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22. August 2025Isabella Marboe
Spectrum

Hier war schon der Kasperl zu Gast: Kunst und Kultur in einem sozialen Wohnbau in Wien-Atzgersdorf

In Wien-Atzgersdorf glückte den Architekten Dietrich Untertrifaller mit dem KuKu 23 ein außergewöhnlicher sozialer Wohnbau mit viel Kunst und Kultur für jeden.

In Wien-Atzgersdorf glückte den Architekten Dietrich Untertrifaller mit dem KuKu 23 ein außergewöhnlicher sozialer Wohnbau mit viel Kunst und Kultur für jeden.

Wien ist internationale Vor­zeigestadt in puncto sozialer Wohnbau, der von Delegationen aus aller Welt besichtigt wird. Er fußt auf dem Vier-Säulen-Modell: Ökonomie, Nachhaltigkeit, Architektur und Ökologie. Bauträgerwettbewerbe sollen für Qualität garantieren. Planenden und Bauenden verlangt es einiges ab, den Spagat aus immer rigoroseren Bauvorschriften, notwendiger Verdichtung und dem Kostendeckel von 1685 Euro pro Quadratmeter zu schaffen. An die transformative Kraft des sozialen Wohnbaus im Roten Wien auch nur ansatzweise anzuknüpfen ist unter Bedingungen der Gegenwart kaum möglich.

Die räumlichen Voraussetzungen für die Durchmischung unterschiedlicher Funktionen umzusetzen ist schon eine hohe Kunst, deren Belebung und die Gemeinschaftsbildung im Quartier noch weitaus schwieriger. Sie lässt sich nicht erzwingen.

„Gute Baukultur ist gute Planungskultur“

Insofern grenzen Atelier-, Zwillingshaus und Turm im Kultur- und Wohnprojekt Kuku 23, das die aus Vorarlberg stammenden Ar­chitekten Dietrich Untertrifaller (DTFLR) für die gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Heimbau in Atzgersdorf realisiert haben, an ein Wunder. Es gelang nur, weil alle Beteiligten sich vorbehaltlos dafür einsetzten. „Wie plant man das Unbekannte?“, fragt Maria Megina, die Projektverantwortliche und Partnerin von DTFLR. „Für uns ist gute Baukultur auch gute Planungskultur. Vom ersten Schritt an saßen alle entscheidenden Akteure – Bauherren, Ortsansässige, Vertreter aus Bausoziologie, Architektur und Programmatik – an einem Tisch zusammen.“ Die Kunstschaffenden für die Wohnateliers wurden schon in der Bauphase an Bord geholt, für die Szenarien der Kunst- und Kulturteppiche erstellte man gemeinsam mit Art:Phalanx simultan die nötigen Raumprogramme.

Atzgersdorf boomt, es wird gerade massiv nachverdichtet. 2019 lobte der Wohnfonds Wien einen Bauträgerwettbewerb für 430 Wohnungen auf einem Baufeld aus, das im Westen an den Bildungscampus für 1100 Kinder der Architekten Baumschlager-Eberle und die denkmalgeschützte, ehemalige Sargfabrik grenzt.

Die Architekten Schenker/Salvi/Weber und Dietrich Untertrifaller gewannen, ausschlaggebend dafür war die Kombination von Wohnen, Kunst und Kultur, der das Projekt KuKu auch seinen Namen verdankt. Erstere beplanten mit dem Bauträger Altmannsdorf Hetzendorf die Riegel am westlichen Rand des Bauplatzes und den angrenzenden Wohnblock, Zweitere die im Osten anschließenden Bauplätze.

Für das Atelierhaus wurde eine durchgehende Geschoßhöhe von 2,80 Metern durch- und umgesetzt. Das kostete ein Wohngeschoß, schafft dafür aber künftig die Voraussetzung zu gemischter Nutzung. Die Grünraumplanung übernahm Rajek Barosch Landschaftsarchitektur, sie hat einen wesentlichen Anteil am geglückten Resultat. Die städtebaulichen Vorgaben mit Dichte, Position und Volumen der Bauteile hatte ein kooperatives städtebauliches Verfahren schon 2015 festgelegt. Für DTFLR bedeutete das: 237 Wohnungen, über 20.300 Quadratmeter Nutzfläche auf 9259 Quadratmeter Grundstücksfläche, Baukörpertiefen bis zu 24 Meter und Höhen von 16, 25 und 35 Metern. „Wir wollten ein Stück Stadt bauen und haben die Dichte aus menschlicher Perspektive betrachtet“, so Megina. Deren subjektive Wahrnehmung wird vor allem vom Sockel geprägt.

Es gibt keine Eigengärten, sondern nur einen gemeinsamen, mit hügeligem Rasen, Spielplätzen, Fußball- und Betonfeldern sehr differenziert gestalteten Freiraum. Die Begrünung reicht nicht direkt an die Bebauung heran, die man so immer umschreiten, von außen betreten und hineinlugen kann, denn der gesamte Sockel ist mit Kunst, Kultur, Gewerbe belegt.

Die denkmalgeschützte Sargfabrik hatte sich unter dem Titel „F23“ bereits zu einem kulturellen Inkubator entwickelt. Heute heißt sie „Fabrik 1230“ und bildet das Gegenüber des östlichsten Bauteils, des Atelierhauses. Es ist 24 Meter breit, über 90 Meter lang, bis zu neun Geschoße hoch und das kulturelle Flaggschiff. „Wohnen und Kultur haben wir hier zum ersten Mal errichtet“, sagt Hermann Koller, der stellvertretende Obmann der Heimbau. „Die Vergabe war sensationell.“

40 unterschiedliche Typen für 237 Wohnungen

Die Fassade besteht abwechselnd aus raumhohem Glas und Pfeilern, die 90 Zentimeter breit und mit Eternit verkleidet sind. Statisch ist es eine Tischkonstruktion, auf der eine offene zweireihige Stützenstruktur aufsetzt. So lassen sich die darüber liegenden Wohnungen sehr frei planen. Viele Wohnformen – von der Jugend-WG, die von der Magistratsabteilung 11 betreut wird, bis hin zum neuen Typus der Atelierwohnungen – sind hier umsetzt. Macht 40 unterschiedliche Typen für 237 Wohnungen.

Der große Veranstaltungssaal ist als Raum im Raum zweischalig ausgeführt, seine akustische Qualität ist sehr hoch. Hier waren schon die Wiener Festwochen und der Kasperl zu Gast, probte der Impulstanz und gab es Public Viewings von Fußballmatches. Auf diesen Saal folgen eine große Galerie und ein Platz, der vom Tanzstudio in der zweiten, wohnanlagenseitigen Atelierhaushälfte eingefasst wird. Ein mächtiges Paar von V-Stützen hält den Raum unter seinem fast 25 Meter weit auskragenden, nördlichen Ende frei, der witterungsgeschützte Platz darunter kann auch Freiluftbühne werden. Von hier blickt man wunderbar durch die raumhohe Verglasung in das Studio darunter; Fingerabdrücke auf dem Fenster verraten, dass das auch ­passiert. Außerdem gibt es hier Werkstätten und Ateliers: Sie bestehen aus einem zwei Geschoß hohen Raum mit umlaufender Wohngalerie und Küchenzeile, der im Untergeschoß aufsetzt.

Nur Mietobjekte, kein Eigentum

Um die Tiefe des Baukörpers aufzulösen, wurde das Volumen gleichermaßen perforiert. Ein Mittelgang mit variierender Breite durchzieht das Atelierhaus auf jeder Ebene über die gesamte Länge. Rechts und links weitet sich dieser Gang in zweigeschoßige Räume mit raumhohem Glas aus, die sich alle aneignen können. Brandschutzschiebetüren (die natürlich in den Wänden verschwinden) trennen sie vom Gang, dadurch lassen sie sich auch möblieren. Dieses verzweigte, großzügige, innere Wegenetz erhellt den dunklen Gebäudekern und zerschlägt die massive Kubatur gleichermaßen in mehrere kleinteilige Bauten. „Wir haben aus fünf großen Blöcken über 20 Häuser herausgeschält“, sagt Megina.

Die Fassaden aller Häuser sind ruhig, mit raumhohen Fenstern und Eternit gestaltet, Balkone mit dunkelroten Brüstungen, die teils in Zackenbewegungen mäandrieren, teils mit Lichthöfen ausgeschnitten sind, flankieren bei­de Längsseiten. Dadurch ergeben sich überall unterschiedliche Tiefen. Von den 237 Wohnungen sind 38 Atelier- und 119 kleine Smart-Wohnungen mit Sonderförderung, alle werden vermietet, keine ist Eigentum, die schönsten Dachflächen gehören der Gemeinschaft, inklusive Hochbeet und Gemeinschaftsküche. Beim Besuch bereiteten einige verschleierte Mädchen eine Geburtstagsfeier vor.

Spectrum, Fr., 2025.08.22



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»KuKu 23« Wohnen im Kunst- & Kulturquartier

23. Juli 2025Isabella Marboe
Spectrum

Ein Hof für die Kinder und Kindeskinder

Ein alter Hof bei Lustenau war nicht mehr zu retten, Architektin Julia Kick konzipierte mit den Bauherrinnen eine Wohnform, die über die Grundgrenzen und Generationen hinaus in die ­Zukunft denkt.

Ein alter Hof bei Lustenau war nicht mehr zu retten, Architektin Julia Kick konzipierte mit den Bauherrinnen eine Wohnform, die über die Grundgrenzen und Generationen hinaus in die ­Zukunft denkt.

Über dreihundert Jahre bewirtschaftete die Familie Vetter im Rheindorf ihren Hof, schon in den 1970er-Jahren stellte der Betrieb auf biologische Landwirtschaft um und nahm damit eine Vorreiterrolle ein. Er stand an der Kreuzung der Bahnhofstraße mit dem Fischerbühel. Erstere ist die Hauptverkehrsader, auf der alle quer durch den Ort ziehen, zweitere schlängelt sich als ruhige Gasse träge zwischen Einfamilienhäusern durch. Früher gab es hier viele landwirtschaftliche Flächen, der Großteil wurde als Bauland vergoldet.

Lustenau ist mit rund 25.000 Einwohnern die einwohnerreichste Marktgemeinde Österreichs, es zerfranste ins Umland. „Siedlungsbrei“ nennt das Architektin Julia Kick. In sein verflochtenes Straßen- und Wegenetz, das von alten Streuobstwiesen und Feldern durchsetzt ist, ist das Dorf aber noch eingeschrieben. Im Jahr 1996 siedelten Hubert und Annemarie Vetter mit ihrem Hof zwanzig Fahrradminuten weiter ins Alberried und setzten dort ihre ganzheitliche Vision einer organisch-biologischen Landwirtschaft neuen Typs um.

Architekt Roland Gnaiger plante ihnen schlichte Holzskelettbauten mit Fassaden aus unbehandelter, sägerauer Lärche und lehm­verputzten Wänden. U-förmig fassen das Wohn- und Gemeinschaftshaus mit Seminarzentrum und Laden einen grünen Hof ein, gegenüber im Osten bildeten die früheren Laufställe ein längeres U. Vieh gibt es heute keines mehr, Simon und Raphael Vetter entwickeln ihre Landwirtschaft kontinuierlich weiter, derzeit kultivieren sie unterschiedlichste Gemüsesorten, es gibt Veranstaltungen und andere vielseitige Angebote an Gemeinschaften und ­Interessierten auf ihrem Hof. Längst ist die ­verwitterte Fassade in die Landschaft eingewachsen und die Architektur zur Ikone gereift.

Ein barrierefreier Hof musste sein

Simons und Raphaels Tanten Lisi und Traudi hatten dem alten Vetterhof im Rheindorf die Treue gehalten. Doch der Stall war desolat, das Haus ein akuter Sanierungsfall, als eine der beiden erkrankte, herrschte Handlungsbedarf, der Hof musste barrierefrei werden. Sie kontaktierten Julia Kick, die schon einige Bestände mit viel Sensibilität für die Möglichkeiten von Haus und Bewohnerschaft umgebaut hat. In diesem Fall war nichts zu machen.

Ein paar Parzellen weiter besaß die Familie am Fischerbühel noch landwirtschaftlichen Grund mit Bauwidmung. Architektin und Bauherrinnen zeichnen sich durch überdurchschnittliche Achtsamkeit aus, was den Umgang mit Ressourcen betrifft. „Es war ihnen vollkommen klar, dass man heute eigentlich gar kein Einfamilienhaus neu bauen darf“, sagt Kick. Deshalb entwickelten sie gemeinsam ein zukunftsweisendes Wohnkonzept, das weit über die eigenen Grundgrenzen und Generationen hinaus die nachhaltige Entwicklung seiner Nachbarschaft weiterdenkt. Und zwar multiperspektivisch.
Dieses Haus kann mit Bedürfnissen und Anzahl seiner Bewohnerschaft mitwachsen

„Unser Arbeitstitel war Vetternhof 2.0“, sagt Kick. Das Haus ist in seiner Konzeption des Wohnens in einem Einfamilienhausgebiet so exemplarisch und umfassend nachhaltig, wie es der Vetterhof für die biologische Landwirtschaft war. Kick verwendete das ökologische, nachwachsende Baumaterial Holz, plante das Haus modular und legte seine Statik so aus, dass es um eine zweite Wohnebene und ein ausgebautes Dachgeschoss erweiterbar ist. In Reminiszenz an den alten Vetterhof wünschten sich die Bauherrinnen ein geneigtes Dach und Vordächer. Die Architektin tüftelte lang an den Details des Pultdaches mit der gewellten Blechabdeckung, die sich im Fall einer Aufstockung einfach abheben und wieder aufsetzen lässt.

Dieses Haus kann also mit Bedürfnissen und Anzahl seiner Bewohnerschaft mitwachsen, soweit es die Bauordnung zulässt. Julia Kick dachte die Verdichtung in einer sehr ortsbildverträglichen Form mit. „Wir haben das Grundstück gesamtheitlich betrachtet und sind davon ausgegangen, wie eine Siedlung idealerweise für uns aussehen könnte“, sagt Kick. So gaben sie und ihre Bauherinnen dem Einfamilienhaus, das an der Wurzel der Zersiedelung steht, eine neue Rolle. Es bekommt die Chance, alles wiedergutzumachen, indem es künftig eine erweiterbare Siedlung bilden und so einen Beitrag zur Verdichtung leisten kann.

Der Fischerbühel bildet die nördliche Grundgrenze: hier verläuft gleichermaßen der Wirtschaftstrakt. Fünf Meter breit, an die zwanzig Meter lang, nimmt diese einfache Struktur dort, wo der Quertrakt anschließt, ein Lager für Vorräte, Geräte und die Garage auf. Bei Krankheit braucht es ein Auto. Dieser Trakt bildet auch Schutz vor Straße und Einsicht. ­Privatheit ist wichtig: Die außenseitigen Öffnungen sind mit Maß und Ziel gesetzt.

Roter Mohn leuchtet aus der Wiese

Ostwärts öffnet sich der Hof in die Landschaft. Hier ließe sich auf dem gegenüberliegenden Grundstück an der gemeinsamen Zufahrt gespiegelt dasselbe U-förmige Haus hinpflanzen. Gemeinsam fassten sie einen größeren Hof ein, wo nicht nur Pflanzen, sondern auch nachbarschaftliche Beziehung gedeihen könnten. Die Zufahrt zwischen beiden verläuft im rechten Winkel zur Straße und wurde bereits zur Hälfte als Kiesweg gestaltet, während die andere der Natur überlassen blieb. Dort leuchtet nun roter Mohn zwischen der hohen Blumenwiese hervor, die natürlich viele Bienen anlockt.

Man betritt das Haus am Ende des südlichen Wohntrakts in einer Pergola, die vor der rollstuhlgerecht breiten Eingangstür einen schönen, schattigen Freibereich ausbildet. Die Bauherrinnen sitzen gern hier draußen. Auch die Einbaumöbel plante Julia Kick. Rechts zeigt das breite Fensterbrett, was es als Garderobe kann, die Küche mit dem Tisch aus dem alten Nußbaum, der Eckbank und dem fast quadratischen Herdblock ist semiprofessionell ausgestattet, da beide sehr gerne kochen.

Der Raum öffnet sich nach Nordosten zum Innenhof und nach Südwesten zur Streuobstwiese, deren Apfel- und Birnbäume über hundert Jahre alt sind, Ziegen und Schafe aus dem Ort mähen das hohe Gras. Hier ließe sich das Haus in die andere Richtung erweitern: Den L-förmigen Wohntrakt der beiden Damen könnte man einfach noch einmal südwärts anstückeln, dann würde das U-förmige Haus zum E, mit zwei kleinen offenen Höfen. Ein drittes Mal ginge sich das auch noch aus, das ergäbe dann gespiegelt schon kleine, kompakte Einheiten mit insgesamt sechs Innenatrien. Also schon eine veritable kleine Siedlung aus nachhaltigen Holzhäusern in verträglicher Dichte um grüne Höfe in der Landschaft.

