit untergeordneten Halbtürmen hätte erheben sollen. Während diese für die Suiten des Hotels «Attraction» bestimmt waren, hätte der Hauptturm über einer riesigen Lobby fünf nach den Kontinenten benannte Restaurants, Ausstellungsräume, ein Museum, einen Konzertsaal sowie - in der Spitze des Paraboloids - einen Amerika-Saal von 114 Metern Höhe aufnehmen sollen.

Dieses hochmütige Werk, das bis heute zum Geheimnisvollsten im Schaffen des Katalanen zählt, wird gerne als Beweis dafür zitiert, dass Gaudí nicht nur der religiös überspannte Erbauer «sublimer Abnormitäten» war, als den ihn der Mythos so gerne sieht, sondern dass dieser Meister der Geometrie durchaus auch eine weltläufige Seite hatte. Diese Behauptung wurde aber jüngst in Frage gestellt durch eine geistreiche Kurzgeschichte des jungen Katalanen Carlos Ruiz Zafón, in der dieser der Frage nachgeht, warum Gaudí, der für die Sagrada Família nur «den Allerhöchsten als Auftraggeber» anerkennt, von einer unbekannten Person den Auftrag zum Bau eines Hochhauses in New York entgegennimmt. Obwohl dem frommen Baukünstler die Tatsache bewusst ist, dass ein Wolkenkratzer nichts anderes als eine Kathedrale für Leute ist, die nur ans Geld glauben («para gente que en vez de creer en Dios cree en el dinero»), zeigt er sich bereit, diese «Torre babilónica» zu errichten. Hofft er doch, dass der Auftraggeber im Gegenzug die Kosten für die Vollendung seines Lebenswerks, der Sagrada Família, übernehmen werde. Deswegen bricht er im März 1908 mit dem jungen Studenten Miranda als Dolmetscher nach New York auf, um dort seine Entwürfe zu präsentieren. Doch das Projekt scheitert, weil Gaudí im geheimnisvollen Auftraggeber, der dem jungen Miranda als eine sich katzenartig bewegende Frau mit reptilhaftem Lächeln erscheint, schliesslich den Leibhaftigen erkennt. Bestürzt über seinen frevelhaften Leichtsinn, tritt er sofort die Heimreise an, während deren er - zum Entsetzen Mirandas - alle Skizzen über Bord wirft und beschliesst, fortan über seine Amerikareise Stillschweigen zu wahren.

Auch wenn Gaudí in Wirklichkeit diese Reise nie unternommen hat und die Dokumente zum New Yorker Wolkenkratzer vermutlich während des Bürgerkriegs zerstört worden sind, trifft Ruiz Zafón den Kern der Sache: Gaudí muss - aus welchen Gründen auch immer - die Hybris seines Tuns erkannt und deswegen den Mantel des Schweigens darüber ausgebreitet haben. Es war dann nicht Miranda, wohl aber der Gaudí-Schüler Joan Matamala, der 1956 das Geheimnis lüftete und mit fünf Hochhausentwürfen Gaudís und dreizehn eigenen Zeichnungen an die verblüffte Öffentlichkeit trat. Seither bestätigten verschiedene Gaudí-Spezialisten auf Grund von Studien und zeichnerischen Rekonstruktionsversuchen die Echtheit der Skizzen. Diese wirken noch nach in Jean Nouvels Torre Agbar, die im Herbst 2003 an der Plaça de les Glòries Catalanes in Barcelona eröffnet werden soll. Darüber hinaus will der Illustrator Marc Mascort Gaudís Wolkenkratzer möglichst originalgetreu zum Leben erwecken. Dazu hat er Ende Mai unter dem Titel «Gaudí's Project» eine Doppel-CD herausgegeben mit Ambient Music von verschiedenen Gruppen und virtuellen Darstellungen des Turmes, darunter eine Nachtansicht, auf welcher dieser die Stelle des ehemaligen World Trade Center einnimmt. Inzwischen bestehen bereits Kontakte zur Lower Manhattan Development Corporation, die sich durchaus vorstellen kann, dass Gaudís Projekt einfliessen könnte in die Neubebauung von Ground Zero, mit der sich gegenwärtig sechs vor wenigen Tagen gekürte Teams beschäftigen.


Ausstellung in der Finca Güell

Nun wurde das neuste wissenschaftliche Material zusammengetragen für eine von der Architekturfakultät Barcelona und der Reial Càtedra Gaudí organisierte Schau, die bis Ende Oktober unter dem Titel «La catedral laica» in der Finca Güell um ein 3 Meter hohes Modell des Hochhausprojekts inszeniert ist. Diese interessante Veranstaltung, zu der Ende Jahr eine Publikation erscheinen soll, darf als Schlussbukett des barcelonesischen Gaudí-Jahrs bezeichnet werden. Sie wird flankiert von drei weiteren, noch bis Ende Jahr geöffneten Ausstellungen zu den Themen «Gaudí und Güell» (im Palau Güell), «Gaudí und seine Werkstatt» (in der Sagrada Família) sowie «Architektur und Natur» (im Parque Güell). Ausserdem werden demnächst die beiden Ausstellungen «L'universo Gaudí» in Madrid und «Die Suche nach der Form» in León wiedereröffnet; und im Centro Cultural de Caixa in Girona zelebriert der Photograph und Gaudí-Interpret Marc Llimargas in grossartigen Detailaufnahmen Gaudís künstlerisches Genie.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2002.10.02

07. September 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Blick in die Zukunft

Heute öffnet in Venedig die achte Architekturbiennale ihre Tore. Die weltgrösste Architekturausstellung zeigt unter dem Titel «Next» in den Corderie und im italienischen Pavillon wegweisende Bauten, die in nächster Zukunft vollendet werden sollen. Ausserdem warten in den Giardini die Länderpavillons mit weiteren Präsentationen auf.

Heute öffnet in Venedig die achte Architekturbiennale ihre Tore. Die weltgrösste Architekturausstellung zeigt unter dem Titel «Next» in den Corderie und im italienischen Pavillon wegweisende Bauten, die in nächster Zukunft vollendet werden sollen. Ausserdem warten in den Giardini die Länderpavillons mit weiteren Präsentationen auf.

Sie nennt sich klangvoll «Mostra Internazionale di Architettura», die Architekturbiennale von Venedig, die heute Nachmittag etwas im Schatten des Filmfestivals zur Vernissage lädt. Seit ihrem Start vor 22 Jahren ist diese in den Giardini und im Arsenal zum weltweit grössten Schaufenster für zeitgenössische Baukunst angewachsen. Doch während sie in ihrer ersten Ausgabe 1980 unter Paolo Portoghesi mit der aufsehenerregenden, als riesige Kulisse in den Corderie inszenierten und auf Genuas legendäre Palastmeile anspielenden Strada Novissima den Zeitgeist der architektonischen Postmoderne einfing und so der Architektur ein breites Publikum sichern konnte, ist ihr programmatischer und intellektueller Anspruch mit wachsender Grösse eher geschrumpft. Vor zwei Jahren klafften der hochgemute Titel und die inkohärente Präsentation besonders stark auseinander, forderte doch der damalige Direktor Massimiliano Fuksas «Less Aesthetics - More Ethics» und bot doch nicht mehr als ein mediales Spektakel. Als Antwort darauf versuchte nun der diesjährige Direktor, der fünfzigjährige Londoner Architekturvermittler Deyan Sudjic, das Steuer herumzureissen und statt flüchtiger Visionen künftige architektonische Realitäten zu zeigen, und zwar mit den herkömmlichen Darstellungsmitteln von Plan, Foto und stattlichen Modellen, die anders als die verwirrlichen Bilderorgien der Computersimulationen und Videoinstallationen auch einem Laienpublikum zugänglich sind.

Wenn nun Sudjic in den Corderie des Arsenals und im italienischen Pavillon mit der inszenatorischen Hilfe seines Landsmanns, des Architekten und Designers John Pawson, der jüngst in Valencia sein räumliches Können bewiesen hat (NZZ 16. 7. 02), in zehn prächtig eingerichteten Abteilungen eine nicht durchwegs überzeugende architektonische Bestandesaufnahme zeigt, so erweist er sich dennoch als geschickter Vereinfacher. Dadurch hilft er zwar dem globalen Architekturdiskurs nicht auf die Sprünge, macht aber sein Anliegen leicht verständlich. Denn der einst als avantgardistischer Mitbegründer der Zeitschrift «Blueprint» bekannt gewordene Sudjic setzt heute auf sichere Werte: Diese lassen sich mit der etwas abgedroschenen Formel «Stararchitekt» umschreiben. Auch wenn Sudjic behauptet, er habe die von ihm präsentierten Projekte nach ihrem Inhalt und nicht nach den Namen ihrer Schöpfer ausgesucht, so liest sich die Liste der im offiziellen Teil der Architekturbiennale vertretenen Baukünstler wie ein Who is who der zeitgenössischen Architektur von Ando bis Zumthor. Neuentdeckungen sind dabei kaum zu machen. Der Ausstellungsspaziergang durch die schier endlos langen Corderie führt vorbei an weit über hundert bedeutenden Entwürfen für Museen, Wohnhäuser und Freizeit- oder Bildungsbauten. Erwähnenswert ist aber vor allem die den Hochhäusern gewidmete Abteilung mit Pianos «New York Times»-Projekt und Fosters Londoner Swiss-Re-Entwurf. Ergänzt wird diese Sektion durch eine von Alessi finanzierte «City of Towers» mit acht stupenden Phantasien von Zaha Hadid über Toyo Ito bis Future Systems und mit den von der «New York Times» in Auftrag gegebenen World-Trade-Center-Studien von SOM.

Der Parcours wird im italienischen Pavillon weitergeführt, wo Sudjic zum Thema «Next Italy» Projekte von der Erweiterung der Galleria d'Arte Moderna durch Diener & Diener bis hin zu Fuksas' Umbau des EUR-Kongresspalastes vorstellt. Auch einige der rund dreissig Länderpavillons, die wie immer von eigenen Ausstellungsmachern eingerichtet wurden, stehen im Zeichen von «Next»: Kanada philosophiert über «Next Memory City», Finnland zeigt Architekten «Before Next», und Ägypten erzählt «The Next Story». Besinnt sich Deutschland mit der Präsentation von 12 Architekturschulen auf das «Next-liegende», so befragen die USA angesichts eines skulptural anmutenden Twin-Towers-Fragments die Zukunft des World Trade Center. Im Zeichen einer unsicher gewordenen Welt zieht sich Spanien auf «Paisajes internos» zurück, während Jugoslawien die Zeit von «Destruction & Construction» erforscht, Israel sein «Borderline Disorder» befragt, und Österreich überall «Madness with a method» sieht. Nur Venezuela glaubt: «Otro mundo es posible.» Und die Schweiz? Ihren Pavillon haben die Lausanner Jungarchitekten Décosterd & Rahm in ein «Hormonorium» verwandelt, einen überhellen Raum mit reduziertem Sauerstoffanteil, der eine Art Hochgebirgserlebnis vermitteln will. Damit schert die Schweiz auf sympathische Weise aus dem Mainstream der Länderpavillons aus und verzichtet einmal mehr auf die sonst so beliebten Leistungsschauen. Ob sie dafür den Goldenen Löwen für die beste Länderdarbietung erhält, ist gleichwohl fraglich. Denn den Engländern ist mit der virtuellen Vergegenwärtigung des bereits real existierenden Yokohama-Ferry-Port-Terminal von Foreign Office Architects eine ebenso irritierende wie überwältigende Schau gelungen. Als sicher gilt hingegen, dass der Leone d'oro für das Lebenswerk dem 61-jährigen Japaner Toyo Ito verliehen werden soll. Ein weiterer Goldlöwe ist für das beste Projekt der Ausstellung «Next» reserviert.


[ Die Architekturbiennale im Arsenal und in den Giardini dauert bis zum 3. November. Katalog Euro 60.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2002.09.07



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Kaplický Jan

06. September 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Burg oder Schloss?

Problematische Erweiterung des Landesmuseums Zürich

Problematische Erweiterung des Landesmuseums Zürich

Die junge Schweizer Architektur spürt Aufwind. Nachdem sich unlängst das Zürcher Team Baumann, Buffoni und Roserens in St. Gallen mit seinem Erweiterungsvorschlag für das Kunst- und Naturmuseum gegen eine Vielzahl von Bewerbern hatte durchsetzen können, vermochten nun die beiden in Zürich und Basel tätigen, nur wenig mehr als 30-jährigen Nachwuchsarchitekten Emanuel Christ und Christoph Gantenbein mit ihrem Anbauprojekt für das Landesmuseum selbst namhafte internationale Konkurrenten auf die Plätze zu verweisen. Diese Erfolge sind für die architektonische Kultur unseres Landes wichtig. Dennoch gibt das Landesmuseumsprojekt zu denken. Nicht wegen seiner ästhetischen Erscheinung, sondern wegen städtebaulicher und denkmalpflegerischer Aspekte. Während nämlich in St. Gallen der Perimeter aus Ehrfurcht vor Johann Christoph Kunklers spätklassizistischem Musentempel klar von diesem abgerückt wurde, war beim Landesmuseum ein ähnlicher Respekt gegenüber dem architektonischen Patrimonium des Gull-Schlosses nicht auszumachen. Das verleitete die jungen Architekten dazu, diesen spektakulären Jahrhundertwendebau, der sich gleichermassen romantisch, malerisch und repräsentativ gibt, noch übertrumpfen zu wollen. Das Resultat sieht auf den ersten Blick bestechend aus, und man begreift die Euphorie von Preisgericht und Presse.

Hauptwerk des Historismus

Doch was sich zunächst verspielt und heiter gibt, erweist sich bei genauerem Hinschauen als massiver Eingriff in das nicht nur vom Heimatschutz, sondern auch von breiten Bevölkerungskreisen geschätzte Meisterwerk von Gustav Gull und den stadt- und gartengeschichtlich bedeutenden Platzspitzpark. Die Gull'sche Architektur und die Grünanlage bedingen einander: Mit seinem Ehrenhof dient das schlossartige Landesmuseum nämlich als Resonanzkörper des Platzspitzes, und im Park erst klingt die Architektur aus. Diese darf als ein Hauptwerk des westeuropäischen Späthistorismus bezeichnet und in Zürich ihrer Bedeutung nach durchaus neben Meisterwerken wie dem Hauptbahnhof oder den Hauptgebäuden von ETH und Universität genannt werden. In jeder anderen Stadt verstünde es sich von selbst, dass ein solches Gebäude von einem Neubau nicht oder nur ganz vorsichtig tangiert werden dürfte. Doch in Zürich, wo man sogar die Schaufront des Opernhauses mit einem Glasriegel verstellen will, liess man es fast ohne Widerspruch zu, dass Stimmen aus dem Bundesamt für Kultur und aus baugeschichtlich wenig interessierten Architektenkreisen lauthals einen Abriss des Landesmuseums fordern durften. Dabei war dieser Bau für die 1890er Jahre, was das KKL für unsere Zeit ist: ein architektonisches Symbol - und dies allen funktionalen und konstruktiven Mängeln zum Trotz.

Nun kann es hier nicht darum gehen, die Notwendigkeit einer Erweiterung des Landesmuseums in Frage zu stellen, aber doch darum, der architektonischen und denkmalpflegerischen Vernunft eine Lanze zu brechen. Denn es muss darauf hingewiesen werden, dass der zur Diskussion stehende Erweiterungsvorschlag trotz seiner gestalterischen Attraktivität in der vorgeschlagenen Form einer weitgehenden Zerstörung des Gull- Baus gleichkommt. Nicht nur, weil der Verwaltungsflügel abgebrochen und so die stadtseitige Fassade stark beeinträchtigt werden soll, sondern mehr noch, weil die wie eine barocke Halskrause oder wie ein Keuschheitsgürtel um die Gartenseite gelegte Erweiterung aus einer falschen Überlegung heraus entstanden ist. Denn die Auslober, die Jury und die Architekten haben offensichtlich bei der ikonographischen und städtebaulichen Lektüre der Gull'schen Architektur nur die Hälfte erkennen wollen: nämlich die Burg, die nun malerisch mit mehrfach gebrochenen, zeitgenössisch interpretierten Palasbauten und Schildmauern um weitere Höfe wachsen soll. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass das Landesmuseum zum Park hin nicht als Burg, sondern mit seinem Ehrenhof als neugotisches Stadtschloss auftritt. Wo sonst in unserem Land gibt es eine vergleichbare architektonische Geste, die Bau und Park zu einer ebenso grossartigen Einheit verschmilzt? - Wir leben nicht mehr im frühen 20. Jahrhundert, als Architekten auf Grund neuer Zukunftsentwürfe von einer Tabula rasa träumten. Dazu fehlt uns einerseits die nötige Überzeugung; anderseits kommt in einer sich rasant ändernden Zeit dem gebauten Erbe eine immer wichtigere Rolle als Teil der kollektiven Erinnerung zu. Ein Weiterbauen im historischen Kontext muss deshalb mehr denn je auf einer korrekten Analyse des Bestandes basieren. Das heisst hier aber: nicht nur die Burg, sondern auch das Schloss und den Park respektieren.

Ein Wahrzeichen im Fluss?

Zwischen dem ersten und dem zweiten Projekt des zweistufigen Wettbewerbs veränderten Christ und Gantenbein mit einer für die junge Architektengeneration typischen Unbefangenheit die formale Erscheinung des ursprünglich als Kiste, jetzt aber als Kette geometrisch freier, der neusten Mode entsprechender Körper geplanten Erweiterungsbaus und dessen Placierung. Deswegen sollte es sie an sich keine grosse Überwindung kosten, bei der nötigen Überarbeitung des Siegerprojektes die Halskrause aufzusprengen, so dass zwei das Schloss östlich und westlich des Ehrenhofs rahmende und zum Park und zu den Wasserflächen sich öffnende Flügel entstünden. Oder aber sie entschieden sich für einen noch zu bewilligenden neuen Bauplatz: Könnte sich doch der Annex (der einstigen Tradition der in der Limmat stehenden Gewerbebauten folgend) östlich des Landesmuseums als neues Wahrzeichen aus dem Fluss erheben - mit dem Altbau verbunden durch eine den Parkeingang rahmende Passerelle. In beiden Fällen müssten zwar museumstechnische Erschwernisse in Kauf genommen werden. Man erhielte im Gegenzug jedoch ein für breitere Kreise akzeptables Projekt, das die Würde des Gull-Schlosses und der Parkanlage wahren und gleichwohl mit einer neuen Formensprache auf sich aufmerksam machen könnte. Zu überdenken wäre aber einmal mehr auch ein bereits von verschiedenen Seiten vorgeschlagener Neubau jenseits der Sihl auf dem ehemaligen AJZ-Gelände, einem Ort, der sich anders als das Gull-Schloss schon lange nach einem starken architektonischen Zeichen sehnt.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.09.06



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Schweizerisches Landesmuseum - Erweiterung

29. Juli 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bauen mit Verstand

Zum 70. Geburtstag des Tessiner Architekten Luigi Snozzi

Zum 70. Geburtstag des Tessiner Architekten Luigi Snozzi

Spätestens seit dem Erfolg von Frank O. Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao wünscht sich wohl jede Stadt eine derartige Attraktion. Mit solch gebauten Primadonnen wächst zwar die Popularität der Architektur, die wesentlichen Fragen aber, was deren Aufgabe und Bedeutung in sozialer und urbanistischer Hinsicht seien, können und wollen diese Werke nicht beantworten. Gleichwohl lassen sich die meisten Architekten nur allzu gerne von der Aussicht blenden, die Welt mit auffälligen Duftmarken zu parfümieren, und sehen sich kaum mehr in der Rolle des Intellektuellen mit Verantwortung gegenüber Stadt, Natur und Mensch. Der Fehler liegt indes nicht nur bei der bauenden Zunft, sondern auch in der Tatsache, dass viele meinen, auf das Meer banaler Spekulationsbauten sei nur mit spektakulärer Architektur zu reagieren. Für Verfechter einer ethischen Baukunst wie Alvaro Siza und Luigi Snozzi scheint da kaum noch Platz zu sein. Doch während der Portugiese in seiner Heimat respektiert und mit gewichtigen Aufträgen bedacht wird, kommt Snozzi hierzulande allzu selten zum Zuge, auch wenn man ihn gerne als «soziales Gewissen der Schweizer Architektur» bezeichnet.

Obwohl Snozzi bald im Rahmen städtebaulicher Wettbewerbe, bald aus eigener Initiative viele wegweisende Projekte entwarf, konnte dieser einsame Rufer in der Wüste seine Ideen nur in Monte Carasso, einem Vorort Bellinzonas, realisieren. Dieses von gezielten ordnenden Interventionen geprägte urbanistische Projekt, das 1996 auf der 6. Architekturbiennale von Venedig im Schweizer Pavillon geehrt wurde, findet noch immer als kontextbezogene Alternative zur modischen Verherrlichung des Vorstadtchaos Beachtung. Als Vorsitzender des Gestaltungsbeirats war Snozzi zudem in den achtziger Jahren mitverantwortlich für das damalige «Salzburger Architekturwunder». In Maastricht wiederum flossen Snozzis Einsichten über Jo Coenen, den heutigen «Rijksbouwmeester» der Niederlande, ein in die Planung des Céramique-Viertels. Hier steuerte Snozzi eine 300 Meter lange Wohnmaschine bei, welche gegenwärtig den letzten Schliff erhält. Schliesslich hatte dieser kompromisslos radikale Architekt dank Ursula Koch auch Einfluss auf die Zürcher Gestaltungspläne, welche die einstigen Industriegebiete von Zürich Nord und Zürich West neu ordneten und in kulturell und gesellschaftlich attraktive Quartiere verwandelten.

Als Denker, dem das Bauen in erster Linie eine soziale Kunst ist, liebt es Snozzi, im Stillen zu wirken. Die laute, aufgeregte Geste ist seine Sache nicht. Eher sieht er sich als Diener der Architektur, der unermüdlich versucht, im Widerstand gegen Baugesetze, Institutionen und Kommissionen einer menschengerechten Stadt zum Durchbruch zu verhelfen. Ausgehend von den Theorien Aldo Rossis und Vittorio Gregottis, reagiert er mit seinen städtebaulichen Entwürfen und seinen Bauten immer auf den Ort, dessen Geschichte und Topographie die architektonische Form letztlich mitbestimmen. Dies ist mit ein Grund dafür, dass seine Häuser stets anders aussehen - einmal abgesehen vom Beton, dem Material, das sich in Snozzis Augen am besten zum Bauen im Tessiner Kontext eignet. Das beweisen nun auch seine einstigen Mitarbeiter: Raffaele Cavadini in Gerra Piano und Michele Arnaboldi in Intragna, wo der in Form und Proportion präzis dem kleinstädtischen Dorfkern angefügte Betonkubus der Raiffeisenbank zu einer Hommage an den Meister werden dürfte.

Der Weg des am 29. Juli 1932 in Mendrisio geborenen Luigi Snozzi hin zu einer asketischen, dem Genius Loci verpflichteten Architektur war lang. Nach dem Studium an der ETH Zürich liess er sich zunächst von Peppo Brivio für Frank Lloyd Wright begeistern, fand dann aber in der Zusammenarbeit mit Livio Vacchini schnell zur abstrakteren Moderne eines Mies van der Rohe, dem sie 1965 mit der lateinischen Rationalität des Fabrizia-Bürohauses in Bellinzona antworteten. Nachdem Snozzi zusammen mit Botta, Carloni, Galfetti und Flora Ruchat 1970 mit dem städtebaulichen Wettbewerb für die Erweiterung der ETH Lausanne ein nicht realisiertes Schlüsselwerk der «Tessiner Schule» entworfen hatte, legte er ein typologisch an die Klosterarchitektur angelehntes urbanistisches Alternativprojekt für das später verunstaltete Flussdelta von Brissago vor. Mit der Casa Kalman entstand dann 1975 in Minusio der erste «klassische» Snozzi: ein Betonbau mit gezielt auf die Landschaft ausgerichteten Öffnungen, mit Wegen und Terrassen, die den Höhenkurven folgen, sowie mit der zum Haus in einen Dialog gestellten Pergola.

Diese städtebaulich-architektonischen Themen entwickelte er bis heute weiter in den Häusern von Verscio, Agarone, Ronco, Carona und Cureglia. Vor allem gelang es ihm aber, in Monte Carasso seine Ideen durchzusetzen - von der meisterhaften Miniatur des Turmhauses für den Sindaco über die enigmatische Doppelsphinx der Turnhalle und die Friedhoferweiterung bis hin zum Umbau des ehemaligen Klosters in ein Gemeindezentrum und zum grossen, das Dorf gegen die Autobahn abschirmenden Wohnblock. Verglichen mit seinen fast gleichaltrigen Tessiner Kollegen Galfetti und Vacchini oder dem elf Jahre jüngeren Botta ist Snozzis gebautes Œuvre klein. Doch wohnen jedem urbanistischen Entwurf, jedem Haus architektonische Aussagen inne, die bis heute nichts an Gültigkeit eingebüsst haben. Erinnert sei nur an den 1978 von ihm und Botta urbanistisch exakt formulierten Wettbewerbsentwurf für einen Zürcher Reiterbahnhof (den ein anderer Architekt dann zur amorphen Megastruktur des HB-Südwest verwässerte). Wenn heute Snozzis karge Bauten, die allem Detail- und Materialkult, allem selbstverliebten Minimalismus und aller formalen Übersteigerung abhold sind, auf junge Architekten wieder erfrischend neu wirken, so mag ihn dies darüber hinwegtrösten, dass er viele seiner schönsten Träume bisher nicht verwirklichen konnte. Zu wünschen wäre ihm und seinem Wohnort Locarno, dass seine vor Jahren konzipierte und jetzt wieder diskutierte Neugestaltung der Piazza Grande, auf der demnächst das Filmfestival eröffnet wird, doch noch verwirklicht werden kann.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2002.07.29

16. Juli 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Luxuriöse Einfachheit

Bekannt geworden durch die Calvin Klein Stores in New York und Paris, gilt der 1949 geborene Londoner Architekt und Designer John Pawson heute als Hauptexponent des englischen Minimalismus. Ihm widmet nun das Institut Valencià d'Art Modern, das sich gerne als Pulsmesser zeitgenössischer Kultur sieht, eine grosse Retrospektive.

Bekannt geworden durch die Calvin Klein Stores in New York und Paris, gilt der 1949 geborene Londoner Architekt und Designer John Pawson heute als Hauptexponent des englischen Minimalismus. Ihm widmet nun das Institut Valencià d'Art Modern, das sich gerne als Pulsmesser zeitgenössischer Kultur sieht, eine grosse Retrospektive.

Valencia, die Metropole der spanischen Levante, sorgte als träge Schönheit bis vor wenigen Jahren kaum für Aufsehen. Doch dann entdeckten die damals regierenden Sozialisten die Architektur als Muntermacherin und betrauten Ricard Bofill mit der Gestaltung der Gärten im ehemaligen Flussbett des Turia und Santiago Calatrava mit dem Bau der monumentalen Ciutat de les Arts i les Ciències. Weitere Akzente setzten Norman Fosters Kongresspalast, das vor einem Jahr eröffnete Aufklärungs-Museum von Guillermo Vázquez Consuegra und Alvaro Gómez-Ferrer Bayos Erweiterung des Kunstmuseums.

Am Anfang dieser architektonischen und kulturellen Belebung aber stand der von Carles Salvadores und Emilio Giménez entworfene Kubus des 1989 eröffneten Institut Valencià d'Art Modern (IVAM), das nun einen Erweiterungsbau der Japanerin Kazuyo Sejima und damit endlich auch internationale baukünstlerische Weihen erhalten soll. Denn das IVAM zählt nicht zu jenen Häusern, die vor allem der Architektur wegen Besucher locken. Im Gegenteil: das Gebäude selbst ist guter Durchschnitt, doch was darin seit Jahren geboten wird, ist frisch und spannend aufbereitete moderne und zeitgenössische Kunst.


Englischer Minimalismus

Schon kurz nach seiner Gründung avancierte das IVAM zum spanischen Flaggschiff für Kunst des 20. Jahrhunderts. Zwar wurde es nach dem Regierungsantritt des konservativen Partido Popular etwas stiller um das Institut, dessen Heiligtum die weltweit grösste Julio-González-Sammlung ist, das aber auch mit einer moderat spanisch gefärbten Kollektion von Nachkriegskunst aufwarten kann. Unter dem neuen Direktor Kosme de Barañano soll nun das Haus mit gewichtigen Ausstellungen wieder seine einstige Bedeutung zurückerlangen. So war bis vor einer Woche eine Retrospektive des vor 20 Jahren verstorbenen Ben Nicholson zu sehen. Doch dauert der englische Sommer im IVAM weiter an mit dem Überblick über das Schaffen des Architekten und Designers John Pawson, den man durchaus als einen Geistesverwandten von Nicholson bezeichnen darf. Gleichwohl wird man diese Ausstellungen kaum als Konzession an den Geschmack jener Briten werten, welche die südlich von Valencia sich weitende Costa Blanca seit Jahren fest in ihrer Hand haben. Denn Pawson ist ein Anhänger einer minimalistischen Perfektion, die weniger den Nerv des Durchschnittsengländers treffen als vielmehr den Formensinn der traditionell eher barocken Valencianer fordern dürfte. Einheimische Besucher jedenfalls zeigen sich durchaus angetan von dieser ersten grossen, von einem aufschlussreichen spanischen Katalog begleiteten Werkschau Pawsons.

Der 1949 im englischen Halifax geborene Pawson arbeitete zunächst im familieneigenen Textilbetrieb und fand erst nach einem längeren Japanaufenthalt dank der Begegnung mit Shiro Kuramata zur Architektur. Einem grösseren Kreis bekannt geworden ist er durch jenen coolen Flagship Store, den er 1995 für Calvin Klein an der Madison Avenue in New York errichtete. Seither sind weitere Läden entstanden, die in den Pariser Calvin-Klein-Geschäften ihre bisher wohl gediegenste Ausformung fanden. Auch wenn sich Pawson nach der Eröffnung seines Londoner Büros im Jahre 1981 auf den Umbau von Wohnungen und Ladenlokalen spezialisierte, sieht er sich weniger als Innenarchitekt und Designer denn vielmehr als bauender Philosoph. Als solcher versucht er den Ursprüngen des Schöpferischen auf die Spur zu kommen, indem er sich durch die Lehre von Zen, aber auch durch die Erkenntnisse von Wittgenstein und Heidegger leiten lässt.


Philosophischer Überbau

Pawsons architekturphilosophischer Anspruch manifestiert sich nicht zuletzt im Aufbau der von ihm im IVAM eingerichteten Schau. Er inszenierte sie als einen japanisch angehauchten Lehrpfad, der die Besucher durch eine immateriell weisse Raumsequenz führt. Hier werden Themen wie Mass, Licht, Struktur, Ritual, Landschaft, Ordnung, Inhalt, Wiederholung, Volumen, Wesen, Ausdruck und Material anhand von Photographien seiner wichtigsten realisierten oder aber auch nur konzipierten Werke abgehandelt. Diesem Initiationsweg antworten - gleichsam auf einem didaktisch und architektonisch konventioneller gestalteten Nebenpfad - Bauten und Projekte, die mit Plänen, grossen Modellen, Computerbildern und Photographien veranschaulicht werden. Auftakt machen dabei die klösterlich kargen und doch raffinierten Räume seiner eigenen Wohnung in einem umgebauten Londoner Reihenhaus. Stärker dem Geist Mies van der Rohes verpflichtet ist eine Villa in Deutschland mit auskragendem, gläsernem Schlafgemach und seriell gereihten Gästezimmern. Etwa zur gleichen Zeit vertiefte Pawson seine Beschäftigung mit dem Wesen des Klosters im Projekt für den Umbau der Abtei von Novi Dvur in Tschechien, während er sich im Market Museum von Redcliffe und im Entwurf für einen Hallenbau der Firma Vacheron Constantin bei Genf wieder vermehrt auf seine innenarchitektonischen und gestalterischen Fähigkeiten konzentrierte. Diesen ist in der Schau ein eigener Bereich reserviert, in dem neben Geschäftsumbauten auch formal reduzierte, an Donald Judd erinnernde Möbelkuben sowie geometrische Vasen und Schalen zu sehen sind. Pawsons Luxus-Minimalismus überzeugt durch formale und materielle Perfektion, durch Sensibilität und Klarheit sowie durch die Harmonie von Proportion, Licht und Raum, er irritiert aber auch als Gratwanderung zwischen künstlerischer Strenge und geschmäcklerischer Leichtigkeit. Obwohl die neusten architektonischen Trends gerade auch in der Innenraumgestaltung eher wieder wegführen von überästhetisierten orthogonalen Raumgefügen, liegt diese Ausstellung durchaus im Trend. Das bestätigt letztlich auch die Tatsache, dass Pawson nach Abschluss seiner Retrospektive in Valencia auch in der offiziellen Hauptausstellung der Architekturbiennale von Venedig vertreten sein wird, die am 8. September ihre Tore öffnet.


[ Bis 1. September. Katalog: John Pawson. Temas y proyectos. Hrsg. IVAM. Phaidon Press, London 2002. 127 S., Euro 29.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.07.16

09. Juli 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Erfinder einer neuen Italianità

Dem Mailänder Architekten, Gestalter und Publizisten Gio Ponti (1891-1979) widmet das Londoner Design Museum eine grosse Retrospektive. Ponti wurde mit seinen Entwürfen und der Zeitschrift «Domus» zum Begründer des neuen italienischen Designs. Ausserdem gilt sein Pirelli-Turm in Mailand als Meisterwerk der Hochhausarchitektur.

Dem Mailänder Architekten, Gestalter und Publizisten Gio Ponti (1891-1979) widmet das Londoner Design Museum eine grosse Retrospektive. Ponti wurde mit seinen Entwürfen und der Zeitschrift «Domus» zum Begründer des neuen italienischen Designs. Ausserdem gilt sein Pirelli-Turm in Mailand als Meisterwerk der Hochhausarchitektur.

Seine klassizistisch dekorierten Vasen, seine ultraleichten Stühle, seine bunten Stoffe und seine Bauten sind längst zu Kultobjekten der «Wallpaper»-Generation geworden. Der 1891 geborene Mailänder Architekt, Designer, Künstler und Publizist Gio Ponti war aber weniger an Luxusprodukten interessiert als vielmehr an industriell gefertigten Gegenständen für jedermann. In seinem überaus reichen Œuvre vereinigen sich denn auch früh schon der Geist der klassisch-metaphysischen Novecentisten mit jenem der Futuristen und der Rationalisten zu Metaphern einer neuen, heiter-eleganten Italianità.

Ponti war ein Klassizist im klassischen Sinne: ein Allrounder, der - ähnlich wie einst Robert Adam in London - Villen, Bürohäuser und Kathedralen mit Hilfe von Künstlern, Handwerkern, Technikern und Ingenieuren in Gesamtkunstwerke verwandelte und der von der Gabel bis zum Wolkenkratzer die Welt ganzheitlich durchgestalten wollte: ganz einfach um das Leben zu verschönern. Dabei unterschied er sich von den nördlich der Alpen tätigen Avantgardisten dadurch, dass er von einer bunten, mediterranen Moderne träumte und dass ihm jeder Dogmatismus und jedes Denken in einengenden Stilkategorien zuwider waren. Im Mittelpunkt seines künstlerischen Credos standen die Begriffe Toleranz und Pluralismus. Diese verkündete er in der Anfang 1928 von ihm ins Leben gerufenen Architektur- und Designzeitschrift «Domus», die er mit einem Unterbruch in den vierziger Jahren bis zu seinem Tod am 16. September 1979 leitete und die massgeblich für den kometenhaften Aufstieg des italienischen Designs nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich war. Wie sehr sich Ponti als Vermittler und Förderer verstand, zeigen ausserdem die «Ponti-Triennale» von 1933, mit der er den jungen Rationalisten den Weg ebnete, und der Compasso d'Oro, den er 1954 als vornehmste italienische Design-Auszeichnung initiierte.

Nun widmet das Londoner Design Museum diesem bedeutenden, aber lange unterschätzten Gestalter die erste grosse Retrospektive seit Jahren: eine berauschende Ausstellung - nicht nur weil sie atmosphärisch verdichtet wird durch die heiter-melancholischen Klänge von Glucks «Orphée» und Strawinskys «Pulcinella», für deren Aufführungen an der Scala Ponti nach dem Zweiten Weltkrieg Bühnenbilder und Kostüme entworfen hatte. Die von Marco Romanelli betreute, von einem nützlichen Katalog begleitete Schau basiert stark auf der von Lisa Ponti herausgegebenen Prachtsmonographie von 1990, die Pontis Œuvre in sechs den Geist der jeweiligen Dekade reflektierende Kapitel gliedert. Dieses Konzept wird in der Schau überzeugend umgesetzt mit inselartigen Präsentationen, die vielfältige Durchblicke und Bezüge erlauben. Auftakt machen die phantastischen, ab 1923 für Richard-Ginori kreierten Majoliken mit ihren antikisch-architektonischen Dekors, in welchen Pontis Welt bereits im Keime aufscheint. Ist sein erster Bau, ein 1926 an der Via Randaccio in Mailand errichtetes Wohnhaus, noch dem novecentesken Manierismus verpflichtet, so kündigt sich in den Mailänder Typenhäusern schon der Rationalismus an. Dieser wird 1936 im Montecatini-Bürohaus mit seiner flachen Fassadenhaut und dem leicht geschwungen in den Himmel schiessenden Mittelteil futuristisch aufgeladen, ohne dass dabei aber jene kubischen Formen preisgegeben werden, die den Schweizer Minimalismus eines Roger Diener vorwegzunehmen scheinen. In diesen Jahren entstehen ausserdem der Rasini-Wohnturm, der sich wie ein gebautes Bild von Carlo Carrà an der Porta Venezia erhebt, das surrealistisch-moderne Gebäude der Mathematischen Fakultät in Rom, der von Ponti mit magischen Fresken ausgemalte Palazzo Bo der Universität Padua und die enigmatischen Villen in Bordighera.

«La cornuta», die chromglänzende, für «La Pavoni» entwickelte Kaffeemaschine wird 1948 Pontis erster Beitrag an die neu erwachende Kultur des Dolce Vita im kriegsversehrten Mailand. Mit ihr beginnt auch Pontis Liebe zur Industrie: In enger Zusammenarbeit mit experimentierfreudigen Unternehmern entstehen Design-Ikonen wie der nur 1,7 Kilogramm schwere «Superleggera»-Stuhl für Cassina oder das Conca-Besteck für Krupp Italia, aber auch Lavabos, Fliesen, Stoffe oder die für Altamira in New York geschaffenen Wandmöbel. Pontis Arbeiterwohnblocks im Mailänder Harrar-Dessié-Quartier, die formal aus unserer Zeit stammen könnten, kündigten bereits 1950 den frivol-verspielten Modernismus der Wirtschaftswunderjahre an. Die von einem schwebenden Dach bekrönte Villa Planchart in Caracas erweist sich als ein bis hin zur letzten Konsole durchdachtes Kunstwerk, während das 1961 eingeweihte Pirelli-Hochhaus ein neues Italien symbolisiert und darüber hinaus zum gebauten Manifest der von Ponti in den vierziger Jahren entwickelten Theorie einer kristallinen Architektur wird. Diese verfeinerte er in den Kirchen von Mailand, im Kunstmuseum von Denver und mehr noch in der ganz aus dem Hexagon heraus gedachten Kathedrale von Taranto (1964-70), seinem letzten Meisterwerk, das wie kein anderer Bau Pontis Streben nach optischer und materieller Leichtigkeit vergegenwärtigt.

Auch wenn die Londoner Schau mit einem kristallinen Hochhausmodell schliesst, kommt die Architektur - obwohl sie immer der Kondensationskern in Pontis Schaffen war - visuell etwas zu kurz. Gleichwohl spürt man stets, dass Ponti vom Schmetterlingsstuhl bis zum Kraftwerk alles unter dem vielleicht etwas naiven, aber gerade deswegen für ihn so charakteristischen Motto «Amate l'architettura» gestaltete. Weil ihm Dekoration, Form und Design wichtiger waren als der Raum und weil er sich nie zu einer streng modernistischen Haltung durchringen wollte, blieb sein widerspruchsvolles, zwischen Klassizismus und Moderne, zwischen Kunst und Architektur, zwischen Handwerk und Industrie changierendes Schaffen in Fachkreisen bis heute umstritten - ausgenommen die zusammen mit Pier Luigi Nervi errichtete Torre Pirelli. Nicht nur die Londoner Schau belehrt nun die Kritiker eines Besseren. Auch die Ausstrahlung von Pontis Werk in die heutige Zeit bestätigt dessen ungebrochene Aktualität. Ponti war gleichermassen ein Wegbereiter von Memphis und Postmoderne wie des architektonischen Pluralismus unserer Zeit. Die kristalline Hülle des neuen Basler Fussballstadions, die «tätowierte» Haut der Bibliothek von Eberswalde oder die mit der Villa Planchart verwandte Kramlich-Residenz beweisen, wie stark sich Pontis Sprache selbst auf Vordenker wie Herzog & de Meuron auswirkt.


[Bis 6. Oktober im Design Museum London. Katalog: Gio Ponti. A World. Hrsg. Marco Romanelli und Design Museum London. Abitare Segesta, Mailand 2002. 156 S., £ 15.95.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.07.09

01. Juli 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Mediterrane Moderne

Zum 100. Geburtstag des Architekten Josep Lluís Sert

Zum 100. Geburtstag des Architekten Josep Lluís Sert

Ins Rampenlicht der Architektur trat Josep Lluís Sert (1902-83) erstmals mit dem legendären Pavillon, den er zusammen mit Luis Lacasa mitten im Bürgerkrieg für die spanische Republik auf der Weltausstellung von 1937 in Paris schuf. Dieser transparente Bau verkörperte in seiner auf raffinierte Weise den Aussen- mit dem Innenraum verschmelzenden architektonischen Erscheinung, aber auch mit den darin ausgestellten Kunstwerken - darunter Ikonen wie Picassos «Guernica» und González' «Montserrat» - den Moderneanspruch des neuen Spaniens.

Obwohl der jung verstorbene José María Aizpurúa 1929 mit dem Segelklub in San Sebastián das erste iberische Meisterwerk des neuen Bauens verwirklichte, war es Sert vergönnt, zum bedeutendsten internationalen Repräsentanten der modernen Architektur seines Landes aufzusteigen. Als Sohn eines geadelten Textilindustriellen am 1. Juli 1902 in Barcelona geboren (so will es die Inschrift auf seinem Grab in Ibiza, auch wenn ihn einige Forscher gerne ein Jahr älter sehen möchten), arbeitete Sert nach dem Architekturstudium 1929 bei Le Corbusier in Paris, um sich nach seiner Rückkehr in die Heimat für ein architektonisch fortschrittliches Katalonien stark zu machen. Der weltgewandte Kommunistenfreund engagierte sich für die urbanistischen Projekte der Republik und beteiligte sich zusammen mit Architekten der von ihm mitbegründeten Gatcpac- Gruppe am streng funktionalistischen Plan Macià für Barcelona und am Bau eines grossen, mäanderförmigen Arbeiterwohnblocks, der Casa Bloc. Sein barcelonesisches Meisterwerk aber wurde die 1931 errichtete Casa Muntaner, in der sich die Erkenntnisse Le Corbusiers mit den Ideen der italienischen Rationalisten verbanden.

Nach dem Sieg Francos emigrierte Sert in die USA, wo er als CIAM-Mitglied schnell zu einem wichtigen Vordenker auf dem Gebiet des Städtebaus wurde. Unter dem Titel «Can our Cities Survive?» publizierte er 1943 seine urbanistischen Analysen und entwickelte gleichzeitig die theoretischen Grundlagen einer neuen Architektur für die lateinische Welt. Zusammen mit seinem aus Deutschland emigrierten Partner Paul Lester Wiener entwarf er Neustädte wie die Cidade dos Motores in Brasilien und Chimbote in Peru sowie Quartierpläne für Bogotá und Havanna, in denen er unter Einbezug der lokalen Baukultur die funktionalistischen Aspekte stark modifizierte. 1953 wurde er als Nachfolger von Walter Gropius Dekan der Graduate School of Design der Harvard University in Cambridge (Massachusetts), die er bis 1969 leitete. Hier entstanden auch seine wichtigsten amerikanischen Bauten, darunter das eigene Patiohaus, das Peabody-Studentenhochhaus, das Holyoke und das Science Center.

Der an grosse Planungen gewöhnte Urbanist hatte aber auch eine poetische Seite, die er in dem 1957 vollendeten Atelierhaus seines Freundes Joan Miró in Cala Major bei Palma de Mallorca, einer der heitersten Miniaturen der Nachkriegsmoderne, ausleben konnte. In diesem Manifest einer humanen Baukunst vermählte sich der Geist der Moderne mit dem mediterranen Erbe. Diese Rückbesinnung auf die Wurzeln der Mittelmeerkultur, mit der er und Josep Torres Clavé sich bereits 1935 in den weissen, auf Bruchsteinsockeln ruhenden Ferienhäuschen in Garraf beschäftigt hatten, führte ihn städtebaulich zur malerisch inszenierten Touristensiedlung Punta Martinet auf Ibiza und architektonisch zum Museum der Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence (1959-64), das zusammen mit dem Miró-Atelier zum Vorbild vieler privater Musentempel vom Kimbell Art Museum in Fort Worth bis hin zur Fondation Beyeler in Riehen wurde. Einen krönenden Abschluss fand sein Anliegen, Kunst und Architektur wieder zu vereinen, im Gebäudekomplex der Fundació Miró in Barcelona, auch wenn hier, dem grossstädtischen Kontext entsprechend, die Poesie einer gewissen Härte des Ausdrucks weichen musste. Bis heute vermögen Serts Bauten für die Kunst ebenso zu faszinieren wie seine späten, stark von Ibizas Architektur beeinflussten urbanistischen Lösungen.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2002.07.01

25. Juni 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein weisser Gaudí

Der 1951 in Valencia geborene Santiago Calatrava begeistert seit langem sein Publikum mit bildhaft-organischen Bauwerken, die nun in Valencia einen ganzen Kulturbezirk bilden. Erklären lässt sich diese Ingenieurbaukunst nicht zuletzt aus der Denkweise seines Landsmanns Antoni Gaudí, der heute seinen 150. Geburtstag feiern könnte.

Der 1951 in Valencia geborene Santiago Calatrava begeistert seit langem sein Publikum mit bildhaft-organischen Bauwerken, die nun in Valencia einen ganzen Kulturbezirk bilden. Erklären lässt sich diese Ingenieurbaukunst nicht zuletzt aus der Denkweise seines Landsmanns Antoni Gaudí, der heute seinen 150. Geburtstag feiern könnte.

Drei gigantische Mammutbäume bilden den effektvollen Hintergrund von Santiago Calatravas Haus - einer neobarocken Villa beim Zürichsee. In deren Garten findet man unter anderem eine Skulptur des Künstlerarchitekten, die an das ondulierende Dach von Antoni Gaudís Schule neben der Sagrada Familia erinnert. Doch nicht in diesem suggestiven Park, sondern im Säulenwald der Krypta von Gaudís barcelonesischem Gotteshaus erklärte Calatrava unlängst in einem Film der BBC sein Schaffen. Damit bekannte er sich ebenso zu Gaudí, der heute vor 150 Jahren in Reus bei Tarragona geboren wurde, wie zur architektonischen Transformation natürlicher Vorbilder. Krypta und Garten, Barcelona und Zürich offenbaren aber auch die Quellen von Calatravas Denken und Entwerfen, das zwischen dem überbordenden Formenreichtum der katalanischen Welt und der nüchtern-rationalen Baukunst seiner Wahlheimat schwankt. Die Natur als grosse Lehrmeisterin führte ihn zu einer organischen Sprache und zu ähnlich gewagten konstruktiven Lösungen, wie sie einst Gaudí ganz empirisch am Schnurmodell erforscht hatte. Zugleich steht Calatrava in der Tradition seiner Landsleute Félix Candela, Eduardo Torroja, Josep Antoni Coderch und Enric Miralles, von denen jeder auf seine Weise Gaudís Erbe analysierte und weiterdachte.

Nach dem Besuch von Kunstakademie und Architekturfakultät in Valencia absolvierte der intellektuelle Asket mit Sinn für das Überreizte in Zürich das Studium des Bauingenieurs, um in der Vereinigung von Maillart und Gaudí seine künstlerischen Visionen architektonisch umzusetzen. Schon bei Calatravas ersten Raumgestaltungen handelte es sich um zuvor nie Gesehenes: Erinnerten doch die Miniatur des Taburettli-Theaters in Basel oder die geistreichen Dachkonstruktionen der Kantonsschule Wohlen an Knochengerüste und urweltliche Wesen. Ihnen folgte die Vorhalle des neuen Luzerner Bahnhofs, die erstmals jene Gaudí'sche Dualität von Kathedrale und Höhle beschwor, die sich dann im Bahnhof Zürich Stadelhofen zur unerhörten Symbiose von Ingenieurskunst und Architecture parlante steigerte. Verweist das von Glyzinienkaskaden umspielte Stützsystem der Hohen Promenade noch auf Gaudís phantastische Substruktionen im Park Güell, so sind die federförmigen Perrondächer, die zungenartigen Brücken oder die phallischen «Wandreliefs» ebenso genuine Erfindungen wie die Schlünde, die hinunterführen in die dunklen Betongewölbe der unterirdischen Halle, in der man sich wie im Keller des Palau Güell oder mehr noch wie Jonas im Bauch des Wals fühlt.


Der Ingenieur als Künstlerarchitekt

Was seither folgte, vermochte zwar in seiner Eloquenz zu faszinieren, erreichte aber - abgesehen von den Hochseilakten der Brückenbauten - in Geschlossenheit und Bildkraft das Zürcher Meisterwerk kaum mehr. Zwar gefällt sich das wie ein Roche ausgreifende Dach des Flughafengebäudes von Bilbao noch als artistisch verstiegene Nachgeburt des Saurierrückens von Gaudís Casa Batlló, doch schon der neue Oriente-Bahnhof in Lissabon veranschaulicht Calatravas Schritt vom phantastischen hin zum rationalistischen Gaudí, der seinen Ausdruck findet in weissen Parabolkonstruktionen, wie sie Gaudí früh schon im Kolleg der Theresianerinnen erprobt hatte.

Spätestens seit Calatrava 1991 mit makabrem Witz die New Yorker Kathedrale St. John the Devine als ausgebleichtes Skelett erweitern wollte und damit wohl die verblüffendste Antwort auf Gaudís unvollendeten Tempel in Barcelona gab, stossen seine Bauten auf heftigen Widerspruch. Doch müssen selbst die schärfsten Kritiker zugeben, dass sich in Valencia die weissen Knochengebilde von New York und die klaren Parabolbögen von Lissabon zu einem neuen Höhepunkt verschmelzen: der Ciutat de les Arts i les Ciències, in der sich pralle Reife und süssliche Exzentrik zur Quintessenz von Calatravas Baukunst zusammenfinden. Von den vier Grossbauten, die sich östlich des Stadtzentrums aus dem 1957 trockengelegten Flussbett des Túria erheben, beherrscht das Wissenschaftsmuseum allein schon durch seine schiere Grösse die Anlage. Dieses expressive Zwitterwesen - halb Kristallpalast und halb Sagrada Familia - scheint in einem See zu schwimmen, der mit Trencadís genannten Keramikmosaiken ausgekleidet ist.

Das Museu de les Ciències besteht aus einer biomorphen Struktur, in der sich Gaudís noch gotisch inspirierte Konstruktionsweise zu einem homogenen, wie aus einem Guss geformten weissen Betonskelett verdichtet. Dem Rhythmus dieses Hallenbaus antwortet ein parabelförmig konzipiertes Palmenhaus. Von dessen Esplanade blickt man hinunter auf das surreal angehauchte Auge des sich ebenfalls in einem Pool spiegelnden Planetariums und hinüber zum noch nicht vollendeten Palau de les Arts, dessen an einen Velohelm erinnernde, weit auskragende Aussenform nur dank der Kombination von Beton und Stahl möglich wurde. Hier lässt sich - anders als bei der offenen Palmenhalle - die Baustruktur nicht mehr logisch nachvollziehen, und die ingenieurtechnische Rhetorik droht sich in einer exaltierten Geste zu verlieren.


Valencia und Zürich

Kehrte Calatrava bereits mit der Alameda-Brücke und der weissen Unterwelt der gleichnamigen U-Bahn-Station in seine Heimatstadt zurück, um nun mit der Kunst- und Wissenschaftsstadt seinen bisher grössten Triumph zu feiern, so blieb es hierzulande lange still um ihn. Ausser einer Reihenhaussiedlung in Würenlingen, die durch ihren anthroposophischen Kubismus überrascht, konnte der weltweit tätige Künstlerarchitekt zunächst nur noch in St. Gallen bauen, das dem ETH-Puritanismus weniger ausgesetzt ist: nämlich die elegante Wartehalle am Bohl sowie die von einem kinetischen Dach überwölbte Polizeiwache im Klosterbezirk. Eine zurzeit im Bau befindliche Hofüberdachung des Sitzes der juristischen Fakultät beweist nun aber, dass auch Zürich, wo Calatrava zudem der Auftrag zur Erweiterung des Opernhauses nur knapp entging, wieder zaghaftes Interesse an Calatrava bekundet. Hier beweist er einmal mehr, wie sehr sich in seinem Schaffen Künstler, Designer, Architekt und Ingenieur gegenseitig bedingen. Auch darin ist er Gaudí verwandt. Dennoch will sich Calatrava nicht als Testamentsvollstrecker von dessen Erbe sehen. Zu Recht, denn das formale und strukturelle Weiterdenken von Gaudís Baukunst ist - wie Valencia beweist - neben der technischen Beredsamkeit und der künstlerischen Gratwanderung nur ein, wenn auch ein gewichtiger Aspekt von Calatravas schillerndem Œuvre.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.06.25

18. Juni 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sublime Einfachheit

John Soane und die Schweizer Holzbrücken in Mendrisio

John Soane und die Schweizer Holzbrücken in Mendrisio

Nicht erst Le Corbusier und andere Meister des 20. Jahrhunderts liessen sich vom Ingenieurbau inspirieren. Schon die Architekten der Frühmoderne interessierten sich für klare Formen und neue Konstruktionsweisen, und diese fanden sie vor allem bei technischen Bauten. In diesem Kontext erkannte John Soane früh schon die Bedeutung des Brückenbaus. Auf seiner Grand Tour nach Italien studierte er deshalb Jean-Rodolphe Perronets Pont de Neuilly in Paris sowie die Holzbrücken von Palladio und die von diesem in den «Quattro Libri» behandelte Brücke, die Cäsar für seine Legionen über den Rhein schlagen liess. In Rom wurde Soane dann wohl von Frederick Hervey, dem Bischof von Derry, auf die einem strengen Rationalismus verpflichteten Schweizer Holzbrücken aufmerksam gemacht, die er Ende Mai 1780 auf der Rückreise nach London vor Ort studierte. Soanes Aufmerksamkeit galt vor allem den drei kühnen Brücken, die die Brüder Johannes und Hans Ulrich Grubenmann aus Teufen zwischen 1756 und 1766 in Reichenau, Wettingen und Schaffhausen realisiert hatten. Sie waren für ihn der Ausdruck einer «sublimen Einfachheit» und nahmen später in seinen Vorlesungen an der Royal Academy eine zentrale Stelle ein, da sie «vom konstruktiven Gesichtspunkt her wirklich einzigartig sind». Obwohl die in verschiedenen Stichwerken über die Schweiz verewigten Grubenmann-Brücken den kriegerischen Ereignissen von 1799 zum Opfer fielen, blieb ihr Einfluss über Lehre und Fachliteratur in England und Frankreich so gross, dass sie entscheidende Auswirkungen auf den Eisenbrückenbau im 19. Jahrhundert hatten und eine Schweizer Brückenbautradition begründeten, die von Maillart über Ammann, Menn und Calatrava bis hin zu Jürg Conzett führt.

Der Initiative Letizia Tedeschis vom Tessiner Archivio del Moderno und Margaret Richardsons vom John Soane's Museum in London ist es zu verdanken, dass in einer kleinen, aber vorzüglichen Ausstellung in Mendrisio, die von Mario Botta eingerichtet wurde, Zeugnisse der Beschäftigung von Soane und seinen Zeitgenossen mit den Grubenmann-Brücken in kostbaren Originalen aus Bern, London, Padua, Vicenza und Zürich zu sehen sind - darunter Soanes in der Schweiz gefertigte Skizzen (die einzigen, die von seiner Grand Tour erhalten geblieben sind), die prachtvollen aquarellierten Schautafeln zur Rheinbrücke Cäsars und zu verschiedenen Schweizer Holzkonstruktionen aus Soanes Vorlesungen, aber auch eindrückliche Modelle der Grubenmann-Brücken. Wissenschaftlich untermauert wird die Schau durch den von Angelo Maggi und Nicola Navone herausgegebenen Katalog, der einen gültigen Einblick gibt in ein sonst eher wenig beachtetes architekturgeschichtliches Kapitel des Klassizismus und in die technologische Kultur des späten 18. Jahrhunderts.


[Bis zum 30. Juni im Archivio del Moderno in Mendrisio, anschliessend in Vicenza, London und Basel. Katalog: John Soane e i ponti di legno svizzeri. Architettura e cultura tecnica da Palladio ai Grubenmann. Hrsg. Angelo Maggi und Nicola Navone. Archivio del Moderno, Mendrisio 2002. 223 S., Fr. 50.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.06.18

12. Juni 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Stadt als gebaute Landschaft

Sauerbruch & Hutton im Lausanner Forum d'architectures

Sauerbruch & Hutton im Lausanner Forum d'architectures

Anders als seine kleinen Nachbarn - Holland, Österreich und die Schweiz - und anders auch als Frankreich kann Deutschland nur selten mit bedeutender zeitgenössischer Architektur aufwarten. Selbst im bauwütigen Berlin, wo man in Ermangelung heimischer Stars auf Hilfe aus dem Ausland setzte, erstarrte das Gebaute, sieht man von Libeskinds Jüdischem Museum ab, im allzu engen Korsett von Steinfassaden und Traufhöhe. Wären nur die internationalen Meister an der Spree gescheitert, so könnte man leicht darüber hinwegsehen. Schwerer wiegt indes, dass sie zusammen mit einigen in Berlin ansässigen Vielbauern dem Nachwuchs Licht und Luft zum Atmen nahmen. So sind heute jüngere Talente nur mit Mühe auszumachen, da ihnen kaum mehr als bauliche Miniaturen zugestanden werden. Doch gibt es einen Bau, der mit seiner rot glühenden Glasfassade hoch in den Himmel über Kreuzberg ragt und demonstriert, dass es hier trotz allem noch Architekten gibt. Es handelt sich dabei um das GSW-Hochhaus an der Kochstrasse von Sauerbruch & Hutton, dem wohl begabtesten Team der mittleren Generation in Deutschland.

Mit seinen farbigen Fassaden beherrscht der zeichenhafte Bau nicht nur die Berliner Stadtlandschaft. Er zog auch in der ersten Werkschau von Sauerbruch & Hutton, die vor zwei Jahren in der Londoner Architectural Association stattfand, die Aufmerksamkeit auf sich. Inzwischen sind neue Projekte dazugekommen und einige Entwürfe vollendet worden, die damals erst im Bau waren: etwa die rosafarbene Welle der «Experimentellen Fabrik» auf dem Campus der Universität Magdeburg, die zwischen klassischer Strenge und beschwingter Heiterkeit oszillierenden Räume des British Council in Berlin oder das Hauptquartier von BBC Scotland in Glasgow. Deshalb entschlossen sich die Architekten, die etwas kryptisch «WYSIWYG +» (what you see is what you get) genannte und elf Projekte umfassende Londoner Schau anlässlich der Ausstellung im Forum d'architectures in Lausanne um die mit einem Pluszeichen im Titel angedeuteten «travaux en cours» zu erweitern.

Unter einer als neokonkretes Riesenbild aus grünen Farbtafeln gestalteten Decke - ein Verweis auf die «Pillbox» des GSW-Hochhauses - sind die Wände der beiden Ausstellungsräume mit Plänen, Zeichnungen und Fotos im Format A4 tapeziert. Sie vermitteln ebenso wie die unpraktischen, tischartigen Installationen zur Betrachtung stereometrischer Ansichten, welche wohl die eher konventionelle und gerade deswegen so erfrischende Präsentation aufpeppen sollen, einen Eindruck vom Schaffen des 1955 in Konstanz geborenen Matthias Sauerbruch und seiner drei Jahre jüngeren Partnerin Louisa Hutton. Nach dem Studium an der AA sowie Lehrjahren bei Peter und Alison Smithson und bei OMA, wo sie sich mit den Theorien des grossstädtischen Chaos und der urbanen Landschaft, dem kontextuellen Bauen und der architektonischen Verdichtung vertraut machten, eröffneten sie 1989 in London ihr gemeinsames Büro. Dort entstanden die ersten Hausumbauten, bei denen die Wechselwirkung von Raum, Licht und Farbe oder das Erzeugen von Stimmungen erkundet wurden. Nach der Übersiedlung nach Berlin, das mehr Aufträge zu versprechen schien, gelang ihnen der Durchbruch mit dem 1998 vollendeten Photonikzentrum in Adlershof. Das amöbenförmige Doppelhaus mit seinen farbigen, entfernt an Le Corbusiers Zürcher Pavillon erinnernden Fassaden schafft angenehm dynamische Aussenräume und stellt sich in den Dienst ökologischer Nachhaltigkeit. Diese zukunftsweisenden Aspekte werden im GSW-Hochhaus wieder aufgenommen. Nicht weniger wichtig ist hier aber auch der Dialog mit der Stadt, der Bezug zur optimistischen Berliner Bautradition der fünfziger Jahre und die Auseinandersetzung mit dem Genius loci.

Die Stadt als architektonische Landschaft spielt auch in den neusten Projekten, die dank einer Videoinstallation in der Schau zugegen sind, eine wichtige Rolle. Während in dem vor zwei Jahren preisgekrönten Wettbewerbsprojekt «TV World» für einen Vergnügungspark mit Fernsehstudios, Sportanlagen und Hotel in Hamburg Themen wie das Organische und die «Urban Landscape» weiter perfektioniert wurden, kommt in dem vor wenigen Monaten gekürten Entwurf für ein neues Museum of Contemporary Art in Sydney eine einfachere, fast schon rationalistische Form zum Tragen. Das kubische, nachts wie eine Lichtskulptur leuchtende Äussere, dem ein fliessender Innenraum antworten wird, ist letztlich wohl die Antithese zur Vielfalt baulicher Erscheinungen am Sydney Harbour und zum ikonenhaften Opernhaus. Noch ist nicht sicher, ob die beiden ehrgeizigen Visionen auch realisiert werden. Gewiss ist aber, dass in den kommenden beiden Jahren die Erweiterung einer Polizei- und Feuerwehrstation in Berlin und das schlaufenförmige, von einer gläsernen Faltwerk-Dachlandschaft überformte Umweltbundesamt in Dessau vollendet sein werden. Die Lausanner Ausstellung bietet nun einen Überblick über das Gesamtwerk dieses bedeutenden Architekturbüros, in dem sich - klischeehaft ausgedrückt - alemannisches Qualitätsbewusstsein mit englischer Empirie zu innovativen Werken verdichtet.


[ Bis 7. Juli. Begleitpublikation: WYSIWYG. Sauerbruch Hutton Architects. Hrsg. Mohsen Mostafavi. Architectural Association, London 1999. 175 S., Fr. 62.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2002.06.12

10. Mai 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zwischen Poesie und Rationalismus

Mit Meisterwerken wie dem Museum für altrömische Kunst in Mérida und dem «Centro Kursaal» in San Sebastián hat sich der 1937 im spanischen Tudela geborene Rafael Moneo unter die grossen Architekten unserer Zeit eingereiht. Nun beleuchtet eine Doppelausstellung in Palma de Mallorca Moneos Schaffen der letzten zehn Jahre.

Mit Meisterwerken wie dem Museum für altrömische Kunst in Mérida und dem «Centro Kursaal» in San Sebastián hat sich der 1937 im spanischen Tudela geborene Rafael Moneo unter die grossen Architekten unserer Zeit eingereiht. Nun beleuchtet eine Doppelausstellung in Palma de Mallorca Moneos Schaffen der letzten zehn Jahre.

Zeitgenössische Bauwerke, die einen in Begeisterung versetzen, sind selten. Doch Spanien besitzt gleich mehrere davon. Neben Sizas Museum in Santiago de Compostela und Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao sind das Museum für altrömische Kunst in Mérida, das neue Rathaus von Murcia oder das «Centro Kursaal» in San Sebastián zu nennen: drei grundverschiedene Gebäude, die nichts verbindet - ausser der Name des Architekten. Sie beweisen, dass der in Tudela (Navarra) geborene Rafael Moneo, der in diesen Tagen seinen 65. Geburtstag feiern kann, wenig von Markenzeichen hält. Statt sich formalen Obsessionen hinzugeben, geht er in seinem Schaffen aus von Ort, Programm und der damit verbundenen materiellen Umsetzung der Bauaufgabe. So entstehen Werke, die immer wieder neu und anders wirken und deren Magie aus einem komplexen Dualismus von monumentalen und intimen, von mediterranen und nordischen, von rationalen und poetischen Aspekten resultiert.

Moneo, der 1996 mit dem Pritzker-Preis und vor einem Jahr für den Kursaal mit dem Mies- van-der-Rohe-Preis der EU geehrt wurde, zählt zu den überragenden Architekten unserer Zeit. Gleichwohl ist sein heterogenes Œuvre vielen kaum bekannt. Das hängt einerseits damit zusammen, dass er hauptsächlich in seiner Heimat Spanien tätig ist. Ausnahmen bilden Museen in den USA und in Stockholm, ein eher gesichtsloses Hotel am Potsdamer Platz in Berlin, Baustellen in Den Haag, Leuwen und Beirut sowie einige Spitzenplätze bei internationalen Wettbewerben wie jenem für das KKL in Luzern. Anderseits hat Moneo sich auch nie um die publizistische Vermarktung seiner Architektur bemüht. Während andere Baukünstler mit mehrbändigen Werkkatalogen auftrumpfen, gab er sich bis anhin mit einigen monographischen Schriften und dem Katalog der 1993 von der Kunstakademie Wien organisierten und danach in Basel gezeigten Moneo- Retrospektive zufrieden.


Das Miró-Museum als Schlüsselwerk

Nun findet nach fast zehn Jahren wieder eine grosse, von einem schönen Katalog begleitete Moneo-Schau statt. Gleichsam als Fortsetzung der Wiener Übersicht, die das Gesamtwerk vom Bankinter-Gebäude (1976) bis zum Thyssen- Museum (1993) präsentierte, widmet sich die von der Fundació Miró und dem Collegi Oficial d'Arquitectes de les Illes Balears (COAIB) in Palma de Mallorca organisierte Doppelausstellung den neusten Arbeiten des Meisters. Die im Strandviertel Cala Major gelegene Fundació Miró macht den Auftakt und stellt mit dem sternförmigen Sanktuarium für Mirós Bilderwelt das vielleicht irritierendste Werk von Moneo im Original zur Diskussion. Wenn die Ausstellungssäle dieses Museums auch schwierig zu bespielen sind, so faszinieren sie doch durch das Licht, den Raumfluss und den Wechsel von Wand und Öffnung. Diese durch schimmernde Alabasterwände ins Sakrale überhöhte Welt klingt weiter in Moneos jüngstem Werk, der neuen Kathedrale von Los Angeles, die am 21. September eingeweiht werden soll. Es ist daher nur konsequent, dass die beiden Arbeiten im Miró-Museum selbst mittels Zeichnungen, Plänen, Modellen und grossformatigen Photographien einander gegenübergestellt werden. In dieser Museumsarchitektur sind aber auch andere Werke von Moneo bereits im Keim vorhanden. So erscheinen die pultförmigen Oberlichter auf der «Dachlagune» des Hauses wie Miniaturen des dekonstruktivistisch angehauchten, aus zwei eisblauen Glaskuben bestehenden Kursaals am Golf von Biskaya.


Vom Kursaal zur Kathedrale

Der Kursaal, das ebenso unterkühlte wie zukunftsweisende Gegenstück zum antikisch inspirierten Museum in Mérida, steht denn auch im Zentrum der zweiten Hälfte der Ausstellung. Sie wurde in den musealen Sälen des unweit der Kathedrale über der meerseitigen Befestigung von Palma gelegenen Palastes des COAIB eingerichtet und stellt acht weitere Schlüsselwerke des Meisters (vom Auditorium in Barcelona über die Bauten in Murcia und Stockholm bis hin zum Chivite-Weingut in Navarra) vor. Als «Edificio talismán», als zeichenhafte, dem Opernhaus in Sydney von Moneos Lehrmeister Jørn Utzon verwandte Architektur gehört der Kursaal zusammen mit dem sich wie ein Felsenriff aus der Stadtlandschaft von Barcelona erhebenden Diagonal-Gebäude zu jenen Bauten, deren Form aus dem geologischen Erscheinungsbild der Landschaft abgeleitet ist. Beim neuen Rathaus von Murcia, das sich an der barocken Plaza del Cardenal Belluga erhebt, war es hingegen (ähnlich wie beim Moderna Museet in Stockholm) die Zwiesprache mit dem gebauten Kontext, die zu einer sich harmonisch integrierenden und dennoch völlig zeitgenössischen Lösung führte. Eine solche Vollendung erreicht das schneeweisse Kulturzentrum von Don Benito in der Extremadura, das sich im Herzen der Stadt wie ein Fremdkörper ausnimmt, bei weitem nicht. Doch das Scheitern auf hohem Niveau und der grosse Wurf liegen im Werk von Moneo seit der «Flughafen-Moschee» von Sevilla nahe beieinander. In welche Richtung das Pendel ausschlagen wird, ist daher auch bei seinem zurzeit wichtigsten Projekt, der Erweiterung des Prado in Madrid, noch völlig offen. Die schwierige Genese dieses umstrittenen Bauvorhabens, das Moneo immer wieder «quebraderos de cabeza», Kopfzerbrechen, verursacht hat, wird im letzten Ausstellungsraum ausführlich dargelegt.

Anders als der neue Prado, dem der Kreuzgang des Jerónimos-Klosters einverleibt werden soll, steht die Kathedrale von Los Angeles auf einem leer gefegten Geviert. Hier, zwischen den Wolkenkratzern und dem Music Center von L. A. musste Moneo den Ort ähnlich neu erfinden wie in der Einsamkeit des Chivite-Weinguts. Entstanden ist ein Gotteshaus, das nicht nur die steinerne Antithese zu Philip Johnsons Crystal Cathedral im nahen Garden Grove darstellt, sondern mit seinem an Ronchamp gemahnenden Campanile, dem kubisch verschachtelten Baukörper und der geschuppten Steinfassade ein städtebauliches Zeichen am 10-spurigen Hollywood Freeway setzt. Als Hofrandbebauung mit Nebengebäuden, zentraler Plaza (und in den Untergrund verbannten Parkplätzen) inszeniert, atmet dieser Sakralbau aber auch den Geist des Spanish Mission Style und erinnert so an den lateinischen Ursprung der kalifornischen Metropole.


[ Die Ausstellung im COAIB (Carrer Portella 14) dauert bis 31. Mai, jene in der Fundació Miró in Cala Major bis 16. Juni. Katalog: Rafael Moneo. De la Fundació a la Catedral de L. A. (spanisch/englisch). Fundació Miró, Palma de Mallorca 2002 (ISBN 84-95267-86-1). 142 S., Euro 18.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.05.10

03. Mai 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bauen ohne Nostalgie

Einst zählte Brissago zu den schönsten Orten am Lago Maggiore. Doch urbanistische und architektonische Eingriffe, die in den fünfziger Jahren ihren Ausgang nahmen, beeinträchtigten das Bild des Städtchens stark. Wegweisende Neubauten von Cavadini, Snozzi und Vacchini brachten höchstens eine partielle Verbesserung der Situation.

Einst zählte Brissago zu den schönsten Orten am Lago Maggiore. Doch urbanistische und architektonische Eingriffe, die in den fünfziger Jahren ihren Ausgang nahmen, beeinträchtigten das Bild des Städtchens stark. Wegweisende Neubauten von Cavadini, Snozzi und Vacchini brachten höchstens eine partielle Verbesserung der Situation.

Die Zeiten, da das Tessin in Architektenkreisen für Aufregung sorgte, sind vorbei. Nur mehr selten finden Bauten aus der Südschweiz den Weg in deutschsprachige Fachzeitschriften - wie jüngst Bottas umstrittener neuer Busbahnhof in Lugano. Sonst aber scheint sich höchstens noch die lateinische Welt - und dort vorab das architektonisch ausgezehrte Italien - für die Tessiner Baukunst zu interessieren. Während es um Altmeister Luigi Snozzi, der im Sommer seinen 70. Geburtstag feiern kann, eher still geworden ist, sorgt nun der nur ein Jahr jüngere Livio Vacchini für Aufsehen und weiss (etwa mit seinem Postgebäude in Locarno) mehr zu provozieren als die Jungen, die im Tessin gegenwärtig einen schweren Stand haben. Bedeutende Wettbewerbe für öffentliche Bauten sind nämlich selten geworden, sieht man von der Università della Svizzera Italiana (USI) in Lugano ab, wo vielversprechende Nachwuchsarchitekten ihre Gebäude vor kurzem übergeben konnten: Giraudi & Wettstein das Laborgebäude, die Brüder Tognola die Bibliothek, Lorenzo Martini den Hörsaaltrakt und Michele Christen die Theologische Fakultät. Dennoch hat sich im Dunstkreis von Architektur und Städtebau in den vergangenen Jahren einiges bewegt. Raffaele Cavadini gelang es - angeregt durch Snozzis legendäre urbanistische Umgestaltung von Monte Carasso -, den Dorfkern von Iragna mit gezielten Interventionen zu klären; und in Lugano wurde nicht nur mit dem erwähnten, städtebaulich von Aurelio Galfetti konzipierten, Alt und Neu vereinenden USI-Campus eine höchst urbane Anlage geschaffen. Es wurden auch Wettbewerbe für eine Neugestaltung der Aussenräume rund um das Rathaus und für die Renovation und Erweiterung des «Palace» durchgeführt, der nun ein weiterer für den Campo Marzio folgen könnte.


Vom «buon gusto» zur «ignoranza»

Kein Ort aber veranschaulicht die wechselhafte Tessiner Bauentwicklung so deutlich wie Brissago, wo bedeutende historische Bauten daran erinnern, dass der alte Borgo einst einer der prächtigsten am Lago Maggiore war. Umgeben von bezaubernder Natur, präsentiere er «l'aspetto di una cittadina assai civile», hielt Francesco Chiesa noch 1936 im Sopraceneri-Band der «Casa Borghese nella Svizzera» fest und fuhr fort, dass zahlreiche Bauten aus den vergangenen Jahrhunderten vom «buon gusto», dem guten Geschmack der Bevölkerung, zeugten. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Städtchen auf Grund des Immobilienbooms Opfer seiner pittoresken Schönheit. Jahrzehnte des baulichen Wildwuchses verunstalteten sein Weichbild, in welchem sich heute die baulichen Widersprüche spiegeln: Zerstörungen und kontroverse Restaurierungen, Zersiedelung und urbanistische Reorganisation, Bausünden und architektonische Meisterwerke begegnen sich hier auf engstem Raum.

Die Fehlentscheide nahmen in den fünfziger Jahren im Borgo ihren Ausgang mit der Verbreiterung der vom oleandergesäumten Muro degli Ottevi dominierten Dorfstrasse. Auf deren Südseite entstanden - gleichsam als Antithese zu den Palazzi auf dem Muro - anstelle kleiner Häuser nüchterne fünfstöckige Bauten, die nicht nur das Zentrum seines Charmes beraubten, sondern auch das städtebauliche Gleichgewicht ins Wanken brachten. Die Inschrift «L'ignoranza è la fonte di ogni male» - die Unwissenheit ist der Quell allen Übels - an einem der alten Häuser auf dem Muro degli Ottevi bringt das Problem von Brissago auf den Punkt: Ignoranz und Bauernschläue hatten aber nicht nur zur Folge, dass entlang der durch das Dorf gebrochenen Via Leoncavallo ein bauliches Chaos entstand. Sie führten auch dazu, dass man den 1970 von der Gemeinde erworbenen barocken Palazzo Branca ebenso zerfallen liess wie das einst von Europas Adel und Neureichen frequentierte Grand-Hotel, das neben der Tabakfabrik wichtigste Symbol einer frühen wirtschaftlichen Prosperität. Während aber der Barockpalast schliesslich doch noch gerettet werden konnte, opferte man das kulturgeschichtlich bedeutende Hotel der Spitzhacke.

Damit teilte das Luxushotel das Schicksal jener Gründerzeitvilla, in welcher der neapolitanische Opernkomponist Ruggero Leoncavallo sein Refugium gefunden hatte. Dass sie schon vor geraumer Zeit einem banalen Wohnblock weichen musste, hängt mit dem Immobiliendruck zusammen, der auf den Sonnenhängen zwischen den hoch gelegenen Weilern und dem Städtchen am See bis heute lastet und der zu jener «verheerenden Zersiedelung» führte, die Bernhard Anderes bereits 1975 im Kunstführer des Kantons Tessin beklagt hatte. Längst präsentieren sich die einst landwirtschaftlich genutzten Hänge als eine Halde von Villen, Terrassenhäusern und Wohnblocks, deren Anblick einzig durch das üppige Grün der Gärten gemildert wird. Aber man findet auch Neubauten von hoher Qualität: etwa ein minimalistisches, auf Stelzen ins abschüssige Gelände gestelltes Haus von Cavadini, eine Villa von Galfetti und seit gut einem Jahr ein bauliches Juwel von Michele Arnaboldi: eine Doppelvilla an der Costa di Mezzo in Incella, die sich modernistisch gibt, aber dennoch mit ihren Granitmauern, Innenhöfen und Erschliessungswegen die zentralen Elemente der alten Dorfstrukturen übernimmt und somit darauf verzichtet, im Geiste der «Tendenza» den Ort zu bauen, was ja die Verhäuselung letztlich nur forcierte.

Die markanteste Intervention an den Hängen über Brissago aber war zweifellos die von Cavadini 1998 anstelle eines alten Oratoriums realisierte kleine Kirche von Porta: ein an Sol LeWitt erinnernder Kubus aus Beton und Granit (NZZ 3. 4. 98). Das aus einer ebenso unsentimentalen wie radikalen Haltung heraus entstandene Gotteshaus fügt sich erstaunlich gut in die Gassen von Porta und öffnet sich zugleich mit seinem Aussichtsbalkon auf die grandiose Weite des Lago Maggiore. Ermöglicht wurde dieses wichtige Gebäude nicht zuletzt durch Don Annibale Berla, den langjährigen Pfarrer von Brissago, der schon vor Jahrzehnten mit der puristischen Renovation der beiden kunsthistorisch bedeutenden Sakralbauten von Giovanni und Pietro Beretta für Kontroversen sorgte. Es handelt sich dabei um die von Peppo Brivio zwischen 1953 und 1958 auf ihr hypothetisches Aussehen von 1528 zurückgeführte Madonna di Ponte, ein Hauptwerk der lombardischen Renaissance, und die Pfarrkirche, die von Luigi Snozzi 1963 restauriert wurde. Wenn Anderes 1975 vor allem die Madonna di Ponte als «in übelster Weise purifiziert» empfand, so bezeichnete die italienische Architekturzeitschrift «Abitare» ein Dutzend Jahre später die Eingriffe als «due operazioni di restauro d'avanguardia».