Spectrum, Mi., 2025.07.23

01. Juli 2025Isabella Marboe
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Neuer Blick

Otto Wagner, Adolf Loos, Jugendstil und Art déco prägen den Blick auf Wien um 1900. Das schwergewichtige Buch „Anatomie einer Metropole – Bauen mit Eisenbeton in Wien 1890 – 1914“ von Otto Kapfinger richtet den Blick auf die Konstruktion dahinter.

Otto Wagner, Adolf Loos, Jugendstil und Art déco prägen den Blick auf Wien um 1900. Das schwergewichtige Buch „Anatomie einer Metropole – Bauen mit Eisenbeton in Wien 1890 – 1914“ von Otto Kapfinger richtet den Blick auf die Konstruktion dahinter.

Wien um 1900 war eine pulsierende Großstadt auf dem Weg zur Metropole, hundertfünfzig Kinos zählte man 1914, Cabarets, Varietés, vornehme Konsumtempel, Geschäftshäuser, Banken, Hotels, aber auch Fabriken, Speicher und Remisen entstanden. Zweihundert Druckereien mit 4.000 Beschäftigten versorgten die Stadt in mehrmals täglich erscheinenden Zeitungen mit Neuigkeiten, allein der „Vorwärts“-Verlag an der rechten Wienzeile produzierte in seinen Glanzzeiten bis zu 2.000 Exemplare unterschiedlichster Medien pro Tag.

All diese neuen Typologien mussten verschiedene Anforderungen erfüllen, industrielle Nutzungen führten zu hohen Lasten, Veranstaltungssäle mit hohen Räumen im Souterrain erforderten weite Spannweiten, darüber schlichtete man souverän Büros und Wohnungen aufeinander. Der Dimensionssprung der Stadt brachte auch breitere Straßen und schmälerere Grundstücke mit sich, höherer Nutzungsdruck führte zu immer gewagteren Konstruktionen. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür ist das „Haus zum Silbernen Brunnen“ der Architekten Karl und Wilhelm Schön in der Plankengasse 4. Errichtet wurde es von der Baufirma G.. Wayss & Co. Verschiedene Funktionen gekonnt zu stapeln, war ein konstruktiver Kraftakt und die große Ära einer neuen Technologie: ohne Eisenbeton keine Großstadt.

Ein Zufall führte Otto Kapfinger an einem Gründerzeithaus in der Schadekgasse 18 vorbei, dessen unteren drei Geschosse umbaubedingt komplett ausgehöhlt waren. Hier zeigte sich das statische Gerippe eines Hauses in unverfälschter Reinform. Großzügige, loftartige Räume mit Rippendecken aus Sichtbeton, drei gewendelte Stiegenhäuser und eine Tragstruktur aus Eisenbeton über neun Geschosse. Kapfinger fühlte sich nach Chicago versetzt. Dieses Gebäude hatte früher das Warenhaus Lessner beherbergt, als Flaggschiff einer neuen Einkaufskultur spielte es in einer Liga mit Herzmansky, Gerngroß, Schop’s Söhne und Stafa. Eine monumentale Haupttreppe führte in Lessners Konsumtempel, der vor allem ein breites Sortiment an Textilien führte und auch die Zeitschrift „Der Modesalon“ herausbrachte. Lager, Schneiderateliers und Wohnungen zählten zu den weiteren Nutzungen des Hauses, das Architekt Alois Augenfeld plante. Auch Baumeister Samuel Bronner, die ausführende Baufirma Gustav Orglmeister und der Statiker Rudolf Saliger sind angeführt.

„Anatomie einer Metropole – Bauen mit Eisenbeton in Wien 1890 – 1914“ ist mehr als ein Buch und mehr als ein Katalog: es ist ein Forschungsprojekt, das auf über 400 Seiten ein neues Bild von Wien um 1900 zeichnet. Unter der Leitung von Otto Kapfinger arbeiteten Gabriele Anderl, Markus Kristan, Ursula Prokop, Felix Siegrist, Adolph Stiller, Stefan Templ, Maria Welzig und Anna Wickenhauser im Forschungsteam. Das Buch folgt dabei einer stringenten, gewissenhaften Logik. Texte wie derjenige zu Systemen der Stadtentwicklung (Otto Kapfinger), Eisenbeton International (Adolf Stiller) oder der zum Bauboom der Kinos (Ursula Prokop) geben eine inhaltliche Einordnung, in thematisch gegliederten Kapiteln wie die „Glanzzeit der Presse“ (Druckereien, Verlagshäuser), „Weltstadt Wien“ (Großgeschäftshäuser, Banken, Hotels), „Gesellschaftliche Reformen“ (Vereinshäuser, Volksbildung, Hygiene) werden insgesamt 95 unterschiedliche Bauten anhand ihrer Typologie dokumentiert. Die Ausführlichkeit, in der das geschieht, ist absolut außergewöhnlich: Zu jedem Bau finden sich Pläne und Fotos, neben Bauherr und Architekt sind ausführende Firmen und Statiker angeführt. Auch die Texte halten eine Systematik ein: Bautypus, Konstruktion, Hausgeschichte, Architekt, Literatur. Großformatige Fotos von Wolfgang Thaler und Bruno Klomfar zeigen exemplarisch, wie einige Häuser heute aussehen. Pläne von Wien zeigen, wo sich unterschiedlichste Bauten befinden. Wer dieses Buch gelesen hat, wird mit anderen Augen durch die Stadt gehen.

newroom, Di., 2025.07.01



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Anatomie einer Metropole

24. Juni 2025Isabella Marboe
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Architekturbiennale Venedig: Einmal Espresso aus Kanalwasser, bitte!

Kluge Maßnahmen gegen die Klima­krise: Auf der Architekturbiennale in Venedig wird etwa die natürliche Intelligenz von Pflanzen, Mikroben und Pilzen als Quelle für neue Materialien und Bauformen erforscht. Und sogar Elefantendung und Brackwasser spielen eine Rolle.

Kluge Maßnahmen gegen die Klima­krise: Auf der Architekturbiennale in Venedig wird etwa die natürliche Intelligenz von Pflanzen, Mikroben und Pilzen als Quelle für neue Materialien und Bauformen erforscht. Und sogar Elefantendung und Brackwasser spielen eine Rolle.

„Fundamentals“ nannte Rem Koolhaas, der große Analytiker unter der Architektenschaft die Biennale, die er 2014 sehr stringent kuratierte. Die Hauptausstellung handelte profund und multiperspektivisch elementare Bestandteile der Architektur ab: Stiege, Aufzug, Fenster, Tür, Dach. Zwei Jahre hatte er dafür ein interdisziplinäres Forschungsteam recherchiert. Es war das letzte Mal, dass sich die Architektur noch so eindeutig definierte. Zwei Jahre später öffnete Alejandro Aravena mit „Reporting from the Front“ das Feld für brennende Themen wie Naturkatastrophen, Wohnungsnot, Migration, Verbrechen. Er sah Architektur als Weg, Benachteiligten ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Die heurige Architekturbiennale mit dem Titel „Intelligens.Natural.Artificial.Collective“ fordert radikales Umdenken. 2024 verzeichnete die Erde die höchsten Temperaturen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, Kurator Carlo Ratti sieht sie an einem Wendepunkt und formulierte sein Manifesto: „Intelligens: Towards a New Architecture of Adaption“. Für den Architekten, Ingenieur, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Polytechnikum Mailand ist die Anpassung an bedrohliche Klimabedingungen eine Überlebensfrage.

Bäume aus dem 3-D-Drucker

Der Ursprung der Architektur liegt im Schutz vor einem hostilen Klima, Ratti schickt sie also an vorderster Front gegen die globale Erderwärmung ins Feld und fordert ihr dabei eine Neukonfiguration ab. Auf dem Weg dorthin diffundiert sie in diverse Sparten der Kunst, Natur- und Geisteswissenschaften und erweitert ihren Werkzeugkasten um neue Technologien bis hin zu künstlicher Intelligenz. Es wäre auch einmal interessant, deren immensen Strom- und Wasserverbrauch verschriftlicht zu sehen. Auf der Suche nach einem neuen Selbstverständnis werden viele Fragen gestellt, löst sich Autorenschaft auf und dreht sich alles um die große Hitze. Kuratorisch setzte Ratti gleichermaßen auf Schwarmintelligenz. Vom Open Call mit „überwältigendem“ Rücklauf blieben 750 Teilnehmende. So viele waren es noch nie.

Die Hauptausstellung spürt die drei Intelligenzen auf. „Intelligens.Natural“ sucht resiliente, nachhaltige Strategien bei indigenen Völkern, analysiert das Bauen in sehr heißen oder nassen Gegenden, die Erfahrung mit Extremwetterereignissen haben, und erforscht die natürliche Intelligenz von Pflanzen, Mikroben, Pilzen, Organismen als Quelle für neue Materialien und Bauformen. Die „Living Structure“ Domino 3.0 (Kengo Kuma and Associates, Sekusi House – Kuma Lab & Iwasawa Lab, beide University of Tokyo, Ejiri Structural Engineers) versteht sich als Weiterentwicklung von Le Corbusiers Prototyp aus Decken und Stützen. Domino 3.0 besteht aus den digital vermessenen, mittels 3-D-Drucker rekonstruierten Bäumen, die der Sturm Vaia in Norditalien 2019 mitgerissen hat. Künstliche Intelligenz und japanische Holzverbindungen vereinigten sich zur Wohnstruktur der Zukunft. Dem Original kann sie im Status quo nicht das Wasser reichen.

Auch im Ziegel steckt Zukunft, er findet sich mehrfach. So besteht die vier Meter hohe, statisch belastbare, parabelförmige „Elephant Chapel“ von Boonserm Premthada aus sehr leichten, materialeffizienten Ziegeln aus Elefantendung.

„Artificial.Intelligence“ umfasst alles von der ersten industriellen Revolution über die Mondlandung, Big Data bis hin zu künstlicher Intelligenz, die Grundrisse für soziale Wohnbauten generiert. Absoluter Publikumsliebling ist der humanoide Roboter Alter 3. Seine Schöpfer, Takashi Ikegami und Luc Steels, statteten ihn mit Komponenten für Wahrnehmung, Bewegung und ein episodisches Gedächtnis aus. Man kann mit ihm plaudern, seine Mimik und Antworten suggerieren Gefühle. Nothing beats the Original. „Collective.Intelligence“ feiert solidarische, empathische Projekte. Seien es schwimmende Schulen, Notbehausungen, Theater oder sehr kluge Adaptionen für günstigere Wohnungen: Hier wird Architektur wieder zum Instrument, Lebensbedingungen zu verbessern. Upcycling ist anderswo alltägliche Überlebensstrategie.

Filmisch dokumentiert „Alternative Urbanism: The Self-Organized Markets of Lagos“ vom Studio Oshinowo das geschäftige Treiben auf drei riesigen, selbst organisierten, illegalen Spezialmärkten in Lagos, wo aus Industriemüll der westlichen Welt sehr kreativ Brauchbares gefertigt und verkauft wird. In Europa macht sich die Bürgerinitiative „House Europe!“ für Nutzung und Erhalt von Bestand stark. Alte Bauten speichern sehr viel Energie, ihr Abriss ist Verschwendung und Vernichtung von Material, mit gravierenden Konsequenzen: Wohnen wird unleistbar. Bis 31. Jänner kann man noch unterschreiben.

Hier Kühl-, dort Strickdecke

Zum besten Beitrag wurde das Canal Café von Diller Scofidio + Renfro, Natural Systems Utilities, SODAI, Aaron Betsky und Davide Oldani gekürt. Auf der Lagune des Arsenale installierten sie eine Art Hybrid aus Labor und Espressobar, der das Brackwasser aus dem Kanal biologisch und künstlich filtert, um alle Schadstoffe zu entfernen. Aus dem gekochten Wasser wird Espresso gebrüht. Wenn die Zukunft der Architektur so intelligent, kommunikativ und genussvoll ist, bitte gern!

Die nationalen Pavillons haben durchwegs außergewöhnlich hohes Niveau, fast jeder ist ein Gewinn. Den Goldenen Löwen bekam Bahrain für eine modulare Kühldecke, die von einer Mittelstütze getragen wird und daher überall im öffentlichen Raum installierbar ist (Kurator Andrea Faraguna, Statik: Mario Monotti, Bauphysik: Alexander Puzrin). Ihre Wirkung war vor Ort eindeutig spürbar.

Serbien versinnbildlicht Kreislaufwirtschaft, Interdisziplinarität und technologischen Fortschritt in unnachahmlich poetischer Weise. Die riesige Strickdecke, die als malerischer Baldachin von der Decke hängt, verbindet die Kulturpraxis des Strickens mit der ersten künstlichen „Belgrade Hand“ (1963). Im Lauf der Biennale wird sie von Spulen an den Wänden aufgespult und verlustlos wieder verwendbar sein.

Österreich thematisiert „leistbares Wohnen“

Wohltuend klassisch präsentiert Spanien 16 ausgesuchte Projekte auf je einer Waage in der Balance mit ihrer Umwelt. Sie zeigen unaufgeregt, wie Architektur zur Dekarbonisierung beitragen, Materialforschung vorantreiben und das regionale Handwerk stärken kann. Der dänische Pavillon hätte eine Auszeichnung verdient: Er entwickelt Schutt der momentanen Restaurierung zu Neuem, das langfristig wieder einbaubar ist. Selbst Detailpläne sind hier ausgestellt, die Verweildauer von Architekturschaffenden ist lang. Ukraine, Lettland und der Libanon reflektieren Architektur unter der Bedingung von Krieg.

Das österreichisch-italienische Kuratorentrio Michael Obrist, Sabine Pollak und Lorenzo Romito thematisiert als einziges die virulente Frage leistbaren Wohnens. Ihre „Agency for better Living“ stellt den fürsorgenden sozialen Wohnbau in Wien aus und der aus staatlichem Versagen geborenen zivilgesellschaftlichen Eigeninitiative in Rom gegenüber. Was beide voneinander für ein besseres Leben lernen können, wird eine Biennale lang diskutiert.

Spectrum, Di., 2025.06.24

11. Februar 2025Isabella Marboe
Spectrum

Theater an der Wien nach der Sanierung: Der neue Charme der alten Bühne

Das Theater an der Wien wurde aufwendig generalsaniert. Das tat ihm gut, und die Architekten bewiesen Mut: Sie eliminierten Büros im ersten Stock, räumten im Foyer auf und setzten eine neue Treppe in die Mitte.

Das Theater an der Wien wurde aufwendig generalsaniert. Das tat ihm gut, und die Architekten bewiesen Mut: Sie eliminierten Büros im ersten Stock, räumten im Foyer auf und setzten eine neue Treppe in die Mitte.

Wie ein Baldachin ragt die matt schimmernde Untersicht aus Aluminium über das Trottoir vor dem Eingang ins Theater an der Wien, dezent dehnt es so sein Foyer in den öffentlichen Raum aus. Endlich. Dass dieses Vordach im ersten Stock einen veritablen Balkon ausbildet, lassen erst die sechs Stahlsäulen am Gehsteigrand erahnen. Beim zweiten Blick hinauf nimmt man die gläserne Brüstung wahr. Für ein Vordach wäre es sehr stark dimensioniert, für den Pausenbalkon eines Theaters hingegen bemerkenswert schmal. Das neue, zweite Foyer, dem dieser Balkon seine Berechtigung verdankt, ist die eigentliche Sensation des Umbaus, den das Theater gerade hinter sich hat. Doch davon später – schon sein neuer Auftritt in der Stadt ist eine Sensation.

Die Geschichte des Theaters beginnt mit Emanuel Schikaneder. Dieser war nicht nur Textdichter und erster Papageno der „Zauberflöte“, er war auch Theaterprinzipal. Bis 1799 hatte er das Freihaustheater geführt und dann bei Kaiser Franz II. um Baubewilligung des Theaters an der Wien angesucht. Architekt Franz Jäger der Ältere plante es im klassizistischen Baustil, sein Sohn Anton und Joseph Raymund führten den Bau nach nur 13 Monaten zu Ende. Er reicht über die gesamte Tiefe des Häuserblocks bis zur Lehárgasse.

Einst Ausweichbühne der Staatsoper

Am 13. Juni 1801 war die Eröffnung, der ursprüngliche Eingang, das „Papageno-Tor“ in der Millöckergasse, ist heute noch zu sehen. Ludwig van Beethoven, Johann Strauß, Carl Millöcker, Franz Lehár: Hier wurde Musikgeschichte geschrieben. 1845 erweiterte man das Haus, 1854 malte Josef Geyling das Fresco der neun Musen an die Decke des Zuseherraums, den die versierten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer 1901 neu gestalteten, 1902 riss man das Vorderhaus an der Wienzeile ab und ersetzte es durch ein vierstöckiges Zinshaus. Daher trat das Theater an der Wien nach außen hin kaum in Erscheinung, auch sein Foyer war nicht viel mehr als ein breiterer Gang ins Parkett, selbst der Bühnenturm taucht im Stadtbild unter, die Anlieferung befindet sich rückwärtig an der Lehárgasse. Dazwischen liegt ein Höhenunterschied von 1,20 Metern.

Trotzdem zählt das Theater mit seinen 1124 Sitz- und 50 Stehplätzen zu Wiens größten Häusern. Nach dem Krieg diente es der Staatsoper als Ausweichbühne, 1960 bis 1962 wurde es von Otto Niedermoser umgebaut. Das Interieur von Foyer und Garderobe stammt aus dieser Zeit, in den frühen 1980er-Jahren rekonstruierte man die Fassade, sonst passierte nicht viel. Barrierefreiheit, Brandschutz, Haus-, Elektro-, Bühnen- und Sicherheitstechnik: alles veraltet.

Zeitplan wurde eingehalten

Eine zukunftsfähige Generalsanierung inklusive Bausubstanz und Innenraum war überfällig, das Bewerbungsverfahren dafür gewann die Arbeitsgemeinschaft Riepl Kaufman Bam­mer Architektur und L-Bau-Engineering. Das war im Juli 2021, neun Monate später begann der Bau, im Oktober 2024 wurde eröffnet. Mehr als sportlich. „Wir hielten den Zeitplan haarscharf ein“, bestätigt Daniel Bammer.

Die Königsidee der Architekten war, die Büros im ersten Stock aufseiten der Wienzeile zu eliminieren und so dem neuen Foyer im ersten Rang den Weg zu ebnen. Das war mutig, denn es antizipierte den nutzerseitigen Verzicht auf Büros mit Aussicht und die Zustimmung des Bundesdenkmalamts zu größeren Eingriffen. Beides geschah. Als großzügiger, offener Raum mit hellbeigem, an die Tonigkeit der 1960er-Jahre angepasstem Terrazzo und mattblauer Decke zieht sich das neue Foyer nun bis zu den verglasten Fenstertüren auf den neuen Balkon. „Himmel“ steht etwas euphemistisch im Parterre auf einem der vier weißen Pfeiler in der Mitte, zwischen denen nun eine leichte Treppe aus Schwarzstahl alle Ebenen vom Untergeschoß – der „Hölle“ – bis zum ersten Rang verbindet.

Der Saal strahlt wieder

Die Umsetzung war extrem aufwendig. Um der Treppe Raum zu schaffen, musste der mittlere Teil des Foyers entkernt, die ovale, denkmalgeschützte Decke mit den runden Lichtern von Oskar Niedermoser entfernt, wieder eingesetzt und eine eindrucksvolle Stahlkonstruktion errichtet werden: eine Art Grid aus mächtigen, stützenbildenden I-Trägern, Unterzügen und der Konstruktion der Rasterkassettendecke mit Oberlichten im Hof, die nun einen Teil des Foyers belichtet und nicht so drückend erscheinen lässt. Im Kontext seiner neuen Größe wirken die drei Meter Raumhöhe niedrig, was allerdings bei Festbeleuchtung in Pausen und auf Premierenfeiern keine Rolle spielt.

Betritt man das Theater, herrscht nun eine ganz andere Atmosphäre: Die Entkernung tat ihm gut, das Foyer wirkt auf einmal luftig. Es sind einfach alle Zwischenwände weg, kein Sanitärkern an der falschen Stelle und keine Stiege, die das Foyer zum Gang reduzieren. Stattdessen eine offene Treppe, die den Blick nach oben zieht und zwischen ihren Untersichten seitlich weiter. Trotzdem ist das Wesen des Theaters noch dasselbe, um nicht zu sagen: Es kam noch mehr zu sich.

Der unauffällige Charme der 1950er-Jahre kommt im nunmehr aufgeräumten Umfeld viel besser zur Geltung. Man nimmt die eigenartig reizvollen Mosaikarbeiten von Wolfgang Hutter und Roman Haller besser wahr, dasselbe gilt für Garderoben, Lampen, Spiegel. Auch die Bestuhlung aus den 1960er-Jahren blieb. „Es sind solide Sessel mit guten akustischen Eigenschaften. Die konnte man durchaus wiederverwenden“, erklärt Bammer. Alle originalen Möbel, Türen, Luster, Wandbespannungen, Brüstungen, Kyriatiden wurden in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt sorgfältig saniert. Der Saal strahlt wieder.

Ort der Begegnung

Ein Theater ist eine Maschine: Etwa 80 bis 85 Menschen arbeiten in der Bühnentechnik, es braucht kleine Werkstätten zur Montage, eine Einbringöffnung für Hubbühnen, zwischen Bühnen- und Schnürboden liegen 22 Meter. Der Orchestergraben ist 4,70 Meter tief, er musste unterfangen werden; das Parkett bekam einen neuen, ansteigenden Boden, aus dem Frischluft strömt, unter den ersten Sesselreihen parkt das Stuhllager.

Von all dem kriegt das Publikum nichts mit, es genießt einfach das Resultat. „Ein Theater ist ein Ort, wo man sich begegnen kann. Ein gesellschaftliches Ereignis“, sagt Bammer. Dem gibt diese vornehme, zurückhaltende und doch selbstbewusste Architektur nun wieder einen angemessenen Rahmen.

Spectrum, Di., 2025.02.11



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Theater an der Wien

13. Januar 2025newroom

Maßarbeit an der Lamelle. nextroom fragt Jennifer Neumann

Glasscheiben mit seitlichen Drehgelenken in einem Metallrahmen: Lamellenfenster sind so einfach wie vielseitig und komplex. Der Familienbetrieb HAHN Lamellenfenster GmbH führte diese Art von Fenster 1953 in den deutschen Markt ein. Seither wird das Produkt laufend weiterentwickelt, auf Kundenwunsch maßgefertigt und geforscht. Für die Kepler Universität in Linz entwickelte man sogar einen Prototypen aus Keramiklamellen.

Glasscheiben mit seitlichen Drehgelenken in einem Metallrahmen: Lamellenfenster sind so einfach wie vielseitig und komplex. Der Familienbetrieb HAHN Lamellenfenster GmbH führte diese Art von Fenster 1953 in den deutschen Markt ein. Seither wird das Produkt laufend weiterentwickelt, auf Kundenwunsch maßgefertigt und geforscht. Für die Kepler Universität in Linz entwickelte man sogar einen Prototypen aus Keramiklamellen.

Längst ist der Markenname „HAHN“- Lamellen zu einem Synonym für Lamellenfenster geworden. Der gleichnamige Familienbetrieb wurde 1870 als Glaserei und Glashandel HAHN gegründet. In der Nachkriegszeit lernte Till Hahn das Lamellenfenster in seiner Glaserlehre in den USA kennen, 1953 führte die Firma GLASBAU HAHN das Produkt in den deutschen Markt ein, 1981 wurde das weltweit erste Lamellenfenster mit Isolierglas produziert und seither ständig weiter entwickelt. Der einfachverglaste Pionier lässt sich – weniger formschön, oft undicht, mit verzogenen Rahmen - in Asien oder Afrika konkurrenzlos günstig nachbauen. Er wird oft kopiert. Jennifer Neumann, Geschäftsführerin und Urenkelin des Gründers, sieht das gelassen. „Die Marke setzt sich durch.“

Mit jeder Anforderung wird die Produktion schwieriger und komplexer: thermisch getrennte Zweifach/Dreifach-Isolierverglasung, Brand-, Schall-, Sonnenschutz, Windfestigkeit. In mehrfach zertifizierten Lamellenfenstern stecken viele Fertigungsschritte, Wissen und Erfahrung, in den Werken in Stockstadt am Main sowie Seligenstadt – made in Germany. Dort wird jedes Fenster nach Kundenwunsch maßgefertigt. Präzision ist oberstes Gebot, man weiß um geltende Normen und unternehmerische Verantwortung.

Das Prinzip des Lamellenfensters ist einfach und intelligent. Glaselemente mit seitlichen Drehgelenken in einem Blendrahmen, die platzsparend für natürliche Belüftung sorgen. Leiten sie Rauch und giftige Gase ab, werden sie auch als Brandrauchentlüftung wirksam. Sie lassen sich in unzähligen Varianten produzieren und liefern, alle geltenden Vorschriften sind dabei berücksichtigt und gewissenhaft eingehalten. Für einen Auftrag in Australien richtete man eigens einen Prüfstand ein, im qualitätsbewussten Japan schätzt man das Original besonders. Dort sind die Auflagen beim Erdbebenschutz besonders hoch.

Solides Wachstum
„Unsere Produkte haben ein recht komplexes Innenleben“, sagt Neumann. Die aparte, zierliche Frau mit den blauen Augen im bunten Kleid strotzt vor Energie. Ihr Blick ist rege, der Händedruck stark, alles Wichtige hat sie aus dem Stand parat und ihren Betrieb fest im Griff. Die Corona-Pandemie überstand man gut. „Wir hatten so hohe Bestände an Aluprofilen, dass wir weiter alles liefern konnten. Unabhängigkeit ist wichtig, wir machen fast alles in House.“ In Seligenstadt mietete man ein zweites Werk an, das Aluminium kommt aus Deutschland. Worauf sie besonders stolz ist? „Auf unser solides, gesundes Wachstum und dass wir Mitarbeitende haben, die Jahrzehnte bis zu ihrer Pensionierung bei uns geblieben sind.“ Die Marktführerschaft hängt sie nicht an die große Glocke.

Liebe zum Handwerk, das Streben nach Präzision, Lust an der Innovation und der Blick über den Tellerrand prägen den Betrieb von Anfang an. 1931 entwickelte Otto Hahn den Glaszement, die erste damit gebaute Ganzglasvitrine wurde bei der Pariser Weltausstellung 1937 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet, aus dieser Zeit stammt auch das Logo der Firma: Der rote Gockel.

Manuell und maschinell
Die Lamellenfenster entwickelten sich immer mehr zu einer Kernkompetenz der Firma. Seit 2015 führt man die HAHN Lamellenfenster GmbH als eigenständiges Unternehmen, Neumann übernahm dessen Leitung. Es ist also in fünfter Generation weiterhin in familiärer Hand. „Unsere Tradition, unser technisches Know-How und unsere Kernkompetenz bleiben, wir können aber flexibler und rascher auf den Markt reagieren.“

Das Original mit den schlichten Profilen, Einfachverglasung und kantigem Griff steht immer noch in einer Vitrine im Showroom. Es wird nicht mehr produziert, aber immer noch nachgefragt. Auf der Arbeitsgalerie hütet man die letzten erhaltenen Rahmen und Profile wie Schätze. Im Büro nebenan findet Armin Kohl, der Baustellen koordiniert und die Produktion im Blick hat, rasch Lösungen für akute Probleme. Über 40 Post-Its kleben auf der Landkarte an der Wand. In der Galerie gegenüber ist die Cafeteria für die Mitarbeitenden. In allen Produktionshallen sorgen Lamellenfenster in den Zwischentrenn-, Außenwänden und Oberlichtsheds für eine natürlich frische Brise und viel Tageslicht. Die Stimmung ist gut, in der Facharbeiterschaft finden sich alle Alter, einige sind schon Jahrzehnte da, sie geben ihre Erfahrung weiter.

Zügig versiegelt eine junge, drahtige, muskulöse Frau die Gläser gleichmäßig und genau. Sie ist eine der besten unter den Versieglern. 28 Menschen arbeiten in der Produktion, darunter sieben Frauen. In der Halle sind vier Meter hohe Lamellenfenster auf der Bahn aufgereiht. „Oben auf dem Gerüst arbeiten, ist schon eine Zirkusleistung“, sagt Neumann. „Für das Lufthansa-Gebäude in Frankfurt produzierten wir über 200 Einzelanfertigungen dieser Dimension. Das Handling war sehr umständlich.“ Hier gibt es computergesteuerte CNC-Fräsen ebenso wie Mitarbeiterinnen, die per Hand kaum sichtbare Drähte für den Vogelschutz knoten.

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Beim Med Campus der Universität Linz gruppierte Architekt Peter Lorenz vier Quader um eine urbane Piazza, die sich stark in ihrer Materialität unterscheiden. Die Keramikfassade des Laborgebäudes sollte einen „Ziegel“ verkörpern. Dafür belegte HAHN das Lamellenfenster mit einschichtiger und beweglicher Keramik in den unterschiedlichen Farbtönen der Fassade. Sie dienen auch als Sonnenschutz. „Diese Keramiklamelle zur Beschattung gab es vorher nicht“, sagt Neumann. Sie wurde nach der Kernidee des Architekten mit Fenster- und Metallbauern projektspezifisch entwickelt.

Das Unternehmen reagiert rasch auf Anforderungen der Zeit. Für den Bestand wurden Lamellenfenster mit Wechselrahmen entwickelt, die man in einen alten Fensterstock einpassen kann. Besonderen Anforderungen begegnet man hier mit offener Neugier. Sonderwünsche willkommen!

30. Dezember 2024Isabella Marboe
Spectrum

Bregenzer Kornmarkt: Das Hotel „Kleiner Löwe“ hat ein Tonnendach

Auf dem Kornmarktplatz in Bregenz steht eine kleine Architektursensation: Das Schweizer Architekturbüro Herzog und de Meuron hat dort ein Stadthotel mit historischer Fassade und Wohnloft in Szene gesetzt.

Auf dem Kornmarktplatz in Bregenz steht eine kleine Architektursensation: Das Schweizer Architekturbüro Herzog und de Meuron hat dort ein Stadthotel mit historischer Fassade und Wohnloft in Szene gesetzt.

Die Lage ist premium: Das kleine schmale Haus steht hinter einer schattenspendenden, alten Linde auf dem Bregenzer Kornmarktplatz. Gegenüber befindet sich das Vorarlberg Museum der Bregenzer Architekten Cukrowicz Nachbaur mit den phänomenalen PET-Flaschenböden-Reliefs des Künstlers Manfred A. Mayr, die an Streublumenmuster oder Semmeln erinnern. Daneben das Landestheater, gefolgt vom ikonischen Kunsthaus des Pritzker-Preisträgers Peter Zumthor.

Das Haus liegt zwischen zwei Feuermauern auf einer acht Meter schmalen Parzelle, die sich 23 Meter tief in einen versteckten Hintergarten zieht. Es stammt aus dem 17. Jahrhundert und war ursprünglich eine Bierbrauerei; Lüftungsschlitze verraten bis heute, dass dort Gerste gelagert wurde. Gleich nebenan befand sich das Gasthaus „Zum Goldenen Löwen“, wo man auch übernachten konnte. Die Brauerei wurde zum Kinematografen, in den 1920er-Jahren zog die Allgemeine Depositenbank ein, der die Fassade ihre heutige neobarocke Erscheinung mit den drei Fenstertürbögen zum Platz verdankt. In den 1970er-Jahren wurde das Gasthaus abgebrochen; das schmale Häuschen blieb, es war Möbelhandel, Feinkostladen, Nachtclub, Café und Bar.

Ein gemischt genutztes Stadthaus

Mitte November 2013 brannte der Dachstuhl, seither stand das Haus leer. Im Herbst 2015 nahm es der Bauherr erstmals bewusst wahr, wurde sich mit den Grundeigentümern rasch einig und kaufte das Haus. Diese Lage ist auch Verpflichtung, es sollte ein gemischt genutztes Stadthaus bleiben: unten Gewerbe, oben Wohnen. „Wir wollten das Richtige tun und etwas finden, das der Platz noch nicht hat“, sagt der Bauherr. Geschäfte, Restaurants, Cafés und Banken gibt es hier genug, das Haus sollte in die Fußstapfen des „Löwen“ treten und ein exquisites Boutique-Hotel werden: der „Kleine Löwe“. Das Bauherrenpaar wollte es als Quereinsteiger selbst betreiben, dezidiert aber keinen Vorarlberger Architekten, sondern unbedingt und ausschließlich ein bestimmtes Architektenbüro mit dem Umbau betrauen: die Schweizer Herzog & de Meuron oder keines.