Es waren aber nicht diese Renovationen, sondern die unkontrollierten baulichen Veränderungen, die zur Erkenntnis führten, dass in Brissago etwas schiefgelaufen war. Bereits 1982 hatte Piero Bianconi in «Ticino ieri ed oggi» die städtebauliche Anarchie und Unordnung von Brissago beklagt, wobei ihm ein rigider Bau von Brivio an der Via Leoncavallo besonders missfiel. In einem Gebäude von Snozzi erkannte dann aber der urbanistisch und denkmalpflegerisch engagierte Architekt Tita Carloni einen «appello all'ordine». Zugleich erschien ihm dieses 1987 an der Via Leoncavallo anstelle ländlich kleiner Steinhäuser errichtete Haus, das sich zur Strasse hin als harter, schmuckloser, von zwei schlanken Pfeilern getragener Betonkubus gibt, als mögliches Vorbild für das Bauen im gewachsenen Kontext.


Akzente von Vacchini und Galfetti

Don Annibale, der Auftraggeber, wollte damals nicht nur die Kleinbauten, sondern auch die der Kirchgemeinde gehörende Casa Bianchini, ein barockes Turmhaus an der schmalen Via ai Cipressi, abreissen lassen, doch Snozzi schonte sie aus urbanistischen Gründen. Er umfasste sie auf zwei Seiten mit dem Neubau, setzte ihr ein Oktogon auf das Dach und bescherte ihr eine orangerote Fassade. Zwar blieb so der räumliche Abschluss der kleinen Gasse erhalten, doch das Denkmalobjekt erscheint seither völlig verfremdet. Wie die Casa Bianchini sensibler hätte revitalisiert werden können, zeigt der unprätentiöse Umbau der gegenüberliegenden, ein Portal von 1663 rahmenden Ökonomiebauten zu Wohnhäusern. Zwischen ihnen und dem vorbildlich renovierten und mit einem modernen Blechdach akzentuierten Palazzo Porzio-Giovanola blieb der kleine formale Garten erhalten - im Gegensatz etwa zu den historischen Orangenterrassen der im Übrigen sorgfältig restaurierten Villa Gina am See, an die nur noch einige Zitrusbäume an den Aussenmauern des in den Garten eingelassenen Hallenbades erinnern. Noch schlimmer erging es den meisten anderen Gärten des Borgo. Sie wurden zu Parkplätzen, die das enge Gassengewirr empfindlich stören, oder aber zu öden Rasenflächen wie vor dem Palazzo Branca. Dieser lange vernachlässigte Bau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde jüngst von Vacchini und Silvia Gmür restauriert und beherbergt nun seit wenigen Tagen das Museo Leoncavallo. Die durch den Abbruch der zugehörigen Wirtschaftsgebäude entstandenen Resträume versuchten die Architekten durch einen fast wie ein Freilufttheater abgetreppten Aussenraum in den Griff zu bekommen. Doch nur eine gezielte bauliche Verdichtung könnte den wertvollen Bau wirklich wieder im urbanistischen Gewebe verankern.

Besser gelungen ist Vacchini die Neuordnung des städtischen Erscheinungsbildes hingegen mit dem 1999 vollendeten Wohn- und Geschäftshaus der Banca dello Stato, das als Eckbau den Südwesteingang zum Borgo neu betont. Allerdings musste ihm eine Gründerzeitvilla geopfert werden. Verbreitete diese einen Hauch von Nostalgie, so bringt der leicht überdimensionierte Neubau als moderner Verwandter des Palazzo Branca die lange gewünschte städtebauliche Klärung und verleiht mit seinem fast monumentalen Volumen den formal und stilistisch höchst heterogenen Bauten rund um die Kirche Halt. Die seeseitige Fassade löst sich auf in einem an die alten Loggien erinnernden Balkonraster, während die südwestliche Stirnseite aus Glasbändern mit balkonartigen Brises-Soleil und riesigen Schiebetüren besteht, die das Innere zur Veranda machen. Strassenseitig führt das Gebäude die anschliessenden Arkaden weiter, über denen kräftige Lisenen der Wand einen vertikalen Rhythmus geben.

Den zweiten städtebaulich wichtigen Akzent schuf Aurelio Galfetti mit dem soeben vollendeten, Villa Bianca genannten zehngeschossigen Apartmenthaus, dem am anderen Ende des Dorfes die Erweiterung des Istituto Miralago von Giovanzana Montorfani aus Lugano antwortet. Galfettis weisser Palazzo nimmt zwischen Borgo und Tabakfabrik jene Stelle ein, wo früher das Grand-Hotel stand. Das schmale, hohe, in seinen Proportionen etwas manieriert wirkende Gebäude, das 34 Luxuswohnungen enthält, öffnet sich zum See hin mit grossen Balkonen. Die durch Laubengänge erschlossene Rückseite an der stark befahrenen Strasse wird durch eine doppelte Palmenallee und eine riesige Glaswand, die entfernt an Jean Nouvels Cartier-Haus in Paris erinnert, vor Lärm geschützt. Galfetti hat mit dieser Wohnmaschine für Begüterte den ersten interessanten Beitrag zum Thema Mehrfamilienhaus seit Mario Campis Wohnpalast an der Via Beltramina in Lugano geschaffen. Er darf denn auch zusammen mit den Neubauten von Arnaboldi, Cavadini, Snozzi und Vacchini sowie einigen Restaurierungen zu Brissagos architektonischen Vorzeigeobjekten zählen. Diese können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass nun die urbanistische Verdichtung des Borgo, die Redimensionierung der Via Leoncavallo und die Gestaltung der zersiedelten Hänge die dringlichsten und für die Zukunft des Touristenortes wesentlichsten Bauaufgaben sind.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.05.03

03. Mai 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schweizer Architektur

Eine Publikation von Pro Helvetia

Eine Publikation von Pro Helvetia

Gebaut wird in der Schweiz wie überall in Europa schon seit Jahrtausenden. Doch eine Architektur im modernen Sinn brachte hier erst der Klassizismus. Seit der Eröffnung des Polytechnikums und seit Semper kann unser Land zudem mit aussergewöhnlichen baulichen Leistungen aufwarten. Diese wurden aber kaum je in einem Überblick gewürdigt, da die meisten Publikationen sich entweder die alte Baukunst, das 19. Jahrhundert oder die Moderne zum Thema nahmen. Einer Initiative der Pro Helvetia ist es zu verdanken, dass 1998 ein kleines, von Christoph Allenspach verfasstes Kompendium zur Schweizer Architektur im 19. und 20. Jahrhundert erscheinen konnte. In knappen Aufsätzen werden etwa die Semper-Schule, das Neue Bauen, die Nachkriegsarchitektur, der Tessiner Rationalismus sowie die neusten Entwicklungen aus baukünstlerischer, aber auch städteplanerischer Warte beleuchtet. Das in fünf Sprachen verlegte und schnell vergriffene Buch ist nun wieder erhältlich, und zwar in einer aktualisierten Fassung.


[Christoph Allenspach: Architektur in der Schweiz. 19. und 20. Jahrhundert. Pro Helvetia, Zürich 2002. 176 S., Fr. 24.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.05.03

23. April 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

«The beautiful Spirit of Antiquity»

Der englische Architekt und Innendekorateur Robert Adam

Der englische Architekt und Innendekorateur Robert Adam

Der Faszination englischer Landsitze mit ihrer bald geheimnisumwitterten, bald mondänen Aura kann man sich kaum entziehen. Dies zeigte jüngst auch Robert Altmans in den dreissiger Jahren angesiedelte Kriminalkomödie «Gosford Park», wo sich vor dem herrschaftlichen Hintergrund eines Herrenhauses - die Innenaufnahmen wurden teilweise in den Privatgemächern von Syon House gedreht - die Spannungen zwischen einer dekadenten High Society und ihrer Dienerschaft im Mord an Sir William, dem Hausherrn, entladen. Die hier am Horizont aufziehenden gesellschaftlichen Umwälzungen führten schliesslich dazu, dass Britanniens grosse Landhäuser heute wie märchenhafte Relikte aus einer längst vergangenen Epoche erscheinen - aus einer Zeit, als prachtvolle Gebäude in weitläufigen Parkanlagen den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg der vornehmsten Familien im Königreich spiegelten. Oft über Jahrhunderte gewachsen, erfuhren diese Country Houses im 18. Jahrhundert ihre höchste architektonische Verfeinerung. Die auf dem Grand Tour nach Italien mit der Kunst und der Kultur von Altertum und Renaissance vertraut gewordenen Adeligen machten sich nach der Heimkehr ins neblige Albion zum Motto, was Lord Arundel schon lange gefordert hatte: nämlich «to transplant Old Greece into England».

«Griechisch» erschien damals im weitesten Sinne alles Antike, das von den Römern gepflegt und von der Renaissance wiederbelebt worden war. Die Grundlagen dieser Formensprache schuf Inigo Jones in der nach-elisabethanischen Zeit mit seinem Palladianismus, der nach einem barocken Intermezzo von Lord Burlington und William Kent in Meisterwerken wie Chiswick House und Holkham Hall weiter verfeinert wurde. Doch erst durch die Hallen, Vestibüle und Salons von Robert Adam (1728-92), die von den Marmorböden über die Decken, Wandreliefs, Friese, Säulen, Spiegel und Konsolen bis hin zu den Kamineinfassungen, Vasen und Kerzenleuchtern vollendet gestaltet sind, schien der wahre Geist der Antike zu schweben und im Galerientrakt von Newby Hall reinste Form anzunehmen. Die von der Tribuna in Florenz, dem Minerva-Tempel in Rom sowie dem Pantheon beeinflusste und mit «etruskischen» Dekorationen ausgestaltete Oberlichtrotunde bildet das Herzstück dieses ersten bedeutenden modernen Museumsbaus, in welchem William Weddell die legendäre Jenkins- Venus und andere antike Fundstücke präsentierte.

Monumentale Form und intime Grösse vereinen sich in dieser Skulpturengalerie aufs Glücklichste zu einem antikischen Gesamtkunstwerk. Gleichzeitig realisierte Adam aber auch vom Rokoko angehauchte Räume, gotisch inspirierte Interieurs sowie frühromantische, die Festungsarchitektur des schottischen Mittelalters und der italienischen Renaissance verschmelzende Schlösser. Diese Stilvielfalt hängt nicht allein mit den Wünschen der Auftraggeber zusammen. Sie erklärt sich auch aus Adams Welterfahrung zwischen Schottland und Italien. Der in Edinburg aufgewachsene, an der dortigen Universität und bei seinem Vater John Adam ausgebildete Architekt bereiste zwischen 1754 und 1758 den Kontinent. In Rom, wo er sich mit dem acht Jahre älteren Piranesi angefreundet hatte, studierte er die Architektur der Kaiserzeit, um danach in Split mit Charles-Louis Clérisseau den Diokletianspalast zu vermessen und nach seiner Heimkehr zu publizieren. In London eröffnete er ein Architekturbüro, in das sein Bruder James (1732-94) nach dessen Grand Tour 1763 eintrat. Dank der Unterstützung schottischer Freunde kam Robert als knapp dreissigjähriger Architekt mit so wichtigen Auftraggebern wie dem Duke of Northumberland in Kontakt, für den er die Staatsgemächer des elisabethanischen Syon House in eine fulminante frühklassizistische Raumfolge verwandelte.

Weniger Glück hatte Adam mit eigenständigen Bauten. Neben einigen öffentlichen Architekturen und Wohnanlagen in Edinburg und London konnte er nur wenige Häuser von Grund auf planen. Vor allem bei den in seinem Schaffen zentralen Landsitzen musste er sich nur allzu oft mit partiellen Eingriffen begnügen, wobei ihn die baulichen Realitäten zu so bedeutenden Lösungen führten wie der triumphbogenartigen Südfassade von Kedleston Hall oder dem transparenten ionischen Portikus am elisabethanischen Palast von Osterley Park. Die oft sehr komplexe Baugeschichte dieser Häuser und die Tatsache, dass einige wichtige Werke im Laufe der Zeit entweder stark verändert oder gar abgebrochen wurden, machten eine Beschäftigung mit Adam lange schwierig, bis sich David King daranmachte, den rund 9000 Blätter umfassenden Bestand von Adams zeichnerischem Nachlass im Soane- Museum zu sichten und mit den Adam zugeschriebenen Bauten zu vergleichen. Daraus resultierte 1991 die Publikation eines gewichtigen Œuvrekatalogs, der seit wenigen Monaten überarbeitet und leicht erweitert neu aufliegt. Ergänzt wird dieses Übersichtswerk nun durch einen zweiten Teil, der dem «Unbuilt Adam» gilt. Hier werden anhand von Zeichnungen rund 200 nicht realisierte Projekte wie jenes für Lincoln's Inn oder für das Haymarket Opera House diskutiert.

Gibt sich der wissenschaftliche Doppelband nüchtern und sachlich, so veranschaulicht der ebenfalls seit kurzem vorliegende Prachtband «The Genius of Robert Adam» von Eileen Harris in einem opulenten Bilderbogen, warum der Geschmack eines ganzen Zeitalters nach Adam benannt wurde. Harris analysiert 19 repräsentative Interieurs - vom klassizistischen Stadtpalast bis hin zum neugotischen Culzean Castle -, diskutiert deren Baugeschichte und Adams Fähigkeit, altmodische Innenräume in spannungsvolle Raumsequenzen zu verwandeln. Damals galt es in der Gesellschaft als Erfolg, wenn man in seinem Haus «an impressive Adam design» vorweisen konnte. Stolz hielt Robert Adam denn auch 1773 im ersten Teil seiner Werkübersicht «The Works» fest, dass er «had been able to seize the beautiful spirit of antiquity, and to transfuse it, with novelty and variety». Die von Adam durch Nischen, Säulen, Apsiden, aber auch durch Licht und Schatten erzeugten neuartigen räumlichen Bewegungen und Szenarien wirkten weiter auf John Soane, dessen Interesse an Adam sich nicht zuletzt darin manifestierte, dass er 1833 den zeichnerischen Nachlass erwarb. Sonst aber war Fortuna den Bauten Adams nicht immer günstig gesinnt. Schon im 19. Jahrhundert wurden einige seiner Landsitze zerstört, und sein 200. Geburtstag wurde gleichsam mit dem Abbruch von zwei Londoner Meisterwerken «gefeiert»: dem Lansdowne House und dem protomodernen Adelphi. Die neuste Forschung macht nun nicht nur deutlich, wie gross diese Verluste waren, sondern auch wie bedeutsam neben den erhaltenen auch die Entwürfe und nicht realisierten Werke sind.


[ David King: I. The Complete Works of Robert and James Adam (erweiterter Reprint der Ausgabe von 1991). II. Unbuilt Adam (neuer Titel). Zwei Bände in einem Volumen. Architectural Press, Oxford 2001. 468 S. und 304 S., Fr. 259.-. - Eileen Harris: The Genius of Robert Adam. His Interiors. Yale University Press, London 2001. 378 S., Fr. 188.50. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.04.23

20. April 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Verletztes Wahrzeichen

Erst sieben Monate ist es her, dass mit den Twin Towers des World Trade Center ein Symbol New Yorks und ein Hauptwerk der Hochhausarchitektur dem Terrorismus...

Erst sieben Monate ist es her, dass mit den Twin Towers des World Trade Center ein Symbol New Yorks und ein Hauptwerk der Hochhausarchitektur dem Terrorismus...

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verknüpfte Bauwerke
Pirelli Hochhaus

16. April 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Von den Aborigines lernen

Nach der Auszeichnung von Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron erweist sich die diesjährige Verleihung des Pritzker-Architekturpreises an den Australier Glenn Murcutt als weniger trendy denn politisch korrekt. Murcutt machte sich einen Namen als ökologisch engagierter Einzelkämpfer, der sich für die ethische Seite der Baukunst einsetzt.

Nach der Auszeichnung von Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron erweist sich die diesjährige Verleihung des Pritzker-Architekturpreises an den Australier Glenn Murcutt als weniger trendy denn politisch korrekt. Murcutt machte sich einen Namen als ökologisch engagierter Einzelkämpfer, der sich für die ethische Seite der Baukunst einsetzt.

Etwas vollmundig bezeichnet die Hyatt Foundation den mit 100 000 Dollar dotierten Pritzker Architecture Prize, der von ihr seit 1979 jährlich verliehen wird, gerne als Nobelpreis der Architektur. Diesem hohen Anspruch vermochte er aber lange nur bedingt zu genügen. Doch nach einer Krise in den neunziger Jahren - als etwa Christian de Portzamparc statt Jean Nouvel oder der längst zum Vielbauer gewordene Norman Foster geehrt wurden - begann man ihn dank der Auszeichnung von Vordenkern wie Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron auch in der Szene wieder ernst zu nehmen. Gespannt wartete diese daher auf den Namen des Preisträgers von 2002, der am Montag in Los Angeles bekannt gegebenen wurde.


Eine politisch korrekte Wahl

Zur Festigung ihres in den letzten beiden Jahren errungenen Ansehens standen der Pritzker- Jury mehrere valable Kandidaten zur Verfügung. Naheliegend war die Wahl eines Architekten aus den USA, die seit der Kür von Robert Venturi im Jahre 1991 nicht mehr zum Zuge gekommen waren. Mit Tod Williams und Billie Tsien, von denen so wichtige Bauten wie das Neurosciences Institute in La Jolla oder das erst das vor kurzem eröffnete American Folk Art Museum in New York stammen, mit Steven Holl, dessen Kiasma- Museum in Helsinki höchstes Lob erhielt, oder mit Jungstars wie dem Kalifornier Greg Lynn oder dem in Ägypten geborenen Wahlamerikaner Hani Rashid hätte man Anwärter auszeichnen können, deren Schaffen zurzeit weit über Amerika hinaus strahlt. Auf Grund ihrer Karriere, aber auch aus politischer Korrektheit hätte ausserdem die in London tätige Irakerin Zaha Hadid, die gegenwärtig ein Kunstmuseum in Cincinnati baut, den noch nie an eine Frau oder an eine Persönlichkeit der islamischen Welt vergebenen Preis verdient. Ebenfalls mit bedeutenden amerikanischen Projekten konnten drei weitere aussichtsreiche Anwärter aufwarten: Nouvel, Daniel Libeskind und Santiago Calatrava. Schlechter standen dagegen die Chancen für zwei nicht weniger einflussreiche Architekten, für Toyo Ito und den an der Columbia University in New York lehrenden Lausanner Bernard Tschumi, war doch der Preis bereits 1993 und 1995 nach Japan und im vergangenen Jahr in die Schweiz gegangen.

Doch keine dieser Vermutungen wurde bestätigt. Zweifellos war Political Correctness mit im Spiel, als sich die Jury, der erneut J. Carter Brown, Ada Louise Huxtable und Carlos Jimenez angehörten, für Australien entschied, den einzigen noch nicht auf der Pritzker-Liste vertretenen Erdteil. Aus der bisherigen Vorliebe der Hyatt Foundation für grosse Büros hätte man schliessen können, dass der Jury beim Blick auf den Südkontinent vor allem das urbane Melbourner Team von Denton Corker Marshall aufgefallen wäre. Doch wurde schliesslich mit dem 1936 geborenen, in Neuguinea und Australien aufgewachsenen und seit 1969 in Sydney tätigen Glenn Murcutt ein Einzelkämpfer gekürt, der mit seiner Architektur der Seele und dem Wesen Australiens nachspürt. Als diesem Verfechter eines ebenso humanen wie naturnahen Bauens 1992 die Alvar- Aalto-Medaille verliehen wurde (NZZ 11. 12. 92), sah das damalige Preisgericht in Murcutts Werk den Beweis dafür, «dass die zeitgenössische Architektur fähig ist, auf ökologische, soziale, technologische und ästhetische Herausforderungen Antworten zu finden».


«Touch this Earth lightly»

Nach baukünstlerischen Anfängen, die gleichermassen Mies van der Rohe und Alvar Aalto verpflichtet waren, fand Murcutt in der Auseinandersetzung mit der ruralen Bautradition seiner Heimat und im Dialog mit der Natur zu einer unverwechselbaren Architektur. In deren Zentrum steht das Wohnhaus als Stätte der Selbstfindung und der Selbstverwirklichung des Individuums, aber auch als Ort der Zuflucht und des Schutzes im Sinne Henry David Thoreaus. Obwohl es sich bei diesen Bauten oft um prototypische Beiträge zur Regionalismusdebatte, zur Bausoziologie und zur Umweltverträglichkeit handelt, kann das von Murcutt favorisierte Privathaus über seine Bedeutung für das meist dünn besiedelte Australien hinaus nur sehr beschränkt als Beitrag an die globale Baukultur verstanden werden. Aber auch im australischen Kontext wird Murcutts Architektur heute weniger diskutiert als noch vor 10 Jahren. Damals setzten sich Architekten wie Gabriel Poole, Lindsay Clare oder James Grose kreativ mit Murcutts Verandahäusern auseinander.

Vielfältige Bezüge zum Genius Loci prägen Murcutts Architektur, die im Erscheinungsbild bestimmt wird durch ihre Verwandtschaft mit den einfachen Unterständen der Ureinwohner, den klassischen Verandahäusern oder den Wellblechhütten. Mit ihren Holzwänden und Blechdächern erinnern diese Bauten oft an Scheunen, mitunter dominiert aber auch ein grossstädtisch elegantes Vokabular. Doch selbst bei den in Sydney errichteten Stadthäusern sind es das Tageslicht und der Sternenhimmel, die das Raumerlebnis bestimmen. Diese Beschäftigung mit der Natur zeichnet die für aufgeklärte städtische Auftraggeber geschaffenen Wohnhäuser ebenso aus wie das 1994 realisierte Marika-Alderton-Haus in East Arnhem Land, wo Murcutt für längere Zeit unter Aborigines lebte und von ihnen lernte, «to touch this Earth lightly». In der Mitte der meist auf Stahlstützen stehenden längsrechteckigen Häuser befindet sich jeweils ein grosser Wohnraum, dem sich Schlafkojen und Serviceräume unterordnen. Das eigentliche Herz aber ist die Veranda, die es erlaubt, im Freien und doch geschützt zu sein.


Mehr als eine Utopie des Buschs

Die besten Bauten realisierte Murcutt zweifellos in den siebziger bis neunziger Jahren. Damals war die Begeisterung so gross, dass Murcutts Biograph Philip Drew das 1982 in Kempsey nördlich von Sydney errichtete Museum für Lokalgeschichte als das «erste wirklich australische Gebäude» bezeichnete. Die neusten Arbeiten - etwa das vor wenigen Monaten in den Southern Highlands vollendete Bowral House mit seinem erstaunlich schwerfälligen Steinsockel - können hingegen gewisse formalistische Härten nicht verbergen. Obwohl er sich in dem 1999 mit Wendy Lewin und Reg Lark realisierten Education Centre in Riversdale einer zeitgemässeren Formensprache annäherte, dürfte sein langjähriges Beharren auf dem immer gleichen Thema mit ein Grund dafür sein, dass Murcutt heute im australischen Architekturdiskurs eher als eine Randerscheinung wahrgenommen wird. Dennoch bleibt er als soziales und ökologisches Gewissen der australischen Architektenschaft eine wichtige Figur, denn kein anderer lebt wie er dem Nachwuchs die Bedeutung einer humanen, ethisch engagierten Baukunst vor. Nicht zuletzt deswegen hat Murcutt den Pritzker-Preis verdient.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.04.16

09. März 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Inspiration aus dem Norden

Junge Architekten aus Italien und der Schweiz in Mailand

Junge Architekten aus Italien und der Schweiz in Mailand

Jahrelang dämmerte die italienische Baukunst vor sich hin. Doch nun keimt wieder Hoffnung. Zum einen sorgen Projekte ausländischer Stars für frischen Wind, zum andern bemühen sich junge Architektenteams mit viel Einsatz um den internationalen Anschluss. Das ist nicht einfach, da die Wettbewerbskultur und mit ihr das öffentliche Interesse an Architektur erst wieder aufgebaut werden müssen. So bleiben als Orte des Diskurses neben festgefahrenen Hochglanzmagazinen wie «Domus» und sporadisch stattfindenden Ausstellungen vorerst nur die Architekturfakultäten von Venedig, Mailand - und von Mendrisio. Da ist die Initiative des Centro Culturale Svizzero, der Mailänder Aussenstelle von Pro Helvetia, höchst willkommen. Dieses lud fünf junge Architektenteams aus Zürich und ebenso viele aus Italien zu einem «Transalpinarchitettura» betitelten Ausstellungsdialog in seinen Veranstaltungsraum an der Piazza Cavour ein.

Die kleine, von Alberto Alessi eingerichtete Schau macht die unterschiedlichen Temperamente sichtbar, wenn etwa der sachlich kühlen Präsentation der Schweizer das rhetorische Feuerwerk der Italiener antwortet. Gleichzeitig offenbaren sich ganz unterschiedliche Entwurfsstrategien: Entwickeln die Schweizer ihre Projekte aus dem Kontext, so verstehen die Italiener die Architektur zunächst einmal als ein Designproblem. Das zeigt sich beim eleganten Servicecenter in Orio al Serio von De Otto Associati aus Bergamo und mehr noch bei den organischen Projekten (etwa für ein neues Auditorium in Sarajewo) von Sciolari & Orsi aus Rom sowie bei den Medienräumen des ebenfalls in Rom tätigen Büros Ma0. Auf modische Attitüden verzichtet hingegen das Genueser Team 5+1. In seinem Archäologischen Museum von Aquileia schwingen noch Anklänge an Aldo Rossi mit, während in der zusammen mit Chaix & Morel aus Paris realisierten Universität von Savona eine neomodernistische Sprache vorherrscht. Als Wanderer zwischen den Welten erweist sich der in Rom und Zürich tätige Alessi mit seinem Wohnhaus in Travagliato, das von einer Steven Holl verwandten Raumauffassung zeugt.

Noch grösser ist die Vielfalt entwerferischer Positionen im Schaffen der eingeladenen Schweizer Architekten. Ihre Bauten und Entwürfe belegen augenfällig, dass dem Nachwuchs heute Zürich - und nicht mehr Basel und Graubünden - Quell der Inspiration ist. Der plötzliche Ideenreichtum in einer Stadt, die lange ein architektonisches Schattendasein fristete, mag erstaunen. Doch lässt er sich nicht zuletzt mit jener neuen Offenheit erklären, die zurzeit fast alle Bereiche von der Partyszene bis zum Wettbewerbswesen durchweht. Die eigentlichen Senkrechtstarter sind Camenzind & Gräfensteiner, die mit ihrem Pneushop am Mythenquai, ihrer Sporthalle in Uster, ihren Entwürfen für ein Indianermuseum und für die «Seewürfel» in Zürich ebenso brillieren wie mit ihrem Wettbewerbsprojekt für eine wellenförmig sich ausbreitende Überbauung des Ponte Parodi im Hafen von Genua. Wellenförmig ist auch das Dach des Extasia-Pavillons in Yverdon von Vehovar & Jauslin, eines der interessantesten Beiträge zur Expo 2002 überhaupt. Stark konzeptuell arbeiten Grego & Smolenicky, die den Ballettsaal des Zürcher Opernhauses in einen Farbraum verwandelten, beim Hauptquartier von Accenture aber mit Mitteln der Symmetrie für ein nobles Erscheinungsbild sorgten. Ebenfalls auf Symmetrie und Repräsentation setzten Müller & Truniger, und zwar beim Rathaus in Jona, das gleichermassen von Salvisberg und Hans Kollhoff beeinflusst ist. Einer skulpturalen Einfachheit verpflichtet sind die Berner Lehrwerkstätten von Graber & Pulver, doch bei der Erweiterung der Primarschule Bachtobel in Zürich gilt ihr Interesse nun der Rhythmisierung des Baukörpers.

Leicht hätten diese fünf Zürcher Haltungen erweitert werden können um Arbeiten von jüngeren Teams wie Baumann Buffoni Roserens, Bünzli & Courvoisier, EM2N oder Pool. Doch ist nicht Vollständigkeit Ziel der Schau, sondern der Gedankenaustausch zwischen Nord und Süd - wobei selbstverständlich den Italienern die jüngste Schweizer Baukunst nähergebracht, aber auch die italienische Sicht der Architektur nördlich der Alpen bekannt gemacht werden soll. Ganz in diesem Sinn will nun Pro Helvetia den Dialog in Zürich weiterführen.


[Bis 22. März. Kein Katalog.]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2002.03.09

01. März 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Jurassic Parc des Barocks

Während die Berliner um die Rekonstruktion des Schlosses streiten, baut man in Dresden bereits an der Barockstadt aus der Retorte. Im Schatten der im Wiederaufbau befindlichen Frauenkirche soll der historische Neumarkt neu erstehen. Was für die Dresdner selbstverständlich scheint, weckt nicht nur in Architektenkreisen Unbehagen.

Während die Berliner um die Rekonstruktion des Schlosses streiten, baut man in Dresden bereits an der Barockstadt aus der Retorte. Im Schatten der im Wiederaufbau befindlichen Frauenkirche soll der historische Neumarkt neu erstehen. Was für die Dresdner selbstverständlich scheint, weckt nicht nur in Architektenkreisen Unbehagen.

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01. März 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Dialog mit Gottfried Semper

Das Bergell ist nicht nur eine malerische Landschaft. Hier finden sich neben alten Dörfern und Palästen auch eigenwillige Herrensitze wie der neomaurische...

Das Bergell ist nicht nur eine malerische Landschaft. Hier finden sich neben alten Dörfern und Palästen auch eigenwillige Herrensitze wie der neomaurische...

Das Bergell ist nicht nur eine malerische Landschaft. Hier finden sich neben alten Dörfern und Palästen auch eigenwillige Herrensitze wie der neomaurische Palazzo Castelmur in Coltura und selbstbewusste Bürgerhäuser wie die Villa Garbald in Castasegna. Dieses 1862 von Gottfried Semper für den Zolldirektor Agostino Garbald als mediterrane Casa rustica konzipierte Gebäude mit offenem Solaio, mit Rebpergola und südländischem Garten verkam nach dem Tod von Manfred Garbald, dem Sohn des einstigen Auftraggebers, immer mehr. Doch dann gelang es der 1955 ins Leben gerufenen und 1997 neu formierten Fondazione Garbald, mit der ETH Zürich einen Nutzungsvertrag abzuschliessen, der vorsieht, die Villa als Aussenstation zu betreiben und hier ein Seminarzentrum einzurichten. Damit konnte die Zukunft des einzigen Semper-Baus südlich der Alpen langfristig gesichert werden.

Das ehrgeizige Projekt macht aber einen Erweiterungsbau nötig, für den es Platz am Rand des Gartens gibt, wo jetzt noch eine Scheune steht. Im Herbst letzten Jahres wurde ein Wettbewerb unter fünf renommierten Architekturbüros - Clavuot aus Chur, Gianola aus Mendrisio, Meili & Peter aus Zürich, Miller & Maranta aus Basel sowie Ruinelli & Giovanoli aus Soglio - durchgeführt. Gekürt und zur Weiterbearbeitung empfohlen wurde das nach den alten Vogelfangtürmen benannte Projekt «Roccolo» von Miller & Maranta, das sich durch eine wehrhafte Turmform auszeichnet. Damit verzichtet der Bau darauf, sich der Semper-Villa anzubiedern, setzt sich aber wie diese mit der südalpinen Architektur auseinander, transponiert die Vorbilder in eine zeitgemässe Sprache und nimmt damit sowohl urbanistisch als auch architektonisch einen Dialog mit dem dörflichen Kontext auf. Dass die hochkarätige Jury richtig entschieden hat, lässt sich gegenwärtig in der Stadtgalerie Chur überprüfen, wo alle fünf Projekte präsentiert werden.

Die denkmalpflegerisch restaurierte Villa und der Erweiterungsbau sollen im kommenden Jahr im Hinblick auf Sempers 200. Geburtstag eröffnet werden. Der grosse Architekt wäre bestimmt zufrieden mit der Ergänzung: zum einen weil in ihr der Grundriss seiner Villa raffiniert variiert wird, zum andern weil sich der Neubau harmonisch in sein kleines Gesamtkunstwerk einfügen wird.

[ Bis 10. März in der Stadtgalerie im Rathaus Chur. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.03.01



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Villa Garbald - Erweiterung

09. Februar 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

«Architektur ist Erfindung»

Im Hinblick auf den 95. Geburtstag von Oscar Niemeyer widmet Paris dem grossen brasilianischen Architekten im Jeu de Paume eine Retrospektive. Die bewusst unkritisch gehaltene Schau zeigt Niemeyers Werk gleichsam als Selbstinterpretation des Meisters.

Im Hinblick auf den 95. Geburtstag von Oscar Niemeyer widmet Paris dem grossen brasilianischen Architekten im Jeu de Paume eine Retrospektive. Die bewusst unkritisch gehaltene Schau zeigt Niemeyers Werk gleichsam als Selbstinterpretation des Meisters.

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01. Februar 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Atlantische Zukunftsvisionen

Seit Jahren erleben Spaniens Städte einen fulminanten architektonischen Erneuerungsprozess. Nach dem Vorbild von Bilbao setzt nun auch Santa Cruz, die HauptstadtTeneriffas, auf gebaute Attraktionen. Neben bemerkenswerten Interventionen einheimischer Architekten finden sich auch Bauten und Projekte von internationalen Stars.

Seit Jahren erleben Spaniens Städte einen fulminanten architektonischen Erneuerungsprozess. Nach dem Vorbild von Bilbao setzt nun auch Santa Cruz, die HauptstadtTeneriffas, auf gebaute Attraktionen. Neben bemerkenswerten Interventionen einheimischer Architekten finden sich auch Bauten und Projekte von internationalen Stars.

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01. Februar 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Vulkanische Dynamik

Aspekte zeitgenössischen Bauens auf Teneriffa

Aspekte zeitgenössischen Bauens auf Teneriffa

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10. Januar 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Erinnerung an die Twin Towers

Zwei Bildbände über das World Trade Center in New York

Zwei Bildbände über das World Trade Center in New York

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World Trade Center

14. November 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Steinerne Kuben an der Elbe

Exakt 63 Jahre nach der Zerstörung der Semper-Synagoge in der «Reichskristallnacht» konnte in Dresden die neue Synagoge von Wandel Hoefer Lorch + Hirsch eingeweiht werden. Der aus zwei Steinkuben bestehende Neubau, der das Elbpanorama der Stadt abschliesst, darf als ein Meisterwerk der Sakralarchitektur bezeichnet werden.

Exakt 63 Jahre nach der Zerstörung der Semper-Synagoge in der «Reichskristallnacht» konnte in Dresden die neue Synagoge von Wandel Hoefer Lorch + Hirsch eingeweiht werden. Der aus zwei Steinkuben bestehende Neubau, der das Elbpanorama der Stadt abschliesst, darf als ein Meisterwerk der Sakralarchitektur bezeichnet werden.

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Neue Synagoge Dresden

09. November 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das erste «schweizerische» Hochhaus

Fünfzigjahrjubiläum des Centro Svizzero in Mailand

Fünfzigjahrjubiläum des Centro Svizzero in Mailand

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02. November 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Bahnhof und Palace

Projekte in Mendrisio und Lugano

Projekte in Mendrisio und Lugano

Ausserhalb der weitgehend unverdorbenen Altstadt hat sich Mendrisio in den vergangenen Jahrzehnten zu einer amorphen Agglomeration gewandelt. Doch spätestens seit sich im Magnifico Borgo die Tessiner Architekturakademie angesiedelt hat, macht man sich hier um baukünstlerische und urbanistische Aspekte vermehrt Gedanken. Deshalb schrieb der Stadtrat im Rahmen von «Europan 6» einen internationalen, für Architekten bis zum 40. Altersjahr offenen Wettbewerb zur Neuordnung der Industriezone rund um den Bahnhof aus. Obwohl sich der Schweizer Nachwuchs - anders als die internationale Konkurrenz - kaum für dieses städtebauliche Projekt interessierte, ging der Preis an ein helvetisches Team, und zwar an die Genfer Fracheboud, Golchan, Robyr, Sonderegger und Zimmermann, die der Città diffusa eine verdichtete Bandstadt zwischen Bahnhofplatz und Autobahn entgegensetzten. (Die eingereichten Projekte für Mendrisio und für den zweiten Schweizer Europan-6-Standort in Illnau-Effretikon, für den die Jury keinen Preisträger bestimmte, sind bis zum 4. November im Parktheater Grenchen zu sehen.)

Mangelndes städtebauliches Denken machte auch die STAN, der Tessiner Heimatschutz, bei den im Frühjahr prämierten Projekten des international ausgeschriebenen Palace-Wettbewerbs in Lugano (NZZ 1. 6. 01) aus und veranstaltete eine eigene Jurierung, deren Sieger soeben bekannt gegeben wurden: Marco Dezzi (Mailand) vor Cabrini & Cabrini (Lugano), Marcel Ferrier (St. Gallen) und Giraudi & Wettstein (Lugano). Damit kritisiert die STAN einen Schwachpunkt des Wettbewerbs, nämlich dessen Überfrachtung mit Funktionen (Theater, Museum, Büros, Wohnungen), auf welche die meisten Teilnehmer reagierten, indem sie massiv in die Gestalt von Gebäude und Park eingriffen oder aber - wie Cabrini & Cabrini - die Rahmenbedingungen ignorierten und das Theater dem Palace gegenüber direkt an den See stellten. Wenn nun die STAN auf diesem neuen Standort beharren sollte, so müsste wohl der ganze Wettbewerb neu aufgerollt werden. Es sei denn, alle Beteiligten erklärten sich damit einverstanden, Restaurierung und Umbau des Palace möglichst unverzüglich Tita Carloni anzuvertrauen und für den Theaterbau eine neue Ausschreibung zu veranstalten - in der Hoffnung, doch noch eine wegweisende Lösung zu finden.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.11.02

02. November 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Erneuerung aus der Geschichte

Zum 70. Geburtstag des Architekten Paolo Portoghesi

Zum 70. Geburtstag des Architekten Paolo Portoghesi

Mit der «Strada Novissima», die er im Rahmen der ersten, von ihm selbst kuratierten Architekturbiennale von Venedig 1980 in den Corderie des Arsenals zusammen mit namhaften Architekten aus aller Welt einrichtete, löste Paolo Portoghesi in Europa eine heftige Diskussion über Sinn und Möglichkeiten postmodernen Bauens aus. Seither gilt der am 2. November 1931 in Rom geborene Architekt als Wegbereiter einer Stilrichtung, die in den folgenden Jahren fast überall ihre oft fragwürdigen Duftmarken hinterlassen sollte. Portoghesi verstand jedoch die Rückbesinnung auf die Architektur vergangener Epochen nicht als dekorative Spielerei. Vielmehr strebte er als ausgewiesener Kenner der barocken Baukunst seit eh und je nach einer architektonischen Erneuerung aus der Geschichte. Nachdem er schon 1956 über Guarino Guarini publiziert hatte, gelang dem gerade erst Dreissigjährigen «auf der Suche nach der verlorenen Architektur» (Christian Norberg-Schulz) mit der Casa Baldi ein genialer Wurf. Diese in der Agglomeration Roms entstandene Villa darf heute als frühes postmodernes Manifest gelten. Bereits hier gelang es Portoghesi nämlich, dem nüchternen Funktionalismus eine Neuinterpretation der Moderne aus dem Geiste Borrominis entgegenzusetzen.

Seit der Casa Baldi verstand der auch als Theoretiker, Kritiker und Lehrer tätige Portoghesi jedes seiner Gebäude als Versuch, die Architektur «im Schosse der Geschichte» zu verankern und ihr gleichzeitig auch symbolischen Tiefgang zu verleihen. Erinnert sei nur an die aus konkaven und konvexen Betonschalen und Kuppeln gebildete Kirche der Sacra Famiglia in Salerno (1974), deren Kuppeln «das Konzept der Trinität» reflektieren, oder an den neopompejanischen Stadtplatz von Poggioreale auf Sizilien (1986), der eine - allerdings nicht ganz gelungene - Antwort auf Charles Moores postmoderne Piazza d'Italia in New Orleans darstellt. Schlüssel zu all diesen Bauten sind die Grundrisse mit ihren bedeutungsvollen, rational gezähmten Kreis- und Bogenformen. Diese steigerte Portoghesi in seinem wichtigsten Werk, der Moschee mit islamischem Kulturzentrum in Rom (1976-95), in die dritte Dimension. Auch wenn diese Anlage von aussen etwas knochig wirkt, gelang ihm zusammen mit seinem Partner Vittorio Gigliotti und dem Iraker Sami Mousawi nicht nur die formale Verschmelzung von maurischer und türkischer Architektur mit Gotik, Barock und Jugendstil, sondern - zumindest auf architektonischer Ebene - auch eine Aussöhnung von Orient und Okzident.

In unserer schnelllebigen, vor allem an oberflächlichem Architekturdesign interessierten Zeit wirkt der hochkultivierte Portoghesi mit seinem Geschichtsbewusstsein fast wie ein Exot - aber wohl nicht mehr lange. Denn Häuser wie die dem Neo-Liberty verpflichtete Palazzina Papanice in Rom (1966-70) dürften zumindest für die «Wallpaper»-Generation bald schon Kult sein.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.11.02

19. Oktober 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Nordisches Licht

Ausstellung Sverre Fehn in Biel

Ausstellung Sverre Fehn in Biel

Besucher der Biennale von Venedig kennen ihn als den luftigsten und wohl auch schönsten Bau in den Giardini: den Pavillon der nordischen Länder von Sverre Fehn. Mit diesem kleinen Meisterwerk wurde der 1924 in Kongsberg geborene Norweger Anfang der sechziger Jahre in der Kunst- und Architektenszene schlagartig bekannt. Eine internationale Probe seines Könnens hatte er aber schon vier Jahre zuvor gegeben - ebenfalls mit einer Kleinarchitektur, der viel beachteten Ländervertretung Norwegens auf der Brüsseler Weltausstellung von 1958. Nach diesen beiden jugendlichen Geniestreichen wurde es um Fehn ruhig, auch wenn er sich in seiner Heimat als Entwerfer von Kultur-, Schul- und Gemeindebauten etablierte - darunter das 1979 vollendete Hedmark Museum in Hamar. Mit diesem Bau wurde er zu einem frühen Verfechter eines den Kontext, die Geschichte und das Licht berücksichtigenden Bauens. Obwohl er vor zehn Jahren mit dem einer «poetischen Moderne» verpflichteten Gletschermuseum in Fjærland und dem Haus Busk in Bamble zurückfand in die Architekturmagazine, war doch die Überraschung gross, als ihm 1997 der angesehene Pritzker-Architekturpreis verliehen wurde.

Vom damaligen Aufwind profitierte eine vom norwegischen Architekturmuseum organisierte Ausstellung, die im Frühjahr 1997 in Vicenza startete und auf ihrer Welttournee nun in der Schweiz, genauer im Centre Pasquart in Biel, angelangt ist. Als gültige Auswahl aus Fehns gesamthaft schmalem Œuvre werden 18 Bauten und Projekte gezeigt mittels winziger Modelle sowie eines kaum lesbaren Patchworks düsterer Tafeln. Begleitet wird die Schau von einem Katalogbuch, das Fehns neustem Bau, dem im Juni 2000 eröffneten und vorschnell zum Meisterwerk emporstilisierten Ivar-Aasen-Zentrum, etwas gar viel Aufmerksamkeit schenkt. Mit der Fehn-Ausstellung zeigt das Centre Pasquart, das dank einem Erweiterungsbau von Roger Diener zu einem Wallfahrtsort der jüngsten Schweizer Baukunst avancierte, bereits seine zweite bedeutende Architekturausstellung. Schön wäre es, wenn dieses architektonische Engagement andauern und Biel so zu einem Fokus internationaler Architekturausstellungen in der Schweiz werden würde.


[Bis zum 26. Oktober im Centre Pasquart in Biel, anschliessend vom 2. bis zum 18. November im Kornhaus Bern. Begleitpublikation: Sverre Fehn. Architekt. Hrsg. Adolph Stiller. Anton-Pustet-Verlag, Salzburg 2001. 94 S., Fr. 40.- (in der Ausstellung).]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.10.19

05. Oktober 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Twin Towers als Mahnmal?

Wiederaufbauideen für Lower Manhattan

Wiederaufbauideen für Lower Manhattan

Die Terrorattacken auf die Zwillingstürme des World Trade Center haben im Weichbild Manhattans eine klaffende Wunde hinterlassen, die nach Vorstellung der New Yorker möglichst schnell vernarben soll. Dabei reichen die Ideen von einem Mahnmal bis hin zu neuen Wolkenkratzern. Die exakte Rekonstruktion der Twin Towers, deren neue Existenz stets an das Attentat erinnern würde, könnte beide Aufgaben erfüllen.

Auch wenn wir über die Medien am Untergang des World Trade Center teilnahmen, bleibt doch der Verlust dieses New Yorker Wahrzeichens für alle, die die Zerstörungen nicht vor Ort erlebten, bis zu einem gewissen Grade virtuell. In unseren Köpfen jedenfalls lebt ein doppeltes Bild von Manhattans Skyline weiter: eines mit und eines ohne Zwillingstürme; und letzteres möchten wir so schnell wie möglich wieder loswerden. Deshalb empfanden viele es wie eine Befreiung, als New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani kurz nach der Katastrophe die «Reconstruction» des WTC ankündigte. Ihm pflichtete der Immobilienmakler Larry Silverstein bei, der erst im vergangenen April das WTC zum Preis von 3,2 Milliarden Dollar für 99 Jahre von der Port Authority erworben hatte. Von einer Rekonstruktion der zeichenhaften Twin Towers war bei Silverstein allerdings nicht mehr die Rede, sondern von mehreren kleineren Türmen und einem Mahnmal.


Vorschläge aus New York

Nachdem am 17. September die Wiederaufbaukommission unter Vorsitzt von Giuliani ins Leben gerufen worden ist, denkt man auch in New Yorks Künstler- und Intellektuellenkreisen, vor allem aber in der Architektenszene laut über die Zukunft des Schreckensortes nach. Die Ideen reichen dabei vom intimen Mahnmal bis zum monumentalen neuen Sitz des um eine kulturelle Institution wie das Guggenheim Museum erweiterten New York Stock Exchange. Solch kommerzielle Bauten möchte der Soziologe Richard Sennett allerdings einer Gedenkstätte untergeordnet sehen. Diese kann sich der Kunsthistoriker Robert Rosenblum als leeres Phantomgebäude in der Form der Twin Towers vorstellen. Bescheidener geben sich die Künstler: Altmeisterin Louise Bourgeois legte in der «New York Times» einen Entwurf für ein sternförmiges Mahnmal vor; und in Umfragen derselben Zeitung äusserten sich etwa Barbara Kruger und John Baldessari zugunsten eines meditativen Parks, während Joel Shapiro das Areal leer lassen möchte. Wie James Turrell ist er gegen ein Denkmal, das ohnehin mit der Zeit seine Bedeutung verlieren werde.

Anders als Shapiro stellt sich Turrell jedoch drei Neubauten vor, die höher sein sollten als die zerstörten. Damit spricht er jenen Architekten aus dem Herzen, die schon davon träumen, sich am Unglücksort zu verewigen. Eine Ausnahme bildet das hierzulande durch das Projekt der Arteplage in Yverdon bekannt gewordene New Yorker Starteam Elizabeth Diller und Ricardo Scofidio, das sich gegen eine Wiederherstellung der «verlorenen Skyline» wendet. Dem widerspricht David Childs vom Büro SOM, der Lower Manhattan «absolut atemberaubend» machen möchte mit mehreren nur noch halb so hohen Türmen, einer Skulptur, die an die Tragödie erinnert, einem der Kontemplation dienenden Grünraum sowie einem Kulturzentrum.

Spektakuläres schwebt auch Hyman Brown, einem der Ingenieure des WTC, vor, der eine identische Rekonstruktion der Türme fordert, wobei er deren einstige Höhe von 417 und 415 Metern um dreissig Etagen oder rund 120 Meter aufstocken möchte. Auch Bernard Tschumi, der aus Lausanne stammende Leiter der Architekturabteilung der New Yorker Columbia University, votiert für ein noch höheres, geschäftlichen und kulturellen Aktivitäten dienendes Bauwerk von zukunftsgerichteter Erscheinung mit integriertem Ort der Trauer. Sein Kollege Robert Stern von der Architekturschule in Yale möchte die Türme als Symbol dafür rekonstruiert sehen, dass Amerika nicht besiegt werden kann, während Philip Johnson den Terroristen zeigen will, dass alles, was sie zerstören, wiedererrichtet wird. Peter Eisenman hingegen sieht «die Kultur und die Werte des Westens angegriffen». Deshalb sollten wir nicht davon zurückschrecken, erneut so hoch zu bauen wie die zerstörten Türme. Ähnlich versteht Cesar Pelli, der Entwerfer der rekordhohen Petronas Towers in Kuala Lumpur, die Errichtung von zwei Türmen derselben Dimension als Demonstration «unserer Stärke». Renzo Piano, der demnächst als erste «Icon» nach dem WTC-Attentat das 260 Meter hohe «New York Times»-Building an der Ecke 8. Avenue und 41. Strasse errichten soll, möchte die technisch überholten Türme durch etwas Neuartiges ersetzen. Auch Richard Meier kann sich mit einer mimetischen Rekonstruktion nicht anfreunden, weil «die Türme 1966 entworfen wurden und wir nun im Jahre 2001 leben». Ihm schwebt ein Ensemble vor, «das ein ebenso mächtiges New Yorker Symbol abgeben wird, wie es die World Trade Towers waren».


Fehlende architektonische Qualität

In Architektenkreisen dominiert ganz offensichtlich die Vorstellung, die Terrence Riley vom MoMA auf den Punkt bringt: «We should build an even greater and more innovative skyscraper.» Dies ist bei Designern wie Richard Meier verständlich, der 1987 das Scheitern seines (nicht wirklich gelungenen) Doppelturmprojekts für den Madison Square erleben musste. Dennoch darf die Ruinenstätte des WTC nicht zum Ort architektonischer Eitelkeiten werden - allem voran aus Respekt vor den Opfern, aber auch aus Gründen der Vernunft. Denn ein Blick auf das von Investoren und Developern geprägte, völlig kommerzialisierte Bauwesen in den USA zeigt, dass dieses Land gegenwärtig kaum in der Lage ist, einen wirklich zukunftsweisenden Neubau an die Stelle der Twin Towers zu setzen. So ist in den vergangenen Jahren in Manhattan mit Ausnahme von einigen «Miniaturen» (den beiden rund 20-geschossigen Lückenfüllern des LVMH-Hauses von Portzamparc und des Österreichischen Kulturinstituts von Raimund Abraham, dem der Vollendung entgegengehenden Museum of American Folk Art von Williams und Tsien sowie dem gescheiterten Hotelprojekt von Herzog & de Meuron und Rem Koolhaas) kein einziger Bau von internationaler Ausstrahlung entstanden.

Selbst bei einem internationalen Wettbewerb wären daher auf Grund der gegenwärtigen Baubedingungen die Chancen äusserst klein, dass die Leerstelle des WTC durch einen überzeugenderen Bau ersetzt werden könnte als durch Minoru Yamasakis Meisterwerk, in dessen Zwillingstürmen sich Hochhausgotik und Minimal Art sinnfällig vereinen (NZZ 12. und 17. 9. 01). Wenn nun baulustige Architekten die Statik der Twin Towers als veraltet bezeichnen und schon Möglichkeiten für ihre eigenen Visionen wittern, dann dürfen die Ergebnisse neuster Untersuchungen nicht unerwähnt bleiben. Diese zeigen, dass die in Form einer quadratischen «Röhre» errichtete tragende Fassade nicht nur den Einsturz verzögert, sondern die stürzenden Decken senkrecht nach unten geleitet und so das noch viel schrecklichere Szenario eines unkontrolliertes Umkippens der Türme über Lower Manhattan vermieden hat.

Für eine exakte Rekonstruktion der zum Synonym für New York gewordenen Twin Towers spricht neben ihrer Formvollendung auch die Zeit. Denn um ein vergleichbares Meisterwerk zu schaffen, müsste zunächst die neue Nutzung des Orts der Katastrophe diskutiert, dann ein Wettbewerb ausgeschrieben und dieser schliesslich verwirklicht werden. Doch selbst dieses Prozedere wäre ungewiss, denn letztlich haben die Investoren das Sagen. Diese aber tendieren erfahrungsgemäss hin auf rein kommerziell bestimmte, architektonisch alles andere als zukunftsweisende Bauten - vergleichbar den Banalitäten rund um den Times Square und den unweit des Lincoln Center entstehenden Doppeltürmen des neuen «One Central Park»-Komplexes, die für einen Neubau des WTC kaum Gutes verheissen.

Doch zunächst muss aufgeräumt werden; und das ist nicht ungefährlich: George Tamaro, der als Ingenieur für den Bau des Rückhaltebeckens, das die Fundamente des WTC vor dem Druck des Hudson River schützte, verantwortlich war, befürchtet nämlich, dass gegenwärtig nur die Trümmermassen die vermutlich schwer beschädigte Wanne stabilisieren. Eine schnelle Entfernung des Schuttes ohne vorangehende Sicherung der rund einen Kilometer langen Stützmauer könnte dazu führen, dass der Hudson sich durch den aufgeschütteten Untergrund einen Weg ins Herz von Lower Manhattan bahnen würde - mit unvorhersehbaren Schäden für das ohnehin schon arg in Mitleidenschaft gezogene Stadtviertel. Untersuchungen am WTC und an den Nachbarbauten - der schwer erschütterten One Liberty Plaza und mindestens zehn weiteren beschädigten Wolkenkratzern - können dem Hochhausbau aber auch neue Impulse betreffend strukturelle Sicherheit, Fluchtweggestaltung und Hitzeresistenz geben und so die den Terroristen so verhassten «Türme der westlichen Zivilisation» sicherer werden lassen. Zurzeit ist nämlich kein Konstruktionsprinzip bekannt, das deutlich günstiger reagiert hätte als jenes der Twin Towers. Jon Magnusson von der Ingenieurfirma Skilling hielt denn auch in der «New York Times» fest, dass 99 Prozent aller Hochhäuser unverzüglich nach einem Crash mit einer Boeing 757 eingestürzt wären, «but the perimeter structural tube allowed the building to stand, giving people more time to escape».


Mahnmal und Vorbild

Aber nicht nur die Vernunft spricht für einen Wiederaufbau der Twin Towers. Auch die Pietät verlangt ihn: Will man am Ort der Katastrophe einen Neubau erstellen, der Mahnmal, Symbol und Bürohaus zugleich ist, so kommt nur eine nach neusten technischen Erkenntnissen ausgeführte mimetische Rekonstruktion in Frage. Denn nur die wiedererrichteten Zwillingstürme werden alle Erinnerungsfunktionen erfüllen können und gleichzeitig in der Lage sein, den Terroristen zu zeigen, dass die freie Gesellschaft sich nicht in die Knie zwingen lässt. Dass eine Rekonstruktion nicht heillos veraltet wäre, beweist die in den letzten Jahren rapid gewachsene Popularität des WTC bei Studenten und jungen Architekten. Dieses Ensemble nahm nämlich in einem gewissen Sinn schon jene Stadt des 21. Jahrhunderts vorweg, die nun von selbsternannten Architekturgurus gepredigt wird. Auch deren Hochhäuser des 21. Jahrhunderts sind - das veranschaulichen die gegenwärtigen Erkenntnisse klar - von ihrer baulichen Struktur her noch ganz den herkömmlichen Prinzipien verpflichtet. Einzig im Erscheinungsbild würden sie sich von den Twin Towers unterscheiden. Das aber hiesse nichts anderes, als dass man die noble Erscheinung der Zwillingstürme mit ihrem meisterlichen Zusammenklang von Struktur und Licht einem modischen Fassadendesign opfern würde. Wären aber farbige Glashäute, Medienmembranen oder tätowierte Hüllen wirklich eine würdige Antwort auf die Katastrophe von Manhattan?

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.10.05



verknüpfte Bauwerke
World Trade Center

05. Oktober 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Unsicherheit macht sich breit

Europas Hochhausdiskussion am Beispiel Barcelonas

Europas Hochhausdiskussion am Beispiel Barcelonas

Die Ölkrise und die vom Club of Rome prognostizierten «Grenzen des Wachstums» brachten das Hochhaus Mitte der siebziger Jahre in Verruf. Erst eine neue Generation von zeichenhaften Wolkenkratzern - darunter Norman Fosters technoider Bankenturm in Hongkong oder Philip Johnsons «Chippendale-Kommode» in New York - bereitete der jüngsten Hochhaus-Renaissance das Terrain. Kurz darauf wurde die Mär vom ökologischen Wolkenkratzer in die Welt gesetzt, und spätestens seit sich Fosters Commerzbank in Frankfurt mit Skygärten und energetischen Erneuerungen ein «grünes» Mäntelchen umlegte, sind himmelstürmende Bauten als Ausdruck städtischen Selbstbewusstseins wieder salonfähig. Dabei weiss man längst, dass Häuser mit mehr als 20 Geschossen nicht wirklich umweltfreundlich sind und zudem für viele Benutzer zur psychischen Belastung werden können. Doch wer daran erinnerte, galt als Spielverderber.

Nun sind die Zentren der globalisierten Welt durch die Terrorattacken auf die Twin Towers des WTC in Manhattan jäh aus ihrem Höhenrausch erwacht; und die einstigen Objekte des Stolzes haben sich in bedrohliche Symbole verwandelt. In London und Frankfurt, den beiden Städten, die sich leidenschaftlich um die höchsten und schönsten Wolkenkratzer Europas streiten, schweigt man gegenwärtig diskret zum Thema Hochhausbau, stellt aber die ehrgeizigen Projekte noch nicht in Frage. Hingegen wird in Barcelona, das erst vor einem Jahrzehnt mit den rund 150 Meter hohen Zwillingstürmen am Port Olímpic einen fernhin sichtbaren Akzent erhalten hat, nun heftig diskutiert. Denn in der katalanischen Metropole - die von der Umgestaltung des Port Vell bis hin zu dem von Herzog & de Meuron geplanten «Forum der Kulturen» am meerseitigen Ende der Avinguda Diagonal eher auf flache Bauten setzte - sind gegenwärtig knapp ein Dutzend Hochhausprojekte in Planung. Unter diesen Werken, die sich in den Augen von Jean Nouvel wie «Geysire aus dem Magma der gebauten Stadt» erheben, befindet sich an der Plaça de les Glòries Catalanes als architektonisch anspruchsvollster Entwurf dessen 142 Meter hoher phallischer Rundturm mit farblich changierender Membran und als narrativstes Projekt das an ein geblähtes Segel erinnernde, 170 Meter hohe «Edificio Vela» von Ricard Bofill, das nun auf 80 Meter zurückgestutzt werden soll. Diese Höhenmarke, die der Stadtarchitekt von Barcelona, Josep Acebillo, den Bauherren und Architekten als vernünftige Limite nahelegt, hielt schon von Anfang an der von Benedetta Tagliabue und dem verstorbenen Enric Miralles entworfene Turm in der Barceloneta ein. Damit entspricht dieser noch am ehesten der Stimmung im Volk, die in den Hochhäusern gegenwärtig in erster Linie potenzielle Zielscheiben für Terroristen sieht. Auch wenn die bauende Zunft noch immer von der Sicherheit der Wolkenkratzer überzeugt ist, dürften über deren Zukunft letztlich die Benutzer entscheiden - und die müssen zunächst ihr Vertrauen wiederfinden.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.10.05

20. Juli 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Belle Epoque am Genfersee

Der Architekt Eugène Jost in einer Lausanner Ausstellung

Der Architekt Eugène Jost in einer Lausanner Ausstellung

Die Relativität unserer Sicht der Welt brachte im Bereich der Bilder und der Zeichen kaum einer so provokativ auf den Punkt wie der ungarisch-amerikanische Grafikdesigner Tibor Kalman in den von ihm gestalteten Ausgaben der Benetton-Zeitschrift «Color». Dem Schaffen dieses 1999 im Alter von 50 Jahren verstorbenen Gestalters widmet gegenwärtig das Lausanner Design-Museum «Mu.dac» eine irritierende Retrospektive. Blickt man - angeregt von Kalmans visuellen Fallen - vom Belvedere des Museums über Stadt und See, so wird einem bewusst, wie anders wir die Ufer des Léman sehen als noch die britischen Grand-Touristen, die - angelockt von Jean-Jacques Rousseaus «Nouvelle Héloïse» - rund um Montreux das irdische Paradies zu finden hofften.

Da sich aber das einfache, unverdorbene Leben angenehmer von bequemer Warte aus betrachten liess, boten die gewitzten Gasthausbesitzer und späteren Hoteliers in ihren Häusern immer mehr Komfort. Als dann mit der Eisenbahn ab 1860 immer mehr Gäste die milden Gestade von Montreux aufsuchten, entstand hier ähnlich wie an der Côte d'Azur ein Eden der Belle Epoque: Wo sonst konnte man unter Palmen und Zypressen lustwandeln und dabei einen Blick auf das schneebedeckte Hochgebirge werfen? Diese gründerzeitliche Welt liegt weit zurück, und gleichwohl ist sie - selbst inmitten der Jahrmarktstimmung des Jazzfestivals - zumindest architektonisch noch zugegen, bildet doch das «Montreux Palace» mit all seinen Annexbauten und dem einstigen Pavillon des Sports (mit dem restaurierten Tea-Room La Coupole) das vielleicht eindrücklichste Fin-de-Siècle-Ensemble unseres Landes.


Virtuose Entwürfe

Erdacht wurde diese grossbürgerliche Herrlichkeit von Eugène Jost (1865-1946), der - an der Ecole des Beaux-Arts in Paris ausgebildet - seit 1892 in Montreux tätig war als Architekt. Diesem lange Zeit vergessenen Baukünstler widmen nun die Archives de la construction moderne der ETH Lausanne im Forum d'architectures (FAR) eine eindrückliche Werkschau. Virtuose Entwürfe aus seiner Studienzeit zeigen Jost als genialen Zeichner und Erfinder, während die mit Plänen, Aquarellen und zeitgenössischen Photographien dokumentierten Bauten seine Fähigkeit belegen, der jeweiligen Aufgabe entsprechend mit den Stilen zu spielen und diese unter Anwendung aller technischen Errungenschaften den neuen Typologien von Bahnhof, Post oder Hotel anzupassen.


Gekonnte Realisierungen

Schon während er an der Restaurierung des Lausanner Schlosses arbeitete, konnte sich der 31-jährige Senkrechtstarter 1896 in einem Wettbewerb den Auftrag für das Hauptpostgebäude an der Place Saint-François sichern. Dieses eindrückliche, von der Schlossarchitektur der französischen Renaissance inspirierte Gebäude beherrscht noch heute in seiner ganzen Pracht das Weichbild der Stadt, auch wenn das Innere der durch die Eckrisalite zugänglichen Schalterhalle verunstaltet wurde. Neben der Post, dem nahe gelegenen Sitz der Credit Suisse, einem Mehrfamilienhaus und der Eisenkonstruktion des Pont Charles-Bessières besitzt Lausanne mit der überschwänglich neobarocken Rotunde des Hotels Beau Rivage in Ouchy ein weiteres Hauptwerk des Architekten. Josts übrige Bauten aber finden sich - die Berner Bollwerkpost ausgenommen - in Montreux. Der Bahnhof sowie mehrere zwischen Neugotik, zweitem Rokoko und Art nouveau changierende Villen und Hotels, darunter die denkmalgeschützten Ensembles von «Palace», «Grand-Hôtel» und «Hôtel des Alpes», werden gleichsam bewacht vom hoch oben am Berg thronenden «Caux Palace», einem riesigen und dennoch höchst pittoresken, von mittelalterlichen Türmen überragten Luxushotel.

Wie überlegt Jost, einer der grossen Hotelarchitekten der Schweiz, bei seinen Stilmischungen vorging, zeigt sich bei seinem Anbau an das «Hôtel Europe», dessen schwülstige Kurven er mit seinem streng gezeichneten Vokabular korrigierte. Trotz ihren unbestreitbaren architektonischen Qualitäten schienen Josts Belle-Epoque-Paläste mit dem durch den Ersten Weltkrieg eingeleiteten Niedergang des Luxustourismus dem Tod geweiht. Doch blieben sie wunderbarerweise bis auf das Casino erhalten. Die Karriere des einst von Hoteliers und Investoren umworbenen Architekten aber endete damals abrupt, auch wenn sich Jost 1928 noch am Wettbewerb für das Lausanner Métropole beteiligte. Allein, der Zuschlag ging an den nur sieben Jahre jüngeren Alphonse Laverrière, der den Schritt hin zu einer moderaten Moderne noch schaffte.


[Bis 29. Juli im FAR an der Avenue Villamont 4. Begleitpublikation: Eugène Jost. Architecte du passé retrouvé. Hrsg. Dave Lüthi. Presses polytechniques et universitaires romandes, Lausanne 2001. 200 S., Fr. 49.70. - Ausserdem kostenloses Faltblatt zu Eugène Josts Bauten in Lausanne und Montreux. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.07.20

07. Juli 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur als Entertainment

New York zelebriert den Architekten Frank O. Gehry

New York zelebriert den Architekten Frank O. Gehry

Der New Yorker Ausstellungssommer steht ganz im Zeichen der Architektur. Mit einer monumentalen Doppelausstellung wird Mies van der Rohe geehrt; und das Solomon R. Guggenheim Museum zelebriert in einer grossen Retrospektive das Schaffen von Frank O. Gehry. Der kalifornische Meisterarchitekt nutzt mit viel künstlerischem Geschick die schwierige Rotunde des Wright-Baus für einen fulminanten Auftritt.

In einer Zeit, da die Jugend alles gilt, traut man dem Alter kaum noch Visionen zu. Manch einer reibt sich daher erstaunt die Augen, wenn er in der neusten Guggenheim-Ausstellung in New York feststellt, dass der Exzentriker, dem hier gehuldigt wird, schon 72 Jahre alt ist. Frank O. Gehry, 1929 in Toronto geboren und seit nunmehr 40 Jahren im Grossraum Los Angeles als Architekt tätig, gehört zu jenen Künstlern, denen - wie etwa Kandinsky - erst spät Erfolg beschieden war. Fast wie eine Komposition von Kandinsky wirkt denn auch die mit einem Gespinst aus Wellblech, Maschendraht und Spanplatten umhüllte Gehry Residence in Santa Monica, mit der er 1978 erstmals die Fachwelt irritierte.

Dieses Werk - halb Skulptur, halb biederes Vorstadthaus - liess sich nicht leicht einordnen. Wohl verstiess es gegen die Tradition der Moderne, doch wollte es nicht in die postmoderne Welle jener Jahre passen. Es brauchte Philip Johnson, das Enfant terrible der amerikanischen Architektur, um «Frank Gehry's Merzbau» 1988 in der MoMA-Ausstellung «Deconstructivist Architecture» in einen stilistischen Kontext zu stellen.

Rasanter Aufstieg
Bereits ein Jahr zuvor hatte der Basler Rolf Fehlbaum Gehry nach Europa geholt und ihn mit dem Bau des Vitra-Design-Museums in Weil am Rhein beauftragt, das nach seiner Eröffnung 1989 als neues Ronchamp sogleich zu einem Wallfahrtsort des internationalen Architekturtourismus wurde. Nicht zuletzt dieser fern am Horizont ganz neue Dimensionen ankündigende neobarocke Musentempel trug Gehry noch im gleichen Jahr mit dem Pritzker Prize die prestigeträchtigste Auszeichnung der Branche ein. Erneut Furore machte er anlässlich der 5. Architekturbiennale von 1991 in Venedig mit der Präsentation seiner bis heute nicht vollendeten Walt Disney Concert Hall in Los Angeles. Damit begab sich Gehry in die Arme von Dream Factory und Entertainment Industry, deren Rezepte damals gerade vom Guggenheim Museum übernommen wurden. Dieses ermöglichte ihm den Jahrhundertbau von Bilbao, der 1995 während der Kunstbiennale Venedig bei Peggy Guggenheim ausgestellt wurde (NZZ 14. 6. 95). Hier konnte er erstmals demonstrieren, wie eng und einzigartig in seinem Workshop traditionelles Handwerk, bildhauerische Virtuosität und Hochtechnologie zusammenspielen.

Dieser venezianische Ausstellungstriumph wird nun im New Yorker Solomon R. Guggenheim Museum noch übertroffen. Mit künstlerischem Gespür steckte Gehry die grosse Spirale von Frank Lloyd Wrights Meisterwerk in ein silbernes Kettenhemd, hinter dem man auf der Schneckenrampe bunte Modelle erahnen kann. Es wundert nicht, dass das hochkommerzialisierte Ausstellungsunternehmen Guggenheim die populär inszenierte Schau vor allem dazu benutzt, um Goodwill für sein umstrittenes Projekt einer Dependance in Lower Manhattan zu schaffen. Das dürfte ihm gelingen, denn der Ausstellungsauftakt ist mit den Maquetten dieses Museumsprojekts schlicht atemberaubend: Eine sich im East River spiegelnde Wolke aus Titan schwebt um einen gläsernen Turm, der wie eine Reminiszenz an das kürzlich gescheiterte «New York Times»-Hochhausprojekt wirkt. Durch die weit über dem Strassenniveau sich öffnenden Fenster erblickt man kleine Figürchen vor miniaturisierten Serra-Plastiken und Stella-Bildern. Betört von dieser Puppenstube, pilgert das Publikum anschliessend die Rampe hoch - vorbei an zahllosen architektonischen Miniaturen, die anders als die nur vereinzelt aufgelegten Planbücher auch für Laien lesbar sind und die es ihnen so gestatten, die Werkentwicklung zu studieren. Die frühen Fingerübungen, die Bricolage der schrägen Gehry-Residence, die kubischen Villen der achtziger Jahre und der klassizistisch anmutende Campus der Loyola Law School in Los Angeles zeigen noch einen Suchenden. Doch dann markieren die beiden Vitra-Bauten in Weil am Rhein und Birsfelden die grosse Öffnung hin zu den barock wirbelnden Kulturbauten, aus denen die metallenen Girlanden bald organisch quellen, auf denen sie bald aber auch wie appliziert erscheinen.

Der Architekt als Künstler
Der entwerferische Akt, der bei Gehry immer ein plastisch-gestalterischer und kein abstrakt-konzeptioneller Vorgang ist, feiert in der Lewis Residence Triumphe. Dieser nicht realisierte Schlüsselbau diente dem Meister über Jahre als Laboratorium. Er führte ihn hin zum computertechnischen Entwurfssystem «Catia» und ermöglichte damit erst die Entstehung der stählernen Magnolie von Bilbao. Dass Gehry daneben aber auch ganz banale Ideen entwickelte, zeigt das Bürohaus «Fred und Ginger» in Prag, dessen Fassadenentwurf mit den einfältig tanzenden Lochfenstern seither bei Wohn- und Verwaltungsbauten immer wieder auftaucht und die Grenzen seines Formenvokabulars in der Alltagsarchitektur eindrücklich demonstriert. Doch Gehry wäre nicht Gehry, könnte er sich nicht immer wieder auffangen. So entwarf er für den Pariser Platz eine vergleichsweise traditionelle Steinfassade, die sich jedoch schnell als höchst intelligente Antwort auf den Berliner Klassizismus entpuppte. Hinter der steinernen Lochfassade explodiert dann der Raum, um sich im schwebenden Pferdekopf des Konferenzzentrums, eines trendigen Stücks Computerarchitektur, wieder zu verdichten.

Gehrys Masslosigkeit beim Zusammenstellen dieser Schau führt dazu, dass er sein eigenes Werk zerredet. Gleichzeitig aber gelingen ihm auch immer wieder Sequenzen oder ganze Räume von faszinierender Dichte: etwa das nächtliche Aquarium des ersten Ausstellungssaals im Gwathmey-Annex mit den schummrig illuminierten Kartonmöbeln und den durch den Raum schwimmenden Fisch-Leuchten - oder die Studioatmosphäre evozierende Präsentation des gesamten Plan-, Skizzen- und Modellmaterials für das Stata Center auf dem MIT-Campus in Cambridge. Obwohl Gehry den neusten Projekten viel Platz einräumt, vermisst man eine Arbeit: den Entwurf für das New Yorker Hotel Astor Place, mit dem er sich schon auseinandersetzte, bevor Ian Schrager die Zusammenarbeit mit Herzog & de Meuron und Rem Koolhaas quittierte (NZZ 27. 6. 01). Gespannt fragt sich New Yorks Architektenszene nun, ob Gehry dafür das einer gigantischen Fazzoletti-Vase aus Muranoglas gleichende «New York Times»-Projekt, dessen Scheitern ihn so schwer getroffen hat, aus der Mottenkiste zaubert.

Die Vorgänge um das Astor-Place-Projekt zeigen ebenso wie die Ausstellung selbst, dass in der Gunst des grossen Publikums das Verspielte stets über das Intellektuelle siegt. Die Schau im Guggenheim ist ein Fest für die Sinne, aber tiefere architektonische Erkenntnis bringt sie kaum. Dass der politische, soziale, geschichtliche und baukünstlerische Kontext unterschlagen wird, ist bei monographischen Ausstellungen leider längst die Norm. Vom Katalog aber, der im Grunde nichts anderes als einen bunten Bilderreigen durch Gehrys Schaffen bietet, hätte man einen erweiterten Blick erwarten dürfen.


[Bis 26. August. Katalog: Frank Gehry. Architect. Hrsg. Fiona Ragheb. Abrams, New York 2001, und Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2001. 390 S., Fr. 116.- ($ 45.-/75.- in der Ausstellung).]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2001.07.07

01. Juni 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wie ein Phönix aus der Asche

Wettbewerb für das Kulturzentrum „Palace“ in Lugano

Wettbewerb für das Kulturzentrum „Palace“ in Lugano

Als frühes Meisterwerk der Schweizer Tourismus-Architektur kommt dem ehemaligen Grand-Hotel Palace in Lugano eine wichtige kulturgeschichtliche Stellung zu. Doch das 1851-55 von Luigi Clerichetti im Stil des Mailänder Klassizismus errichtete und 1903 vom international tätigen Luzerner Hotelarchitekten Emil Vogt aufgestockte Luxushotel verkam nach dem Verkauf im Jahre 1975 durch ein spekulatives Trauerspiel zur Ruine und brannte Anfang 1994 aus. Daraufhin propagierte der freisinnige Sindaco Giorgio Giudici - unterstützt von der Lega - die Idee, die denkmalgeschützten Überreste durch einen Kasino-Neubau zu ersetzen (NZZ 7. 3. 98). Das Volk jedoch wehrte sich dagegen und wollte auf Grund einer Petition das «Palace» als Zeugen einer grossen touristischen Vergangenheit wiederhergestellt sehen. Doch erst als die Kasino-Anforderungen des Bundes Giudicis Tabula-rasa-Projekt bedrohten, wagte er die Flucht nach vorn und machte sich im Stadtrat für den Umbau des «Palace» in ein Kulturzentrum stark. Im Juli 2000 wurde ein zweistufiger internationaler Wettbewerb ausgeschrieben, in welchem die Teilnehmer aufgefordert waren, zwischen Hotelfassaden, Renaissancekreuzgang und Kirche sowie im Park ein Museum, einen Theater- und Musiksaal sowie Wohnbauten zu entwerfen.


Stunde der Wahrheit

Dieser Wettbewerb zählte zweifellos zu den anspruchsvollsten baukünstlerischen Herausforderungen der vergangenen Jahre in der Schweiz, weil architektonische Meisterwerke aus verschiedenen Jahrhunderten erhalten und unter Anwendung einer zeitgenössischen Formensprache zueinander in Bezug gesetzt werden mussten. Die Präsentation der Resultate (vom 21. Mai bis 1. Juni im Ausstellungszentrum Mac 7 in Lugano; NZZ 23. 5. 01) machte klar, dass die hochkarätige Jury unter dem Vorsitz von Mario Botta gute Arbeit geleistet hat. Auch wenn in der zweiten Runde vier Projekte einheimischer Architekten die vordersten Plätze belegen, trifft der verschiedentlich laut gewordene Vorwurf, einmal mehr habe die «Ticino Connection» gespielt, nicht zu. Die Jury würdigte vielmehr die Tatsache, dass Tita Carloni, Ivano Gianola, Michele Arnaboldi und Sebastiano Gibilisco am sorgfältigsten auf den historischen Ort und die städtebaulich empfindliche Lage am See eingegangen sind.

Dem grossstädtischen Erscheinungsbild des «Palace» zollte Carloni am meisten Respekt. Viele auswärtige Architekten hingegen ignorierten die Bedeutung der klassizistischen Schaufront als Südeingang zum Centro storico, die doch Anlass zum Wettbewerb gegeben hatte, und sahen sich durch das zu erhaltende Gemäuer in ihrer Kreativität gehindert. Dies bewirkte in zahlreichen Entwürfen eine Degradierung des «Palace» zum Bühnenbild oder zur potemkinschen Fassade, was einer endgültigen Zerstörung des Gebäudes gleichkäme. Selbst Dominique Perrault kokettierte mit dieser simplen Lösung: Der Architekt, der im Niemandsland hinter der Pariser Gare d'Austerlitz den kontroversen, aber wichtigen Neubau der Bibliothèque nationale de France zustande gebracht hatte, versagte vor der Luganeser Herausforderung kläglich mit einer hoch über den Ruinen des «Palace» aufgeständerten goldenen Theaterkiste. Wie Perrault blieben auch die anderen Stars - Bellini, Chipperfield, Kleihues - schon im vergangenen Herbst bei der ersten Sichtung der 122 eingereichten Projekte auf der Strecke.

Dabei konnten hier die Architekten wie selten sonst ihre Fähigkeit, mit dem historischen Kontext umzugehen, unter Beweis stellen. Dazu eignet sich allerdings weder ein postmoderner Mix aus Rossi-Bauten und Turiner Schlossplatz noch eine gestenreiche dekonstruktivistische Rahmenkonstruktion in der Art der Grazer Domenig-Adepten Wolff-Plotegg und Böhm. Interessanter ist da der Versuch von Hans Frei und seinen Kasseler Mitarbeitern, die Neubauten in den Hügel einzugraben, um sie dann durch Folies à la Bernard Tschumi im Park anzudeuten. Noch diskreter verstecken die Zürcher Herczog Hubeli Comalini ihr Theatergehäuse im Berg, während der St. Galler Marcel Ferrier sein Theater in den eigens terrassierten Grünraum integriert. Völlig unabhängig voneinander bedrängen die beiden Mailänder Architekten Pierluigi Nicolin und Mario Bellini das «Palace» mit einem Neubau in der Form einer riesigen ovalen Pillbox. Sonst aber dominiert bei den Italienern der Hang zur planerischen Hysterie, die nun auch bei den jüngsten Tessinern vermehrt Gehör zu finden scheint.