Der Bauherr griff nach den Sternen, kontaktierte das Büro, blieb hartnäckig, fuhr öfter nach Basel und ließ sich nicht abwimmeln. Glück war auch dabei: Die Chemie stimmte, zudem hatten Herzog & de Meuron bis auf die – natürlich! – außergewöhnliche Siedlung in der Wiener Pilotengasse noch kein weiteres Projekt in Österreich realisiert. Sie fanden die Bauaufgabe interessant. Der Umgang mit Bestand ist ein Thema der Zukunft, der sehr spezielle, beengte Bauplatz, das Raumprogramm und nicht zuletzt die Dringlichkeit des Bauherrn machten dieses Projekt besonders. Anfang 2017 nahmen Herzog & de Meuron den Auftrag an. So kam Bregenz zu einer weiteren kleinen Architektursensation.
Beengter Bauplatz als Herausforderung

Die Substanz des Hauses war nicht zu retten, bis auf die Fassade blieb davon nichts. Erstere wollten Herzog & de Meuron als integrativen Bestandteil des Kornmarktplatzes unbedingt erhalten, obwohl sie nicht unter Denkmalschutz steht. Sie musste aufwendig unterfangen und mit einem Stahlgerüst gestützt werden, bis das Haus hochgezogen war. Die Fundamente der Nachbarhäuser wurden im Düsenstrahlverfahren unterfangen, um die Bestandsbauten nicht zu gefährden; aufgrund der beengten Verhältnisse war der Bau eine besondere Herausforderung.

Hinter der in hauchzartem Hellblau kalkverputzten historischen Fassade mit den weiß gefaschten Rundbogenfenstern befindet sich ein kompletter, fast 20 Meter hoher Neubau. Das entspricht der Firsthöhe des Nachbarhauses aus den 1970er-Jahren. Es brauchte einige Massenmodelle mit Quadern, Pult- und Satteldächern, bis das Tonnendach als ideale Form gefunden war. Weich und halbkreisrund überwölbt die leichte Dachkonstruktion aus Holz den Raum zwischen den Feuermauern, gleicht souverän die fünf Meter Differenz zwischen den im Osten und Westen angrenzenden Häusern aus und wirkt durch den halbkreisförmigen Dachabschluss weniger hoch. Das ist sehr gut so.

Das Erdgeschoß mit den drei hohen Rundbogenfenstertüren auf den Platz ist die Auslage des Hauses, hinter der sich ein großer, 4,80 Meter hoher, durchgesteckter Raum bis zur vollverglasten Rückfassade durch die gesamte Haustiefe zieht. Schlichte, halbhohe Lamperie aus mattweißem Holz, darüber schlammfarbene, stoffbespannte Paneele, die akustisch wirksam sind, Holzparkett und geschmackvolle Möbel schaffen eine Atmosphäre, die genau den richtigen Ton zwischen wohnlich und urban trifft. Der Raum ist so choreografiert, dass er nie wie ein Schlauch wirkt und ganz beiläufig als Lobby, Wartebereich, Café und Veranstaltungsort in der Stadt dienen kann.

In der Mitte senkt sich die Decke auf 2,50 Meter ab. Ihr gespachtelter, schimmernder Stuccolustro-Putz reflektiert das Licht, der Tresen darunter ist auch Rezeption und Bar. Darüber beginnt die halb gewendelte Kreistreppe ihren Weg in die oberen Ebenen. Das Hotel teilt sich den Eingang mit dem sogenannten Stadtsalon, an dessen Seitenwand eine einläufige Treppe zu den Zimmern führt. In der dunklen Mittelzone ein mit Sternparkett belegter Verteilerraum zwischen Zimmertüren, Treppe und Lift, im Süden je zwei Zimmer an eineinhalb Fensterachsen zur Stadt, im Norden je zwei mit Glasfronten und kleinem Balkon zu Hintergarten und Pfänderblick.
Versteckte Terrasse

Der „Kleine Löwe“ fügt sich stimmig in die Stadtstruktur, ohne seine Bauzeit zu verleugnen. Das ist nicht zuletzt der Geometrie des Kreises zu verdanken, die den neobarocken Rundbogen zitiert und sich in vielen Details und Größenordnungen zeigt. Das hat System. Auf der beengten Fläche, die hier zur Verfügung steht, ist die fließende Grenze, die der Kreis im Raum erzeugt, sehr gewinnbringend. So bildet der viertelkreisförmige Abschluss der raumhohen Stahl-Glas-Fassade auf dem Balkon eines hintergartenseitigen Zimmers einen Freiraum aus, in dem man entspannt draußen sitzen kann. Sein Pendant bildet innen die runde Dusche mit den runden Fliesen.

Die schmale Dachtonne mit der silberweiß schimmernden Aluminiumhaut fügt sich in die Bregenzer Dächer. Sie ist ein wenig vor die Glasfassade gezogen und schützt so die zwei Balkone der bauherrlichen Wohnung vor zu viel Sonne, Regen und Neugier. Die Schlafräume befinden sich im dritten Stock über den zwei Zimmerebenen des Hotels und halten sich auch an deren Raumaufteilung: in der Mitte die Erschließung, je stadt- und hintergartenseitig die Räume. Südwärts die Wohnküche zu Garten, Baum, Hinterhofgewusel, Dachlandschaft und Pfänder, nordwärts das Living mit der großen, vom Tonnenvordach in fünf Meter Höhe überdeckten Terrasse zum Kornmarktplatz mit einer Ahnung vom Bodensee.

Die zweigeschoßhohe Wohnebene ist geprägt von der Dachwölbung. In ihrer Mitte ist ein Kreis in die Aluminiumhaut eingeschnitten: Er rahmt eine runde, gleichermaßen im Dach versenkte, versteckte Terrasse, auf der man nur noch den Himmel über sich hat. Der Rest ist Privatsphäre.

Spectrum, Mo., 2024.12.30



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Stadthotel „kleiner Löwe“

26. November 2024Isabella Marboe
Spectrum

Umbau des ältesten Waldorfkindergartens Wiens: Hier wird nicht nur mit Lehm gespielt

Der erste und älteste Waldorfkindergarten Wiens wurde jüngst aus- und umgebaut. Der innovative Ansatz: Reduktion auf natürliche Materialien und großflächiger Einsatz von Lehm aus dem Aushub des Turnsaals.

Der erste und älteste Waldorfkindergarten Wiens wurde jüngst aus- und umgebaut. Der innovative Ansatz: Reduktion auf natürliche Materialien und großflächiger Einsatz von Lehm aus dem Aushub des Turnsaals.

Die Rudolf-Steiner-Schule in der Mau­rer Endresstraße ist die älteste Wiens; seit ihrer Gründung 1964 blieb sie ihrem Standort treu. Die oberen Schulstufen werden im denkmalgeschützten Maurer Schlössl neben der Pfarrkirche unterrichtet. Waldorfkindergarten und Hort waren im kleinen Nebengebäude auf der anderen Straßenseite untergebracht. Ein typisches, eingeschoßiges Vorstadthaus der Gründerzeit mit tragender Mittelmauer, darüber ein Walmdach, straßenseitig drei Gaupen. Der Bestand war stark abgenutzt, die Räume waren beengt, es gab keinen Turnsaal. Die Kinder mussten selbst im Winter im Freien oder woanders turnen. Außerdem brauchte es mehr Platz für Kindergarten, vier Stammklassen sowie Räume für den Hort, Sonderunterricht und das Schulrestaurant.

Der Um- und Ausbau des Waldorfkindergartens von Dietrich/Untertrifaller und Andreas Breuss reagiert nun auf Bestand und Schulgemeinschaft. Dass 2500 m² unbehandelter Lehmputz aus dem Aushub des Turnsaals in dieser Größenordnung verbaut wurden, ist eine Pioniertat.

2014 lud der Rudolf-Steiner-Schulverein sechs Büros zum Wettbewerb, die Vorarlberger Dietrich/Untertrifaller und der im Lehmbau sehr versierte Andreas Breuss gewannen: Ursprünglich war ein Neubau geplant, der Bestand aber war unter Ensembleschutz. Er durfte also maximal zu 50 Prozent abgerissen werden, das alte Haus blieb bis zur Mittelmauer erhalten. Gott sei Dank: Die Zukunft liegt klar in der Bestandsanierung, die jetzige Lösung ist aufgrund der darin gespeicherten grauen Energie wesentlich nachhaltiger und entspricht besser der Schulphilosophie. Sie transformiert deren Geschichte in einer Architektur, die Alt und Neu zusammenführt und so zu einer faszinierenden atmosphärischen und räumlichen Vielfalt führt. „Die Frage war, wie man es schafft, aus dem kleinen Ding ein großes zu machen, ohne dass man es sieht“, erklärt Much Untetrifaller. „Wir extrudierten das Dach so weit wie möglich nach hinten und erzielten damit fast die doppelte Fläche.“

Das gelang innerhalb der bestehenden Traufkante von 7,50 Metern: Die drei breiten, horizontalen Gaupen im weit nach hinten reichenden Dachkörper wirken wesentlich eleganter als vorher, kaum wahrnehmbar steigt dahinter die extrudierte Fläche bis zu ihrem Hochpunkt über dem Stiegenhaus weiter an. Hier bringt es die Schule auf zweieinhalb Geschoße, die zwei oberen Klassen münden in eine riesige, ins Dach eingeschnittene Terrasse, wo man im Freien lernen kann.

„Dieser Baumbestand ist ein Glücksfall“

Im Garten spürt man das Mehrvolumen des Turnsaals mit den aufgesetzten Geschoßen deutlich, nimmt es aber vor allem hofbildend wahr. Die schwarzen Eternitschindeln harmonieren gut mit der Natur, die sich in den Glasscheiben spiegelt. Die Verzahnung von innen und außen ist gelungen. „Dieser Baumbestand ist ein Glücksfall“, sagt Untertrifaller. „Wir wollten, dass der Schulhof mit dem Grundstück verwoben ist.“ Die Architekten stellten den Turnsaal im rechten Winkel zum Bestand an dessen Westflanke, rechts davon mäandert ein kleiner, umzäunter Garten für den Kindergarten an der Grundgrenze entlang, in dem ein kleines Lehmziegelhaus steht, das die Schüler und Schülerinnen gebaut haben. Selbst Säen, Ernten, Weben, Spinnen, Korbflechten und andere Handwerke zählen zu den Fähigkeiten, die man sich hier aneignet.

Der Turnsaal bildet mit der Schule eine Art l-förmige Hoftypologie und fasst so den Freiraum ein. Er ist zwar drei Meter ins Erdreich abgesenkt, darüber aber bringen 2,70 Meter hohe Fensterbänder viel Tageslicht und einen direkten Blick in die Baumkronen herein. Ein Hauptgrund, warum dieses Projekt gewann. Ein externer Zugang garantiert, dass auch Externe von der hellen, 15 mal 27 Meter großen Normturnhalle profitieren. Stützenfrei überspannen Holzleimbinder die gesamte Spannweite. Das funktioniert nur, weil sie mit dem Klassengeschoß im ersten Stock ein statisches Raumtragwerk bilden.

Gekühlt wird mit Nachtluft

Der Bau ist vorbildlich nachhaltig, dezidier­tes Ziel waren chemiefreie Innenräume. „Wir verwendeten vor allem natürliche Materiali­en“, sagt Andreas Breuss. Er hat den Lehmbau bis dato vor allem im Privatbereich angewandt, die Rudolf-Steiner-Schule aber hat Öffentlichkeitsrecht und muss entsprechende Vorschrif­ten erfüllen. Trotzdem ging es ohne Rigips. Alle tragenden Wände sind aus Brettsperrholz, Zwischenwände aus Holzfaserplatten, Böden aus Holz, der Lehmputz ist aus dem eigenen Aushub angerührt, er passt farblich und sorgt für angenehmes Raumklima, weil Lehm Feuchtigkeit aufnimmt und sehr langsam wieder abgibt. Er ist also auch bauphysikalisch wirksam und verbessert die Akustik. Gekühlt wird mit Nachtluft, bis auf erdberührende Bauteile und das Stiegenhaus wurde kein Beton eingesetzt.

Man betritt die Schule seitlich im Foyer, die anschließende Schulkantine hat eine riesige Gartenterrasse und eine professionelle Gastroküche. Sie ließe sich als Lokal betreiben, Mauer könnte das brauchen. An der Schnittstelle von Bestand und neuem Turnsaal liegt eine Scherenstiege. Sie ist von zwei Seiten begehbar und erschließt den Turnsaal sowie die zwei offenen Laubengänge, die im Osten und Westen den ersten Stock flankieren. Sie sind innen bis in Brüstungshöhe mit Holz, außen mit schwarzen Eternitrauten verkleidet und so Teil des Dachkörpers. Den Klassen schaffen sie einen gedeckten Pausenflur im Freien. Er ist so bergend wie offen, zwei Außenstiegen an seinen Enden führen direkt in den Garten.

Auch das Foyer hat eine zweite Tür. „Hier gibt es keine Sackgassen, es gibt zwei Eingänge, zwei Ausgänge, ein Scherentreppenhaus, alle Unterrichtsräume sind miteinander verbunden, man könnte endlos im Kreis gehen“, so der Architekt. In dieser Schule kann man sich verlaufen, aber unmöglich verlieren. Die sechs Räume im ersten Stock des Neubaus sind alle gleichwertig, über Türen verbunden und flexibel nutzbar.

Zwischen den zwei Räumen im Westen liegen Garderoben und Sanitärzellen: Ihre Mitte bildet ein rundes, weißes Corian-Möbel mit vier Waschbecken. Es wirkt wie ein Dorfbrunnen, Händewaschen wird hier zum sozialen Akt. Dafür gibt es keine Spiegel. Wozu auch, wenn man einander ansehen kann? Alt- und Neubau bilden ein Ganzes, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zueinander bezogen bleiben. Vor allem aus den Überschneidungen resultiert eine große räumliche Komplexität.

Spectrum, Di., 2024.11.26

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Presseschau 12

22. August 2025Isabella Marboe
Spectrum

Hier war schon der Kasperl zu Gast: Kunst und Kultur in einem sozialen Wohnbau in Wien-Atzgersdorf

In Wien-Atzgersdorf glückte den Architekten Dietrich Untertrifaller mit dem KuKu 23 ein außergewöhnlicher sozialer Wohnbau mit viel Kunst und Kultur für jeden.

In Wien-Atzgersdorf glückte den Architekten Dietrich Untertrifaller mit dem KuKu 23 ein außergewöhnlicher sozialer Wohnbau mit viel Kunst und Kultur für jeden.

Wien ist internationale Vor­zeigestadt in puncto sozialer Wohnbau, der von Delegationen aus aller Welt besichtigt wird. Er fußt auf dem Vier-Säulen-Modell: Ökonomie, Nachhaltigkeit, Architektur und Ökologie. Bauträgerwettbewerbe sollen für Qualität garantieren. Planenden und Bauenden verlangt es einiges ab, den Spagat aus immer rigoroseren Bauvorschriften, notwendiger Verdichtung und dem Kostendeckel von 1685 Euro pro Quadratmeter zu schaffen. An die transformative Kraft des sozialen Wohnbaus im Roten Wien auch nur ansatzweise anzuknüpfen ist unter Bedingungen der Gegenwart kaum möglich.

Die räumlichen Voraussetzungen für die Durchmischung unterschiedlicher Funktionen umzusetzen ist schon eine hohe Kunst, deren Belebung und die Gemeinschaftsbildung im Quartier noch weitaus schwieriger. Sie lässt sich nicht erzwingen.

„Gute Baukultur ist gute Planungskultur“

Insofern grenzen Atelier-, Zwillingshaus und Turm im Kultur- und Wohnprojekt Kuku 23, das die aus Vorarlberg stammenden Ar­chitekten Dietrich Untertrifaller (DTFLR) für die gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Heimbau in Atzgersdorf realisiert haben, an ein Wunder. Es gelang nur, weil alle Beteiligten sich vorbehaltlos dafür einsetzten. „Wie plant man das Unbekannte?“, fragt Maria Megina, die Projektverantwortliche und Partnerin von DTFLR. „Für uns ist gute Baukultur auch gute Planungskultur. Vom ersten Schritt an saßen alle entscheidenden Akteure – Bauherren, Ortsansässige, Vertreter aus Bausoziologie, Architektur und Programmatik – an einem Tisch zusammen.“ Die Kunstschaffenden für die Wohnateliers wurden schon in der Bauphase an Bord geholt, für die Szenarien der Kunst- und Kulturteppiche erstellte man gemeinsam mit Art:Phalanx simultan die nötigen Raumprogramme.

Atzgersdorf boomt, es wird gerade massiv nachverdichtet. 2019 lobte der Wohnfonds Wien einen Bauträgerwettbewerb für 430 Wohnungen auf einem Baufeld aus, das im Westen an den Bildungscampus für 1100 Kinder der Architekten Baumschlager-Eberle und die denkmalgeschützte, ehemalige Sargfabrik grenzt.

Die Architekten Schenker/Salvi/Weber und Dietrich Untertrifaller gewannen, ausschlaggebend dafür war die Kombination von Wohnen, Kunst und Kultur, der das Projekt KuKu auch seinen Namen verdankt. Erstere beplanten mit dem Bauträger Altmannsdorf Hetzendorf die Riegel am westlichen Rand des Bauplatzes und den angrenzenden Wohnblock, Zweitere die im Osten anschließenden Bauplätze.

Für das Atelierhaus wurde eine durchgehende Geschoßhöhe von 2,80 Metern durch- und umgesetzt. Das kostete ein Wohngeschoß, schafft dafür aber künftig die Voraussetzung zu gemischter Nutzung. Die Grünraumplanung übernahm Rajek Barosch Landschaftsarchitektur, sie hat einen wesentlichen Anteil am geglückten Resultat. Die städtebaulichen Vorgaben mit Dichte, Position und Volumen der Bauteile hatte ein kooperatives städtebauliches Verfahren schon 2015 festgelegt. Für DTFLR bedeutete das: 237 Wohnungen, über 20.300 Quadratmeter Nutzfläche auf 9259 Quadratmeter Grundstücksfläche, Baukörpertiefen bis zu 24 Meter und Höhen von 16, 25 und 35 Metern. „Wir wollten ein Stück Stadt bauen und haben die Dichte aus menschlicher Perspektive betrachtet“, so Megina. Deren subjektive Wahrnehmung wird vor allem vom Sockel geprägt.

Es gibt keine Eigengärten, sondern nur einen gemeinsamen, mit hügeligem Rasen, Spielplätzen, Fußball- und Betonfeldern sehr differenziert gestalteten Freiraum. Die Begrünung reicht nicht direkt an die Bebauung heran, die man so immer umschreiten, von außen betreten und hineinlugen kann, denn der gesamte Sockel ist mit Kunst, Kultur, Gewerbe belegt.

Die denkmalgeschützte Sargfabrik hatte sich unter dem Titel „F23“ bereits zu einem kulturellen Inkubator entwickelt. Heute heißt sie „Fabrik 1230“ und bildet das Gegenüber des östlichsten Bauteils, des Atelierhauses. Es ist 24 Meter breit, über 90 Meter lang, bis zu neun Geschoße hoch und das kulturelle Flaggschiff. „Wohnen und Kultur haben wir hier zum ersten Mal errichtet“, sagt Hermann Koller, der stellvertretende Obmann der Heimbau. „Die Vergabe war sensationell.“

40 unterschiedliche Typen für 237 Wohnungen

Die Fassade besteht abwechselnd aus raumhohem Glas und Pfeilern, die 90 Zentimeter breit und mit Eternit verkleidet sind. Statisch ist es eine Tischkonstruktion, auf der eine offene zweireihige Stützenstruktur aufsetzt. So lassen sich die darüber liegenden Wohnungen sehr frei planen. Viele Wohnformen – von der Jugend-WG, die von der Magistratsabteilung 11 betreut wird, bis hin zum neuen Typus der Atelierwohnungen – sind hier umsetzt. Macht 40 unterschiedliche Typen für 237 Wohnungen.

Der große Veranstaltungssaal ist als Raum im Raum zweischalig ausgeführt, seine akustische Qualität ist sehr hoch. Hier waren schon die Wiener Festwochen und der Kasperl zu Gast, probte der Impulstanz und gab es Public Viewings von Fußballmatches. Auf diesen Saal folgen eine große Galerie und ein Platz, der vom Tanzstudio in der zweiten, wohnanlagenseitigen Atelierhaushälfte eingefasst wird. Ein mächtiges Paar von V-Stützen hält den Raum unter seinem fast 25 Meter weit auskragenden, nördlichen Ende frei, der witterungsgeschützte Platz darunter kann auch Freiluftbühne werden. Von hier blickt man wunderbar durch die raumhohe Verglasung in das Studio darunter; Fingerabdrücke auf dem Fenster verraten, dass das auch ­passiert. Außerdem gibt es hier Werkstätten und Ateliers: Sie bestehen aus einem zwei Geschoß hohen Raum mit umlaufender Wohngalerie und Küchenzeile, der im Untergeschoß aufsetzt.

Nur Mietobjekte, kein Eigentum

Um die Tiefe des Baukörpers aufzulösen, wurde das Volumen gleichermaßen perforiert. Ein Mittelgang mit variierender Breite durchzieht das Atelierhaus auf jeder Ebene über die gesamte Länge. Rechts und links weitet sich dieser Gang in zweigeschoßige Räume mit raumhohem Glas aus, die sich alle aneignen können. Brandschutzschiebetüren (die natürlich in den Wänden verschwinden) trennen sie vom Gang, dadurch lassen sie sich auch möblieren. Dieses verzweigte, großzügige, innere Wegenetz erhellt den dunklen Gebäudekern und zerschlägt die massive Kubatur gleichermaßen in mehrere kleinteilige Bauten. „Wir haben aus fünf großen Blöcken über 20 Häuser herausgeschält“, sagt Megina.

Die Fassaden aller Häuser sind ruhig, mit raumhohen Fenstern und Eternit gestaltet, Balkone mit dunkelroten Brüstungen, die teils in Zackenbewegungen mäandrieren, teils mit Lichthöfen ausgeschnitten sind, flankieren bei­de Längsseiten. Dadurch ergeben sich überall unterschiedliche Tiefen. Von den 237 Wohnungen sind 38 Atelier- und 119 kleine Smart-Wohnungen mit Sonderförderung, alle werden vermietet, keine ist Eigentum, die schönsten Dachflächen gehören der Gemeinschaft, inklusive Hochbeet und Gemeinschaftsküche. Beim Besuch bereiteten einige verschleierte Mädchen eine Geburtstagsfeier vor.

Spectrum, Fr., 2025.08.22



verknüpfte Bauwerke
»KuKu 23« Wohnen im Kunst- & Kulturquartier

23. Juli 2025Isabella Marboe
Spectrum

Ein Hof für die Kinder und Kindeskinder

Ein alter Hof bei Lustenau war nicht mehr zu retten, Architektin Julia Kick konzipierte mit den Bauherrinnen eine Wohnform, die über die Grundgrenzen und Generationen hinaus in die ­Zukunft denkt.

Ein alter Hof bei Lustenau war nicht mehr zu retten, Architektin Julia Kick konzipierte mit den Bauherrinnen eine Wohnform, die über die Grundgrenzen und Generationen hinaus in die ­Zukunft denkt.

Über dreihundert Jahre bewirtschaftete die Familie Vetter im Rheindorf ihren Hof, schon in den 1970er-Jahren stellte der Betrieb auf biologische Landwirtschaft um und nahm damit eine Vorreiterrolle ein. Er stand an der Kreuzung der Bahnhofstraße mit dem Fischerbühel. Erstere ist die Hauptverkehrsader, auf der alle quer durch den Ort ziehen, zweitere schlängelt sich als ruhige Gasse träge zwischen Einfamilienhäusern durch. Früher gab es hier viele landwirtschaftliche Flächen, der Großteil wurde als Bauland vergoldet.

Lustenau ist mit rund 25.000 Einwohnern die einwohnerreichste Marktgemeinde Österreichs, es zerfranste ins Umland. „Siedlungsbrei“ nennt das Architektin Julia Kick. In sein verflochtenes Straßen- und Wegenetz, das von alten Streuobstwiesen und Feldern durchsetzt ist, ist das Dorf aber noch eingeschrieben. Im Jahr 1996 siedelten Hubert und Annemarie Vetter mit ihrem Hof zwanzig Fahrradminuten weiter ins Alberried und setzten dort ihre ganzheitliche Vision einer organisch-biologischen Landwirtschaft neuen Typs um.

Architekt Roland Gnaiger plante ihnen schlichte Holzskelettbauten mit Fassaden aus unbehandelter, sägerauer Lärche und lehm­verputzten Wänden. U-förmig fassen das Wohn- und Gemeinschaftshaus mit Seminarzentrum und Laden einen grünen Hof ein, gegenüber im Osten bildeten die früheren Laufställe ein längeres U. Vieh gibt es heute keines mehr, Simon und Raphael Vetter entwickeln ihre Landwirtschaft kontinuierlich weiter, derzeit kultivieren sie unterschiedlichste Gemüsesorten, es gibt Veranstaltungen und andere vielseitige Angebote an Gemeinschaften und ­Interessierten auf ihrem Hof. Längst ist die ­verwitterte Fassade in die Landschaft eingewachsen und die Architektur zur Ikone gereift.

Ein barrierefreier Hof musste sein

Simons und Raphaels Tanten Lisi und Traudi hatten dem alten Vetterhof im Rheindorf die Treue gehalten. Doch der Stall war desolat, das Haus ein akuter Sanierungsfall, als eine der beiden erkrankte, herrschte Handlungsbedarf, der Hof musste barrierefrei werden. Sie kontaktierten Julia Kick, die schon einige Bestände mit viel Sensibilität für die Möglichkeiten von Haus und Bewohnerschaft umgebaut hat. In diesem Fall war nichts zu machen.

Ein paar Parzellen weiter besaß die Familie am Fischerbühel noch landwirtschaftlichen Grund mit Bauwidmung. Architektin und Bauherrinnen zeichnen sich durch überdurchschnittliche Achtsamkeit aus, was den Umgang mit Ressourcen betrifft. „Es war ihnen vollkommen klar, dass man heute eigentlich gar kein Einfamilienhaus neu bauen darf“, sagt Kick. Deshalb entwickelten sie gemeinsam ein zukunftsweisendes Wohnkonzept, das weit über die eigenen Grundgrenzen und Generationen hinaus die nachhaltige Entwicklung seiner Nachbarschaft weiterdenkt. Und zwar multiperspektivisch.
Dieses Haus kann mit Bedürfnissen und Anzahl seiner Bewohnerschaft mitwachsen

„Unser Arbeitstitel war Vetternhof 2.0“, sagt Kick. Das Haus ist in seiner Konzeption des Wohnens in einem Einfamilienhausgebiet so exemplarisch und umfassend nachhaltig, wie es der Vetterhof für die biologische Landwirtschaft war. Kick verwendete das ökologische, nachwachsende Baumaterial Holz, plante das Haus modular und legte seine Statik so aus, dass es um eine zweite Wohnebene und ein ausgebautes Dachgeschoss erweiterbar ist. In Reminiszenz an den alten Vetterhof wünschten sich die Bauherrinnen ein geneigtes Dach und Vordächer. Die Architektin tüftelte lang an den Details des Pultdaches mit der gewellten Blechabdeckung, die sich im Fall einer Aufstockung einfach abheben und wieder aufsetzen lässt.

Dieses Haus kann also mit Bedürfnissen und Anzahl seiner Bewohnerschaft mitwachsen, soweit es die Bauordnung zulässt. Julia Kick dachte die Verdichtung in einer sehr ortsbildverträglichen Form mit. „Wir haben das Grundstück gesamtheitlich betrachtet und sind davon ausgegangen, wie eine Siedlung idealerweise für uns aussehen könnte“, sagt Kick. So gaben sie und ihre Bauherinnen dem Einfamilienhaus, das an der Wurzel der Zersiedelung steht, eine neue Rolle. Es bekommt die Chance, alles wiedergutzumachen, indem es künftig eine erweiterbare Siedlung bilden und so einen Beitrag zur Verdichtung leisten kann.

Der Fischerbühel bildet die nördliche Grundgrenze: hier verläuft gleichermaßen der Wirtschaftstrakt. Fünf Meter breit, an die zwanzig Meter lang, nimmt diese einfache Struktur dort, wo der Quertrakt anschließt, ein Lager für Vorräte, Geräte und die Garage auf. Bei Krankheit braucht es ein Auto. Dieser Trakt bildet auch Schutz vor Straße und Einsicht. ­Privatheit ist wichtig: Die außenseitigen Öffnungen sind mit Maß und Ziel gesetzt.

Roter Mohn leuchtet aus der Wiese

Ostwärts öffnet sich der Hof in die Landschaft. Hier ließe sich auf dem gegenüberliegenden Grundstück an der gemeinsamen Zufahrt gespiegelt dasselbe U-förmige Haus hinpflanzen. Gemeinsam fassten sie einen größeren Hof ein, wo nicht nur Pflanzen, sondern auch nachbarschaftliche Beziehung gedeihen könnten. Die Zufahrt zwischen beiden verläuft im rechten Winkel zur Straße und wurde bereits zur Hälfte als Kiesweg gestaltet, während die andere der Natur überlassen blieb. Dort leuchtet nun roter Mohn zwischen der hohen Blumenwiese hervor, die natürlich viele Bienen anlockt.

Man betritt das Haus am Ende des südlichen Wohntrakts in einer Pergola, die vor der rollstuhlgerecht breiten Eingangstür einen schönen, schattigen Freibereich ausbildet. Die Bauherrinnen sitzen gern hier draußen. Auch die Einbaumöbel plante Julia Kick. Rechts zeigt das breite Fensterbrett, was es als Garderobe kann, die Küche mit dem Tisch aus dem alten Nußbaum, der Eckbank und dem fast quadratischen Herdblock ist semiprofessionell ausgestattet, da beide sehr gerne kochen.

Der Raum öffnet sich nach Nordosten zum Innenhof und nach Südwesten zur Streuobstwiese, deren Apfel- und Birnbäume über hundert Jahre alt sind, Ziegen und Schafe aus dem Ort mähen das hohe Gras. Hier ließe sich das Haus in die andere Richtung erweitern: Den L-förmigen Wohntrakt der beiden Damen könnte man einfach noch einmal südwärts anstückeln, dann würde das U-förmige Haus zum E, mit zwei kleinen offenen Höfen. Ein drittes Mal ginge sich das auch noch aus, das ergäbe dann gespiegelt schon kleine, kompakte Einheiten mit insgesamt sechs Innenatrien. Also schon eine veritable kleine Siedlung aus nachhaltigen Holzhäusern in verträglicher Dichte um grüne Höfe in der Landschaft.

Spectrum, Mi., 2025.07.23

01. Juli 2025Isabella Marboe
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Neuer Blick

Otto Wagner, Adolf Loos, Jugendstil und Art déco prägen den Blick auf Wien um 1900. Das schwergewichtige Buch „Anatomie einer Metropole – Bauen mit Eisenbeton in Wien 1890 – 1914“ von Otto Kapfinger richtet den Blick auf die Konstruktion dahinter.

Otto Wagner, Adolf Loos, Jugendstil und Art déco prägen den Blick auf Wien um 1900. Das schwergewichtige Buch „Anatomie einer Metropole – Bauen mit Eisenbeton in Wien 1890 – 1914“ von Otto Kapfinger richtet den Blick auf die Konstruktion dahinter.

Wien um 1900 war eine pulsierende Großstadt auf dem Weg zur Metropole, hundertfünfzig Kinos zählte man 1914, Cabarets, Varietés, vornehme Konsumtempel, Geschäftshäuser, Banken, Hotels, aber auch Fabriken, Speicher und Remisen entstanden. Zweihundert Druckereien mit 4.000 Beschäftigten versorgten die Stadt in mehrmals täglich erscheinenden Zeitungen mit Neuigkeiten, allein der „Vorwärts“-Verlag an der rechten Wienzeile produzierte in seinen Glanzzeiten bis zu 2.000 Exemplare unterschiedlichster Medien pro Tag.

All diese neuen Typologien mussten verschiedene Anforderungen erfüllen, industrielle Nutzungen führten zu hohen Lasten, Veranstaltungssäle mit hohen Räumen im Souterrain erforderten weite Spannweiten, darüber schlichtete man souverän Büros und Wohnungen aufeinander. Der Dimensionssprung der Stadt brachte auch breitere Straßen und schmälerere Grundstücke mit sich, höherer Nutzungsdruck führte zu immer gewagteren Konstruktionen. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür ist das „Haus zum Silbernen Brunnen“ der Architekten Karl und Wilhelm Schön in der Plankengasse 4. Errichtet wurde es von der Baufirma G.. Wayss & Co. Verschiedene Funktionen gekonnt zu stapeln, war ein konstruktiver Kraftakt und die große Ära einer neuen Technologie: ohne Eisenbeton keine Großstadt.

Ein Zufall führte Otto Kapfinger an einem Gründerzeithaus in der Schadekgasse 18 vorbei, dessen unteren drei Geschosse umbaubedingt komplett ausgehöhlt waren. Hier zeigte sich das statische Gerippe eines Hauses in unverfälschter Reinform. Großzügige, loftartige Räume mit Rippendecken aus Sichtbeton, drei gewendelte Stiegenhäuser und eine Tragstruktur aus Eisenbeton über neun Geschosse. Kapfinger fühlte sich nach Chicago versetzt. Dieses Gebäude hatte früher das Warenhaus Lessner beherbergt, als Flaggschiff einer neuen Einkaufskultur spielte es in einer Liga mit Herzmansky, Gerngroß, Schop’s Söhne und Stafa. Eine monumentale Haupttreppe führte in Lessners Konsumtempel, der vor allem ein breites Sortiment an Textilien führte und auch die Zeitschrift „Der Modesalon“ herausbrachte. Lager, Schneiderateliers und Wohnungen zählten zu den weiteren Nutzungen des Hauses, das Architekt Alois Augenfeld plante. Auch Baumeister Samuel Bronner, die ausführende Baufirma Gustav Orglmeister und der Statiker Rudolf Saliger sind angeführt.