Eine nicht ganz unberechtigte Kritik an den Veranstaltern, die vielleicht zu viel auf dem historischen Gelände unterbringen wollten, wagt der angekaufte Entwurf des Berliner Architektenteams um Uli Ackva, das schon im vergangenen Jahr mit dem Umbauprojekt für eine ehemalige Fabrik in Vaduz in Fachkreisen Aufsehen erregte. Um nicht an beliebiger Stelle einen Theaterneubau hinzusetzen, bringt es das gesamte Bauprogramm hinter den «Palace»-Fassaden unter und opfert dafür den Renaissance-Kreuzgang, der allerdings einen unantastbaren Bestandteil des nationalen Baudenkmals von Santa Maria degli Angeli darstellt. Als einziges äusseres Zeichen weist eine entfernt an den gläsernen Leuchtbalken der Tate Modern erinnernde Aufstockung auf die Eingriffe hinter dem klassizistischen Gemäuer hin. Das Wettbewerbsprogramm kritisiert ein weiteres Projekt, das ebenfalls angekauft wurde: Nicole und Sandro Cabrini aus Lugano stellen ihren halbtransparenten Theaterpavillon just dort an den See, wo sich bis vor gut 80 Jahren eine malerische Häusergruppe mit der Renaissance-Kapelle Santa Elisabetta befand. Ein naheliegender Vorschlag - doch verlangt die prominente Lage an der Bucht von Lugano entschieden nach einem genialen Wurf à la Utzon in Sydney, Nouvel in Luzern oder Gehry in Bilbao.


Intelligente Lösungen

Solch seltene Glücksfälle lassen sich kaum herbeizaubern: Auch unter den vier Siegerprojekten - so intelligent sie die Aufgabe angehen - ist keines auszumachen, das in allen Punkten befriedigt. Carloni überzeugt durch einen denkmalpflegerisch behutsamen Umgang mit dem ruinösen Baukörper und den Fassaden, die er bis hin zu Clerichettis klassizistischer Farbgebung und Vogts Dachabschlüssen restauriert. Auch in der Klarheit des Plans, die sich in der Placierung der übrigen Bauteile (Theater und Wohnblock) äussert, besticht sein Vorschlag. Leider aber gleicht der verglaste Theaterkubus allzu sehr einer «banca in periferia». Zu einer ähnlichen Setzung der Bauten fand Gibilisco, ein bis anhin wenig bekannter Nachwuchsarchitekt. Allerdings wirkt seine Wohnsiedlung am Hang eher schwerfällig - verglichen etwa mit den über einem parallel zum Hügel gelegten Basiskörper elegant auskragenden Wohnkuben von Roberto Briccola, dessen Entwurf wegen sonstiger Mängel nicht in die zweite Runde kam. Bei Arnaboldi gefällt die deutschschweizerisch anmutende Grundrissgestalt, dank der sich das «Palace» in eine spannungsreiche Stadtfigur verwandelt. Gianola schliesslich führt die Volumetrie des «Palace» geschickt fort und fügt - ähnlich wie der leer ausgegangene Chipperfield - dem Altbau einen bergseitigen, für das Theater bestimmten Flügel an.

Nun müssen sich die vier Sieger auf Wunsch von Stadt und Jury zu einer gemeinsamen Lösung zusammenraufen. Es wäre jedoch durchaus zu erwägen, die Restaurierung und Erneuerung des «Palace» direkt Carloni zu übergeben, die Wohnbauten am Hang unter allen vier Beteiligten ausmachen zu lassen und für das Theater, das in der von Carloni und Gibilisco vorgeschlagenen Position zu einem prägnanten Bau werden könnte, einen kleinen Wettbewerb unter den Siegern und einigen gezielt geladenen Architekten (etwa Ben van Berkel, Zaha Hadid, Steven Holl oder Peter Zumthor) auszuschreiben. So bestünde die Chance, dass neben dem «Palace» als erstrangigem Zeugen der Baukultur des 19. Jahrhunderts ein ins 21. Jahrhundert weisendes Gebäude entstehen könnte.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.06.01

25. April 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zwei gläserne Monolithe

Europäischer Mies-van-der-Rohe-Preis an Moneos Kursaal in San Sebastián

Europäischer Mies-van-der-Rohe-Preis an Moneos Kursaal in San Sebastián

Am Montagabend wurde in Barcelona der 1988 initiierte und jetzt - mit einiger Verspätung - zum siebten Mal verliehene Mies-van-der-Rohe-Preis 2001 dem Kursaalgebäude im baskischen San Sebastián zugesprochen. Diese grossartige Kulturbastion von Rafael Moneo, die zwei Eisbergen gleich am Atlantikstrand liegt (NZZ 16. 10. 99), wurde anlässlich des Filmfestivals im Herbst vor einem Jahr eröffnet. Obwohl kaum ein Architekt auf Grund seines Könnens die neu zum EU-Preis für zeitgenössische Architektur avancierte und mit 50 000 Euro dotierte Ehrung mehr verdient als der heute 64 Jahre alte Spanier, räumte man dem Bau zunächst kaum Chancen ein. Denn der letzte «Premio Mies van der Rohe» ging 1998 ebenfalls an einen gläsernen Monolithen, genauer: an Zumthors Kunsthaus in Bregenz. Mit San Sebastián setzt die Jury unter dem Vorsitz von Vittorio Magnago Lampugnani nun nicht nur auf Qualität, sondern auch auf Innovation und erstickt mit der baskischen Karte zudem andernorts aufkommende nationale Animositäten im Keim.

Dennoch spielt bei der Preisvergabe das Ländergleichgewicht eine ähnlich wichtige Rolle wie die Architektur. So hatte etwa Jean Nouvels ebenso umstrittener wie einschüchternder Justizpalast in Nantes (NZZ 6. 3. 01) schon deshalb einen schweren Stand, weil Frankreich 1996 mit Perraults Bibliothèque nationale geehrt worden war. Und einer der urbanistisch, soziologisch und baukünstlerisch wichtigsten Beiträge der letzten Jahre, die New Art Gallery von Caruso St John in Walsall (NZZ 6. 11. 00), scheiterte nicht zuletzt daran, dass Grossbritannien 1990 und 1994 mit Foster und Grimshaw zum Zuge kam. Ein idealer Kandidat wäre der niederländische Expo-Pavillon von MVRDV in Hannover gewesen, da mit ihm zwei noch nie ausgezeichnete Länder zugleich hätten gekürt werden können. Vermutlich aber wollte man Rem Koolhaas, dessen bald vollendeter Konzertsaal in Porto gute Aussichten auf den Preis im Jahr 2003 haben dürfte, den Weg nicht verbauen. Ein valabler Kandidat war schliesslich das GSW-Hochhaus von Sauerbruch & Hutton in Berlin (NZZ 3. 9. 99). Doch kann sich Deutschland nun mit dem Nachwuchspreis trösten, der an einen Gewerbebau des jungen Münchners Florian Nagler in Bobingen geht.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2001.04.25



verknüpfte Bauwerke
Palacio Kursaal

10. April 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Utopie und Realität

Berlin im Banne von Schinkels Klassizismus

Berlin im Banne von Schinkels Klassizismus

Szenengeheul und bauliche Verirrungen sorgen in Berlin stets für neuen Zündstoff. Gleichzeitig aber steht Schinkels Erbe immer noch für Kontinuität. Davon zeugen zurzeit zwei Ausstellungen, die Diskussion um den Wiederaufbau der Bauakademie, Gehrys DG-Bank beim Brandenburger Tor sowie die Projekte für die Museumsinsel.

Neben einer zeitgeistigen Szene ist es vor allem das rasant sich wandelnde Stadtbild, das Berlin-Besucher fasziniert und irritiert. Längst hat man sich daran gewöhnt, dass hier um fast alles gestritten und debattiert wird - bis hin zum ebenso leidigen wie überflüssigen Wiederaufbau des Stadtschlosses. Dessen Anhänger vergessen nur allzu leicht, dass nicht das Schloss das architektonische Herz der Stadt ist, sondern das Alte Museum. An diesem Meisterwerk von Karl Friedrich Schinkel haben sich Generationen von Baukünstlern gemessen: selbst Mies van der Rohe, der sich in den sechziger Jahren - von Chicago aus - mit der Neuen Nationalgalerie tief vor Schinkel verneigte.

Klenze bei Schinkel
Nun bietet Schinkel, der Übervater des deutschen Klassizismus, in seinem vornehmsten Haus dem Grossmeister des Münchner Klassizismus Gastrecht. Mit Leo von Klenze feiert die aus München importierte Schau (NZZ 12. 8. 00) im Alten Museum jenen Architekten, der die süddeutsche Residenzstadt in ein Athen an der Isar verwandelte. Die an der Spree in reduzierter Form gezeigte Retrospektive fordert zum Vergleich des Alten Museums mit Klenzes Galeriebauten heraus und beweist so die Modernität der gleichsam als Ausstellungsmaschine konzipierten Alten Pinakothek in München mit ihren wegweisenden Oberlichtsälen. Neben hervorragenden Dokumenten zu Klenzes Œuvre präsentiert die Ausstellung auch Höhepunkte des preussischen Klassizismus, etwa die berühmte Gouache von Friedrich Gillys nie gebautem Denkmal für Friedrich II. Diese Inkunabel des deutschen Klassizismus deutet an, was aus Berlin hätte werden können, wenn um und nach 1800 an der Spree eine ähnliche Baueuphorie geherrscht hätte wie heute. Doch Schinkel, der Erbe des jung verstorbenen Gilly, musste sich mit partiellen Interventionen ins spätbarocke Stadtgewebe zufrieden geben. Wozu er als Architekt und Urbanist fähig gewesen wäre, veranschaulicht in der Klenze-Schau das im Krieg verlorene Gemälde «Blick in Griechenlands Blüte» in der Kopie von Wilhelm Ahlborn.

Dennoch kann Berlin mit einer derart reichen Palette an Schinkel-Bauten aufwarten, dass man beim Namen Schinkel sogleich an diese Stadt und ihr Umland denkt: an das Schloss Charlottenhof, das Gärtnerhaus und die Nikolaikirche in Potsdam, die mediterrane Anlage in Glienicke, das Humboldtschlösschen in Reinickendorf, vor allem aber an das Alte Museum, die Schlossbrücke, die Neue Wache, die Friedrichswerdersche Kirche und das Schauspielhaus im Bezirk Mitte. Dabei gehen die bedeutenden Berliner «Vorstadtkirchen» meist ebenso vergessen wie die zahllosen Arbeiten im einst preussischen Herrschaftsbereich von Aachen bis ins ostpolnische Wielbark. Dieser kaum bekannten Vielfalt ist gegenwärtig in der Kunstbibliothek eine durch Pläne, Zeichnungen und Spolien angereicherte, von einem opulenten Begleitband dokumentierte Ausstellung mit hervorragenden Fotos von Hillert Ibbeken gewidmet. Sie veranschaulicht den heutigen Zustand von rund 150 Bauten - darunter viele nie gesehene Landkirchen - und zeigt damit selbst manchen Schinkel-Kennern einen ganz neuen Künstler.

Die Schau beweist, dass trotz Kriegsverlusten ein reicher Schinkel-Bestand erhalten geblieben ist. Die schwer beschädigte Bauakademie allerdings, die gemeinhin als sein modernster Bau bezeichnet wird, musste dem DDR-Aussenministerium weichen. Doch jetzt verheisst die von Baufachschülern am Originalstandort wiederhergestellte Nordostecke die Wiedergeburt dieses Meisterwerks. Angesichts des in Berlin immer lauter werdenden Rufs nach der Rekonstruktion verlorener Bauten dürften gewisse Schinkel-Verehrer bald auf den Gedanken kommen, auch dessen nie realisierten späten Projekten Leben einzuhauchen. Das Planmaterial existiert ja - und das Geld scheint hier - ausser bei Zumthors Topographie des Terrors - ohnehin keine Rolle zu spielen. Am Wannsee liessen sich die Plinius-Villen verwirklichen. Für das auf der Krim geplante Zarenschloss Orianda fände sich vielleicht eine Felsenklippe an der Ostsee, während die archäologisch nicht ganz korrekte Vision eines Königspalastes auf der Akropolis schon von Klenze als nicht realisierbarer, gleichwohl aber «wunderbarer Sommernachtstraum» bezeichnet wurde. So wird man denn gescheiter von diesen mediterranen Phantasien weiterhin nur träumen, zumal einem dabei der jüngst bei Axel Menges erschienene, attraktiv ausgestattete und von Klaus Jan Philipp sachkundig kommentierte Doppelband zu Schinkels «Späten Projekten» hilft.

Berlins neuer Klassizismus
Nicht nur die Sehnsucht nach der verlorenen Bauakademie zeigt, dass gut 200 Jahre nach Gillys und 160 Jahre nach Schinkels Tod noch immer ein klassizistischer Hauch durch Berlins Strassen weht. Mit der auf den Pariser Platz gerichteten Fassade der DG-Bank, die mit ihrer sorgsam ausgewogenen Steinkonstruktion weit überzeugender als Kleihues' Annexbauten den Säulenhallen von Langhans' Brandenburger Tor antwortet, fand der Formzertrümmerer Frank Gehry zu einem ebenso zeitgemässen Klassizismus wie Roger Diener in der zu Unrecht vielgeschmähten, von Gunnar Asplunds Göteborger Rathaus hergeleiteten Erweiterung der Schweizer Botschaft. Verglichen mit diesen Arbeiten stellen Axel Schultes' geschmäcklerische Säulenhalle des Treptower Krematoriums und die Glastempel von Hilmer und Sattler über den Aufgängen des Bahnhofs Potsdamer Platz einen höchst fragwürdigen Flirt mit dem klassizistischen genius loci dar und sind im Grunde nur ein dürftiger Abglanz von Louis Kahn und Mies van der Rohe.

Interessant wird sein, wie David Chipperfield seine Aufgabe auf der Museumsinsel lösen wird, die derjenigen der Schweizer Botschaft nicht unähnlich ist. Während Stülers Alte Nationalgalerie aussen bereits saniert und innen nun mit grösstem Aufwand als edler Rahmen der Sammlung des 19. Jahrhunderts hergerichtet wird, soll die benachbarte Kriegsruine von Stülers Neuem Museum demnächst von Chipperfield zeitgenössisch ergänzt werden. Grossartig wäre es freilich, wenn der Karyatiden-Saal und der Römische Saal, die beide samt Freskenresten noch erstaunlich gut erhalten sind, in ihrem heutigen Zustand konserviert werden könnten durch eine Renovation, die - ähnlich wie die Londoner Studio-Umbauten von Caruso St John - alle Spuren der Geschichte bewahren würde und künftig für skulpturale Werke genutzt werden könnte.

Von Chipperfield darf man erwarten, dass er mit den Stüler'schen Bauresten sorgsamer umgehen wird als Ungers mit dem Pergamon-Museum. Die enormen Ausgaben für die vom Kölner Altmeister geplante, den Ehrenhof abschliessende Pfeilerhalle, könnte man getrost sparen. Dann könnte zudem die vor 20 Jahren errichtete Eingangshalle erhalten bleiben, die eine seltene Reverenz der DDR an Mies' Nationalgalerie und damit indirekt auch an Schinkel darstellt. Weit behutsamer als Ungers gehen die Berliner Landschaftsarchitekten Levin Monsigny mit dem Weltkulturgut Museumsinsel um: Ihr siegreicher Vorschlag für die Gestaltung des Grünraums rund um die Alte Nationalgalerie findet nicht nur zu einer dem Bauerbe adäquaten Sprache. Er lässt zudem das Museum als Stülers Antwort auf Friedrich Gillys ungebautes Monument für Friedrich II. wiedererkennen und verweist mit der «Neugierde», einem in den Spreekanal vorkragenden Aussichtsbalkon, einmal mehr auf Schinkel: nämlich auf dessen «Grosse Neugierde» im Park von Schloss Glienicke.


[Klenze-Ausstellung im Alten Museum bis 29. April. Katalog: Leo von Klenze. Architekt zwischen Kunst und Hof. Hrsg. Winfried Nerdinger. Prestel-Verlag, München 2000. 540 S., Fr. 137.- (DM 58.- in der Ausstellung). - Schinkel-Ausstellung in der Kunstbibliothek bis 30. April. Begleitbuch: Karl Friedrich Schinkel. Das architektonische Werk heute. Hrsg. Hillert Ibbeken und Elke Blauert. Edition Axel Menges, Stuttgart 2001. 348 S., Fr. 186.- (DM 98.- in der Ausstellung). - Klaus Jan Philipp: Karl Friedrich Schinkel. Späte Projekte. 2 Bde. Edition Axel Menges, Stuttgart 2000. 112 u. 128 S., Fr. 348.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2001.04.10

17. März 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Puristische Bauten in strahlendem Weiss

Er gilt als Meister einer blendend weissen Spätmoderne: der New Yorker Architekt Richard Meier, der in den achtziger Jahren mit skulpturalen Bauten in den USA und in Europa Weltruhm erlangte. Nun feiert ihn das Nederlands Architectuurinstituut (NAI) in Rotterdam mit einer aus Los Angeles übernommenen Retrospektive.

Er gilt als Meister einer blendend weissen Spätmoderne: der New Yorker Architekt Richard Meier, der in den achtziger Jahren mit skulpturalen Bauten in den USA und in Europa Weltruhm erlangte. Nun feiert ihn das Nederlands Architectuurinstituut (NAI) in Rotterdam mit einer aus Los Angeles übernommenen Retrospektive.

Kreative Neugier, öffentliche Förderung und eine ausgeprägte Diskussionskultur standen am Anfang des holländischen Architekturbooms der letzten 20 Jahre. Kritisch begleitet wird die Entwicklung seit langem vom Nederlands Architectuurinstituut (NAI) in Rotterdam. Dieses begnügt sich nicht damit, die neusten Tendenzen im Lande selbst zu reflektieren. Es lädt auch immer wieder ein zur Auseinandersetzung mit wichtigen internationalen Architekturpositionen. In diesem Rahmen ist die neuste, dem amerikanischen Meisterarchitekten Richard Meier gewidmete Retrospektive zu sehen. Auch wenn dessen Werk heute quer zur niederländischen Architekturentwicklung steht, so war es doch Meiers Entwurf, der 1986 im Wettbewerb für das neue Rathaus von Den Haag den in zwischen zum Guru aufgestiegenen Rem Koolhaas auf die Plät ze verwies und damit eine wichtige Auseinandersetzung auslöste. Der 1995 vollendete Grossauftrag, Meiers komplexestes Werk neben der Getty-Zitadelle in Los Angeles, war für das Rotterdamer Ausstellungshaus denn auch Anlass, die aus europäischer Sicht etwas unzeitgemäss wirkende Schau vom Museum of Contemporary Art in Los Angeles zu übernehmen. Die im grossen Parterresaal des NAI vom Meister selbst erfrischend einfach eingerichtete Retrospektive zeigt die wichtigsten Bauten in Form von Zeichnungen, Plänen, Fotos und einer audiovisuellen Präsentation - vor allem aber mittels prachtvoller weisser Maquetten und eines gigantischen, acht mal dreizehn Meter grossen Originalmodells des Getty Center.

Mit dem Pritzker-Preis von 1984 und der im Jahr darauf erfolgten Eröffnung seines ersten europäischen Meisterwerks, des Museums für Kunsthandwerk in Frankfurt, avancierte der New Yorker zum Liebkind der Architekturszene. Meiers frühe amerikanische Villen und Kulturbauten wurden einem von den baulichen Banalitäten der siebziger Jahre angeödeten Publikum zu Wegweisern in eine schönere Zukunft. Die aus dem Grün von Parks und Küstenlandschaften weiss aufleuchtenden Gebäudeskulpturen waren das Ergebnis einer architektonischen Recherche, die Meier - den einstigen Mitarbeiter von SOM und von Marcel Breuer - auf die Spuren von Le Corbusiers Purismus geführt hatte. Das Interesse an der weissen Moderne teilte er damals mit Eisenman, Graves, Hejduk und Gwathmey, mit denen er 1972 das folgenreiche Manifest «Five Architects» herausgab. Im Gegensatz zu Eisenman interessierte sich Meier allerdings mehr für das Bauen als für die graue oder in diesem Fall doch eher «weisse» Theorie.

Nach kleineren Anfängerbauten gelang ihm 1967 mit dem aus weiss gestrichenem Holz und viel Glas errichteten Smith House in Darien an der Felsenküste von Connecticut der Durchbruch. Die corbusianischen Hauptthemen dieser Villa, die «Wohnmaschine» und das «Schiff», die sich im puristischen Weiss, in Rampen, Brücken, Promenaden und in einer völlig aufgelösten Front zum Meer hin manifestierten, wurden im dramatisch über dem Michigansee inszenierten Douglas House mit Kaminen, Decks und Relings perfektioniert. Mit dem Zentrum für behinderte Kinder in der New Yorker Bronx näherte sich Meier kurz dem Hightech: Hier experimentierte er mit einer Verkleidung aus silbergrauen Aluminiumplatten, die dann - weiss emailliert - im 1979 vollendeten Atheneum von New Harmony erneut auftauchten und seither zum Markenzeichen wurden. Neben den Schiffsmetaphern setzte Meier hier erstmals einen jener barock geschwungenen, geschlossenen Baukörper ein, die bald an puristische Gemälde, bald an Borrominis Kirchenfassaden erinnern, mit welchen er sich 1973 während eines Romaufenthalts beschäftigt hatte.

Jeder dieser drei Bauten stellte einen wichtigen Schritt hin zum High Museum of Art in Atlanta (1983) dar, dessen Foyer als geniale und durchaus kritische Antwort auf Frank Lloyd Wrights New Yorker Guggenheim-Schnecke gelesen werden kann. Dieses meisterhafte Museumsgebäude markiert den eigentlichen Höhepunkt in Meiers Schaffen, denn schon das vielgerühmte Frankfurter Museum für Kunsthandwerk sollte in seiner formalen Exaltiertheit erste Ansätze zu einer Manieriertheit zeigen, der - von Eisenmans pseudophilosophischem Dekonstruktivismus bis hin zu Graves' verspieltem Postmodernismus - auch seine einstigen Mitstreiter erlagen. Seither realisierte Meier nur noch einige kleinere Arbeiten wie das Ackerberg House in Malibu oder das (anders als die Grossbauten in Barcelona, Basel oder Ulm) wirklich überzeugend in den städtischen Kontext integrierte Museum for Radio and Television in Beverly Hills, bei denen die architektonische Verunklärung wieder einem klareren Rationalismus Platz machte. Dies und die Tatsache, dass Meier immer wieder dieselben Themen variierte, dass er die durch Rotationen gegeneinander leicht verschobenen Raster komplexer werden und die Fassaden im geometrischen Formalismus und im kalten Weiss des Emails erstarren liess, führten gerade auf dem alten Kontinent zu einem schwindenden Interesse am Werk dieses Amerikaners, der doch in seiner Heimat als ganz besonders europäisch gilt.

Die Skepsis gegenüber Meiers Schaffen wurde noch durch eine in Europa zunehmend kontextueller und antirationalistischer gewordene Sichtweise gemehrt, aber auch durch die Enttäuschung über das in seiner funktionalen Komplexität formal nicht wirklich bewältigte Getty Center. Nun offenbart die Rotterdamer Schau jedoch, dass Meier sich dieser Problematik durchaus bewusst ist: In seinen neusten Projekten, den Courthouses in Phoenix, Arizona, und in Islip, New York, versucht er sich nämlich aus dem Teufelskreis des Selbstzitats zu befreien. Gelungen ist ihm dies im minimalistisch simplen, fast transparenten Neugebauer House mit dem V-förmigen Dach in Naples, Florida - und ebenso bei der aus sphärisch gekurvten Schalen bestehenden, für das Giubileo geplanten Kirche in Rom, die allerdings kaum vor dem kommenden Herbst geweiht werden dürfte.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2001.03.17

06. März 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der Architekt als Wunderheiler

Jean Nouvel und der neue Justizpalast von Nantes

Jean Nouvel und der neue Justizpalast von Nantes

Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern, Jean Nouvels grosses Meisterwerk, hat im Palais de Justice von Nantes sein Pendant erhalten: Doch spiegelt sich in den Fluten der Loire kein optimistisches Gebäude, sondern ein zwischen Werft und Sakralbau oszillierender schwarzer Riese, der zu einem bedrohlichen Symbol der Judikative wird.

Seit Bauen hierzulande wieder «in» ist und fast jedes alte Gemäuer zur Disposition steht, geistert durch den Blätterwald ein Gespenst, das gerne schwarz trägt und auf den Namen Jean Nouvel hört. Hier und dort wird es beschworen - etwa in Zürich, wenn man das Kasernenareal vermarkten, das Rathaus verlassen oder das Landesmuseum loswerden will, weil es renovationsbedürftig und nicht eben trendy ist. In diesen Fällen schielen die sonst so weltstädtischen Zürcher nach Luzern, wo Nouvels Kultur- und Kongresszentrum metropolitanen Glamour verströmt. Dabei vermögen, abgesehen vom Luzerner Glücksfall, Neubauten selten mehr zu überzeugen als die ins Pfefferland gewünschten Baudenkmäler. Bedenklich aber ist, dass mit dem Ruf nach Nouvel letztlich nur der Weg geebnet wird für jene Lokalmatadoren, die - vom Eurogate bis zum bedrohten Kreuzplatz (um in Zürich zu bleiben) - nur dürftige Allerweltsbauten aufstellen. In provinzieller Fehleinschätzung verkennen die Schreihälse jedoch nicht nur die Bedeutung des architektonischen Erbes, sie ignorieren auch die Tatsache, dass lang nicht jeder Bau von Nouvel so vornehm in Erscheinung tritt wie das Meisterwerk am Vierwaldstättersee. Erinnert sei nur an die Galeries Lafayette in Berlin, jenen schwarzen Pudding, der allein deswegen nicht wabbelt, weil er aus Glas und Stahl besteht. Das heisst nun nicht, dass Nouvel ein schlechter Architekt wäre. Es heisst aber sehr wohl, dass er nicht der städtebauliche Wunderheiler ist, den viele gerne in ihm sähen.


Schwarzer Glanz

Das vor wenigen Monaten vollendete Palais de Justice in Nantes zeigt, zu welch unerbittlich strenger Architektur Nouvel fähig ist. Gemäss dem fast schon jakobinischen Motto «définir avec justesse une architecture juste» projektierte er 1993 für die direkt der Altstadt gegenüberliegende Ile de Nantes ein Repräsentationsgebäude, das Erinnerungen an Revolutionsarchitektur und Terreur evoziert und so die Menschen auf Distanz zu halten sucht. Wie ein Tempel thront es bleiern schwarz und unnahbar über den Fluten der Loire, dominiert die Relikte der industriellen Vergangenheit des Ortes und will mit seinem stets verschatteten Erscheinungsbild ganz offensichtlich die Stadt einschüchtern. Mit diesem Bau bezieht sich Nouvel (wie zuvor schon in Luzern) auf alte Werftanlagen, vor allem aber auf Mies van der Rohes Nationalgalerie in Berlin - nur dass die Pfeilerhalle seines Justizpalastes zweimal so hoch und doppelt so breit ist wie das ehrwürdige Vorbild. Vom humanen Mass des Berliner Museumsbaus ist nichts mehr zu spüren; und so wird denn dieses Monument zu einem geradezu bedrohlichen Symbol der dritten Gewalt. Damit unterscheidet es sich entschieden von den Justizpalästen eines Portzamparc in Grasse und eines Rogers in Bordeaux, die ebenfalls 1992 vom Justizministerium in Auftrag gegeben wurden.

Um das Besondere von Nouvels Neubau zu erfassen, muss man sich ihm zu Fuss nähern. Da die direkt auf ihn ausgerichtete Passerelle von Clotilde und Bernard Barto noch nicht existiert, ist man gezwungen, auf einer verkehrsreichen Brücke vom zentralen Quai de la Fosse auf die andere Flussseite hinüberzuwechseln. Dort versucht man sich dann - vorbei an einem moosbewachsenen Autosilo und modernden Fabrikhallen - zum Haus der Justiz durchzuschlagen. Plötzlich endet die Strasse vor der schwarzen, messerscharf umgrenzten Seitenwand des Gerichtsgebäudes. Ein Fensterband weit oben lässt das Auge nach Norden wandern, wo man schräg durch den schwarzen, fast 20 Meter hohen Portikus die Stadt erblickt und so gleichsam aus einer surrealen Welt zurück in die Realität findet. Eine von der Uferstrasse ansteigende dunkle Rampe hebt das Gebäude vom Profanen ab und schafft darunter Platz für ein banales Parking. Die schräge Ebene führt hinauf zum stramm ausgerichteten schwarzen Pfeilerwald der Vorhalle, der ein an Luzern gemahnendes, weit vorkragendes Dach trägt. In der schwarzen Kassettendecke klingt jener Quadratraster an, der diese rationalistische Stahl-und-Glas-Architektur bis ins Innerste durchdringt.

Die schlanken Pfeiler setzen sich hinter der verglasten Nordfassade im Inneren fort, wo sich die «Salle des pas perdus», eine 16 Meter hohe und über 110 Meter lange Wandelhalle, ausdehnt, die ähnlich wie die Foyers in Luzern vom Spiel der Oberflächen lebt, nur dass hier alles nachtschwarz blitzt und glänzt. Dunkle Metallgitter und gitterartig stuckierte Wandflächen spiegeln sich im blank polierten schwarzen Marmorboden, so dass man auf der abgründigen Fläche fast den Halt verliert. Das einzig Feste in diesem Raum, der die durchscheinende Vielschichtigkeit von Giuseppe Terragnis Casa del Fascio ins Unfassbare steigert, sind die drei enigmatischen Monolithe der Gerichtssäle. In ihrem Innern lösen sich Verunsicherung und Schrecken kurz auf in einer Symphonie in Rot. Bald aber wecken die nur durch ein Oberlicht zur Aussenwelt offenen Räume klaustrophobe Gefühle, und man wähnt sich in ihnen wie im Allerheiligsten eines ägyptischen Tempels.


Hybride Architektur

Der räumliche Luxus der riesigen Wandelhalle geht letztlich auf Kosten der Angestellten. Denn Nouvel marginalisiert die Büros, türmt sie im Rücken der Gerichtssäle dreigeschossig auf oder verlegt sie kurzerhand auf das Flachdach. Durch diesen Aufsatz erhält das Gebäude in der Seitenansicht etwas seltsam Unbestimmtes, das ebenso schlecht zur rigorosen Tempelfront wie zu der U-förmigen Gitterfassade an der Rückseite passt. Diese seltsam hybride, mehrfach codierte Architektur, die bald wie ein Sakralbau, wie eine Fabrik oder ein Gefängnis und dann wieder wie ein Ufo in einer ebenso stimmungsvollen wie abgetakelten Umgebung steht, soll nun zum Katalysator für einen neuen Stadtteil werden, der hier nach einem urbanistischen Entwurf von Alexandre Chemetoff demnächst realisiert werden dürfte.

Eins ist gewiss: Mit dem Palais de Justice hat Nantes einen Bau von seltsamer Gewalt und Kraft erhalten, der Angst einflösst und doch auch fasziniert. Stünde er in Deutschland, so würde man in ihm wohl Naziideologie erblicken. In Frankreich aber liessen sich selbst Kritiker mit dem Hinweis darauf beruhigen, dass dieser Gerichtspalast ja keiner Gewaltherrschaft, sondern dem französischen Recht diene. Trotz dieser Feststellung und obwohl der Bau jenseits des Flusses steht, trägt Nantes nicht leicht an ihm. Zumal bei winterlichem Regenwetter, wenn er sich schwarz zwischen das Grau der Loire und des tiefhängenden Himmels schiebt, ahnt man kaum noch seine Verwandtschaft mit dem noblen Luzerner Kulturpalast oder mit der transparenten Fondation Cartier in Paris: Das Haus genügt sich dann ganz als meisterhafte Provokation, mit der sich hierzulande wohl kaum jemand auf Dauer auseinandersetzen wollte.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2001.03.06



verknüpfte Bauwerke
Justizpalast

02. März 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Selbstinszenierungen am See

Ende des 19. Jahrhunderts war man im Tessin für neue Formen des Urbanismus offener als in anderen Landesteilen. Damals entstand in Locarno mit dem schachbrettartig um die zentrale Fontana Pedrazzini organisierten Quartiere Nuovo die formal wohl konsequenteste Stadterweiterung der Schweiz. Danach aber schwand das Interesse an zukunftsweisender Stadtplanung.

Ende des 19. Jahrhunderts war man im Tessin für neue Formen des Urbanismus offener als in anderen Landesteilen. Damals entstand in Locarno mit dem schachbrettartig um die zentrale Fontana Pedrazzini organisierten Quartiere Nuovo die formal wohl konsequenteste Stadterweiterung der Schweiz. Danach aber schwand das Interesse an zukunftsweisender Stadtplanung.

In den siebziger und achtziger Jahren sorgte die Tessiner Architektur zwar international für Aufsehen, doch beschleunigte sie - gefördert vom lateinischen Autokult - nur die Zersiedelung mit all ihren negativen Auswirkungen auf Umwelt und Zusammenleben. Zum bedenklichen Symbol des individuellen Bewegungsdrangs wurde jüngst der gigantomanische Verkehrskreisel vor Locarnos mittelalterlichem Castello: die «Megarotonda» von Aurelio Galfetti. Da erstaunt es nicht, dass die autofreie Piazza Grande, für die Luigi Snozzi bereits Ende 1990 ein höchst durchdachtes Projekt vorlegte, bis heute Vision geblieben ist. Nun versucht man andernorts nach Jahrzehnten des suburbanen Wildwuchses die Innenstädte wieder aufzuwerten und neu zu ordnen. Ein erstes Resultat kann Bellinzona mit der Piazza del Sole vorweisen. Livio Vacchini verwandelte sie in einen Präsentierteller für das Castelgrande, das zentrale Schaustück des zum Welterbe avancierten Befestigungswerkes der Altstadt. Auch wenn die Härte irritieren mag, so besticht der durch vier Betonkeile definierte Platz doch durch seine rationalistische Klarheit.

Gleiches gilt leider nicht für die Ergebnisse eines Wettbewerbs, mit dem sich Ascona im vergangenen Jahr Anregungen für die Piazza am See erhoffte. Denn die meisten Entwerfer - auch der siegreiche Wahl-New-Yorker Raimund Abraham - verstellten mit überflüssigen «Accessoires» wie schwimmenden Plattformen oder wellenförmig in den See ausgreifenden Piers das Panorama. Selbst der formal zurückhaltende Vorschlag des zweitplacierten Rolando Zuccolo vermochte nicht wirklich zu begeistern. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Vernunft siegt und man der Piazza ihren Charme lässt. Der Ausgang der Asconeser Ausschreibung liess kaum Gutes ahnen, als Lugano im Juni 2000 einen Wettbewerb auslobte zur Neugestaltung der an den «Salotto» der Stadt, die zentrale Piazza Riforma, angrenzenden Freiräume rund um den Palazzo Civico. Zu überdenken galt es die parkartige, in den vergangenen Jahren stark übernutzte Piazza Manzoni auf der Ostseite des Stadthauses, die westlich an dieses anschliessende Piazza Rezzonico sowie die Uferzone. Wie befürchtet, zeugt die Mehrzahl der 68 kürzlich jurierten Projekte vor allem von der Selbstverliebtheit der Planer und von deren Unfähigkeit, auf einen gewachsenen Ort zu reagieren. Die entwerferischen Fragwürdigkeiten reichen vom «Petersplatz» eines Mailänder Teams über die sinusförmigen Passerellen des Zürcher Büros Dürig und Rämi bis zu Mario Campis Wasserpromenade auf einem schwimmenden Autotunnel.

Glücklicherweise liess sich die Jury von solchen Machwerken nicht blenden und setzte die drei vernünftigsten Projekte auf die ersten Plätze. Die bestehenden Anlagen beidseits des Palazzo Civico interpretierte das drittrangierte Büro Giraudi & Wettstein am sorgfältigsten, obwohl man sich auch hier - wie bei fast allen Eingaben - fragen muss, ob auf der Piazza Rezzonico der alte Pinienbestand gefällt, der neobarocke Brunnen von Otto Maraini (dem Erbauer des heutigen Istituto Svizzero in Rom) verschoben und so dem einstigen Herzstück der Luganeser Uferpromenade der Geist des 19. Jahrhunderts ausgetrieben werden muss. Wenig gelungen ist bei diesem Projekt aber vor allem die etwas allzu selbstgefällig inszenierte Dachkonstruktion am See.

Da gibt sich das erstprämierte Projekt von Mauro Buletti und Paolo Fumagalli bescheidener - zumindest was die kleinen Kioskgebäude mit der transluzenten Gebäudehaut betrifft; monumental geraten ist hingegen das für Markt- und Konzertveranstaltungen gedachte, tischförmige Dach vor der Piazza Manzoni, das als Scharnier zwischen dem östlichen Lungolago und der rasterartig durchgestalteten, den Palazzo Civico dreiseitig umfassenden Platzanlage dient. Diese überzeugt zwar im Plan und im Modell. Doch scheinen die beiden Architekten, obwohl sie in Lugano ansässig sind, die Bedürfnisse der Benutzer nicht erkannt oder aber bewusst ihrem formalistischen Gestaltungswillen geopfert zu haben. So dünnen sie den alten Baumbestand aus und opfern den wegen seiner Kühle beliebten Springbrunnen einer am See völlig überflüssigen Wasserfläche.

Auch wenn keines der Luganeser Projekte ganz befriedigen kann, so würde sich eine kritische Überarbeitung des Entwurfs von Buletti und Fumagalli lohnen. Ohne eine Verkehrsberuhigung der Uferzone ist allerdings dieser neue Platz nicht machbar. Wenn in Locarno Parkplätze das Projekt Snozzi bis jetzt verhinderten, so ist die Gefahr gross, dass der rollende Verkehr die Luganeser Planungen bereits im Keim ersticken wird. Das wäre schade: Denn schon jetzt zeigt sich jeweils im Sommer, wenn der für die Autos gesperrte Quai zum abendlichen Corso wird, das soziale Potenzial einer Piazza am See. Diese könnte zudem anderen Städten zum Vorbild dienen: nicht zuletzt Zürich, das mit seinem Sechseläutenplatz ebenfalls den Schritt ans Wasser wagen sollte.


[Die Projekte für eine Piazza am See rund um den Palazzo Civico von Lugano sind am 4. März von 14.00 bis 18.30 Uhr im MAC 7 an der Via Campo Marzio in Lugano zu sehen.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.03.02

08. Dezember 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Weltspitze

Die moderne Architektur fand in Spanien erst relativ spät ein Echo. Doch seit den fünfziger Jahren wurden hier wegweisende Positionen diskutiert. Diese bereiteten jener kreativen Baukunst den Boden, die sich nach Francos Tod dank grossem Nachholbedarf fast explosionsartig entfalten konnte und längst Weltklasse erreicht hat

Die moderne Architektur fand in Spanien erst relativ spät ein Echo. Doch seit den fünfziger Jahren wurden hier wegweisende Positionen diskutiert. Diese bereiteten jener kreativen Baukunst den Boden, die sich nach Francos Tod dank grossem Nachholbedarf fast explosionsartig entfalten konnte und längst Weltklasse erreicht hat

Auch die internationale Architekturszene hat ihre Charts, deren Topposition seit Jahren bei den Stars der Rotterdamer Guru Rem Koolhaas, bei den Ländern aber eine Troika einnimmt: Holland, Spanien und die Schweiz. Nun bietet das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt zum Abschluss seiner verdienstvollen, wenn auch nicht immer völlig überzeugenden Länderreihe einen Blick auf die vielgerühmte spanische Architektur, die baukünstlerisch und urbanistisch auch deswegen als Vorbild gilt, weil sie das humane Mass respektiert. Die durch die Schrecken von Bürgerkrieg und Diktatur geschärfte menschliche Sicht kommt allerdings in der Frankfurter Schau nur am Rand zum Tragen, da diese sich in atemlosem Zelebrieren von architektonischen Spitzenleistungen aus den letzten 100 Jahren erschöpft. Gleichwohl wird so bestätigt, was jeder, der die neuere Entwicklung der spanischen Architektur mitverfolgt hat, längst weiss: dass nämlich das Niveau des zeitgenössischen Bauens - trotz zersiedelten Küstenregionen und viel spanischer Selbstkritik - überdurchschnittlich ist und dass in jüngster Zeit von der Hafenanlage über das Krankenhaus bis zum Auditorium in jeder Gattung ausser im Kirchenbau wegweisende Werke entstanden sind.


Formaler Pluralismus

Dabei war es gerade ein Sakralbau, der Spaniens berühmtestem Architekten, Antoni Gaudí, so sehr am Herzen lag. Seine Sagrada Familia sucht man allerdings vergeblich in der überlegt zusammengestellten Schau, kennt doch der katalanische Modernisme mit Gaudís Casa Batlló oder dem Palau de Música von Lluís Domènech Ikonen, die der 160 Werke umfassenden Frankfurter Blütenlese mehr entsprechen. Es liegt in der Natur einer solchen Gipfelschau, dass die Gewichtungen mitunter etwas irritieren. So mag man bedauern, dass hier Sevillas maurisch inspirierter Orientalismus, der noch immer kaum bekannt ist, auf Aníbal González' Plaza de España reduziert wurde. Besser erging es der klassisch-modernen Architektur, die in Spanien erst mit José Aizpurúas 1929 in San Sebastián erbautem Segelklub und der kurz danach gegründeten Gatepac-Gruppe in Erscheinung tritt. Sie ist mit Werken wie dem Parlamentsgebäude von Miguel Martín in Las Palmas, aber auch mit dem einst im ganzen Land beliebten Art déco (etwa Luis Gutiérrez' Kino Barceló in Madrid) gültig vertreten.

Kulminierte die Moderne 1937 in Josep Lluís Serts Pariser Weltausstellungspavillon der spanischen Republik, so favorisierte das Franco-Regime eine historisierende Staatsarchitektur, die 1951 im Luftfahrtministerium, einem Escorial-Zitat des längst «bekehrten» Gutiérrez, ihren erzkonservativen Ausdruck fand. Dabei hatte Francisco Asís Cabrero schon zwei Jahre zuvor mit der Zentrale der franquistischen Gewerkschaften in Madrid bewiesen, dass sich durch die Verschmelzung von Monumentalität und Rationalismus ein zeitlos modernes Vokabular kreieren liess, dem Rafael Moneo im «Bankinter»-Gebäude von 1976 noch seine Reverenz erwies. Die eigentlichen Meister der fünfziger Jahre aber waren der einem organischen Rationalismus verpflichtete, später für Miralles oder Torres & Lapeña wichtige Katalane José Antonio Coderch sowie Alejandro de la Sota, dem 1957 mit der Provinzialverwaltung in Tarragona das neben Moneos Römischem Museum in Mérida (1985) wohl folgenreichste Bauwerk des Jahrhunderts in Spanien gelang. Nach einer Krisenzeit entwickelte sich die Architektur seit 1975 zu einer zwischen minimalistisch-neomodernem und organisch-dekonstruktivistischem Idiom oszillierenden Vielfalt, aus der unter anderem das 1993 von Enric Miralles und Carme Pinós realisierte Internat von Morella, der Sitz der Landesregierung von Extremadura in Mérida von Juan Navarro Baldeweg (1995) und - als jüngstes Gebäude der Schau - Moneos Kongresspalast in San Sebastián herausragen.

Aus dem fast unerschöpflichen Reichtum neusten Schaffens hätte man strenger auswählen können, da das Dokumentieren ohnehin vom gut gemachten Katalog übernommen wird. Dies hätte es erlaubt, mehr Originalmaterial zu zeigen und darüber hinaus auch einige urbanistische Arbeiten zu würdigen, für die nun stellvertretend die legendäre Plaça de Sants von Viaplana & Piñón in Barcelona steht. Prestigebauten ausländischer Stars wären in der Schau ebenfalls entbehrlich gewesen, da selbst die Glanzlichter kaum Einfluss auf das spanische Architekturgeschehen hatten. So bezog sich in Bilbao das Nachwuchsteam Soriano & Palacios mit seinem Euskalduna-Musikpalast auf die alten Werftanlagen und nicht auf die Stahlmagnolie von Gehrys Guggenheim-Museum; und der Koolhaas-Schüler Eduardo Arroyo, der mit 36 Jahren jüngste Architekt der Schau, baute einen Kindergarten, in dem er sich mehr um die Bedürfnisse der Kleinen als um architektonische Extravaganz kümmerte. Dieses vielleicht interessanteste Werk der in Frankfurt nur schwach vertretenen Generation unter 40 erhebt sich ganz in der Nähe des vor kurzem eingeweihten Sondica-Flughafens von Santiago Calatrava. Hier zählt selbst Calatrava noch zu den Jungen und wird mit nur einem ausgestellten Werk, der Alamillo-Brücke in Sevilla, auch so behandelt.


Calatrava Superstar

Spielt man in Frankfurt den Erfolg des Wahlzürchers hinunter, so lassen sich die Italiener von seiner formalen Eloquenz nur allzu gern betören. In einer grossen Retrospektive im Palazzo Strozzi in Florenz wird Calatrava jedenfalls als «scultore, ingegnere, architetto» zum Universalgenie in der Nachfolge von Leonardo und Michelangelo emporstilisiert. Diese Apotheose gilt einem Künstler, der seine zoomorphe architecture parlante - Brücken, Bahnhöfe und Flughäfen ebenso wie Kirchen und Museen - mit steingewordener Musik vergleicht, der sich aber vor allem als Plastiker versteht. Im Innenhof des Palastes, gleichsam im Herzen der Ausstellung, die anders als das Frankfurter Unternehmen mit zahlreichen Modellen, Skizzen und Zeichnungen (etwa vom eben erst eröffneten Museo de las Ciencias in Valencia) aufwarten kann, stehen denn auch seine organischen und kinetischen Skulpturen. Diese bewirken allerdings einen unnötigen Verdoppelungseffekt, denn Calatravas ingenieurtechnische Höhenflüge in der Nachfolge von Gaudí, Maillart, Nervi und Candela sind ja selbst schon Skulptur genug.


[Die Frankfurter Ausstellung dauert bis zum 31. Dezember. Katalog: Architektur im 20. Jahrhundert. Spanien. Hrsg. Deutsches Architekturmuseum. Prestel-Verlag, München 2000. 368 S., Fr. 137.- (DM 68.- in der Ausstellung). - Die Ausstellung in Florenz dauert bis zum 7. Januar. Katalog 48 000 Lire.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.12.08

15. November 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Erfolgreicher Baukünstler

Triumphe für Santiago Calatrava

Triumphe für Santiago Calatrava

holl. Der in Zürich tätige, 48-jährige spanische Architekt Santiago Calatrava wird derzeit vom Erfolg verwöhnt. Während sein Projekt für den Platz vor dem Zürcher Opernhaus in breiten Bevölkerungskreisen auf Zustimmung stiess, feiert Florenz sein Schaffen bis zum 7. Januar mit einer grossen Retrospektive. Der in Architektenkreisen immer wieder neidvoll kritisierte Baukünstler und Ingenieur ist nun in Dallas mit dem Meadows Award for Excellence in the Arts und in Valencia mit der Goldmedaille für die schönen Künste ausgezeichnet worden. Noch im November werden ausserdem von Calatrava, der nächste Woche zum Ehrenmitglied der Real Academia de las Bellas Artes in Madrid ernannt werden soll, das Museo de las Ciencias in Valencia, der Flughafen Sondica in Bilbao und die Europabrücke in Orleans eröffnet.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2000.11.15

07. Oktober 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der Blick auf das Gebaute

Die Architektur hat ihren jüngsten Höhenflug nicht zuletzt der Photographie zu verdanken. Bei Fachmagazinen gefragt ist zurzeit jener frontale, unterkühlte und von allem Zufälligen befreite Blick auf das Gebaute, wie ihn architekturbegeisterte Fotokünstler zelebrieren. Diese kommen nun in einer Ausstellung in Barcelona zu Wort.

Die Architektur hat ihren jüngsten Höhenflug nicht zuletzt der Photographie zu verdanken. Bei Fachmagazinen gefragt ist zurzeit jener frontale, unterkühlte und von allem Zufälligen befreite Blick auf das Gebaute, wie ihn architekturbegeisterte Fotokünstler zelebrieren. Diese kommen nun in einer Ausstellung in Barcelona zu Wort.

Ein Lieblingsthema der noch jungen Photographie war die gebaute Welt: Dies nicht zuletzt aus dem pragmatischen Grund, weil sie statisch ist und vom Licht des Tages lebt. Als Propagandamedium wurde die Photographie aber erst von den Architekten der klassischen Moderne genutzt. Obwohl Frank Lloyd Wright bereits seine Präriehäuser professionnel aufnehmen liess, veröffentlichte er 1910 in der Wasmuth-Mappe noch purifizierte Präsentationszeichnungen. Walter Gropius stilisierte dann das Dessauer Bauhaus zum Kunstwerk, indem er die mit feinen Balkonen gegliederte Fassade des Studententraktes wie eine konstruktive Skulptur ablichten liess. Voll auf die Verführungskraft des Bildes setzte Le Corbusier: Hinter schwarzen Limousinen erschienen seine Wohnmaschinen - die Villa Stein in Garches genauso wie der Pavillon Suisse - noch leuchtender und kantiger, was letztlich den Mythos von der weissen Moderne mitbegründete.

Erstarrte Schönheit
Schon Photographen wie Julius Shulman, der in Ikonen wie dem in den Nachthimmel über Los Angeles ragenden Case Study House von Pierre Koenig den Californian Way of Life verherrlichte, wusste den Bauten von Eames bis Schindler eine magische Aura zu verleihen. Die Architekturphotographie aber setzte erst in den vergangenen Jahren zu jenem Höhenflug an, der ganz wesentlich zur Popularisierung der Baukunst beitrug. Architekturzeitschriften lieben heute Bilder, die die Neubauten - von allen Zufälligkeiten des Lebens befreit - in absoluter Schönheit zeigen. Zu dieser unterkühlten Sicht liessen sich die professionellen Architekturphotographen nicht zuletzt durch Künstler wie Andreas Gursky oder Thomas Ruff anregen. Diese kommen aus einer Tradition, die im Umkreis von Minimal und Conceptual Art wurzelt und etwa bei Jan Dibbets zu einer Auslotung der architektonischen Perspektive, bei Bernd und Hilla Becher aber zur fast anonymen, serienmässig angelegten Dokumentation banaler Häuser oder historischer Fabrik- und Förderanlagen führte.

Zu den Architekten, die schon früh das Potenzial einer künstlerischen Interpretation ihrer Bauten erkannten, zählen Herzog & de Meuron. Sie präsentierten 1991 auf der 5. Architekturbiennale in Venedig im Schweizer Pavillon vier Fotokünstler, die sich ihrem Schaffen ganz unterschiedlich annäherten - vom sachlichen Objektbezug Margherita Spiluttinis über Hannah Villigers körperbezogen-intimen Blick auf die Gebäudeoberfläche und Balthasar Burkhards Interesse am Knochengerüst der Bauten bis hin zu Ruffs in einer völlig unterkühlten Graupalette gehaltenem Porträt der Ricola-Lagerhalle in Laufen. Seither hat die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Gebauten weiter an Bedeutung gewonnen, wie Ausstellungen mit Arbeiten von meist deutschen Fotokünstlern in Brüssel, London, Bregenz oder Leipzig zeigten.

Ein Überblick
Waren diese Veranstaltungen inhaltlich zum Teil sehr weit gefasst, versucht nun eine Schau im Centre de Cultura Contemporània von Barcelona das Thema einzugrenzen. Die Ausstellungsmacherin Gloria Moure entschied sich nämlich für sieben Künstler, die - anders als etwa Gabriele Basilico oder Thomas Struth - nicht anonyme Bauten oder Stadtlandschaften interpretieren, sondern die künstlerische Auseinandersetzung mit architektonischen Meisterwerken suchen. Auch hier stehen die deutschen Stars im Mittelpunkt: So hält Günther Förg Zwiesprache mit Häusern von Alejandro de la Sota, dem 1996 verstorbenen Meister der spanischen Moderne. Die riesigen, leicht unscharfen und von schweren Rahmen gefassten Schwarzweissbilder stehen, an die Wand angelehnt, auf Holzkeilen. Dadurch werden sie zu Objekten, bei denen das architektonische Sujet letztlich unwichtig wird. Gursky hingegen übersteigert den Bildgegenstand: Zusammen mit dem bekannten Nachtbild von Norman Fosters Hong Kong & Shanghai Bank und der hyperrealistisch verfremdeten Hotellobby von John Portman zeigt er ein erschlagendes Panorama von Gunnar Asplunds Stockholmer Nationalbibliothek. Hier gewinnt die Architektur als patternartiges Ornament ein Eigenleben, und gleichwohl bleibt der berühmte Innenraum stets erkennbar.

Ruff präsentiert ausschliesslich zwischen 1992 und 1994 aufgenommene Bauten von Herzog & de Meuron, darunter vier Ikonen, die ebenso wie die abgelichteten Bauten selbst Architekturgeschichte schrieben und so die professionelle Photographie der letzten Jahre besonders prägten: die Ricola-Lagerhalle, die Sammlung Goetz in München, das Stellwerk auf dem Wolf in Basel und - als Höhepunkt - die rotviolette, zwischen Hopper und «Blade Runner» oszillierende Nachterscheinung der Ricola Mulhouse. Daneben haben Candida Höfers stille, im Fall von Zumthors Kunsthaus Bregenz geradezu sakral überhöhte Mittelformate einen schweren Stand. Doch zeichnen sich diese Fotos gerade dadurch aus, dass sie auf Oberflächenkult verzichten und dem Wesen der Architektur als Funktion von Raum und Licht nachspüren.

All diese Bilder wirken wie gefroren, wenn man zurückdenkt an den Auftakt der Schau: den Mexiko-Stadt gewidmeten Film «Ciudad» von Balthasar Burkhard und Carlos Hagerman. Unter den hypnotisierenden Klängen von Silvestre Revueltas «La noche de los Mayas» erwacht hier ein Stadtkörper zum Leben. Diese körperhafte Interpretation des Gebauten verdichtet sich dann in Burkhards von der Architekturbiennale in Venedig her bekannter Installation der Ricola-Lagerhalle. Ein weiterer Bau von Herzog & de Meuron, diesmal das Stellwerk, schimmert einem aus den an Gerhard Richters frühe Gemälde erinnernden Fotos von Hiroshi Sugimoto entgegen. Eher als bei Förgs Bildobjekten kann man hier die Unschärfe als Kritik an der Perfektion heutiger Architekturphotographie lesen. Auch Bauten von Gaudí, Gropius, Le Corbusier und Wright werden bei Sugimoto zu gespensterhaften Schattenwesen. Diese bilden gleichsam den Gegenpol zum Schlussbild der Schau: Jeff Walls gigantischem Leuchtkasten, aus dem Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon im goldenen Abendlicht abgründig irreal und unglaublich wirklichkeitsnah zugleich erstrahlt.

Die Schau deckt mit vielen Highlights ein breites Spektrum der künstlerischen Architekturphotographie ab, und dennoch gibt es Lücken. So hätten Fischli und Weiss nicht fehlen dürfen. In der unlängst in Mailand gezeigten Ausstellung «Milano senza confini» überstrahlte ihr gelassener und ungekünstelter Blick vom Dom auf die Torre Velasca die anderen Beiträge bei weitem. Als Antwort auf Jeff Wall hätte man sich die Serie über den Barcelona-Pavillon gewünscht, die nun in ihrer Retrospektive im Basler Museum für Gegenwartskunst zu sehen ist. Eine Bereicherung wäre zweifellos auch die Grenzgängerin Hélène Binet gewesen, die mit ihren Aufnahmen Zumthors Bauten nobilitiert, die sperrigen Gebäude von Caruso St John in ein leicht melancholisches, neorealistisches Licht rückt und so ganz ohne künstlerische Prätention Sachlichkeit und Poesie zu vereinen weiss.


[Bis 10. Dezember im Centre de Cultura Contemporània. Katalog: La arquitectura sin sombra. Hrsg. Gloria Moure. Ediciones Polígrapha, Barcelona 2000. 159 S., 4800 Pta. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2000.10.07



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All began just by chance. Julius Shulman.

05. August 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Einseitige Blütenlese

Im Rahmen des 1994 initiierten und nun zum dritten Mal durchgeführten Hamburger Architektursommers ist in den Deichtorhallen eine Wanderausstellung zu sehen, die unter dem etwas prätentiösen Titel «Museen für ein neues Jahrtausend» 25 überwiegend bekannte Bauten und Projekte in einer ebenso eleganten wie aufwendigen Präsentation zur Diskussion stellt.

Im Rahmen des 1994 initiierten und nun zum dritten Mal durchgeführten Hamburger Architektursommers ist in den Deichtorhallen eine Wanderausstellung zu sehen, die unter dem etwas prätentiösen Titel «Museen für ein neues Jahrtausend» 25 überwiegend bekannte Bauten und Projekte in einer ebenso eleganten wie aufwendigen Präsentation zur Diskussion stellt.

Die Museumsarchitektur erlebte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schon mehr als eine Blüte. Nach dem Krieg wurden vor allem in Italien (Gardella, Scarpa) und in den USA (Wright, Kahn, Johnson), aber auch in Frankreich (mit dem jüngst sorgfältig restaurierten Musée des Beaux-Arts in Le Havre) wichtige Positionen formuliert. Ein weiterer Höhenflug folgte zur Zeit der Postmoderne-Euphorie um 1980, der die Popularität der Baugattung Museum bei Architekten und beim Publikum festigte. Stimmten bei Wrights Guggenheim Museum, bei Kahns Kimbell Art Museum in Fort Worth, beim Centre Pompidou von Rogers und Piano oder bei Stirlings neuer Stuttgarter Staatsgalerie noch die Bedeutung von Gebäude und Sammlung überein, so war dies bereits bei Richard Meiers High Museum of Art in Atlanta nicht mehr der Fall. Hier wurde 1983 ein strahlend weisser Bau zum Aushängeschild einer boomenden Stadt, die sich gerne mit Kultur brüsten wollte. Seither setzt man vielerorts auf die Publikumswirksamkeit dieser «neuen Kathedralen», zumal das einfache Rezept von Stararchitekt und spektakulärer Form den schnellen Erfolg zu garantieren scheint. Dabei versuchen die Musentempel oft eher die Betrachter zu bezirzen, als der Kunst zu dienen.

Jetzt ist in Hamburg anlässlich des 1994 initiierten und nun zum dritten Mal durchgeführten Architektursommers eine Wanderausstellung zu sehen, die sich unter dem vollmundigen Titel «Museen für ein neues Jahrtausend» der Museumsarchitektur der vergangenen Jahre widmet. Zusammengestellt wurde die Schau von Vittorio Magnago Lampugnani und Angeli Sachs im Auftrag des privaten Art Centre Basel, das seit 1984 als international tätiger Organisator von Wanderausstellungen auftritt. Was nun in den Deichtorhallen gezeigt wird, überzeugt zwar durch die Fülle von Originalmaterialien, vermag aber von der Wahl der Bauten und Projekte her die beim Betrachter aufgebaute Erwartungshaltung nur bedingt zu befriedigen, denn den erhofften neuen und wegweisenden Ideen im Museumsbau wird er höchstens im Ansatz begegnen.

Die überwiegende Zahl der Exponate ist - zumindest in Fachkreisen - längst bekannt, wurde doch von Lampugnani nur gekürt, was gross ist oder von einem bekannten Büro stammt. Interessante Arbeiten jüngerer Architekten wie das Kirchner-Museum in Davos von Gigon & Guyer, Alfredo Payás Museo Universitario auf dem Campus von Alicante, das Valkhof-Museum von Ben van Berkel in Nijmegen, die Erweiterung des Musée des Beaux-Arts von Ibos & Vitart in Lille oder die jüngst eröffnete New Art Gallery in Walsall von Caruso St John werden hingegen nicht einmal am Rande erwähnt. Obwohl fast ausschliesslich Kunstmuseen zur Sprache kommen, wird einmal mehr das fulminante Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin und nicht dessen weniger bekanntes, aber in diesem Kontext aufschlussreicheres Nussbaum-Museum in Osnabrück gezeigt. Von Rem Koolhaas kommt der zweifellos visionäre, aber noch in den achtziger Jahren entstandene und nie realisierte Entwurf für das Medienzentrum Karlsruhe statt der 1994 eingeweihten Kunsthal in Rotterdam zum Zug. Und auf Steven Holls Kiasma in Helsinki, einen Lichtblick in der neusten Museumslandschaft, wurde zugunsten seines Projekts für das Bellevue Art Museum in Bellevue, Washington, verzichtet.

Wirklich problematisch wird es dort, wo die Ausstellung ihr Spitzenniveau preisgibt und sich mit Durchschnittsbauten wie Oswald Mathias Ungers' Erweiterung der Kunsthalle Hamburg oder Josef Paul Kleihues' Museum of Contemporary Art in Chicago befasst, gleichzeitig jedoch das neue Kunstmuseum in Niteroi von Altmeister Oscar Niemeyer völlig ignoriert. Dafür kommt Vittorio Gregottis pharaonisches Kulturzentrum Belém zu Ehren, welches das benachbarte Hieronymus-Kloster schrill übertönt. Hätte man unbedingt einen Bau aus Portugal in die Schau integrieren wollen, so hätte sich die intime Casa das Artes von Souto de Moura in Porto angeboten. Offensichtlich kam hier Lampugnani die Liebe zu Italien ebenso in die Quere wie bei der Wahl von Giorgio Grassis überholtem Entwurf für die Berliner Museumsinsel, der - für das gestellte Thema wenig erhellend - David Chipperfields Ausführungsprojekt gegenübergestellt wird.

Gewiss, bei einer nur 25 Bauten umfassenden Blütenlese lässt sich leicht Kritik anbringen. Gleichwohl darf man sagen, dass Lampugnani sich die Sache zu leicht gemacht hat, selbst wenn die üppig inszenierte Schau mehrere Highlights berücksichtigt: etwa Fosters Carré d'Art in Nîmes, Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao, die Tate Modern von Herzog & de Meuron, Moneos Moderna Museet in Stockholm, Sizas Zentrum für zeitgenössische Kunst in Santiago de Compostela oder Zumthors Kunsthaus in Bregenz. Am spannendsten wird die Ausstellung dort, wo sie noch nicht realisierte Arbeiten zur Diskussion stellt: neben Holls Entwurf für Bellevue die Projekte von Tadao Ando für das Modern Art Museum in Fort Worth, von Zaha Hadid für das Contemporary Arts Center in Cincinnati, von Juan Navarro Baldeweg für das Museum der Höhlen von Altamira und von Santiago Calatrava für das Milwaukee Art Museum.

Ähnlich wie die Schau überzeugt auch das zugehörige Katalogbuch vor allem durch das Bild- und Planmaterial zu den einzelnen Objekten sowie durch einige Begleittexte. Der Einführungsessay von Lampugnani ist hingegen etwas gar summarisch ausgefallen. Dabei hätten hier nicht nur einige der stillschweigend übergangenen Museumsbauten kurz betrachtet, sondern auch die ebenso wichtige wie komplexe Debatte zwischen Künstlern, Kuratoren, Architekten und Kritikern, wie sie jüngst wieder um Jean Nouvels Luzerner Etagenmuseum im KKL entbrannt ist, gestreift werden können.


[ Bis 10. September. Anschliessend in Bregenz und Stuttgart. Katalog: Museen für ein neues Jahrtausend. Hrsg. Vittorio Magnago Lampugnani und Angeli Sachs. Prestel-Verlag, München 1999. 224 S., Fr. 91.- (in der Ausstellung DM 38.-). ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2000.08.05

04. August 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Gebäude mit Rhythmus

Understatement ist in Hamburg oberstes Gebot - auch in der Architektur. Ausser entlang der Elbe, wo Otto Steidle 1991 für Gruner + Jahr ein Verlagshaus...

Understatement ist in Hamburg oberstes Gebot - auch in der Architektur. Ausser entlang der Elbe, wo Otto Steidle 1991 für Gruner + Jahr ein Verlagshaus...

Understatement ist in Hamburg oberstes Gebot - auch in der Architektur. Ausser entlang der Elbe, wo Otto Steidle 1991 für Gruner + Jahr ein Verlagshaus in Form einer nautischen Hightech- Maschine und kurz darauf William Alsop einen nicht minder technoiden Fährterminal realisierten, gibt sich die Hansestadt diskret: Das gilt auch für die neuen Kontorhäuser an den Kanälen, auf deren Klinkerkuben höchstens mal ein gläserner Dachaufbau tanzt. Doch seit die norddeutsche Metropole im Dreijahresrhythmus ihren Architektursommer feiert, scheint sich allmählich eine baukünstlerische Öffnung anzubahnen. So konnte jüngst im nördlich der Innenstadt gelegenen Nobelviertel Rotherbaum ein Glashaus von Norman Foster eröffnet werden. Es ist aber nicht dieser Bau, der wie ein Silberstreifen am Horizont leuchtet, sondern die nur wenige hundert Meter davon entfernte, im Juni eingeweihte Jugendmusikschule von Enric Miralles und Benedetta Tagliabue. Sie stellt nach dem frühen Tod des 1955 in Barcelona geborenen Meisterarchitekten dessen baukünstlerisches Vermächtnis dar.

Nähert man sich vom starkbefahrenen Mittelweg der Schule, so nimmt man zunächst nur eine Umfassungsmauer wahr, hinter der sich ein kleiner Patio öffnet. Dort sieht man sich dann ganz unvermittelt einem Architekturschauspiel gegenüber, das sich zu einem dekonstruktivistischen Feuerwerk aus einstürzenden Wänden und verkanteten Kuben steigert. Die bald expressionistisch, bald kubistisch anmutende Eingangsfassade aus Glas und bunt bemaltem Stahl erinnert an Miralles Sportpaläste von Valencia und Huesca, die wie geborstene Brücken bedrohlich in den Himmel weisen. Vor der nach Südwesten exponierten Aussenhaut aus Zinkblech und rosa Verputz denkt man hingegen an Bauten von Gehry, mehr aber noch an Raumstrukturen von Tschumi oder Eisenman. Hier wird deutlich, dass Miralles die beiden Formzertrümmerer seit seiner Zeit als Professor in Harvard und an der Columbia University kannte und ihnen viel verdankte. Allerdings verschmolz Miralles die Einflüsse, zu denen sich in Hamburg noch die Backsteintradition gesellte, zu etwas eigenständig Neuem. - Wie Miralles und sein Team auf den parkartigen Ort reagierten und daraus allmählich die eigenwillige Form des Schulhauses extrahierten, konnte man im Juli in einer kleinen, informativen Schau in der Galerie Renate Kammer am Hamburger Münzplatz sehen. Dem traditionsbewussten Katalanen blieb offensichtlich nicht verborgen, dass in einer Stadt wie Hamburg, die einst mit Fritz Schumacher (1869-1947) einen auch auf dem Gebiet des Schulhausbaus bedeutenden Architekten besass, Bauten für den Unterricht immer auch am Bestehenden gemessen werden müssen. So wirken denn die Klassen-, Übungs- und Versammlungsräume bezüglich Grösse, Belichtung und Zugang ganz vertraut - ausser dass sie im Grundriss ab und zu gegen das ungeschriebene Gesetz des rechten Winkels verstossen.

Der Unterschied zu herkömmlichen Schulbauten liegt in der Erschliessung. Diese erfolgt nicht wie bei Schumacher über integrierte Seitengänge, sondern durch eine Architekturlandschaft, die - wie an Mikadostäben aufgeständert - am eigentlichen Schulhaus klebt. Die als Laufstege inszenierten Zugangsplattformen der einzelnen Geschosse sowie die dazwischen vermittelnden Treppen und Rampen sind hinter die zum Patio hin so dramatisch in Erscheinung tretende Membran aus Glas und bunt bemaltem Stahl gesetzt. Was von aussen willkürlich wirkte und mitunter an die aufgerissenen Wände eines Bürohauses erinnerte, macht von innen gesehen plötzlich Sinn. Selten hat man sich in einem Schulhaus so leicht und unbeschwert gefühlt; selten auch konnte das Auge so frei wandern: hier ein Blick auf vorüberziehende Wolken, dort auf ein Stück mit Farn bewachsenen Waldboden und schliesslich auf eine historistische Kirche in warmem Backsteinrot. Allgegenwärtig bleiben dabei als zentrale Themen Rhythmus und Klang: Was Miralles hier geschaffen hat, tönt wie gebaute Musik. Dass dabei nicht alles bis ins Detail völlig überzeugt, dass man bisweilen glaubt, der Architekt zitiere sich selbst, spielt keine Rolle: Denn die Jugendmusikschule ist auch so ein Juwel. Gespannt wartet man daher auf sein Parlamentsgebäude in Edinburg, das nun ohne die leitende Hand des Meisters vollendet werden muss.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.08.04



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Jugendmusikschule

04. August 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Vertikale Stadt

Kontorhaus, Backsteinfassade und zurückhaltende Details sind Koordinaten, entlang denen in Hamburg lange Zeit gebaut wurde. Inzwischen aber holt das Büro Bothe, Richter, Teherani (BRT) mit jedem neuen Gebäude ein Stück zeitgenössischer Architekturgeschichte nach: Mit seinem neusten, «Doppel-X» genannten Bürohaus blickt es nun in die Zukunft.

Kontorhaus, Backsteinfassade und zurückhaltende Details sind Koordinaten, entlang denen in Hamburg lange Zeit gebaut wurde. Inzwischen aber holt das Büro Bothe, Richter, Teherani (BRT) mit jedem neuen Gebäude ein Stück zeitgenössischer Architekturgeschichte nach: Mit seinem neusten, «Doppel-X» genannten Bürohaus blickt es nun in die Zukunft.

Vor Jahren, als Hadi Teherani aus Köln nach Hamburg gekommen war, um seinen ersten grossen Auftrag, einen Glaspavillon für das Luxusautohaus Car & Drive, zu realisieren, hatte er noch verstört auf die Hamburger Architekturszene reagiert. Festgefahren im Schematismus des Altbewährten, gleichsam eingeklemmt zwischen angstbenommenem Risikodenken und unbedingter Investorenhörigkeit, schien sie sich im Niemandsland experimentierfeindlicher Inspirationslosigkeit zu verlieren. Massige Kuben aus rotem Backstein waren die Folge. Ein Flugdach hier, ein verglastes Fassadenelement dort: Das war meist alles, woran sich das Auge festsehen konnte. Ein viel versprechendes Umfeld für einen jungen Architekten, der für sich selbst und das Bauen neue Wege suchte, war das nicht.

Zusammen mit seinen Partnern Jens Bothe und Kai Richter darf sich Teherani inzwischen längst zum Establishment der Hamburger Architekturszene zählen. Kaum ein Wettbewerb in der Hansestadt, in dem das Büro BRT nicht seine Formphantasien den Projekten seiner Konkurrenten entgegenhält. Immer mehr Baustellen werden es, an denen Teheranis Ideen in Beton und Glas Gestalt annehmen und der Stadt etwas von seiner Vision erzählen. Jüngstes Beispiel ist sein «Doppel-X»-Bürohaus in Hamburgs Gewerbewüste Billbrook. Vor dem Krieg lebten hier achtzigtausend Menschen. Nach den verheerenden Verwüstungen der Brandbombennächte blieb nur das rechteckige Strassenraster zurück, das nach und nach mit schlichten Lagerhallen, schäbigen Verwaltungskästen und grauer Hinterhoftristesse aufgefüllt wurde. Ein Hauch von der herben Verlassenheit der New Yorker Lagerhaus-Quartiere flieht über die leeren Knüppelpflasterstrassen. Vielleicht deshalb, weil hier der sonst in Europa überall gegenwärtige städtische Dirigismus beinahe fehlt: Keine ehrgeizigen Mindestanteile Wohnraum werden hier vorgeschrieben. Teherani, dem die Stadt dann doch noch eine Ecke seines Hauses zugunsten eines gebührlich breiten Bürgersteigs abschnitt, ist klar warum: Wer in diesem Umfeld leben will, der muss schon «speziell drauf sein». Denn an normales Wohnen ist in dieser Stadtlandschaft, in der ein simpler Kiosk schon zu viel verlangt ist, nicht zu denken.

Teheranis Antwort auf den urbanen Untergang draussen vor der Tür ist die Stadt im Haus drinnen. Über jeweils zwei Büroetagen stapelt er Gärten - und das über 12 Stockwerke. Dazu kommen Tiefgarage, Cafeteria und Lobby. Drumherum hat er eine transparente Haut aus Glas gezogen. Wer nicht unbedingt muss, verlässt diese Stadt im Haus nicht vor dem Feierabend. Die Perspektiven kehren sich um. Der Städter schaut verdutzt in das Haus hinein und sieht, was er draussen nicht mehr finden kann: ein urbanes Gefüge, mit Plätzen der Kommunikation und grünen Flecken des Ausruhens, Sichtachsen und wechselnden Perspektiven, eine offene Vernetzung zu einem funktionierenden Ganzen. Andersherum erscheint die Stadt draussen als eine Illusion, als filmartig vorüberziehende Szenerie.

Beim neuen Bürohaus am Heidenkampsweg bestimmt die Grundform des Doppel-X alles. Namengebend für den Bau, durchzieht dieses Motiv ihn bis ins letzte Detail, von den kariert ausgelegten Bodenplatten bis hin zur x-förmigen Deckenbeleuchtung in den Aufzügen. Wie ein futuristisches Pop-Zitat wirkt das - wie aus einem Science-Fiction-Film der siebziger Jahre, in dem ein Raumschiff namens «Doppel-X» in fremde Galaxien vorstösst. Neben solchen Weltraumphantasien ist die Formwahl erst einmal Garant für ein Maximum von 20 000 Quadratmetern Nutzfläche über der 30 mal 70 Meter messenden Rechteckform, der die zwei X eingeschrieben sind. So entstehen ein zentraler quadratischer Innenhof und sechs dreistöckige Höfe, verteilt an den Seiten. Diese Anordnung ist die eigentliche Überraschung dieses gedrungenen Hochhauses. Diese Form ist mehr als ein blosser Marketingschachzug. Sie bietet in Kombination mit den die Büroflächen durchbrechenden Gärten eine optimale Ventilierung des gesamten Gebäudes. Auf der verschatteten Hausseite tritt kühle Frischluft ein und senkt im Austausch mit der warmen Luft die Temperatur. Transparenz und Durchlässigkeit der Gebäudestruktur helfen künstliche Beleuchtung und Klimatisierung zu sparen. Mit diesem Haus zieht Teherani die Quersumme aus amerikanischem Strip-Philosophem und europäischem Anspruch an das intelligente Haus, aus Robert Venturi und Norman Foster.

Auf den einfachen Nenner eines jederzeit wiedererkennbaren Stils lässt sich Teheranis Arbeit keinesfalls bringen. Statt dessen regiert ein ungebrochen munterer Stilpluralismus die Entwurfsarbeit des Büros. Sie beginnt jedes Mal wieder mit Ort und Wesen der Bauaufgabe und lässt sich in jeder Entwicklungsstufe auf den Genius Loci zurückführen. Der hat Teherani in Köln zu einer Wiederauflage von El Lissitzkys Wolkenbügeln inspiriert - deren Bau entlang des Rheins wurde nach neunjähriger Vorlaufzeit jetzt einstimmig von allen Parteien der Stadt beschlossen. Für Frankfurt wurde ein ICE-Bahnhof im Stile des organischen Pop-Techs von Future Systems und für Berlin eine etagenübergreifende Raummodellierung à la MVRDV entworfen. Bei all diesen Gebäuden treiben ihn das Experiment mit den unterschiedlichsten Lösungsansätzen und der Wille, die Alltagstauglichkeit der besten von ihnen unter Beweis zu stellen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.08.04



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Bürohaus am Heidenkampsweg

20. Juni 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Sehnsucht nach Utopia

Grösser denn je zuvor präsentiert sich die Architekturbiennale von Venedig. Unter dem hybriden Titel «Città: Less Aesthetics, More Ethics» werden vom diesjährigen Biennaledirektor, Massimiliano Fuksas, im italienischen Pavillon, in den Corderie und im Arsenal rund 90 Architekturbüros vorgestellt. Ausserdem zeigen 34 Nationen in den Giardini und in der Stadt eigene Beiträge.

Grösser denn je zuvor präsentiert sich die Architekturbiennale von Venedig. Unter dem hybriden Titel «Città: Less Aesthetics, More Ethics» werden vom diesjährigen Biennaledirektor, Massimiliano Fuksas, im italienischen Pavillon, in den Corderie und im Arsenal rund 90 Architekturbüros vorgestellt. Ausserdem zeigen 34 Nationen in den Giardini und in der Stadt eigene Beiträge.

Seit Jahren schon sind die Kunst- und Architekturbiennalen von Venedig umstritten. Da ist es gar nicht so absurd, wenn die Schweiz den Zaungästen, die sich das Eintrittsgeld sparen möchten, gleich neben dem Haupteingang zu den Giardini die Möglichkeit bietet, über ein Gerüst in ihren Pavillon zu steigen und so auf informelle Art etwas Biennaleluft zu schnuppern. Dank dieser Kletterei kann man Bruno Giacomettis Ausstellungsbau, einen der schönsten auf dem Biennalegelände, aus intimer Perspektive kennen lernen. Unten im Ausstellungssaal, wo in besseren Jahren Herzog & de Meuron und Luigi Snozzi geehrt wurden, umfängt einem dann aber Leere. Vorbei an rassistischen Graffities, die wohl auf die multikulturelle «Stadt Schweiz» verweisen sollen, gelangt man an das verschlossene Eingangsgitter. Dort sieht man sich ganz plötzlich vom bunten Treiben auf dem Ausstellungsgelände ausgeschlossen. Statt sich zu ärgern, sollte man die Gelegenheit nutzen, hier in aller Ruhe kurz über die Mostra nachzudenken: Fordert doch der diesjährige Biennaledirektor, Massimiliano Fuksas aus Rom, der als Altachtundsechziger gegenwärtig in Wien zwei kommerzielle Wolkenkratzer realisiert, mit dem hybriden Motto «Città: Less Aesthetics, More Ethics» eine neue Haltung der Architekten gegenüber der Stadt und ein damit verbundenes Engagement «per il bene della collettività».


Ethik statt Ästhetik

Erstaunlicherweise steht jedoch der traditionsgemäss dem Biennalethema gewidmete italienische Pavillon weniger im Zeichen der Ethik als vielmehr einer zukunftsgläubigen Ästhetik. Zwar vermögen die zehn Videostelen, auf denen von Fuksas gekürte Vordenker ihre Wortmeldungen abgeben, einen Eindruck von der babylonischen Sprachverwirrung in der heutigen Architektur zu vermitteln. Doch schon im nächsten Raum schwebt das Riesenmodell einer Raumstation über glitzerndem Boden und kündet mit Sphärenklängen von einer besseren Welt. Dann geht es hinunter zu den Computerterminals und Screens, auf denen man die Beiträge für den im Vorfeld der Biennale ausgeschriebenen Online-Architekturwettbewerb einsehen kann. Spätestens hier wird klar, dass diese Schau vor allem den Flirt mit der Hochtechnologie sucht: Allenthalben blitzen Bilder aus dem Dunkel auf, glotzen Roboter starr vor sich hin, ertönen Stimmen und dumpf dröhnende Rhythmen: Die klanglich auf die Betrachter reagierende Installation von Kas Oosterhuis wird zum Conversation Piece der Techno-Generation, und bei Ben van Berkels Manhattan-Projekt herrscht endgültig Partystimmung. Bezirzt von bald nachtschwarzen, bald gleissend hellen Raumsequenzen, in denen mit Greg Lynns «Embryonical House» oder Zaha Hadids Architekturkunstwerken auch inhaltliche und inszenatorische Highlights geboten werden, übersieht man leicht, wie sehr sich hier im Grunde alles um schöne Formen dreht. Mit dem Zugeständnis an seine dekonstruktivistisch, neo-organisch oder expressiv ausgerichteten Favoriten, die ihnen zugeteilten Räume nach eigenem Gusto zu bespielen, hat Fuksas die Möglichkeit vergeben, die von ihm so oft beschworenen Utopien von heute zu veranschaulichen. Es fehlen vor allem konkrete Themen, zu denen die 90 geladenen Architekten (darunter mit Ausnahme des Wahl-New-Yorkers Bernard Tschumi kein einziger Schweizer) Lösungen hätten finden können. Dabei stünden im Zeichen von Ethik und Ästhetik so brisante Aspekte wie die explodierenden Drittweltstädte, die Nord- Süd-Migration, die Investoren- und Spekulantenarchitektur oder die Vorzüge mittelgrosser Städte im Zeitalter der Vernetzung zur Diskussion. Allerdings hätte man dazu neben Architekten auch Urbanisten, Landschaftsgestalter und Soziologen einladen müssen.