„Anatomie einer Metropole – Bauen mit Eisenbeton in Wien 1890 – 1914“ ist mehr als ein Buch und mehr als ein Katalog: es ist ein Forschungsprojekt, das auf über 400 Seiten ein neues Bild von Wien um 1900 zeichnet. Unter der Leitung von Otto Kapfinger arbeiteten Gabriele Anderl, Markus Kristan, Ursula Prokop, Felix Siegrist, Adolph Stiller, Stefan Templ, Maria Welzig und Anna Wickenhauser im Forschungsteam. Das Buch folgt dabei einer stringenten, gewissenhaften Logik. Texte wie derjenige zu Systemen der Stadtentwicklung (Otto Kapfinger), Eisenbeton International (Adolf Stiller) oder der zum Bauboom der Kinos (Ursula Prokop) geben eine inhaltliche Einordnung, in thematisch gegliederten Kapiteln wie die „Glanzzeit der Presse“ (Druckereien, Verlagshäuser), „Weltstadt Wien“ (Großgeschäftshäuser, Banken, Hotels), „Gesellschaftliche Reformen“ (Vereinshäuser, Volksbildung, Hygiene) werden insgesamt 95 unterschiedliche Bauten anhand ihrer Typologie dokumentiert. Die Ausführlichkeit, in der das geschieht, ist absolut außergewöhnlich: Zu jedem Bau finden sich Pläne und Fotos, neben Bauherr und Architekt sind ausführende Firmen und Statiker angeführt. Auch die Texte halten eine Systematik ein: Bautypus, Konstruktion, Hausgeschichte, Architekt, Literatur. Großformatige Fotos von Wolfgang Thaler und Bruno Klomfar zeigen exemplarisch, wie einige Häuser heute aussehen. Pläne von Wien zeigen, wo sich unterschiedlichste Bauten befinden. Wer dieses Buch gelesen hat, wird mit anderen Augen durch die Stadt gehen.

newroom, Di., 2025.07.01



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Anatomie einer Metropole

24. Juni 2025Isabella Marboe
Spectrum

Architekturbiennale Venedig: Einmal Espresso aus Kanalwasser, bitte!

Kluge Maßnahmen gegen die Klima­krise: Auf der Architekturbiennale in Venedig wird etwa die natürliche Intelligenz von Pflanzen, Mikroben und Pilzen als Quelle für neue Materialien und Bauformen erforscht. Und sogar Elefantendung und Brackwasser spielen eine Rolle.

Kluge Maßnahmen gegen die Klima­krise: Auf der Architekturbiennale in Venedig wird etwa die natürliche Intelligenz von Pflanzen, Mikroben und Pilzen als Quelle für neue Materialien und Bauformen erforscht. Und sogar Elefantendung und Brackwasser spielen eine Rolle.

„Fundamentals“ nannte Rem Koolhaas, der große Analytiker unter der Architektenschaft die Biennale, die er 2014 sehr stringent kuratierte. Die Hauptausstellung handelte profund und multiperspektivisch elementare Bestandteile der Architektur ab: Stiege, Aufzug, Fenster, Tür, Dach. Zwei Jahre hatte er dafür ein interdisziplinäres Forschungsteam recherchiert. Es war das letzte Mal, dass sich die Architektur noch so eindeutig definierte. Zwei Jahre später öffnete Alejandro Aravena mit „Reporting from the Front“ das Feld für brennende Themen wie Naturkatastrophen, Wohnungsnot, Migration, Verbrechen. Er sah Architektur als Weg, Benachteiligten ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Die heurige Architekturbiennale mit dem Titel „Intelligens.Natural.Artificial.Collective“ fordert radikales Umdenken. 2024 verzeichnete die Erde die höchsten Temperaturen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, Kurator Carlo Ratti sieht sie an einem Wendepunkt und formulierte sein Manifesto: „Intelligens: Towards a New Architecture of Adaption“. Für den Architekten, Ingenieur, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Polytechnikum Mailand ist die Anpassung an bedrohliche Klimabedingungen eine Überlebensfrage.

Bäume aus dem 3-D-Drucker

Der Ursprung der Architektur liegt im Schutz vor einem hostilen Klima, Ratti schickt sie also an vorderster Front gegen die globale Erderwärmung ins Feld und fordert ihr dabei eine Neukonfiguration ab. Auf dem Weg dorthin diffundiert sie in diverse Sparten der Kunst, Natur- und Geisteswissenschaften und erweitert ihren Werkzeugkasten um neue Technologien bis hin zu künstlicher Intelligenz. Es wäre auch einmal interessant, deren immensen Strom- und Wasserverbrauch verschriftlicht zu sehen. Auf der Suche nach einem neuen Selbstverständnis werden viele Fragen gestellt, löst sich Autorenschaft auf und dreht sich alles um die große Hitze. Kuratorisch setzte Ratti gleichermaßen auf Schwarmintelligenz. Vom Open Call mit „überwältigendem“ Rücklauf blieben 750 Teilnehmende. So viele waren es noch nie.

Die Hauptausstellung spürt die drei Intelligenzen auf. „Intelligens.Natural“ sucht resiliente, nachhaltige Strategien bei indigenen Völkern, analysiert das Bauen in sehr heißen oder nassen Gegenden, die Erfahrung mit Extremwetterereignissen haben, und erforscht die natürliche Intelligenz von Pflanzen, Mikroben, Pilzen, Organismen als Quelle für neue Materialien und Bauformen. Die „Living Structure“ Domino 3.0 (Kengo Kuma and Associates, Sekusi House – Kuma Lab & Iwasawa Lab, beide University of Tokyo, Ejiri Structural Engineers) versteht sich als Weiterentwicklung von Le Corbusiers Prototyp aus Decken und Stützen. Domino 3.0 besteht aus den digital vermessenen, mittels 3-D-Drucker rekonstruierten Bäumen, die der Sturm Vaia in Norditalien 2019 mitgerissen hat. Künstliche Intelligenz und japanische Holzverbindungen vereinigten sich zur Wohnstruktur der Zukunft. Dem Original kann sie im Status quo nicht das Wasser reichen.

Auch im Ziegel steckt Zukunft, er findet sich mehrfach. So besteht die vier Meter hohe, statisch belastbare, parabelförmige „Elephant Chapel“ von Boonserm Premthada aus sehr leichten, materialeffizienten Ziegeln aus Elefantendung.

„Artificial.Intelligence“ umfasst alles von der ersten industriellen Revolution über die Mondlandung, Big Data bis hin zu künstlicher Intelligenz, die Grundrisse für soziale Wohnbauten generiert. Absoluter Publikumsliebling ist der humanoide Roboter Alter 3. Seine Schöpfer, Takashi Ikegami und Luc Steels, statteten ihn mit Komponenten für Wahrnehmung, Bewegung und ein episodisches Gedächtnis aus. Man kann mit ihm plaudern, seine Mimik und Antworten suggerieren Gefühle. Nothing beats the Original. „Collective.Intelligence“ feiert solidarische, empathische Projekte. Seien es schwimmende Schulen, Notbehausungen, Theater oder sehr kluge Adaptionen für günstigere Wohnungen: Hier wird Architektur wieder zum Instrument, Lebensbedingungen zu verbessern. Upcycling ist anderswo alltägliche Überlebensstrategie.

Filmisch dokumentiert „Alternative Urbanism: The Self-Organized Markets of Lagos“ vom Studio Oshinowo das geschäftige Treiben auf drei riesigen, selbst organisierten, illegalen Spezialmärkten in Lagos, wo aus Industriemüll der westlichen Welt sehr kreativ Brauchbares gefertigt und verkauft wird. In Europa macht sich die Bürgerinitiative „House Europe!“ für Nutzung und Erhalt von Bestand stark. Alte Bauten speichern sehr viel Energie, ihr Abriss ist Verschwendung und Vernichtung von Material, mit gravierenden Konsequenzen: Wohnen wird unleistbar. Bis 31. Jänner kann man noch unterschreiben.

Hier Kühl-, dort Strickdecke

Zum besten Beitrag wurde das Canal Café von Diller Scofidio + Renfro, Natural Systems Utilities, SODAI, Aaron Betsky und Davide Oldani gekürt. Auf der Lagune des Arsenale installierten sie eine Art Hybrid aus Labor und Espressobar, der das Brackwasser aus dem Kanal biologisch und künstlich filtert, um alle Schadstoffe zu entfernen. Aus dem gekochten Wasser wird Espresso gebrüht. Wenn die Zukunft der Architektur so intelligent, kommunikativ und genussvoll ist, bitte gern!

Die nationalen Pavillons haben durchwegs außergewöhnlich hohes Niveau, fast jeder ist ein Gewinn. Den Goldenen Löwen bekam Bahrain für eine modulare Kühldecke, die von einer Mittelstütze getragen wird und daher überall im öffentlichen Raum installierbar ist (Kurator Andrea Faraguna, Statik: Mario Monotti, Bauphysik: Alexander Puzrin). Ihre Wirkung war vor Ort eindeutig spürbar.

Serbien versinnbildlicht Kreislaufwirtschaft, Interdisziplinarität und technologischen Fortschritt in unnachahmlich poetischer Weise. Die riesige Strickdecke, die als malerischer Baldachin von der Decke hängt, verbindet die Kulturpraxis des Strickens mit der ersten künstlichen „Belgrade Hand“ (1963). Im Lauf der Biennale wird sie von Spulen an den Wänden aufgespult und verlustlos wieder verwendbar sein.

Österreich thematisiert „leistbares Wohnen“

Wohltuend klassisch präsentiert Spanien 16 ausgesuchte Projekte auf je einer Waage in der Balance mit ihrer Umwelt. Sie zeigen unaufgeregt, wie Architektur zur Dekarbonisierung beitragen, Materialforschung vorantreiben und das regionale Handwerk stärken kann. Der dänische Pavillon hätte eine Auszeichnung verdient: Er entwickelt Schutt der momentanen Restaurierung zu Neuem, das langfristig wieder einbaubar ist. Selbst Detailpläne sind hier ausgestellt, die Verweildauer von Architekturschaffenden ist lang. Ukraine, Lettland und der Libanon reflektieren Architektur unter der Bedingung von Krieg.

Das österreichisch-italienische Kuratorentrio Michael Obrist, Sabine Pollak und Lorenzo Romito thematisiert als einziges die virulente Frage leistbaren Wohnens. Ihre „Agency for better Living“ stellt den fürsorgenden sozialen Wohnbau in Wien aus und der aus staatlichem Versagen geborenen zivilgesellschaftlichen Eigeninitiative in Rom gegenüber. Was beide voneinander für ein besseres Leben lernen können, wird eine Biennale lang diskutiert.

Spectrum, Di., 2025.06.24

11. Februar 2025Isabella Marboe
Spectrum

Theater an der Wien nach der Sanierung: Der neue Charme der alten Bühne

Das Theater an der Wien wurde aufwendig generalsaniert. Das tat ihm gut, und die Architekten bewiesen Mut: Sie eliminierten Büros im ersten Stock, räumten im Foyer auf und setzten eine neue Treppe in die Mitte.

Das Theater an der Wien wurde aufwendig generalsaniert. Das tat ihm gut, und die Architekten bewiesen Mut: Sie eliminierten Büros im ersten Stock, räumten im Foyer auf und setzten eine neue Treppe in die Mitte.

Wie ein Baldachin ragt die matt schimmernde Untersicht aus Aluminium über das Trottoir vor dem Eingang ins Theater an der Wien, dezent dehnt es so sein Foyer in den öffentlichen Raum aus. Endlich. Dass dieses Vordach im ersten Stock einen veritablen Balkon ausbildet, lassen erst die sechs Stahlsäulen am Gehsteigrand erahnen. Beim zweiten Blick hinauf nimmt man die gläserne Brüstung wahr. Für ein Vordach wäre es sehr stark dimensioniert, für den Pausenbalkon eines Theaters hingegen bemerkenswert schmal. Das neue, zweite Foyer, dem dieser Balkon seine Berechtigung verdankt, ist die eigentliche Sensation des Umbaus, den das Theater gerade hinter sich hat. Doch davon später – schon sein neuer Auftritt in der Stadt ist eine Sensation.

Die Geschichte des Theaters beginnt mit Emanuel Schikaneder. Dieser war nicht nur Textdichter und erster Papageno der „Zauberflöte“, er war auch Theaterprinzipal. Bis 1799 hatte er das Freihaustheater geführt und dann bei Kaiser Franz II. um Baubewilligung des Theaters an der Wien angesucht. Architekt Franz Jäger der Ältere plante es im klassizistischen Baustil, sein Sohn Anton und Joseph Raymund führten den Bau nach nur 13 Monaten zu Ende. Er reicht über die gesamte Tiefe des Häuserblocks bis zur Lehárgasse.

Einst Ausweichbühne der Staatsoper

Am 13. Juni 1801 war die Eröffnung, der ursprüngliche Eingang, das „Papageno-Tor“ in der Millöckergasse, ist heute noch zu sehen. Ludwig van Beethoven, Johann Strauß, Carl Millöcker, Franz Lehár: Hier wurde Musikgeschichte geschrieben. 1845 erweiterte man das Haus, 1854 malte Josef Geyling das Fresco der neun Musen an die Decke des Zuseherraums, den die versierten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer 1901 neu gestalteten, 1902 riss man das Vorderhaus an der Wienzeile ab und ersetzte es durch ein vierstöckiges Zinshaus. Daher trat das Theater an der Wien nach außen hin kaum in Erscheinung, auch sein Foyer war nicht viel mehr als ein breiterer Gang ins Parkett, selbst der Bühnenturm taucht im Stadtbild unter, die Anlieferung befindet sich rückwärtig an der Lehárgasse. Dazwischen liegt ein Höhenunterschied von 1,20 Metern.

Trotzdem zählt das Theater mit seinen 1124 Sitz- und 50 Stehplätzen zu Wiens größten Häusern. Nach dem Krieg diente es der Staatsoper als Ausweichbühne, 1960 bis 1962 wurde es von Otto Niedermoser umgebaut. Das Interieur von Foyer und Garderobe stammt aus dieser Zeit, in den frühen 1980er-Jahren rekonstruierte man die Fassade, sonst passierte nicht viel. Barrierefreiheit, Brandschutz, Haus-, Elektro-, Bühnen- und Sicherheitstechnik: alles veraltet.

Zeitplan wurde eingehalten

Eine zukunftsfähige Generalsanierung inklusive Bausubstanz und Innenraum war überfällig, das Bewerbungsverfahren dafür gewann die Arbeitsgemeinschaft Riepl Kaufman Bam­mer Architektur und L-Bau-Engineering. Das war im Juli 2021, neun Monate später begann der Bau, im Oktober 2024 wurde eröffnet. Mehr als sportlich. „Wir hielten den Zeitplan haarscharf ein“, bestätigt Daniel Bammer.

Die Königsidee der Architekten war, die Büros im ersten Stock aufseiten der Wienzeile zu eliminieren und so dem neuen Foyer im ersten Rang den Weg zu ebnen. Das war mutig, denn es antizipierte den nutzerseitigen Verzicht auf Büros mit Aussicht und die Zustimmung des Bundesdenkmalamts zu größeren Eingriffen. Beides geschah. Als großzügiger, offener Raum mit hellbeigem, an die Tonigkeit der 1960er-Jahre angepasstem Terrazzo und mattblauer Decke zieht sich das neue Foyer nun bis zu den verglasten Fenstertüren auf den neuen Balkon. „Himmel“ steht etwas euphemistisch im Parterre auf einem der vier weißen Pfeiler in der Mitte, zwischen denen nun eine leichte Treppe aus Schwarzstahl alle Ebenen vom Untergeschoß – der „Hölle“ – bis zum ersten Rang verbindet.

Der Saal strahlt wieder

Die Umsetzung war extrem aufwendig. Um der Treppe Raum zu schaffen, musste der mittlere Teil des Foyers entkernt, die ovale, denkmalgeschützte Decke mit den runden Lichtern von Oskar Niedermoser entfernt, wieder eingesetzt und eine eindrucksvolle Stahlkonstruktion errichtet werden: eine Art Grid aus mächtigen, stützenbildenden I-Trägern, Unterzügen und der Konstruktion der Rasterkassettendecke mit Oberlichten im Hof, die nun einen Teil des Foyers belichtet und nicht so drückend erscheinen lässt. Im Kontext seiner neuen Größe wirken die drei Meter Raumhöhe niedrig, was allerdings bei Festbeleuchtung in Pausen und auf Premierenfeiern keine Rolle spielt.