Kein Wunder also, dass die Schau im italienischen Pavillon zu einem Sammelsurium selbstverliebter Inszenierungen und pseudokünstlerischer Attitüden ausuferte. Diese finden ihre Fortsetzung in den Corderie und im Arsenal, wo man mit enormem Materialaufwand den Mangel an konzeptionellen Inhalten zu überspielen suchte, dabei aber jeden Zusammenhang verlor. Dies trotz einer 280 Meter langen Leinwand, auf der - von schrillen Geräuschen untermalt - aus den Fugen geratene Megastädte sich als Orte menschlichen Elends zur erkennen geben. Die beklemmende Bilderflut findet eine Fortsetzung in Gary Changs grün erhellten Schlafkäfigen oder in den Ruinenwelten von Sohn-Joo Minn. Ihnen antworten die jungen Spanier von E-City und Metápolis mit einer dem Rationalismus verpflichteten urbanistischen Ethik, während japanische Stars von Hasegawa über Ito und Sejima bis Yamamoto ihre Entwürfe als magisch erhellte Idealwelten anpreisen. Mit seinem Kartonhaus für die Erdbebenopfer von Kobe holt Shigeru Ban diese Träumer zurück auf den Boden der Realität.


Hang zum Sublimen

Als Verfechter eines nachhaltigen Urbanismus postuliert Richard Rogers einmal mehr die «Stadt für einen kleinen Planeten», die «schön, kompakt, gerecht, kreativ, ökologisch und vielfältig» sein soll, und illustriert sie mit seinem Projekt für das walisische Parlament in Cardiff. Den Meinungen von zwei weiteren Moralisten - Siza und Snozzi - begegnet man hingegen nirgends. Aber auch Rem Koolhaas, der an der letzten Documenta Asiens Riesenstädte bewunderte, wurde übergangen. Dafür spiegelt sich sein Hang zum Sublimen in Beiträgen von MVRDV, von Michael Chan aus Hongkong oder von Fernando Romero aus Mexiko. Auch an Stimmen aus Afrika und Indien war Fuksas offensichtlich nicht interessiert; und Südostasien, das im Malaysier Ken Yeang eine respektierte Stimme besitzt, kommt nur mit dem Postmodernisten William Lim aus Singapur und dem jungen Indonesier Eko Prawoto zu Wort. Stattdessen darf man mitverfolgen, wie der futuristische Formalismus der beiden Amerikaner Greg Lynn und Hani Rashid, der Stars dieser Biennale, in den organischen Architekturplastiken des Pariser Naço-Teams, der Londoner dECOi-Architekten oder des Holländers Lars Spuybroek weiterwuchert.

Auch die beim Publikum noch immer höchst populären Länderschauen werden von Lynn und Rashid dominiert, die mit ihrem Forschungslabor im amerikanischen Pavillon eindrücklich die Rückkehr der USA auf die Bühne der Architektur markieren. Sehenswert ist aber auch der Beitrag Rumäniens zur Neugestaltung von Bukarest, sind die Beiträge Deutschlands und Koreas zur Verwandlung von Berlin und Seoul oder derjenige Hollands, der den vernetzten Haushalt feiert. Übersichtsausstellungen bieten Belgien, England, Griechenland, Österreich und Spanien. Die Tschechen und Franzosen machen mit Worten auf die Probleme der Globalisierung und des Städtebaus aufmerksam, die Japaner fliehen unter der Ägide von Kazuyo Sejima in eine blütenweisse Mädchenwelt, und die Russen zelebrieren mit Zeichnungen und Fotos à la Piranesi den Respekt vor ihrem gefährdeten baukünstlerischen Patrimonium. Hier spätestens wird man wachgerüttelt aus der Theme-Park-Trance, in die einen diese Biennale mit Techno-Sound und Arbeiten wie dem im Hafenbecken des Arsenals schwimmenden Zen-Garten von Hans Hollein einlullt. Dass schliesslich die Jury den Goldenen Löwen ausgerechnet dem Global Player und Schönbauer Jean Nouvel verliehen hat, zeigt, wie wenig sie an Fuksas' Ethik-Appell glaubt. - Als Inspirationsquelle für Laien und Ideenbörse für angehende Architekten vermag sich diese Mostra aber durchaus zu behaupten.


[ Die 7. Mostra Internazionale di Architettura der Biennale von Venedig dauert bis zum 29. Oktober. Katalog 120 000 Lire. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2000.06.20

17. Juni 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ethik statt Ästhetik?

Seit einigen Jahren sonnt sich die Architektur in neuer Popularität. Wortschöpfungen wie Star- oder Kultarchitekt zeugen ebenso von diesem Höhenflug wie...

Seit einigen Jahren sonnt sich die Architektur in neuer Popularität. Wortschöpfungen wie Star- oder Kultarchitekt zeugen ebenso von diesem Höhenflug wie...

Seit einigen Jahren sonnt sich die Architektur in neuer Popularität. Wortschöpfungen wie Star- oder Kultarchitekt zeugen ebenso von diesem Höhenflug wie etwa die jüngste Medienpräsenz der Tate Modern von Herzog & de Meuron in London oder des «Klangkörpers» von Peter Zumthor auf der Expo in Hannover. Doch nun soll am Status solcher baukünstlerischer Meisterwerke gerüttelt werden. Ort der Tat ist die 7. Architekturbiennale von Venedig, die heute Nachmittag in den Giardini feierlich eröffnet wird. Unter dem etwas bizarren Titel «Città, less Aesthetics, more Ethics» versucht der Biennaledirektor Massimiliano Fuksas in den offiziellen Bereichen der Leistungsschau - also im italienischen Pavillon, in den Corderie und erstmals auch im Arsenal - dem vorherrschenden ästhetischen und formalen Diskurs ethische Dimensionen entgegenzuhalten. Das museographisch wenig überzeugende und höchst heterogen umgesetzte Ansinnen stellt aber weder die Investorenarchitektur noch die wuchernden Megacities der Dritten Welt wirklich zur Diskussion, sondern gefällt sich in Beiträgen von rund 90 Architekten. Geboten werden weniger klare Lösungen als vielmehr - dem Weltbild des moderaten Dekonstruktivisten Fuksas entsprechend - möglichst exzentrische Arbeiten. Dass dabei im Bereich der neo- organischen Baukunst auch jüngere Vordenker, allen voran Greg Lynn und Hani Rashid, zum Zuge kommen, ist zweifellos das interessanteste Moment dieser Biennale.

Lynn und Rashid gestalteten zudem im US- Pavillon den wohl anregendsten Länderbeitrag in Form eines architektonischen Workshops. Dieser streift allerdings die Begriffe Stadt und Ethik kaum, bemüht sich dafür aber um eine neue Ästhetik. Da trifft die rumänische Schau, die die Entwicklungsprobleme des von Ceausescu gepeinigten Bukarest beleuchtet, das vorgegebene Biennale-Thema besser. Österreich hingegen zelebriert einmal mehr seine neusten architektonischen Sehenswürdigkeiten, nur dass sie diesmal nicht von Einheimischen stammen, sondern - im Zeichen Haiders - von internationalen Stars. Aus dem Konzert der insgesamt 34 Nationen, die ihre Beiträge in eigenen Pavillons präsentieren, muss ausgerechnet die Schweiz ausscheren und sich - ganz ohne Architektur, dafür mit rassistischen Graffities - als Insel der «Glückseligen» aufspielen. Diese ist allerdings nur über eine wacklige Bautreppe von ausserhalb des Biennaleareals zugänglich.


[ Die 7. Mostra Internazionale di Architettura dauert bis zum 29. Oktober. Katalog 120 000 Lire. Eine ausführliche Besprechung folgt. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2000.06.17

01. Juni 2000Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Berliner Seenplatte

Seit der Wende hat sich Berlin verändert. Vorab im Bezirk Mitte hinterliessen Baukünstler aus aller Welt Duftmarken, welche die Sinne jedoch kaum betören....

Seit der Wende hat sich Berlin verändert. Vorab im Bezirk Mitte hinterliessen Baukünstler aus aller Welt Duftmarken, welche die Sinne jedoch kaum betören....

Seit der Wende hat sich Berlin verändert. Vorab im Bezirk Mitte hinterliessen Baukünstler aus aller Welt Duftmarken, welche die Sinne jedoch kaum betören. Gleichwohl glitzern im fragmentierten Stadtgefüge immer wieder Bauwerke wie Kleinodien - eines bei Sonnenschein so stark, dass man es schon beim Landeanflug wahrnimmt. Was aus der Luft an zwei geometrische Wasserflächen erinnert, entpuppt sich schliesslich als Sportanlage. Dies allerdings nicht gleich. Denn nähert man sich dem Baukomplex mit der Strassenbahn vom Alexanderplatz her, sieht man zunächst nur Brachen, Plattenbauten und eine lange Treppe, die auf ein baumbestandenes Plateau führt. Hier zeigt sich der modische Prenzlauer Berg noch fast so grau wie in DDR-Zeiten.

Doch schreitet man die Stufen hoch, so findet man sich unverhofft unter Apfelbäumen wieder. Die Sportbauten nimmt man erst später wahr. Wie Seen aus Blei liegen ihre Dächer plötzlich da: das eine rechteckig, das andere kreisrund; und dann bemerkt man, dass die Baukörper in steilen Kratern stehen, als wären sie aus der Weite des Alls auf dieses fast ländliche Idyll gestürzt. Für ihre extraterrestrische Herkunft sprächen auch die Aussenhüllen aus anthrazitfarbenen Metallgeweben, die auf jede Bewegung des Betrachters wie kinetische Kunstwerke reagieren. Beim Abstieg in den Krater entfalten sich die beiden Baukörper fast wie in einem Film. Zuunterst erst gewähren Fensterbänder Einblicke in das Innere der Gebäude, die sich nun als Schwimmhalle und als Velodrom zu erkennen geben.

Errichtet wurde die über 500 Millionen Mark teure Anlage in diesem Niemandsland, weil sich gleich daneben der S-Bahnhof Landsberger Alleebefindet. Ein Traum aber war Anlass für den Bau, bewarb sich Berlin doch 1992 für die Olympischen Sommerspiele 2000. Den damals ausgeschriebenen Wettbewerb für ein Velodrom mit Schwimmhalle konnte der Pariser Architekt Dominique Perrault für sich entscheiden. Sein an eine minimalistische Skulptur erinnernder Entwurf ging von der Idee einer Grünanlage aus, in der die Sportbauten wie Wasserflächen ruhen.

Der strenge Formalismus dieser aus Frankreichs rationaler Gartenkunst hergeleiteten Komposition wird aufgelockert durch Blumenwiesen und die frei gepflanzten Apfelbäume. Hier verschwindet - anders als bei den himmelstürmenden Türmen von Perraults Bibliothèque nationale de France - die Architektur. Denn Perrault verzichtete in seinem Siegerprojekt auf jedes Imponiergehabe: Die Grünfläche, in die die Sportpaläste versenkt sind, sollte als «Central Park» von grossen Wohn- und Geschäftshäusern gefasst werden und zur grünen Lunge eines neu zu schaffenden Quartiers werden. Doch wurden die urbanistischen Visionen auf ein realistisches Ziel hin gestutzt und die Neubauprojekte auf Eis gelegt, nachdem Berlin Sydney unterlegen war.

Obwohl es zunächst überraschen mag, steht keine andere Arbeit des heute 47jährigen Perrault der Pariser Bibliothek so nah wie das Berliner Sportzentrum. Beide Entwürfe basieren auf primären geometrischen Formen, und beide sind über eine erhöhte Plattform erreichbar. Andere Aspekte verhalten sich hingegen genau antithetisch zueinander. So umschliesst in Berlin der Park die tieferliegenden Bauten, während in Paris ein Sunken Garden den Hof der Bibliothek bildet. Dafür dominieren an der Seine die Türme die Umgebung. Hier aber verbergen sich die riesigen Volumen.

Nachdem das Velodrom bereits vor drei Jahren mit dem Sechstagerennen eingeweiht worden war, konnte Ende 1999 auch die Schwimmhalle eröffnet werden. Diese erreicht man von der S-Bahn aus auf einer tief unter dem Park liegenden, über Treppen und Lifte zugänglichen Erschliessungsstrasse. Quer durch eine lichte Halle gelangt man zum abgesenkten olympischen Becken und zur monumentalen, an Raumraster von Sol LeWitt erinnernden Sprunganlage.

Zurück auf dem Eingangsniveau, nimmt man durch Fensterwände ein weiteres 50-Meter-Becken wahr, an das eine Dreifachturnhalle anschliesst. Diese beiden Nebenhallen befinden sich im unterirdischen, die beiden Hauptkörper verbindenden Bauglied, das durch eine über 300 Meter lange Glasfassade von der Erschliessungsstrasse her Tageslicht empfängt. Hier ist auch der Haupteingang zum Velodrom, durch dessen sichelförmige Lobby man bereits die gigantische Deckenkonstruktion erblickt, die drohend wie ein Raumschiff aus «Independence Day» über der Radsporthalle zu schwebten scheint. Dieses expressive Stahlgebilde von 140 Metern Durchmesser wird am Rand von 16 Pfeilern in die Höhe
gehalten, so dass unter ihm durch ein Fensterband Licht in die Halle fluten kann. Von hier oben wird der Übergang vom Rund des Daches zur ovalen Fahrbahn zu einem Formenspektakel, das den Sportanlässen leicht die Schau stehlen könnte.

NZZ-Folio, Do., 2000.06.01



verknüpfte Bauwerke
Sportanlage

01. April 2000Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Ein Rahmen für den Genfersee

Die Landschaften am Lac Léman zählen seit Jean-Jacques Rousseaus «Nouvelle Héloïse» zu den meistgerühmten Europas. Davon zeugen nicht zuletzt die ungezählten...

Die Landschaften am Lac Léman zählen seit Jean-Jacques Rousseaus «Nouvelle Héloïse» zu den meistgerühmten Europas. Davon zeugen nicht zuletzt die ungezählten...

Die Landschaften am Lac Léman zählen seit Jean-Jacques Rousseaus «Nouvelle Héloïse» zu den meistgerühmten Europas. Davon zeugen nicht zuletzt die ungezählten Villen, die mit ihren Gärten die Ufer säumen. Hier zu bauen müsste der Traum jedes Architekten sein. Doch ist nach Jean Tschumis Nestlé-Haus in Vevey und Max Bills Théâtre de Vidy in Lausanne fast 40 Jahre lang direkt am See kein Bau von internationaler Ausstrahlung mehr entstanden. Nun aber liess die 1954 in Basel gegründete und bis zum vergangenen Oktober in Bern ansässige Europäische Fussballunion (Uefa) auf dem ihr von der Stadt Nyon angebotenen Seegrundstück «La Colline» einen Neubau errichten. Entworfen wurde der ebenso elegante wie repräsentative Uefa-Sitz von dem seit acht Jahren an der ETH Lausanne lehrenden Architekten Patrick Berger.

Der 53jährige Pariser zählt zu jenen französischen Baukünstlern, die mit suggestiven Bildern die Essenz eines Ortes zu visualisieren suchen. So präsentiert sich denn das durch alte Bäume verschleierte Gebäude - einer Metapher der Moderne folgend - mit seinen 80 Meter langen «Decks» zum See hin wie ein Ozeanriese. Dennoch empfindet man den sich klar von den Nachbarvillen abhebenden Bau weniger als Fremdkörper denn als Akzent, der auf Grund der gegeneinander verschobenen Fassadenschichten aus grossen Glasflächen und mattschimmernden Aluminiumbändern beinahe schwerelos wirkt.

Ein anderes Bild bietet sich von der Strasse her: Hier öffnet sich der dichte Grünvorhang der Villengärten kurz, um den Blick auf die bei klarem Wetter vom Mont Blanc dominierte Uferlandschaft freizugeben. Gerahmt wird diese Sicht vom Dach des sich ganz bescheiden in die Landschaft duckenden Gebäudes und von den beiden aufgesetzten Pavillons. Das klassizistische Thema von Laugiers Urhütte variierend, beziehen sich diese gläsernen Aufsätze auf Bergers tempelartige Gewächshäuser im Pariser Parc Citroën von 1992. Und sie beschwören - dank dem Repoussoir einer mächtigen Libanonzeder - eine dem Tempelhain von Paestum verwandte arkadische Stimmung, die der rationalistischen Architektur gezielt entgegenspielt.

Die leere Landschaftsbühne zwischen den Pavillons verweist zudem auf ein urbanes Vorbild: die vom Palais de Chaillot gefasste Inszenierung von Eiffelturm und Seine. Weiter verrät die strenge Komposition der Anlage Bergers Interesse an der auf Symmetrien und Blickachsen basierenden Beaux-Arts-Tradition. Das daraus entwickelte Raster wird allerdings im Untergeschoss gestört, denn der in den Hang getriebene Gebäudeteil weitet sich zu einem Auditorium und einem Court Room, während die seeseitigen Räume der vorgegebenen Ordnung folgen.

Doch das eigentliche Thema des Hauses ist die Transparenz. Kaum hat man den Eingang an der Nordfassade durchschritten, weitet sich das Blickfeld Richtung See. Dass sich die Fensterfronten wie endlose Membranen zwischen den Geschossplatten dehnen, ist einer ausgeklügelten Baustatik zu verdanken. Gleichwohl setzte Berger alles daran, dass der Bau kein «Opfer des technischen Fortschritts» wurde: Er verbarg die Kräfte, die das Haus zusammenhalten, so raffiniert hinter Eichentäfer, Glas und Kalkstein, dass man sich in der zentralen zweigeschossigen Halle wundert, wie diese sich mit einem 70 Meter langen und 3 Meter breiten Oberlicht zum Himmel öffnen kann, ohne dass das Gebäude auseinanderklappt.

Von der Halle geht es hinunter ins Empfangsfoyer, ins Restaurant, ins Auditorium und in den Garten - oder über eine der vier Treppen hinauf in die obere Büroetage, die durch gläserne Laubengänge erschlossen wird. Seitlich angeordnete Stiegenhäuser gewähren Zugang zu den Glaspavillons auf dem Flachdach. Dieses Belvedere, von dem ein atemberaubender Panoramablick auf Alpen, See und Jura geht, verkörpert zusammen mit dem von hier aus über zwei zierliche Brücken erreichbaren Zedernparterre eine höchst zeitgemässe, von allen Schlacken der Geschichte gereinigte Neuinterpretation der klassischen französischen Gartenarchitektur.

Berger hat am Villenufer von Nyon ein transparentes Haus von lateinischem Esprit geschaffen, das sich ganz entschieden gegen die Banalität anderer Glaspaläste wendet. Mit Rücksicht auf die einzigartige landschaftliche Situation will dieses Gebäude kein modisch eitler «Spiegel heutiger Realitäten» sein, sondern seine Präsenz nur diskret markieren. Dabei werden Themen wie Symmetrie, Dualität und Schichtung, die Berger schon beim Parc Citroën oder bei der Maison de l'Université in Dijon wichtig waren, zu neuer Gültigkeit erhoben. Darüber hinaus verkörpert der Uefa-Sitz die Quintessenz der am See allgegenwärtigen Prachtbauten internationaler Organisationen vom Genfer Uno-Gebäude bis zum Musée Olympique in Lausanne.

NZZ-Folio, Sa., 2000.04.01



verknüpfte Bauwerke
Uefa-Gebäude

25. März 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektur als Mutter aller Künste

An diesem Wochenende findet die Gesamteröffnung des Kunst- und Kongresszentrums Luzern mit einem «Kongress der Stimmen» statt. Nachdem im August 1998 bereits der vielgepriesene Konzertsaal eingeweiht werden konnte, ist nun der spektakuläre Bau des Pariser Architekten Jean Nouvel vollendet. Das Kunstmuseum wird allerdings erst ab Mitte Juni zugänglich sein.

An diesem Wochenende findet die Gesamteröffnung des Kunst- und Kongresszentrums Luzern mit einem «Kongress der Stimmen» statt. Nachdem im August 1998 bereits der vielgepriesene Konzertsaal eingeweiht werden konnte, ist nun der spektakuläre Bau des Pariser Architekten Jean Nouvel vollendet. Das Kunstmuseum wird allerdings erst ab Mitte Juni zugänglich sein.

Das Luzerner Kunst- und Kongresszentrum (KKL) ist wohl der seit langem aufregendste Neubau in unserem Land. Die widersprüchliche Entstehungsgeschichte, der vielgerühmte Konzertsaal, vor allem aber die starke architektonische Präsenz des Musentempels am Vierwaldstättersee (NZZ 18. 8. 98) führten dazu, dass Jean Nouvels Meisterwerk seit Jahren in aller Munde ist. Dabei hatte nach dem Wettbewerb von 1990 Nouvels wenig überzeugendes Siegerprojekt - eine flügellahme Ente in einem Glaskäfig - zu einem Scherbenhaufen geführt, den erst Thomas Held als deus ex machina beseitigen konnte. Dem obersten Bauherrn der Trägerstiftung gelang es 1993, den schmollenden Nouvel auf den Plan zurückzuholen und so den Weg für den Jahrhundertbau zu ebnen. Entstanden ist schliesslich eine futuristisch wirkende Megastruktur, die alle gewünschten Funktionen vom Konzertsaal über die Mehrzweckhalle und das Kunstmuseum bis hin zu den Kongressräumen, Bars und Restaurants unter einem riesigen Dach vereint.


Dunkel glühende Architekturlandschaft

Wie eine messerscharfe Klinge schwebt das rund 100 mal 100 Meter grosse Dach über den drei auf den See ausgerichteten Kulturbauten und dem quer dazu gestellten Betriebsgebäude. Die durch das weit auskragende Dach verschattete Hauptfassade erscheint vom Schweizerhofquai aus wie ein schwarzes Loch im Uferpanorama - oder wie ein monolithischer, aus den Weiten des Alls auf die Erde gefallener Fremdkörper, den man in seiner enigmatischen Abgehobenheit eher im Grossstadtdschungel von L. A. erwarten würde als im pittoresken Weichbild von Luzern. Dabei hat sich der Meister aus Paris in diesem Werk, das zweifellos die Quintessenz seines bisherigen Schaffens darstellt, ganz gezielt mit der Stadt, dem See und den Bergen auseinandergesetzt und zu einer Lösung gefunden, die je nach Licht und Witterung industrielle, nautische, kosmische oder gar sakrale Assoziationen weckt.

Aus der Nähe betrachtet, kommen dann aber auch die architektonischen Reize dieser Kulturmaschine zum Zug: Dunkel in Rot, Grün und Blau glühende Oberflächen wechseln ab mit Höhlungen und Vorsprüngen, mit Terrassen, Gangways und Treppentürmen. Zu diesem plastischen Gefüge gesellt sich nun als neuster Bauteil die transparente, von einem Aluminiumgitter umhüllte Glasbox des Westflügels. Unter seinem Dach wurde - gleichsam als Etagengeschäft - soeben das Kunstmuseum fertiggestellt. Wenn man vom Bahnhof kommt, betritt man diesen Bauteil nun als ersten. Hinter dem etwas geduckten Eingang explodiert die Eingangshalle förmlich nach oben, während man die räumliche Tiefe erst nach und nach erahnt. Durch Glastüren und über eine Holzbrücke, die einen der beiden ins Gebäude hineingezogenen (und dessen Dreiteilung in Kongresshaus, Luzernersaal und Konzertgebäude nachzeichnenden) Kanäle quert, gelangt man in die architektonische Staffage des eigentlichen Foyers. Durchblicke, Spiegelungen und die Vexierspiele von Licht und Material bewirken hier dramatische Effekte, verschleiern dabei aber ganz bewusst den konstruktiven Kraftakt.


Kultur in weissen Räumen

Mit seinen Wassergräben, Aussichtskanzeln, Steinschluchten und Raumgittern stellt diese an Science-fiction-Filme erinnernde Innenwelt eine künstliche Landschaft dar, die nur in der expressiven Eingangshalle von Frank Gehrys Museum in Bilbao ein Gegenstück findet. Nach solch baukünstlerischem Höhenflug wirkt die knochenbleiche «Salle blanche», die Nouvels ursprünglicher Idee eines dunkelblauen Konzertsaals diametral entgegensteht, ernüchternd. Dank seinen akustischen Qualitäten vermochte dieser Saal dennoch das Publikum zu überzeugen. Ob dies dem neuen Kunstmuseum, das weit klinischer ausgefallen ist, ebenfalls gelingen wird, ist fraglich. Unter dem Dach des Mittel- und des Westtrakts hat Nouvel nämlich zusammen mit Rémy Zaugg 20 abstrakte Museumsräume mit 2100 Quadratmetern Ausstellungsfläche kreiert, die noch ganz der puritanisch- minimalistischen Idee eines hermetisch von der Aussenwelt abgeschirmten «White Cube» entsprechen. Dass Ulrich Loock, der Museumsleiter, das Haus wie eine Kunsthalle bespielen will, in der Sammlungsbestände nur im Kontext der «rollenden Programmierung» zum Zuge kommen sollen, passt durchaus ins Bild dieser rigiden Säle.

Die Abschottung der Museumsräume geht so weit, dass selbst das durch die Decke einfallende Tageslicht mittels Prismen und Metallblenden extrem gedämpft wird. Dadurch entsteht eine bleierne Atmosphäre, die beim Besucher leicht klaustrophobe Gefühle auslösen kann. Mag sein, dass alles besser wird, wenn erst einmal Kunst die weissen Kuben belebt. Jetzt aber atmet man noch auf, wenn man im hintersten Raum plötzlich durch ein riesiges Fenster Calatravas Bahnhofsfassade und kurz danach von der «Seufzerbrücke», die in den östlichen Museumsbereich führt, den tief unten zwischen West- und Mitteltrakt stahlblau glitzernden Kanal sieht. Schade, dass Nouvel, der im Foyerbereich die Ausblicke wie Ansichtskarten zu inszenieren wusste, sich hier so verschlossen gibt. Dabei betonte er doch stets, dass im Zentrum seiner Recherche die Kommunikation mittels Bildsequenzen, Assoziationen und Stimmungen stehe. Hier aber setzt er zugunsten der Kunst ganz offensichtlich auf die Absenz von Architektur und Kommunikation.


Schwierige Bespielung

Obwohl Luzern dieses Wochenende die «Gesamteröffnung» des KKL feiert, ist noch nicht das gesamte Haus zugänglich. Wohl ganz nach dem Geschmack der festfreudigen Luzerner findet diese Eröffnung in Raten noch eine Fortsetzung, wenn am 19. Juni das neue Kunstmuseum eingeweiht wird. Dann kann Loock der zur «Art» nach Basel pilgernden Kunstgemeinde den internationalen Anspruch seines Hauses mit der Eröffnungsausstellung «Mixing Memory and Desire» demonstrieren. Auch danach will das Kunstmuseum mit einem ambitiösen Programm auf die Herausforderung von Nouvels Architektur antworten. Wie schwierig das ist, veranschaulicht die seit seiner Eröffnung nicht unumstrittene Bespielung des Konzertsaals. Dabei verweisen Kritiker immer wieder auf die eigenwilligen Praktiken der Betriebsgesellschaft, die sich nicht scheut, in der «Salle blanche» neben Festwochenkonzerten etwa auch Guggenmusiktreffen durchzuführen, obwohl dafür doch der Luzernersaal zur Verfügung stünde. Die Leuchtenstadt hat sich mit dem KKL einen grossartigen Traum erfüllt. Nun sollte es ihr oberstes Ziel sein, dieses so zu bespielen, dass es nicht nur durch seine chamäleonartige Erscheinung und die stupenden Raumsequenzen, sondern auch durch seinen Inhalt immer wieder neu zu faszinieren vermag.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2000.03.25



verknüpfte Bauwerke
Kultur- und Kongresszentrum

24. März 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Vernunft und Mystik

Der Katalane Antoni Gaudí zählt zu den populärsten Architekten überhaupt. Da aber die meisten seiner Bauten in Barcelona stehen und zudem viele Dokumente im Bürgerkrieg verlorengingen, müssen sich Präsentationen ausserhalb seiner Heimatstadt weitgehend auf Photomaterial beschränken. Gleichwohl preist Mailand eine Gaudí-Schau als «bedeutende Retrospektive» an.

Der Katalane Antoni Gaudí zählt zu den populärsten Architekten überhaupt. Da aber die meisten seiner Bauten in Barcelona stehen und zudem viele Dokumente im Bürgerkrieg verlorengingen, müssen sich Präsentationen ausserhalb seiner Heimatstadt weitgehend auf Photomaterial beschränken. Gleichwohl preist Mailand eine Gaudí-Schau als «bedeutende Retrospektive» an.

Fast ein Jahrhundert lang wusste Mailand seine Position als Hochburg der italienischen Architektur zu verteidigen. Hier fand das Vokabular von Liberty und Novecento zur Gültigkeit, hier triumphierte der Razionalismo und hier entstanden um 1960 mit der Torre Velasca und dem Pirelli- Hochhaus Europas schönste Wolkenkratzer. Doch kurz nach der Fertigstellung von Aldo Rossis neorationalistischem Wohnblock in Gallaratese setzte der Niedergang ein. Vom Glanz und Elend der Mailänder Baukunst zeugt gegenwärtig eine Ausstellung im jüngst von Gae Aulenti umgebauten Spazio Oberdan an der Porta Venezia. Unter dem Titel «Milano senza confini» präsentiert sie bis zum 25. April die photographische Annäherung von zehn europäischen Künstlern an die Stadt (Katalog: Silvana Editoriale, Milano). Während etwa Fischli und Weiss die pittoreske Sicht vom Dom auf die Turmlandschaft der Innenstadt zelebrieren, beleuchten Gabriele Basilico oder John Davies gnadenlos die neusten architektonischen Verirrungen. Mit diesen kommt in Berührung, wer auf dem Weg zur Gaudí-Ausstellung im Triennale-Palast die Metropolitana an der Haltestelle Cadorna verlässt, um sich nach einigen Treppenstufen unter den vor kurzem auf dem Bahnhofvorplatz errichteten, banal pseudo- postmodernen Glashallen wiederzufinden.


Das Baugenie aus Barcelona

Unweigerlich muss man da an Gaudís Heimatstadt Barcelona denken, die seit den achtziger Jahren mit wegweisenden Platzgestaltungen ihren traditionellen Ruf als internationales Architekturzentrum zu festigen wusste. Während in der lombardischen Metropole unter der Last der Korruption die baukünstlerische Kreativität erlahmte, gilt in Katalonien die Baukunst noch immer als Ausdruck des nationalen Selbstbewusstseins. Sie geniesst daher schon seit Ildefons Cerdàs legendärem Stadterweiterungsplan von 1855 und Lluís Domènech i Montaners Schrift «En busca de una arquitectura nacional» (1878) besondere Aufmerksamkeit. Dank grossbürgerlichen Förderern war es Domènech, Josep Puig i Cadafalch, vor allem aber Antoni Gaudí vergönnt, mit ihrem Modernisme - einer Sonderform des Jugendstils - in Cerdàs urbanistischem Schachbrettraster jene höchst extravaganten Akzente zu setzen, die heute noch den Stolz der Stadt ausmachen. Darüber hinaus begeistern Gaudís geniale Bauphantasien, 1969 zu Nationalmonumenten und 1984 zum Welterbe ernannt, als architectures parlantes Schwärme von verzückten Touristen.

Diesem höchst populären Giganten der Architekturgeschichte widmet jetzt die Mailänder Triennale im Palazzo dell'Arte eine «bedeutende Retrospektive». Doch Gaudí-Ausstellungen sind ausserhalb Barcelonas schwer zu realisieren. Denn die Stadt, in der mit wenigen Ausnahmen alle Bauten des Meisters stehen, trennt sich nur ungern von jenen Zeichnungen und Plänen Gaudís, die den Bürgerkrieg überdauerten. Die von Maria Antonietta Crippa in Zusammenarbeit mit Joan Bassegoda von der Cátedra Gaudí inszenierte Schau stösst in Italien dennoch auf beachtliches Interesse, obwohl sie nur wenig Originalmaterial bietet und auf eine Einbettung von Gaudís Schaffen in den katalanischen, den spanischen und den internationalen Kontext der Zeit verzichtet. Dabei hätte gerade mit einer weitergefassten Optik, zu der auch ein Ausblick auf die Gaudí- Rezeption von Le Corbusier über Eero Saarinen bis Calatrava, Hecker und Imre Makovecz gehören müsste, das Manko ausgeglichen werden können. Statt dessen hält man sich in dieser Schau vorab an die hervorragenden Grossaufnahmen von Marc Llimargas. Die der Begleitpublikation, einem mit wissenschaftlich wenig ergiebigen Texten angereicherten Bildband, entnommenen Photos lenken den Blick auf viele überraschende Details, die man vor den Bauten selbst leicht übersieht.

In sieben Etappen wird Gaudís Œuvre chronologisch aufbereitet. Nach einem den Studentenarbeiten, der noch stark maurisch geprägten Villa El Capricho in Comillas bei Santander und der Finca seines wichtigsten Förderers, des Textilindustriellen Eusebi Güell, gewidmeten Präludium werden frühe Meisterwerke wie der an Viollet-le-Duc und Ruskin, aber auch an Barcelonas mittelalterlichem Barri Gòtic inspirierte Palau Güell vorgestellt. Anschliessend veranschaulichen die an einen Riesensaurier erinnernde Strassenfassade der Casa Battló und die organisch durchgestaltete Casa Milà (im Volksmund «La Pedrera», der Steinbruch, genannt), wie der eklektizistische Überschwang nach der Jahrhundertwende einer skulpturalen Gesamtform weicht, deren Komplexität sich nicht auf das Dekorative beschränkt, sondern sich bis auf die Schnitte und die wabenartigen Grundrisse auswirkt.


Geheimnisvolle Kraftlinien

Die als abstrakte Bauplastik inszenierte steinerne Dachlandschaft der «Pedrera», die erst 40 Jahre später in Le Corbusiers Unité d'habitation in Marseille eine kongeniale Antwort erhalten sollte, korrespondiert mit der phantastischen, nach einer Aussöhnung von Natur und Kunst strebenden Gartenwelt des Park Güell (der in der Schau mit vielfältigen Exponaten besonders gut vertreten ist). Das grottenhafte Innenleben dieses Stadtpalasts hingegen wuchert weiter in der Krypta der unvollendeten Kirche von Santa Coloma de Cervelló. Wie kein anderes Werk des Katalanen veranschaulicht die empirisch aus einem Schnurmodell abgeleitete Baustatik dieses völlig aus den Fugen geratenen Gebäudes das Bemühen des Architekten, Konstruktion und Dekoration, Vernunft und Mystik - kurz: lateinische Rationalität und nordische Expressivität zu vereinen.

In jenen Jahren brütete Gaudí auch über dem aussergewöhnlichen Entwurf für einen Hotelturm in New York (1914), in dem er die konstruktiven Erkenntnisse von Santa Coloma, aber auch der Sagrada Familia für einen Profanbau nutzbar machte. Nachdem die hochfliegenden Pläne gescheitert waren, widmete sich der immer stärker in religiöse Dimensionen entfliehende Meister ganz dem Bau von Barcelonas neuer Kathedrale, von der bei seinem Tod im Jahre 1926 allerdings erst die vier bizarren Turmlanzen der Ostfassade standen. Seither wird an der «Planungsruine» langsam, aber stetig weitergebaut. Das mag richtig sein aus klerikaler Sicht und auch Gaudís Ideal einer mittelalterlichen Bauhütte entsprechen. Gleichwohl geht so jenes Fragmentarische verloren, das ein Charakteristikum von Gaudís Schaffen war. Dieser scheute sich nicht, arme Materialien wie Bauschutt, zerbrochene Fliesen oder Basaltblöcke mit viel Erfindungsreichtum fast schon in der Art von Installationen einzusetzen. Dennoch blieb sein Genie ohne direkte architektonische Nachwirkung, auch wenn von seinem Werk geheimnisvolle Kraftlinien zum espace fluide der Moderne, nach Ronchamp, ja bis hin zum Dekonstruktivismus zu führen scheinen. Derartige Assoziationen vermag die Mailänder Ausstellung durchaus zu wecken - und darüber hinaus den Wunsch nach einer wirklich gültigen Gesamtschau, die auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse brächte. Diese könnte bald schon Wirklichkeit werden, hat Barcelona doch im Hinblick auf den 150. Geburtstag des Meisters im Sommer 2002 bereits einen grossen Ausstellungsreigen angekündigt.


[ Bis zum 30. April im Triennale-Palast (Palazzo dell'Arte). Begleitbuch: Gaudí, l'uomo e l'opera. Fotografie di Marc Llimargas. Hrsg. Joan Bergós i Massó. Vorwort von Maria Antonella Crippa. Jaca Book Editore, Milano 1999. 311 S., Lit. 160 000. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.03.24

09. Februar 2000Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Klarheit und Harmonie

Im vergangenen Jahr initiierte Dänemarks wichtigstes Haus für moderne und zeitgenössische Kunst, das Louisiana Museum in Humlebæk, unter dem Titel «The...

Im vergangenen Jahr initiierte Dänemarks wichtigstes Haus für moderne und zeitgenössische Kunst, das Louisiana Museum in Humlebæk, unter dem Titel «The...

Im vergangenen Jahr initiierte Dänemarks wichtigstes Haus für moderne und zeitgenössische Kunst, das Louisiana Museum in Humlebæk, unter dem Titel «The Architect's Studio» eine Ausstellungsreihe, in der nach Frank O. Gehry nun der dänische Altmeister Henning Larsen präsentiert wird. Zentrales Anliegen der Schau ist die Veranschaulichung des kreativen Prozesses beim Schaffen von Architektur. International bekannt wurde Larsen mit dem Bau des saudischen Aussenministeriums in Riad (1979-84). Danach konzentrierte sich der 1925 in Opsund geborene Architekt vor allem auf Schul- und Bibliotheksbauten, bei denen sein Streben nach Klarheit und Harmonie besonders deutlich zum Ausdruck kommt.

Als Larsens jüngstes Werk konnte vor wenigen Wochen in Kopenhagen das Dänische Designzentrum eröffnet werden; und in den kommenden Monaten soll die Adolf-Würth-Kunsthalle in Schwäbisch Hall eingeweiht werden. Die nächsten Architekten, die in der Studio-Reihe des Louisiana Museum mit einer Ausstellung geehrt werden, sind Norman Foster und Renzo Piano.

[ Bis 27. Februar. Katalog: Henning Larsen. The Architect's Studio. Hrsg. Lise Kaiser. Louisiana Museum, Humlebæk 1999. 128 S., dKr. 135.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2000.02.09

01. Februar 2000Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Pfahlbauten am Themseufer

Die dunklen Schatten der High-Tech-Architektur liegen seit langem über der britischen Baulandschaft, so dass selbst eine Kultfigur wie die Londoner Dekonstruktivistin...

Die dunklen Schatten der High-Tech-Architektur liegen seit langem über der britischen Baulandschaft, so dass selbst eine Kultfigur wie die Londoner Dekonstruktivistin...

Die dunklen Schatten der High-Tech-Architektur liegen seit langem über der britischen Baulandschaft, so dass selbst eine Kultfigur wie die Londoner Dekonstruktivistin Zaha Hadid in England kaum Aufträge erhält. Der vermeintlich frische Wind von Tony Blairs New Labour jedenfalls hat die baukünstlerische Verkrustung bisher noch nicht aufgebrochen. Architektonische Wegmarken muss man deshalb auf dem Inselreich weiterhin mit der Lupe suchen.

Fündig wird man dann an so überraschenden Orten wie dem Themsestädtchen Henley, wo die Königin im November 1998 David Chipperfields River and Rowing Museum eröffnete. Mit diesem Ausstellungsbau am alljährlichen Austragungsort der legendären Royal Regatta konnte der 46jährige Londoner Architekt, der sich mit Bauten in Japan und Projekten für die Berliner Museumsinsel sowie das Grassi-Museum in Leipzig einen Namen machte, nicht nur seinen ersten grösseren Auftrag in England, sondern auch sein bisheriges Chef d'¦uvre realisieren.

Nähert man sich dem Museum von Osten durch das Wiesland, so tauchen zwischen Weiden und Pappeln zwei Giebel auf, die man leicht für Bootshäuser halten kann. Diese poetische Architektur protzt nicht mit ihrem innovativen Potential. Dabei versteht es Chipperfield wie kein anderer, Überliefertes zeitgemäss zu interpretieren, indem er es «im Detail neu umschreibt». Nach dem Studium an der angesehenen AA holte er sich sein Rüstzeug bei den High-Tech-Päpsten Foster und Rogers, gebrauchte es dann aber höchst unkonventionell. Getreu seinem Motto «more with less» strebt er nach einer sinnlichen Einfachheit von Material und Form, die sich dann letztlich aber doch zu komplexen Raumgebilden verdichtet.

Das Museum, das aus zwei parallel angeordneten, über eine Passerelle mit einem Annexbau verbundenen Ausstellungstrakten besteht, antwortet auf die natürlichen Gegebenheiten der am Rande des historischen Städtchens Henley sich ausbreitenden Flussauen, indem es sich - ähnlich wie Glenn Murcutts australische Verandahäuser - auf Pfeilern über das Marschland erhebt. Es beschwört so die Idee der Urhütte und verweist auf Pfahlbauten, kann aber auch als metaphorische Anspielung auf die hier im Sommer üblichen Regatta-Zelte gelesen werden. Dennoch kommt es ganz ohne historisierende Zitate aus: anders als Terry Farrells postmodernes Meisterwerk, das etwas flussabwärts im Herzen von Henley gelegene, aber auf die alten Landsitze am Fluss Bezug nehmende Regatta-Hauptquartier von 1985.

Der von den Pilotis knapp einen Meter über das Sumpfland gestemmte Eingangsbereich, den man von den Uferwiesen her auf einer schmalen Brücke, vom Parkplatz aus auf einer Treppe oder Rampe erreicht, ist völlig verglast. Über dem durchsichtigen Fensterband scheinen zwei mit Eichenbrettern verkleidete Galerieaufsätze - die Gesetze der Schwerkraft auf den Kopf stellend - wie umgedrehte Ruderboote zu schweben. Damit wird aber schon von aussen die innere Aufteilung ersichtlich. Rechts vom Eingang befindet sich das Museumsrestaurant, das sich durch die Glasfront auf eine japanisch anmutende Holzplattform öffnet. Geradeaus erreicht man die Kasse, den Museumsshop und die Temporärgalerie, in der zurzeit eine kleine Chipperfield-Schau zu sehen ist.

Durch das Treppenhaus, das diskret auf die Raumsequenzen von John Soane verweist, steigt man hinauf zu den 36 und 48 Meter langen Oberlichtsälen. Vor der Ausstattung durch Land Design Studio erinnerten sie noch deutlich an Louis Kahns Galerien im Kimbell Art Museum. Obwohl die Raumwirkung nun durch Einbauten und Exponate, die die Geschichte des Flusses, der Stadt Henley und des Rudersports anschaulich illustrieren, etwas beeinträchtigt ist, lässt sich das Spiel mit Licht und Sicht noch immer nachvollziehen - dank gezielten, als Teil der Präsentation inszenierten Ausblicken auf die Auenlandschaft und den Fluss. Die ebenfalls an Kahn geschulte Unterteilung in dienende und bediente Teile lässt zudem parallele Gebäudeschichten und Achsen entstehen, wie man sie von Chipperfields japanischen Bauten oder von seinem «Wagamama»-Restaurant im Londoner In-Quartier Soho kennt.

Anders als bei den oft coolen Häusern der neunziger Jahre manifestiert sich in diesem unorthodoxen Museumsbau ein aus dem Entwurfsprozess gewachsenes Zusammenklingen von Ratio und Sentiment. Nicht zuletzt dadurch wird diese vielschichtige Architektur, in der man das Abbild einer demokratisch und ökologisch ausgerichteten Baukunst der Zukunft zumindest erahnen kann, zum Ereignis.

NZZ-Folio, Di., 2000.02.01



verknüpfte Bauwerke
River and Rowing Museum

31. Dezember 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Baukunst und Industrieruinen

Kaum eine andere europäische Stadt hat ihren Eintritt ins 21. Jahrhundert so gezielt vorbereitet wie Bilbao. Nach einem katastrophalen Niedergang arbeitet die Metropole des Baskenlandes zusammen mit internationalen Architekten an einem neuen, für Investoren und Touristen gleichermassen attraktiven Image. Ein Rundblick im Jahre drei nach der Guggenheim-Eröffnung.

Kaum eine andere europäische Stadt hat ihren Eintritt ins 21. Jahrhundert so gezielt vorbereitet wie Bilbao. Nach einem katastrophalen Niedergang arbeitet die Metropole des Baskenlandes zusammen mit internationalen Architekten an einem neuen, für Investoren und Touristen gleichermassen attraktiven Image. Ein Rundblick im Jahre drei nach der Guggenheim-Eröffnung.

Düster waren noch vor wenigen Jahren die Bilder, die man sich von Bilbao machte. Verrottende Industrieanlagen, schwefliger Nebel, ein öliger Fluss und Terroranschläge liessen die Stadt am Nervión als gespenstische Kulisse für nachtschwarze Endzeitdramen erscheinen. Dabei genoss sie vor nicht allzu langer Zeit noch den Ruf eines pulsierenden Industrie- und Bankenzentrums, das sich auch durch Francos Demütigungen nicht in seinem Selbstverständnis irritieren liess. Dann aber geriet die russgeschwärzte Lokomotive der spanischen Wirtschaft ins Stocken, entlang der Ría genannten Mündung des Nervión schloss eine Fabrik nach der andern, und in den Hochöfen ging die Glut für immer aus. Fortan sorgte die graue Stadt am kantabrischen Meer nur mehr mit hohen Arbeitslosenquoten und brutalen ETA-Attentaten für Schlagzeilen.


Wunder von Bilbao

Was blieb Bilbao andres übrig, als sich nach vorn zu orientieren? Während die Anhänger von ETA und Herri Batasuna mit allen Mitteln einen eigenen Baskenstaat erzwingen wollten, versuchte die Stadtverwaltung mit der Förderung von Hochtechnologie, Dienstleistungen und Tourismus Arbeitsplätze zu schaffen und so eine neue Zukunft zu erfinden. Das Zauberwort im globalen Kampf um Standortgunst hiess (Bau-)Kunst. Nun besass die einst so reiche Stadt mit dem Museo de Bellas Artes (MBA) bereits eine der besten Gemäldesammlungen Spaniens und mit dem Arriaga-Theater eine altehrwürdige Institution. Als Identifikationsfiguren eines neuen Bilbao wirkten diese beiden Häuser aber etwas gar verstaubt. 1991 wurden deshalb Kontakte zum damals gerade mit Expansionsplänen liebäugelnden Guggenheim-Museum gesucht. Sie führten schnell zum Ziel: Für 150 Millionen Franken entstand - unter anderem mit Geldern der EU - ein spektakulärer Neubau von Frank O. Gehry für die im Turnus leihweise zur Verfügung gestellten Sammlungsbestände des New Yorker Kunstmultis. Als dann im Oktober 1997 das an ein Titangebirge oder eine stählerne Magnolie erinnernde «Guggenheim Bilbao» seine Tore öffnete, trafen zusammen mit den Liebeserklärungen der Kritiker auch schon die ersten Kulturreisenden ein.

Hunderttausende haben inzwischen Blockbuster Shows wie «5000 Jahre China» oder Richard Serra gesehen. Spätestens seit der Retrospektive des grossen baskischen Eisenplastikers Eduardo Chillida ist auch bei den Intellektuellen in der Region der Vorwurf des Kulturkolonialismus leiser geworden. Das MBA nahm die Herausforderung der neuen Konkurrenz an, konterte mit Ausstellungen wie Velázquez, Gentileschi oder Caravaggio und machte sich an eine bauliche Erweiterung. Dank der baskischen Geschäftstüchtigkeit, die auch nicht vor der Kunst zurückschreckt, stieg Bilbao gleichsam über Nacht als Juniorpartner von Madrid und Barcelona ins Dreigestirn des spanischen Ausstellungsbetriebs auf. Diese Position wird zurzeit mit einer Andy-Warhol-Schau (bis 13. Januar) und der Ausstellung «Stilleben von Zurbarán bis Picasso» (bis 19. April im MBA) eindrücklich verteidigt.


James Bond in Abandoibarra

Seit wenigen Wochen nun flimmern die Bilder des neuen Bilbao dank James Bond rund um den Globus. Denn der Geheimagent Ihrer Majestät hat es ausgerechnet mit gierigen Schweizer Bankiers vor Jeff Koons' zum Klischeebild eines neu erblühten Selbstbewusstseins avancierten Blumenhund «Puppy» und vor Gehrys schwindelerregendem Musentempel zu tun. Dabei hätte man ihn doch wohl eher im Geschäftsviertel an der Plaza Circular erwartet. Dieses erreicht man seit 1995 am schnellsten mit der hypermodernen, von Bonds Landsmann Norman Foster erdachten Metro. Aus der übersichtlich hellen Station Abando gelangt man durch «Fosteritos» genannte Glastrichter - kongeniale Neuinterpretationen von Guimards Pariser Métroeingängen, die an durchsichtige Insektenlarven erinnern - hinauf auf einen geschäftigen Platz, der mit dem minimalistischen BBV-Hochhaus und den gravitätischen Tempelfassaden für einen Augenblick an New Yorks Wallstreet denken lässt.

Von hier führt die Gran Vía quer durch die seit 1876 nach den Plänen von Achúcarro, Hoffmeyer und Alzola angelegte Stadterweiterung mit ihren Wohn- und Büropalästen aus allen Epochen, von der Gründerzeit über Jugendstil und Art déco bis zur Nachkriegsmoderne. Der Prachtboulevard endet an der Plaza del Sagrado Corazón, von wo aus man die obersten Ränge der etwas in die Jahre gekommenen Fussballkathedrale von San- Mamés erahnen kann, für die Calatrava und Foster 1995 im Auftrag von Atlétic de Bilbao zwei nicht realisierte Neubauprojekte vorlegten. In Richtung Ría hingegen erblickt man den vor wenigen Monaten eingeweihten jüngsten Prestigebau der Stadt: den Palacio Euskalduna. Dieser Kongresspalast und Opernhaus vereinende, formal höchst widersprüchliche Bau der jungen Madrilenen Federico Soriano und Dolores Palacios, der sich anstelle der ausgedienten Euskalduna-Werft als Collage aus rostigem Schiffsrumpf und nüchternem Bürohaus erhebt, ist mit seinen lyrischen Aufführungen und Tagungen Bilbaos neuster Trumpf im Streit um Standortgunst und Luxustourismus.

Am besten lässt er sich von der gekurvten Panoramastrecke der elegant überdachten Fussgängerebene von Javier Manterolas 1998 vollendeter Euskalduna-Brücke aus betrachten. Sie und der Gehry-Bau werden dereinst das neue, von Cesar Pelli unter dem vielsagenden Projektnamen Ría 2000 bereits 1992 geplante Abandoibarra-Viertel begrenzen. Auf dem zurzeit als Containerumschlagplatz genutzten Gelände sollen ausser dem von Javier López Chollet entworfenen Parque de la Ribera Stadthäuser mit 800 Wohnungen, Bürobauten, ein Museo Marítimo und die über eine neue Passerelle mit der Universidad de Deusto am anderen Ufer verbundene Universitätsbibliothek entstehen. Ein Tram wird das neue Quartier über die Plaza Circular mit den «Siete Calles» der pittoresken Altstadt verbinden, die im kommenden Juni ihren 700. Geburtstag feiern kann.

Bis diese Tramlinie im Jahr 2005 eröffnet wird, geht man von Abandoibarra am besten zu Fuss in Richtung Altstadt. Vorbei am Wasserbecken vor dem Guggenheim und unter der imposanten Salve-Brücke hindurch führt nämlich bereits eine neue Promenade dem Südufer der Ría entlang. Vorerst endet sie allerdings bei Calatravas weisser Zubizuri-Fussgängerbrücke, einem ingenieurtechnischen Juwel, das einer windgepeitschten Harfe gleich den Fluss überspannt. Am anderen Ufer flaniert man dann - mit Blick auf die Ruinen verlassener Handelshäuser - durch die historistische Arenal-Anlage bis zum Arriaga-Theater und zu den Siete Calles, die sich zwischen der klassizistischen Plaza Nueva und Pedro Ispizuas bizarrem Mercado de la Ribera erstreckt. Diese Markthalle liegt seit 1930 wie ein Schiff im trüben Nervión vor Anker; und es dürfte wohl noch Jahre dauern, bis sie sich in sauberen Fluten spiegeln wird. Schon jetzt aber verströmen der 1946 gegenüber der Altstadt an der Muelle Naja nach Plänen von Galíndez & Chapa realisierte Bailén-Turm und die an ihn angedockten Häuser zusammen mit dem neubarocken Bahnhof einen Hauch von Chicago und lassen erahnen, wie hier bereits einmal ein Boom architektonische Form annahm.


Eine Stadt des 21. Jahrhunderts?

Der phänomenale Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre findet seinen Niederschlag allerdings nicht mehr nur im Herzen Bilbaos, sondern auch an einem Eingangstor: dem Sondika-Flughafen, wo - unweit des Technoparks Zamudio - demnächst Calatravas neues, an den Falkenkopf des ägyptischen Sonnengottes Horus erinnerndes Terminalgebäude und ein Kontrollturm in Form einer weissen Calla-Blüte in Betrieb genommen werden können. Diese neuen Wahrzeichen sind ebenso unverwechselbar wie Gehrys Guggenheim. Sie zeigen aber auch, dass das gut zwei Millionen Einwohner zählende autonome Baskenland (von denen die Hälfte im Grossraum Bilbao lebt) nur mit Hilfe von Kulturimporten Grösse und Bedeutung demonstrieren kann. Das freut die nationalistisch gesinnten Kreise wenig. Doch nicht deswegen droht der Zukunftsoptimismus des kaum aus der Asche des Niedergangs erstandenen baskischen Phönix im eisigen Wind des Terrors zu erstarren, sondern einmal mehr politischer Händel wegen. Denn nachdem Anfang Dezember die ETA ihren Waffenstillstand aufgekündigt hat und die nationalistischen Parteien - gestützt von 15 000 auf die Strassen von Bilbao geeilten Demonstranten - wieder Unabhängigkeitsgelüste hegen, könnte die seit einigen Jahren so fruchtbringend sprudelnde Energie der Stadt erneut in Angst versiegen. Ob dann Gehrys selbst unter Bizkaias grauem Himmel stets heiter funkelnder Jahrhundertbau für Investoren und Touristen weiterhin als Symbol einer Stadt des 21. Jahrhunderts gelten könnte?

Roman Hollenstein

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.12.31

11. Dezember 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Cool Britannia?

Dank Mode, Design und Kunst steht London gegenwärtig im Rampenlicht. Im Bereich der Architektur hingegen macht Cool Britannia fast nur mit schrägen Bar- und Restaurantumbauten Schlagzeilen. Die beiden wohl wegweisendsten neuen Gebäude aber sind das Medienzentrum von Future Systems in London und David Chipperfields River and Rowing Museum in Henley.

Dank Mode, Design und Kunst steht London gegenwärtig im Rampenlicht. Im Bereich der Architektur hingegen macht Cool Britannia fast nur mit schrägen Bar- und Restaurantumbauten Schlagzeilen. Die beiden wohl wegweisendsten neuen Gebäude aber sind das Medienzentrum von Future Systems in London und David Chipperfields River and Rowing Museum in Henley.

London rüstet sich auf das Jahr 2000, und allenthalben entstehen neue Bauten. Doch Begeisterungsstürme können sie kaum entfesseln. So wurde etwa das Royal Opera House in Covent Garden durch den postmodern anbiedernden Umbau von Jeremy Dixon und Edward Jones in eine gigantische Banalität verwandelt. Das mehr als eine halbe Milliarde Franken teure Machwerk veranschaulicht, dass die thatcheristische Theorie von der Architektur als überflüssigem und teurem Beiwerk zum Bauen grundlegend falsch ist.

Dennoch konnte oder wollte bisher auch New Labour nicht für eine Besserung sorgen, sehr zum Leidwesen der jungen Architekten, die sich - anders als die YBAs - mehr schlecht als recht mit Kleinstaufträgen über Wasser halten. Von ihnen stammen einige der schrägen Laden-, Bar- und Restaurantumbauten, die der gegenwärtigen Londoner Architekturszene einen Hauch von Cool Britannia verleihen. Sonst jedoch dominiert fast allenthalben Phantasielosigkeit, selbst wenn der dank James Bond nun auch ausserhalb Englands bekannt gewordene, nachts mit seiner silbrig schimmernden Kuppel und den rot glühenden «Landestegen» zum Ufo mutierende Millennium Dome von Grossmeister Richard Rogers durchaus Emotionen wachrufen kann.

Frostiges Architekturklima

Doch vermag auch der Dome, für den sich sogar Stars wie Zaha Hadid als Innendekorateure zur Verfügung stellen, nicht dem Vergleich mit der am Südufer der Themse ihrer baldigen Eröffnung entgegenstrahlenden Tate Modern von Herzog & de Meuron standzuhalten. In der gegenwärtigen Krise der etablierten britischen Architektur sucht selbst die einst durch die exzentrischen High-Tech-Visionen von Archigram geprägte Architectural Association (AA), immerhin eine der führenden Architekturschulen weltweit, vermehrt bei Kontinentaleuropäern Inspiration: Nachdem sie bereits 1996 Peter Zumthors Thermalbad in Vals als Meilenstein zelebriert hatte, lässt sie zurzeit das wohl interessanteste Berliner Büro, Sauerbruch & Hutton, im hauseigenen Ausstellungssaal zu Wort kommen. In einer mitunter geradezu an Lohse gemahnenden Installation präsentieren die einstigen AA-Absolventen neben ihren bisherigen Hauptwerken, dem Berliner GSW-Hochhaus und dem Photonik-Zentrum, auch ihre neusten Projekte in Form von Plänen, Zeichnungen und etwas bizarren 3-D-Darstellungen: das Bundesumweltministerium in Dessau, eine Polizeiwache in Berlin, eine Fabrik in Magdeburg sowie zwei Londoner Wohnhäuser.

Die von Koryphäen wie Foster oder Rogers und einigen Grossunternehmern dominierte britische Architektur ist gegenwärtig derart ausgelaugt, dass für die Jury, die vor wenigen Tagen den begehrten Stirling Prize des Royal Institute of British Architects zu vergeben hatte, nur zwei Bauten ernsthaft zur Debatte standen: das modisch spektakuläre Retro Piece des über dem Lord's Cricket Stadium schwebenden Medienzentrums von Future Systems (NZZ 25. 11. 99) sowie das einem komplexen Minimalismus verpflichtete, John Soanes Raumgefühl mit der Materialsinnlichkeit der Neuen Einfachheit verbindende River and Rowing Museum in Henley-on- Thames von David Chipperfield - beides vergleichsweise preisgünstige Bauten, die für sogenannt konservative Auftraggeber realisiert wurden. Schliesslich fiel die Wahl auf Future Systems. Das hat wohl auch damit zu tun, dass man sich in Grossbritannien selbst dann noch an die High- Tech-Heilsbotschaft klammert, wenn sie - wie im Fall des preisgekrönten Medienzentrums - längst ironisch gebrochen wird.

Von seinen architektonischen und urbanistischen Qualitäten her kann das harmonisch in die Flussauen der Themse eingebettete River and Rowing Museum in Henley aber durchaus mit dem Medienzentrum rivalisieren, auch wenn es mit seinen steilen Giebeldächern und der das Obergeschoss umhüllenden Holzverkleidung zunächst eher etwas traditionell wirkt. Chipperfield hat das aus zwei parallel angeordneten Baukörpern bestehende Museum, seinen ersten Grossauftrag in England, sorgsam aus den Gegebenheiten des Ortes entwickelt. Doch anders als Terry Farrells etwas flussabwärts im Zentrum von Henley gelegenes postmodernes Hauptquartier der Royal Regatta von 1985, das auf die alten Landsitze am Fluss Bezug nimmt, ist Chipperfields neues Museum ebenso zeitgenössisch wie seine Bauten in Kyoto oder sein gigantisches Projekt für die Berliner Museumsinsel.

Ein Meisterwerk an der Themse

Indem das River and Rowing Museum sich auf massiven Pfeilern über der sumpfigen Flussaue erhebt, verweist es gleichermassen auf die Idee der Urhütte als auch auf die Häuser der Pfahlbauer, womit die Vergangenheit dieser alten Kulturlandschaft schon im Gebäude selbst angedeutet ist. Das in der Art eines Zentempels von einer hölzernen Plattform gerahmte Eingangsgeschoss im Hochparterre ist verglast. Darüber schweben wie umgekehrte Schiffe die an Louis Kahns Kimbell Art Museum erinnernden Galerien, die der Geschichte des Flusses und des Städtchens Henley, vor allem aber dem Rudersport - Henley ist jeweils im Juli Austragungsort der legendären Royal Regatta - gewidmet sind.

Das Museum besitzt auch eine Galerie für temporäre Veranstaltungen, in der zurzeit eine Ausstellung über Chipperfields jüngste Bauten und Projekte zu sehen ist. Der 46jährige Londoner Architekt beschränkte die für ein breites Publikum gedachte Schau weitgehend auf seine überaus attraktiven Holzmodelle. Sie repräsentieren realisierte Arbeiten wie die vieldiskutierte Villa in Berlin-Schöneberg oder das elegante Bürohaus am Düsseldorfer Hafen, aber auch die Entwürfe für ein Theaterzentrum in Bristol, die Friedhoferweiterung in Venedig, den Justizpalast und die Altstadtsanierung von Salerno, das Museum der Weltkultur in Göteborg sowie das Kunstmuseum in Davenport, Iowa. Die Modelle können zwar eine Vorstellung von Chipperfields formalem Erfindungsgeist, nicht aber von seinen Raumerfindungen vermitteln. Hier kommt nun das gleich mit zwei Modellen vorgestellte River and Rowing Museum, Chipperfields bisheriges Chef d'œuvre, als direkt erlebbares Originalexponat zum Zuge. Wer nach einem Rundgang durch das Haus Chipperfields atmosphärische Raumsequenzen auch noch auf einem alltäglicheren, aber nicht weniger gelungenen Niveau kennenlernen möchte, dem sei anschliessend zu einer Besichtigung des japanischen Nudelrestaurants Wagamama an der Lexington Street in London geraten.

[ Die Chipperfield-Ausstellung im River and Rowing Museum in Henley-on-Thames dauert bis zum 12. März; Begleitpublikation £ 18.50. - Die Ausstellung Sauerbruch & Hutton in der AA am Bedford Square dauert bis zum 22. Januar; kein Katalog. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1999.12.11



verknüpfte Bauwerke
River and Rowing Museum

07. Dezember 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Piranesi-Preis an junge Slowenen

Die in Ljubljana tätigen Architekten Jurij Sadar und Boštjan Vuga erhielten am 28. November den Piranesi-Preis 1999. Dieser wird in Erinnerung an den aus...

Die in Ljubljana tätigen Architekten Jurij Sadar und Boštjan Vuga erhielten am 28. November den Piranesi-Preis 1999. Dieser wird in Erinnerung an den aus...

Die in Ljubljana tätigen Architekten Jurij Sadar und Boštjan Vuga erhielten am 28. November den Piranesi-Preis 1999. Dieser wird in Erinnerung an den aus dem slowenischen Piran stammenden Künstler für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Architektur in den Staaten Mitteleuropas verliehen. Obwohl die beiden Architekten erst wenig über 30 Jahre alt sind, gelten sie in Insiderkreisen als die europäischen Newcomer des Jahres. Sie realisierten unter anderem einen spektakulären Bau für die slowenische Handelskammer in Ljubljana und ein gläsernes Kaufhaus in der dortigen Altstadt. Ihre Projekte für die Erweiterung der Nationalgalerie und für einen Sportpalast, beide ebenfalls in Ljubljana, sowie für den slowenischen Pavillon an der Expo 2000 in Hannover zeugen von einer zwischen Retro-Style und High-Tech oszillierenden Innovationsfreude, die gleichermassen den Einfluss der Londoner AA wie des slowenischen Meisterarchitekten Edvard Ravnikar verraten.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 1999.12.07

05. Dezember 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ups and downs

Eben erst durfte das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron in Stockholm den Rolf- Schock-Preis entgegennehmen, da konnte es auch schon offiziell bekanntgeben,...

Eben erst durfte das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron in Stockholm den Rolf- Schock-Preis entgegennehmen, da konnte es auch schon offiziell bekanntgeben,...

Eben erst durfte das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron in Stockholm den Rolf- Schock-Preis entgegennehmen, da konnte es auch schon offiziell bekanntgeben, dass es für die Emanuel-Hoffmann-Stiftung in Basel ein «Schaulager» realisieren wird. Dieser neuartige Bautypus, in dem sich Eigenschaften des Depots mit jenen des Museums vereinen, soll in Münchenstein bei Basel entstehen und auf rund 20 000 Quadratmetern Fläche die modernen und zeitgenössischen Kunstwerke der Stiftung leichter zugänglich machen, die nicht permanent im Kunstmuseum oder im Museum für Gegenwartskunst ausgestellt sind. Der fünfstöckige Kunstbau wird im Sommer 2002 eröffnet werden. Zur gleichen Zeit hätte auch das Blanton Museum of Modern Art der Universität von Texas in Austin, der erste Museumsauftrag von Herzog & de Meuron in den USA, eingeweiht werden sollen. Doch Unstimmigkeiten zwischen den Auftraggebern, die den Entwurf offensichtlich dem amerikanischen Durchschnittsgeschmack anpassen wollten, und den Architekten führten vor wenigen Tagen zum Eklat, worauf die Basler den Vertrag aufkündigten. Das auf seinen Ruf bedachte Büro kann sich diese puristische Haltung erlauben, arbeitet es doch gegenwärtig in den USA an einem viel bedeutenderen Auftrag: dem Neubau des De- Young-Museums in San Francisco. Zudem wird im kommenden Jahr ihr spektakuläres Umbauprojekt für die Tate Modern in London eröffnet. Im Jahr 2003 dürfte dann auch in der Schweiz mit der Erweiterung des Aargauer Kunsthauses ein Museumsbau von Herzog & de Meuron eingeweiht werden, vorausgesetzt, das Projekt nimmt - wie zu hoffen ist - bald die politischen Hürden.

Neue Zürcher Zeitung, So., 1999.12.05

05. Dezember 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Begegnung zweier Klassiker

Als einer der meistbewunderten Architekten unserer Zeit ist der 66jährige Portugiese Alvaro Siza längst nicht mehr nur in seiner Heimat tätig. Seinen Bauten, in denen sich rationale Geometrie und organische Form zur skulpturalen Architektur vereinen, begegnet man heute in halb Europa. Nun stellt Siza sein Schaffen in der Basilica Palladiana von Vicenza zur Diskussion.

Als einer der meistbewunderten Architekten unserer Zeit ist der 66jährige Portugiese Alvaro Siza längst nicht mehr nur in seiner Heimat tätig. Seinen Bauten, in denen sich rationale Geometrie und organische Form zur skulpturalen Architektur vereinen, begegnet man heute in halb Europa. Nun stellt Siza sein Schaffen in der Basilica Palladiana von Vicenza zur Diskussion.

Beim Namen Vicenza kommen Architekturliebhaber leicht ins Schwärmen. Sie denken an das Teatro Olimpico, den Palazzo Chiericati oder an die Villa Rotonda - kurz: an Palladios Meisterwerke, die in ihrer heiteren Pracht und Eleganz eine seltene Gipfelszenerie abendländischer Baukunst markieren. In deren Schatten zu bauen ist nicht einfach. Das musste schon Scamozzi erfahren; und die Architekten unseres Jahrhunderts waren so gelähmt, dass sie überhaupt keine nennenswerten Spuren hinterliessen. Doch statt sich wie andere italienische Städte mit der glorreichen Vergangenheit zu trösten, ergriff Vicenza 1995 die Flucht nach vorn. Seither lädt die Stadt einmal im Jahr zum Dialog zwischen heutigen Architekturpositionen und Palladios hoher Kunst: Hinter den Arkaden der Basilica Palladiana, des einstigen Palazzo della Ragione, veranstaltet sie zusammen mit der Architekturfakultät von Venedig jeden Herbst eine Ausstellung, die jeweils einem zeitgenössischen Architekten gewidmet ist. Darunter befanden sich bisher so bedeutende Figuren wie Ando oder Ungers.


Die Macht der Modelle

Auch der neuste Gast, der 1933 geborene und längst mit allen wichtigen Auszeichnungen seines Fachs dekorierte Portugiese Alvaro Siza, zählt zu den ganz Grossen der Gegenwartsarchitektur. Doch anders als Ungers, dessen jüngste Arbeiten mitunter einen minimalistisch versteinerten Palladianismus durchscheinen lassen, bieten Sizas Bauten - einmal abgesehen vom befremdlich monumentalen portugiesischen Pavillon der Expo 1998 in Lissabon - keinen aufgebrühten Klassizismus. Siza ist denn auch weniger durch formales Nachempfinden als durch seine Haltung Palladio nahe. Wie der Meister aus Vicenza zwischen Manierismus und Barock die Ideale von Antike und Renaissance nochmals zu beleben wusste, so versteht es Siza nämlich, die Quintessenz aus dem Werk der vier Giganten Wright, Loos, Le Corbusier und Aalto zu extrahieren und so der Moderne neue Wege zu eröffnen. Dies jedenfalls ist die verblüffende Einsicht, die einem diese Ausstellung vermittelt. Dabei ist die Schau, die der Architekt dem heimischen Publikum und den staunenden Palladio-Pilgern bereitet hat, nicht eben leicht zu konsumieren. Anders als die Retrospektive von 1995 in Sizas Centro Gallego in Santiago de Compostela muss die Veranstaltung in Vicenza ohne real gebaute Werke auskommen. Zudem setzt Siza, der Verführungskraft der Photographie misstrauend, ganz auf die Macht der Skizzen, Pläne und Modelle und verbannt die Abbildungen, die die Erscheinung eines Gebäudes leicht manipulieren können, in die Erdgeschossgalerie.

Die Exponate werden von Siza auf selbst entworfenen Tischen präsentiert. Diese floaten wie Inseln im gigantischen Salone der Basilica, der einer umgekehrten Arche Noah gleicht und entsprechend schwierig zu bespielen ist. Am Anfang der raumgreifenden Installation steht das längst legendäre, vor vierzig Jahren in Matosinhos entstandene Teehaus, in dem Siza - unter dem Einfluss seines Lehrers Fernando Távora - rationale Geometrie und regionale Tradition mit der organischen Formensprache von Wright und Aalto vermählte und so einen für die neuere portugiesische Architektur wegweisenden Bau schuf. Am Ende des gut 40 Modelle langen Parcours steht der eigenwillige Entwurf für das Kulturzentrum Iberê Camargo im brasilianischen Porto Allegre, dessen Kurven und Rampen an das vor 20 Jahren projektierte Bankgebäude in Vila do Conde und mehr noch an Le Corbusier erinnert, dem Siza schon 1992 mit dem La Tourette verpflichteten Projekt der Câmara Municipal von Evora seine Reverenz erwiesen hatte.

Neben den städtebaulichen Entwürfen für Berlin und Venedig dominieren in dieser Retrospektive die Einzelbauten. Es finden sich aber auch urbanistisch konzipierte Anlagen wie die Architekturschule in Porto. Von diesem in Form eines griechischen Tempelbezirks mit den prominent am Hang placierten «Schatzhäusern» der Lehrgebäude und dem «Theater» der Aula realisierten Schlüsselwerk fehlt hier leider das Modell. Dabei hätte sich an ihm Sizas Komponieren entlang von Achsen ebenso gültig ablesen lassen wie dessen subtile Auseinandersetzung mit dem Kontext und der Topographie eines Ortes oder die durch überraschende Winkel und tief heruntergezogene Wandschürzen betonte Plastizität der zwischen Kubismus, Art déco und klassischer Moderne oszillierenden Baukörper - ja selbst Sizas Vorliebe für jene maskenartigen Fassaden, die seit Cassiano Branco in der portugiesischen Baukunst immer wieder auftauchen. Was aber auch dieses Modell nicht hätte vermitteln können, ist die Lichtregie, die Sizas Bauten in eigentliche Raumerlebnisse verwandelt. Geradezu ins Spirituelle überhöht wird das Tageslicht in der 1995 vollendeten Kirche von Marco de Canavezes, die mit ihren breitschultrigen Eckrisaliten und der extrem überhöhten Zweiflügeltür an den Tempel Salomos gemahnt und allein schon damit einen der erstaunlichsten Beiträge zur Sakralarchitektur des ausklingenden Jahrhunderts darstellt.


Poetische Essenz

Wer Sizas Arbeiten im Original kennt, wird begeistert von einem Modell zum nächsten eilen und diese mit den Plänen und den virtuosen Skizzen, aber auch mit den eigenen Bildern vor dem inneren Auge vergleichen. Die anderen jedoch werden sich wohl etwas irritiert durch die spröde Präsentation kämpfen. Die poetische Essenz von Sizas Architektur lässt sich im Grunde eben weder ausstellen noch in der monumentalen Begleitpublikation einfangen. Über diese Tatsache hinweg trösten allerdings im Erdgeschoss eine Reihe stimmungsvoller Photos sowie ein Video von Sizas Arbeiten, vor allem aber ein Zyklus von intimen Handzeichnungen, die einen bald an den Golf von Lugano, bald über die Altstadt von Prag oder vor die Hochhauskulisse von Macao entrücken. All diesen inszenatorischen Widersprüchen zum Trotz dürfte es schwierig sein, in den nächsten Jahren eine würdigere Schau in die heiligen Hallen der Basilica zu bringen. Dies ist allerdings kein Grund, das Experiment hier abzubrechen. Im Gegenteil: Bedarf doch das zeitgenössische Schaffen des Vergleichs mit den Werken der Vergangenheit - und wo liesse sich dieser Paragone besser durchführen als in der Stadt Palladios? (Bis 30. Januar)


[ Begleitpublikation: Alvaro Siza. Hrsg. Francesco dal Co. Mit einem Essay von Kenneth Frampton. Electa, Mailand 1999. 603 S., L. 120 000.- (in der Ausstellung). ]

Neue Zürcher Zeitung, So., 1999.12.05



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Siza Vieira Álvaro

01. Dezember 1999Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Ein farbiger Fassadenstapel in Ljubljana

Dem modernen Klassizisten Joze Plecnik verdankt Ljubljana viel. Mit Brücken, Markthallen und einem antikisierenden Wehr nobilitierte er den Flussraum der...

Dem modernen Klassizisten Joze Plecnik verdankt Ljubljana viel. Mit Brücken, Markthallen und einem antikisierenden Wehr nobilitierte er den Flussraum der...

Dem modernen Klassizisten Joze Plecnik verdankt Ljubljana viel. Mit Brücken, Markthallen und einem antikisierenden Wehr nobilitierte er den Flussraum der Ljubljanica und verlieh der Universität mit seiner Bibliothek ein Gesicht. Bis heute kommt in Sloweniens Hauptstadt kein Architekt um Plecnik und seine Zeitgenossen Ivan Vurnik und Maks Fabiani herum. Das gilt auch für die jüngsten Stars der Szene, den 36jährigen Jurij Sadar und den 33jährigen Bohtjan Vuga. Bei ihrem bisher wichtigsten Werk, dem neuen Sitz der Handelskammer, zollen sie mit der von Grün bis Orange changierenden, leicht aus dem Lot geratenen Südfassade dem Hang der grossen Meister zum Gesamtkunstwerk Tribut und arbeiten dabei doch ganz zeitgenössisch.

Das Team Sadar & Vuga ist zweifellos ein Phänomen, hat es doch in den vergangenen Jahren fast jeden grossen Wettbewerb im kleinen Land für sich entscheiden können. In cool aufgemachten Jahresberichten dokumentieren sie den Entwicklungsstand ihrer Arbeiten vom roten Fernsehstudio in Nova Gorica über das ufoartige Sportstadion oder die gläserne Erweiterung der Nationalgalerie bis hin zum kürzlich fertiggestellten Warenhaus «Dom Mueller» in Ljubljana mit seiner reflektierenden Moiréhaut. Im Büro reicht dann der bewusst in Prada und in Retrolook gekleidete Vuga Einzelheiten nach, etwa zum slowenischen Pavillon, der mit seiner irritierend sich bewegenden Membran zu einem Highlight der Expo 2000 in Hannover werden dürfte.

Wie überlegt Sadar & Vuga mit den Gewissheiten herkömmlichen Bauens brechen, zeigt ihre von der Londoner AA inspirierte, durch Teamarbeit und Diagramme geprägte Planungsweise, die jedes Gebäude anders erscheinen lässt. Damit passt das 1996 gegründete Büro vorzüglich in die zukunftsorientierte Gesellschaft des jungen Staats. So erstaunt es nicht, dass es mit dem Neubau der Handelskammer den Wettbewerb um den prestigeträchtigsten Bauauftrag Sloweniens für sich entscheiden konnte.

Gemäss dem Credo von Sadar & Vuga, die Bedürfnisse des Auftraggebers in einem Bau zu materialisieren, der mit gezielten Effekten Benutzer und Besucher zu begeistern weiss, entwarfen sie einen «Megastore des Kapitals». Dessen funktionale Identität ist nicht mehr der Maschinenideologie Le Corbusiers verpflichtet, sondern einem auf Austausch, Interaktion und schnellen Zugriff ausgerichteten Network. Kernstück der Anlage bildet daher eine mit ihren irritierenden Perspektiven an Science-fiction-Filme erinnernde Vertikalhalle, um die herum Bibliothek und Vortragssäle angeordnet sind sowie die einem Gang folgenden Büros im Nordteil des Baus.

Möglich wurde dieser futuristische Organismus dank einem Kunstgriff: Sadar & Vuga zogen - virtuell - den Sockel unter der gläsernen Scheibe des Bürotrakts hervor, klappten ihn auf und verbanden ihn mit dem nun etwas abgesunkenen Glashaus. Dadurch verkürzen sich im Innern nicht nur die mittels Treppen, Brücken und Raumschluchten dramatisch inszenierten Kommunikationswege. Aus dieser Lösung resultierte auch eine zur Dimiheva-Strasse hin sich öffnende, nachts wie eine Landepiste erhellte Plaza, die zusammen mit dem Neubau den eigentlichen Kondensationskern des schnell sich wandelnden Quartiers mit seinen Ministeriums- und Fakultätsgebäuden bildet.

Anders als die auf Interaktion ausgerichtete Vertikalhalle wollen die spektakulären Fassaden des aus zwei unterschiedlichen Hälften bestehenden Hauses dem Unternehmen auch nach aussen hin einen effektvollen Auftritt garantieren: Der aus einer Eisenbetonkonstruktion bestehende, achtstöckige Bürotrakt besitzt eine glatte, nach Freud das «männliche» Prinzip verkörpernde Haut, die die Geschosszahl völlig verunklärt. Die halböffentliche Südseite besteht hingegen aus einem Stahlskelett, das sich zu einem chaotischen Stapel farbiger Kisten formt, wobei deren «weibliche» Auskragungen wohl unbewusst auch eine Reverenz an die Bauten Edvard Ravnikars, des Meisters der slowenischen Nachkriegsmoderne, darstellen.

Diese Mehrdeutigkeit auf formaler, materieller und konstruktiver Ebene, die im Innern des Gebäudes noch durch räumliche Durchdringungen gesteigert wird, zeugt ebenso wie die Freude am Effekt von der Innovationslust des Büros. Dass dabei Kontext und Tradition - auch in historischer Umgebung, wie etwa das Warenhaus in Ljubljana zeigt - untergeordnete Rollen spielen, ist typisch für eine Generation von Architekten, die sich im Zeichen des Retrokults wieder für die Tabula-rasa-Ästhetik der unsentimental zukunftsgläubigen Seventies begeistern kann. Wie dem auch sei: Als architektonische Vorreiter des neuen Ostens dürften Sadar & Vuga mit ihrem Schaffen künftig wohl noch für manche Überraschung gut sein.

NZZ-Folio, Mi., 1999.12.01



verknüpfte Bauwerke
Chamber of Commerce and Industry of Slovenia headquarters

19. November 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Hochhäuser für die europäische Stadt

In den ersten Nachkriegsjahrzehnten erlebte die aus den USA importierte Hochhausarchitektur auch in Europa eine kurze Blüte. Ihre geglückteste Ausformung...

In den ersten Nachkriegsjahrzehnten erlebte die aus den USA importierte Hochhausarchitektur auch in Europa eine kurze Blüte. Ihre geglückteste Ausformung...

In den ersten Nachkriegsjahrzehnten erlebte die aus den USA importierte Hochhausarchitektur auch in Europa eine kurze Blüte. Ihre geglückteste Ausformung fanden die schnell zum Fokus einer Neuorientierung der abendländischen Stadt avancierten Türme wohl im Pirelli-Hochhaus von Gio Ponti und in der Torre Velasca von BBPR, die beide in den späten fünfziger Jahren in Mailand entstanden sind. Als Zeichen wirtschaftlicher Dynamik schossen damals Bürotürme in allen Dienstleistungszentren aus dem Boden: in Frankfurt, in London, ja selbst in Zürich. Doch als die Visionen der Planer und Architekten allzu futuristisch wurden, zog man nicht nur an der Limmat die Notbremse; und so wurde aus der zukunftsorientierten Baugattung ein Synonym für die Unwirtlichkeit der Stadt: Frankfurt, dessen Skyline trotz rotgrüner Kritik fröhlich weiter in den Himmel wuchs, wurde fortan abschätzig «Mainhattan» genannt; und in London wetterte Prinz Charles gegen die Zerstörung des Stadtbilds rund um St. Paul's Cathedral. Da hatte es immerhin die Grande Nation besser, verlegte man doch in Paris nach dem Schock von Montparnasse die Hochhauscity kurzerhand in die Défense.


Türme mit Sex-Appeal

Seit Mitte der achtziger Jahre machte sich dann allerdings ganz leise ein Umdenken bemerkbar: Fosters Hongkonger Bankenturm, das Londoner Lloyd's Building von Rogers oder Johnsons New Yorker Lipstick bewiesen, dass Himmelsstürmer auch sexy sein konnten. Bald darauf wurde in dem von städtebaulichen Skrupeln kaum geplagten pazifischen Raum eine neue Runde im Wettstreit um das höchste Haus eingeläutet. Nachdem Fosters Pläne für einen 750 Meter hohen Millennium Tower in Tokio in den Turbulenzen der Wirtschaftskrise untergingen, war es das Boomland Malaysia, das mit Cesar Pellis Petronas Towers einen neuen Rekord aufstellte, den ihm nun Chinas in den Himmel wachsende Städte, aber auch Melbourne und das entthronte Chicago mit neuen Entwürfen streitig machen.

Da bleibt Europa weit abgeschlagen, auch wenn sich die Finanzmetropolen Frankfurt und London in einen Höhenkampf verstrickten, bei dem weder Rotterdam noch die Wiener Donaucity mithalten können. Dafür sind auf dem alten Kontinent architektonisch und urbanistisch interessante Lösungen entstanden: etwa die Doppeltürme am olympischen Hafen von Barcelona oder das RWE-Hochhaus in Essen, die beide keine Skyline nach amerikanischem Vorbild anstreben, sondern wie die Kirch- und Rathaustürme der mittelalterlichen Stadt einen vertikalen Akzent setzen: in Barcelona in einem neugeschaffenen Wohn- und Geschäftsviertel weitab von den historischen Ramblas, in Essen im bisher eher gesichtslosen Zentrum. Der vielleicht von Iwan Leonidows Wolkenkratzerentwurf von 1934 inspirierte, 162 Meter hohe Essener Zylinderbau wurde 1996 zu einer kleinen Sensation, stahl doch das junge Düsseldorfer Büro Ingenhoven, Overdiek und Partner mit ihm sogar Fosters Frankfurter Commerzbank (bei deren Wettbewerb die Düsseldorfer 1991 den zweiten Platz belegten) die Schau. Seither haben Ingenhoven, Overdiek und Partner mehrfach für Schlagzeilen gesorgt, etwa mit dem Entwurf für einen 250 Meter hohen, an Peis Hongkonger China Bank Tower angelehnten Wolkenkratzer für Schanghai.

Nun haben die Düsseldorfer Spezialisten für Geschäftsbauten mit architektonischem Anspruch sogar eine traditionell hochhausfeindliche Hochburg des architektonischen Konservativismus von ihrem Können überzeugen können: München. Die Stadt an der Isar, die mit der Ludwigstrasse die schönste Architekturperspektive und mit dem Königsplatz das klassischste Forum Deutschlands besitzt, hatte sich nach der Fertigstellung des Olympiastadions von der baukünstlerischen Bühne verabschiedet. Seither sind höchstens noch ein durchschnittliches Haus von Richard Meier am Oskar-von-Miller-Ring oder die banale Staatskanzlei am Hofgarten entstanden; und auch die der Vollendung entgegensehende «Pinakothek der Moderne» von Stephan Braunfels dürfte kaum mehr als Münchens Hang zur Repräsentation befriedigen. Einzig der Max-Planck-Neubau des Münchner Büros Graf Popp Streib hinter der Residenz hebt sich in seiner klaren Setzung vom architektonischen Einerlei ab. Er verheisst zusammen mit dem an der noblen Theatinerstrasse entstehenden Hypo-Zentrum von Herzog & de Meuron baukünstlerischen Aufschwung.


Ein leuchtendes Glashaus an der Isar

Es ist ebenfalls die Hypobank, die Ingenhoven den Auftrag für ein Hochhaus mit Randbebauung am Georg-Brauchle-Ring erteilte. Hundert Meter hoch sollte das Haus ursprünglich werden - einem ungeschriebenen Gesetz folgend, dass kein Neubau die Türme der Frauenkirche überragen sollte. Nun wird aber das unweit des längst zum Wahrzeichen des modernen München avancierten Olympiazelts geplante Hochhaus acht Kilometer vom historischen Zentrum entfernt zu stehen kommen. Deshalb gab die Stadt schliesslich einem 146 Meter hohen Gebäude ihr Plazet; und die Stadtgestaltungskommission plädierte gar für mehr als 150 Meter. Da nun die vertikale Schallmauer durchbrochen war, riskierten die Architekten auch noch die Alternativen eines 168, eines 205 und eines 263 Meter hohen Turms, wobei sich zeigte, dass bezüglich Rhythmus und Proportionierung die mittlere Variante von 205 Metern, die der doppelten Höhe des zwei Kilometer entfernten BMW-Vierzylinders von Steidle und Thut aus dem Jahre 1972 entspricht, die ideale wäre.

Das veranschaulicht nun eine attraktive kleine Ausstellung in der Münchner Architekturgalerie anhand von Plänen, Modellen und suggestiven Photomontagen. Die durch einen handlichen Katalog dokumentierte Schau gibt eine Vorstellung von den ästhetischen Qualitäten des Projekts, aber auch von dessen technischen Aspekten. Dabei gibt sich der ökologisch durchdachte Entwurf als ein Zwilling des GSW-Hochhauses von Sauerbruch & Hutton in Berlin (NZZ, 3. 9. 99) zu erkennen. Nur dass das bunte Berliner Hochhaus mit dem Retro-Charme der fünfziger Jahre kokettiert, während das «intelligente Hochhaus» von Ingenhoven, Overdiek und Partner, das durch zwei aus der aufgeständerten Druckkonstruktion resultierende Wespentaillen rhythmisiert wird, die Proportionen einer klassischen Säule wahrt und sich mit seiner silberglänzenden Transparenz einer zeitlosen Eleganz verpflichtet weiss.

Die Reaktionen der Ausstellungsbesucher zeugen von einer neuerwachten Liebe der Münchner zum Hochhaus. Diese ist durchaus vergleichbar mit der Entwicklung im einst ähnlich hochhausfeindlichen Zürich. Nur kann man die bereits mehrfach vorgeschlagene Idee eines Glasturms hinter dem Zürcher Hauptbahnhof weder formal noch urbanistisch mit Ingenhovens Entwurf vergleichen, nicht zuletzt weil der massige Zürcher Bau das Gleichgewicht des kleinteiligen Quartiers stören würde. Ganz anders sähe es allerdings auf dem Hardturm-Areal aus, für das kein Geringerer als Rem Koolhaas eine veritable Skyline entworfen hat. Mit deren Realisierung wäre dann die Limmatstadt nicht nur der Isarmetropole um eine Nasenlänge voraus.


[ Die Ausstellung in der Architekturgalerie an der Türkenstrasse 30 in München ist bis zum 11. Dezember täglich ausser sonntags zugänglich. Katalog: Hochhaus am Olympiapark. Hrsg. Ingenhoven, Overdiek und Partner. Eigenverlag, Düsseldorf 1999. 72 S., DM 28.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.11.19

09. November 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Palladio und Collage City

Mit einer gewagten Gegenüberstellung von Palladios Villa Malcontenta und Le Corbusiers Villa Stein-de-Monzie machte er 1947 als junger Mann schon von sich...

Mit einer gewagten Gegenüberstellung von Palladios Villa Malcontenta und Le Corbusiers Villa Stein-de-Monzie machte er 1947 als junger Mann schon von sich...

Mit einer gewagten Gegenüberstellung von Palladios Villa Malcontenta und Le Corbusiers Villa Stein-de-Monzie machte er 1947 als junger Mann schon von sich reden: der am 27. März 1920 im englischen Rotherham geborene Architekturhistoriker Colin Rowe. Später sollte Rowe, der unter Rudolf Wittkower am Warburg Institute in London studiert hatte, zu einem der einflussreichsten Architekturlehrer der zweiten Jahrhunderthälfte werden. James Stirling wurde von ihm ebenso geprägt wie die New York Whites, von denen heute Peter Eisenman und Richard Meier die bekanntesten Vertreter sind. In den fünfziger Jahren schloss er sich in Austin als Dozent an der University of Texas den rebellischen «Texas Rangers» an und wurde gefeuert, kehrte aber nach einem Lehrauftrag an der Cambridge University in die USA zurück. Während seiner von 1962 bis 1990 dauernden Lehrtätigkeit an der Cornell University in Ithaca, N. Y., legte der stark von der Renaissance geprägte Rowe zunächst das Schwergewicht auf die formalistische Analyse, die es ihm ermöglichte, entgegen dem Credo der Avantgarde die klassische Moderne in der architektonischen Tradition zu verankern. Doch bald schon führte ihn - zum Verdruss einiger seiner einstigen Schüler und Anhänger - die Auseinandersetzung mit der gewachsenen Stadt über den Formalismus hinaus zu einem neuen Interesse am gebauten Kontext. Daraus resultierte die zusammen mit Fred Koetter verfasste Schrift «Collage City», die, zu einem internationalen Standardwerk geworden, von Bernhard Hoesli betreut und von Birkhäuser/gta publiziert auf deutsch bereits in der fünften Auflage vorliegt. Der für seine Verdienste 1995 mit der «Gold Medal» des Royal Institute of British Architects geehrte Colin Rowe ist nun kurz vor seinem 80. Geburtstag am 5. November in Arlington, Virginia, an einem Herzversagen gestorben.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 1999.11.09

16. Oktober 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wie zwei Eisberge am Golf von Biskaya

Vor zwei Jahren gönnte sich die baskische Metropole Bilbao mit dem Guggenheim-Museum ein neues Wahrzeichen. Nun besitzt seit einigen Wochen auch die Nachbarstadt San Sebastián einen Neubau von internationalem Rang: den Palacio Kursaal. Das gläserne Gebäude des spanischen Meisterarchitekten Rafael Moneo setzt einen mutigen Akzent ins gründerzeitliche Stadtgebilde.

Vor zwei Jahren gönnte sich die baskische Metropole Bilbao mit dem Guggenheim-Museum ein neues Wahrzeichen. Nun besitzt seit einigen Wochen auch die Nachbarstadt San Sebastián einen Neubau von internationalem Rang: den Palacio Kursaal. Das gläserne Gebäude des spanischen Meisterarchitekten Rafael Moneo setzt einen mutigen Akzent ins gründerzeitliche Stadtgebilde.

Vor zwei Jahren gönnte sich die baskische Metropole Bilbao mit dem Guggenheim-Museum ein neues Wahrzeichen. Nun besitzt seit einigen Wochen auch die Nachbarstadt San Sebastián einen Neubau von internationalem Rang: den Palacio Kursaal. Das gläserne Gebäude des spanischen Meisterarchitekten Rafael Moneo setzt einen mutigen Akzent ins gründerzeitliche Stadtgebilde.

Gibt es ein schöneres Seebad als San Sebastián? An der Küste des Golfs von Biskaya spielt zwar das Wetter nicht immer mit, dafür sorgt es für jenes üppige Grün, das man in Spanien sonst vermisst. Die einzigartige Landschaft wird noch überhöht durch das Weichbild der Stadt: Wähnt man sich an der weit geschwungenen, durch einen Inselberg vom offenen Ozean geschützten Bahía de la Concha mitunter an den Quais von Genf, so evozieren die an den Steilhängen klebenden Villen den Belle-Epoque-Charme des Vierwaldstättersees oder des Borromäischen Golfs; und das nach dem grossen Brand von 1813 weitgehend neuerbaute Zentrum atmet noch heute den Geist des 19. Jahrhunderts. Zu Recht geniessen denn auch die von Antonio de Cortázar in einem orthogonalen Raster angelegten, durch Parkanlagen aufgelockerten Quartiere rund um das 1887 als Kasino errichtete Rathaus und das Teatro Victoria Eugenia das Attribut einer «romantischen Stadt». Die 1915 an der Mündung des Urumea erstellte Zurriola-Brücke führt hinüber zum Stadtteil Gros, dessen kurz nach dem Brückenschlag entstandene Atlantikkulisse an Nizzas Promenade des Anglais erinnert. Hier, zwischen Fluss und Strand, findet sich seit kurzem eine höchst eigenwillige Architektur: der Palacio Kursaal des Spaniers Rafael Moneo.


Städtebauliche Identifikationsfigur

Das aus zwei leicht geneigten, eisblauen Glasblöcken bestehende Gebäude, das Ende September anlässlich des Filmfestivals erstmals im internationalen Rampenlicht stand, verkörpert gleichsam die Antithese zur Stadt der Gründerzeit und ist als Moneos neustes Meisterwerk das unterkühlte Gegenstück zu seinem grossartigen Antikenmuseum in Mérida. Trotz der abstrakten Form evoziert dieses doppelte Glashaus immer neue Bilder: Bei Tag glaubt man in ihm zwei gestrandete Eisberge, bei Nacht japanische Papierlampen zu erkennen. Moneo selbst betont, der Ort habe ihm die Form eingeflüstert, und verweist auf die ins Meer vorspringenden Berge. Interpretierte er vor dreissig Jahren noch mit dem am Fluss gelegenen Urumea-Wohnblock subtil den architektonischen Kontext, so suchte er nun beim Kursaal den Dialog mit dem Ort. Ähnlich wie dem als Felsenriff im Häusermeer von Barcelona schwimmenden Diagonal-Gebäude eignet den Glaskörpern daher etwas Geologisches. Indem Moneo sie «nicht zur Stadtstruktur, sondern zur Landschaft» in Bezug setzte, war es ihm möglich, die Uferlinie von Gros als Stadtkante zu bewahren.

Auf diese Weise kann sich der frei am Wasser stehende Kursaal wie eine autonome Skulptur in Szene setzen. Dem weithin sichtbaren Baukomplex kommt zudem - wie die Bezeichnung «Kursaal» antönt - die Aufgabe zu, an jene mondänen Zeiten des Ferienorts zu erinnern, als Königin María Cristina den Sommer über jeweils im Miramar-Palast residierte. Der dadurch ausgelöste Tourismusboom gipfelte 1921 im Bau eines neuen, «Kursaal» genannten Kasinos am Zurriola-Strand. Die glamourösen Tage des Glücksspiels fanden aber 1925 unter Primo de Rivera ein abruptes Ende. Aus dem Kasino wurde ein Theater und schliesslich ein Kino, das man 1972 zugunsten eines nie über die Fundamente hinausgediehenen Neubaus abriss. Der «Schandfleck» und die wehmütige Erinnerung veranlassten 1989 die Stadtregierung zur Ausschreibung eines Wettbewerbs für ein neues Kursaal-Gebäude, in dem das 1953 gegründete und bisher im Victoria- Eugenia-Theater untergebrachte Filmfestival und die seit 1966 durchgeführten Jazztage eine Bleibe finden sollten. Der Herausforderung des prominenten Bauplatzes stellten sich damals auch Grössen wie Botta oder Foster. Doch wusste Moneo, der sich bereits zuvor den Bau des neuen Auditoriums von Barcelona gesichert hatte, die Jury zu überzeugen. Nach einigen Verzögerungen konnte 1995 mit dem Bau begonnen und dieser im vergangenen August eingeweiht werden.


Gegenstück zum Opernhaus von Sydney

Die im Volksmund «los cubos» genannte Kulturbastion ist eine minimalistische Antwort auf das ebenfalls aus zwei Körpern über einem Sockelbau komponierte Opernhaus von Sydney. Auch wenn sich der Kursaal diskreter gibt als der Geniestreich von Moneos einstigem Lehrer Jørn Utzon, stellt er in seiner Klarheit und Konsequenz doch eine vergleichbare städtebauliche Identifikationsfigur oder eben ein «edificio-talismán» dar. Die gigantischen Stahlkonstruktionen lasen sich wie eine Antwort auf Eduardo Chillidas Windkämme an den sturmumtosten Küstenfelsen des Igeldo, bevor Hüllen aus gewellten Glasplatten wie eines jener quer plissierten Kleider von Issey Miyake darübergestülpt wurden. Wie gewagt das leicht dekonstruktivistisch angehauchte Projekt war, zeigte sich erst, als während des Baus die monumentale Freitreppe einstürzte. Dabei gilt Moneo, der 1937 in Tuleda in der Nachbarprovinz Navarra geboren wurde, als Meister seiner Zunft - auch wenn sein Schaffen vom Jahrhundertbau in Mérida über den neomaurischen Flughafen von Sevilla bis hin zur spröden Einfachheit des Auditoriums von Barcelona immer wieder starken Schwankungen unterlag. Gerade sie beweisen jedoch, dass ihm Architektur niemals nur intellektuelle Spielerei bedeutete, sondern ein stetes Ringen mit Bauprogramm und Ort.

Die aussen und innen verglasten Stahltragwerke bergen die holzverkleideten Betonkörper eines 1850 Personen fassenden Auditoriums und eines multifunktionalen Kongresssaals. Im Sockelgeschoss darunter, das sich mit einem Restaurant zum Urumea und mit einigen Geschäften zur Avenida hin öffnet, befinden sich zudem Ausstellungs- und Versammlungsräume, Cafeteria, Bankettsaal und Tiefgarage. Der mit seinen ornamentalen Natursteinmauern im Stil der fünfziger Jahre und den diskreten Wright-Zitaten wie die konkrete Basis eines abstrakten Überbaus erscheinende Sockel öffnet sich strassenseitig zwischen den Geschäften zu einem niedrigen Eingangsbereich. Er bietet zwar Schutz vor Sturm und Regen, würde aber eher zu einer Messe als zu einem Kulturpalast passen. Dennoch kommt dieser düsteren Zone eine architektonische Aufgabe zu, soll sie doch das erschlagende Raumerlebnis des 22 Meter hohen und 60 Meter tiefen Foyers dramatisch steigern. Diese vom hölzernen Klangkörper des Auditoriums und von japanisch inspirierten Glaswänden begrenzte, lichtdurchflutete Halle gewährt - ähnlich wie das Luzerner KKL - durch gezielt angebrachte Öffnungen Panoramablicke: bald auf das kantabrische Meer, dann wieder auf die Aussichtsplattform über dem Sandstrand. Freitreppen, Rampen und Passerellen führen in den wie ein Schiff in der Werft aufgestapelten Musiksaal, dessen schachtelartiger, ganz in Holz gehaltener Innenraum nach neusten akustischen Erkenntnissen ausgestattet wurde.


Neues Selbstverständnis

Die gegenwärtig von Pop und Modern Dance bis Kurt Weill reichende Programmierung des Kursaals lässt vermuten, dass hier - ähnlich wie bei Gehrys Guggenheim-Museum im benachbarten Bilbao - die Form wichtiger ist als der Inhalt. Schon jetzt sind die «Kuben» das neue Wahrzeichen der durch ein einzigartiges städtebauliches Ensemble, aber nur durch wenige prominente Einzelbauten geprägten Stadt. Ist der Kursaal von der Lage her mit dem 1893 im englischen Landhausstil errichteten Miramar-Palast vergleichbar, so übertrifft seine architektonische Bedeutung sogar den 1929 von José Manuel Aizpurúa vollendeten Segelklub, der als einziges Gebäude Spaniens in die legendäre New Yorker International- Style-Schau Einlass fand. Mit diesem architektonischen und urbanistischen Bekenntnis zur Zukunft der Stadt dürfte es San Sebastián - dem baskischen Donostia - gelingen, künftig eher mit Kultur als mit Terroranschlägen in Verbindung gebracht zu werden.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1999.10.16



verknüpfte Bauwerke
Palacio Kursaal

14. Oktober 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

«Borromania» am Ceresio

Die dem jungen Borromini gewidmete Schau im Museo cantonale d'arte in Lugano zählt mit ihrem hohen wissenschaftlichen Anspruch zu den schwierigeren Architekturausstellungen...

Die dem jungen Borromini gewidmete Schau im Museo cantonale d'arte in Lugano zählt mit ihrem hohen wissenschaftlichen Anspruch zu den schwierigeren Architekturausstellungen...

Die dem jungen Borromini gewidmete Schau im Museo cantonale d'arte in Lugano zählt mit ihrem hohen wissenschaftlichen Anspruch zu den schwierigeren Architekturausstellungen der vergangenen Jahre. Dass ausgerechnet sie breite Besucherkreise anlocken würde, hätte an der Vernissage niemand zu prophezeien gewagt. Es liegt wohl an Mario Bottas verführerischem Holzmodell von San Carlino, dass schon in den ersten drei Wochen mehr als 50 000 Besucher in die Ausstellung drängten. Gleichsam als Fortsetzung dieser Schau versteht sich die Ausstellung über die «Magistri ticinesi di Bissone» im Oratorio di San Rocco in Bissone, mit der sich der Borgo am Ceresio, in dem Borromini vor 400 Jahren geboren wurde, als Wiege grosser Künstler feiert.

Im Zeichen der allgemeinen «Borromania» zieht diese kleine, informative Schau, die eigentlich für ein lokales Publikum gedacht war, nun ebenfalls Scharen von Besuchern an. Eine kurze Einleitung thematisiert das soziokulturelle Phänomen der seit dem Mittelalter europaweit tätigen Tessiner Künstler und Architekten. Daneben bieten historische Stiche der römischen Hauptwerke Borrominis gleichsam eine visuelle Erweiterung der Luganeser Frühwerk-Ausstellung. Vier Videos beschwören ausserdem in einem endlosen Bilderreigen das künstlerische Potential des einstigen Fischerdorfs. Schon im 15. Jahrhundert brillierten Domenico Gagini und sein Sohn Antonello als Bildhauer in Palermo. Als virtuoser Maler in der Nachfolge Van Dycks war Valerio Castello, ein Zeitgenosse Borrominis, in Genua tätig. Wenig später begab sich Carpoforo Tencalla über Bergamo ins Habsburgerreich, wo er als Erneuerer der Freskenmalerei bedeutende Zyklen für die Schlösser Esterhazy in Eisenstadt und Trautenfels in Pürgg sowie für mehrere Wiener Kirchen schuf.

Zu erwähnen wären noch viele andere Künstler aus Bissone, die in Spanien und Russland, in Sizilien und Skandinavien ihr Glück suchten - von den Renaissancearchitekten Battista da Bissone und Bernardino Furlano bis hin zu Giacomo Pario, Giovanni Falconi, Stefano Maderna oder Santino Bussi. Die Ausstellung, als deren Begleitpublikation das soeben erschienene Bändchen «Bissone» der Schweizerischen Kunstführer dienen kann, gibt eine Vorstellung von der «Emigrazione artistica» und vermag als «virtuelle Kunstreise» die Luganeser Borromini-Schau auf leichtverständliche Art zu ergänzen.


[ Bis 18. Dezember, Dienstag bis Freitag 13.00-17.30 Uhr; Samstag und Sonntag 10.00-16.00 Uhr. - Ivano Proserpi: Bissone (ital. mit dt. und engl. Zusammenfassung). Schweizerischer Kunstführer GSK. Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 1999. 56 S., Fr. 11.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 1999.10.14

05. Oktober 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die besten Einfamilienhäuser

Zur «Förderung von Architektur und Baukunst» initiierte die in Hamburg ansässige Reiner- Stiftung jüngst den «Architekturpreis Einfamilienhäuser», der...

Zur «Förderung von Architektur und Baukunst» initiierte die in Hamburg ansässige Reiner- Stiftung jüngst den «Architekturpreis Einfamilienhäuser», der...

Zur «Förderung von Architektur und Baukunst» initiierte die in Hamburg ansässige Reiner- Stiftung jüngst den «Architekturpreis Einfamilienhäuser», der künftig alle zwei Jahre für neue Bauten in Deutschland, Österreich und der Schweiz vergeben werden soll. Aus den rund 500 für die erste Vergabe eingereichten Arbeiten wählte die Jury 34 Werke aus. Diese werden im Sammelband «Die besten Einfamilienhäuser» vorgestellt. Die Publikation kann allerdings bei weitem nicht das ganze Spektrum des zukunftsweisenden zeitgenössischen Einfamilienhausbaus abdecken, denn die ganz grossen Architekten verzichteten - wie nicht anders zu erwarten war - auf eine Teilnahme an diesem Preisausschreiben. So sucht man denn auch in der Zusammenstellung innovative Meisterwerke wie das Haus Rudin in Leymen von Herzog & de Meuron vergeblich. Das Preisgeld von insgesamt 21 000 Mark geht zu gleichen Teilen an zwei Schweizer und ein Münchner Architektenbüro. Preisträger sind die Zürcher Angélil, Graham, Pfenninger, Scholl mit einem minimalistischen Holzkubus in Horgen, die Luganesen Giraudi & Wettstein mit einer Alvaro Sizas Bauten verwandten Villa im Sottoceneri sowie Heil & Aichele aus München mit einem in seiner Einfachheit an eine Kinderzeichnung erinnernden Haus in Regensburg. Die Preise werden am 5. Oktober in Hamburg überreicht.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 1999.10.05

01. Oktober 1999Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Das Haus als riesiges Holzmöbel

An einen Japanischen Tempel erinnert sie entfernt, die 17 Meter hohe Holzwand des neuen Lehrgebäudes der Schweizerischen Hochschule für die Holzwirtschaft an Biels westlicher Ausfallstrasse.

An einen Japanischen Tempel erinnert sie entfernt, die 17 Meter hohe Holzwand des neuen Lehrgebäudes der Schweizerischen Hochschule für die Holzwirtschaft an Biels westlicher Ausfallstrasse.

Kein Fenster durchbricht diese massstabslose, aus riesigen Paneelen bestehende Nordfassade. Die Westseite der 94 Meter langen Eichenkiste hingegen gleicht sich mit ihren grossen Fensterflächen und den loggienartigen Vertiefungen den Bretterstapeln der nahen Sägerei an. Dennoch fällt das Haus, das die Zürcher Architekten Meili & Peter mit Zeno Vogel und dem Churer Bauingenieur Jürg Conzett am Fuss steiler Jurahöhen realisiert haben, mit seinen gigantischen Dimensionen in der von Fabrikhallen, Wohnblocks und Strassenrampen geprägten Vorstadt aus dem Rahmen. All dem vielen Holz zum Trotz lässt es keine beschauliche Atmosphäre aufkommen.

Doch mit Beschaulichkeit identifiziert sich die Holzwirtschaft schon lange nicht mehr. Da an der Hochschule nicht nur rund 300 Studenten eingeschrieben sind, sondern auch Weiterbildungsseminarien und Workshops durchgeführt werden, lag es nahe, die jüngsten Innovationen auf dem Gebiet der Holzbautechnik im Lehrgebäude selbst zu thematisieren. Der zweibündige Schulbau besitzt einen vom Keller bis zur Attika reichenden monolithischen Erschliessungskern aus Stahlbeton mit Treppenhäusern, Warenlift und Nassbereichen. Daran angedockt sind in sich ausgesteifte Schulzimmertürme, die - auf einem modularen Rastersystem basierend - mit Rammpfählen aus Beton tief im Erdreich verankert sind. Die sechs Holzkörper sind durch Aussenterrassen, die bis zur Erschliessungszone vordringen und diese natürlich belichten, in den drei unteren Geschossen voneinander getrennt, werden im zurückversetzten Attikageschoss dann aber zusammengebunden.

Dem formalen und technischen Experiment des Schulbaus ging im Schaffen der Architekten und des Ingenieurs der vielbeachtete Mursteg in der Steiermark voraus. Resultierte aus dem theoretischen Interesse der Zürcher - Marcel Meili war schon in den achtziger Jahren ein Vordenker der neuen Deutschschweizer Baukunst - bereits die grosse Geste der neuen Perronhallen des Hauptbahnhofs Zürich, so gelang ihnen in Biel neben dem Beweis, dass man hierzulande auch städtisch anmutende Holzbauten realisieren kann, ein urbanistisches Statement: Die alte Anlage, bestehend aus dem 1949 im moderaten Heimatstil erbauten Schulhaus mit Mensa sowie niedrigen Werkhallen und Schuppen, wurde so um einen Flachbau für Verfahrenstechnik und das Schulgebäude ergänzt, dass eine Komposition von unterschiedlich hohen Körpern und von Aussenräumen entsteht, die sehr suggestiv durch Weitungen und Engpässe dynamisiert wird.

Den zentralen Hof fasst nach Osten hin der viergeschossige Schulneubau. Der ganz klassisch in Sockel, Mittelteil und Attika gegliederte Skelettbau ist mit Holztafeln verkleidet, die die Statik illustrieren, der Versteifung dienen und grösstmögliche Fensteröffnungen bieten. Zwei als leicht erhöhte Terrassen ausgebildete Eingangsbereiche führen in den zentralen Erschliessungskorridor, der nach links in das räumliche Prunkstück des Gebäudes führt: das elf Meter hohe, mit der alten Mensa verbundene Foyer. In diesem mit Föhrenholz ausgekleideten Raum wähnt man sich in einer überdimensionalen Holzbox von Donald Judd; selbst die mannshohen Radiatoren und die weissen Trommeln der Beleuchtungskörper wirken wie Minimalskulpturen.

Der schon im Hof angeschlagene, bald surrealistisch wirkende, bald von Durch- und Ausblicken geprägte Wechsel zwischen hoch und niedrig, weit und eng durchzieht als Leitthema das Gebäude bis in die ganz in Holz gehaltenen und dennoch eleganten Schulzimmer und bis ins Attikageschoss. Dort gelangt man aus den lichten Büros und der Bibliothek auf die schmalen Terrassen unter dem auskragenden Dach hoch über der Peripherie der Stadt.

NZZ-Folio, Fr., 1999.10.01



verknüpfte Bauwerke
Schweizerische Hochschule für die Holzwirtschaft

01. Oktober 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Halb Ufo und halb Seifenblase

Peking ist heute - 50 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China - nicht mehr die verschlossene Metropole von einst. Die Öffnung der letzten Jahre...

Peking ist heute - 50 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China - nicht mehr die verschlossene Metropole von einst. Die Öffnung der letzten Jahre...

Peking ist heute - 50 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China - nicht mehr die verschlossene Metropole von einst. Die Öffnung der letzten Jahre manifestiert sich zunehmend auch in der Architektur. Vor drei Monaten fand in der Grossen Halle des Volkes am Platz des Himmlischen Friedens ein internationaler Architektenkongress statt, an dem Stars aus aller Welt über die Stadt der Zukunft debattierten. Und nun wurde rechtzeitig auf den 1. Oktober bekanntgegeben, dass an diesem Platz der Neubau der Chinesischen Nationaloper errichtet werden soll.

Die schon kurz nach der Schaffung des Tiananmen-Platzes diskutierte Idee eines neuen Opernhauses war von der Regierung 1997 wieder aufgenommen worden. Im vergangenen Jahr schrieb sie einen international geladenen Wettbewerb aus, an dem sich etwa gleich viele chinesische wie ausländische Architekten beteiligten. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, heisst - sehr zur Überraschung der vor der Entscheidungsfindung der Jury siegessicheren chinesischen Architektenschaft - der Preisträger Paul Andreu. Der 1938 in Bordeaux geborene Pariser Architekt, der bisher weniger als Vordenker, denn als Macher aufgefallen ist, zählt zwar nicht zu den Stars der französischen Baukunst, doch hat er sich mit seinen Bauten für den Flughafen Charles-de-Gaulle - etwa den TGV-Bahnhof - und als Partner von Spreckelsen an der Grande Arche einen Namen als Realisator grosser Bauten gemacht.

Diese Erfahrung wird ihm in Peking zweifellos zugute kommen. Denn das von ihm entworfene Projekt einer flach in einem künstlichen See gelegenen Schale aus Titan und Glas - halb Ufo und halb Seifenblase - hat gigantische Dimensionen. Der auf rund 500 Millionen Franken veranschlagte Neubau, der eine Oper, einen Konzertsaal und zwei kleinere Theater umfasst, soll dank einem Bautempo, wie man es bisher nur von Hongkong und Schanghai her kannte, bereits im Jahr 2002 eingeweiht werden. Dann wird dieser erste westlich inspirierte Monumentalbau Pekings im chinesisch-konservativ geprägten Ambiente zwischen der Grossen Halle des Volkes und den Mauern der verbotenen Stadt am Tiananmen zum Symbol der Öffnung, der Internationalisierung und einer an westlichen Vorbildern inspirierten Modernisierung einer lange auf chinesische Werte verpflichteten Gesellschaft.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.10.01



verknüpfte Bauwerke
Grosses Nationaltheater

20. September 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Borromini-Feier in Rom

Borromini-Feier in Rom. Rechtzeitig zum 400. Geburtstag des grossen Tessiner Barockarchitekten Francesco Borromini am 27. September können in Rom die durch...

Borromini-Feier in Rom. Rechtzeitig zum 400. Geburtstag des grossen Tessiner Barockarchitekten Francesco Borromini am 27. September können in Rom die durch...

Borromini-Feier in Rom. Rechtzeitig zum 400. Geburtstag des grossen Tessiner Barockarchitekten Francesco Borromini am 27. September können in Rom die durch Schweizer Gelder ermöglichten Restaurierungsarbeiten an seinem genialen und für den Barock nördlich der Alpen wegweisenden Jugendwerk, der Kirche San Carlo alle Quattro Fontane, abgeschlossen werden. Am Freitag, 24. September, wird das in neuem Glanz erstrahlende Gotteshaus von Bundespräsidentin Ruth Dreifuss und der italienischen Kulturministerin Giovanna Melandri eingeweiht werden.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 1999.09.20

03. September 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Eine Stadtcollage in Kreuzberg

Während die beiden Berliner Bauskulpturen von Daniel Libeskinds Jüdischem Museum und Zvi Heckers Galinski-Schule sogleich internationale Anerkennung fanden, hielt die Kritik gegenüber dem potemkinschen Baugeschehen in Berlin-Mitte mit Tadel nicht zurück. Jetzt aber ist in Kreuzberg mit dem Neu- und Erweiterungsbau des GSW-Hauptsitzes von Sauerbruch und Hutton ein Bürohaus von internationaler Ausstrahlung entstanden.

Während die beiden Berliner Bauskulpturen von Daniel Libeskinds Jüdischem Museum und Zvi Heckers Galinski-Schule sogleich internationale Anerkennung fanden, hielt die Kritik gegenüber dem potemkinschen Baugeschehen in Berlin-Mitte mit Tadel nicht zurück. Jetzt aber ist in Kreuzberg mit dem Neu- und Erweiterungsbau des GSW-Hauptsitzes von Sauerbruch und Hutton ein Bürohaus von internationaler Ausstrahlung entstanden.

Nach dem Mauerfall verwandelte sich das Zentrum Berlins fast über Nacht in eine gigantische Baustelle. Jetzt, da ein Grossteil der neuen Häuser steht, macht sich Ernüchterung breit. Denn die von der Sehnsucht nach einer heilen Welt geprägte Stadtreparatur führte nur allzuoft zu schmalbrüstigen Kompromissen. Doch unweit der potemkinschen Blockrandbanalitäten - selbst Aldo Rossi brachte es an der Schützenstrasse nur zu einer verzweifelten Fassadenmaskerade - ist in der südlichen Friedrichstadt eine zukunftsweisende Architekturcollage entstanden. Es handelt sich dabei um den Um- und Erweiterungsbau der gegenwärtig gut 450 Mitarbeiter zählenden Hauptverwaltung der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin (GSW) an der Kochstrasse. Geplant hat diese aus einem alten und einem neuen Hochhaus sowie zwei Flachbauten bestehende, rund 30 000 m² Büro- und Ladenfläche bietende Anlage keiner der an die Spree geladenen Architektenstars, sondern ein 1955 in Konstanz geborener Süddeutscher und seine zwei Jahre jüngere englische Partnerin: Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton.


Tradition des Hochhausbaus

Das an der renommierten Architectural Association in London ausgebildete und seit elf Jahren in Berlin und Grossbritannien tätige Team machte jüngst mit dem Photonik-Zentrum in Berlin- Adlershof Schlagzeilen. Diese innovative Glasarchitektur verrät ihren Glauben an die Stadt genauso wie das GSW-Hauptquartier oder das Haus am Checkpoint Charlie, das Sauerbruch Ende der achtziger Jahre zusammen mit Elia Zenghelis im Rahmen der IBA als Mitarbeiter von Rem Koolhaas' Rotterdamer Ideenschmiede OMA realisierte. Machte Sauerbruch sich damals mit den Eigenheiten des holländischen Architekturdiskurses vertraut, so setzte sich Louisa Hutton im Büro von Peter und Alison Smithson kritisch mit der englischen Nachkriegsmoderne auseinander. Vom beruflichen Werdegang her sind darum den beiden Architekten die Thesen von Le Corbusier ebenso geläufig wie die Theorien des urbanen Chaos und die Ideen der architektonischen Verdichtung oder des kontextuellen Umgangs mit den heterogenen Erscheinungsformen der Grossstadt. Es überrascht deshalb kaum, dass Sauerbruch und Hutton die städtebaulichen Bilder, die sie am Ort der künftigen GSW-Hauptverwaltung vorfanden, als «Konglomerat unterschiedlicher Elemente» akzeptierten, «zum Ordnungsprinzip erhöhten» und mit der Methode der Architekturcollage zu verdichten suchten. In ihrer Analyse berücksichtigten sie die hier sich überlagernden Stadtbilder des Barock, der Gründerzeit und der Nachkriegsjahre ebenso wie die gegenwärtige urbanistische Situation, die aus einer lockeren Bebauung mit verschiedenen Bautypen vom Hochhaus bis zum Hofrandfragment besteht.


Bauen im Kontext

Die regelmässigen Blöcke der nach rationalen Gesichtspunkten angelegten barocken Friedrichstadt wurden im 19. Jahrhundert zu geschlossenen Hofrandanlagen verdichtet. Nach den Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs stellte das 1961, kurz vor dem Mauerbau vollendete Hochhaus des Graphischen Gewerbezentrums von Paul Schwebes und Hans Schloszberger - einem führenden Berliner Architektenteam der Wirtschaftswunderzeit - einen ersten optimistischen Akzent in der fast leergefegten Stadtlandschaft dar. Der isolierte Solitär signalisierte die bewusste Abwendung von der Enge und Geschlossenheit der einstigen Stadt. Gleichzeitig kam er einem weithin sichtbaren Versuch zur Wiederbelebung des alten Medienviertels rund um das legendäre Mosse-Haus von Erich Mendelsohn gleich. Als formale Weiterentwicklung des 1926 von Eugen Schmohl in Tempelhof realisierten Ullstein-Turms erinnerte er aber nicht nur an die Tradition des Berliner Druckwesens, sondern bezog sich auch auf die Architekturgeschichte Berlins.

In den achtziger Jahren übernahm die GSW das Hochhaus des Graphischen Gewerbezentrums mit der Absicht, hier ihren neuen Hauptsitz zu errichten. Der mit dem Bauprojekt beauftragte Helge Pitz schlug 1986 vor, das Turmhaus zu restaurieren und im Sinne der damals im Rahmen der IBA diskutierten «Kritischen Rekonstruktion» mit einer klassischen Blockrandbebauung zu fassen. Doch dem Entwurf erwuchsen Widerstände. Sie führten dazu, dass die GSW 1990 einen Wettbewerb ausschrieb, aus dem Sauerbruch und Hutton vor Benedict Tonon als Sieger hervorgingen. Kernstück ihres Konzepts war das Punkthochhaus von Schwebes und Schloszberger. Dieses war - obwohl in der Tradition der ersten von Schmohl in den zwanziger Jahren über quadratischem Grundriss realisierten Hochhäuser - schnell zu einer typologischen Ausnahmeerscheinung in der südlichen Friedrichstadt geworden: Alle danach in dieser Gegend entstandenen Wolkenkratzer gehören nämlich zum Typus des Scheibenhochhauses.


Typologische und historische Bezüge

Das erste Scheibenhochhaus war das von Axel Springer an der Grenze zu Ostberlin unmittelbar nach dem Mauerbau in Auftrag gegebene und 1966 vollendete Springer-Haus. Fünf Jahre später entstand dann am Landwehrkanal nach Plänen von Prosper Lemoine die 29geschossige Aluscheibe des Postgiroamtes. Auf die Provokation dieser Monumente des westlichen Wirtschaftswunders antwortete die DDR in den Jahren 1972-82 mit dem Bau von vier 25geschossigen Doppelhochhausscheiben. Die nach den Plänen von Joachim Näther und Peter Schweizer an der zum modernsten Boulevard Ostberlins umfunktionierten Leipziger Strasse erstellten Bauten sollten im Sinn eines kämpferischen «Dialogs über die Mauer» nicht zuletzt das 22stöckige, bronzene Springer- Hochhaus in die Knie zwingen.

Unabhängig von ihrem Standort in Ost oder West gleichen sich all diese Hochhäuser insofern, als sie jeweils aus einem Flachbau und einer dazu komponierten Scheibe bestehen. Indem nun Sauerbruch und Hutton das bestehende Punkthaus um eine Scheibe und zwei Flachbauten erweiterten, verknüpften sie es typologisch mit den benachbarten Hochhäusern. Gleichzeitig verankerten sie den Altbau in einem übergeordneten städtebaulichen System, aber auch im Œuvre von Schwebes und Schloszberger, von denen auch das Telefunken-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz und das Zentrum Zoo stammen. In diesen Bauten darf man den Schlüssel zur Konzeption des GSW- Blocks sehen. Ist doch eines der grossen Themen der GSW-Anlage die Neuinterpretation und Weiterentwicklung des Zukunftspotentials der Fünfziger-Jahre-Moderne.

Dieser kreative Umgang mit der Nachkriegsarchitektur, dem architektonischen Kontext und der gebauten Stadt wurde wegen des hochhausfeindlichen Berliner Klimas zunächst kaum verstanden. Doch die GSW erwies sich als vorbildliche Bauherrin, die ihr Projekt gegen alle Widerstände aus Kreuzberg und aus dem Berliner Senat durchboxte. Entstanden ist eine formal virtuose und dennoch sorgfältig ausbalancierte Komposition von alten und neuen Baukörpern, von horizontalen und vertikalen Volumen. Dem massigen Turm von Schwebes und Schloszberger antworten die beiden dreigeschossigen, mit dunkel glasierten Steingutplatten verkleideten Sockelbauten. Obwohl einer davon als leicht geschwungener, zum Eingang hin rhythmisch beschleunigter Flachbau die Kochstrasse fasst, handelt es sich hier nicht um eine sklavische Rekonstruktion des einstigen Blocks. Einzig die aufgesetzte «Pillbox» aus giftig grün bemaltem Wellblech spielt - gefährlich über den Gebäuderand verschoben - mit leichter Ironie auf die umstrittene Berliner Traufhöhe an. Der gleichermassen sinnliche wie theoretisch fundierte Umgang mit Materialien, Farben und Texturen zieht sich von hier als Leitmotiv durch die ganze Anlage hindurch. - Das neurenovierte Punkthochhaus, das einstmals etwas verloren in einer neorealistisch anmutenden Ödnis stand, wird zwar kontrastreich von der transparenten Scheibe und den erdenschweren Sockeln gefasst, bleibt aber von Süden und Osten her weiterhin als freistehender Solitär erkennbar. Das leicht und elegant, ja fast etwas frivol anmutende Scheibenhochhaus bedrängt den Turm nicht. Vielmehr rückt es dessen formale und konstruktive Qualitäten sowie seine fast minimalistische Strenge in ein neues Licht und lässt diesem Architekturdenkmal endlich Gerechtigkeit widerfahren. Die gemeinsame Erschliessung der beiden Hochhäuser im Verbindungsbereich führte zwar zu einer vom architektonisch-ästhetischen Standpunkt aus riskanten Verschmelzung, erlaubte es aber im Gegenzug, die alte Fluchttreppe, die zuvor den Grundriss des Turms verunklärte, zu entfernen und diesen seinem Idealzustand näherzubringen.


Schwebende Scheibe

Spektakulär gibt sich vor allem die seitlich auskragende Scheibe, die auf den beiden Flachbauten wie aufgesetzt scheint. Der Eindruck des Schwebens wird durch den bananenförmigen Grundriss, der dieser Glaskonstruktion die Starrheit älterer Hochhausscheiben nimmt, noch verstärkt. Allerdings ist das scheinbare Wunder der Schwerelosigkeit nur möglich dank der Tragkonstruktion von Ove Arup, die das Riesengewicht des gläsernen Kolosses auf wenigen Stützen und Mauern im Innern der Sockelbauten in die Tiefe führt. Nicht weniger interessant ist das auf einer «Low-Tech-Konzeption bezüglich Heizung, Lüftung und Belichtung» beruhende energetische Programm. Es wird für die Betrachter vor allem in der doppelschichtigen Konvektionsfassade des Glashochhauses sichtbar: In dieser steigt die durch die Sonneneinstrahlung erhitzte Luft auf, saugt - vereinfacht formuliert - eine Brise von der sonnenabgewandten Seite her durch das Gebäude und kühlt und belüftet so die Büros ganz natürlich. Als Zeichen dieser sanften Klimatisierung und als direkter Sonnenschutz der Arbeitsplätze fungieren die an der Westfront zu Dreiergruppen in den Farben Gelb bis Bordeaux angeordneten Lamellen aus Lochmetall, die individuell verstellt werden können. Obwohl die Farbflächen rein intuitiv verteilt wurden, entsteht ein stetig wechselndes Fassadenbild von fast konkreter Wirkung, dem jede preussische Strenge abgeht.


Verantwortung für die Umwelt

An schwülen, sonnenlosen Tagen unterstützt ein flügelartiger Dachaufsatz die Thermik der Konvektionsfassade. Der auskragende Spoiler an der Südwestecke des Gebäudes hingegen dient zum Auffangen der Fallwinde, die an jedem Hochhaus auftreten. Dieses Baudetail, das man an anderen Wolkenkratzern vergeblich sucht, trägt viel zur Annehmlichkeit auf der Charlottenstrasse bei. Aber auch sonst wurde dem Aussenraum viel Aufmerksamkeit geschenkt. Jeder der drei das Grundstück begrenzenden Strassenräume wurde individuell behandelt: Bald weitet sich an der Kantstrasse der Gehsteig, dann wieder tun sich an der Markgrafen- und an der Charlottenstrasse parkartige Freiflächen auf, und Durchgänge locken die Besucher wie selbstverständlich ins Innere. Hat man - vorbei an den Geschäften im Erdgeschoss - von der Koch- oder von der Charlottenstrasse aus die seitlich verglaste Eingangshalle betreten, befindet man sich unter einer expressiv aufgestülpten Dachlandschaft, die aussieht, also ob sich hier zwei tektonische Platten überlagerten. Durch die so entstandenen Oberlichter ergeben sich Ausblicke auf die sich darüber auftürmenden Baukörper.

Irritiert der lange Sockelbau im Innern durch seine fast metaphysischen Gangfluchten, so verführt der grosse Sitzungssaal im Sockelbau an der Charlottenstrasse mit seinem Fünfziger-Jahre- Charme. Verglichen mit der Grosszügigkeit dieses Saals wirken die Räume in der «Pillbox» geradezu verstellt. Denn statt den um einen zentralen Erschliessungskern auf eiförmigem Grundriss geplanten Grossraumbüros entstanden ausgerechnet in dieser «Folly» Kleinbüros. Die einzelnen Etagen des Glashochhauses hingegen wurden für Grossraum- oder für entlang einem Mittelgang aufgereihte Einzelbüros konzipiert, so dass in jedem Fall die Transparenz erhalten bleibt und das Prinzip einer möglichst natürlichen Belüftung und Belichtung nicht beeinträchtigt wird.


Dezentrales Projekt der Expo 2000

Zuoberst auf dem Glashaus findet sich statt der ursprünglich vorgesehenen corbusianischen Dachlandschaft die Haustechnik und das aerodynamische Segel. Dabei wäre dies ein idealer Ort gewesen für einen öffentlichen Raum - eine Sky- Bar etwa. Denn die Sicht von hier oben ist grandios: Man erlebt das Gebäude im Kontext der anderen Hochhäuser und sieht vom Potsdamer Platz über den Reichstag bis hin zum Fernsehturm am Alexanderplatz die Highlights der urbanen Landschaft. Vor allem aber kann man die Blitzform von Libeskinds Jüdischem Museum erkennen. Neben diesem gefeierten Meisterwerk darf sich das GSW-Hochhaus sehen lassen, hat doch diese zukunftsgerichtete und - wie in Kreuzberg kaum anders zu erwarten - ökologisch angehauchte Anlage bereits höchste Weihen erhalten: Als dezentrales Projekt der Expo 2000 in Hannover wird sie die architektonischen, urbanistischen und ökologischen Möglichkeiten der heutigen Metropole und Aspekte einer zeitgemässen, weder nostalgischen noch historisierenden Stadtreparatur veranschaulichen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.09.03



verknüpfte Bauwerke
GSW-Hauptsitz - Neu- und Erweiterungsbau

30. August 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Erinnerungen an die Juden von Hohenems

In anderen alemannischen Landjudengemeinden - etwa in Endingen und Lengnau - lebten mehr jüdische Einwohner als im vorarlbergischen Hohenems. Doch bildete sich dort neben dem Marktstädtchen ein urbanistisch einzigartiges, in seinen Strukturen fast schon an ein Ghetto erinnerndes Stadtdorf, das heute noch von einer bewegten, aber weltoffenen Vergangenheit kündet.

In anderen alemannischen Landjudengemeinden - etwa in Endingen und Lengnau - lebten mehr jüdische Einwohner als im vorarlbergischen Hohenems. Doch bildete sich dort neben dem Marktstädtchen ein urbanistisch einzigartiges, in seinen Strukturen fast schon an ein Ghetto erinnerndes Stadtdorf, das heute noch von einer bewegten, aber weltoffenen Vergangenheit kündet.

Hohenems ist anders. Historisch, kulturell und urbanistisch unterscheidet sich die Kleinstadt von den übrigen Gemeinden Vorarlbergs. Vom kosmopolitischen Geist, der hier einst wehte, zeugen noch immer das Renaissanceschloss, die dichtbebaute Markt- oder Christengasse und die platzartig sich weitende Schweizerstrasse. Die früher Judengasse genannte Strasse war einst Zentrum einer Landjudengemeinde, deren Bewohner bald mit Hausieren, bald mit Handel ihr Brot verdienten. Enge Beziehungen zur Schweiz führten zum Aufbau der Textilindustrie, aber auch zum Entstehen einer jüdischen Gemeinde in St. Gallen. Diese musste den Gottesdienst anfangs noch in der Hohenemser Synagoge feiern, die 1864 vom St. Galler Architekten Felix Wilhelm Kubly für den liberalen Ritus umgestaltete wurde. Nach dem Bau der St. Galler Synagoge durch die Zürcher Chiodera und Tschudy erhielten diese dann den Auftrag zur Erweiterung der palastartigen Villa Iwan Rosenthal in Hohenems.


Geschichtsträchtige Bauten

Im Schatten des 1562 von Martino Longo errichteten Schlosses, das bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts Sitz der Reichsgrafen von Hohenems war, wuchsen allmählich zwei urbanistische Modelle zusammen: das christliche Marktstädtchen mit den kleinen, traufseitig aneinandergebauten Häusern und die jüdische Dorfstadt mit ihren mehrgeschossigen, dicht zusammengerückten Solitären. Deren spätbarocke Prägung geht zurück auf den Grossbrand von 1777, als Teile des ghettoartig engen Viertels im Stil der Zeit wiederaufgebaut wurden. Da in den letzten Jahren einige Häuser abgerissen wurden, ist die Enge kaum mehr spürbar. Geblieben ist die architektonische, urbanistische und soziale Vielfalt. Doch täuscht diese Idylle, denn die im 17. Jahrhundert herbeigerufenen Juden waren hier nur geduldet.

Reichsgraf Kaspar von Hohenems, der den «markt Embs gern geöffnet und befördert» sehen wollte, fasste 1617 den Beschluss, an seiner Residenz Juden anzusiedeln. Im damals ausgestellten Schutzbrief gewährte er ihnen gegen Schutzgelder und Steuern Glaubens-, Bildungs- und Handelsfreiheit. Juden aus Rheineck, Langenargen und aus dem bayerisch-schwäbischen Raum bildeten die erste prosperierende Gemeinde. Obwohl die Plünderungen und Vertreibungen von 1647, 1663 und 1676 zur Gründung einer zweiten jüdischen Siedlung in Sulz führten, lebte in Hohenems um 1700 schon eine sechzigköpfige Gemeinde, die den Bau einer Holzsynagoge erwog. Doch zwang sie das Veto des Landesherrn, den Gottesdienst wie bis anhin in privaten Räumen zu feiern.

Als sich nach der Vertreibung der Sulzer Juden die Hohenemser Gemeinde verdoppelt hatte, wurde deren Handelstätigkeit auf Druck der Vorarlberger Landstände beschränkt, doch warnte das Bregenzer Oberamt 1768 von einer Ausweisung der Juden, da «Ems sonst völlig veröden» würde. Denn dank den von Triest bis Augsburg und Frankfurt reichenden Beziehungen der Händler und Unternehmer - etwa des 1753 mit dem kaiserlichen Hoffaktorpatent ausgestattete Jonathan Uffenheimer - hatte sich der bäuerlich geprägte Marktort in ein Handelsstädtchen verwandelt, von dessen 2000 Einwohnern um 1770 rund 220 jüdisch waren. Nach Schweizer Vorbild eröffnete Benjamin Löwengard in jenen Tagen die erste Baumwollspinnerei, die von Philipp und Josef Rosenthal erworben und zu einem weltweit tätigen Unternehmen ausgebaut wurde. Die zunehmende Toleranz der Obrigkeit erlaubte es der Gemeinde damals, den Vorarlberger Barockbaumeister Peter Bein mit dem Bau einer Synagoge zu betrauen. Der 1770-72 errichtete, von einer Flachtonne mit Deckengemälde überwölbte und durch Bogenfenster und Okuli erhellte Saalbau mit Empore überstand den Grossbrand von 1777 und bildete danach zusammen mit den im ländlich-vorarlbergischen Spätbarock wiedererrichteten Häusern eine stilistische und urbanistische Einheit - ein jüdisches Stadtdorf, das bald über alle wichtigen religiösen und sozialen Einrichtungen verfügte: vom jahrhundertealten Friedhof über die 1829 neuerbaute Mikwe bis zum Armenhaus, das 1872 im ehemaligen Burgauerhaus im Judenwinkel eingerichtet werden konnte.


Frühe Weltoffenheit

Das 1781 von Kaiser Joseph II. unterzeichnete Toleranzpatent und die anschliessende bayrische Verwaltung brachten den jüdischen Bürgern mehr Rechte, aber 1813 auch die berüchtigte «Normalzahl», mit der das Wachstum der Gemeinden beschränkt werden sollte. Die neuen Freiheiten spiegeln sich nicht nur in den damals entstandenen Stadtpalästen der reichen Familien, sondern auch in drei bescheideneren Bauten, die den kleinen Synagogenplatz fassen: Das heute zerstörte Rabbinerhaus war früh schon Wirkungsstätte weitherum bekannter liberaler Rabbiner. Im Sulzerhaus wurde der in Endingen ausgebildete, seit 1826 am Wiener Stadttempel tätige und mit «Schir Zion» zum Erneuerer des Synagogalgesangs gewordene Kantor Salomon Sulzer geboren (1804-90); und das 1832 für Simon Brettauer, den Begründer des gleichnamigen Bankhauses errichtete Brettauer-Haus fand Eingang ins literarische Schaffen von Stefan Zweig, der mütterlicherseits aus dieser Familie stammte.

Die wirtschaftliche Macht lag in den Händen weniger Familien, etwa der Löwengard, Rosenthal, Hirschfeld oder Brentano. Die Mehrheit verdiente ihren Lebensunterhalt als Kleinhändler, von denen einige - etwa die Familie Schwarz - sich im vorigen Jahrhundert zu Bankiers hinaufarbeiten konnten. Solcher Erfolg nährte den Wunsch nach Eingliederung in die bürgerliche Gesellschaft. Da diese nur über Bildung zu erreichen war, wurde kurz nach dem Toleranzedikt die jüdische «Normalschule» gegründet, die dank Lehrkräften aus Wien und Prag bald schon als eine der besten galt und zwischen 1861 und 1896 auch viele christliche Schüler anzog. Parallel zum Wechsel von der Rabbiner- zur Normalschule ging die Reformierung des Gottesdienstes, für die sich schon um 1830 Rabbiner Abraham Kohn stark machte. Kohns Nachfolger Daniel Ehrmann und Simon Popper führten die Liturgiereform fort und beauftragen Felix Wilhelm Kubly 1864 mit dem Umbau der Synagoge: Neben dem neu entworfenen Thoraschrein installierte er die Bima und auf der ehemaligen Frauenempore ein von Salomon Sulzer gestiftetes Harmonium.

Die Säkularisierung förderte das Entstehen des Vereinslebens: 1837 wurde ein Synagogenchor und kurz danach der Museums-Verein für Vorarlberg gegründet. Das bereits 1819 von Jakob Kitzinger aus Pfersee bei Augsburg als «Kaffeeausschank nebst Billard» eröffnete Kaffeehaus Kitzinger, das erste in Vorarlberg, wurde Treffpunkt des sich der Literatur, Kunst und Wissenschaft widmenden Vereins Concordia. Versammlungsort der Sozialdemokraten hingegen war das Gasthaus «Zur frohen Aussicht» der Familie Landauer; und die weitverzweigte Industriellenfamilie Rosenthal pflegte den gesellschaftlichen Kontakt zum liberalen Hohenemser Bürgertum.


Schneller Niedergang

Die Öffnung begünstigte aber auch die Abwanderung. Sie veranlasste den letzten grossen Rabbiner von Hohenems, Aron Tänzer, um 1900 die Geschichte der Gemeinde festzuhalten. Der demographische Aderlass führte 1913 zur Schliessung der Schule und ein Jahr später zur Verlegung des Rabbinats für Vorarlberg und Tirol nach Innsbruck. 1931 bezeichnete dann Theodor Elkan, der letzte Vorsteher der Kultusgemeinde, diese als eine, «die nur noch von den Erinnerungen lebt». Nicht ohne Einfluss auf diese Entwicklung war der im 19. Jahrhundert an die Stelle des christlichen Antijudaismus getretene christlichsoziale und deutschnationale Antisemitismus, der sich gezielt gegen das liberale Lager und die «Judensozis» wandte. Als dann die Nazis 1938 in Österreich die Macht ergriffen, zählte die jüdische Gemeinde Hohenems nur noch 27 Mitglieder.

Die «Reichskristallnacht» überstand die Hohenemser Synagoge als eine der wenigen Österreichs unbeschädigt. 1940 wurde die Jüdische Gemeinde aufgelöst: Synagoge, Rabbinerhaus und Friedhof wurden enteignet, das Silber konfisziert und die zurückgebliebenen Juden nach Wien und anschliessend in die Todeslager deportiert. Um die «Erinnerungsstätten ehemaliger jüdischer Herrschaft in Hohenems» ganz auszulöschen, sollte die Synagoge in eine Schule, ein Kino oder in ein Zeughaus umgewandelt werden. Doch kam es anders, denn nach dem Krieg durfte sie als Synagoge der Displaced Persons genannten jüdischen Überlebenden der Konzentrationslager, die die Franzosen von 1945 bis 1954 in Hohenems betreuten, nochmals eine kurze Blüte erleben. Danach aber baute man die diesmal legal von der neuen Besitzerin, der Israelitischen Kultusgemeinde Innsbruck, erworbene Synagoge - als sollte nun die jüdische Vergangenheit für immer ausradiert werden - wirklich in ein Feuerwehrhaus um und versah sie in einem Akt gezielter Geschichtsfälschung mit einer Tafel, die 1954/55 als Baujahr nennt. Ja, man ging noch weiter und riss - urbanistisch völlig widersinnig - das Rabbinerhaus und zwei andere, das Ensemble prägende Bauten an der Schweizerstrasse ab sowie eines der Rosenthal-Häuser am Eingang zum Judenwinkel, dieses um Platz für die Jakob-Hannibal-Strasse zu schaffen.

Trotz dieser Abbruchwut ist noch immer viel Substanz erhalten: die bescheidenen Rheintalerhäuser ebenso wie die Rosenthalvillen. Sie künden gleich wie der romantische Friedhof oder das ehemalige Bankhaus Schwarz am Schlossplatz von einer Vergangenheit, die immer mehr Menschen, nicht nur die Nachkommen von «Vorarlbergs vergessenen Juden», fasziniert. Auf diese Hohenemser, an die nur noch Bezeichnungen wie Judenviertel, Judenschule oder Judenhäuser erinnerten, wurden die Einheimischen erst wieder 1973 wegen eines Streits um die Zukunft der jüdischen Schule aufmerksam. Drei Jahre später signalisierte dann der Entscheid, mit einer Tafel am Sulzerhaus des grossen Kantors zu gedenken, die endgültige Abwendung von der Politik der «stillschweigenden Vergangenheitsbewältigung».

Die inzwischen zur Stadt gewordene Gemeinde erwarb dann 1984 die arg verwahrloste, 1864 wohl von Kubly für den Baumwollfabrikanten Anton Rosenthal errichtete Villa Heimann- Rosenthal, um sie nach kurzem Hin und Her zum Sitz des Jüdischen Museums Hohenems umzubauen. Das von Roland Gnaiger vorbildlich renovierte und von Elsa Prochazka eingerichtete Haus wurde nach der Eröffnung im April 1991 mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet. Das hier so erfolgreiche Zusammenspiel von historischer und zeitgenössischer Architektur liesse sich auf das ganze jüdische Viertel übertragen, das ebenfalls nach Restaurierung und Erneuerung ruft. Um dies zu erreichen, muss allerdings noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. Wurde doch noch 1994 das einst als bürgerliches Gegenstück zum Schloss erbaute Bernheimerhaus nach einem Brand auf Befehl des damaligen Bürgermeisters abgerissen, obwohl es unter Denkmalschutz stand. Dies führte dazu, dass das Museum im Rahmen des Projekts «Ein Viertel Stadt» vor Ort auf die urbanistische Bedeutung des schutzwürdigen Quartiers aufmerksam machte.

Daraus erwuchs eine von der Architektin Beate Nadler geleitete Arbeitsgruppe, die 1998 im Auftrag der Stadt ein Leitbild zur kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Belebung des zum Sanierungsgebiet erklärten Viertels vorlegte. Neben der Erarbeitung eines Verkehrskonzepts regte sie einen städtebaulichen Ideenwettbewerb an. Die drei geladenen Architekten - Hermann Czech aus Wien, Peter Märkli aus Zürich und Gerold Wiederin aus Feldkirch - verdichteten ihre Vorschläge gemeinsam mit den Juroren Gnaiger aus Bregenz und Marcel Meili aus Zürich zu einem Modell, das das Areal rund um die Villa Iwan Rosenthal als «Vorstadtgarten» erhalten, das jüdische Viertel sanieren und die Baulücken ergänzen will. Hervorgehoben wird sodann das Entwicklungspotential der Zone zwischen dem jüdischen Viertel und dem Schlossplatz, wo neue Wohn- und Geschäftsbauten, ein Einkaufszentrum und - wenn immer möglich - am Kirchplatz ein neues Rathaus entstehen sollen.


Rosige Zukunftsvisionen

Die Arbeitsgruppe wünscht sich das jüdische Viertel als ein attraktiv gemischtes Wohnquartier mit sozialen Einrichtungen, Arztpraxen, Büros und Geschäften, das dereinst mit seinen Museen, Veranstaltungslokalen und Restaurants im ehemaligen Café Kitzinger, in der Schule oder in der Synagoge zu einem kulturellen Zentrum der Region würde. Der Bürgermeister träumt hingegen lieber von einer «Märchenstadt Hohenems». Im Gegensatz zu diesem rein touristisch ausgerichteten Projekt böte ein restrukturiertes jüdisches Viertel eine kulturgeschichtliche und architektonische Besonderheit, die Hohenems - ähnlich wie bereits Bregenz - im Rahmen der international beachteten Vorarlberger Architektur zu einem grossen Auftritt verhelfen könnte.

Voraussetzung ist allerdings, dass das jüdische Viertel nicht weiter vernachlässigt, dass es aber auch nicht zu Tode saniert wird und dass die Disneyfizierung, wie sie mit einem anpasserischen Neubau am Eingang zum Judenwinkel bereits Form angenommen hat, nicht weiter vorangetrieben wird. Wie man völlig abgetakelte Bauten in eigentliche Juwelen verwandelt, hat Gerhard Lacha, ein engagierter Privatmann, mit der vorbildlichen Restaurierung des barocken Elkan- Hauses und eines Gebäudes im Judenwinkel gezeigt. Hausbesitzer sollten aber nicht nur motiviert werden, das Bauerbe sorgsam zu erneuern, sondern auch die durch Abbruch entstandenen Lücken mit wegweisenden Neubauten zu füllen. Dies dürfte in einer Gegend mit einer derart hochstehenden zeitgenössischen Baukultur, wie Vorarlberg sie besitzt, kaum Schwierigkeiten bereiten. Die Pfarrei St. Karl jedenfalls hat mit dem von den Dornbirner Architekten Elmar Nägele und Ernst Waibel gleich hinter dem Jüdischen Museum erbauten Pfarrheim einen wichtigen Schritt gewagt.

Nun läge es an der Stadt, mit einem intelligenten Neubau anstelle des vor über dreissig Jahren abgebrochenen Rabbinerhauses ein Zeichen zu setzen. Weiter müsste diese dringend die ihr gehörenden Bauten restaurieren: Neben der jüdischen Schule, die wieder erzieherische Aufgaben erfüllen sollte, handelt es sich dabei vor allem um die Synagoge. Bereits jetzt - ein Jahr von dem Auszug der Feuerwehr - wird ihre Zukunft heftig debattiert: Soll das fast ganz entkernte Gebäude in seine ursprüngliche Form zurückgeführt, sollen nur die Fassaden rekonstruiert oder soll der Istzustand konserviert werden? Auf Grund der Forschungsergebnisse von Reinhard und Ada Rinderer wäre eine Rekonstruktion durchaus möglich. Doch wozu sollte eine Synagoge ohne Gemeinde dienen? Man könnte daher auch den Bereich der drei Garagentore um eine gläserne Eingangshalle zum Synagogenplatz hin erweitern und den freigelegten Innenraum des einstigen Tempels künftig als Veranstaltungssaal nutzen und dafür - wie früher einmal - im hinteren Teil einen kleinen Gebetsraum einrichten.

Schliesslich sollte das Land Vorarlberg zwei Schlüsselbauten, die heute noch in Privatbesitz sind, erwerben, sanieren und neuen Aufgaben zuführen: die 1890 von Chiodera & Tschudy erweiterte und samt Inneneinrichtung, Bowlingbahn und Kutscherhaus erhaltene Villa Iwan Rosenthal könnte als Sitz der geplanten jüdischen Sommerakademie, das Armenhaus - seiner einstigen Funktion ähnlich - als Studentenheim oder Jugendherberge genutzt werden. Vielleicht wären dann auch die jetzt noch eher skeptischen Hausbesitzer bereit, ihren Teil zum ambitiösen urbanistischen Projekt beizutragen. Doch dieses muss im September erst einmal die Instanzen passieren. Zu hoffen bleibt, dass bald politischer Wille den Traum von der Neubelebung des Schtetls am Alpenrhein beflügeln wird.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 1999.08.30

06. August 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wachsender Musentempel

Wer in diesen Tagen die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel besucht, ist betört von der arkadischen Stimmung des kleinen Parks, aus dessen Seerosenteich...

Wer in diesen Tagen die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel besucht, ist betört von der arkadischen Stimmung des kleinen Parks, aus dessen Seerosenteich...

Wer in diesen Tagen die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel besucht, ist betört von der arkadischen Stimmung des kleinen Parks, aus dessen Seerosenteich das Ausstellungsgebäude wie ein Tempel sich erhebt. Der selten glückliche Zusammenklang von meisterhafter Architektur, intimem Garten und bedeutenden Kunstwerken verwandelte das Museum in kurzer Zeit in eine Attraktion. Doch bald schon werden Bagger diese kulturtouristische Idylle stören. Denn bereits im September soll im versteckten Teil der Grünanlage am Nordende des Museums eine bauliche Erweiterung in Angriff genommen werden. Es waren der über Erwarten grosse Besucherandrang und der Platzanspruch der Sonderausstellungen, die Ernst Beyeler veranlassten, über mehr Raum nachzudenken. Da der durch parallele Wandsysteme geprägte Bau von Renzo Piano gleichsam als Musée à croissance illimitée konzipiert wurde, verursachte der Wunsch nach einer Raumvermehrung dem Meister wenig Kopfzerbrechen. Im Nu lieferte er denn auch ein logisch aus dem Istzustand hervorgewachsenes Erweiterungsprojekt, das gegenwärtig in einem Kabinett am Eingang zur «Face to Face»-Schau zusammen mit Modellen des heutigen Gebäudes präsentiert wird. Piano verlängert die Museumsmauern und das transparente Dach aus Glas und Stahl um 12 Meter nach Norden und schafft so neu drei frei unterteilbare Raumeinheiten von insgesamt 280 Quadratmeter Grundfläche. Damit können im Erd- und im Untergeschoss voneinander unabhängige Ausstellungen gezeigt werden. Zudem wird ein weiterer Raum für allfällige Neuerwerbungen gewonnen. Im Untergeschoss finden neu Seminarräume und eine Bibliothek Platz. Vom Erscheinungsbild her dürfte sich das erweiterte und in seinen Proportionen etwas gestreckte Museumsgebäude nicht nachteilig verändern. Da gleichzeitig die nordseitige Parkfläche vergrössert werden soll, wird sich auch für den zum Regenwasserteich hin steiler werdenden Abhang eine landschaftsgestalterische Lösung finden lassen. Die Erweiterungsarbeiten, die ohne Einschränkung des Museumsbetriebs durchgeführt werden, sollen im März 2000 abgeschlossen sein, so dass im nächsten Frühjahr neben einem flächenmässig gewachsenen Haus auch eine grössere Parkanlage die Besucher der Fondation Beyeler empfangen werden.

Fondation Beyeler in Riehen, bis 12. September.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.08.06

03. August 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Im Süden nichts Neues

Ein Blick auf die Tessiner Architektur in Monte Carasso

Ein Blick auf die Tessiner Architektur in Monte Carasso

Die Tessiner Baukunst - einst international bewundert - ist in die Jahre gekommen. Obwohl noch immer attraktive Bauten entstehen, hat eine Rückbesinnung die architektonischen Debatten abgelöst. Längst schon Geschichte ist die legendäre «Tendenzen»-Ausstellung in Zürich, die 1975 das Bauen im Südkanton erstmals zur Diskussion stellte. Kurz darauf erhob dann Kenneth Frampton die «Tessiner Schule» zum Musterbeispiel eines «kritischen Regionalismus». Seither ist sie Gegenstand zahlloser Zeitungsartikel, Aufsätze, Bücher und Ausstellungen. Diese Hinwendung gipfelt nun in einer Analyse des Bauens der letzten vier Dezennien im Tessin aus italienischer Perspektive. Es handelt sich dabei um eine von der Architekturabteilung der Universität Venedig unter Roberto Masiero konzipierte Wanderausstellung, zu der soeben die lang erwartete Begleitpublikation erschienen ist. Sie unterscheidet sich von früheren Katalogen und Übersichtswerken - etwa der 1996 von Peter Disch veröffentlichten «Neueren Architektur im Tessin», die leider auch viel Banales präsentierte - durch ihre Konzentration auf qualitätvolle Bauten.


Erinnerung an grosse Zeiten

Die Schau, die gegenwärtig in Monte Carasso bei Bellinzona im ehemaligen Convento delle Agostiniane gastiert, ist bis auf die kritische Einleitung mit dem Buch identisch. Grosse Schautafeln vermitteln einen thematisch-typologisch geordneten Überblick über rund sechshundert Bauten und Projekte, von denen hundert mit Abbildungen, Plänen und Kurztexten näher vorgestellt werden. Dass dabei den Einfamilienhäusern eine zentrale Stelle zukommt, überrascht kaum. Waren doch die ersten Bauten, mit denen sich um 1960 eine neue Generation aus dem Dunstkreis des Übervaters Rino Tami und der Wrightianer Brivio und Ponti löste, Einfamilienhäuser. Damals konnte Aurelio Galfetti mit seiner Casa Rotalinti noch ein markantes Zeichen in die Landschaft setzen, und Mario Botta war der Überzeugung, mit seinen Villen die Landschaft erst zu bauen. Diese Haltung, die sich kaum um das Ambiente kümmerte, trug das Ihre bei zur Verwandlung einer der schönsten Gegenden Europas in eine halbstädtische Agglomeration.

Der Städtebau hat in dieser suburbanen Welt, in der das Auto Mass aller Dinge ist, eine schwierige Position. So wird in diesen Tagen in Locarno Galfettis gigantische «Megarotonda» vor dem Castello Visconti dem Verkehr übergeben; und auf der Piazza del Sole in Bellinzona erinnern seit kurzem monumentale Betonkeile an die darunter sich befindende Tiefgarage. Von solch brutalem Umgang mit der Stadt heben sich Raffaele Cavadinis subtile Eingriffe in die verwinkelte Dorfstruktur von Iragna und der von Luigi Snozzi mit viel städtebaulicher Intelligenz vorangetriebene Umbau von Monte Carasso wohltuend ab. Neben dem urbanistischen Defizit machen Katalog und Wanderschau zudem deutlich, dass die Tessiner Architektur im Schulhausbau der sechziger und siebziger Jahre ihre hohe Zeit erlebte. Im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Revival dieser Epoche erhalten auch andere Frühwerke von Botta, Snozzi oder Vacchini eine Aura. Während Bottas individueller Stil schliesslich eine Schar uninspirierter Nachfolger auf den Plan rief, die von den Ausstellungsmachern zu Recht ignoriert wurden, hat die Snozzi-Schule mit ihren strengen Betonbauten dem Tessin eine neue Einfachheit beschert, die nicht zuletzt das Zentrum von Monte Carasso mit vielen guten Beispielen prägt.

Ausführlicher als die älteren Bauten werden die «jüngsten Recherchen» vorgestellt. Weil die jedoch den Stand von 1995 belegen und weil zudem die 18 wichtigsten Architekten mit je einem Beispiel gewürdigt werden, erfährt man hier kaum Neues. Von den - mit Ausnahme der beiden Mittfünfziger Botta und Ivano Gianola - heute bereits im Pensionsalter stehenden Tessiner Meistern ist in den letzten Jahren einzig Livio Vacchini zu neuen Ufern aufgebrochen. Sein klassizistisch gestraffter Rationalismus kreist um aktuelle Themen wie Fassadenhaut oder Entmaterialisierung und führt zu so provozierenden Bauten wie der Post von Locarno, so seltsamen Monumenten wie der Turnhalle von Losone oder so formvollendeten Bauplastiken wie dem Mehrfamilienhaus in Lugano. Vacchini ist sicher der schwierigste, vielleicht aber auch der bedeutendste Exponent der Tessiner Architektur der neunziger Jahre. Neben ihm wecken vor allem die Snozzi-Schüler Cavadini und Michele Arnaboldi Interesse sowie Roberto Briccola, dessen rigorose Haltung man gleich vor Ort im kleinen «Turmhaus» oder in der Casa Roggero überprüfen kann.


Hoffen auf innovative Ideen

Gewinnt die Ausstellung in Monte Carasso, dem bedeutendsten «Freilichtmuseum» für Tessiner Architektur und Städtebau, ganz entschieden von den Originalen gleich vor der Türe, so setzt das Buch auf Vertiefung. Dabei sieht es den architektonischen Diskurs gleichermassen von italienischer Rationalität und helvetischer Detailliebe bestimmt und sucht die Tessiner Eigenart in der Verschmelzung lombardischer Kultur mit einer vom Geist Le Corbusiers geprägten Deutschschweizer Ausbildung zu ergründen. Allerdings besitzt das Tessin inzwischen - vorab dank Bottas Initiative - eine eigene Architekturakademie in Mendrisio. Gleichwohl ist von baukünstlerischer Aufbruchstimmung kaum etwas zu spüren. Der Entfaltung der jüngeren Generation stehen allerdings weniger die arrivierten Meister als vielmehr die Seilschaften von Politikern und Investoren im Weg. Dabei verlangt das heutige Tessin nach innovativen Ideen und neuen Lösungen. Da kommt Luganos Bürgermeister Giorgio Giudici, von Haus aus selber Architekt, eher ungelegen, wenn er in dieser Krisensituation ein Kongresszentrum auf dem Campo Marzio an Botta vergeben und das verfallende Palace einem kommerziellen Neubau opfern möchte, statt es im Zusammenklang mit aktueller Architektur zu neuem Leben zu erwecken.