Betritt man das Theater, herrscht nun eine ganz andere Atmosphäre: Die Entkernung tat ihm gut, das Foyer wirkt auf einmal luftig. Es sind einfach alle Zwischenwände weg, kein Sanitärkern an der falschen Stelle und keine Stiege, die das Foyer zum Gang reduzieren. Stattdessen eine offene Treppe, die den Blick nach oben zieht und zwischen ihren Untersichten seitlich weiter. Trotzdem ist das Wesen des Theaters noch dasselbe, um nicht zu sagen: Es kam noch mehr zu sich.

Der unauffällige Charme der 1950er-Jahre kommt im nunmehr aufgeräumten Umfeld viel besser zur Geltung. Man nimmt die eigenartig reizvollen Mosaikarbeiten von Wolfgang Hutter und Roman Haller besser wahr, dasselbe gilt für Garderoben, Lampen, Spiegel. Auch die Bestuhlung aus den 1960er-Jahren blieb. „Es sind solide Sessel mit guten akustischen Eigenschaften. Die konnte man durchaus wiederverwenden“, erklärt Bammer. Alle originalen Möbel, Türen, Luster, Wandbespannungen, Brüstungen, Kyriatiden wurden in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt sorgfältig saniert. Der Saal strahlt wieder.

Ort der Begegnung

Ein Theater ist eine Maschine: Etwa 80 bis 85 Menschen arbeiten in der Bühnentechnik, es braucht kleine Werkstätten zur Montage, eine Einbringöffnung für Hubbühnen, zwischen Bühnen- und Schnürboden liegen 22 Meter. Der Orchestergraben ist 4,70 Meter tief, er musste unterfangen werden; das Parkett bekam einen neuen, ansteigenden Boden, aus dem Frischluft strömt, unter den ersten Sesselreihen parkt das Stuhllager.

Von all dem kriegt das Publikum nichts mit, es genießt einfach das Resultat. „Ein Theater ist ein Ort, wo man sich begegnen kann. Ein gesellschaftliches Ereignis“, sagt Bammer. Dem gibt diese vornehme, zurückhaltende und doch selbstbewusste Architektur nun wieder einen angemessenen Rahmen.

Spectrum, Di., 2025.02.11



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Theater an der Wien

13. Januar 2025newroom

Maßarbeit an der Lamelle. nextroom fragt Jennifer Neumann

Glasscheiben mit seitlichen Drehgelenken in einem Metallrahmen: Lamellenfenster sind so einfach wie vielseitig und komplex. Der Familienbetrieb HAHN Lamellenfenster GmbH führte diese Art von Fenster 1953 in den deutschen Markt ein. Seither wird das Produkt laufend weiterentwickelt, auf Kundenwunsch maßgefertigt und geforscht. Für die Kepler Universität in Linz entwickelte man sogar einen Prototypen aus Keramiklamellen.

Glasscheiben mit seitlichen Drehgelenken in einem Metallrahmen: Lamellenfenster sind so einfach wie vielseitig und komplex. Der Familienbetrieb HAHN Lamellenfenster GmbH führte diese Art von Fenster 1953 in den deutschen Markt ein. Seither wird das Produkt laufend weiterentwickelt, auf Kundenwunsch maßgefertigt und geforscht. Für die Kepler Universität in Linz entwickelte man sogar einen Prototypen aus Keramiklamellen.

Längst ist der Markenname „HAHN“- Lamellen zu einem Synonym für Lamellenfenster geworden. Der gleichnamige Familienbetrieb wurde 1870 als Glaserei und Glashandel HAHN gegründet. In der Nachkriegszeit lernte Till Hahn das Lamellenfenster in seiner Glaserlehre in den USA kennen, 1953 führte die Firma GLASBAU HAHN das Produkt in den deutschen Markt ein, 1981 wurde das weltweit erste Lamellenfenster mit Isolierglas produziert und seither ständig weiter entwickelt. Der einfachverglaste Pionier lässt sich – weniger formschön, oft undicht, mit verzogenen Rahmen - in Asien oder Afrika konkurrenzlos günstig nachbauen. Er wird oft kopiert. Jennifer Neumann, Geschäftsführerin und Urenkelin des Gründers, sieht das gelassen. „Die Marke setzt sich durch.“

Mit jeder Anforderung wird die Produktion schwieriger und komplexer: thermisch getrennte Zweifach/Dreifach-Isolierverglasung, Brand-, Schall-, Sonnenschutz, Windfestigkeit. In mehrfach zertifizierten Lamellenfenstern stecken viele Fertigungsschritte, Wissen und Erfahrung, in den Werken in Stockstadt am Main sowie Seligenstadt – made in Germany. Dort wird jedes Fenster nach Kundenwunsch maßgefertigt. Präzision ist oberstes Gebot, man weiß um geltende Normen und unternehmerische Verantwortung.

Das Prinzip des Lamellenfensters ist einfach und intelligent. Glaselemente mit seitlichen Drehgelenken in einem Blendrahmen, die platzsparend für natürliche Belüftung sorgen. Leiten sie Rauch und giftige Gase ab, werden sie auch als Brandrauchentlüftung wirksam. Sie lassen sich in unzähligen Varianten produzieren und liefern, alle geltenden Vorschriften sind dabei berücksichtigt und gewissenhaft eingehalten. Für einen Auftrag in Australien richtete man eigens einen Prüfstand ein, im qualitätsbewussten Japan schätzt man das Original besonders. Dort sind die Auflagen beim Erdbebenschutz besonders hoch.

Solides Wachstum
„Unsere Produkte haben ein recht komplexes Innenleben“, sagt Neumann. Die aparte, zierliche Frau mit den blauen Augen im bunten Kleid strotzt vor Energie. Ihr Blick ist rege, der Händedruck stark, alles Wichtige hat sie aus dem Stand parat und ihren Betrieb fest im Griff. Die Corona-Pandemie überstand man gut. „Wir hatten so hohe Bestände an Aluprofilen, dass wir weiter alles liefern konnten. Unabhängigkeit ist wichtig, wir machen fast alles in House.“ In Seligenstadt mietete man ein zweites Werk an, das Aluminium kommt aus Deutschland. Worauf sie besonders stolz ist? „Auf unser solides, gesundes Wachstum und dass wir Mitarbeitende haben, die Jahrzehnte bis zu ihrer Pensionierung bei uns geblieben sind.“ Die Marktführerschaft hängt sie nicht an die große Glocke.

Liebe zum Handwerk, das Streben nach Präzision, Lust an der Innovation und der Blick über den Tellerrand prägen den Betrieb von Anfang an. 1931 entwickelte Otto Hahn den Glaszement, die erste damit gebaute Ganzglasvitrine wurde bei der Pariser Weltausstellung 1937 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet, aus dieser Zeit stammt auch das Logo der Firma: Der rote Gockel.

Manuell und maschinell
Die Lamellenfenster entwickelten sich immer mehr zu einer Kernkompetenz der Firma. Seit 2015 führt man die HAHN Lamellenfenster GmbH als eigenständiges Unternehmen, Neumann übernahm dessen Leitung. Es ist also in fünfter Generation weiterhin in familiärer Hand. „Unsere Tradition, unser technisches Know-How und unsere Kernkompetenz bleiben, wir können aber flexibler und rascher auf den Markt reagieren.“

Das Original mit den schlichten Profilen, Einfachverglasung und kantigem Griff steht immer noch in einer Vitrine im Showroom. Es wird nicht mehr produziert, aber immer noch nachgefragt. Auf der Arbeitsgalerie hütet man die letzten erhaltenen Rahmen und Profile wie Schätze. Im Büro nebenan findet Armin Kohl, der Baustellen koordiniert und die Produktion im Blick hat, rasch Lösungen für akute Probleme. Über 40 Post-Its kleben auf der Landkarte an der Wand. In der Galerie gegenüber ist die Cafeteria für die Mitarbeitenden. In allen Produktionshallen sorgen Lamellenfenster in den Zwischentrenn-, Außenwänden und Oberlichtsheds für eine natürlich frische Brise und viel Tageslicht. Die Stimmung ist gut, in der Facharbeiterschaft finden sich alle Alter, einige sind schon Jahrzehnte da, sie geben ihre Erfahrung weiter.

Zügig versiegelt eine junge, drahtige, muskulöse Frau die Gläser gleichmäßig und genau. Sie ist eine der besten unter den Versieglern. 28 Menschen arbeiten in der Produktion, darunter sieben Frauen. In der Halle sind vier Meter hohe Lamellenfenster auf der Bahn aufgereiht. „Oben auf dem Gerüst arbeiten, ist schon eine Zirkusleistung“, sagt Neumann. „Für das Lufthansa-Gebäude in Frankfurt produzierten wir über 200 Einzelanfertigungen dieser Dimension. Das Handling war sehr umständlich.“ Hier gibt es computergesteuerte CNC-Fräsen ebenso wie Mitarbeiterinnen, die per Hand kaum sichtbare Drähte für den Vogelschutz knoten.

[BILD:2]

Beim Med Campus der Universität Linz gruppierte Architekt Peter Lorenz vier Quader um eine urbane Piazza, die sich stark in ihrer Materialität unterscheiden. Die Keramikfassade des Laborgebäudes sollte einen „Ziegel“ verkörpern. Dafür belegte HAHN das Lamellenfenster mit einschichtiger und beweglicher Keramik in den unterschiedlichen Farbtönen der Fassade. Sie dienen auch als Sonnenschutz. „Diese Keramiklamelle zur Beschattung gab es vorher nicht“, sagt Neumann. Sie wurde nach der Kernidee des Architekten mit Fenster- und Metallbauern projektspezifisch entwickelt.

Das Unternehmen reagiert rasch auf Anforderungen der Zeit. Für den Bestand wurden Lamellenfenster mit Wechselrahmen entwickelt, die man in einen alten Fensterstock einpassen kann. Besonderen Anforderungen begegnet man hier mit offener Neugier. Sonderwünsche willkommen!

30. Dezember 2024Isabella Marboe
Spectrum

Bregenzer Kornmarkt: Das Hotel „Kleiner Löwe“ hat ein Tonnendach

Auf dem Kornmarktplatz in Bregenz steht eine kleine Architektursensation: Das Schweizer Architekturbüro Herzog und de Meuron hat dort ein Stadthotel mit historischer Fassade und Wohnloft in Szene gesetzt.

Auf dem Kornmarktplatz in Bregenz steht eine kleine Architektursensation: Das Schweizer Architekturbüro Herzog und de Meuron hat dort ein Stadthotel mit historischer Fassade und Wohnloft in Szene gesetzt.

Die Lage ist premium: Das kleine schmale Haus steht hinter einer schattenspendenden, alten Linde auf dem Bregenzer Kornmarktplatz. Gegenüber befindet sich das Vorarlberg Museum der Bregenzer Architekten Cukrowicz Nachbaur mit den phänomenalen PET-Flaschenböden-Reliefs des Künstlers Manfred A. Mayr, die an Streublumenmuster oder Semmeln erinnern. Daneben das Landestheater, gefolgt vom ikonischen Kunsthaus des Pritzker-Preisträgers Peter Zumthor.

Das Haus liegt zwischen zwei Feuermauern auf einer acht Meter schmalen Parzelle, die sich 23 Meter tief in einen versteckten Hintergarten zieht. Es stammt aus dem 17. Jahrhundert und war ursprünglich eine Bierbrauerei; Lüftungsschlitze verraten bis heute, dass dort Gerste gelagert wurde. Gleich nebenan befand sich das Gasthaus „Zum Goldenen Löwen“, wo man auch übernachten konnte. Die Brauerei wurde zum Kinematografen, in den 1920er-Jahren zog die Allgemeine Depositenbank ein, der die Fassade ihre heutige neobarocke Erscheinung mit den drei Fenstertürbögen zum Platz verdankt. In den 1970er-Jahren wurde das Gasthaus abgebrochen; das schmale Häuschen blieb, es war Möbelhandel, Feinkostladen, Nachtclub, Café und Bar.

Ein gemischt genutztes Stadthaus

Mitte November 2013 brannte der Dachstuhl, seither stand das Haus leer. Im Herbst 2015 nahm es der Bauherr erstmals bewusst wahr, wurde sich mit den Grundeigentümern rasch einig und kaufte das Haus. Diese Lage ist auch Verpflichtung, es sollte ein gemischt genutztes Stadthaus bleiben: unten Gewerbe, oben Wohnen. „Wir wollten das Richtige tun und etwas finden, das der Platz noch nicht hat“, sagt der Bauherr. Geschäfte, Restaurants, Cafés und Banken gibt es hier genug, das Haus sollte in die Fußstapfen des „Löwen“ treten und ein exquisites Boutique-Hotel werden: der „Kleine Löwe“. Das Bauherrenpaar wollte es als Quereinsteiger selbst betreiben, dezidiert aber keinen Vorarlberger Architekten, sondern unbedingt und ausschließlich ein bestimmtes Architektenbüro mit dem Umbau betrauen: die Schweizer Herzog & de Meuron oder keines.

Der Bauherr griff nach den Sternen, kontaktierte das Büro, blieb hartnäckig, fuhr öfter nach Basel und ließ sich nicht abwimmeln. Glück war auch dabei: Die Chemie stimmte, zudem hatten Herzog & de Meuron bis auf die – natürlich! – außergewöhnliche Siedlung in der Wiener Pilotengasse noch kein weiteres Projekt in Österreich realisiert. Sie fanden die Bauaufgabe interessant. Der Umgang mit Bestand ist ein Thema der Zukunft, der sehr spezielle, beengte Bauplatz, das Raumprogramm und nicht zuletzt die Dringlichkeit des Bauherrn machten dieses Projekt besonders. Anfang 2017 nahmen Herzog & de Meuron den Auftrag an. So kam Bregenz zu einer weiteren kleinen Architektursensation.
Beengter Bauplatz als Herausforderung

Die Substanz des Hauses war nicht zu retten, bis auf die Fassade blieb davon nichts. Erstere wollten Herzog & de Meuron als integrativen Bestandteil des Kornmarktplatzes unbedingt erhalten, obwohl sie nicht unter Denkmalschutz steht. Sie musste aufwendig unterfangen und mit einem Stahlgerüst gestützt werden, bis das Haus hochgezogen war. Die Fundamente der Nachbarhäuser wurden im Düsenstrahlverfahren unterfangen, um die Bestandsbauten nicht zu gefährden; aufgrund der beengten Verhältnisse war der Bau eine besondere Herausforderung.

Hinter der in hauchzartem Hellblau kalkverputzten historischen Fassade mit den weiß gefaschten Rundbogenfenstern befindet sich ein kompletter, fast 20 Meter hoher Neubau. Das entspricht der Firsthöhe des Nachbarhauses aus den 1970er-Jahren. Es brauchte einige Massenmodelle mit Quadern, Pult- und Satteldächern, bis das Tonnendach als ideale Form gefunden war. Weich und halbkreisrund überwölbt die leichte Dachkonstruktion aus Holz den Raum zwischen den Feuermauern, gleicht souverän die fünf Meter Differenz zwischen den im Osten und Westen angrenzenden Häusern aus und wirkt durch den halbkreisförmigen Dachabschluss weniger hoch. Das ist sehr gut so.

Das Erdgeschoß mit den drei hohen Rundbogenfenstertüren auf den Platz ist die Auslage des Hauses, hinter der sich ein großer, 4,80 Meter hoher, durchgesteckter Raum bis zur vollverglasten Rückfassade durch die gesamte Haustiefe zieht. Schlichte, halbhohe Lamperie aus mattweißem Holz, darüber schlammfarbene, stoffbespannte Paneele, die akustisch wirksam sind, Holzparkett und geschmackvolle Möbel schaffen eine Atmosphäre, die genau den richtigen Ton zwischen wohnlich und urban trifft. Der Raum ist so choreografiert, dass er nie wie ein Schlauch wirkt und ganz beiläufig als Lobby, Wartebereich, Café und Veranstaltungsort in der Stadt dienen kann.