[ Die Ausstellung in Monte Carasso ist bis zum 29. August von Mittwoch bis Sonntag von 17 bis 20 Uhr geöffnet. - Begleitbuch: Architettura in Ticino. Hrsg. Roberto Masiero. Skira editore, Mailand 1999. 317 S., Fr. 84.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 1999.08.03

01. August 1999Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Die Fassade als Spiegel der Stadt

Die Auseinandersetzung mit dem Ort, seiner Geschichte und Kultur ist Ausgangspunkt von Rafael Moneos baukünstlerischer Recherche. Deshalb lassen sich die...

Die Auseinandersetzung mit dem Ort, seiner Geschichte und Kultur ist Ausgangspunkt von Rafael Moneos baukünstlerischer Recherche. Deshalb lassen sich die...

Die Auseinandersetzung mit dem Ort, seiner Geschichte und Kultur ist Ausgangspunkt von Rafael Moneos baukünstlerischer Recherche. Deshalb lassen sich die meist von einem spannungsvollen Dualismus bestimmten Bauten des 62jährigen Pritzker-Preis-Trägers - die vom Atocha-Bahnhof in Madrid über das Miró-Museum auf Mallorca bis zum gläsernen Kursaal von San Sebastian die unterschiedlichsten Erscheinungsbilder zeigen - weder stilistisch noch formal leicht schubladisieren. In ihnen vereinigen sich Anklänge an den italienischen Rationalismus mit einem Formgefühl, das Moneo seinem Lehrmeister Jørn Utzon verdankt. Dieser nordische Akzent, der sich in den Proportionen und der Materialwahl manifestiert, trug ihm 1991 den Auftrag für das Moderna Museet in Stockholm ein. In diesem Meisterwerk der zeitgenössischen Museumsarchitektur führte er das Bauen im geschichtlichen Umfeld, mit dem er sich seit dem Archäologischen Museum in Mérida intensiv befasste, zu einem neuen Höhepunkt.

Nun durfte der Grossmeister der Einfühlung an einem der stimmigsten Plätze Iberiens, der Plaza Cardenal Belluga in Murcia, auf das «Geflüster des Ortes» antworten. Die räumlich enge, architektonisch aber prachtvolle Anlage im Herzen der südspanischen Provinzhauptstadt, an der es einen Erweiterungsbau des klassizistischen Rathauses zu errichten galt, wird bestimmt durch die vor 250 Jahren von Jaime Bort errichtete Barockfassade der Kathedrale und den erzbischöflichen Palast. Schon als Moneo 1993 seinen Entwurf erarbeitete, klaffte an der Stelle des geplanten Neubaus ein Loch, das vom spekulativen Abbruch eines Stadthauses herrührte.

Fasziniert vom urbanistischen Potential des geschundenen und zum Verkehrskreisel degradierten Stadtraums, schlug Moneo neben dem Neubau auch eine Umgestaltung der Plaza vor, die wieder zum Zentrum der Altstadt werden sollte. Für Moneo ist daher der Platz der Schlüssel zum Entwurf. War doch im eleganten Kreis der Barockbauten ein Gebäude gefragt, das sich weder aufspielt noch duckt, weder mit High-Tech-Spielereien vordrängt noch mit postmodernen Maskeraden anbiedert, das aber gleichwohl seine Position diskret und mit Bestimmtheit zu behaupten weiss.

Nicht nur diese anspruchsvollen Voraussetzungen erfüllte Moneo. Er ermöglichte der rückwärtigen Erweiterung des auf den Segura-Fluss ausgerichteten Rathauses zudem einen würdigen Auftritt am bisher ganz von der klerikalen Macht geprägten Cardenal-Belluga-Platz. Dem barocken Pomp antwortete er mit einer zur Plaza hin rational gestrafften Bauplastik und hielt mit der ihr wie ein riesiges Bild vorgesetzten Hauptfassade dem Gotteshaus einen Spiegel vor.

Der Anbau wächst aus einem gekurvten Graben empor. Der zeichnet den Grundriss des einstigen Stadtpalais nach und distanziert das neue Haus ein wenig von der historischen Umgebung. Die massiven, mit rosafarbenem Muschelkalk aus Cavila verkleideten Mauern geben sich unten burgartig, öffnen sich im Piano nobile jedoch zu einem diaphanen Wandsystem. Moneo deutete dabei die Säulen und Skulpturen der Kathedrale geschickt in kantige Pfeiler um, die die Stirnwand musikalisch rhythmisieren. Hinter ihnen glänzen blaue Fensterbänder, während eine Öffnung im Belvedere ein Stück Himmel rahmt.

Auch wenn Moneo gerne auf die Verwandtschaft seiner Schaufassade mit dem gigantischen neugotischen Retabel der Kathedrale hinweist, gibt es für sie in Murcia noch ein anderes Vorbild: den unter Franco errichteten Palast der Provinzabgeordneten am Segura. Das Fassadenraster und der zum Himmel hin transparente Belvedere gemahnen ausserdem an Terragnis Casa del Fascio in Como. Das heisst nun aber nicht, dass der Rathausanbau mit herrischer Geste weltliche Macht am kirchlich geprägten Platz zur Schau stellen wollte. Vielmehr vermeidet der asymmetrische Rhythmus alles Monumentale und verleiht der Fassade jene individuelle Note, dank deren sie sich abhebt von den neutralen Seitenfluchten, die in ihrer kubistischen Plastizität an Moneos Barceloneser Bürohaus erinnern.

Die Dynamik des trapezförmigen, von Moneo mit einer dunklen Pflästerung aus Piedra gris, hellen Travertinstreifen und einer Reihe Orangenbäume gestalteten Platzes fand Eingang im Grundriss des Neubaus. Aus dessen unregelmässigem Baukörper ist die Fassade so herausgedreht, dass sie der Kirche die Stirn bieten kann. Dadurch entsteht eine tief ins Gebäude eingekerbte Bruchzone, an der sich der Haupteingang befindet. Der führt in eine kleine Halle, die ebenerdig den Vortragssaal und über eine enge Treppe die vier Obergeschosse mit je einem sich nach Norden öffnenden Grossraum- und mehreren nach Süden orientierten Einzelbüros erschliesst. Im zweiten Stock befindet sich - dem Piano nobile des Bischofspalastes entsprechend - der doppelgeschossige Empfangssaal mit dem grossen, auf den Platz und die Kathedrale ausgerichteten Fenster. Der spektakuläre Blick von hier auf das barocke Architekturtheater bleibt der Bevölkerung verborgen, und auch der Belvedere ganz zuoberst ist unzugänglich, obwohl dort der ideale Platz für jene Bar gewesen wäre, die sich nun im gekurvten Graben versteckt. Doch viel entscheidender als dieses Detail ist, dass Moneo mit seinem Bau die schönste Platzanlage Murcias wiederbelebt hat.

NZZ-Folio, So., 1999.08.01



verknüpfte Bauwerke
Rathauserweiterung

30. Juli 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Neues Leben blüht aus den Ruinen

Dresden besass einst mit dem 1840 vollendeten Semper-Bau ein Hauptwerk der Synagogenarchitektur. Doch die Barbarei der Nazis löschte nicht nur die jüdische...

Dresden besass einst mit dem 1840 vollendeten Semper-Bau ein Hauptwerk der Synagogenarchitektur. Doch die Barbarei der Nazis löschte nicht nur die jüdische...

Dresden besass einst mit dem 1840 vollendeten Semper-Bau ein Hauptwerk der Synagogenarchitektur. Doch die Barbarei der Nazis löschte nicht nur die jüdische Gemeinde aus, ihr fiel auch Sempers Meisterwerk zum Opfer. Heute ist die ehemals blühende Gemeinde dank Zuwanderung aus dem Osten wieder auf 200 Mitglieder angewachsen. Für diese soll nun am früheren Standort der Semper-Synagoge auf den Brühlschen Terrassen ein neues Gotteshaus entstehen. Doch anders als die kriegszerstörte Frauenkirche wird die in der «Reichskristallnacht» abgebrannte gebrandschatzte und dann geschleifte Synagoge nicht rekonstruiert. Das mag man bedauern angesichts des historischen und baukünstlerischen Wertes dieses einzigen von Gottfried Semper realisierten Sakralbaus. Doch lässt ein vom jungen Saarbrücker Architekturbüro Wandel, Hoefer, Lorch zusammen mit Nikolaus Hirsch aus Frankfurt a. M. erarbeitetes Projekt auf einen innovativen Neubau hoffen. Dieser dürfte das mit guter zeitgenössischer Architektur nicht eben verwöhnte Dresden mit einem starken Akzent beleben und gleichzeitig die Synagogenarchitektur um ein wichtiges Beispiel bereichern.


Canaletto-Panorama mit Neubau

Die Pläne, Entwürfe und Maquetten des geplanten Gotteshauses bilden gegenwärtig zusammen mit Bildern, Urkunden und einem Modell des berühmten Vorgängerbaus das Herzstück einer der Synagogenarchitektur gewidmeten, von einem attraktiven Katalogbuch begleiteten Ausstellung im Japanischen Palais des Staatlichen Museums für Völkerkunde Dresden. Sie rollt die Geschichte der Synagoge am Beispiel von Dresden und seinen zwölf Partnerstädten (von Brazzaville über Columbus und Florenz bis Skopje) auf und erläutert an ihnen neben religiösen und kulturellen Aspekten auch baugeschichtliche Fragen und das Problem einer Rekonstruktion des Semper-Baus. Dadurch entstehen interessante Querverbindungen und werden bisher kaum beachtete Synagogenbauten ins Licht gestellt. Allerdings führt die auf Dresdens Partnerstädte beschränkte Optik zu einer gewissen Einseitigkeit, kommen doch die beiden bedeutendsten erhaltenen Nachfolgebauten der Semper-Synagoge, die von Chiodera & Tschudy errichteten Synagogen in St. Gallen und an der Zürcher Löwenstrasse, ebenso- wenig zur Sprache wie die reiche, von manch wegweisenden, aber auch eigenwilligen Lösungen geprägte amerikanische Synagogenkultur dieses Jahrhunderts. Gleichzeitig wird die zeitgenössische Entwicklung in Deutschland, die jüngst in Zvi Heckers Neubau von Synagoge und Gemeindehaus in Duisburg (NZZ 26. 6. 99) kulminierte, auf diese Weise leider ausgeklammert.

Der Entscheid für einen Neubau anstelle der im wiederaufbauwütigen Dresden naheliegenden Rekonstruktion des Semper-Baus war nicht unangefochten. Denn dieser kommt nicht irgendwo zu stehen. Vielmehr wird er den markanten Abschluss des stolz Canaletto-Blick genannten Elbpanoramas bilden. Daher wurde der Wettbewerb für eine Synagoge mit Gemeindezentrum sowie Räumen für religiöse Erziehung, Bibliothek und Verwaltung sorgfältig vorbereitet und 1997 europaweit ausgeschrieben. Die Vorschläge von Livio Vacchini und Heinz Tesar erhielten zwar je einen ersten Preis, doch fiel die Wahl der jüdischen Gemeinde nicht zuletzt aus funktionellen und städtebaulichen Erwägungen auf das drittplacierte Projekt. Synagoge und Gemeindehaus sind hier in zwei getrennten Betonkuben auf einem langen, schmalen Podest angeordnet und durch einen Hof getrennt. In dessen baumbestandener Hälfte befindet sich die Mikwe, während auf dem freien Platz der Grundriss der Semper-Synagoge eingelassen ist und so die verlustreiche Geschichte mit einbeziehen soll.

Zur rekonstruierten Altstadt hin wird sich das Gemeindehaus erheben, zum Fluss hin die Synagoge. Deren nach oben leicht verdrehter Betonkubus wird durch ein Oberlicht erhellt und ist im Innern - in Anspielung auf Sempers Prinzip der Bekleidung - mit einem nach Osten gerichteten, durchsichtigen Metallgewebe ausgekleidet. In diesen zeltartigen Raum werden Thoraschrein, Bima, Bänke und Empore wie Möbel hineingestellt. Verweist der massive Aussenbau auf den Tempel in Jerusalem, so gemahnt das textile Innere an das biblische Stiftszelt. Auf derart eigenwillige Weise ist das die jüdische Tradition prägende Gegensatzpaar des Dauerhaften und des Provisorischen wohl noch in keinem anderen Synagogenbau zum Ausdruck gebracht worden. Darüber hinaus erinnert die doppelte Codierung erneut an die Semper-Synagoge mit ihren aussen deutsch- romanisch, innen aber maurisch-orientalisch inspirierten Formen.


Finanzierungsprobleme


Obwohl bereits im letzten Herbst der Grundstein der neuen Synagoge gelegt wurde und gegenwärtig bauvorbereitende Massnahmen vonstatten gehen, ist die Realisierung dieses für Deutschland architektonisch und kulturpolitisch gleichermassen bedeutenden Baus noch nicht völlig gesichert. Denn obwohl die Dresdner 1938 die Synagoge mutwillig zerstörten und die jüdischen Bürger danach auch noch das Abtragen der Ruine bezahlen mussten, kommt die Bundesrepublik nicht für den Neubau auf. Gemäss einem in Westdeutschland schon vor 1989 gültigen Schlüssel beteiligen sich das Land, also der Freistaat Sachsen, und die Stadt Dresden zu je einem Viertel an den auf 20 Millionen Mark veranschlagten Baukosten. Der Rest muss von der kleinen jüdischen Gemeinde und durch Spendengelder aufgebracht werden. Die Ausstellung im Japanischen Palais will daher nicht nur möglichst weiten Kreisen jüdische Religion, Kultur und Tradition näherbringen, sondern sie auch motivieren, sich finanziell für den Synagogenneubau stark zu machen. Denn wer weiss: vielleicht wird der ambitiöse Neubau einmal ebenso stilbildend werden, wie es einst sein berühmter Vorgänger war. (Bis 26. September)


[ Annegret Nippa und Peter Herbstreuth: Eine kleine Geschichte der Synagoge aus dreizehn Städten. Verlag Dölling und Galitz, Hamburg 1999. 342 S., Fr. 46.-. Förderverein «Bau der Synagoge Dresden», Bautzner Strasse 20, D-01099 Dresden. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.07.30

02. Juli 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Wegweisende Architektur am Innenhafen

Die Auswirkungen der IBA Emscher Park sind im nördlichen Ruhrgebiet allenthalben auszumachen. Symbol dieser Erneuerung ist die von Norman Foster zum Design...

Die Auswirkungen der IBA Emscher Park sind im nördlichen Ruhrgebiet allenthalben auszumachen. Symbol dieser Erneuerung ist die von Norman Foster zum Design...

Die Auswirkungen der IBA Emscher Park sind im nördlichen Ruhrgebiet allenthalben auszumachen. Symbol dieser Erneuerung ist die von Norman Foster zum Design Center Nordrhein- Westfalen umgebaute Zeche Zollverein in Essen. Nirgends aber trifft man auf ein gelungeneres Bauensemble als an dem vor 106 Jahren in Betrieb genommenen und nach seinem dramatischen Niedergang jüngst zum Denkmal der Industriekultur avancierten Duisburger Innenhafen. Auch wenn die Transformation des 89 Hektaren grossen Areals noch lange nicht abgeschlossen ist, nimmt man hier nun das offizielle IBA-Finale als Anlass zur Präsentation einer informativen Dokumentation der bisherigen Wandlungen. Anhand von Photographien und Plänen wird in den ehemaligen Petershallen am Philosophenweg vis-à- vis der von Herzog & de Meuron zum Museum Grothe umgestalteten Küppersmühle die Geschichte dieses Ortes nachgezeichnet, der sich in kürzester Zeit vom «verbotenen» Gebiet zum spannendsten Quartier der sonst eher etwas bieder anmutenden Stadt Duisburg gemausert hat.

Die Ausstellung holt weit aus: Malerische Rheinkähne und rauchende Hochkamine beschwören die grosse Zeit, als der 1600 Meter lange Innenhafen zwischen der 1909 entstandenen Küppersmühle und dem 1913 vollendeten «Kontorhaus» noch der Brotsack des Ruhrgebiets war. Nicht verschwiegen wird der dramatische Niedergang: Nach der Schliessung der letzten Mühlen in den siebziger Jahren vermoderten die Industriedenkmäler zusehends. Doch kurz vor deren endgültiger Zerstörung setzte ein Umdenken ein, das durch die 1989 eröffnete IBA Emscher Park noch gefördert wurde.

Einen 1991 ausgeschriebenen Wettbewerb für die Umgestaltung des Innenhafenareals konnte der zum eigentlichen Allesmacher im Ruhrgebiet aufgestiegene Norman Foster für sich entscheiden. Der dadurch ausgelöste Strukturwandel wird mit euphorisch stimmenden Bildern dokumentiert. Die alten Kolosse wurden in Büro- und Kulturbauten, der östliche Innenhafen in ein seeartiges Gewässer umgewandelt und neue Wohnzonen durch Grachten erschlossen. Insgesamt 500 Wohnungen und der von Dani Karavan gestaltete «Altstadtpark» sollen auf dem von weniger wertvollen Lagerhallen bis auf einige denkmalhafte Rudimente befreiten Land entstehen. Die im vergangenen Jahr fertiggestellten Wohnbauten von Auer und Weber haben sich ebenso bewährt wie das Seniorenzentrum und das 1996 von Foster umgebaute Hafenforum. Weitere 66 Eigentumswohnungen von Ingenhoven, Overdiek & Kahlen, 32 Sozialwohnungen von Steidle & Schmitz sowie 68 Mietwohnungen von Foster sind im Bau. Dieser soll auch das bumerangförmige Geschäftshaus Eurogate am Nordufer des Innenhafens erbauen, eine strahlende Lichtvision, der in der Schau ein eigener Bereich vorbehalten ist.

Die architektonischen Höhepunkte des Quartiers und wohl des ganzen Ruhrgebiets aber sind das urbanistisch präzis zwischen Stadt und Altstadtpark gesetzte Jüdische Gemeindezentrum von Zvi Hecker, ein expressiver Baukomplex von hohem künstlerischem Interesse (NZZ 26. 6. 99), und die Küppersmühle. In dieser kann sich die mit deutscher Kunst von Baselitz bis Trockel aufwartende Sammlung Grothe dank dem ebenso überzeugenden wie zurückhaltenden Umbau von Herzog & de Meuron hervorragend in Szene setzen. Nach Süden behält das gigantische Gebäude wegen der diaphanen Wandstruktur sein altes Aussehen, nach Norden hin wurden die Fenster aber zugemauert, doch bringen schmale Fensterschlitze Licht in die doppelgeschossigen Ausstellungssäle. Die Forderung von Künstlerseite nach neutralen Räumen ist hier optimal erfüllt. Einzig in dem sich über einem trapezoiden Grundriss erhebenden neuen Treppenhaus aus rot gefärbtem Beton erlaubten sich die Basler spektakuläre Raumeffekte und fanden so zu einer höchst ungewohnten Formensprache.


[ Die Küppersmühle ist täglich ausser montags am Nachmittag geöffnet. Die Photoausstellung in den ehemaligen Petershallen ist bis zum 1. August ebenfalls täglich ausser montags von 14 bis 20 Uhr geöffnet. Der Katalog kostet DM 12.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.07.02

29. Juni 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schlossruinen und Stadtpaläste

Man kennt ihn von der Documenta: den diskreten Charme der fünfziger Jahre von Kassels Innenstadt. Auch wenn sich die «Treppenstrasse» und das AOK-Gebäude...

Man kennt ihn von der Documenta: den diskreten Charme der fünfziger Jahre von Kassels Innenstadt. Auch wenn sich die «Treppenstrasse» und das AOK-Gebäude...

Man kennt ihn von der Documenta: den diskreten Charme der fünfziger Jahre von Kassels Innenstadt. Auch wenn sich die «Treppenstrasse» und das AOK-Gebäude am Friedrichsplatz sehen lassen dürfen, so erinnert doch nur wenig an die vergangene Pracht der nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs schnell wiederaufgebauten Stadt: Hier herrschten einst ebenso kunstsinnige wie architekturbegeisterte Landgrafen. Sie liessen im Barock und Klassizismus die ursprünglich von Hugenotten bewohnte Oberneustadt bauen, die zusammen mit dem Schlosspark Wilhelmshöhe den Ruhm Kassels als eine der schönsten Städte weit und breit begründete. Doch was davon im Krieg nicht unterging, wurde in den Wirtschaftswunderjahren mutwillig vernichtet. Als prominentes Beispiel darf die Unterneustädter Kirche des Kasseler Meisterarchitekten Heinrich Christoph Jussow (1754-1825) gelten: einer der ersten klassizistischen Sakralbauten in Deutschland.


Zwischen Revolution und Romantik

Diesem grossen Unbekannten des deutschen Klassizismus widmet nun das Museum Fridericianum in Kassel eine prachtvolle Ausstellung. Sie gewährt erstmals einen gültigen Überblick über Jussows Schaffen und führt zu neuen Erkenntnissen bezüglich der Genese von Schloss und Bergpark Wilhelmshöhe. Die von Christiane Lukatis konzipierte Schau kann sich auf bisher unpubliziertes und kaum je präsentiertes Material aus der Graphischen Sammlung der Staatlichen Museen Kassel stützen, deren architektonische Abteilung bis auf Landgraf Moritz zurückgeht. Obwohl dieser schon vor 400 Jahren begonnen hatte, eine «Bibliothecam architectonicam» aufzubauen, und auch seine Nachfolger reiches Material zusammentrugen, kam der Nachlass Jussow erst 1957 aus Privatbesitz dazu. Erste Bemühungen um dessen wissenschaftliche Bearbeitung verliefen im Sand. Doch seit Hans-Christoph Dittscheids Dissertation über Schloss Wilhelmshöhe regte sich neues Interesse, das nun zur Präsentation des «ganzen Jussow» führte: in Form eines die Ausstellung begleitenden Katalogs und einer CD- ROM, die rund 1000 Blätter zugänglich macht.

Die Argumentation der Ausstellung basiert ganz auf dem zeichnerischen Werk. Dieses wird in chronologisch-thematischer Form gezeigt und mit Blättern von Simon Louis Du Ry, Charles de Wailly, Peter Joseph Krake, Friedrich Weinbrenner und Leo von Klenze stilkritisch verglichen. Dabei kann sich Jussow als genialer Zeichner behaupten, der sich seinen Projekten in ungezählten Varianten annäherte. In dieser tastenden Arbeitsweise spiegelt sich einerseits eine frühmoderne Recherche, anderseits die Sprunghaftigkeit seines wichtigsten Auftraggebers, des Landgrafen Wilhelm IX. von Hessen-Kassel. Bereits Wilhelms Vater, Landgraf Friedrich II., hatte Jussows architektonische Begabung entdeckt und ihn - mit einem Reisestipendium versehen - nach Paris zu de Wailly geschickt, der gerade an einem Entwurf für Schloss Weissenstein (die heutige Wilhelmshöhe) arbeitete. Schnell eignete sich Jussow den raffinierten Zeichenstil de Waillys und das Formenvokabular der Revolutionsarchitektur eines Claude-Nicolas Ledoux an, dessen 1775 vorgelegten Entwurf zur Umgestaltung des Fridericianum er wohl schon aus Kassel kannte.

Im ersten, mit Antonio Chichis kostbaren Korkmodellen nach antiken Bauten stimmungsvoll arrangierten Ausstellungsraum sind Jussows Pariser Studien und Kopien neben Zeichnungen ausgestellt, die der Zeitgenosse Goethes 1785/86 auf seiner italienischen Reise angefertigt hatte. Nahm er in Rom die Baukunst des Altertums vorab mit den Augen Piranesis wahr, so berauschte er sich im Veneto an Palladio. Noch unter dem Eindruck von Antike und Renaissance bereiste er danach im Auftrag Wilhelms IX. England, um sich mit den damaligen Strömungen der Gartenkunst und mit der neugotischen Mode vertraut zu machen. Vom Zusammenklang all dieser Einflüsse profitierten seine Arbeiten am Bergpark Wilhelmshöhe, an dem er seit 1788 mit viel Erfolg arbeitete. Bald konnte er denn auch seinen Mentor und Vorgesetzten Du Ry ausstechen, und zwar mit einem revolutionär überhöhten klassizistischen Entwurf für das Corps du logis, den zentralen Palast des Schlosses Wilhelmshöhe.


Erhaltene und verlorene Meisterwerke

Über mehrere Säle verteilen sich die Entwürfe für die Wilhelmshöhe, Jussows eigentliches Hauptwerk. Unter seiner Ägide wurde der weitläufige, in strenger Axialität bis hinauf zum «Herkules» ansteigende Barockpark mit alpinen Wasserfällen, antiken Tempeln, römischen Aquädukten und mittelalterlichen Ruinen zu einem von raffinierten Wasserspielen belebten Landschaftsgarten, ja zu einem «Theme Park» avant la lettre ausgebaut. Hier konnte sich Jussow - angestachelt von William Chambers und Lancelot Brown - als Meister zwischen Revolution und Romantik beweisen, der alle Register des Schönen und Sublimen, des Intimen und Pathetischen beherrschte. Noch heute fasziniert diese Anlage, auch wenn die im Krieg schwer beschädigte Löwenburg, einer der frühsten neugotischen Bauten auf dem Kontinent, gegenwärtig zu Tode restauriert und Schloss Wilhelmshöhe, das bei den Bombardements seine Kuppel verlor, von Stephan Braunfels ohne dieses entscheidende Bauelement zu einem zeitgemässen Museum umgebaut wird.

Dabei wäre hier für einmal eine Rekonstruktion durchaus am Platz gewesen. Dies um so mehr, als fast alle anderen Bauten Jussows in Kassel verlorengingen, gar nie oder nur in redimensionierter Form realisiert wurden. So konnte Jussow die Unterneustädter Kirche, für die er eine der ersten dorischen Tempelfassaden des deutschen Klassizismus entworfen hatte, nur verkleinert bauen und von der Platzgestaltung am Wilhelmshöher Tor einzig das Fürstenhaus, ein Eckgebäude sowie die - noch erhaltenen - Wachthäuser verwirklichen. Und während das gigantische Schloss Chattenburg, das sich in der Ausstellung monumental aufspielen darf, nicht über die Fundamente hinaus gedieh, blieb das ganz vom Geist der Revolutionsarchitektur durchdrungene Zollgebäude an der Fulda wie so viele andere Entwürfe Papier. Unter diesen ist vorab das um 1800 für Braunschweig projektierte Palais Veltheim zu nennen, dessen wunderbare Blätter einen Höhepunkt der Schau und zugleich die streng klassische Antithese zur romantisch verspielten Löwenburg darstellen. (Bis 18. Juli)


[ Heinrich Christoph Jussow. 1754-1825. Ein hessischer Architekt des Klassizismus. Ausstellungskatalog mit CD-ROM. Hrsg. Hans Ottomeyer und Christiane Lukatis. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1999. 280 S., DM 50.- (in der Ausstellung). ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 1999.06.29

26. Juni 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Expressive Bauplastik

Jüdisches Leben blüht wieder auf in Deutschland: Dank der Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion wachsen die Gemeinden, und die Kultur gedeiht. Davon...

Jüdisches Leben blüht wieder auf in Deutschland: Dank der Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion wachsen die Gemeinden, und die Kultur gedeiht. Davon...

Jüdisches Leben blüht wieder auf in Deutschland: Dank der Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion wachsen die Gemeinden, und die Kultur gedeiht. Davon kündet nicht zuletzt die Baukunst, als deren Flaggschiff Daniel Libeskinds Jüdisches Museum in Berlin gilt. Neue Standards setzen aber auch zwei Sakralbauten. So soll auf den Ruinen der legendären Semper-Synagoge in Dresden nach den Plänen von Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch ein Gemeindezentrum mit Synagoge in Form von zwei Kuben entstehen, die einen baumbestandenen Hof fassen. Weiter ist man schon in Duisburg, wo Ende Mai auf dem städtebaulichen Entwicklungsgebiet am Innenhafen die Synagoge von Zvi Hecker feierlich geweiht werden konnte. Dieses architektonische Juwel bildet das Herzstück des neuen Jüdischen Gemeindezentrums der Städte Duisburg, Mülheim und Oberhausen im westlichen Ruhrgebiet. Heckers Projekt, vor drei Jahren siegreich aus einem internationalen Wettbewerb hervorgegangen, konnte in kürzester Zeit realisiert werden - zum einen weil es vom Schwung der Internationalen Bauausstellung «IBA Emscher Park» profitierte, zum andern weil der in wenigen Jahren von 100 auf 2000 Mitglieder angewachsenen jüdischen Einheitsgemeinde der drei Grossstädte das einstige Wohnhaus des Rabbiners in Mülheim als Synagoge längst nicht mehr genügte.

Die Vorstellung, dass Duisburg mit dem Neubau nach sechzig Jahren wieder eine Synagoge erhalten sollte, schlug sich im Projekt des in Berlin und Tel Aviv tätigen Architekten nieder, der seit dem Bau der Galinski-Schule am Rand des Grunewalds als Autorität in Deutschland gilt. Hecker bezog die Achsen seines Entwurfs gleichermassen auf historische und topographische Fixpunkte der Stadt: auf die 1938 in der «Reichskristallnacht» geschändete Synagoge an der Junkernstrasse, auf das im Krieg zerbombte mittelalterliche Zentrum, auf den Innenhafen und den Rhein. Mit viel Sinn für den Kontext leitete er die Anlage aus der verschachtelten Häuserzeile am Springwall her und steigerte sie gegen die von Dani Karavan parkartig umgestaltete Hafenlandschaft hin ganz allmählich zur expressiven Bauplastik. Diese nimmt über ihre monumentalen Betonarme den Dialog auf mit den gigantischen Mühlengebäuden am Innenhafen, die im Rahmen der IBA Emscher Park restauriert und neuen Aufgaben und Inhalten zugeführt werden.

Die im Grundriss an eine Hand erinnernde Anlage - «jad», das hebräische Wort für Hand, hat auch die Bedeutung eines Zeichens - gleicht mit ihren fünf ausgreifenden Betonteilen vom Park her gesehen einem aufgeschlagenen Buch. Symbolhaft verweist sie so auf ihren wichtigsten Inhalt: die Synagoge mit dem Schrein, in dem die Thora aufbewahrt wird. Der Handfläche im Plan entspricht der Eingangshof, zu dem man unter einem auskragenden, das Formenvokabular der Nachbarbauten zitierenden Schwebetrakt gelangt. Von diesem in sich gekehrten Ort, an dem man sich an den hohen Feiertagen unter dem neu gepflanzten Baum versammelt und wo an Sukkot die Laubhütte errichtet wird, gelangt man in das zum Grünen hin verglaste Foyer, das bald als Verlängerung des Aussenraums, bald als Erweiterung der Synagoge gelesen werden kann. Über Treppen, Brücken und Gänge verbindet diese Halle als Mittelpunkt der Promenade architecturale die einzelnen Funktionsbereiche miteinander und klärt damit die komplexe Raumanordnung.

Den grossen Betonelementen kommt aber nicht nur eine gliedernde und eine zeichenhafte Aufgabe zu. Sie halten das mit seinen weissen, schwarzen und grauen Baufiguren aus Beton, Glas und Stahl ganz ähnlich wie die Galinski- Schule als eine Art Dorf konzipierte Gebäude zusammen. Doch anders als der spiralförmig-dynamisch inszenierten Schule gibt Hecker dem Duisburger Gemeindezentrum eine geometrische Ordnung, die - fast wie in seinem strukturalistisch beeinflussten Frühwerk - die unterschiedlichen Teilbereiche (Synagoge, Schule, Verwaltungsräume, Mehrzwecksaal, Küche und Rabbinerwohnung) klar gliedert.

Das wie eine gebaute Landschaft respektvoll in den alten Baumbestand eingefügte Gemeindezentrum besitzt seiner plastischen Gestalt entsprechend keine eigentliche Hauptfassade. Dafür überrascht es mit wechselnden Durch- und Einblicken. Hier kann man nicht nur ungehindert ins Foyer und in den Mehrzwecksaal, sondern durch ein vitrinenartiges Fenster sogar ins Innere der Synagoge schauen: Sieht man von der Frauenempore ab, so erinnert vieles eher an ein christliches denn an ein jüdische Gotteshaus: etwa die segmentförmig angeordneten Bänke oder die Kombination von Thoraschrein und Bima auf einem Podest. Die Auskleidung einzelner Partien mit Jerusalemer Stein thematisiert jedoch die alte Sehnsucht der Juden in der Diaspora; und das Oberlicht erlaubt dem Psalm gemäss ein Flehen aus der Tiefe. Dass dieses von einer hervorragenden Akustik getragen wird, erlebt man spätestens dann, wenn der als Kantor und Kenner synagogaler Musik bekannte Duisburger Rabbiner Sandor Polnauer Proben seines Könnens gibt.

Dem Künstlerarchitekten Hecker, der bereits vor 30 Jahren im Sinai eine Synagoge baute, ist in Duisburg ein weiterer bedeutender Beitrag zur jüdischen Sakralarchitektur gelungen, aber auch ein Gebäude, in dem Kunst, Architektur und Natur ausdrucksstark zusammenklingen. Damit erhält das um ein zukunftsorientiertes Image bemühte Duisburg erstmals seit dem Wilhelm- Lehmbruck-Museum im Kant-Park eine Architektur von Rang, die zusammen mit der jüngst von Herzog & de Meuron für die Sammlung Grothe umgebauten Küppersmühle von kultureller Aufbruchstimmung am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr kündet.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1999.06.26



verknüpfte Bauwerke
Jüdisches Gemeindezentrum

26. Juni 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Museum von Gehry für Washington

Die altehrwürdige Corcoran Gallery of Art in Washington erhält einen Erweiterungsbau. Nach einem langjährigen Auswahlverfahren, zu dem insgesamt 200 Architekten...

Die altehrwürdige Corcoran Gallery of Art in Washington erhält einen Erweiterungsbau. Nach einem langjährigen Auswahlverfahren, zu dem insgesamt 200 Architekten...

Die altehrwürdige Corcoran Gallery of Art in Washington erhält einen Erweiterungsbau. Nach einem langjährigen Auswahlverfahren, zu dem insgesamt 200 Architekten zugelassen waren, konnte Frank O. Gehry, der 70jährige Baukünstler aus Los Angeles, die Endrunde für sich entscheiden. Nach Gehrys Vorstellungen soll ein für sein Schaffen typisches Formengewühl den klassischen Altbau überwuchern und so eine dynamische Strassenfassade sowie mit Tages- und Kunstlicht unterschiedlich erhellte Ausstellungsräume entstehen lassen.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1999.06.26

14. Juni 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Vom Aschenbrödel zum Weltstar

Seit Jahrhunderten lebt Porto im Schatten Lissabons: Doch in den letzten fünfzehn Jahren hat sich die Hafenstadt am Douro nicht nur als wirtschaftliches Zentrum Nordportugals einen Namen gemacht. Rund um den Ende 1996 von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannten mittelalterlichen Stadtkörper, der zurzeit durch einige gezielt eingepflanzte Neubauten wiederbelebt wird, erblühte eine dem Regionalismus verpflichtete Architektur. Ihr neustes Renommierstück ist das von Alvaro Siza errichtete Museum für zeitgenössische Kunst im Park der Villa Serralves.

Seit Jahrhunderten lebt Porto im Schatten Lissabons: Doch in den letzten fünfzehn Jahren hat sich die Hafenstadt am Douro nicht nur als wirtschaftliches Zentrum Nordportugals einen Namen gemacht. Rund um den Ende 1996 von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannten mittelalterlichen Stadtkörper, der zurzeit durch einige gezielt eingepflanzte Neubauten wiederbelebt wird, erblühte eine dem Regionalismus verpflichtete Architektur. Ihr neustes Renommierstück ist das von Alvaro Siza errichtete Museum für zeitgenössische Kunst im Park der Villa Serralves.

Als sich nach dem Chiado-Brand im August 1988 die Stadtväter Lissabons Gedanken zum Wiederaufbau des historisch bedeutenden Scharniers zwischen der unter Pombal nach dem Erdbeben von 1755 angelegten Baixa und dem höher gelegenen Bairro Alto machten, wandten sie sich nicht an die lokale Architektenschaft: Sie suchten vielmehr Hilfe bei Alvaro Siza, dem mit allen grossen Architekturpreisen geehrten Meister aus Porto, der international als eine moralische Instanz der Baukunst gilt. Schon wenig später konnte Siza ein Projekt vorlegen, das 1990 bewilligt wurde und gegenwärtig realisiert wird. Spätestens damit musste die selbstverliebte Metropole am Tejo zur Kenntnis nehmen, dass sie zumindest in Sachen Architektur längst von der «Provinz» überholt worden war. Nun erhält die Hauptstadt auf einem weiteren Gebiet der Gegenwartskultur Konkurrenz: Es handelt sich dabei um Sizas Museum für zeitgenössische Kunst im Parque Serralves, das auch einen neuen Höhepunkt der Architektur in Porto darstellt.


Porto als Architekturhochburg

Dabei macht Porto auf den ersten Blick keinen besonders zukunftsorientierten Eindruck. Die vor gut zwei Jahren zum Weltkulturerbe ernannte Altstadt mit ihren bizarren Kirchtürmen und den pittoresk zum Douro abfallenden Häuserkaskaden zeugt vielmehr von der verwelkten Pracht der einstigen Seefahrerstadt. Rund um die zentral gelegene Praça da Liberdade spürt man allerdings das Selbstbewusstsein des durch Textilindustrie und Portweinexport wohlhabend gewordenen Bürgertums, das sich mit Bauten aus dem frühen 20. Jahrhundert, dem Art déco und der klassischen Moderne ein Denkmal setzte: Noch original erhalten ist der revolutionärste Bau der portugiesischen Moderne: das 1928-32 von Rogério de Azevedo für die Zeitung «O Comércio do Porto» errichtete Garagen- und Bürogebäude. Bereits in restauriertem Glanz erstrahlen die zeitgleich von Julio de Brito in Art-déco-Formen konzipierte Fassade des Rivoli-Theaters und das durch den kriegsbedingten Wirtschaftsboom ermöglichte, mit seinen Bullaugen, der Kommandobrücke und dem Fahnenmast auf nautische Vorbilder verweisende Coliseu von Cassiano Branco.

Eine sorgsame Auffrischung möchte man auch dem Cine da Batalha wünschen. Das 1947 von Artur de Andrade vollendete Gebäude mit der eigenwillig gekurvten Glasfassade ist nicht nur ein frühes Beispiel der heute in Porto gepflegten kontextualistischen Architektur. In ihm kulminierte damals auch der Streit zwischen den Modernisten aus dem Norden und den staatstreuen Traditionalisten aus Lissabon. Schon als dort der italienisch inspirierte Monumentalstil zur nationalen Formensprache erhoben wurde, hatten sich Branco und Carlos Ramos nach Porto zurückgezogen. Ramos wurde als Verfechter eines kritischen Regionalismus zum Begründer der «Schule von Porto». Diese führte im Grunde nur weiter, was Baukünstler wie Azevedo bereits erfolgreich versucht hatten: die Überprüfung internationaler Positionen und deren Übersetzung in ein lokales Idiom. Der wirtschaftliche Niedergang nach dem Zweiten Weltkrieg hatte zur Folge, dass nur vereinzelt so bedeutende Grossbauten wie das Anfang der fünfziger Jahre von Arménio Losa und Cassiano Barbosa errichtete Soares-Irmão-Bürohaus realisiert werden konnten. Allerdings entstanden damals auch die heute in Architektenkreisen als Kultobjekte verehrten frühen Arbeiten von Fernando Távora und Siza, allen voran das in die Klippen von Boa Nova gesetzte Teehaus in der Vorstadt Matosinhos.


Neues Leben blüht aus den Ruinen

Parallel zur wachsenden Bedeutung der Architekturszene von Porto ging der bauliche Niedergang der historischen Stadt. Schon in den fünfziger Jahren liebäugelte die Stadtverwaltung mit radikalen Sanierungsplänen, die nach der Nelkenrevolution von 1974 in den basisdemokratischen SAAL-Wohnbauprojekten nachklangen. Damals wurden baufällige Quartiere niedergewalzt und im besten Fall durch architektonisch interessante, urbanistisch aber nicht unproblematische Reihenhaussiedlungen ersetzt, mitunter jedoch bis heute als Parkplätze belassen. Die Rückbesinnung auf die städtebaulichen Qualitäten der eng verwinkelten Altstadt fand erst in den achtziger Jahren statt. Völlig verlotterte Häuserzeilen am Cais de Ribeira genannten Douro-Ufer wurden daraufhin im traditionellen Stil rekonstruiert. 1993 konnte dank EU-Hilfe ein vom Kommissariat für Stadterneuerung begleitetes und mit rund 700 Millionen Franken dotiertes Renovationsprojekt in Angriff genommen werden.

Inzwischen sind unterhalb der hoch gelegenen Kathedrale auch ganz zeitgenössisch anmutende Häuser entstanden, die allerdings die bestehende Typologie streng respektieren. Als historisches Vorbild konnte dabei ein Meisterwerk der frühen kontextuellen Moderne dienen: das Anfang der dreissiger Jahre von Francisco Keil do Amaral nahe der barocken Clérigos-Kirche als Neuinterpretation des schmalen herkömmlichen Stadthauses in eine Bauzeile eingepasste Instituto Pasteur. Bereits Ende der achtziger Jahre hatte Paula Araújo da Silva rund um einen von ihr rehabilitierten Waschbrunnen Ruinen durch diskrete Neubauten ersetzt. Mittlerweile wagt man sogar noch mehr: So ist jüngst am Largo do Colegio bei der spätmanieristischen Grilos-Kirche ein minimalistisch angehauchtes Café derart sensibel in den Fels gebaut worden, dass drinnen aus den feuchten Mauern weiterhin Pflanzen spriessen. Einige enge Strässchen tiefer hat man - ähnlich wie in Barcelona - einen Platz ganz neu geschaffen und mit drei stelenartigen Leuchten möbliert. Hier scheint sich das Weltkulturerbe in eine raffinierte Kulisse für Modeaufnahmen zu wandeln. Um das Wohnen an den steilen Treppengassen den autoverrückten Portugiesen schmackhafter zu machen, werden neuerdings sogar Tiefgaragen angelegt, in die man beispielsweise durch das Erdgeschoss alter Geschäftshäuser gelangt. Auch wenn das neue Einkaufszentrum Santa Catarina an der gleichnamigen Flaniermeile Porto als Disneyland zitiert, will man eine Musealisierung der Altstadt vermeiden, indem man sie mit präzisen architektonischen Eingriffen dem heutigen Leben dienstbar zu machen sucht.


Meisterarchitekten

Zwar ist jüngst hoch über dem Largo de Miragaia mit seiner Barockkirche, dem kleinen Stadtpalast und den dahinter schamhaft sich verbergenden Wellblechhütten eine von Siza beeinflusste Schulanlage entstanden. Dennoch fehlt in der Altstadt bis jetzt eine Intervention von internationalem Format. Neubauten der Spitzenklasse findet man bis heute erst in den Aussenquartieren: etwa die von Siza wie eine mediterrane Stadt hoch über dem Douro angelegte Architekturfakultät, deren prächtige Fernwirkung aber bald schon durch den Bau spekulativer Wohnungen am Steilhang beeinträchtigt werden dürfte. Vor solch baulichen Immissionen geschützt ist dagegen der Carlos-Ramos-Pavillon, den Siza vor über zehn Jahren für die Architekturschule im kleinen Park der benachbarten Quinta do Póvoa errichtet hat. Ein vergleichbares Meisterwerk ist das Kulturzentrum, das Souto de Moura mit viel Gespür so in den kostbaren Garten einer Villa der Jahrhundertwende integrierte, dass von ihm kaum mehr als ein Vorsprung der Umfassungsmauer sichtbar ist. Wenn dieser die Strenge von Mies mit der granitenen Tradition des Nordens vereinigende Pavillon auch einem anderen Idiom verpflichtet ist, so darf er doch als Vorstufe zum Museu de Arte Contemporânea, dem seit Jahrzehnten ersten grossen Kulturbau der Stadt, gelten.


Ein eindrücklicher Musentempel von Alvaro Siza

Das von der Fundação Serralves, einer von Stadt und Privatwirtschaft getragenen Stiftung, verwaltete und mit staatlichen Geldern betriebene Museum für zeitgenössische Kunst, die erste Institution dieser Art in Portugal, wurde 1989 eröffnet, und zwar in der herrschaftlichen Villa Serralves. Sie zählt zusammen mit der unten am Douro langsam verrottenden Fischhalle von Januário Godinho zu den Höhepunkten des lusitanischen Art déco. In Auftrag gegeben wurde das perfekt erhaltene Gesamtkunstwerk in den dreissiger Jahren vom Grafen von Vizela. Dieser betraute zunächst den Pariser Architekten Charles Siclis mit dem Umbau des Anwesens. Vollendet wurde die von Ruhlmann und Brandt luxuriös ausgestattete Villa aber von José Marques da Silva, von dem in Porto der alte Hauptbahnhof und das São-João-Theater stammen. Grossartiger noch als das pinkfarbene Gebäude aber ist der vom Pariser Landschaftsarchitekten Jacques Gréber konzipierte, bald streng formale, bald waldartige, von maurisch anmutenden Wasserspielen und schattigen Teichen belebte Park, der zu den bedeutendsten Schöpfungen der Epoche überhaupt zählt. Da sich jedoch in diesem einzigartigen Rahmen Kunst der letzten dreissig Jahre nur bedingt präsentieren lässt - die zum Teil intimen Räume der Villa eignen sich kaum für sperrige Arbeiten, und der formale Garten duldet keine künstlerischen Eingriffe -, regte sich bald der Wunsch nach einem eigenen Museumsbau.


Von der Art-déco-Villa zum Museum

Doch wie sollte ein Neubau in die kostbare Art-déco-Anlage integriert werden? Mit dieser Frage wandte sich die Fundação 1991 an Alvaro Siza. Der schlug den von der Avenida Gomes da Costa aus zugänglichen, etwas versteckt am Rand des Parks gelegenen Küchengarten und den daran anschliessenden Orangenhain als Bauplatz vor - im vollen Bewusstsein, dass damit zwar ein nicht unbedeutender Teil der 18 Hektar grossen Parkanlage, aber wenigstens keine alten Bäume angetastet wurden. Wie immer ging Siza auch bei diesem Projekt von der Stimmung und den sichtbaren und unsichtbaren Kraftlinien des Ortes aus. Entlang einer vom alten Wegsystem vorgegebenen Nord-Süd-Achse gruppierte er ein zwar noch nicht ganz vollendetes, aber bereits mit funktionierendem Bühnenturm ausgestattetes Auditorium für 270 Personen und einen U-förmigen Museumstrakt, der neben Tiefgarage, Depots, Werkstätten und Büros eine Bibliothek und ein Café sowie Ausstellungsflächen von 4500 m² in rund 20 Hallen, Kojen und Korridoren aufweist.

Auf den ersten Blick erscheint das weiss verputzte, nur von wenigen Fenstern durchbrochene kubische Konglomerat abstrakt. Erst bei genauerem Hinschauen erkennt man, dass dieser gleichermassen sinnliche wie asketische Bau mit Elementen der Moderne und des regionalistischen Erbes spielt. Hier war ein Architekt am Werk, der - wie nicht zuletzt das Zufällige der Winkel und Volumen, der Öffnungen und Terrassen zeigt - ganz seiner Intuition vertraut. Der gut 50 Millionen Franken teure Kulturkomplex, den Siza als «plastischen Widerhall» des Parks versteht, wahrt dank Brechungen und Drehungen ein menschliches Mass und wirkt daher von aussen nie monumental. Die architektonische Auseinandersetzung mit Licht, Natur und Topographie im Sinne Alvar Aaltos führte schliesslich dazu, dass der Bau - typisch für Siza - mehrere Gesichter besitzt. Einzig das blendende Weiss und die dunklen Fenstereinschnitte sind dem ganzen Gebäude eigen. Sonst aber erinnert es bald an kubistische, bald an klassisch moderne Architekturen, während das Auditorium mit seinem leicht geschwungenen Dach heutigen Fabrikhallen gleicht. Das Ganze hat Siza mit einer Prise postmodernem Kitsch gewürzt: einer sich vom Garten zum Auditorium hinüberschwingenden Brücke, die mit ihrer Granitverkleidung den Bezug herstellen will zu Portos historischer Architektur.

Siza erweist aber auch der Art-déco-Villa seine Reverenz. Nähert man sich von Süden durch den Kastanien- und Eukalyptuswald dem Museum, so erscheint es - über einer barockisierenden Treppe sich erhebend - mit seinen puristischen Flügelbauten und den im Licht spielenden Kuben wie eine zeitgenössische Neuinterpretation der Villa. Der Geist der doppelstöckigen, Le Corbusiers Maison Schwob verwandten Halle des Serralves- Hauses wiederum lebt im grossen Eingangsfoyer des Museums weiter. Von hier aus entwickelt sich das Raumgefüge - im Widerspruch zur klassischen Promenade architecturale - geradezu labyrinthartig. Man ist deshalb geneigt, ähnlich wie bei Sizas Museum für zeitgenössische Kunst in Santiago de Compostela, dessen museographische Errungenschaften in Porto noch verbessert wurden, von einer wunderbaren Raumvermehrung zu sprechen. Obwohl Siza mit seinen klar definierten, bald natürlich, bald künstlich erhellten, aber niemals neutralen Ausstellungsräumen ein Gegenstück zu den von Kuratoren geliebten Fabrikhallen geschaffen hat, überzeugen sie durch ihre Flexibilität. Einzig die etwas allzu plastische Durchformung der Decken mit den Oberlichtverkleidungen in Form umgekehrter Tische und die betörenden Ausblicke treten mit den Exponaten bisweilen in Konkurrenz. Dafür macht sich niemals Schwere breit; und man kann sich im komplexen Raumgefüge stets zurechtfinden.


Sammlungsräume - Sammlungsträume

Die vielfältige Verwendbarkeit dieses Musentempels veranschaulicht die von einem Star der iberischen Kunstszene, dem 41jährigen Direktor des Hauses, Vincente Todolí, organisierte Eröffnungsausstellung mit dem programmatischen Titel «Circa 1968» aufs schönste. Mit ihren nahezu 500 Exponaten - Malerei, Skulptur, Environment, Installation, Video und Film - von über 100 Künstlern markiert die Schau zudem den Anspruch dieses Hauses, das nicht nur im Sinne einer Kunsthalle ganz auf die Gegenwart bezogene Statements präsentieren, sondern durchaus auch historische Prämissen zur Diskussion stellen will. Die Schau verbindet auf eigenwillige Weise Positionen der Pop- und der Land-art (nicht aber der Minimal art), der Arte Povera oder des Düsseldorfer Kreises rund um Beuys mit portugiesischen, spanischen und iberoamerikanischen Ansätzen. Knapp zur Hälfte aus eigenen Beständen alimentiert und um käufliche Leihgaben von Künstlern und Galeristen ergänzt, soll sie den angestrebten Idealzustand des frühsten Segments der Sammlung skizzieren. Dass darin Highlights eher selten sind, wird wettgemacht durch eine Haltung, die - ganz im Sinne der «Schule von Porto» - die internationalen Strömungen von einer lokalen Warte aus befragt.

Anschliessend an die noch bis zum 29. August dauernde Eröffnungsschau, die gegenüber der Architektur des Neubaus und der alten Villa einen schweren Stand hat, sind ausser Präsentationen zeitgenössischer portugiesischer und internationaler Künstler eine multimediale Schau rund um den Choreographen Merce Cunningham und eine den Photographien und dem Bühnendesign von El Lissitzky gewidmete Ausstellung zu sehen (16. September bis 7. November). Danach sollen jährlich zwölf Ausstellungen gezeigt werden, acht davon mit internationalem Anspruch. Zu hoffen ist, dass das vom Museu Serralves seit nunmehr zehn Jahren an den Tag gelegte Engagement auch im neuen Haus weitergeführt werden kann, damit es nicht wie das Museum in Santiago auf Grund provinzieller Querelen zur Bedeutungslosigkeit absteigt. Doch gegenwärtig ist die Stadt am Douro mit der Kombination von Weltarchitektur und zeitgenössischer Kunst auf dem besten Weg dazu, sich von einem Aschenbrödel in einen Weltstar zu verwandeln, ohne dabei auf Showeffekte setzen zu müssen wie etwa Bilbao mit Gehrys Guggenheim-Museum.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 1999.06.14



verknüpfte Akteure
Siza Vieira Álvaro

01. Juni 1999Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Eine tätowierte Kiste in Eberswalde

Schmucklos Graue Häuser säumen die Einfallstrasse nach Eberswalde. Ihren kubischen Formen eignet jene Poesie des Ärmlichen, wie man sie von den Architekturbildern des deutschen Fotokünstlers Thomas Ruff kennt. Diese Bauten bereiten auf eine minimalistische Betonkiste mit bedruckter Hülle vor, deren karges Aussehen seit Wochen die Gemüter erhitzt. Bei dem umstrittenen Neubau in der nordöstlich von Berlin gelegenen Stadt handelt es sich um die von den Basler Architekten Herzog & de Meuron errichtete Bibliothek der Fachhochschule Eberswalde.

Schmucklos Graue Häuser säumen die Einfallstrasse nach Eberswalde. Ihren kubischen Formen eignet jene Poesie des Ärmlichen, wie man sie von den Architekturbildern des deutschen Fotokünstlers Thomas Ruff kennt. Diese Bauten bereiten auf eine minimalistische Betonkiste mit bedruckter Hülle vor, deren karges Aussehen seit Wochen die Gemüter erhitzt. Bei dem umstrittenen Neubau in der nordöstlich von Berlin gelegenen Stadt handelt es sich um die von den Basler Architekten Herzog & de Meuron errichtete Bibliothek der Fachhochschule Eberswalde.

Die campusartige Anlage der ursprünglich auf Forstwirtschaft spezialisierten und nun um die Abteilungen Betriebswirtschaft und Landschaftsgestaltung erweiterten Schule liegt in der von kriegsbedingten Baulücken und pseudo-postmodernen Spekulationsbauten geprägten Innenstadt. In dieser Umgebung würde man kaum interessante zeitgenössische Architektur erwarten, und dennoch konnten Herzog & de Meuron hier dank einem Direktauftrag des Kulturministeriums von Brandenburg zwei Bauwerke der radikaleren Art realisieren: Mit dem Klinkerbau der Betriebswirtschaftsschule betonten sie die Ecke gegenüber dem Park, rückten die Bibliothek wie eine Mauer an die Hauptstrasse heran und verwandelten durch diese gezielten Eingriffe das lose Bauensemble aus den letzten 150 Jahren zu einer in sich geschlossenen und doch transparenten «Stadt in der Stadt».

Überzeugt der Klinkerbau vor allem durch seine urbanistischen Qualitäten, so will die Bibliothek als der öffentlichste Bau des Campus mit ihrer Andersartigkeit die Aufmerksamkeit auf sich lenken: Zur Stadt hin ist sie ein introvertierter, nur durch horizontale Fensterschlitze und Oberlichtbänder strukturierter Kubus, der eine gewisse formale Ähnlichkeit mit den Studentenhäusern der beiden Basler in Dijon aufweist. Allerdings wird in Eberswalde die Architektur durch die Bildfassaden in den Hintergrund gerückt: Denn die von Thomas Ruff ausgewählten Fotos, die - in einer Art Siebdruckverfahren auf Glas- und Betonplatten übertragen - den Baukörper in seriellen Bahnen umziehen, entmaterialisieren das Gebäude fast.

Anders als bei den heute modischen medialen Oberflächen geht es bei dieser «Tätowierung», die ihre Vorstufen in der Aussengestaltung des Ricola-Lagerhauses in Mülhausen hat, nicht nur um eine Attitüde. Vielmehr wollten Herzog & de Meuron das seit Adolf Loos' Pamphlet «Ornament und Verbrechen» geltende Dekorationsverbot der Moderne «entkriminalisieren», indem sie das Sgraffito mit Hilfe einer neuen Technik wiederbelebten. Dadurch fanden sie - wohl unbeabsichtigt - eine geniale zeitgenössische Antwort auf den Fürstenzug am Langen Gang des Dresdner Schlosses.

Auf der strassenabgewandten Seite der Bibliothek sind der von einem Windfang aus bedrucktem Glas gefasste Eingang und ein ebenfalls gläserner, zum Bücherdepot und zur Verwaltung im Nachbarhaus führender Verbindungsgang. Sie deuten an, dass dieser abstrakte Körper mehr ist als eine zum Bild erstarrte Fassade.

Im Innern dann erleben selbst jene eine Überraschung, die in den Bauten von Herzog & de Meuron bisher nur Hüllen sehen wollten. Hier nämlich manifestiert sich das Interesse der Basler am architektonischen Raum in der schon bei der Sammlung Goetz in München erprobten Stapelung identischer Räume. Oberlichtbänder, die bei Sonnenschein die Fassadenbilder nach innen projizieren, tauchen die drei Etagen der Freihandbibliothek in nahezu dasselbe Licht. In diesem reinen Raumgefüge ermöglichen einzig die Kastenfenster mit ihren Ausblicken auf Stadt und Schule die Orientierung - ausser im Erdgeschoss, das durch die hier untergebrachte Buchausleihe einen eigenen Charakter erhält. Die ursprünglich geplante Innenausstattung mit Sichtbeton und Holzregalen fiel leider bibliothekarischen Vorstellungen zum Opfer. Auch ist der blaue Teppich wohl etwas gar aufdringlich.

Dennoch vermögen die Bibliotheksräume in ihrer Funktionalität und Bescheidenheit zu überzeugen. Hier spürt man nichts von jener Detailversessenheit, die die heutige Deutschschweizer Architektur sonst oft so affektiert erscheinen lässt. Für vergleichsweise bescheidene sieben Millionen Mark haben Herzog & de Meuron einen Bau geschaffen, der in seiner ästhetischen Anmutung und seinem theoretischen Ansatz durchaus mit der vor sechzig Jahren von Hannes Meyer, einem anderen Basler, im nahen Bernau errichteten Gewerkschaftsschule verglichen werden darf.

NZZ-Folio, Di., 1999.06.01



verknüpfte Bauwerke
Bibliothek der Fachhochschule Eberswalde

17. Mai 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Neuanfang in der Lagune

Besucher Venedigs geniessen die Lagunenstadt in erster Linie als malerische Kulisse. Das von komplexen Umwelteinflüssen bedrohte historische Zentrum soll aber auch den Venezianern weiterhin ein lebenswertes Ambiente bieten. Deshalb müssen in den nächsten Jahren unter anderem neue Wohnungen, Kultureinrichtungen, Schulen und Grünanlagen gebaut werden.

Besucher Venedigs geniessen die Lagunenstadt in erster Linie als malerische Kulisse. Das von komplexen Umwelteinflüssen bedrohte historische Zentrum soll aber auch den Venezianern weiterhin ein lebenswertes Ambiente bieten. Deshalb müssen in den nächsten Jahren unter anderem neue Wohnungen, Kultureinrichtungen, Schulen und Grünanlagen gebaut werden.

Italien ist, zumindest was die Architektur betrifft, seit Jahren schon Provinz. Während hierzulande die Baukunst boomt, steuern unsere südlichen Nachbarn weder mit Gebäuden noch mit Theorien zum internationalen Architekturdiskurs etwas bei. Nun aber träumt mit Venedig ausgerechnet jene Stadt von der Erneuerung, deren prachtvolles Erscheinungsbild - abgesehen von dringend anstehenden Restaurierungen - kaum einer Verbesserung bedarf. Und doch, von wo sonst könnte eine architektonische Wiedergeburt Italiens ausgehen, wenn nicht von der Lagunenstadt: Befindet sich in Venedig doch die angesehenste Architekturschule des Landes; ausserdem wird hier mit der «Biennale di Architettura» seit 1980 - in unregelmässigen Abständen - die weltgrösste Architekturschau durchgeführt.


Venezia (im)possibile

Wenn nun die Perle der Adria mit der Idee eines architektonischen Laboratoriums kokettiert, so geht es ihr nicht nur um die einzigartige Altstadt, sondern um ihre Gesamtstruktur. Bis jetzt nahmen viele das «schöne» Venedig und das «hässliche» Mestre als zwei getrennte Städte zwischen Horror und Verheissung wahr. Dabei bilden Mestre mit seinem lange schon als ökologisches Notstandsgebiet bekannten Hafen Portomarghera und Venedig längst eine Einheit: wirtschaftlich, kulturell, politisch und sozial. Ohne Einbezug des Festlands ist daher eine für die Bewohner sinnvolle Entwicklung des Grossraums Venedig nicht möglich. Hat die chaotische Agglomeration auf der Terra ferma mit industriellen Altlasten zu kämpfen, so ist das täglich von Zehntausenden von Touristen heimgesuchte Zentrum in der Lagune von seiner Ausrichtung auf Tourismus, Bildung, Freizeit und Kultur her im Grunde schon heute eine Stadt des kommenden Jahrhunderts. Daneben kämpft Venedig mit komplexen Problemen: Umweltverschmutzung und Hochwasser bedrohen die Bausubstanz, und interne Migration schwächt die Bevölkerungsstruktur. Mit 65 000 Einwohnern lebt heute nur noch ein Fünftel der Venezianer in der Lagunenstadt.

Als Leonardo Benovolo vor zwei Jahren den neuen Masterplan für Venedig publizierte, löste er in Italien eine heftige Debatte aus. Besonders ärgerlich erschien den Kritikern, dass die längst Realität gewordene Agglomeration nun auch planerisch als Einheit gedacht wurde - und zwar als bipolare Stadt mit einem Zentrum auf dem Wasser und einem auf dem Festland, deren Lebensnerv die seit 1846 bestehende Brückenverbindung ist. Auf Grund dieses Planes, dessen erste Ansätze in die fünfziger Jahre zurückreichen und an dem erneut 1976, diesmal zusammen mit der Unesco, gearbeitet wurde, sollen nun die schlimmsten Übel angegangen und Zukunftsperspektiven entworfen werden. Dazu wurden jüngst grosse Wettbewerbe durchgeführt. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei den beiden Brückenköpfen: So wird in Venedig selbst der alte Frachthafen in einen reinen Passagierterminal umgestaltet und mit einem dekonstruktivistisch anmutenden Abfertigungsgebäude von Ugo Camerino und Michel Macary versehen, während auf dem Festland das bis anhin von der Petrochemie geprägte Ufer von Portomarghera durch einen Technologiepark von Wilhelm Holzbauer und Paolo Piva eine neue Zukunft erhalten und mit riesigen, von Antonio Di Mambro konzipierten Grünanlagen besser auf die Freizeitbedürfnisse des ganzen Stadtkörpers zugeschnitten werden soll.

Damit ist auch schon angedeutet, dass all die ambitionierten Projekte nicht im Herzen der Lagunenstadt verwirklicht werden. Dort restauriert man allenthalben wichtige Denkmäler: vom Dogenpalast und von der Kirche San Moisè bis hin zum ehemaligen Macello, der künftig als Wirtschaftsfakultät dienen soll, dieweil der neugotische Molino Stucky auf der Giudecca mit Hilfe privater Investoren in ein Kongresszentrum mit Hotel, Läden, Wohnungen und Grünanlagen umgebaut wird. Bei der gegenwärtigen Erneuerung der Stadt geht es also nicht mehr wie einst darum, das «unhygienische» Venedig gegen die «saubere» Stadt der Moderne auszuspielen. Vielmehr soll die historische Substanz behutsam saniert, wo nötig durch neue architektonische Statements ergänzt und damit dem alten Stereotyp der «Venezia impossibile» entgegengewirkt werden. An diesem leidet die Stadt, seit die legendären Projekte von Frank Lloyd Wright für die Fondazione Masieri am Canale Grande, von Le Corbusier für das San-Giobbe-Krankenhaus, von Louis Kahn für ein Kongresshaus in den Gardini sowie - Jahre später - von Alvaro Siza für Wohnbauten auf der Giudecca gescheitert waren.


Ausstellung auf San Giorgio

Dass es aber schon damals durchaus auch Ansätze im Sinne einer «Venezia possibile» gab, zeigen der Neubau des Theaters Goldoni, das Bürohaus von Giuseppe Samonà bei San Simeone, vor allem aber das Mehrfamilienhaus an den Zattere von Ignazio Gardella oder Carlo Scarpas Umbau der Fondazione Querini Stampalia. Hier, wo das Zusammentreffen von Erinnerung und Innovation Früchte trug, könnte man mit dem Weiterbauen der Stadt fortfahren. Dies zumindest veranschaulicht die Ausstellung «Venezia - La Nuova Architettura» in der Fondazione Cini auf San Giorgio. Die Präsentation von zwanzig meist aus Wettbewerben hervorgegangenen Projekten für Infrastruktur, Bildung und Kultur, die laut Sindaco Massimo Cacciari zur Ausführung bestimmt sind, bringt Venedig in die internationale Diskussion zurück und entschädigt für die bereits zweimal verschobene 7. Architekturbiennale.

Herzstück der Veranstaltung bildet der kürzlich entschiedene Wettbewerb für den neuen Sitz des Architekturinstituts in den Hallen der ehemaligen Magazzini Frigoriferi am Canale della Giudecca, den Enric Miralles mit einer dekonstruktivistischen Stadtlandschaft für sich entscheiden konnte. Am direktesten auf die Industriebauten eingegangen aber ist Ben van Berkel mit einem abenteuerlich unterhöhlten Monolith, der die Baufigur des alten Komplexes nachempfindet. Die einheimischen Vorschläge hingegen zeigen, wie verzweifelt die jungen Italiener bei internationalen Modeströmungen anzuknüpfen suchen und dass sie noch immer keine architektonischen Denker und schon gar keine Vordenker sind.

Aber auch die anderen in Form von Modellen, Originalzeichnungen, Plänen, Photomontagen und Computersimulationen präsentierten Projekte sind spannend. Sie dürften - wenn sie dereinst auch wirklich gebaut sind - der Stadt ganz neue Impulse geben, ohne dabei ihr Weichbild zu verletzen. Der eleganteste Entwurf ist zweifellos Santiago Calatravas Brücke zwischen Bahnhof und Piazzale Roma, der harmonischste die Erweiterung der Friedhofsinsel von David Chipperfield, der exzentrischste - wie könnte es anders sein - Frank O. Gehrys Terminal für den Flughafen Marco Polo. Mit dem Kontext auseinandergesetzt hat sich vor allem Cino Zucchi auf dem ehemaligen Junghans-Areal auf der Giudecca. Ihm ist hier auch gelungen, was seit Gardella niemand mehr wagte: die Neuformulierung des venezianischen Stadthauses aus dem Geist der Gegenwart heraus. Ihm antwortet der Koreaner Dea-Jin Lee mit dem Projekt eines schlangenförmigen Wohnbaus in den zu restaurierenden Conterie auf Murano. Noch nicht entschieden wurde hingegen über das Arsenal, das Gebiet mit dem grössten Zukunftspotential der Altstadt.

Angesichts der vielen interessanten Vorschläge möchte man hoffen, dass es ihnen nicht so ergeht wie einst jenen von Le Corbusier, Wright und Kahn. Immerhin scheint die Situation heute besser zu sein - auch wenn stetige Terminverschiebungen beim Wiederaufbau der Fenice diesen Eindruck zu widerlegen scheinen. Gewiss: Italiens Mühlen mahlen weiterhin langsam. Gleichwohl bleibt der Trost, dass sich die Apenninenhalbinsel zurückgemeldet hat - wenn nicht mit Bauten, so doch mit einer zukunftweisenden Ausstellung. Und wer weiss, vielleicht hört man demnächst auch aus Rom, wo Piano und Meier an Millenniumsprojekten arbeiten, von einem Neubeginn.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 1999.05.17

07. Mai 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die neue Anmut

Fast täglich sorgen Herzog & de Meuron zurzeit für Schlagzeilen: So konnten jüngst in Basel, Duisburg und Eberswalde bedeutende Neubauten eingeweiht werden....

Fast täglich sorgen Herzog & de Meuron zurzeit für Schlagzeilen: So konnten jüngst in Basel, Duisburg und Eberswalde bedeutende Neubauten eingeweiht werden....

Fast täglich sorgen Herzog & de Meuron zurzeit für Schlagzeilen: So konnten jüngst in Basel, Duisburg und Eberswalde bedeutende Neubauten eingeweiht werden. Andere Projekte - etwa die neue Tate Gallery in London - gehen zügig ihrer Vollendung entgegen. Gleichzeitig hört man von neuen Prestigeaufträgen wie jenem des De Young Museum in San Francisco. Bei soviel Turbulenz könnte das soeben eröffnete Marketinggebäude von Ricola in Laufen als vermeintlich kleine Nebensache leicht übersehen werden. Dabei markiert diese Miniatur einen Wendepunkt im Werk der Basler. Der zwischen Glashaus und Gartenpavillon oszillierende Bau hat in seiner Transparenz und seinem diskreten Fünfzigerjahre- Charme nämlich nichts mehr gemein mit den kargen Kisten, mit denen Herzog & de Meuron ein vorläufig letztes Mal Anfang April in Eberswalde Publikum und Fachwelt irritierte.

Das über einem trichterförmigen Grundriss errichtete Bauwerk mit dem auskragenden Efeudach ist das bis anhin anmutigste Gebäude von Herzog & de Meuron, finden in ihm doch Architektur, Natur und Kunst zu einer Einheit. Darüber hinaus ist es der erste Bau der Basler Architekten, der im Grunde nur aus Raum besteht. Jacques Herzog betont denn auch, dass sie hier vor allem «der Aussenraum, der Zwischenraum sowie die Art, wie der Raum das Haus durchdringt», interessierte. Das Gebäude mit den charakteristischen Einknickungen an Seiten, das sich in seiner Durchsichtigkeit ganz auf den von Günter Vogt gestalteten Garten und den dahinter ansteigenden Hang bezieht, hat keine definitive Form, kein sofort erkennbares Volumen. Die fast durchgängige Verglasung - nur zum Parkplatz hin sind einige mit grünen Tarnnetzen bespannte Mauerflächen auszumachen - lässt aber den Aussenraum eindringen und macht aus diesem Haus eine Art objet cache-toi.

Die breite Freitreppe, die sich für Veranstaltungen in eine theaterartige Sitzfläche umfunktionieren lässt, ist das Herzstück der promenade architecturale. Sie führt vom offenen, mit Photoporträts von Thomas Ruff geschmückten Repräsentationsraum im Erdgeschoss hinauf in die Büroetage. Glas dominiert auch dort. Es bestimmt die Beziehung zwischen den Grossraum- und Einzelbüros und der Aussenwelt. Dank riesigen Fensterflächen, die individuell aufgeschoben werden können, lässt sich die Bürolandschaft gleichsam in eine Gartenveranda verwandeln. Der Fluss des architektonisch bewusst nicht definitiv gefassten Raums wird allerdings durch die von Adrian Schiess und Rosemarie Trockel entworfenen Vorhänge gebremst. Damit wird ihre Kunst zum integralen Bestandteil der Architektur.

Dieses dritte Haus, das Herzog & de Meuron für die Kräuterbonbon-Firma Ricola gebaut hat, deutet den Abschied von der Kiste an; es weist mit seinem fliessenden Raum und dem Hang zur Entmaterialisierung aber auch voraus auf die Kramlich-Residenz in Kalifornien (die, obwohl erst projektiert, im Sommer in der MoMA-Architekturausstellung «The Unprivate House» einen wichtigen Platz einnehmen wird) und auf den Londoner Entwurf des Laban Dance Centre. Damit darf es als ebenso exemplarisches Scharniergebäude im Werk von Herzog & de Meuron bezeichnet werden wie die Ricola-Lagerhalle in Laufen, bei der sie einst über den «Bezug von Hülle und Inhalt» nachdachten und Themen wie Tragen, Lasten, tektonischer Aufbau, Schichtung und Einfachheit untersuchten. Beim 1992 fertiggestellten Ricola-Produktionshaus in Mülhausen mit seiner photographisch bedruckten Aussenhaut interessierte sie dann die «Reduzierung der Fassadenoberfläche zum Bild». Waren damals von Karl Blossfeldt photographierte Pflanzenblätter extrem vergrössert auf die Aussenhaut aufgedruckt worden, so bilden nun die vom Dach hängenden Wein- und Efeuranken und der Garten die äusserste Hülle des Gebäudes und werden so Teil einer Architektur, die - ganz anders als der «tätowierte» Betonkubus der Bibliothek von Eberswalde - die Erde nur mehr leicht zu berühren scheint.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.05.07



verknüpfte Bauwerke
Ricola Marketinggebäude

22. April 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Wald auf der vierten Etage

Geht es um die Künstlichkeit der Landschaft, so kommt den Niederlanden weltweit der erste Platz zu. Auf dem Land, das dem Meer abgetrotzt oder durch Trockenlegung...

Geht es um die Künstlichkeit der Landschaft, so kommt den Niederlanden weltweit der erste Platz zu. Auf dem Land, das dem Meer abgetrotzt oder durch Trockenlegung...

Geht es um die Künstlichkeit der Landschaft, so kommt den Niederlanden weltweit der erste Platz zu. Auf dem Land, das dem Meer abgetrotzt oder durch Trockenlegung von Sümpfen gewonnenen wurde, sind selbst die Wälder von Menschenhand gemacht. Kanäle, Schleusen, Autobahnen, Alleen und Bahntrassees überziehen wie ein Raster den Boden, auf dem sich die «Randstad Holland» mit atemberaubendem Tempo ausdehnt: Zwischen Amsterdam und Rotterdam verschwinden wohl bald die letzten Tulpen- und Narzissenfelder, die in diesen Tagen mit ihrem Rot und Gelb betörende Akzente in die Landschaft setzen. Sie werden verdrängt von neuentstehenden Wohnsiedlungen und Bürohäusern, die nicht wie bei uns dicht an dicht gebaut, sondern ganz à l'américaine eingebettet sind in Grünanlagen mit breiten Parkways, grosszügigen Veloabstellplätzen und Biotopen. Wird hierzulande meist nur primitive Restraumbegrünung gepflegt, so sind in der Randstad ganze Heerscharen von Landschaftsgestaltern am Werk. Diese kreieren nicht immer Meisterwerke. Gleichwohl sind ihre Arbeiten oft besser als die Architektur, die sie umgeben. Und manchmal entdeckt man sogar Wegweisendes: etwa die heiss diskutierten Anlagen von West 8.

Aber nicht nur auf der grünen Wiese plant das Rotterdamer Büro West 8. Von ihm stammt auch der 1997 fertiggestellte Schouwburgplein, ein hochartifizieller «Stadtpark» im Herzen der Metropole an der Maas. Rotterdam ist nämlich gleichermassen die Hochburg der neuen holländischen Architektur und der Landschaftsgestaltung. Hier entsteht im Viertel Kop van Zuid eine ganze Stadtlandschaft, und hier realisierte der frühverstorbene Yves Brunier zusammen mit OMA den Rotterdamer Museumspark. An dieser grossartigsten Parkanlage der neunziger Jahre, die schon jetzt zu den Hauptwerken der abendländischen Gartenarchitektur gezählt werden darf, erhebt sich ausser der Kunsthal von Rem Koolhaas auch das Nederlands Architectuurinstituut (NAI), das Jo Coenen aus einem künstlichen Teich wachsen liess. Gegenwärtig gilt die Aufmerksamkeit dieses Museums der Landschaftsgestaltung. Schon die riesigen Siebdrucke auf den Fassaden deuten das Thema an. Allerdings sind darauf keine holländischen Landschaften dargestellt. Vielmehr verweisen die Bilder auf die im Rahmen der «IBA Emscher Park» in den letzten zehn Jahren durchgeführte ökologische, wirtschaftliche und soziale Umgestaltung des nördlichen Ruhrgebiets.

Die am 2. Juli in einem Symposium kulminierende Open-air-Schau ist Teil des noch bis ins Jahr 2001 dauernden Langzeitprojekts «Das Layout der Niederlande». In diesem Kontext werden in den nächsten acht Monaten in der Eingangshalle zehn junge Landschaftsarchitekturbüros vorgestellt. Auftakt zu der «9+1» betitelten Ausstellung machen die beiden Büros Vista und Atelier DS, die wie die nachfolgenden Teilnehmer – Diekman, Eker & Schaap, Juurlink en Geluk, Kaap 3, Parklaan, Studio I.S., Veenenbos en Bosch und West 8 – ihr Schaffen in selbstinszenierten Kojen präsentieren. Vom Büro Vista, zu dem sich vor fünf Jahren Sjef Jansen und Rik de Visser zusammenschlossen, sind bis zum 13. Juni Restrukturierungsprojekte sowie Entwürfe für Delft und Hilversum zu sehen. Das 1993 von Bruno Doedens und Maike van Stiphout gegründete Atelier DS, das mit seinen siegreichen Berliner Parkentwürfen internationale Anerkennung gefunden hat, versucht hingegen Antworten auf unser immer schneller pulsierendes Leben zu geben. Seine Arbeiten am Potsdamer Platz und in Scheveningen veranschaulichen das Streben nach klar und einfach strukturierten Umgebungen, in denen der Mensch wieder zu sich selbst finden soll. Nach der Eröffnung der letzten der fünf Doppelausstellungen soll am 25. November die Entwicklung der niederländischen Landschaftsarchitektur auf einer Tagung diskutiert und anschliessend in Buchform publiziert werden.

Aufsehenerregendes Highlight des gegenwärtigen Ausstellungsangebots im NAI, das unter anderem auch Herman Hertzbergers «Artikulationen» und eine Übersicht über «Zwei Jahrhunderte Architektur in den Niederlanden» umfasst, ist die ausser Programm noch bis zum 5. Mai zu sehende Präsentation des holländischen Ausstellungspavillons für die Expo 2000 in Hannover. Der von Winy Maas, Jacob van Rijs und Nathalie de Vries, den sich kurz MVRDV nennenden Trendsettern der Rotterdamer Nachwuchsszene konzipierte Pavillon stapelt auf den sechs Ebenen einer 40 Meter hohen, offenen Architektur auf provokative Weise die holländische Landschaft. Das in seiner absoluten Künstlichkeit an eine Raumstation erinnernde Projekt ist die ebenso bizarre wie poetische Zukunftsvision einer urbanen und landschaftlichen Verdichtung und damit gleichsam die Formwerdung der beiden bereits zu Kultbüchern avancierten Schriften von MVRDV: «Farmax» und «Metacity Datatown».

Dem sich vordergründig ökologisch gebenden Pavillon mit seiner auf Hollands ungebrochenen Glauben an die Machbarkeit anspielenden Auftürmung des immer rarer werdenden Landes eignet eine Ironie, wie man sie letztmals in den Entwürfen von Archigram gesehen hat. Zuoberst säumen sechs Windmühlen eine Teichlandschaft. Von dieser fallen Wasservorhänge über das darunterliegende Geschoss, in dem sich ein Theater befindet. Auf der vierten Etage können die Besucher einen Wald durchstreifen und anschliessend das Reich der Wurzeln erkunden. Das Labyrinth aus kubischen Blumengittern im zweiten Stock lässt sich als skulpturale Anspielung auf die streng ausgerichteten Tulpenfelder, die Dünenlandschaft im ersten Geschoss hingegen als Hinweis auf die ungezähmte Natur interpretieren. Restaurant, Informationsbereich und Sanitäranlagen schliesslich sind im abgesenkten Erdgeschoss untergebracht. Mit diesem futuristischen Architekturspektakel dürfte Holland auf der Expo den Gegenpol zu Zumthors kontemplativem Schweizer Pavillon markieren und so einmal mehr beweisen, mit welcher Frechheit und Innovationslust seine Architekten und Landschaftsplaner den internationalen Diskurs mitbestimmen.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 1999.04.22



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01. April 1999Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Der Blitz am Bahngeleise

Die Schweiz gilt heute international als eine Hochburg des Architekturdiskurses. Dessen gebaute Resultate finden sich - einmal von Basel abgesehen - meist...

Die Schweiz gilt heute international als eine Hochburg des Architekturdiskurses. Dessen gebaute Resultate finden sich - einmal von Basel abgesehen - meist...

Die Schweiz gilt heute international als eine Hochburg des Architekturdiskurses. Dessen gebaute Resultate finden sich - einmal von Basel abgesehen - meist abseits der grossen Zentren im Tessin und in Graubünden. Mit überregional ausstrahlenden Bauwerken konnte vorab die Wirtschaftsmetropole Zürich schon lang nicht mehr brillieren, obwohl hier so namhafte Teams wie Gigon & Guyer oder Meili & Peter arbeiten. Nun aber steht der erste grosse Vorzeigebau der Zürcher Szene: das von den beiden 41jährigen Architekten Isa Stürm und Urs Wolf realisierte Bürohaus der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich.

Einen Namen machten sich Stürm und Wolf vor zehn Jahren mit einer monolithischen Einstellhalle in Domat Ems. Ganz anders als dieser flache Solitär am Fuss des Hochgebirges, aber von ähnlich minimalistischem Geist geprägt war das dank kargem Materialeinsatz fernöstlich anmutende Ladenlokal von Issey Miyake, das sie etwa zur gleichen Zeit an Zürichs Bahnhofstrasse einrichteten. Auf diese meisterhafte Miniatur folgten weitere Umbauten und Innenraumgestaltungen. Grosses erhoffen liess 1998 der Sieg im Wettbewerb für ein Kunstmuseum in Vaduz. Doch schreckten die Auftraggeber vor diesem unkonventionellen, im Grundriss einfachen, im Schnitt aber komplexen Entwurf zurück. Der Sitz der Sozialversicherungsanstalt an der Röntgenstrasse in Zürich vermittelt nun eine Idee von dem, was sich die Liechtensteiner entgehen liessen.

Das von den einfahrenden Zügen aus nicht zu übersehende Gebäude, in dem sich Themen wie Stadt, Raum, Licht und Sicht zur architektonischen Form verdichten, erhebt sich - eingeklemmt zwischen dem Geleisefeld und einer Allee - auf einem dreieckigen Grundstück. Es ist der erste Teil der 1990 durch einen Wettbewerb entschiedenen Bebauung eines abgewirtschafteten, früher in gewissen Kreisen «Bronx» genannten SBB-Areals. Der messerscharf geschnittene Bau, der sich von den sachlichen «Crèmeschnitten» der sechziger Jahre durch einen komplexen Grundriss und sorgfältigere Proportionierung unterscheidet, setzt ein Zeichen im multikulturellen Industriequartier, das heute mit neuen Kinos, Bars und Galerien ein vorab junges Publikum anzieht.

Das von horizontalen Bändern aus Burgunder Kalk und grünem Glas zusammengehaltene Gebäude changiert zwischen Steinhaus und Glaspalast. Seine neun unterschiedlichen Fassaden suchen den Dialog mit der Umgebung. Von der Langstrasse her erblickt man zunächst einen gedrungenen Steinturm, dessen Fundament durch die Tiefgarageneinfahrt gefährlich unterhöhlt wird. Die optische Zäsur einer keilartigen Kerbe trennt ihn von der strassenseitigen Fassadenflucht: einer fast immateriell wirkenden «Glaswand», die sich der dynamisch über Eck gezogenen Fensterbänder wegen in der Unendlichkeit des Himmels zu verlieren scheint.

Die Blitzform des aus dem dreieckigen Sockelgeschoss wachsenden Bürohauses erinnert entfernt an das Jüdische Museum von Daniel Libeskind, leitet sich aber ab aus der Komposition der zwei zur Bahn und zur Strasse hin parallelen Baukörper, die miteinander verbunden sind. Daher hat das Haus mit Dekonstruktivismus ebensowenig gemein wie mit der gegenwärtig so erfolgreichen Schweizer Kiste. Vielmehr muss man die skulpturale Grossform, bei der sich Stürm und Wolf auf Ieoh Ming Peis Stadtverwaltung in Dallas und die Erweiterung der Washingtoner National Gallery, vielleicht aber auch auf Sizas Kunstmuseum in Santiago de Compostela bezogen, im erweiterten Kontext des Gesamtprojekts sehen. Dieses umfasst neben dem aus einer gesprengten Hofrandbebauung entwickelten Bürohaus noch neun siebengeschossige Wohnkuben, um deren plangetreue Realisierung die Architekten gegenwärtig ringen.

Der Noblesse der Aussenform entspricht der Innenausbau: Die horizontale Empfangshalle verweist ebenso wie das grosse Treppenhaus mit dem dramatisch inszenierten Lichtschacht auf die Eleganz der Ladengeschäfte von Stürm und Wolf. Über fünf Geschosse verteilt, sind 400 Arbeitsplätze in hellen Grossraum- und Einzelbüros untergebracht. Die sorgfältige detaillierte Ausarbeitung setzt sich durch alle Räume fort bis hinauf zur Cafeteria und zum Gymnastikraum in der Attika. Dabei zeigt sich, dass die für die Zwinglistadt so typische Formenstrenge durchaus mondäne Züge annehmen kann.

NZZ-Folio, Do., 1999.04.01



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SVA-Verwaltungsgebäude

01. April 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Rationalismus und Ortsbezug

Seit in Mendrisio die Accademia di architettura ihren Betrieb aufgenommen hat, ist der Magnifico Borgo zum Zentrum der Architekturdiskussion im schweizerisch-oberitalienischen...

Seit in Mendrisio die Accademia di architettura ihren Betrieb aufgenommen hat, ist der Magnifico Borgo zum Zentrum der Architekturdiskussion im schweizerisch-oberitalienischen...

Seit in Mendrisio die Accademia di architettura ihren Betrieb aufgenommen hat, ist der Magnifico Borgo zum Zentrum der Architekturdiskussion im schweizerisch-oberitalienischen Gebiet geworden. Einen wesentlichen Anteil daran haben die von der Akademie veranstalteten Ausstellungen im Museo d'Arte von Mendrisio. Seit vergangenem November besitzt die Akademie zudem eigene Ausstellungsräumlichkeiten in einem von Mario Botta nach mediterranem Vorbild um eine offene Piazza angeordneten Shopping Center, dem Piazzale alla Valle. Bottas Konsumtempel, der sich etwas aneckend an den historischen Stadtkörper schmiegt, darf als das wohl gelungenste Beispiel dieses Bautyps in unserem Lande bezeichnet werden. Auf der obersten Etage, am Ende einer Aussichtspromenade, befindet sich der Archivio del Moderno: ein Forschungs-, Dokumentations- und Ausstellungsinstitut. Seinen Einstand gab dieses Moderne-Archiv im vergangenen November mit einer Bestandesschau. Nun zeigt es die 1996 von der ETH Zürich zusammengestellte Werkretrospektive des Luganeser Architekten Alberto Camenzind, der zusammen mit Rino Tami zu den Vätern der neuen Tessiner Architektur zählt. Schien die Zürcher Schau, zu der das seit kurzem vorliegende Katalogbuch noch fehlte, die Italianità von Camenzinds Schaffen zu betonen, so erhellt die leicht modifizierte Ausstellung im Tessiner Ambiente nun plötzlich die nordische Seite des Baukünstlers, der in zwei Monaten seinen 85. Geburtstag feiern kann.

Die lateinische Grandezza von Bottas Zentrum kontrastiert denn auch zur nüchternen Sachlichkeit der in der Schau mit sparsamsten Mitteln zur Diskussion gestellten Bauten - allen voran der erstaunlich minimalistischen Generalvertretung von Alfa Romeo in Agno aus dem Jahre 1963. Dieser skulpturale Bau wirkt heute wie ein erratischer Block in Camenzinds zwischen Rationalismus und Ortsbezug oszillierendem Œuvre. Besonders spröd geben sich die ersten Häuser, denen die südländische Heiterkeit von Tamis Bauten fehlt. Wohl über Tami lernte Camenzind die nach dem Krieg von Bruno Zevi als Gegengift gegen den faschistisch unterwanderten Rationalismus propagierte organische Baukunst Frank Lloyd Wrights kennen. Das von Tami zusammen mit Camenzind und Augusto Jaeggli 1961 realisierte Luganeser Radiostudio jedenfalls ist von einem Wrightianismo geprägt, der sich in den sechziger Jahren dann auch in Camenzinds Villen - vom Haus Druey in Novaggio (1961) bis zum Haus Luban in Ascona (1968) - nachweisen lässt, wenngleich diese in Grundriss und Volumenverteilung auch nie die malerische Komplexität der Bauten des grossen Wright-Interpreten Franco Ponti (NZZ vom 4. 8. 98) erreichten. Camenzinds Meisterschaft zeigt sich in der Verschmelzung einer moderaten, von seinem Lehrer Salvisberg vermittelten Moderne mit der Kultur des Ortes. Damit überraschte er schon beim 1958 fertiggestellten, bald deutschschweizerisch karg erscheinenden, bald mit seinen offenen Giebeln an alte Tessinerhäuser erinnernden Gymnasium in Bellinzona. Seither wirkte sie immer wieder als Korrektiv, so auch 1962 im Wohnblock Blaser in Cassarate, wo sich Camenzind mit Aalto auseinandersetzte.

Aus der Enge des Tessins wurde Camenzind als Chefarchitekt der Expo 64 nach Lausanne berufen, der Stadt, in der er während des Krieges als Soldat in langen Gesprächen mit dem vor den Faschisten geflüchteten italienisch-jüdischen Architekten Ernesto Rogers den Razionalismo italiano aus erster Hand kennenlernen durfte. Zu einer Zusammenarbeit mit einem grossen Italiener kam es dann beim Bau des Bureau international du travail (BIT) in Genf, das er zwischen 1965 und 1975 mit Pier Luigi Nervi ausführte.

Seine gesamteidgenössische Karriere führte ihn schliesslich als Professor in die Deutschschweiz. Dort hatte er an der ETH eine ähnliche Vermittlerposition zwischen den drei architektonischen Kulturen des Landes inne wie später Dolf Schnebli, der mit Aldo Rossi nochmals italienischen Geist als wichtigen Katalysator an die Zürcher Eliteschule brachte. Camenzind, der auch während seiner Zeit in Zürich über seinen Partner Bruno Brocchi mit der Tessiner Szene verbunden blieb, realisierte in den frühen siebziger Jahren mit den Lidorama-Bauten in Paradiso ein letztes grosses Heimspiel: Die elegante Anlage am Luganersee darf noch immer als Meilenstein des gehobenen Wohnungsbaus gelten. (Bis 24. April)


Alberto Camenzind. Architekt, Chefarchitekt Expo 64, Lehrer. Hrsg. Werner Oechslin und Flora Ruchat-Roncati. Verlag gta, Zürich 1998. 189 S., Fr. 82.-.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 1999.04.01

08. März 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Paläste für Sonnenhungrige aus dem Norden

Die Italiensehnsucht der West- und Mitteleuropäer manifestierte sich früh schon im «Grand Tour». Die Kunstschätze von Antike, Renaissance und Barock standen...

Die Italiensehnsucht der West- und Mitteleuropäer manifestierte sich früh schon im «Grand Tour». Die Kunstschätze von Antike, Renaissance und Barock standen...

Die Italiensehnsucht der West- und Mitteleuropäer manifestierte sich früh schon im «Grand Tour». Die Kunstschätze von Antike, Renaissance und Barock standen zunächst im Mittelpunkt. Doch bald schon richtete sich das Augenmerk auch auf die Natur: Kaum hatte man sich am Parthenopäischen Golf und am Vesuv satt gesehen, da entdeckte man an den oberitalienischen Seen das einmalige Zusammenspiel von südlicher Szenerie und Hochgebirge. Rousseau stellte sich seine Julie zunächst am Verbano vor, und Jean Paul pries das niegesehene Land.

Keiner aber zeigte sich so berauscht wie Stendhal, der - ein Jahrzehnt nachdem Napoleon sich auf der Isola Bella aufgehalten hatte - die Ufer der Seen als Inbegriff des Schönen feierte. Zu Gast war er auf Landsitzen, denn komfortable Unterkünfte wie die 1873 zum Palasthotel umgebaute Villa d'Este in Cernobbio gab es im frühen 19. Jahrhundert noch nicht. Das erste noble Haus an den Seen war das 1851-55 vom Mailänder Architekten Luigi Clerichetti für den Unternehmer Giacomo Ciani in klassizistischem Stil errichtete Albergo del Parco in Lugano, das im Fin de siècle zum Grand Hôtel Palace erweitert wurde und heute als Ruine vor sich hin dämmert (NZZ 7. 3. 98). Ausgerechnet dieses geschundene und extrem gefährdete Meisterwerk bildet den Auftakt zu einer kleinen, von einem attraktiven Katalog begleiteten Ausstellung zur Hotelarchitektur Luganos in der Villa Saroli, dem historischen Museum der Stadt.

Neben alten Bauplänen, die die Hotelarchitektur hauptsächlich als Fassadenproblem und Organisationsaufgabe ausweisen, sind vor allem Postkarten und Gemälde, aber auch Geschirr und Mobiliar zu sehen. Sie evozieren die architektur- und wirtschaftsgeschichtlich bedeutende Hotelkultur der Stadt von den Anfängen bis hin zur grossen Tourismuskrise am Beginn des Ersten Weltkriegs. Die Beschränkung auf Lugano und seine Vororte von Paradiso bis Castagnola macht durchaus Sinn, denn kaum ein anderer Ort der Schweiz kann mit einer derart vielfältigen Typologie des Hotelbaus aufwarten wie die «Perle des Ceresio» - einst der glanzvollste Ferienort des oberitalienischen Seengebiets.

Entstand das «Palace» aus dem 1848 aufgelösten Minoritenkloster, dessen Renaissancekreuzgang noch heute das Herzstück der Ruine bildet, so resultierten andere Hotels aus dem Umbau alter Villen und Gasthöfe oder wurden völlig neu konzipiert. Parkresidenzen und Stadthäuser, See- und Aussichtshotels, kleine Pensionen und mondäne Paläste finden sich auf kleinstem Raum. Das «International», das «Splendide», das «Victoria», die «Villa Castagnola» oder das «Walter» pflegen noch heute ihre Tradition, andere wie etwa das «Europa» wurden in den sechziger Jahren stark verändert. In Apartmenthäuser umgewandelt wurden beispielsweise «Adler», «Bristol» oder «Croce Bianca», während «Beaurivage», «Bellevue» und «Eden» - um nur einige grosse Hotels zu nennen - der Spitzhacke zum Opfer fielen.

Gewiss, nicht alle diese Bauten waren erhaltenswert, und wohl kaum jemand wird heute noch dem alten «Eden» oder «Du Lac» eine Träne nachweinen. Doch mit der Zerstörung des durch seine pompöse Fassadenarchitektur beeindruckenden «Du Parc», dessen gründerzeitliche Pracht jeder Metropole zur Ehre gereicht hätte, wurde deutlich, wohin mangelnder Geschichtssinn und Profitgier in den Jahren der Hochkonjunktur führten. Seither hat sich das Bewusstsein gewandelt, und die opulenten Bauten des späten 19. Jahrhunderts werden längst als Teil des Patrimoniums anerkannt. Dies belegt in der Ausstellung vor allem der Katalog, der nahezu 100 alte Hotels minuziös dokumentiert. Damit allein ist es allerdings nicht getan. Entscheidend ist nun, dass auch am Ceresio die aus der goldenen Zeit des Tourismus noch erhaltenen Baudenkmäler so wie anderswo gehegt und gepflegt werden. Zunächst einmal betrifft dies das «Palace», das nach dem Willen kurzsichtiger Politiker einem Kasino-Neubau weichen soll. Obwohl zumindest die Fassaden und der Kreuzgang sakrosankt sein müssten, fordert allen voran die Lega tabula rasa. Wohin das führen kann, zeigt das neue, just von dieser Partei mitgetragene Kasino von Mendrisio. Dass dieses mit einer falschen Säulenfassade einen Hauch Las Vegas an die Autobahn zaubern will, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie.

[Die Ausstellung in der Villa Saroli ist bis zum 2. April jeden Nachmittag ausser sonntags und montags offen. Katalog (ital.): Lugano Hôtels, Alberghi, Storia, Architettura. Hrsg. Antonio Gili. Edizioni Città di Lugano, 1998. S. 347, Fr. 35.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 1999.03.08

25. Februar 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus als Landschaft

Der israelische Architekt Zvi Hecker ist in Europa ein Star. In seiner Heimat aber galt er lange als Enfant terrible. Nun steht in Tel Aviv mit dem Palmach-Museum sein erstes öffentliches Gebäude in Israel seit 30 Jahren vor der Einweihung. Das Haus, das an die einstige jüdische Untergrundorganisation Palmach erinnert, ist ein Meisterwerk - ein unvollendetes allerdings.

Der israelische Architekt Zvi Hecker ist in Europa ein Star. In seiner Heimat aber galt er lange als Enfant terrible. Nun steht in Tel Aviv mit dem Palmach-Museum sein erstes öffentliches Gebäude in Israel seit 30 Jahren vor der Einweihung. Das Haus, das an die einstige jüdische Untergrundorganisation Palmach erinnert, ist ein Meisterwerk - ein unvollendetes allerdings.

Tel Aviv, die laute Metropole des weltlichen Israel, ist ein Kronjuwel der architektonischen Moderne. Bedeutende zeitgenössische Baukunst aber findet man hier kaum, sieht man einmal ab von Mario Bottas Cymbalista-Synagoge auf dem Campus der Tel Aviv University oder dem Kulturhaus von Bracha und Michael Chyutin in Givataim. Seit neustem allerdings ragt ein Bau aus der durch Spekulation und politische Verstrickungen gezeichneten Architekturlandschaft: das Palmach-Museum von Zvi Hecker. Auf dem Weg zur Universität - unweit des Yarqon-Flusses - erscheint es dem Vorbeifahrenden auf der rechten Strassenseite kurz als eigenwilliges Konglomerat aus Steinmauern, Betonwänden und Pinien. Man kann es leicht für eine in den terrassierten Hügel eingelassene Bunkeranlage aus vergangenen Tagen halten. Allerdings zeigte sich dieser Ort vor zwei Jahren noch völlig anders: Damals glaubte man, eine von Bäumen überwucherte Tempelruine von ägyptischen Dimensionen vor sich zu haben. In Wahrheit aber handelte es sich um eine von Betonpfeilern gesicherte Hügelkuppe, um die herum dann das Museum halb unterirdisch errichtet wurde. Der fertige Bau ist nun so glücklich in die Landschaft integriert, dass der israelische Bildhauer Michi Ullman in ihm «zwei Berge mit Bäumen dazwischen» zu erkennen glaubte.

Bunker im Pinienhügel

Dieses unkonventionelle Bauwerk ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, den 1992 die Vereinigung der Palmach-Veteranen für ein multifunktionales Zentrum mit Museum, Theater, Cafeteria und Verwaltungsräumen ausgeschriebenen hatte. Nach der kurz bevorstehenden Eröffnung wird der Baukomplex als Erinnerungsstätte an Palmach dienen, eine jüdische Untergrundorganisation, die gegen die britische Herrschaft in Palästina kämpfte, am Unabhängigkeitskrieg teilnahm und 1948 schliesslich in der israelischen Armee aufging. Als Museum und Memorial für diese Elitetruppe, die im kollektiven Gedächtnis des Landes längst zur Legende geworden ist, strebte Hecker keinen anonymen Bau an. Vielmehr sollte das Gebäude die Verwurzelung von Palmach im Land und in der Geschichte Israels zum Ausdruck bringen. Entstanden ist eine expressive, entfernt an Frank Lloyd Wrights Arbeiten in Taliesin West erinnernde Architektur und zugleich Heckers erstes öffentliches Werk in Israel seit dem Rathaus von Bat Yam und der Negev-Synagoge, die beide in den sechziger Jahren erstellt wurden.

Der Grundriss des Neubaus evoziert, ganz ähnlich wie das Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin, einen fragmentierten Davidstern. Aber auch drei gekreuzte Schwerter, das Symbol von Palmach, kann man in ihm erkennen. Dieses Motiv des Kreuzens, das in Heckers neueren Werken die Spiralkomposition - wie sie noch 1996 in der Berliner Galinski-Schule in Erscheinung trat - abgelöst hat, taucht im unrealisierten Entwurf für ein Nationaldenkmal auf dem Har Eytan wieder auf. In beiden Fällen wurde die Grundrissfigur aber nicht aus einem Zeichen, sondern aus der Topographie entwickelt. Gerade beim Palmach- Projekt bemühte sich Hecker, die Natur des Ortes so gut wie möglich in den Bau zu integrieren: Ein System von Betonmauern, die teilweise mit «Kurkar», einem dünnschichtigen lokalen Sandstein, verkleidet sind, verkantet sich um den Pinienhügel. Die Mauern begrenzen dabei nicht nur die drei sich überlagernden Baukörper, sie definieren auch die Aussenräume. Diese Verzahnung des Gebäudes mit der Umgebung ist im heutigen Tel Aviv ebenso ungewöhnlich wie die mit ihr einhergehende ökologische Grundhaltung. Sie weist den 1931 in Krakau geborenen Hecker als einen der raren baukünstlerischen Visionäre Israels aus.

Architektur als Landschaft, ein zentraler Topos in Heckers Werk, der sich schon 1963 im Polyeder-Gebirge des Dubiner House in Ramat Gan ankündigte, im Spirala House verdichtete und unlängst im Projekt «Berliner Berge» ins Bildhafte steigerte, spielte auch im Konzept des Palmach- Museums eine bedeutende Rolle. In diese gebaute Landschaft taucht man ein, sobald man die Rampe betritt, die hinauf zum Museumsbezirk führt. Nach wenigen Schritten öffnet sich links der Eingang zum Museum, dessen Foyer fliessend übergeht in den erhöhten temporären Ausstellungsbereich. Nach rechts gelangt man hinab ins eigentliche Museum, das unterirdisch den zentralen Hof umgibt. Im bunkerartigen Untergrund sind Szenen aus dem Unabhängigkeitskrieg getreu nachgestellt. Verlässt man nach einem Rundgang das Museum mit seinen wertvollen Erinnerungsstücken, so erreicht man - vorbei an einem kleinen Open-air-Theater mit Blick auf Ramat Aviv - den schattigen Hof, in dem man sich in einem jener Wäldchen wähnt, die einst den Palmach- Kämpfern Unterschlupf boten.

Faszination des Unvollendeten

Diese magische Atmosphäre dürfte sich verflüchtigen, wenn dereinst die Cafeteria im Nordosttrakt den Betrieb aufnimmt. Neben dem noch leerstehenden Lokal führt eine Aussentreppe hinauf in das unvollendete Itzhak-Rabin-Memorial, einen hohen Raum mit Terrasse, von der aus man über die schräg wie Felsenriffe aus den Bäumen ragenden Baukörper bis zum Mittelmeer sieht. Etwas verborgen, erhebt sich im Südosten des Hofs die nackte Betonkonstruktion des Theaters, das für 400 Besucher im Parkett und auf der Galerie konzipiert wurde. Dieser Teil des Gebäudes ist wie das Rabin-Memorial und die Cafeteria erst im Rohbau fertig, während mit der Realisierung der durch eine Art Cañon vom Hauptgebäude abgeschnittenen, für zeremonielle Anlässe bestimmten Plaza und der darunter liegenden Tiefgarage noch gar nicht erst begonnen wurde. Die Auftraggeber, denen seit der Ermordung Rabins die treibende Kraft fehlt, konnten sich nämlich bis heute nicht einigen, wann und ob überhaupt die zweite Bauetappe abgeschlossen werden soll. Doch trägt gerade der nicht eingeplante Zustand des Unvollendeten viel zur eigentümlichen Stimmung der Anlage bei. Zusammen mit der rohen, an die Arte povera gemahnenden Detailbehandlung der Innenräume, wie man sie schon von der Galinski- Schule her kennt, macht gerade der Aspekt des «Work in progress» das Palmach-Museum zu einem Gebäude, das gut zum sozialen und politischen Zustand Israels passt.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 1999.02.25



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Palmach-Museum

19. Februar 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Ein Musentempel im Westen

Das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron gilt als eines der innovativsten überhaupt. Dank bedeutenden Aufträgen in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien...

Das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron gilt als eines der innovativsten überhaupt. Dank bedeutenden Aufträgen in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien...

Das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron gilt als eines der innovativsten überhaupt. Dank bedeutenden Aufträgen in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien gesellte sich jüngst zum Ruhm auch der Erfolg. Selbst in den USA reisst man sich neuerdings um die Basler. Dabei sah es Ende 1997 noch ganz anders aus: Damals blieb ihr Entwurf für die Erweiterung des New Yorker Museum of Modern Art - obwohl als Favorit gehandelt - im zweiten Durchgang auf der Strecke. Nun haben allerdings die New Yorker das Nachsehen, denn sie müssen sich auf einen architektonisch eher mittelmässigen Neubau von Yoshio Taniguchi einstellen und gleichzeitig zusehen, wie man in Austin und San Francisco wagt, was am Hudson kaum mehr möglich ist: zukunftsweisende Architektur zu bauen.

Soeben wurde nämlich bekannt, dass Herzog & de Meuron nicht nur das Blanton Museum of Art der Universität Austin, sondern im Golden Gate Park von San Francisco auch das neue DeYoung- Museum bauen werden. Nach Mario Bottas San Francisco Museum of Modern Art wird es bereits der zweite Schweizer Architekturexport an die Westküste sein. Mit dem 130 Millionen Dollar teuren Neubau, der sich nicht zuletzt wegen starker Erdbebenschäden aufdrängte, soll 2002 begonnen werden. Die Eröffnung ist für das Jahr 2006 geplant. Dann sollen die bedeutenden Sammlungen des 1894 gegründeten Museums - amerikanische Malerei, Textilien sowie indianische, afrikanische und ozeanische Kunst - wieder in ihrer Gesamtheit zugänglich sein, und zwar in einem Haus, das sich laut Jury sensibel in den Kontext einfügt und durch einen vorbildlichen «Umgang mit Material und Licht» auszeichnet.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.02.19

01. Februar 1999Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Andalusischer Minimalismus

Sevilla erlebte dank der Expo einen architektonischen Aufbruch. Wer damals orakelte, auf den Boom werde Katerstimmung folgen, dem widersprechen heute zumindest die architektonischen Tatsachen.

Sevilla erlebte dank der Expo einen architektonischen Aufbruch. Wer damals orakelte, auf den Boom werde Katerstimmung folgen, dem widersprechen heute zumindest die architektonischen Tatsachen.

Sevilla erlebte dank der Expo einen architektonischen Aufbruch. Neben Ausstellungsbauten auf der Cartuja-Insel wurden für 1992 die Oper, der Flughafen und der Bahnhof neu gebaut. Wer damals orakelte, auf den Boom werde Katerstimmung folgen, dem widersprechen heute zumindest die architektonischen Tatsachen: Eine Rückbesinnung auf das baukünstlerische Erbe führte zu vorbildlichen Eingriffen ins historische Stadtgefüge, die eine Verbesserung der Wohnsituation, aber auch bedeutende Verwaltungsbauten für die Regierungen der seit 1982 autonomen Region Andalusien und der Provinz Sevilla brachten. Die neugeschaffenen Ämter fanden meist in transformierten Baudenkmälern eine Bleibe. Als besonders gute Umnutzungen dürfen dabei das von González Cordón in eine maurisch inspirierte Fabrik eingefügte Landwirtschaftsamt und der Sitz der Provinzverwaltung gelten, den Antonio Cruz und Antonio Ortiz in der palastartigen Hofanlage einer spätbarocken Militärkaserne unterbrachten.

Die beiden 50jährigen Sevillaner hatten 1976 erstmals mit einem genial in die enge Altstadt integrierten Patiohaus auf sich aufmerksam gemacht. Von ihrer Einfühlung in die Stadt und deren Baukunst zeugte eine Dekade später die heitere Umgestaltung einer Bastion in Cádiz. Der Anbau an das gründerzeitliche Rathaus von Ceuta in Form eines reduzierten Fünfzigerjahre-Modernismus und die Transformation eines sevillanischen Stadtpalastes für das Kulturamt veranschaulichten dann jenen Schritt von der kontextuellen Poesie hin zur kühlen Abstraktion, die in der Erweiterung der denkmalgeschützten Kaserne für die Provinzverwaltung ihren Höhepunkt erreichte.

Dem Altbau gaben sie die Farbigkeit von einst zurück, richteten in seinen Sälen Grossraumbüros ein und ergänzten ihn um eine minimalistische Hofanlage, die gleichermassen als abstrakt-rationalistische wie modernistisch-asymmetrische Antwort auf den bestehenden Palast gelesen werden kann. Dabei negiert die L-förmige Erweiterung zwar im Plan die Symmetrieachse, respektiert aber dennoch Massstab und Volumetrie der ehemaligen Kaserne. Eine Enfilade von Laubbäumen bildet die optische Zäsur zwischen einst und jetzt, während ein massiver Lamellenzaun die Neuanlage nach Süden schliesst und so eine zeitgemässe Version des klassischen Orangenhofs entstehen lässt.

Nach dem Eintritt in den neuen Patio erreicht man - vorbei an einer in den Längstrakt eingekerbten Arkade - geradewegs den riesigen, leicht konstruktivistisch angehauchten Portikus. Dieser einladende, kaum monumental wirkende «Innenraum des Aussenraums», der sich im warmen Klima Andalusiens ideal für Empfänge eignet, bildet das Scharnier zwischen den beiden rechtwinklig zueinander gestellten drei- und viergeschossigen Bauteilen. Aus diesem Hohlraum, den die Architekten nicht ganz zu Unrecht «Atrium» nennen, obwohl er sich zur Seite hin statt nach oben öffnet, gelangt man in das demokratisch behandelte Gebäudeinnere: Die beiden Foyers sind kaum mehr als breite Korridore, und selbst der Versammlungssaal im Parterre des viergeschossigen Traktes ist nicht höher als das Café oder als die darüberliegenden Einzel- und Grossraumbüros der Parteien und Gewerkschaften.

Das Hauptinteresse von Cruz & Ortiz galt den Baukörpern und den dazwischenliegenden Freiräumen, deren kompositorische und soziale Aspekte sie seit ihrem ersten Patiohaus faszinieren. Da das Innere eines Verwaltungsgebäudes der gestalterischen Phantasie Grenzen setzt, lebten sie diese am Aussenbau aus. Die rational komponierten Hoffassaden scheinen die strenge Geometrie der Gartenarchitektur zu reflektieren: Grün schimmernde Quarzitmauern rahmen zwei schwebende Curtain walls aus bläulich eingefärbtem Glas und Aluminiumprofilen, die eine Ikone der fünfziger Jahre zitieren: das Lever House von SOM in New York.

Beziehen sich diese Curtain walls auf den Arkadenhof der Kaserne, so spiegeln sich die starren äusseren Fensterachsen des alten Teils in den hermetischen Strassenfassaden des Neubaus, die mit ihren vertikalen Fensterbändern einem übergeordneten Kompositionsschema gehorchen und dadurch die wahre Höhe des Gebäudes verschleiern. Eine der Quellen dieser unterkühlten Flächigkeit ist zweifellos das 1972 von Josep Coderch errichtete Institut Français in Barcelona. Das Spiel der positiven und negativen Volumen sowie die sicheren Proportionen hingegen verweisen auf Alejandro de la Sotas Justizpalast in Gerona. Wie diese grossen Vorbilder suchen auch Cruz & Ortiz mit ihrer - trotz funktionalistischen und rationalistischen Akzenten - neutralen Sprache nach neuen Möglichkeiten einer in der Moderne wurzelnden Architektur.

Eine Antwort ist dieses Gebäude, das sich als «un complemento mudo y elegante» - eine stumme und elegante Ergänzung - des alten Baudenkmals versteht; eine andere ist ihr fast vollendeter Neubau der andalusischen Bibliotheksverwaltung, in dem das südländische Raumgefühl von de la Sotas Universitätsgebäude im Osten von Sevilla weiterlebt.

NZZ-Folio, Mo., 1999.02.01



verknüpfte Bauwerke
Erweiterungsbau der Provinzverwaltung

10. Dezember 1998Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Kleines Land mit grosser Architektur

Das westlichste Bundesland Österreichs gibt sich gerne ländlich. Doch trügt der Schein. Denn in den vergangenen Jahrzehnten ist entlang der Autobahn nach...

Das westlichste Bundesland Österreichs gibt sich gerne ländlich. Doch trügt der Schein. Denn in den vergangenen Jahrzehnten ist entlang der Autobahn nach...

Das westlichste Bundesland Österreichs gibt sich gerne ländlich. Doch trügt der Schein. Denn in den vergangenen Jahrzehnten ist entlang der Autobahn nach dem Prinzip «Low rise – low density» eine lockere Bandstadt entstanden, die von Bregenz bis Feldkirch reicht. Diese Zersiedelung hat Tradition, besassen doch die Vorarlberger, lange ein armes Volk, oft nur eines: ein Stück Land. Darauf wurde, als Fleiss, wirtschaftliches Geschick und Sparsamkeit den Wohlstand mehrten, gebaut: Heute gilt das Ländle als eine der reichsten Gegenden Europas – auch bezüglich der Architektur, die, was Qualität und Verbreitungsdichte anbelangt, in der Alpenrepublik ihresgleichen sucht. Verglichen werden kann die Vorarlberger Szene allenfalls mit jener am Alpenrhein oder am Rheinknie. Doch während Basel mit Herzog & de Meuron oder Diener & Diener und Graubünden mit Peter Zumthor international gefeierte Architektenstars vorweisen können, klingen die Vorarlberger Namen den wenigsten vertraut. Dabei hat in jüngster Zeit wohl kaum jemand in Europa soviel gebaut wie das Lochauer Duo Baumschlager & Eberle, dessen Œuvre mehr als 150 Werke umfasst. Das Anliegen der beiden Architekten – und das ihrer Kollegen – ist dabei weniger eine Baukunst, die sich für Hochglanzmagazine eignet, als vielmehr eine, die ganz bescheiden die Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität zum Ziel hat. Das hält die beiden allerdings nicht davon ab, sich mit Phantasie den Herausforderungen aller erdenklichen Bautypen zu stellen: vom Schulhaus bis zum vielbeachteten gläsernen Garagenturm in Wolfurt.

Es war der von sozialem Idealismus getragene Wohnungsbau, wie er sich schon 1979 mit der Siedlung «Im Fang» in Höchst weithin sichtbar manifestierte, der dem Vorarlberger Architekturwunder den Weg bereitete. Der eigentliche Boom setzte aber erst Anfang der neunziger Jahre ein. Neben bescheidenen Privathäusern, kleinen Villen und Siedlungen entstanden seither vermehrt öffentliche Architekturen (Schulhäuser, Kultur- und Gemeindebauten), Bürohäuser, Banken, Lagerhallen und Fabriken. Ihr eigentliches Flaggschiff ist zweifellos Zumthors Kunsthaus in Bregenz. Es veranschaulicht besonders schön die Offenheit Vorarlbergs gegenüber auswärtiger Architektur. Jüngstes Beispiel dafür ist der Neubau des Tourismushauses, der – obwohl das Land über genügend kreatives Potential verfügt – grosszügig an den Wiener Architekten Rudolf Prohazka vergeben wurde. Schweizer kamen allerdings schon vor Zumthor zum Zug: allein in Lustenau bauten die St. Galler Peter und Jörg Quarella eine Hauptschule, die Zürcher Burkhalter & Sumi einen Kindergarten und die Luzerner Marques & Zurkirchen das Einkaufszentrum Kirchpark.

Erfindungsreichtum und eine zwischen barockem Erbe und alemannischer Einfachheit oszillierende formale Vielfalt prägen heute das Geschehen zwischen Rhein und Arlberg: Einen Eindruck davon vermittelt bereits ein Blick auf einige herausragende Bauten, die in den letzten zwei Jahren vollendet wurden: die Erweiterung des Festspielhauses Bregenz von Helmut Dietrich und Much Untertrifaller, der Gewerbebau von Ulrich Grassmann in Hörbranz, der Bauernhof von Roland Gnaiger in Lustenau, die Wohnanlage von Hermann Kaufmann in Dornbirn, das Medienhaus in Schwarzach von Ernst Giselbrecht, der Prototyp eines Doppelhauses von Christian Lenz in Schwarzach, die Friedhofskapelle von Marte & Marte in Weiler, das Sozialzentrum in Satteins von Strieder & Hanck, die Erweiterung der Volksschule in Schlins von Bruno Spagolla, das Feuerwehrhaus in Nenzing von Lothar Huber, das Kulturzentrum Remise in Bludenz von Hans Hohenfellner, die Bautischlerei in Bizau von Johannes Kaufmann oder das Gemeindehaus in Möggers von Arno Bereiter. Das alles sind überdurchschnittliche Gebäude von Architekten, die sich weniger als Theoretiker denn als Macher im besten Sinne des Wortes verstehen. Wo sonst gibt es eine Region mit nur 350 000 Einwohnern, in der Architekten so viele qualitativ hochwertige Bauten verwirklichen können?

Wer durch Vorarlberg fährt, begegnet diesen kleinen Meisterwerken allenthalben. Man muss sie nicht wie anderswo erst mit der Lupe suchen. Bisher stellten sich interessierte Architekturtouristen immer wieder die Frage nach den Urhebern dieser Bauten. Im vergangenen Jahr erschien dann das aufwendig illustrierte Buch von Amber Sayah, das zumindest einige der Juwelen präsentiert. Nun liegt seit wenigen Tagen auch der langerwartete Architekturführer vor: ein Buch in handlichem Format, das auf 336 Seiten 260 in den letzten zwei Jahrzehnten entstandene Bauten in Wort und Bild sowie weitere 220 Bauten mittels Kurzhinweisen vorstellt. Stadtpläne und genaue Adressangaben erleichtern das Auffinden der Bauten. Erlaubt der knappe zeitliche Ausschnitt einen verdichteten Blick auf die noch junge Vorarlberger Szene, so hat er doch zur Folge, dass ältere interessante Bauten, etwa das 1975 von Wilhelm Holzbauer begonnene Vorarlberger Landhaus in Bregenz, keine Erwähnung mehr finden. Ausserdem vermisst man einen biographischen Anhang, auch wenn sich mit etwas Aufwand anhand des reichen Materials die architektonischen Lebensläufe der wichtigsten Baukünstler konstruieren lassen.


[Baukunst in Vorarlberg seit 1980. Ein Führer zu 260 sehenswerten Bauten. Hrsg. Otto Kapfinger, Kunsthaus Bregenz und Vorarlberger Architekturinstitut. Hatje-Verlag, Stuttgart 1998. 336 S., Fr. 38.–. – Amber Sayah: Neue Architektur in Vorarlberg. Bauten der neunziger Jahre. Callwey-Verlag, München 1997. 158 S., Fr. 92.–.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 1998.12.10



verknüpfte Publikationen
Baukunst in Vorarlberg seit 1980

05. Dezember 1998Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Der Architekt in der Wüste

Vor zwei Monaten durfte er noch die Eröffnung einer dem «Aluminaire House» gewidmeten Ausstellung im New Yorker Urban Center miterleben (NZZ 2. 10. 98)...

Vor zwei Monaten durfte er noch die Eröffnung einer dem «Aluminaire House» gewidmeten Ausstellung im New Yorker Urban Center miterleben (NZZ 2. 10. 98)...

Vor zwei Monaten durfte er noch die Eröffnung einer dem «Aluminaire House» gewidmeten Ausstellung im New Yorker Urban Center miterleben (NZZ 2. 10. 98) und am 18. Oktober seinen 95. Geburtstag feiern: der aus Zürich stammende Architekt Albert Frey. Nun wurde am Donnerstag bekannt, dass dieser avantgardistische Visionär am 14. November in seinem Haus im kalifornischen Palm Springs gestorben ist. Frey trat 1928, nach einem Architekturstudium am Technikum Winterthur, in Le Corbusiers Pariser Atelier ein, wo er an einer Ikone der Moderne, der Villa Savoye, mitarbeiten durfte. Angezogen vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten, emigrierte er zwei Jahre später in die USA. Dort gelang ihm und seinem Partner Alfred L. Kocher 1931 mit dem aus Fertigelementen errichteten «Aluminaire» eine architektonische Sensation. Ähnlich wie der PSFS-Wolkenkratzer des Genfers William Lescaze in Philadelphia wurde es zu einer Inkunabel der modernen US-Architektur und fand als solche Eingang in die heute legendäre New Yorker Ausstellung «The International Style».

Ein erster Aufenthalt 1934 in Palm Springs sollte in Freys Leben eine schicksalshafte Wende einleiten: Er verliebte sich – wie einst Gide – in die Wüste und kehrte, nachdem er 1937–39 zusammen mit Philip Goodwin das neue MoMA in New York gebaut hatte, für immer nach Palm Springs zurück. In steter Auseinandersetzung mit der grossartigen Natur Südkaliforniens, forschte er an einer Bauweise für heisse Klimazonen. So ist sein erstes eigenes Haus, in dem er ausgehend von Le Corbusier und Mies van der Rohe zu einem eigenständigen, durch die lokalen Bedingungen geprägten Ausdruck fand, gleichzeitig ein einfaches «Shed» und eine durchdachte «Machine à habiter». Dieses mit seinem späteren, Ufo-artigen Aufbau futuristisch wirkende Gebäude, das John Lautners Space-Age-Architektur vorwegnimmt, vereinigte neuste technische Errungenschaften mit einer ökologischen Grundhaltung. Damit darf es als ein frühes Beispiel jenes «Touch the earth lightly» gelten, das heute etwa Glenn Murcutt in Australien zelebriert.

Frey und sein Compagnon John Clark bereicherten die Gegend um Palm Springs mit einer Vielzahl von Villen und öffentlichen Bauten, darunter Seilbahnstationen, Schulen, Krankenhäuser und ein Jachtklub. Beeinflusst von den «Case Study»-Häusern, errichtete Frey 1964 seine zweite eigene Villa. Diese schmiegt sich in die karge Berglandschaft und strebt – ähnlich wie gewisse Bauten Frank Lloyd Wrights – nach einer Verschmelzung von Innenraum und Natur. Nach diesem kühnen Wurf flachte das Spätwerk etwas ab. Die Hochglanzmagazine verloren allmählich das Interesse an dem alternden Guru, der sich mehr und mehr auf ein naturverbundenes Leben zurückbesann. Doch durfte Frey die Neubewertung seines Œuvres noch erleben: 1995 war eine zunächst in Kalifornien und New York gezeigte Retrospektive auch in der Schweiz zu sehen, wo er nun ebenfalls als ein wegweisender Vertreter der Moderne akzeptiert wurde. Vor wenigen Wochen feierte ihn dann die «New York Times» in einem grossen Porträt, und fast gleichzeitig erschien ein prachtvolles Album* zu seinen beiden eigenen Häusern in Palm Springs. Frey hätte auf Grund seiner grossen Begabung zweifellos eine führende Figur der internationalen Architekturszene werden können. Doch hatte er es vorgezogen, als regionaler Architekt zu wirken. Auch darin spiegelt sich letztlich etwas von seiner Grösse als Mensch und Künstler.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1998.12.05

04. Dezember 1998Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Parvenu-Architektur?

Noch vor dem zehnten Jahrestag des Mauerfalls will sich die deutsche Regierung im Laufe des kommenden Jahres in Berlin einquartieren. Auf den ungezählten Baustellen der Stadt fiebert man dem Ereignis entgegen. Während im Zentrum architektonisches Mittelmass vorherrscht, entstehen in Kreuzberg und am Stadtrand einige vielversprechende Bauten.

Noch vor dem zehnten Jahrestag des Mauerfalls will sich die deutsche Regierung im Laufe des kommenden Jahres in Berlin einquartieren. Auf den ungezählten Baustellen der Stadt fiebert man dem Ereignis entgegen. Während im Zentrum architektonisches Mittelmass vorherrscht, entstehen in Kreuzberg und am Stadtrand einige vielversprechende Bauten.

Eine riesige Shopping Mall mit Vergnügungszentrum nicht auf der grünen Wiese, sondern im Herzen einer europäischen Grossstadt, das sieht man selten. Zu finden ist diese Rarität in Berlin, genauer am Potsdamer Platz. Seit dieser – obwohl noch lange nicht vollendet – vor zwei Monaten offiziell eröffnet wurde, drängen sich hier die Schaulustigen. Kasino, Imax-Kino und Geschäfte rund um den neugeschaffenen Marlene-Dietrich- Platz vermitteln schon jetzt einen Eindruck davon, wie die Stadt des postindustriellen Zeitalters aussehen könnte. Der neue Stadtteil beschwört das Science-fiction-Bild einer klinischen, von mächtigen Konzernen verwalteten City. Die hochverdichteten, zum lockeren Berliner Stadtgefüge kontrastierenden Baukomplexe des fast fertiggestellten Debis-Areals, des seiner Vollendung entgegensehenden Sony-Blocks und des geplanten ABB-Häuserbandes geben sich im Niemandsland zwischen Kulturforum, Tiergarten und Leipziger Platz fast so hermetisch wie gewisse privat kontrollierte Malls in Los Angeles.


«Hier ist Berlin»

Dieser Eindruck wird nicht zuletzt durch die Künstlichkeit der Neuanlage geweckt. Fast scheint es, als werde hier die Berliner Formel von der «Rekonstruktion der europäischen Stadt» mit den Mitteln von Disneyworld umgesetzt. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, werben nun die Macher mit der Beschwörungsformel «Hier ist Berlin». Doch dem pulsierenden Berlin begegnet man nicht auf dieser «grössten Baustelle Europas», sondern wohl eher rund um den Kurfürstendamm. Das Leben am Potsdamer Platz wird vor allem durch flanierende Touristen geprägt, die das Werden einer Stadt am Ende unseres Jahrhunderts mitverfolgen wollen. Wohl nie und nirgends war Architektur so populär wie gegenwärtig in Berlin – und dies, obwohl das meiste, was sich aus den Bauhüllen schält, von ernüchterndem Mittelmass zeugt. Gewiss, Renzo Pianos fein komponiertes Debis-Hochhaus am Landwehrkanal darf sich sehen lassen. Doch seine anderen Bauten sind mit ihren Terracotta-Fassaden zu penetrant, um als diskrete Strassenfassungen zu dienen, und gleichzeitig zu banal, um als baukünstlerische Statements gelten zu können. Moneos Hotel mit dem altrosa Steinkleid dagegen kommt kaum über reine Kommerzarchitektur hinaus, und Rogers Zwillingshäuser vermögen ihre Extravaganz nicht mit dem Berliner Baukörper- und Traufhöhenkult zusammenzubringen.

Am Potsdamer Platz selbst, der wohl nie mehr als ein Hochhauswinkel an einer zugigen Strassenkreuzung sein wird, wagt Kollhoffs weinroter Klinkerturm einen Flirt mit dem Expressionismus, während Jahns gläserner Sony-Tower von amerikanischen Glitterwelten kündet. Am besten erfassen lassen sich die pharaonischen Dimensionen des Gesamtprojekts, zu dem vor fünf Jahren der erste Spatenstich getan wurde, vom Dach der Infobox, einem Ausstellungsprovisorium von Schneider & Schumacher, das anders als viele der auf Dauer errichteten Bauten das Lob der Kritiker gefunden hat. Von hier oben erscheint die im Schatten der tanzenden Krane entstehende Architektur wie das permanent sich verändernde Bühnenbild zum Stück «Wir bauen eine Stadt».


Banalitäten von Stararchitekten

Nach Norden geht der Blick zum Brandenburger Tor und zum Regierungsviertel. Ein Gewirr von Baumaschinen verweist auch dort auf die Schnelligkeit des Wandels. Während sich Fosters Kuppel über dem schwerfälligen Reichstagsgebäude wie ein zu klein geratenes Spitzenhäubchen ausnimmt, bemühen sich die Regierungsbauten von Axel Schultes im Spreebogen, allen voran das auf Louis Kahn verweisende Kanzleramt, um Monumentalität. Noch darf man gespannt sein, ob diese hohle Geste durch den neuen Lehrter Bahnhof, von dem jenseits der Spree erst ein riesiger Aushub zu sehen ist, entlarvt wird: Hier ist – wie fast allenthalben in Berlin – weniger eine Stadt der Zukunft als vielmehr des urbanistischen und architektonischen Konservativismus im Entstehen. Ähnlich rückwärtsorientiert wirkt Josef Paul Kleihues' «kritische Rekonstruktion» des Pariser Platzes mit den beiden das Brandenburger Tor rahmenden Häusern Sommer und Liebermann, auch wenn nicht Nostalgie, sondern eine rationalistische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes hinter diesem Vorhaben steht. Gleiches kann man vom Bankpalast des Büros von Gerkan, Marg & Partner kaum und vom neuen Hotel Adlon schon gar nicht sagen. Auch die Projekte von Gehry und Portzamparc, die bald mit introvertierter Exzentrik, bald mit irritierenden Grossformen kokettieren, werden wohl keine Meisterwerke werden. So kann man nur hoffen, dass das von Günter Behnisch geplante gläserne Akademiegebäude dem unter einem zu grossen Erwartungsdruck leidenden Platz einen Akzent verleihen und so ein Gegengewicht zur hier vorherrschenden Mimikry-Architektur schaffen wird.

Mit Sicherheit aber wird Behnischs Akademieneubau jener steinernen Schwere entgegenwirken, welche die «Linden» heute erstarren lässt. Dieser stumpfen Versteinerung kommt der unlängst vom neuen Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, geäusserte Wunsch entgegen, am anderen Ende des Prachtboulevards das Schloss wenn möglich wiedererstehen zu lassen. Damit würde das Berliner Bauen endgültig zu jener Geschichtsfälschung verkommen, gegen die sich ein anderer Palast, Mäcklers Lindencorso, zur Wehr setzt: Hier am Eingang zur Friedrichstrasse wurde der Versuch gewagt, eine klassische Steinfassade mit der Sprache der Moderne zu versöhnen. In der Friedrichstrasse selbst zeigt sich dann aber, wie wenig edel polierter Stein im Grunde zum Gesicht der Berliner Strassen passt. Sogar die sorgsam proportionierten, selbsttragenden Steinmauern von Kollhoffs Doppelbau können ihre Noblesse nur im Dialog mit den lokal verankerten Putzfassaden entfalten.

Die hohen, oft allzu sklavisch angewandten Auflagen zur «Fortschreibung der europäischen Stadt» haben hier die Entstehung eines städtischen Ambientes kaum gefördert. Selbst Nouvels schwarzer Glasschrein der Galeries Lafayette, der das Erbe Mendelsohns neu zu interpretieren sucht, schafft es nicht, gegen die steinglänzende Tristesse der Friedrichstrasse anzukommen. Wer von Rossis buntem Schützenstrasse-Quartier mit seiner papierenen Kopie der Hoffassade des Palazzo Farnese die Rettung erhoffte, wird ebenfalls enttäuscht. Weit besser auf die Realität ging da Philip Johnson mit seiner Verballhornung der neuen Berliner Parvenu-Architektur ein. Der absichtlich banal ausgeformte Bau thematisiert aber auch, wie sich die Architekten am Pariser Platz und an der Friedrichstrasse kleinlaut von ihren Visionen verabschiedeten.


Hoffnungsschimmer am Rand

An der Kantstrasse in Kreuzberg, jenseits des einstigen Checkpoints Charlie, trifft man dann doch noch auf einen Neubau, der mehr ist als ein Hoffnungsschimmer: Es handelt sich dabei um die Restaurierung und Erweiterung der GSW- Hauptniederlassung durch Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton. Die fast vollendete Collage, bei der ein graues, wohlproportioniertes Hochhaus aus dem Jahre 1961 von einer gleich hohen Scheibe und einem ovalen Schwebekörper gefasst wird, überzeugt durch Farbenspiele, Form und ökologisches Engagement. Man möchte sie zusammen mit dem nur wenige hundert Meter entfernten Blitz des Jüdischen Museums von Libeskind und Heckers Galinski-Schule zu den raren neuen Meisterwerken der Stadt zählen.

Sonst aber scheint sich in Berlin die Regel zu bestätigen, dass die Qualität der Bauten mit ihrer Distanz vom Zentrum zunimmt. So stehen in der cityfernen Wissenschaftsstadt Adlershof in Treptow gleich mehrere interessante Neubauten in enger Auseinandersetzung mit vorbildlichen Restaurierungsprojekten. Vom neuen Selbstbewusstsein des Viertels zeugen die – architektonisch allerdings belanglosen – «Treptowers». Sie künden von der Aufbruchstimmung im Osten, aber auch davon, dass Berlin schon immer viele Zentren mit eigenen Entwicklungsmerkmalen hatte. Eines davon ist und bleibt Charlottenburg. Dort wurde neben dem Kant-Dreieck von Kleihues an der Fasanenstrasse gerade erst Nicholas Grimshaws Ludwig-Erhard-Haus fertiggestellt, ein von den Berlinern liebevoll «Gürteltier» genanntes Gebäude, das leider allzu viele Konzessionen an die Blockhaftigkeit machen musste. Eingreifende Veränderungen finden zurzeit aber auch rund um den Kurfürstendamm statt, wo Helmut Jahn mit einem gigantischen Block das legendäre Café Kranzler bedrängt. Schlimmer noch ergeht es Werner Düttmanns erst knapp 30 Jahre altem «Ku'damm-Eck», einem wichtigen Zeitzeugen, der dem Abbruch geopfert wird. Die jüngst nach Westen übergeschwappte Baueuphorie soll aber noch höhere Wellen schlagen: in der dereinst von Hochhäusern dominierten City West rund um Eiermanns Gedächtniskirche.

Berlin muss gegenwärtig viele Eingriffe in den Stadtkörper verkraften. Doch war die Stadt seit je eine geduldige Patientin. Schöner ist sie durch all die Implantate zwar nicht geworden, aber mit ihrem eigenwilligen Charakter kann sie durchaus neben der Noblesse von Paris und der Bellezza Roms bestehen. Nur sollte sie jetzt nicht den Fehler machen, so sein zu wollen wie ihre mit einer reicheren architektonischen Mitgift ausgestatteten Schwestern. Berlin mit seinen Brachen und Autobahnen entsprach nie wirklich der klassischen europäischen Stadt. Die vergleichsweise junge Metropole war und ist in ihrem an einen grob zusammengenähten Flickenteppich erinnernden städtebaulichen Layout und in ihren architektonischen Unebenheiten oft den US-Städten näher. Zum Glück ist das urbanistische Kapital der Stadt so gross, dass selbst das fragwürdige Streben nach der «europäischen Stadt» ihre Eigenart nicht wirklich gefährden kann.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1998.12.04

01. Dezember 1998Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Gläserne Amöben in der Vorstadt

Berlin befand sich nach der Wende in einer Euphorie, an der die Baukunst grossen Anteil hatte. Doch nun erkennt die Stadt, dass all die eingeflogenen Architektenstars...

Berlin befand sich nach der Wende in einer Euphorie, an der die Baukunst grossen Anteil hatte. Doch nun erkennt die Stadt, dass all die eingeflogenen Architektenstars...

Berlin befand sich nach der Wende in einer Euphorie, an der die Baukunst grossen Anteil hatte. Doch nun erkennt die Stadt, dass all die eingeflogenen Architektenstars kaum Meisterwerke hinterlassen haben. Selbst am kürzlich mit viel Lärm eingeweihten, aber noch nicht vollendeten Potsdamer Platz vermag bisher nur Renzo Pianos Debis-Hauptquartier mit seinem fein proportionierten Turm verhaltene Begeisterung zu wecken. Wer nach wirklich Neuem sucht, wird sich deshalb auch nicht im Zentrum der Metropole, sondern an deren Peripherie umsehen: etwa in Adlershof. Dort, im Südosten Berlins, wird rund um den vor 90 Jahren eröffneten ehemaligen Flugplatz Johannisthal, einen frühen Hort der deutschen Luftfahrt, ein neuer Stadtteil gebaut.

Nun wird das von den Nazis und vom DDR-Regime einst streng abgeschirmte Hochsicherheitsgebiet mit seinen Forschungsbauten und Fernsehstudios zur Wohn- und Wissenschaftsstadt des 21. Jahrhunderts verdichtet. Dabei soll auch hier die in der Innenstadt erprobte Formel der Hofrandbebauung zum Tragen kommen, die allerdings - solange die soziale Infrastruktur fehlt - das Entstehen einer funktionierenden Stadt allein nicht garantieren kann. Obwohl die einengende urbanistische Auflage bis jetzt meist eingehalten wurde, sind einige interessante Bauten entstanden, das elegante Umwelttechnologiezentrum von Eisele & Fritz, der exzentrische Informatikbau des Delfter Büros Cepezed sowie eine Anlage, die aus dem Rahmen fällt: das Photonikzentrum der gut 40jährigen, in Berlin und London tätigen Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton.

Ihre beiden gläsernen Amöben kommen einer Absage an den strengen Hofrandraster gleich. Zudem erheitern sie mit ihrem Farbenspiel den historisch belasteten Ort. Der Doppelbau ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, der - als Ergänzung der von Alfred Kraus um 1960 errichteten Forschungspavillons - vier neue Häuser vorschrieb. Der Auftrag wurde unter den bestrangierten Büros aufgeteilt, wobei für die beiden etwas dürr geratenen Kuben, die die kleine Anlage von Kraus abschliessen, das Wiener Büro Ortner & Ortner verantwortlich zeichnet. Sauerbruch & Hutton hingegen errichteten im angrenzenden Strassenzwickel zwei organische Baukörper. Deren auf den ersten Blick recht willkürlich anmutende Wellenfassaden erinnern stark an Norman Fosters frühes Bürogebäude in Ipswich und vermitteln zwischen den Kraftlinien, die hier der städtebaulichen Textur eingeschrieben sind.

Zwei gegeneinander abgewinkelte Rastersysteme prägen denn auch die beiden durch einen unterirdischen Gang miteinander verbundenen Bauten: die eingeschossige, für Grossversuche bestimmte Werkhalle und den dreigeschossigen, in seinen Dimensionen nur schwer zu fassenden Gewerbebau. Mit seiner amorphen Form nimmt letzterer Rücksicht auf den Baumbestand und erfüllt zugleich die an ihn gestellten funktionellen Anforderungen: Der eigenwillige Grundriss und die Anordnung der farbig bemalten Doppelträger in der zweischaligen Glashülle ermöglichen unterschiedlich grosse Räume mit vielgestaltigen Bereichen - vom völlig abgedunkelten Forschungslabor über die Werkstatt bis zum lichtdurchfluteten Büro. Damit können die Wünsche der hier auf dem Gebiet der Lichttechnik forschenden Jungunternehmen auf geradezu ideale Weise erfüllt werden.

Am Bau selbst wird der Forschungsgegenstand Licht gezielt thematisiert: etwa als Farbspektrum, das in der Art eines vielfach gebrochenen Lohse-Gemäldes die gläserne Aussenhaut dominiert. Vor allem aber triumphiert das Licht in der Eingangszone. Mit ihrer skulpturalen Inszenierung der frei angeordneten Pfeiler und des Schlangenbands der Treppe bricht sie kristallin aus der gekurvten Hülle aus. Von diesem hellen Bereich gelangt man in düstere Korridore, die gleichsam als Rückgrat des Gebäudes zu den einzelnen Mieteinheiten führen. Dabei quert man einen ovalen, durch schwebende Treppen erschlossenen Lichthof, der entfernt an die Kommandobrücke eines Raumschiffs erinnert. Diesem futuristischen Ambiente antwortet die Dachlandschaft: Dort nämlich bilden die von unten kaum sichtbaren Versorgungsinstallationen einen «Garten der Technik» mit Blick auf das einstige Flugfeld.

Dank seiner bildhaften Sprache wird der nach ökologischen Gesichtspunkten realisierte Bau zur Identifikationsfigur, der es gelingt, eine urbanistisch sensible Stelle in «eine Adresse» zu verwandeln. Mit seiner verspielten Ernsthaftigkeit und fortschrittlichen Technologie verweist das Gebäude auf ein weiteres Werk der Architekten: die im Bau befindliche Erweiterung der GSW-Verwaltung in Kreuzberg.

Beide Arbeiten zeugen davon, dass das von Koolhaas und den Smithsons inspirierte Team - das wohl interessanteste seiner Generation in Deutschland - viel von Städtebau und Kunst versteht. Das Photonikzentrum jedenfalls demonstriert eindrücklich, wie Sauerbruch & Hutton mit Form, Farbe, Licht und Transparenz dynamische Volumen zu schaffen wissen, die eine geistreiche Antwort darstellen auf den diskreten Charme der fünfziger Jahre, der von den restaurierten Nachbarbauten ausgeht.

NZZ-Folio, Di., 1998.12.01



verknüpfte Bauwerke
Photonikzentrum

01. Oktober 1998Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Ein Wal am Finnischen Meerbusen

Innovative Architektur hat es in New York schwer: Selbst die kreativsten Büros können in Manhattan kaum mehr als Umbauten oder Inneneinrichtungen realisieren....

Innovative Architektur hat es in New York schwer: Selbst die kreativsten Büros können in Manhattan kaum mehr als Umbauten oder Inneneinrichtungen realisieren....

Innovative Architektur hat es in New York schwer: Selbst die kreativsten Büros können in Manhattan kaum mehr als Umbauten oder Inneneinrichtungen realisieren. So muss man denn nach Skandinavien reisen, um den seit Jahren wohl interessantesten Bau eines New Yorker Architekten im Original zu sehen. Es handelt sich um das «Kiasma» genannte Museum für zeitgenössische Kunst in Helsinki von Steven Holl. Anders als die Bauherren am Hudson, die ihren eigenen Stars misstrauen und lieber auf kommerzielle Formen setzen, zeigten die für ihre architektonische Kultur bekannten Finnen Mut zum Ausgefallenen, als sie im Wettbewerb von 1993 dem damals 46jährigen Amerikaner den ersten Preis zuerkannten.

Holl schlug für die Spitze des Kulturviertels am Südufer des Töölönlahti, das zwischen Eliel Saarinens Hauptbahnhof und Aaltos Finlandia-Halle gegen das Stadtzentrum vorstösst, einen Neubau vor, der sich ganz aus dem Ort und den ihm innewohnenden topographischen, urbanistischen und kulturellen Kraftlinien entwickelt. Ein orthogonaler und ein organischer, an den Rücken eines Wals erinnernder Baukörper überlagern sich - diagonal durchdrungen von einem Pool - wie der Zeig- und Mittelfinger der rechten Hand. Die Bezeichnung Kiasma, hergeleitet vom x-förmigen griechischen Buchstaben Chi, steht aber nicht nur für den Grundriss des Gebäudes. Sie verweist auch auf das für diesen Bau (wie für Holls Arbeiten generell) entscheidende Überblenden von Bildern, Formen und Ideen. Diese «hybride Architektur» oszilliert zwischen Kargheit, fernöstlicher Sensibilität und skulpturalem Minimalismus, zwischen Expressionismus und Konstruktivismus, aber auch zwischen Le Corbusier, Aalto und Scarpa.

Entstanden ist ein Neubau mit vielen Gesichtern, der bei Tag mit seiner lichtatmenden Haut aus Zinkblech, Glas und Aluminiumplatten wie eine gigantische Skulptur, nachts aber wie ein magischer Leuchtkörper in Erscheinung tritt. Mag die etwas gesuchte Aussenform bei Puristen Vorbehalte wecken, so generiert sie im Innern doch Räume von ungeahnter Suggestivität.

Durch vergleichsweise niedrige und schwere Glastüren gelangt man in den Eingangsraum mit Kasse, Garderobe, Buchshop und Café. Das von den beiden Baukörpern gefasste Foyer öffnet sich bis zum verglasten Oberlicht, verengt sich aber gleichzeitig zur Tiefe hin schluchtartig. Dort gelangt man - unter Passerellen hindurch - einerseits zum Auditorium und zu den Verwaltungsräumen, anderseits in einen vertikalen Schacht, wo piranesiesk übereinander getürmte Treppen und Stege zum Ausstellungsbereich führen. Den Hauptzugang zu den Museumsräumen gewährt aber eine sanft ansteigende Rampe im Foyer. Über vier Halbgeschosse sind die Ausstellungsebenen im Uhrzeigersinn um den zentralen Lichthof verteilt. Eine filmartige Weginszenierung trägt einen gleichsam wie in Trance durch diesen espace fluide. Introvertierte Räume wechseln ab mit postkartenartigen Ausblicken; und immer von neuem gelangt man auf die skywalks in der Halle, wo ein ähnliches Sehen und Gesehenwerden herrscht wie auf der Schneckenrampe von Wrights New Yorker Guggenheim-Museum. Meisterhaft gelingt es Holl hier, die Idee der promenade architecturale zu einem architektonischen Erlebnis zu steigern, vergleichbar nur mit Gehrys neuem Museum in Bilbao.

Mit viel Sensibilität für Licht und eine dezente Farbigkeit hat Holl ein architektonisches Kunstwerk geschaffen, das die Besucher ebenso in seinen Bann zieht, wie es die Exponate tun. Doch die eigenwilligen, bald an Höhlen, bald an den Bauch eines Riesenfischs gemahnenden, von exzentrischen Oberlichtern, sachlichen Seitenfenstern oder verborgenem Kunstlicht erhellten Ausstellungssäle erweisen sich als durchaus geeignet für die Präsentation raumgreifender zeitgenössischer Werke. Die traditionelleren Räume im orthogonalen Bauteil lassen hingegen Malerei und Fotografie zu ihrem Recht kommen. Im inneren Raumgefüge wie im äusseren Erscheinungsbild führt Holls phänomenologische Strategie einer Collage of Images zu ebenso bildhaften wie enigmatischen Resultaten, die immer wieder auf ein frühes Schlüsselwerk in seinem Schaffen verweisen: das vor zehn Jahren in Form eines Walgerippes als Hommage an Melvilles «Moby Dick» erbaute Haus auf Martha's Vineyard.

NZZ-Folio, Do., 1998.10.01



verknüpfte Bauwerke
Museum für zeitgenössische Kunst

01. August 1998Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Eine Burg des Glaubens

Mit kleinen Villen wurde Mario Botta vor zwanzig Jahren berühmt. Seither hat er sich in verschiedenen Baugattungen versucht, um schliesslich im Sakralbau...

Mit kleinen Villen wurde Mario Botta vor zwanzig Jahren berühmt. Seither hat er sich in verschiedenen Baugattungen versucht, um schliesslich im Sakralbau...

Mit kleinen Villen wurde Mario Botta vor zwanzig Jahren berühmt. Seither hat er sich in verschiedenen Baugattungen versucht, um schliesslich im Sakralbau wahre Meisterschaft zu erlangen. Wie so oft im Werk des heute 55jährigen Tessiners faszinieren dabei die kleinen Lösungen ganz besonders: allen voran das Bergheiligtum am Monte Tamaro. Diesem Juwel antwortet seit kurzem eine Synagoge in Tel Aviv, die trotz strenger Symmetrie eine ähnliche Poesie ausstrahlt. Mit dem am Rande eines Palmenhains im Herzen des Campus der Tel-Aviv-Universität errichteten Gotteshaus übertraf Botta sich selbst - und dies, obwohl er noch nie eine Synagoge betreten hatte, als Norbert Cymbalista, der Schweizer Stifter, ihn Ende 1995 um einen Entwurf bat. Doch Intuition und ein Gespür für das Sakrale liessen ihn eine Lösung finden, die in einem Atemzug mit Frank Lloyd Wrights Beth-Sholom-Tempel in Elkins Park und Louis Kahns Entwurf für die Hurva-Synagoge in Jerusalem genannt werden darf.

Anders als Wright, dessen Reformsynagoge sich kaum von einer protestantischen Kirche unterscheidet, erfand Botta einen neuen Bautyp: eine aus zwei fast identischen Räumen bestehende Doppelsynagoge, bei der aus einem rechteckigen Sockel von 22 auf 29 Metern in strenger Symmetrie zwei würfelförmige Räume von je 10,5 Metern Kantenlänge wachsen und himmelwärts sich zu Zylindern von 15 Metern Durchmesser weiten. Bei diesem burgartigen, mit rotem Veroneser Stein verkleideten Solitär handelt es sich um die erste architektonisch bedeutende Campus-Synagoge seit nunmehr 40 Jahren, als Heinz Rau und David Reznik in Jerusalem ihr legendäres Gotteshaus bauten. Zudem bedeutet Bottas Meisterwerk mit seinen vielfältigen historischen Bezügen, die von den würfelförmigen Synagogenräumen der rheinischen Romanik über die Festungssynagogen Ostmitteleuropas bis hin zu Judith Stolzers turmförmiger Wehrsynagoge in Hadera reichen, einen Gewinn für die Architektur in Israel: Denn seit Zvi Heckers bunkerartiger Negev-Synagoge von 1969 ist hier kein Sakralbau mehr entstanden, der sich mit Bottas Cymbalista-Synagoge in künstlerischer Hinsicht messen könnte.

Der durch ein gekuppeltes Säulenpaar akzentuierte Nordeingang führt in eine Vorhalle, von der aus man nach links in das Judaica-Museum und die eigentliche Synagoge, nach rechts aber in den Beth Midrasch genannten Raum für das Thorastudium und in den Versammlungssaal gelangt. Während dieser als «Westturm» ausgebildete Saal für kulturelle Aktivitäten, aber auch für konservative oder reformierte Gottesdienste genutzt wird, ist der mit seiner Apsis nach Jerusalem orientierte «Ostturm», der sich wie sein Gegenüber mittels grosser Schiebetüren zum Vorraum öffnen lässt, im Inneren ganz klar als orthodoxe Synagoge konzipiert. Allerdings wurde, um die räumliche Einheit nicht zu stören, auf eine Frauenempore verzichtet und das Frauenabteil statt dessen - ähnlich wie in gewissen antiken Synagogen durch ein Geländer symbolisch abgetrennt - auf dem Eingangsniveau eingerichtet. Eine Stufe führt vom Eingang hinab zur Bima, dem Lesepult im Zentrum des Raums, von wo die Männer «aus der Tiefe» ihre Stimme zum Gebet erheben.

Tageslicht flutet in die mit Pietra dorata ausgekleideten «Türme» durch je vier Segmente, die im Übergang von der quadratischen, an eine Chuppa, einen Baldachin, erinnernden Decke zum runden Dachabschluss ausgespart sind. Dank solcher Lichtmetaphorik drang Botta ganz instinktiv zum Wesen des Synagogenbaus vor. Gleichzeitig erlaubte ihm sein auf geometrischen Formen beruhender Rationalismus eine grösstmögliche Abstraktion des nach der Quadratur des Kreises strebenden Bauwerks, das trotz seinen eher bescheidenen Dimensionen zur monumentalen Erscheinung wird.

Als zeitgenössische Interpretation des Tors zum himmlischen Jerusalem löst dieses romanisch strenge Gotteshaus nicht nur das Versprechen von Kahns Jahrhundertprojekt der Hurva-Synagoge ein. Ihm kommt im säkularen Tel Aviv auch eine nicht zu unterschätzende gesellschaftspolitische Bedeutung zu: Denn die doppelgesichtige Burg des Glaubens wird als Ort der Begegnung zum Symbol der für die Zukunft Israels wichtigen Versöhnung zwischen den sich immer weiter auseinanderlebenden religiösen und laizistischen Bevölkerungsgruppen.

Darüber hinaus setzt sie aber auch neue architektonische Standards: Hier wurde nämlich eine Qualität in Ausführung und Detail erreicht, wie man sie in Israel zuvor kaum für möglich hielt.

NZZ-Folio, Sa., 1998.08.01



verknüpfte Bauwerke
Cymbalista-Synagoge

01. Juni 1998Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Cohabitation im Fischerhafen

Vornehm unterkühlt gefällt sich Frankreichs neue Architektur. Doch neben den Prestigebauten Mitterrands, die ganz der Rhetorik der Grande Nation verpflichtet...

Vornehm unterkühlt gefällt sich Frankreichs neue Architektur. Doch neben den Prestigebauten Mitterrands, die ganz der Rhetorik der Grande Nation verpflichtet...

Vornehm unterkühlt gefällt sich Frankreichs neue Architektur. Doch neben den Prestigebauten Mitterrands, die ganz der Rhetorik der Grande Nation verpflichtet sind, begegnet man auch «bescheideneren» Werken. Es handelt sich dabei vor allem um sensibel auf den Kontext bezogene Umbauten und Erweiterungen kostbarer Denkmalschutzobjekte oder alter Strukturen, die ihrer einstigen Funktion beraubt wurden. So hat etwa im Grossraum Lille, der Stadt, die sich rund um den TGV-Bahnhof einem urbanistischen Grosseingriff unterzog, ein Meister des Dekonstruktivismus, der Lausanner Bernard Tschumi, mit seinem Medienzentrum in Tourcoing bewiesen, dass sich auch ausgediente Bausubstanz in aufsehenerregende Architektur verwandeln lässt.

Etwas im Schatten dieses Grossereignisses hat in Fécamp, einem an der Kanalküste zwischen Le Havre und Dieppe gelegenen Fischerstädtchen, der 56jährige Architekt Jacques Etienne aus Rouen, der sich mit einem Internat in Fécamp und mehreren Schulbauten in der Normandie bereits einen Namen machte, das Lycée Maritime Anita Conti, eine Berufsschule für angehende Fischer, gebaut. Die Schule - zuvor in einem Altbau untergebracht, dessen bedenklicher Zustand gleichsam die Krise des lokalen Fischereigewerbes spiegelte - sollte ein optimistisches Zeichen des Neuanfangs setzen in Frankreichs bedeutendstem Zentrum des Kabeljau-Fischfangs.

Als Bauplatz zur Verfügung stand am Fuss eines steilen, aus den Klippen hervorgewachsenen Hügels ein altes, «la boucane» genanntes Gebäude, das einst eine Fischräucherei beherbergt hatte, und darüber - auf einer Gartenterrasse thronend - ein Haus von Guy de Maupassant. An diesem bedeutungsvollen Ort, an dem sich Fécamps Wirtschaftsgeschichte mit Frankreichs Hochkultur vereint, versuchte Etienne - ganz ähnlich wie Tschumi in Tourcoing - die Spuren der Vergangenheit mit Hilfe heutiger Architektur systematisch herauszuarbeiten und neu zu interpretieren.

Urbanistisch geschickt verwandelte er den Platz vor der «boucane» durch die Anfügung zweier Neubauflügel in einen Hof. Den schlecht erhaltenen Bau liess er teilweise abtragen, als Schulgebäude für den technischen Unterricht rekonstruieren und darauf ein pavillonartiges Panoramarestaurant setzen - mit Aussicht auf die Stadt und die bergseitige Terrasse. Deren einstige Exponiertheit wurde dadurch zu einem intimen Gartenhof geschlossen, der nun vom restaurierten Maupassant-Haus beherrscht wird. Dieses transformierte Etienne in eine Bibliothek und erweiterte es nach Osten um einen in die dahinterliegende Terrasse integrierten Mehrzwecksaal.

Eine Treppenkaskade, die die Topographie suggestiv betont, führt über zwei Terrassen hinunter zum Eingangshof - vorbei am kubischen Ostflügel. Dieser in Nordsüdrichtung transparente Solitär aus Beton, Stahl und Glas dient dem Studium der grossen Meereskarten. Treppen, Relings und ein als minimalistischer Schiffsmast gestalteter Kamin aus Beton machen das Gebäude zu einer maritimen Metapher, während die holzverkleideten Seitenwände die von der «boucane» evozierte Hafenatmosphäre diskret unterstützen.

Der aus der ehemaligen Räucherei herauswachsende Westflügel präsentiert zum Quai Guy-de-Maupassant hin ebenfalls eine Maske aus Holz. Dadurch wird dieser weit vorspringende Annex, das Kernstück der Anlage, fest mit der bestehenden städtebaulichen Textur verwoben. In ihm befindet sich die grosse Eingangshalle, zu der eine Brücke vom Hof her über einen Abgang führt. Auf diesem können die vom Fischfang zurückkehrenden Studenten direkt in die Umkleideräume und Duschanlagen im Untergeschoss gelangen. Ein nach oben sich verengendes, durch Oberlicht erhelltes Treppenhaus stellt von hier aus die Verbindung mit der Eingangshalle her sowie mit den darüberliegenden Theorieräumen und dem Mensa-Restaurant auf der fünften Ebene.

In dieser Anlage, die von der architektonischen Umsetzung, den Abläufen und Stimmungen her überzeugt, gehen Alt und Neu eine harmonische Cohabitation ein, ohne jedoch zur spannungslosen Einheit zu verschmelzen. So kommen hier seit letztem Herbst rund 100 Schüler im Alter von 14 bis 19 Jahren in den Genuss eines funktionalen Hauses, das mit seinen überraschenden Inszenierungen bald an das Leben auf einem Schiff, bald an die Eigenheiten des Orts erinnert. Diesem Baukomplex, der ganz Ausdruck unserer Zeit ist und trotzdem stolz die Tradition umklammert, eignet ein architektonischer Ausdruck, wie ihn zuvor nur Jean Nouvels Erweiterung des Hotels St. James in den Rebbergen von Bouliac bei Bordeaux erreicht hat.

NZZ-Folio, Mo., 1998.06.01



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Lycée Maritime Anita Conti

01. April 1998Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Eine urbane Oase in der Stadtwüste

In Downtown Phoenix, dem Herzen des «Valley of the Sun», einer der am schnellsten wachsenden Agglomerationen Nordamerikas, hat die Architektur eine andere...

In Downtown Phoenix, dem Herzen des «Valley of the Sun», einer der am schnellsten wachsenden Agglomerationen Nordamerikas, hat die Architektur eine andere...

In Downtown Phoenix, dem Herzen des «Valley of the Sun», einer der am schnellsten wachsenden Agglomerationen Nordamerikas, hat die Architektur eine andere Aufgabe als in Europa. Das weitläufige Stadtgebilde gleicht einem Palmenhain, durchsetzt mit ungezählten Bungalows, aus dem einzig bizarre Felsenriffe und Hochhauskronen als Orientierungshilfen ragen. Hier, wo Wrights Vision einer «Broadacre City» Realität geworden scheint, bestimmen Sommerhitze und Distanzen das urbane Leben und zwingen jeden gnadenlos ins Auto.

Da Phoenix nicht für Flaneure geplant ist, müssen öffentliche Bauten nicht nur weithin sichtbare Zeichen setzen, sondern auch ein soziales Umfeld erzeugen. Das weiss wohl keiner besser als der heute 52jährige Will Bruder, der 1967, nach einem Kunststudium in Milwaukee, sein heimatliches Wisconsin in Richtung Arizona verliess, um bei Paolo Soleri Architektur zu studieren. Im geistigen und geographischen Spannungsfeld zwischen Soleris Arcosanti und Wrights Taliesin West baute er sich 1975 ein Haus und machte sich zunächst mit Villen einen Namen. Nach einigen grösseren Aufträgen - darunter das Deer Valley Rock Art Center, die Kol-Ami-Synagoge in Scottsdale und zwei Quartierbibliotheken in Shopping Malls - schaffte er mit der 1997 nach acht Jahren Planungs- und Bauzeit vollendeten Phoenix Central Library elegant den Sprung in die architektonische Weltliga.

Der als Freihandbibliothek für über eine Million Bücher konzipierte Bau erhebt sich an der Central Avenue im Niemandsland zwischen den Hochhausballungen des alten Zentrums und der zwei Kilometer nördlich davon gelegenen neuen Bürocity. Künftig soll dieses Gebiet durch einen parkartigen Fussgängerboulevard zur Kulturmeile aufgewertet werden. Dieser wird dereinst parallel zur Central Avenue von der Innenstadt bis zum 500 Meter nördlich der Central Library gelegenen und jüngst vom New Yorker Architektenduo William und Tsien erweiterten Phoenix Museum of Art führen.

Bruder, der - ganz im Sinne von Soleri - nach dem Motto «client, community, context, craft and choreography» arbeitet, fragte sich zunächst, welche Bilder er mit seinem Neubau den Autofahrern und welche den Besuchern vermitteln sollte. Aus seiner Recherche resultierte eine Identifikationsfigur in der monotonen Stadtlandschaft, die nach Norden, zu den Parkplätzen hin, mit weissen Sonnensegeln die Besucher empfängt, während die auf das Stadtzentrum ausgerichtete Fassade mit ihrer abgetreppten Curtain Wall ganz diskret mit dem Aussehen eines simplen Bürohauses kokettiert. Zur Strasse und zum rückseitigen Vorplatz hin dagegen tritt die entlang der Nordsüdachse symmetrische Grossform als eine Art sanft gekurvte Serra-Plastik in Erscheinung und bietet so eine Umdeutung von Nouvels Cartier-Glasschrein in eine Burg aus Kupfer, dem Erz aus Arizonas Minen.

Am Abend, wenn durch die fein perforierten Kupferwände das hellerleuchtete Innenleben des Gebäudes scheint, vertreibt eine magische Transparenz den Eindruck der Verbunkerung. Bei Tag aber werden die rostroten Wände durch 40 Meter hohe Stahlschilde belebt, welche die beiden Eingänge markieren. Zwei Höhlenwege führen hier zum «Crystal Canyon», der das fünfgeschossige Gebäude in seiner ganzen Höhe durchschneidet und aus dem Zenit Tageslicht bis zum schwarzen Pool zuunterst in der kühlen Schlucht vordringen lässt. Von hier, wo sich die Wege kreuzen, gelangt man ebenerdig zur Information, zu den Computerplätzen, in den Theatersaal sowie in das noch einzurichtende Café.

Futuristische Lifte und ein Treppenhaus, das mit seinen opaken Glaswänden einer Noguchi-Lampe gleicht, führen vorbei an den drei mittleren Etagen mit Büros, Ausstellungs- und Lagerräumen hinauf in den 80 mal 50 Meter grossen Reading Room. Mit ihren kerzenartig sich verjüngenden, auf Bullaugenfenster zielenden Betonsäulen und dem schwebenden Dach ist diese schattige Oase eine ebenso unkonventionelle wie zeitgemässe Antwort auf Henri Labroustes filigrane Metallkonstruktion des Lesesaals der alten Bibliothèque nationale in Paris, aber auch auf das Grossraumbüro von Wrights Johnson Wax Building in Racine, Wisconsin.

Das zwischen Flugzeughangar, Kulturtempel und Bürohaus oszillierende Bibliotheksgebäude ist mit dem 120 Meter langen Mittelbau und den seitlich angehängten, kupfernen «Satteltaschen» ganz im Sinn von Kahn in dienende und bediente Räume unterteilt. Sein monolithisches Äusseres scheint entfernt Zumthor verpflichtet zu sein, die Metallkonstruktion des Daches aber lässt an die Leichtbauweise des Australiers Glenn Murcutt denken. Die Liebe zum Detail und die überlegte Wahl der Materialien verraten hingegen Scarpas Einfluss, während im kinetischen Formenspiel der Sonnensegel Bruce Goffs textile Fassadenmuster nachklingen. Das Resultat dieser anspielungsreichen Arbeitsweise ist jedoch durchaus nicht eklektisch. Vielmehr erfand Bruder - vielleicht erstmals seit den Pueblosiedlungen der Hopi-Indianer - eine auf Arizona zugeschnittene Architektur. Bei dieser stehen, fernab von jeglicher Adobe-Romantik, eine populär ausgerichtete Monumentalität sowie topographische, geologische und kulturgeschichtliche Metaphern im Mittelpunkt: vom Canyon bis zur Satteltasche.

NZZ-Folio, Mi., 1998.04.01



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Central Library

01. Februar 1998Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Ein Spiegel im Museumsgarten

Als Königliche Kunst geniesst die Architektur in Frankreich hohes Ansehen, das vorab Mitterrand gezielt zu nutzen wusste. Ihm eiferten die Herrscher in...

Als Königliche Kunst geniesst die Architektur in Frankreich hohes Ansehen, das vorab Mitterrand gezielt zu nutzen wusste. Ihm eiferten die Herrscher in...

Als Königliche Kunst geniesst die Architektur in Frankreich hohes Ansehen, das vorab Mitterrand gezielt zu nutzen wusste. Ihm eiferten die Herrscher in der Provinz nach, allen voran Pierre Mauroy, der Bürgermeister von Lille und einstige Premierminister. Ihm verdankt die lang vom Niedergang geprägte Metropole des Nordens ambitiöse TGV-Projekte, die als Euralille und Congrexpo Berühmtheit erlangten. Doch inzwischen ist die von Rem Koolhaas konzipierte und zusammen mit Jean Nouvel und Christian de Portzamparc realisierte Bahnhofbebauung wegen ihrer vibrierenden Türme ins Gerede gekommen.

Diese architektonischen Ikonen der frühen neunziger Jahre, die Lille zur Hochburg eines zukunftsorientierten europäischen Städtebaus hätten machen sollen, muten heute schon etwas überholt an. Das neuste Meisterwerk der Stadt wirkt denn auch wie eine demonstrative Absage an Koolhaas' megalomane Geste. Es handelt sich dabei um die Restaurierung und Erweiterung eines der schönsten französischen Kunstmuseen: des Palais des Beaux-Arts an der noblen Place de la République.

Seit Jahrzehnten dämmerte dieser Bau, 1892 im Rausch der Belle époque von Bérard & Delmas für die kostbare Sammlung flämischer und holländischer Kunst der Stadt vollendet, still vor sich hin. Doch 1990 machte sich Optimismus breit: Im Rahmen eines Wettbewerbs wurde das vorbildliche Projekt der beiden heute vierzig Jahre alten Pariser Architekten und einstigen Nouvel-Mitarbeiter Jean-Marc Ibos und Myrto Vitart für eine Renovation, Erweiterung und Öffnung des Kunstpalastes gekürt. Sie liessen Umbauten entfernen, gaben den Galerien die ursprüngliche Frische zurück, verwandelten die Kellergewölbe in eine stimmungsvolle Raumsequenz für die mittelalterliche Sammlung und versenkten im Museumsgarten, der begrenzt wird von einem Neubau für die graphische Sammlung, die Verwaltung und das Restaurant, eine von dosierbarem Oberlicht erhellte temporäre Ausstellungshalle.

Nun darf das vom Mief der Zeit befreite Museum ganz selbstverliebt mit seinem Spiegelbild auf der Fassade des neuen Hauses kokettieren. Dieses stellten die Architekten im Abstand von gut dreissig Metern der Südfassade des Palais entgegen, just an der Stelle, wo Bérard & Delmas 1895 einen nie realisierten Ergänzungsbau geplant hatten. Schaut man nun aus dem Museum auf diesen Verwaltungsbau, so täuscht dessen Glashaut dem Betrachter gleichsam eine Vision der einst geplanten Ergänzung vor.

Das gläserne Haus von Ibos und Vitart zählt nicht zu jenen stümperhaften Spiegelschränken, die seit Jahren auch Frankreichs Städte verunstalten. Vielmehr handelt es sich dabei um eine ebenso ironische wie poetische Brechung des Themas. Die Glashülle und die Geschossflächen werden von einer einzigen, leicht sichelförmigen Betonwand getragen. Diese tritt durch die Fensterfront zum Hof hin als pompejanisch rote Fläche mit goldenen Rechtecken in Erscheinung und verleiht ihm eine heitere, dynamische Atmosphäre. Sie ist mit ihrem Rot und Gold aber auch eine Anspielung auf die Altmeistergalerien des Museums und zugleich Hintergrund für die setzkastenartige Bühne, auf der man die Museumsangestellten auftreten und verschwinden sieht.

Bestehen die vom Museum abgewandten Fassaden abwechselnd aus opakem Industrie- und transparentem Fensterglas, so ist die hofseitige «Spiegelwand» mit durchsichtigem Glas verkleidet, auf dem kleine, an Strichcodes erinnernde Spiegelflächen serigraphisch aufgetragen wurden, was zusammen mit der intensiven Farbigkeit ein stark impressionistisches Bild erzeugt. Dadurch wird das neue Haus fast unsichtbar, so dass man - mit einem Blick auf das frühe Schaffen von Mario Merz - von einer «maison cache-toi» sprechen möchte.

Der mit einem Grundriss von rund sieben mal siebzig Metern extrem schmale, im Volksmund als «Klinge» bekannte Bau nimmt innerhalb der aktuellen Diskussion um eine monolithische Architektur eine besondere Stellung ein. Die minimalistische Erscheinung des Baukörpers wird von der Oberlichtverglasung des unterirdischen Ausstellungssaals aufgenommen. Dieser eignet im Kontext des ganz französisch als künstliche Natur thematisierten Hofgartens die Form eines artifiziellen Pools, denn ihre aus grossen, bruchsicheren Platten bestehende Oberfläche ist umgeben von einem Rinnsal, das der ganzen Fläche das Aussehen von Wasser verleiht.

So wird der Neubau zum zeitgenössischen Statement in diesem der älteren Kunst gewidmeten Haus und damit auch zu einem Musterbeispiel des Zusammenklangs von heutiger Architektur und Museographie. Hier wagen zwei höchst gegensätzliche Gebäude, der pompöse Beaux-Arts-Palast und die minimalistische Glaskiste, den Dialog mit der Stadt und beweisen dabei Respekt für das Bestehende. Dadurch wird die vielbeschworene Neubelebung der Stadt, die in Euralille nicht zum Tragen kommen will, erst Wirklichkeit.

Roman Hollenstein

NZZ-Folio, So., 1998.02.01



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Renovierung Palais des Beaux-Arts

01. Dezember 1997Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Ein Glaspavillon im Weinberg

Als Gartenstadt mit Bauten der Jahrhundertwende lockt Adelaide, die Metropole Südaustraliens, Touristen an. Von hier aus pilgern sie dann zu den Rebgütern...

Als Gartenstadt mit Bauten der Jahrhundertwende lockt Adelaide, die Metropole Südaustraliens, Touristen an. Von hier aus pilgern sie dann zu den Rebgütern...

Als Gartenstadt mit Bauten der Jahrhundertwende lockt Adelaide, die Metropole Südaustraliens, Touristen an. Von hier aus pilgern sie dann zu den Rebgütern im Barossa Valley. Dabei wartet schon viel näher ein erster Höhepunkt auf historisch und architektonisch interessierte Weinliebhaber: das Magill Estate am Fuss der Mount Lofty Ranges am Ostrand der Stadt. Hier wurde 1844 von Christopher Rawson Penfold der Grundstein zu einer der berühmtesten Kellereien des Landes gelegt. Allmählich wuchs das Gut zu einem verwinkelten Dorf mit malerischen Produktions-, Verwaltungs- und Wohngebäuden.

Wirtschaftliche Probleme brachten dann diesen geschichtsträchtigen Ort, der heute als nationales Kulturerbe gilt, in Gefahr. Der Komplex dämmerte dem Verfall entgegen. Durch den Bau von Villen waren die Rebberge auf fünf Hektaren geschrumpft. 1990 wurden die Penfolds-Kellereien von Southcorp übernommen; und die neue Besitzerin bestimmte den Magill Estate zum Aushängeschild von Penfolds. Sie beauftragte das Architekturbüro Allen, Jack und Cottier aus Sydney mit der Renovation des Gutes und mit dem Bau eines Restaurants.

Bekannt geworden waren die drei Architekten als Protagonisten der Sydney School. Diese Bewegung wandte sich Ende der fünfziger Jahre von der funktionalistisch unterkühlten Nachkriegsmoderne ab und plädierte für eine malerische Baukunst, bei der die lokale Bautradition und der Bezug zur Landschaft eine zentrale Rolle spielen sollten. Allen, Jack und Cottier realisierten vielbeachtete Wohn- und Schulbauten; von ihnen stammen aber auch die bedeutendsten neuen Weinkellereien Australiens: der Rothbury Estate im Hunter Valley und die von einem scheunenartigen Hauptgebäude beherrschte Domaine Chandon Winery in Coldstream.

Für Keith Cottier, den kreativen Kopf des Büros, ist das Shed - der einfache Schuppen - Inbegriff der ländlichen Baukunst Australiens. In den siebziger Jahren hatte er fast gleichzeitig mit Glenn Murcutt das Shed und die Veranda, das andere Charakteristikum der australischen Architektur, für sich neu entdeckt. Er errichtete weit offene, dem Klima angepasste Wohnhäuser aus Stahl, Glas und Holz, in einem Mies van der Rohe verpflichteten «Ethno-High-Tech», die sich durch grosse Detailsorgfalt ausweisen. Diese Liebe zum Detail führte beim Magill Estate zu einer vorbildlichen Restaurierung der altehrwürdigen Bauten, und die Auseinandersetzung mit Klima, ruraler Architektur und neuster Technik machte das Herzstück der Anlage, das neue Restaurant, zu einem kleinen Juwel.

Obwohl prominent über dem Rebberg gelegen und eng mit dem historischen Komplex verflochten, ordnet sich der rechtwinklig zum Küchengebäude entlang der Nordsüdachse errichtete Restauranttrakt harmonisch ins Gesamtbild ein. Dieser als «verglaster Aussenraum unter einer schwebenden Dachplatte» konzipierte japanisch elegante Pavillon, der an milden Tagen fast ganz geöffnet werden kann, ist gleichsam die Neuinterpretation des australischen Verandahauses. Über eine Treppe erreicht man vom Rebberg her den Eingang. Ein Bassin, geteilt von einer Betonwand, bildet hier den neuen, an Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon erinnernden Mittelpunkt der Gesamtanlage. Mit seiner Transparenz erzeugt das Restaurant einen reizvollen Kontrast zu den alten Bruchsteinbauten; und der mit eleganten Designermöbeln eingerichtete Speisesaal gewährt einen Panoramablick auf Stadt und Meer. Zwölf verchromte Stahlträger, auf denen das Metalldach ruht, und ein hölzerner, den Abgang zum Weinkeller markierender Buffeteinbau setzen hier die einzigen Akzente in einer Architektur, die ihre Qualität aus der Reduktion zu schöpfen weiss.

NZZ-Folio, Mo., 1997.12.01



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Penfold's Magill Estate

04. Oktober 1997Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Max Dudler - ein Schweizer Architekt in Berlin

Vor vier Jahren gelangte die neue Berliner Architektur unter Beschuss. Der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann und mit ihm einige führende Architekten...

Vor vier Jahren gelangte die neue Berliner Architektur unter Beschuss. Der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann und mit ihm einige führende Architekten...

Vor vier Jahren gelangte die neue Berliner Architektur unter Beschuss. Der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann und mit ihm einige führende Architekten propagierten für die Innenstadt die sogleich von gewissen Kritikern als faschistisch gebrandmarkte Idee eines «Steinernen Berlin». Zu deren Verfechtern gehörte auch Max Dudler - nicht ohne Erfolg, ist er doch heute einer der meistbeschäftigten Architekten an der Spree. Ihm widmet nun der Schweizer Dokumentarfilmer Beat Kuert ein Porträt, das den 1949 im sankt-gallischen Altenrhein geborenen Dudler als ebenso sympathischen wie elegant gekleideten Baukünstler zeigt. Unter dem Titel «Reichtum der Askese» präsentiert sein Film Dudlers karge, aber bis ins letzte Detail durchdachte Bauten, die sich im Gegensatz etwa zur Deutschschweizer Einfachheit durch raffinierte Eleganz und grossstädtischen Schliff auszeichnen.

Die grossen Themen, auf die der Rheintaler immer wieder zurückkommt, sind Stadt, Raum, Fassade und baukünstlerische Qualität. Eine Auseinandersetzung mit diesen Grundlagen des Bauens vermisst er bei den meisten seiner Berufskollegen, findet sie jedoch komprimiert im Klosterbezirk von St. Gallen, der ihn von früher Jugend an nachhaltig prägte. Nicht die Dynamisierung des Raums faszinierte ihn dort, sondern der Umgang mit dem Stein. Und darin zeigt sich denn auch seine heutige Meisterschaft: Anders als das Gros der Architekten verwendet er Stein nicht als Tapete, die vor den Rohbau gehängt wird. Vielmehr geht er in seinen Bauten direkt vom Stein aus, von seinem Volumen und seiner Blockhaftigkeit. Das Ergebnis sind kantige und spröde, formal sich stets ein wenig wiederholende Bauten, die heute so prominente Orte definieren wie den Bahnhofplatz von Mannheim oder den Berliner Gendarmenmarkt, wo Dudler gegenüber von Schinkels Schauspielhaus einen grossstädtischen Bürobau errichten konnte. Mit Schinkel ist gleich auch eines seiner Vorbilder genannt, ein anderes ist Ungers, bei dem er in Frankfurt arbeitete.

Dies alles vermittelt Kuerts Film. Der Berliner Streit hingegen, der Dudlers Karriere jäh hätte knicken können, wird nur in zwei knappen Sprachfetzen angedeutet, und zwar so, dass sich für Nichteingeweihte daraus kaum ein Sinn ergibt: «Immer wenn Stein auftaucht, sagt man, das sei ein faschistisches Material und Glas sei ein demokratisches.» Überhaupt setzt der durch mitunter etwas allzu abrupte Schnitte gekennzeichnete Bilderreigen einiges an Wissen über diesen hierzulande nur Insidern bekannten Architekten voraus. Dass er aus einer Steinmetzfamilie stammt und in Berlin studierte, erfährt man erst gegen Ende des Films. Gar nicht erwähnt wird hingegen ein wichtiges Detail: nämlich dass Dudler nicht die typische Bilderbuchkarriere eines Schweizer Architekten durchlief. Seine höheren Weihen holte er sich nämlich nicht an der ETH. Vielmehr ging er nach einer Bauzeichnerlehre an die Frankfurter Städelschule und anschliessend an die Hochschule der Künste in Berlin. Schon diese Laufbahn zeigt, dass Dudler sich nicht als technisch gedrillten Architekten, sondern als Baukünstler versteht - eine Botschaft, die dieser Film durchaus zu vermitteln weiss.

Monologe des Architekten wechseln immer wieder mit unbeweglichen, an Diaprojektionen erinnernden Einstellungen ab, die die Bauten streng frontal und etwas leblos zeigen. Auf die filmischen Möglichkeiten einer promenade architecturale verzichtet Kuert, wohl in der Annahme, dass er so den klassizistisch strengen Bauten am ehesten gerecht wird. Die Folge ist, dass sie völlig abstrakt erscheinen. Aber nicht nur der visuelle Zugang zu den Bauten bleibt limitiert. Auch über deren internationale Rezeption erfährt der Zuschauer nichts, da eine kommentierende Stimme aus dem Off fehlt. Dabei ist Dudlers Architektur nicht nur in Schweizer Kollegenkreisen, sondern auch in Deutschland umstritten und wird von den einen bewundert, von den andern heftig abgelehnt. Auch weil Architektur die öffentlichste aller Künste ist, erweist sich die Wahl von Direktzitaten, um architektonische Fragestellungen und Probleme aufzuzeigen, als ungeschickt. Zumal Dudler weder ein kritischer Intellektueller noch ein eloquenter Redner ist. Oft lässt sich die Bedeutung von Dudlers Sätzen nur erahnen - und zwar nicht nur, wenn er von der «Sinnlichkeit, wo man darin wohnen kann», spricht.

So lässt einen denn der Film etwas ratlos zurück. Man glaubt zwar, einen der erfolgreichsten Architekten im deutschsprachigen Raum näher kennengelernt zu haben, hat aber gleichwohl keinen gültigen Eindruck von seinem Schaffen und dessen Bedeutung erhalten. Gerne hätte man beispielsweise erfahren, wie Dudler sich gegenüber der gegenwärtig so erfolgreichen Deutschschweizer Architektur definiert und ob er wirklich nur deshalb in Berlin ist, weil man «als Architekt an die Orte ziehen muss, wo gebaut wird».

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1997.10.04

24. September 1997Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Das Glashaus in der Pfeilerhalle

Monumental und streng wie ein archaischer Tempel steht die neue Sport- und Mehrzweckhalle des Waffenplatzes von Losone an der Durchgangsstrasse ins Centovalli....

Monumental und streng wie ein archaischer Tempel steht die neue Sport- und Mehrzweckhalle des Waffenplatzes von Losone an der Durchgangsstrasse ins Centovalli....

Monumental und streng wie ein archaischer Tempel steht die neue Sport- und Mehrzweckhalle des Waffenplatzes von Losone an der Durchgangsstrasse ins Centovalli. Doch ist es weniger martialisches Imponiergehabe als vielmehr eine geheimnisvolle Entrücktheit, die dieses neuste Werk des 1932 geborenen Locarneser Architekten Livio Vacchini auszeichnet. Denn die graue Pfeilerhalle ganz ohne Sockel und abschliessendes Gebälk scheint - durch den strassenseitigen Gitterzaun gesehen - auf der grünen Rasenfläche zu schweben.

Den Vorbeifahrenden offenbart diese Architektur ihre Bestimmung kaum. Sie erinnert in ihrer formalen Abstraktion an eine andere Arbeit von Vacchini, die im Sommer 1996 eingeweihte neue Locarneser Hauptpost. Während diese aber in ihrer Selbstverliebtheit das urbanistische Gefüge zu sprengen droht, besitzt der introvertierte Solitär von Losone eine skulpturale Präsenz, die in der parkartigen Umgebung voll zur Geltung kommen kann. Hier treten, anders als bei dem mit Spiegelglas und Granit verhüllten Postgebäude, auch die Geheimnisse der Konstruktion offen zutage. Der tektonisch klar gegliederte, in seiner wahren Grösse gleichwohl nur schwer erfassbare Betonmonolith erweist sich als massiv und transparent zugleich: Birgt er doch innerhalb der durchbrochenen Hülle einen gläsernen Raum, der durch das Spiel der Spiegelungen entmaterialisiert erscheint.

Mit dem Lavieren zwischen Leichtigkeit und Schwere, aber auch mit dem Verunklären der wahren Dimension des Monolithen erweist sich Vacchini auf der Höhe der Architekturdiskussion. Er versteht es zudem wie wohl kein anderer zeitgenössischer Architekt, das Erbe von Schinkel und Mies van der Rohe heutigen Formvorstellungen anzunähern. So schuf er in Losone mit viel Sinn für Proportionen eine vom Goldenen Schnitt ausgehende Hallenkonstruktion, deren Deckenplatte - an der einem Vorgang gleich die Hülle des stützenlosen Glasschreins hängt - auf den Stirnseiten von 27 und auf den Längsseiten von 49 Betonpfeilern getragen wird.

Obwohl man Vacchini als Formalisten mit einem Faible für klassische Einfachheit, Rationalität und Abstraktion bezeichnen kann, erinnern seine Bauten - anders als gewisse Werke seines kürzlich verstorbenen Kollegen Aldo Rossi - nie an Mausoleen. Auch sie gehorchen zwar nicht sklavisch dem modernen Credo des «form follows function»; gleichwohl aber sind bei ihnen Form und Funktion eng verzahnt. So konnte Vacchini nur dank der tragenden Betonhülle sein platonisches Idealbild einer durchsichtigen, stützenlosen Glashalle verwirklichen. Entstanden ist dabei ein fast sakral anmutender Innenraum, angesichts dessen man es nur bedauern kann, dass Vacchini sein vor wenigen Wochen preisgekröntes Synagogenprojekt in Dresden nicht realisieren kann.

Mit dem Anfang August eingeweihten und bereits mit dem Beton-Preis ausgezeichneten Bau hat die Schweizer Armee nur zwei Jahre nach der burgartigen Kaserne von Fabio Muttoni und Silvano Caccia in Airolo ein weiteres Baudenkmal im Tessin errichtet. Allerdings dient der neue Mehrzweckbau von Losone nicht nur dem Militär, sondern auch den Bewohnern der Gemeinde. Während die Soldaten das Gebäude vom Kasernenplatz her durch den Hintereingang betreten, geleitet ein repräsentativer Zugang die Besucher von der Strasse zum gläsernen Hauptportal. Von dort führt eine Doppeltreppe unter der Tribüne hinauf in die mit Spiegelungen und Lichteffekten überraschende Halle: einen durch die Glashaut der Aussenwände definierten axialsymmetrischen Raum mit moosgrünem Fussboden und schwebender Kassettendecke.

Vacchini führt mit dieser minimalistischen «Skulptur» fort, was er 1990 mit seinem zur Landschaft hin transparenten Wohnhaus in einem kleinen Olivenhain hoch über Tenero begonnen hat und nun mit den Stadtwerken in Locarno fortführt: die zielstrebige Recherche nach grösstmöglicher formaler Reduktion unterschiedlicher Bautypen.

NZZ-Folio, Mi., 1997.09.24



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Mehrzweckhalle

28. Juli 1997Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Ein bonbonfarbener Tausendfüssler

Als All American City wird Cincinnati gern bezeichnet. Doch seit die Durchschnittsstadt am Ohio River wirtschaftlich auf Erfolgskurs segelt, regt sich...

Als All American City wird Cincinnati gern bezeichnet. Doch seit die Durchschnittsstadt am Ohio River wirtschaftlich auf Erfolgskurs segelt, regt sich...

Als All American City wird Cincinnati gern bezeichnet. Doch seit die Durchschnittsstadt am Ohio River wirtschaftlich auf Erfolgskurs segelt, regt sich ein neues Selbstbewusstsein, das sich, wie schon einmal kurz nach 1900, auch architektonisch ausdrückt. So kann das Zentrum nicht nur mit einem bedeutenden Art-déco-Hochhaus, dem Carew Tower, aufwarten, sondern ebenso mit Cesar Pellis noblem Aronoff Center for Performing Arts von 1995. Ganz ähnlich heisst ein zweiter Bau, der unlängst wie kein anderer in den USA Furore machte und - gleichsam über Nacht - Cincinnati als Architekturstadt etabliert hat.

Es handelt sich dabei um das vom 65jährigen New Yorker Peter Eisenman im Auftrag der University of Cincinnati realisierte Aronoff College of Design, Architecture, Art and Planning (DAAP). Die renommierte Universität ist dank dem Engagement von Jay Chatterjee, dem Dean der Architekturabteilung, mit Bauten und Projekten von SOM, Michael Graves, Harry Cobb und Frank Gehry zu einem Zentrum der Baukunst geworden. Damit erweist sich einmal mehr ein Campus als blühende Oase in der sonst von Investoren geprägten amerikanischen Baulandschaft, in der den Architekten meist nur noch die Rolle von Fassadendesignern zukommt.

An der Architekturbiennale von Venedig im Jahre 1991 konnte Eisenman, der damals gerade mit seinen ersten grösseren Werken, dem Wexner Center for the Visual Arts und dem Convention Center (beide in Columbus, Ohio), im Gespräch war, das Interesse der Fachwelt am Aronoff-Projekt wecken. Kritiker zweifelten zwar, ob sich der 1986 am Computer generierte, aus hochkomplexen Faltungen, Rotationen, Verschiebungen, Überlagerungen und Torsionen bestehende Entwurf des von Baudrillard und Derrida wie von der Topologie und vom antikartesianischen Raum faszinierten Theoretikers realisieren liesse.

Doch im Oktober 1996 konnte das Gebäude, das Philip Johnson, der Doyen der US-Architekten, als weltweit «unvergleichbar» lobte, eröffnet werden. Bei diesem Meisterwerk, das neben Unterrichtsräumen und Büros auch eine Bibliothek, eine Galerie und ein Theater beherbergt, handelt es sich um die Erweiterung und Umgestaltung von drei Bauten aus den fünfziger bis siebziger Jahren zum neuen Sitz des DAAP-College, das zurzeit von 1800 Studenten besucht wird.

Eisenmans Neubau schmiegt sich, dem Geländeprofil folgend, wie ein bonbonfarbener Tausendfüssler an die zickzackförmigen Altbauten, so dass zwischen den beiden Bauteilen ein entfernt ans Wexner Center erinnernder, fast 300 Meter langer zentraler Erschliessungsraum entsteht, der zum Erstaunlichsten zählt, was die Architektur seit Michelangelos Biblioteca Laurenziana hervorzubringen wagte. Diese manieristisch zwischen Kubismus, Schwitters' Merzbau und Dekonstruktivismus oszillierende Raumkollision, die man als Metapher für das Aufeinanderprallen der hier vereinten Schulen lesen kann, spiegelt sich in der Eingangsfassade. Mit ihren schiefen Flächen demonstriert diese anschaulich, warum Eisenmans Bauten gerne als «Erdbebenarchitektur» bezeichnet werden.

Den trichterförmig in die Stirnwand eingelassenen Haupteingang erreicht man über eine Freitreppe, die fast ein wenig mediterran anmutete, führte sie nicht über eine halboffene Tiefgarage. Von Brücken überquert, weitet sich der Innenraum zum Eingangsfoyer und zur Cafeteria und zieht sich dann - oft höhlenartig eng - wie ein zartfarbener Cañon über drei Geschosse hin. Die von einem labilen Ausgleich zwischen Chaos und Ordnung bestimmte, an Piranesi gemahnende Raumsequenz gibt Rätsel auf, vermag aber auch zu verunsichern.

Für Perfektionisten dürfte dieser Bau mit seinen oft allzu düsteren Gängen problematisch sein, doch ist er eine Offenbarung für all jene, die sich von Architektur mehr als nur eine funktionale Antwort erhoffen. Eisenman selbst fand hier von seinem dekonstruktivistisch überhöhten Rasterdenken zum gekrümmten Raum, der über den Möbiusband-Entwurf des Berliner Max-Reinhardt-Hauses weiterwirkte bis hin zu seinem ersten grossen New Yorker Projekt, dem jüngst präsentierten Institute of Arts and Sciences beim Ferry Terminal auf Staten Island.

NZZ-Folio, Mo., 1997.07.28



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Aronoff College of Design

01. Juni 1997Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Eine Black Box mit Veranda

Von den Rialto Towers aus gesehen erinnert das Melbourne Exhibition Center mit seinem matt silbernen Blechdach an einen tief über dem Südufer des Yarra...

Von den Rialto Towers aus gesehen erinnert das Melbourne Exhibition Center mit seinem matt silbernen Blechdach an einen tief über dem Südufer des Yarra...

Von den Rialto Towers aus gesehen erinnert das Melbourne Exhibition Center mit seinem matt silbernen Blechdach an einen tief über dem Südufer des Yarra River schwebenden Flugzeugflügel. Es gemahnt in seiner Einfachheit aber auch an die Lagerhallen des flussabwärts gelegenen Hafengebiets. Doch im Gegensatz zu diesen faltet sich der sieben Fussballfelder grosse Flachbau an seiner Nordostecke zu einem expressiven Konglomerat ineinander verkeilter Ebenen und Kuben. Erst diese Billboard-Architektur, akzentuiert durch plakative Glasflächen und einen schräg sich aufbäumenden, von zwei riesigen Mikadostäben gehaltenen Eingangsbaldachin, verleiht dem Gebäude jenes unverwechselbare Image, mit dem es sich zur Stadt hin im marktschreierischen Kontext der umliegenden Kommerzarchitekturen behaupten kann.

Mit dem Exhibition Center hat Melbourne, die spröde Schöne unter Australiens Städten, ein neues Wahrzeichen und zugleich eine zeitgemässe Antwort auf das grösste viktorianische Gebäude der Stadt - das 1880 vollendete Royal Exhibition Building - erhalten. Als Architekten dieses Neubaus der Superlative, der selbst die Messebauten der ewigen Rivalin Sydney in den Schatten stellt, wurden die Melbourner Architekten John Denton, Bill Corker und Barrie Marshall auserkoren. Das kurz DCM genannte Dreigestirn, das mit Bauten von minimalistischer Präzision Furore machte, wurde im vergangenen Sommer für sein Schaffen mit der höchsten Auszeichnung des Royal Australian Institute of Architecture, der prestigeträchtigen Goldmedaille, ausgezeichnet. Die drei seit 1974 zusammenarbeitenden, gut 50jährigen Meister entwickelten aus der Tatsache, dass alte Bausubstanz im geschichtsbewussten Melbourne fast unantastbar ist, die Fähigkeit, ihre monolithischen Wolkenkratzer virtuos mit historischen Architekturen zu vereinen und bestehende Häuser - wie ihrbekanntestes Gebäude, das Adelphi-Hotel zeigt - höchst innovativ aufzuwerten.

Beim Bau des vor einem Jahr eröffneten Exhibition Center kam ihnen dieses Einfühlungsvermögen zugute. Mussten sie doch die Planungsruine des von ihrem Kollegen Daryl Jackson anstelle einer ehemaligen Werfthalle konzipierten Museum of Victoria zusammen mit dem Auftrag übernehmen. Dieses exzentrische Betongebilde wussten sie in ihr Projekt zu integrieren, indem sie den Gesamtentwurf auf nur drei Elemente - das aus dem Museumsskelett geformte Eingangsfoyer, einen 450 m langen, linear angelegten und dennoch räumlich vielschichtigen Erschliessungskorridor sowie eine gut 30 000 m² grosse Halle - reduzierten und so eine gleichermassen abstrakte wie zeichenhafte, mitunter auf Rem Koolhaas verweisende Ausstellungsmaschine von erstaunlicher Leichtigkeit schufen.

Diese Halle, ein fensterloser und stützenfreier Raum von 360 m Länge, 84 m Breite und 12 m Höhe, den sie zusammen mit Ove Arup Engineers realisierten, kann bei Bedarf dank einer bestechend einfachen Konzeption im Abstand von jeweils 18 m entlang den grau verkleideten Stahlträgern der Dachkonstruktion schalldicht in unterschiedlich grosse, mit aller nötigen Infrastruktur versehene Hallen unterteilt werden. Die der nüchternen Ästhetik eines Richard Artschwager verpflichtete Black Box ist gleichsam die Antithese zu den gläsernen Ausstellungsbauten des 19. Jahrhunderts, an die nur noch die zum Park und Fluss hin transparente Erschliessungshalle erinnert. Sie bildet, ausgehend von der Tradition des australischen Landhauses, eine Veranda, die aussen von einem Wald schmächtiger, aus ästhetischen und aerodynamischen Gründen schräg gestellter Stahlpfeiler getragen wird. Dieser mit seiner Sitztreppe zum Verweilen einladende Aussenraum versteht sich als Gegenpol zur stark industriell geprägten, der Anlieferung dienenden Gebäuderückseite.

Durch die schlanken Säulen, die das stromlinienförmig gewölbte, fast unwirklich dünne Dach weniger zu tragen als vielmehr am Boden festzuzurren scheinen, entsteht jener schwebende Eindruck, der dieser Megastruktur etwas Irritierendes verleiht. Dies wird dadurch noch verstärkt, dass nirgendwo am Gebäude die tektonischen und strukturellen Zusammenhänge offen dargelegt werden. Das Spiel mit ebenen Elementen und feinen Oberflächenhäuten entfaltet seine suggestivste Wirkung in dem als dreidimensionale Collage inszenierten Erschliessungskorridor, aber auch im Foyer, wo es die Knochendes Vorgängerbaus unter einem von Francis Bacon inspirierten Farbakkord raffiniert verbirgt.

In diesen neokonstruktivistischen Raumgefügen erzeugen die für das Schaffen von DCM so charakteristischen Spannungen zwischen einfach und unterkühlt einerseits und komplex und expressiv anderseits starke künstlerische Momente. Diese Gegensätzlichkeiten scheinen wieder auf in dem mit seinen beiden Flügeln von DCM ebenfalls als aeronautische Architektur geplanten Museum of Victoria, dessen 200 Millionen Franken teurer Neubau in drei Jahren in den Carlton Gardens hinter dem Royal Exhibition Building eingeweiht werden soll. Ganz abheben dürften die «Vertical Invadors» aber erst mit dem 680 Meter hohen, obeliskförmigen Grollo-Tower, immer vorausgesetzt, dass dieser höchste Büroturm der Welt dereinst wirklich in Melbourne gebaut wird.

NZZ-Folio, So., 1997.06.01



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Exhibition Center

15. Mai 1997Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Lateinische Einfachheit

Die Stadt Genf ist ein städtebauliches Juwel. Doch mit der neuen Architektur tut sich die Schöne schwer, auch wenn Le Corbusier hier sein Immeuble Clarté...

Die Stadt Genf ist ein städtebauliches Juwel. Doch mit der neuen Architektur tut sich die Schöne schwer, auch wenn Le Corbusier hier sein Immeuble Clarté...

Die Stadt Genf ist ein städtebauliches Juwel. Doch mit der neuen Architektur tut sich die Schöne schwer, auch wenn Le Corbusier hier sein Immeuble Clarté realisiert und Maurice Braillard einer lateinischen Moderne den Weg bereitet hat. Nun aber träumt auch sie von zeitgenössischem architektonischem Appeal. So soll Massimiliano Fuksas die Place des Nations spektakulär in Szene setzen. Bereits realisiert sind zwei vielbeachtete Bauten: die Ecole Pré-Picot in Cologny von Chenu und Jéquier sowie das urbanistisch präzis gesetzte Studentenwohnheim am Boulevard de la Tour von Patrick Devanthéry und Inès Lamunière. Das Architektenpaar, das seit 14 Jahren zusammenarbeitet, macht sich nicht nur für eine zeitgemässe Sprache stark; es setzt sich auch für das moderne Erbe ein, wie es mit der soeben abgeschlossenen Erneuerung von Marc Joseph Saugeys legendärem Cinéma Le Paris beweist.

Das eigentliche Meisterwerk von Devanthéry und Lamunière ist aber ein im Mai 1996 eingeweihtes Schul- und Freizeitzentrum in der vom Autosalon her bekannten Genfer Vorstadt Le Grand Saconnex. Der Neubau steht an der schmalen Route de Colovrex im Spannungsfeld zwischen dem eng verschachtelten Dorfkern, der baumbestandenen Rathaus-Bastion und biederen Wohnblöcken. Dieses städtebauliche Gewebe und den gebauten Kontext analysierten Devanthéry und Lamunière mit viel Gespür. Die Firsthöhe der Nachbarbauten respektierten sie, indem sie den Schultrakt um eine Etage absenkten und dadurch einen sicheren Aussenraum für die Kinder schufen. Das Freizeitzentrum hingegen öffneten sie mit einem Vorplatz hin zur Strasse.

Die beiden Baukörper - die aus drei identischen Volumen gefügte Schule und das zusätzliche Volumen des Freizeitzentrums - bilden ein grösseres Ganzes, das elegant den Übergang von der Kleinteiligkeit des Siedlungskerns zum gröberen Raster der Nachbarschaft meistert. Nicht nur durch Treppen und Passerellen sind die Bauteile miteinander verbunden, sondern auch durch den überdimensionierten T-förmigen Schwebebalken, der die leere Mitte betont, zugleich aber auch den Blick auf Flughafen und Jurakette sowie - vom tiefergelegenen Wohnquartier aus - auf das klassizistisch angehauchte Rathaus freigibt.

Diese Komposition macht klar, dass es den Architekten hier um mehr als nur um reine Funktionalität ging. Der bipolare Bau und das repetitive Fassadenmuster lassen denn auch den Zweck des Hauses nicht ohne weiteres erkennen. Zugunsten einer poetischen Gesamtwirkung tritt die Konstruktion zurück. Geometrie, serielle Ordnung, Betonstruktur und Schwebebalken beschwören die Minimal art. Aber auch der Bezug zu Louis Kahn ist nicht zu übersehen: So zitieren die nach Nordwesten vorstossenden Atelierkeile das Salk Institute in La Jolla, während das mit schieferartigem Quarzit ausgefachte Betonskelett auf das Studentinnenheim des Bryn Mawr College in Pennsylvania verweist.

Die archaisch wirkende Verkleidung mit vertikal in den Beton eingegossenen Bruchsteinen überzeugt und ist als Beitrag zur aktuellen Diskussion der Gebäudehülle interessant. Sie verleiht dem Bau flimmernde Lebendigkeit, aber auch Schwere und integriert ihn ganz diskret in seine Umgebung. Die freistehenden Mauerscheiben, die optisch nur durch Fensterflächen zusammengehalten werden, zeugen - ähnlich wie die leere, vom perforierten T-Träger überdachte Mitte - von der komplexen Durchdringung von Innen und Aussen. Dieses Raumgefüge erreicht seine grösste Dynamik in den Korridoren der Schule, welche die Unterrichtsräume, Ateliers und Lehrerzimmer erschliessen. Hier wird das Treppen- und Passerellensystem des Aussenraumes erneut aufgenommen. Zwischen den Betonkuben der Ateliers öffnen sich - als Antwort auf den zentralen Durchblick - grosse quadratische Fenster; und der zurückhaltende Grau-Gold-Kontrast von Holz und Beton wird belebt von Tageslicht, das durch die Schlitze des Schwebebalkens tief ins Gebäude eindringt. In dieser materialsinnlichen Einfachheit und in der Verbindung von Funktionalität und Baukunst lassen sich Bezüge zur Deutschschweizer Architektur ausmachen. Doch sind es die lateinischen Elemente - die rahmensetzende Grossform des Schwebebalkens, die sorgfältige Integration in den städtischen Kontext und das urbane Selbstverständnis -, die diesem Bau seinen unvergleichlichen Charakter verleihen.

NZZ-Folio, Do., 1997.05.15



verknüpfte Bauwerke
Schul- und Freizeitzentrum

15. Mai 1997Roman Hollenstein
NZZ-Folio

Eine Assemblage moderner Formen

Ein Spiel von Licht, Farben und Formen: Bracha und Michael Chyutins Theater und Esslingen-Haus in Givatayim.

Ein Spiel von Licht, Farben und Formen: Bracha und Michael Chyutins Theater und Esslingen-Haus in Givatayim.

Als weltweit grösstes Ensemble klassisch-moderner Baukunst gilt heute die Mittelmeermetropole Tel Aviv. Doch eine stürmische Entwicklung bedroht nun dieses Erbe. Denn was in der weissen Stadt seit einigen Jahren gebaut wird, ist meist nur Mittelmass. Vermehrt wehren sich dagegen aber selbstbewusste Architekten wie etwa Bracha und Michael Chyutin, die sich in ihrem Schaffen zurückbesinnen auf die moderne, vom Bauhaus und von Le Corbusiers Ideen geprägte Tradition des Landes. Davon zeugt nicht zuletzt ihr neustes Werk in der unmittelbar mit Tel Aviv zusammengewachsenen Nachbarstadt Givatayim. Es handelt sich um ein Kulturzentrum mit Gästehaus, das Ende 1996 fertiggestellt und jüngst als bester Bau der vergangenen Jahre in Israel mit dem Ze'ev-Rechter-Preis geehrt wurde.

Die 49jährige Bracha Chyutin und ihr um acht Jahre älterer Partner - beide Absolventen des Technions in Haifa - zählen zu einer neuen Generation von Architekten, die, anders als viele ihrer einst dem Betonbrutalismus verpflichteten älteren Kollegen, sensibel auf den urbanen Kontext reagieren. So sahen sie sich in Givatayim vorab mit zwei Fragen konfrontiert: Wie soll man auf die von modernen Bauten, postmodernen Blocks und Bürohäusern geprägte Stadtlandschaft antworten und wie ein Gästehaus mit einem Kulturzentrum kombinieren? Die Lösung des Problems fanden die Chyutins im Prinzip der Collage. Auf dieser Basis konzipierten sie ein entfernt an ein mediterranes Dorf erinnerndes Konglomerat von Bauten.

Entstanden ist eine Architekturplastik, die sich in einem kleinen Park ausbreitet; sie besteht aus mehreren dynamisch ineinander verschränkten Teilen, die bald auf Kurt Schwitters Assemblagen, bald auf Le Corbusiers skulpturales Werk anspielen. Jeder Funktion entspricht dabei ein durch Material und Farbe charakterisierter Körper. So wird das Gebäude - im Sinne einer neomodernistischen Interpretation des Prinzips «form follows function» - auf den ersten Blick lesbar. Die einzelnen Bauten ordnen sich dabei einem Grundriss unter, dessen beide orthogonalen, um 30 Grad gegeneinander gedrehten Systeme ganz präzis die Lage von Theater und Gästehaus definieren.

Gibt sich die Verschränkung der schwungvoll gekurvten Eingangshalle mit dem schräg in den Boden abgesenkten sandgelben Theatermonolithen leicht dekonstruktivistisch, so erinnert das über pilotis schwebende kalkgraue Gästehaus mit Rampe und Bandfenster an die Villa Savoye von Le Corbusier. Der hinter dem Eingang sich erhebende rosafarbene Liftturm schliesslich evoziert surrealistische Assoziationen, gemahnt aber auch an Dani Karavans frühes Meisterwerk: das Negev-Denkmal in Beerscheba.

Die im wechselnden Licht immer wieder neu wirkenden Formen verleihen mit ihrer gezielten Farbigkeit, die man als Antwort auf den Ort lesen möchte, dem klassisch-modernen Vokabular einen höchst zeitgemässen Touch. Die Vielzahl von Bildern, mit denen sich dieses expressive Gebäude dem Betrachter zu erklären weiss, ist charakteristisch für das Œuvre der seit 1981 zusammenarbeitenden Architekten: Ging es ihnen in Givatayim um eine Neuinterpretation der Moderne, so suchten sie bei der 1988 vollendeten Genia-Schreiber-Galerie der Universität von Tel Aviv die Auseinandersetzung mit Aalto, aber auch mit Richard Meier. Die ausdrucksstarken Fassaden ihres im Bau befindlichen Senatsgebäudes der Ben-Gurion-Universität in Beerscheba hingegen atmen mitunter Alvaro Sizas Geist. Zwar erinnert dieser aufgebrochene Monolith, der, anders als ihre früheren Bauten, kaum Aufschluss gibt über die Funktion des Gebäudes, an den Theaterkubus in Givatayim. Doch letztlich fallen Erscheinungsbild und Form der Häuser der Chyutins auf Grund unterschiedlicher Aufgabenstellungen und Orte jedesmal anders aus. Gleichwohl sind allen ihren Architekturen die vielfältigen Bezüge von Innen und Aussen, die internen Durchblicke, die raffinierte promenade architecturale sowie eine überlegte Lichtregie gemein.

Wie eine Freilichtbühne wirkt in Givatayim der Aalto verpflichtete Treppenaufgang mit dem dreiseitig gefassten Eingangshof. Im Innern des verglasten Foyers klingt die bühnenhafte Konzeption subtil weiter, so dass man von jedem Ort aus Einblick in andere Gebäudeteile hat. Rechts vom Eingang, wo noch eine Cafeteria eingerichtet werden soll, kann man über ein privates Treppenhaus den aufgeständerten Gästetrakt erreichen, zu dem auch ein separater Eingang führt. Links öffnet sich der mit 400 blauen Sesseln möblierte, mit rötlichem Holz ausgekleidete Theatersaal. Geradeaus hingegen gelangt man von der zu einem Balkon sich wandelnden Eingangshalle über eine Wendeltreppe hinunter ins Ausstellungsfoyer und von dort in das 180 Zuschauer fassende Kino: Ähnlich wie die äussere Erscheinung des Gebäudes lebt auch der architektonische Rundgang vom Spiel mit Licht und mit Volumen. Aus diesem resultiert ein Raumgefühl, das zu Recht als «breathtaking» bezeichnet wurde.

NZZ-Folio, Do., 1997.05.15



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Theater und Esslingen-Haus

21. März 1997Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zeitgenössischer Klassizismus in Holz und Glas

Nie spürt man Mendrisios Italianità deutlicher als in der vorösterlichen Zeit, wenn Häuser und Gassen sich schmücken für die jährlichen Passionsfeiern....

Nie spürt man Mendrisios Italianità deutlicher als in der vorösterlichen Zeit, wenn Häuser und Gassen sich schmücken für die jährlichen Passionsfeiern....

Nie spürt man Mendrisios Italianità deutlicher als in der vorösterlichen Zeit, wenn Häuser und Gassen sich schmücken für die jährlichen Passionsfeiern. Dann gibt sich der Magnifico Borgo mit all seinen architektonischen Schönheiten und Schattenseiten als Musterbeispiel einer lombardischen Kleinstadt zu erkennen. In diesem baukünstlerischen Ambiente residiert seit kurzem in zwei klassizistischen Palästen die Accademia di architettura. Das junge Tessiner Hochschulinstitut, das wegen Umbauarbeiten zum Teil noch in Provisorien haust, ist bestrebt, sich auf dem internationalen Parkett einen Platz zu sichern: nicht nur mit klingenden Namen wie Botta und Galfetti, sondern auch mit Öffentlichkeitsarbeit. Neben Vorträgen internationaler Stars sollen inskünftig pro Jahr zwei Architekturausstellungen organisiert werden, und zwar im Museo d'arte von Mendrisio. Den Auftakt macht gegenwärtig der 1947 in Paris geborene Architekt Patrick Berger mit einer aufschlussreichen Werkschau.

Mit der Wahl von Berger, der seit fünf Jahren eine Professur an der ETH Lausanne innehat, betont die Accademia, dass sie sich dem Dialog mit den etablierten Architekturschulen nicht verschliesst. Gleichzeitig erklärt sie damit aber auch ihr Interesse an Architektur mit künstlerischem Anspruch. Denn Berger unterscheidet sich von seinen französischen Kollegen vor allem durch eine Vorliebe für skulpturale Rhetorik und kostbar inszenierte Materialien. Diese für einen Architekten nicht ungefährlichen Präferenzen haben zur Folge, dass seinen Bauten mitunter die schwere Süsse von Juwelen eignet. Doch Bergers Werk vermag auch zu faszinieren: vor allem durch die Systematik der architektonischen Recherche. So steht gleichsam wie ein Manifest am Anfang der gelungenen Schau seine Studentenarbeit eines Ferienhauses, die sich wohl ganz heimlich auf Laugiers Idee der Urhütte bezog. Dieses klassizistische Streben nach der ursprünglichen Form triumphierte Jahre später im Pariser Parc André Citroën, wo Berger axialsymmetrisch auf einem steinernen Podest zwei tempelartige Glashäuser inszenierte, deren Giebel von je 16 hölzernen Rundpfeilern getragen werden. Noch in seinen neusten, tischförmig konzipierten Bauten, der Maison de l'université in Dijon und dem geplanten Uefa-Sitz in Nyon, klingt dieses klassizistische Ideal nach. Dabei wurde jedoch die Sprache - gereinigt von den Schlacken der Geschichte - klarer, strenger, kurz: weniger artifiziell.

Obwohl Berger sich ähnlich wie Jean Nouvel von avancierter Bautechnologie begeistern lässt, erweist sich sein spätmoderner Klassizismus in erster Linie als eine Reverenz an kostbare Materialien, die er nach japanischem Vorbild mit einfachen, mitunter der Minimal art verpflichteten Formen kombiniert. Sein subtiler Umgang mit Holz, Stein, Stahl und Glas kann aber auch den Einfluss von Carlo Scarpa nicht verleugnen. Der grosse Venezianer bestimmte Bergers Visionen nicht nur bei dessen Interventionen auf dem Père-Lachaise-Friedhof oder beim Monument für Japans geographische Mitte in Nishiwaki, das mit seinem übertriebenen künstlerischen Pathos etwas geschmäcklerisch erscheint. Auch die im Zusammenspiel von Licht und Material betörenden Innenräume der Bretonischen Architekturschule in Rennes wären ohne Scarpa kaum denkbar. Im Judo-Sportzentrum von Brétigny-sur-Orge, einer zwischen ägyptisierende Betonpfeiler eingeklemmten Holzkiste, beschäftigte ihn hingegen vor allem die Suche nach dem Essentiellen, auch wenn die modische Attitüde eine Rolle spielte: denn Holz ist in Frankreich nicht erst seit Perraults Nationalbibliothek en vogue.

All diese Bauten zeichnen sich aber auch durch ihre Integration in eine bald städtische, bald naturnahe Umgebung aus. Denn Berger hatte sich vor 20 Jahren nicht nur an der damaligen Stadt-Debatte beteiligt, sondern sich seither ebenso mit Landschaft und Natur befasst, wie seine Entwürfe für Panauti in Nepal, für Samarkand, Wien und Tarascon bezeugen. Davon profitiert auch sein gegenwärtig wichtigstes Projekt: der neue Uefa-Sitz in Nyon. Berger integriert das Gebäude derart in die Landschaft, dass es von der Strasse aus den Besucher mit einer weiten, von zwei teilweise verglasten Pavillons gerahmten Terrasse empfängt, ihm statt einer Fassade das Panorama von Genfersee und Montblanc offeriert und so gleichsam einen kosmischen Anspruch geltend macht. Vom See her ist vom dreigeschossigen Flachbau, der sich - in den Abhang eingebettet - hinter alten Bäumen diskret verbirgt, kaum mehr zu sehen als die beiden Pavillons, die leise Zwiesprache halten mit den benachbarten Villen. Hier werden Themen wie Symmetrie, Dualität und Schichtung, die schon beim Parc Citroën, beim Pariser Ecole-des-Beaux-Arts-Projekt und beim Entwurf eines Centre médiéval in Chartres wichtig waren, zu neuer Gültigkeit erhoben.

Bergers OEuvre, genährt aus einer reichen Tradition, erweist sich als komplex. Doch werden dieser Vielschichtigkeit weder die Ausstellung noch der sie begleitende Katalog mit seinen allzu oberflächlich-eloquenten Texten von Jacques Lucan und Jean- Pierre Nouhaud gerecht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, da das Interesse am Erbauer des künftigen Uefa-Sitzes in Nyon schnell wachsen dürfte, kommen zwar Ausstellung und Katalog wie gerufen. Doch hätte man von der Publikation gerne weniger pseudophilosophische Ergüsse, dafür mehr Fakten und Informationen erwartet: So erfährt man über den heutigen Stand des mit Plänen, Skizzen und Modellen bestens präsentierten Uefa-Projekts nichts, obwohl doch am kommenden 18. April in Nyon die feierliche Grundsteinlegung stattfindet und das Gebäude im Sommer 1999 eingeweiht werden soll.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1997.03.21



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Berger Patrick

13. April 1996Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Schweizer Architekten bauen im Ausland

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Schweizer Baukunst mit Erfolgsmeldungen aus aller Welt - Neubauten, Ausstellungen, Preise und Wettbewerbserfolge...

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Schweizer Baukunst mit Erfolgsmeldungen aus aller Welt - Neubauten, Ausstellungen, Preise und Wettbewerbserfolge...

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Schweizer Baukunst mit Erfolgsmeldungen aus aller Welt - Neubauten, Ausstellungen, Preise und Wettbewerbserfolge - aufwarten kann. Die Schweiz ist auf dem internationalen architektonischen Parkett praesenter denn je, und zwar mit zwei unterschiedlichen Sprachen, der etablierten des Tessins und der einer neuen Einfachheit zuneigenden der Deutschschweiz. Einzig die Architekten der Romandie scheinen noch kein Gehoer zu finden.

Am Anfang des heutigen Triumphs der Schweizer Architektur stand die Proklamation der Tessiner „Tendenza“ im Jahre 1975. Architekturpilger aus Europa, Japan und den USA ueberschwemmten daraufhin das Tessin und spaeter auch Basel und Graubuenden. Doch sollte es noch Jahre dauern, bis die Objekte der Begierde den Weg ins Ausland fanden. Heute aber belegen weltweit Dutzende von Bauten und ausfuehrungsreifen Projekten das Interesse, das unserer Architektur international entgegengebracht wird.

Aufmerksamkeit des Auslnds

Das Ausland importiert aber nicht nur Schweizer Architektur, es bemueht sich in juengster Zeit auch um die theoretische Auseinandersetzung. Davon zeugen Veranstaltungen wie die Madrider Ausstellung „Ticino hoy“ (1993), die gegenwaertig durch Suedamerika tourende Tessiner Schau „Un lugar - quatro arquitectos“ und die der Deutschschweizer Szene gewidmete US-Wanderausstellung „Construction, Intention, Detail“, aber auch Sondernummern von Fachzeitschriften ueber die „Ticino School“ oder die Deutschschweizer „Essentialists“ („Architectural Review“, Januar 1991). Waehrend etwa die Deutschen, die nach dem Krieg nicht zuletzt ueber die Schweiz zurueckfanden zu den verschuetteten Wurzeln der Moderne, unsere Architektur schon lange schaetzen und gerne als Vorbild betrachten, erkannten breitere Kreise in England erst im Januar 1995 dank dem erstpraemierten Tate-Gallery-Projekt von Herzog & de Meuron, dass es bei uns mehr als nur Chalets gibt. Nach der Einweihung von Bottas Kathedrale in Evry und der grossen Retrospektive von Herzog & de Meuron im Centre Pompidou im Fruehjahr 1995 feierten auch Frankreichs Fachzeitschriften unsere Stars - und entdeckten dabei die Deutschschweizer Szene, die zuvor nur durch Einzelwerke wie die preisgekroenten Museen in Giornico und Davos von Peter Maerkli und von Gigon & Guyer bekannt war. Rueckblickend darf also 1995 als ein fuer die Rezeption unserer Architektur besonderes Jahr bezeichnet werden.

Diese Rezeption ist deshalb wichtig, weil internationale Aufmerksamkeit eine Vorbedingung fuer das Bauen im Ausland ist. Um so staerker faellt ins Gewicht, dass hierzulande die fuer das kulturelle und wirtschaftliche „Architekturmarketing“ entscheidenden Jahrbuecher und Auszeichnungen fehlen, aber auch das staatliche Engagement. Doch kommt der Schweizer Architektur zugute, dass sie dank ihrer Konstanz im 20. Jahrhundert, dank ihrer Verpflichtung auf eine puritanische Moderne und dank einer hochstehenden Wettbewerbskultur heute als Qualitaetsprodukt anerkannt ist. Man schaetzt ihre Ehrlichkeit, formale Einfachheit, materielle Bescheidenheit, Funktionalitaet und Formvollendung, auch wenn von Kritikern mitunter eine gewisse Angst vor spielerischer Phantasie ausgemacht wird.

Emigration einst und jetzt

Ein Blick auf Paris, Lille oder Berlin zeigt, dass im EU-Raum immer oefter Architekten aus verschiedenen Laendern nebeneinander taetig sind. Internationalisierung ist also nichts typisch Schweizerisches; nur ist unser Land so klein, dass frueher die begabtesten Baumeister ihre Visionen fern der Heimat realisieren mussten, weil im eigenen Land ein Zentrum der Prachtentfaltung fehlte. So schweiften die Tessiner seit dem Mittelalter nach Italien und spaeter in den gesamteuropaeischen Raum aus: Maderna und Borromini setzten Zeichen in Rom, Domenico Trezzini und Carlo Rossi in St. Petersburg, Andrea Catenazzi in Polen, Pietro Bianchi in Neapel und Gaspare Fossati in Istanbul. Selbst in unserem Jahrhundert gelangten Schweizer von Kalifornien bis Hongkong zu hohem Ansehen. Othmar Ammann bestimmte seit den dreissiger Jahren mit seinen grossen Brueckenbauten nachhaltig das Weichbild New Yorks. Auf der Ausstellung „The International Style“ im New Yorker Museum of Modern Art erstaunten 1932 zwei junge, in die USA ausgewanderte ETH-Absolventen das Publikum mit avantgardistischen Loesungen: der Genfer William Lescaze mit dem PSFS-Hochhaus in Philadelphia, dem ersten modernen Wolkenkratzer Amerikas, und der Zuercher Albert Frey mit seinem avantgardistischen Aluminiumhaus. - Einzig Le Corbusier, der sich als Dreissigjaehriger in Paris niederliess, war weiterhin in seiner Heimat taetig, auch wenn ihm die Wettbewerbe fuer den Genfer Voelkerbundspalast und die Zuercher Rentenanstalt bittere Enttaeuschungen brachten.

In die Fussstapfen dieser illustren Emigranten sind heute Bernard Tschumi, Cuno Brullmann, Max Dudler oder Remo Riva getreten. Dies, obwohl die Informations- und Medientechnologie durchaus auch eine internationale Taetigkeit von der Schweiz aus erlaubte, wie viele ihrer Kollegen beweisen. Botta etwa, fest im Tessin verwurzelt, blieb Lugano auch nach den ersten grossen Auftraegen fuer Kulturbauten in Frankreich treu: Dabei erlaubten ihm erstmals das Theater von Chambery (1987) und die Mediathek von Lyon-Villeurbanne (1988), seine Visionen von Raum und Licht einem breiteren Publikum zugaenglich zu machen. Heute hat Botta mit seiner interkontinentalen Taetigkeit sogar Alfred Roth ueberrundet, der in den fuenfziger und sechziger Jahren Schulen in St. Louis, Skopje und in Kuwait sowie 1970 die Banque Sabbag in Beirut schuf.

In der lateinischen Welt, vorab in Frankreich, konnten Botta und seine Tessiner Kollegen ihre bisher groessten Erfolge feiern. Aber auch das suedlich orientierte Maastricht mit seiner katholischen Tradition ist ihnen gewogen: Im Rahmen der Neuueberbauung des Ceramique-Areals entstehen gegenwaertig in Maastricht unter anderem eine Markthalle von Aurelio Galfetti, ein Buero- und Wohngebaeude von Botta sowie ein Wohnblock von Luigi Snozzi. Der sozial besonders engagierte Snozzi konnte seine urbanistischen Vorstellungen zuvor schon als Vordenker des Gestaltungsbeirats in das Salzburg-Projekt, eines der interessantesten staedtebaulichen Unternehmen der achtziger Jahre, einfliessen lassen - ohne dass er allerdings dort selbst gebaut haette. Vielmehr wurde Salzburg zur ersten Auslandstation der Deutschschweizer Architektur. Hier realisierten Diener & Diener aus Basel 1986-1989 mit dem Hans-Sachs-Hof eine ueberzeugende Wohnueberbauung und der Basler Michael Alder den Lehrbauhof. Die Wahlzuercher Marie-Claude Betrix und Eraldo Consolascio wiederum begeisterten 1987 OEsterreichs Kritiker mit einer Entschwefelungsanlage von fast sakraler Erscheinung und wurden anschliessend zu engen Partnern der Stadtwerke, fuer die sie 1995 ein vielbeachtetes Umspannwerk vollendeten.

Bedeutung von Wettbewerben

In Salzburg konnten 1995 Jean-Pierre Duerig und Philippe Raemi ihren ersten Bau ueberhaupt realisieren, naemlich das die lokale Tradition neu interpretierende Wohn- und Buerohaus Stoelzlpark. Schon zwei Jahre zuvor hatten die jungen Zuercher mit ihrem siegreichen Wettbewerbsprojekt fuer den neuen Campus der Universitaet von Zypern in Nikosia auf sich aufmerksam gemacht. Im letzten Sommer errangen sie und das Buero Hannes Ehrensperger, Marc Fischer und Philippe Torriani dann je einen dritten Preis im Wettbewerb fuer den Yokohama International Port Terminal. Wie wichtig offene Ausschreibungen fuer unsere wettbewerbsfreudigen Architekten und Staedteplaner sind, bewies auch die bisher groesste Ausmarchung dieser Art in den neunziger Jahren: der staedtebauliche Ideenwettbewerb „Spreebogen“ in Berlin. Dort erzielten 1993 die drei jungen Berner Nick Gartenmann, Mark Werren und Andreas Joehri den ausgezeichneten dritten Platz und ernteten mehr Lob als der siegreiche Axel Schultes. Beim Wettbewerb fuer das Souk-Viertel in Beirut befanden sich 1994 unter den 16 Finalisten nicht weniger als vier Schweizer Teams; und juengst erreichte das Badener Buero Christen, Sidler, Weber den vierter Rang im Wettbewerb fuer das Koreanische Nationalmuseum in Seoul. Doch damit nicht genug: Bis 1999 duerfte in Taiwan auf Grund einer 1995 durchgefuehrten weltweiten Ausschreibung das zwei Grossbauten fuer Parlament und Stadtregierung umfassende Taichung City Civic Center nach Plaenen des Zuercher Bueros Weber & Hofer Wirklichkeit werden.

Obwohl solche Wettbewerbsbeteiligungen von der Offenheit unserer architektonischen Elite zeugen, beschraenkt sich ihr Taetigkeitsgebiet bisher noch ueberwiegend auf das benachbarte Ausland. In OEsterreich etwa ist fuer Deutschschweizer Architekten nicht nur Salzburg attraktiv: Nach den 1992 von Herzog & de Meuron in der Donaumetropole vollendeten Wohnbauten der Siedlung Pilotengasse soll nun der Zuercher Theo Hotz sein Grossprojekt fuer den Wiener Suedbahnhof umsetzen, dieweil die Basler Meinrad Morger und Heinrich Degelo in Krems ein Managementzentrum planen. Bereits eingeweiht werden konnte im vergangenen Sommer im steirischen Murau das erste oeffentliche Werk der Zuercher Kultarchitekten Marcel Meili und Markus Peter: eine eigenwillige, zusammen mit dem Churer Ingenieur Juerg Conzett entwickelte Holzbruecke. Besonders offen gegenueber den Deutschschweizern ist gegenwaertig das fuer seine kreative Architekturszene bekannte Land Vorarlberg. Ein Wettbewerb trug Burkhalter & Sumi aus Zuerich den Auftrag fuer einen Kindergarten (1989-94) in Lustenau ein. Dort sollen demnaechst auch die Luzerner Daniel Marques & Bruno Zurkirchen und der Zuercher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast taetig werden. Und Peter Zumthor, der mit der Holzkapelle Sogn Benedetg Ende der achtziger Jahre die Architekturhitparade stuermte, baut das 1991 konzipierte Kunsthaus Bregenz: einen Glaskubus, der juengst sogar in New York Furore machte.

Deutsches Baudorado

Anders als Österreich, das erst seit kurzem als Baudorado gilt, ist Deutschland fuer Schweizer Architekten seit Jahrzehnten attraktiv. So entstanden in der Zwischenkriegszeit Salvisbergs Berliner Wohnbauten und die Schule des Gewerkschaftsbundes in Bernau von Hannes Meyer. Seit den sechziger Jahren errichtete Ernst Gisel Wohnbauten in Berlin, ein evangelisches Gemeindezentrum in Stuttgart, das neue Rathaus von Fellbach sowie 1990 das Kundenzentrum der Frankfurter Stadtwerke am Boerneplatz. Das Berner Atelier 5 wiederum, das ausser Siedlungen vor allem das Studentenwohnheim und die Mensa der Universitaet Stuttgart-Vaihingen (1970-76) realisierte, gewann juengst die Wettbewerbe fuer Wohnueberbauungen in Heilbronn und Hamburg.
Zu Beginn der neunziger Jahre markierten neben Claude Paillards nicht unumstrittenem Schauspielhaus in Hannover zwei Kulturbauten eine ganz neue Schweizer Praesenz in Deutschland: das Ausstellungsgebaeude der Koelner Galerie Gmurzynska von Diener & Diener (1990) und das Privatmuseum Goetz von Herzog & de Meuron (1992) in Muenchen. Ebenfalls in Muenchen gewannen Herzog & de Meuron drei Jahre spaeter das innerstaedtische UEberbauungsprojekt der Hypobank, fuer die sie auch ein kleines Hochhaus in Frankfurt entwarfen. Einen weiteren bedeutenden Auftrag haben sie zudem mit der Bibliothek der Fachhochschule im ostdeutschen Eberswalde in Bearbeitung. In der ehemaligen DDR engagiert sich ausserdem der Zuercher Dolf Schnebli, und zwar an einer Mustersiedlung im thueringischen Meiningen; und Burkhalter & Sumi, die in Erfurt ein Wohnprojekt vorantreiben, ringen ausserdem um die Ausfuehrung eines Hotelentwurfs in Weimar, mit dem sie der kulturell ambitionierten, aber mit guter Architektur nur wenig verwoehnten Stadt ein Glanzlicht aufsetzen moechten.

Auf der Grossbaustelle Berlin erkaempften sich zwischen 1993 und 1995 vor allem Diener & Diener gewichtige Auftraege, so fuer zwei Buerohaeuser am Potsdamer Platz, fuer die Hauptverwaltung der Berliner Wasserbetriebe, die Erweiterung der Schweizer Gesandtschaft und das Museum fuer Naturkunde der Humboldt-Universitaet. Von allen Deutschschweizer Entwuerfen fuer Berlin hat aber bisher Zumthors rigoroses Bauprojekt „Topographie des Terrors“ am meisten Aufsehen erregt. Am laengsten in der neuen Hauptstadt taetig ist der Zuercher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast, der bereits im April 1991 mit der Gestaltung eines 15 Hektar grossen Parkes auf dem Moabiter Werder beauftragt wurde. Hier wie beim Projekt fuer den Guenthersburgpark in Frankfurt sind die Ausfuehrungsarbeiten im Gange. Weitere Auftraege in Hannover (Expo 2000), in Karlsruhe und in Erfurt machten Kienast seither zu einem der gefragtesten Landschaftsarchitekten in Europa.
Noch ueberwiegen in Deutschland die Projekte. Einige davon, etwa die ABB-Buerohaeuser von Diener & Diener in Berlin oder das von Ernst Spycher im Vokabular der Basler Einfachheit konzipierte Kepler-Gymnasium in Freiburg-Rieselfeld, sind zurzeit im Bau. Daneben gibt es aber auch Haeuser, die bereits als „Klassiker“ gelten. Abgesehen von den oben erwaehnten Kulturbauten handelt es sich dabei vor allem um eigenwillige Wohngebaeude: etwa um Valerio Olgiatis anthrazitgraues Holzhaus in Rottenburg am Neckar von 1991, den Wohnblock, den Michael Alder 1993 fuer die Stuttgarter Mustersiedlung Wohnen 2000 errichtete, oder die Bauten von Ivano Gianola. Diesem Tessiner gelang es, mit Privathaeusern in Sulgau und Augsburg sowie einer Wohn- und Geschaeftsueberbauung in Amtzell Deutschland zu erobern, noch bevor Botta seinen Bibliotheksauftrag in Dortmund erhielt.
Im Wohnungsbau engagieren sich aber auch weiterhin Diener & Diener. Ihr juengstes Projekt findet sich auf dem als Architekturlabor bekannt gewordenen KNSM-Eiland im Amsterdamer Hafen. Von Umfang und Bedeutung her stellt dieser Auftrag ihr Projekt an der Pariser Rue de la Roquette leicht in den Schatten. Denn: was die Deutschschweizer Architektur betrifft, ist Frankreich noch immer das Hoheitsgebiet von Herzog & de Meuron, die - ausser den nicht realisierten Entwuerfen eines Kulturzentrums in Blois und einer Universitaetsbibliothek in Paris - Studentenhaeuser in Dijon, ein ungewoehnliches Lagerhaus in Muelhausen und die Sporthalle Pfaffenholz in Saint-Louis vorweisen koennen.

Bottas sakrale Lichträume

Sonst aber ist Frankreich seit Bottas Bauten in Chambery und Villeurbanne sowie der 1990 aus einer Durchdringung von Kubus und Zylinder entstandenen Gemeindekirche in Valbonne von Emilio Bernegger, Bruno Keller und Edy Quaglia ein Territorium der Tessiner. Galfetti realisierte in Chambery ein Theater und in Paris eine Wohnueberbauung, und von Livio Vacchini stammt das neuste Werk ueberhaupt, die eben erst vollendete Architekturschule in Nancy. All diese Architekturen ueberstrahlt seit 1995 Bottas zylindrischer Sakralbau in Evry: die erste franzoesische Kathedrale dieses Jahrhunderts. Der Meister sakraler Lichtraeume wurde nun Anfang 1996 gar mit dem Auftrag geehrt, in den Fussstapfen seines grossen Vorbilds Louis Kahn ein Synagogenprojekt fuer den Campus von Tel Aviv auszuarbeiten.

Botta ist - fuer einen Architekten aus der foederalistischen Schweiz hoechst ungewoehnlich - wie kaum ein anderer auf dem internationalen Parkett ein Virtuose der Repraesentationsarchitektur. Das bescherte ihm juengst Auftraege wie das Schweizer Geschaefts- und Kulturzentrum in Moskau oder das wallonische Regierungsgebaeude in Namur. Das Anfang 1995 mit viel Pomp eingeweihte Museum of Modern Art in San Francisco ist seit laengerm der eindruecklichste Prachtsbau auf diesem Gebiet in den USA und duerfte hoechstens von Richard Meiers Getty-Museum in Los Angeles uebertroffen werden. Mit einer monumentalen Inszenierung von Licht und Raum ueberraschte Botta schon vor sechs Jahren bei der Watari-Um-Galerie in Tokio, die - zusammen mit dem Kirchlein von Mogno - Bottas Erfolg auf dem Gebiet des Sakral- und Museumsbaus vor allem in Italien begruendete - von Pordenone bis Rovereto.

Die Emigranten von heute

Obwohl ausser Botta kein anderer Schweizer in den vergangenen Jahren in den USA einen dem Museum von San Francisco vergleichbaren Bau realisieren konnte, interessieren sich ploetzlich auch die Amerikaner fuer unsere Architektur: In den letzten zwei Jahren fand ausser der bereits erwaehnten Wanderausstellung „Construction, Intention, Detail“ eine Herzog & de Meuron gewidmete Doppelausstellung in New York statt; und mehrere Schweizer Architekten waren Ende 1995 an den grossen Themenschauen „Monolithic Architecture“ in Pittsburg und „Light Construction“ im New Yorker Museum of Modern Art vertreten. Dort war schon 1994 eine Werkpraesentation des an der ETH ausgebildeten Bernard Tschumi zu sehen, der Mitte der achtziger Jahre mit dem Parc de la Villette in Paris den Grundstein zu seinem Starruhm legte. Gegenwaertig zeigen gleich mehrere Auslandschweizer, dass das von Maderna bis Lescaze reichende Kapitel unserer Auswanderer noch nicht abgeschlossen ist. Schweizer Eigenheiten vermischen sich in ihrem architektonischen Vokabular mit Ausdrucksformen der Gastlaender: Cuno Brullmann baut, inspiriert vom englischen High-Tech, in halb Frankreich; von ihm stammt aber auch ein bemerkenswerter Wohnblock in Amsterdam. Der in Berlin taetige Ostschweizer Max Dudler, der 1995 zusammen mit seinem Bruder Karl am Hauptbahnhof Mannheim ein neues „Tor“ zur Stadt aufstellte, hat nun in Berlin-Mitte gleich mehrere grosse Bauten unter Konstruktion, und zwar in einem strengen Stil, der die Haerte von Ungers und Kleihues mit Deutschschweizer Einfachheit vereint. Ganz anders schliesslich der in Hongkong taetige, vom australischen Architekten Harry Seidler gepraegte Remo Riva, der mit seinen Hotelpalaesten und Buerotuermen aus Glas und Stahl - was Hoehe und Volumen betrifft - die gewichtigsten „Schweizer“ Bauten ueberhaupt aufstellt.
Als auslaendischer Spitzenspieler in unserer architektonischen Nationalmannschaft nimmt schliesslich Santiago Calatrava ein Sonderstellung ein. Der in Zuerich taetige Spanier hat nicht nur auf Schweizer Rasen Punkte geholt. Er traegt mit seinen Architektur und Ingenieurkunst vereinenden Bruecken, Bahnhoefen und Passagen in Sevilla, Lyon oder Toronto den Ruhm der ETH und der Schweiz in alle Welt. - Dennoch sollte man nicht vergessen, dass die Baukunst kein nationales Gut ist und dass mit guter Architektur allein die staedtebaulichen Probleme der Zukunft nicht geloest werden koennen.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1996.04.13

05. Februar 1993Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Zwischen Guillotine und Totempfahl

Raimund Abrahams „Austria-Tower“ für New York

Raimund Abrahams „Austria-Tower“ für New York

Eingeklemmt in der Hochhausschlucht von Manhattans 52. Strasse, soll sich 1995 das Österreichische Kulturinstitut erheben. Mit visueller Aggressivität wird es Zeugnis davon geben, dass die Alpenrepublik neben Opernbällen und Lipizzanertänzen auch Angriffiges zu bieten hat - bis hin zu Nitschs blutigen Ritualen. Kaskadenartig stürzt die leicht geneigte Glasfassade zur Strasse nieder, optisch nur gebremst von einem schmalen Vordach über dem Eingang: das Haus als Guillotine. Doch soll hier nicht die Kultur geköpft, sondern mit revolutionärem Schwung formale Kühnheit zur Schau gestellt werden. Das bedrohliche Erscheinungsbild des von einem stählernen Brustbein zusammengehaltenen Glaskörpers macht Sinn. Kann doch dieser Bau, der sich nicht als stolzer Solitär zwischen New Yorks Giganten erheben wird, nur mit solch heftiger Direktheit Aufmerksamkeit erregen.

Obwohl der 20geschossige Turm von seiner Statur her zu den Zwergen zählen wird, machte er wie kaum ein anderer Bau Manhattans schon im pränatalen Zustand Furore. Dies nicht zuletzt wegen seines Schöpfers, des 60jährigen Osttirolers und Wahlamerikaners Raimund Abraham, der in der New Yorker Szene als mysteriöse Kultfigur gilt. Der seit mehr als zwei Dekaden an der Cooper Union lehrende Architekt visionierte nicht nur vor Jahren schon „vertical buildings growing toward the light of mechanical suns“. Er machte sich zudem mit unheimlichen Skizzen und Modellen, mit unkonventionellen Wettbewerbsbeiträgen und mit einem Berliner IBA-Haus von brutaler Schönheit einen Namen.

Abraham wird Österreich mit diesem virtuos inszenierten Turm in New York einen grossen, kulturpolitisch wichtigen Auftritt verschaffen. Deshalb wohl stellte sich das Wiener Aussenministerium klar hinter den gewagten Entscheid der hochkarätigen Jury, die aus nicht weniger als 226 eingereichten Projekten auszuwählen hatte. So muss sich nun der allmächtige Stararchitekt Hans Hollein mit dem zweiten Platz begnügen. Der Baubeginn wurde auf 1994 festgelegt. Im Jahr darauf soll das Haus über dem nur 7 Meter breiten und 23 Meter tiefen Grundstück stehen und neben Kino, Bibliothek und Cafe auch zwei Ausstellungssäle, Wohnungen und Büroflächen für österreichische Firmen enthalten.

In seiner Zeichenhaftigkeit wird sich der bereits mit Frank Lloyd Wrights Guggenheim Museum verglichene Bau mit Spitzenwerken der Hochhausarchitektur wie Fosters oder Peis Türmen in Hongkong oder Seidlers Capita Centre in Sydney messen können. Doch wird er nicht wie diese Gebäude der Technologie huldigen, sondern - einem psychoanalytischen Katalysator gleich - die Angste und Zweifel der Menschheit an der Schwelle zum dritten Jahrtausend aufzeigen. Abraham selbst bezeichnet seinen Entwurf, den man in unserer gewalttätigen Zeit als Mahnmal interpretieren möchte, als „eine Mischung aus und Osterinsel-Skulptur“. Damit wird dieser gleichermassen zur zeittypischen Erwiderung auf Mies van der Rohes Funktionalismus wie zur Neuinterpretation von Aldo Rossis Forderung nach dem symbolhaften Turmbau.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1993.02.05



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