In der Mitte senkt sich die Decke auf 2,50 Meter ab. Ihr gespachtelter, schimmernder Stuccolustro-Putz reflektiert das Licht, der Tresen darunter ist auch Rezeption und Bar. Darüber beginnt die halb gewendelte Kreistreppe ihren Weg in die oberen Ebenen. Das Hotel teilt sich den Eingang mit dem sogenannten Stadtsalon, an dessen Seitenwand eine einläufige Treppe zu den Zimmern führt. In der dunklen Mittelzone ein mit Sternparkett belegter Verteilerraum zwischen Zimmertüren, Treppe und Lift, im Süden je zwei Zimmer an eineinhalb Fensterachsen zur Stadt, im Norden je zwei mit Glasfronten und kleinem Balkon zu Hintergarten und Pfänderblick.
Versteckte Terrasse

Der „Kleine Löwe“ fügt sich stimmig in die Stadtstruktur, ohne seine Bauzeit zu verleugnen. Das ist nicht zuletzt der Geometrie des Kreises zu verdanken, die den neobarocken Rundbogen zitiert und sich in vielen Details und Größenordnungen zeigt. Das hat System. Auf der beengten Fläche, die hier zur Verfügung steht, ist die fließende Grenze, die der Kreis im Raum erzeugt, sehr gewinnbringend. So bildet der viertelkreisförmige Abschluss der raumhohen Stahl-Glas-Fassade auf dem Balkon eines hintergartenseitigen Zimmers einen Freiraum aus, in dem man entspannt draußen sitzen kann. Sein Pendant bildet innen die runde Dusche mit den runden Fliesen.

Die schmale Dachtonne mit der silberweiß schimmernden Aluminiumhaut fügt sich in die Bregenzer Dächer. Sie ist ein wenig vor die Glasfassade gezogen und schützt so die zwei Balkone der bauherrlichen Wohnung vor zu viel Sonne, Regen und Neugier. Die Schlafräume befinden sich im dritten Stock über den zwei Zimmerebenen des Hotels und halten sich auch an deren Raumaufteilung: in der Mitte die Erschließung, je stadt- und hintergartenseitig die Räume. Südwärts die Wohnküche zu Garten, Baum, Hinterhofgewusel, Dachlandschaft und Pfänder, nordwärts das Living mit der großen, vom Tonnenvordach in fünf Meter Höhe überdeckten Terrasse zum Kornmarktplatz mit einer Ahnung vom Bodensee.

Die zweigeschoßhohe Wohnebene ist geprägt von der Dachwölbung. In ihrer Mitte ist ein Kreis in die Aluminiumhaut eingeschnitten: Er rahmt eine runde, gleichermaßen im Dach versenkte, versteckte Terrasse, auf der man nur noch den Himmel über sich hat. Der Rest ist Privatsphäre.

Spectrum, Mo., 2024.12.30



verknüpfte Bauwerke
Stadthotel „kleiner Löwe“

26. November 2024Isabella Marboe
Spectrum

Umbau des ältesten Waldorfkindergartens Wiens: Hier wird nicht nur mit Lehm gespielt

Der erste und älteste Waldorfkindergarten Wiens wurde jüngst aus- und umgebaut. Der innovative Ansatz: Reduktion auf natürliche Materialien und großflächiger Einsatz von Lehm aus dem Aushub des Turnsaals.

Der erste und älteste Waldorfkindergarten Wiens wurde jüngst aus- und umgebaut. Der innovative Ansatz: Reduktion auf natürliche Materialien und großflächiger Einsatz von Lehm aus dem Aushub des Turnsaals.

Die Rudolf-Steiner-Schule in der Mau­rer Endresstraße ist die älteste Wiens; seit ihrer Gründung 1964 blieb sie ihrem Standort treu. Die oberen Schulstufen werden im denkmalgeschützten Maurer Schlössl neben der Pfarrkirche unterrichtet. Waldorfkindergarten und Hort waren im kleinen Nebengebäude auf der anderen Straßenseite untergebracht. Ein typisches, eingeschoßiges Vorstadthaus der Gründerzeit mit tragender Mittelmauer, darüber ein Walmdach, straßenseitig drei Gaupen. Der Bestand war stark abgenutzt, die Räume waren beengt, es gab keinen Turnsaal. Die Kinder mussten selbst im Winter im Freien oder woanders turnen. Außerdem brauchte es mehr Platz für Kindergarten, vier Stammklassen sowie Räume für den Hort, Sonderunterricht und das Schulrestaurant.

Der Um- und Ausbau des Waldorfkindergartens von Dietrich/Untertrifaller und Andreas Breuss reagiert nun auf Bestand und Schulgemeinschaft. Dass 2500 m² unbehandelter Lehmputz aus dem Aushub des Turnsaals in dieser Größenordnung verbaut wurden, ist eine Pioniertat.

2014 lud der Rudolf-Steiner-Schulverein sechs Büros zum Wettbewerb, die Vorarlberger Dietrich/Untertrifaller und der im Lehmbau sehr versierte Andreas Breuss gewannen: Ursprünglich war ein Neubau geplant, der Bestand aber war unter Ensembleschutz. Er durfte also maximal zu 50 Prozent abgerissen werden, das alte Haus blieb bis zur Mittelmauer erhalten. Gott sei Dank: Die Zukunft liegt klar in der Bestandsanierung, die jetzige Lösung ist aufgrund der darin gespeicherten grauen Energie wesentlich nachhaltiger und entspricht besser der Schulphilosophie. Sie transformiert deren Geschichte in einer Architektur, die Alt und Neu zusammenführt und so zu einer faszinierenden atmosphärischen und räumlichen Vielfalt führt. „Die Frage war, wie man es schafft, aus dem kleinen Ding ein großes zu machen, ohne dass man es sieht“, erklärt Much Untetrifaller. „Wir extrudierten das Dach so weit wie möglich nach hinten und erzielten damit fast die doppelte Fläche.“

Das gelang innerhalb der bestehenden Traufkante von 7,50 Metern: Die drei breiten, horizontalen Gaupen im weit nach hinten reichenden Dachkörper wirken wesentlich eleganter als vorher, kaum wahrnehmbar steigt dahinter die extrudierte Fläche bis zu ihrem Hochpunkt über dem Stiegenhaus weiter an. Hier bringt es die Schule auf zweieinhalb Geschoße, die zwei oberen Klassen münden in eine riesige, ins Dach eingeschnittene Terrasse, wo man im Freien lernen kann.

„Dieser Baumbestand ist ein Glücksfall“

Im Garten spürt man das Mehrvolumen des Turnsaals mit den aufgesetzten Geschoßen deutlich, nimmt es aber vor allem hofbildend wahr. Die schwarzen Eternitschindeln harmonieren gut mit der Natur, die sich in den Glasscheiben spiegelt. Die Verzahnung von innen und außen ist gelungen. „Dieser Baumbestand ist ein Glücksfall“, sagt Untertrifaller. „Wir wollten, dass der Schulhof mit dem Grundstück verwoben ist.“ Die Architekten stellten den Turnsaal im rechten Winkel zum Bestand an dessen Westflanke, rechts davon mäandert ein kleiner, umzäunter Garten für den Kindergarten an der Grundgrenze entlang, in dem ein kleines Lehmziegelhaus steht, das die Schüler und Schülerinnen gebaut haben. Selbst Säen, Ernten, Weben, Spinnen, Korbflechten und andere Handwerke zählen zu den Fähigkeiten, die man sich hier aneignet.

Der Turnsaal bildet mit der Schule eine Art l-förmige Hoftypologie und fasst so den Freiraum ein. Er ist zwar drei Meter ins Erdreich abgesenkt, darüber aber bringen 2,70 Meter hohe Fensterbänder viel Tageslicht und einen direkten Blick in die Baumkronen herein. Ein Hauptgrund, warum dieses Projekt gewann. Ein externer Zugang garantiert, dass auch Externe von der hellen, 15 mal 27 Meter großen Normturnhalle profitieren. Stützenfrei überspannen Holzleimbinder die gesamte Spannweite. Das funktioniert nur, weil sie mit dem Klassengeschoß im ersten Stock ein statisches Raumtragwerk bilden.

Gekühlt wird mit Nachtluft

Der Bau ist vorbildlich nachhaltig, dezidier­tes Ziel waren chemiefreie Innenräume. „Wir verwendeten vor allem natürliche Materiali­en“, sagt Andreas Breuss. Er hat den Lehmbau bis dato vor allem im Privatbereich angewandt, die Rudolf-Steiner-Schule aber hat Öffentlichkeitsrecht und muss entsprechende Vorschrif­ten erfüllen. Trotzdem ging es ohne Rigips. Alle tragenden Wände sind aus Brettsperrholz, Zwischenwände aus Holzfaserplatten, Böden aus Holz, der Lehmputz ist aus dem eigenen Aushub angerührt, er passt farblich und sorgt für angenehmes Raumklima, weil Lehm Feuchtigkeit aufnimmt und sehr langsam wieder abgibt. Er ist also auch bauphysikalisch wirksam und verbessert die Akustik. Gekühlt wird mit Nachtluft, bis auf erdberührende Bauteile und das Stiegenhaus wurde kein Beton eingesetzt.

Man betritt die Schule seitlich im Foyer, die anschließende Schulkantine hat eine riesige Gartenterrasse und eine professionelle Gastroküche. Sie ließe sich als Lokal betreiben, Mauer könnte das brauchen. An der Schnittstelle von Bestand und neuem Turnsaal liegt eine Scherenstiege. Sie ist von zwei Seiten begehbar und erschließt den Turnsaal sowie die zwei offenen Laubengänge, die im Osten und Westen den ersten Stock flankieren. Sie sind innen bis in Brüstungshöhe mit Holz, außen mit schwarzen Eternitrauten verkleidet und so Teil des Dachkörpers. Den Klassen schaffen sie einen gedeckten Pausenflur im Freien. Er ist so bergend wie offen, zwei Außenstiegen an seinen Enden führen direkt in den Garten.

Auch das Foyer hat eine zweite Tür. „Hier gibt es keine Sackgassen, es gibt zwei Eingänge, zwei Ausgänge, ein Scherentreppenhaus, alle Unterrichtsräume sind miteinander verbunden, man könnte endlos im Kreis gehen“, so der Architekt. In dieser Schule kann man sich verlaufen, aber unmöglich verlieren. Die sechs Räume im ersten Stock des Neubaus sind alle gleichwertig, über Türen verbunden und flexibel nutzbar.

Zwischen den zwei Räumen im Westen liegen Garderoben und Sanitärzellen: Ihre Mitte bildet ein rundes, weißes Corian-Möbel mit vier Waschbecken. Es wirkt wie ein Dorfbrunnen, Händewaschen wird hier zum sozialen Akt. Dafür gibt es keine Spiegel. Wozu auch, wenn man einander ansehen kann? Alt- und Neubau bilden ein Ganzes, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zueinander bezogen bleiben. Vor allem aus den Überschneidungen resultiert eine große räumliche Komplexität.

Spectrum, Di., 2024.11.26

16. August 2024Isabella Marboe
Spectrum

Für diese steirische Schule gilt: Gefahr in Verzug

Über den Fortbestand der Neuen Mittelschule in Weiz wird schon länger debattiert. Seit einem Jahr müsste sie dringend saniert werden, passiert ist nichts. Nun stimmte der Gemeinderat dafür, die Aufhebung des Denkmalschutzes zu beantragen.

Über den Fortbestand der Neuen Mittelschule in Weiz wird schon länger debattiert. Seit einem Jahr müsste sie dringend saniert werden, passiert ist nichts. Nun stimmte der Gemeinderat dafür, die Aufhebung des Denkmalschutzes zu beantragen.

Die 1960er- und 1970er-Jahre waren selige Dekaden. Der Sozialstaat regierte, man glaubte an die Zukunft, den Fortschritt und dass gleiche Chancen für alle die Welt zu einem besseren Ort machen würden. Bildung wurde allen sozialen Schichten zugänglich und von der Schulreform 1962 bahnbrechend erneuert. Lehrende sollten Kinder und Jugendliche zu offenen, diskursfreudigen, modernen Menschen erziehen. Dieses fundamentale Umdenken erforderte auch neue Bauten.

Im Jahr 1964 beauftragte die Gemeinde Weiz Viktor Hufnagl mit dem längst überfälligen Bau einer Doppelhauptschule. Der Wiener Architekt plante zwei wegweisende Schulen, die erstmals in Österreich den Typus der Hallenschule in ihrer Idealform exemplarisch umsetzten. Sie hatten großzügige zentrale Hallen mit umlaufenden Galerien, die ausschließlich von oben belichtet waren. Begegnungsräume par excellence für Veranstaltungen, die Schulgemeinschaft, Lernende und Lehrende. Die Hallenschule transformierte moderne Pädagogik in Architektur und wurde zur bestimmenden Typologie des Schulbaus der 1970er-Jahre. Kaum eine kam an das Original heran, einzig die Schule der Ursulinen von Josef Lackner dürfte ihr ebenbürtig sein.

Ein Ensemble aus einem Guss

Hufnagl setzte die geforderte Doppelhauptschule in zwei annähernd spiegelgleichen, dreigeschoßigen Bauten mit quadratischem Grundriss um. Sie bilden mit dem mittigen, länglichen Quader des Turnsaals, einem Heizturm und dem Portiershäuschen ein Ensemble aus einem Guss. Betonbrutalismus zum Niederknien. Vorbild dafür war der Markusplatz in Venedig mit seinem Campanile, erinnert sich Hufnagls damaliger Mitarbeiter Elmar Hauser.

Der Planungsraster der Schule zieht sich von den Spannweiten der Stützen über die quadratischen Kassetten der umlaufend auskragenden Decken, Fensterachsen bis zu den Betonsteinen auf dem Platz durch. Selbst die Sichtziegelfassade der Turnhalle folgt ihm. „Die Architektur zeigt einerseits die typischen Merkmale eines relativ robusten Strukturalismus der frühen 1960er-Jahre, andererseits eine liebenswürdige, fast spielerische, dem Kind entgegenkommende Kleinmaßstäblichkeit, die ihr die Härte und das Absolute nimmt“, schrieb Friedrich Achleitner.

Mehrfach ausgezeichnete Schule

1968 wurde die Hauptschule mit dem österreichischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet, 2020 mit der „Geramb Rose“ für Klassiker, und noch im selben Jahr wurde der Gesamtkomplex unter Denkmalschutz gestellt.

Das heutige Gymnasium wurde zehn Jahre nach der Hauptschule fertig und wird von der BIG verwaltet. Als man es sanierte, stand es noch nicht unter Denkmalschutz. Der Sichtbetonbau ist weiß gestrichen. Vom Betonbrutalismus blieb nur die Struktur, das erleichtert die Akzeptanz der Bevölkerung. Die Fenster sind neu, etwas klobig. Keine filigranen, schwarzen Holzrahmen mit feiner Unterteilung wie beim Original gegenüber. Über all das kann man streiten. Was bleibt: hier ein gewarteter Bau mit einer zufriedenen Nutzerschaft, die ihren Maturaball in der Schule feiert und stolz ein „Ausgezeichnet“ in die Aula hängt. Dort reißerische Schlagzeilen in der „Kleinen Zeitung“, verängstigte Eltern und Schüler.

Direktorin Carolin Staudacher posiert in der Aula für das Foto von „Kleine“-Redakteur Thomas Wieser vor Kübeln auf dem Boden, die das undichte Dach dokumentieren sollen. Vor Ort verströmt die verwitterte, vermooste, wetterseitige Fassade, aus deren Ritzen Sukkulenten wachen, mit ihren abgesperrten Stiegen und Umgängen das morbide Flair eines Lost Place.

Diese Schule ist statisch noch optimierter als ihr Pendant, fast alles ist im Original erhalten. Drei Stützen an jedem Eck des Atriums tragen einen Großraum von 40 mal 40 Metern, dessen massive Rasterdecken weit auskragen.

Das kolportierte „Gefahr in Verzug“ gilt nicht den dort Lernenden und Lehrenden – es gilt dem Bau. Im Juli brachte die Gemeinde einen „Antrag auf Veränderung ein, der große Eingriffe beim Denkmal vorsieht“, wie das Bundesdenkmalamt in seiner Pressemeldung lakonisch schreibt. Die Diskussionen um den Erhalt der Schule gibt es seit über zehn Jahren. Im Oktober 2021 beauftragte die Gemeinde die Architekten Gangoly & Kristiner mit einem Sanierungskonzept, im November 2022 lag das Resultat vor: Die offene Architektur eignet sich hervorragend für die Lernlandschaften heutiger Pädagogik, die Klassen hatte bereits Hufnagl mit demontablen Zwischenwänden flexibel konzipiert, die katastrophalen Dämmwerte kriegt man mit dem System, das Gangoly entwickelte, in den Griff. Es setzt dem Gebäude im Prinzip innen eine zweite Fassade vor, die Luft dazwischen fungiert als Wärmepuffer.

Stellen im Beton wurden geöffnet

Laut Gutachten kostet eine zeitgemäße Sanierung um etwa zehn bis elf Prozent mehr als ein Neubau. Dabei sind Abriss- und Entsorgungskosten nicht eingerechnet. Heute sind 500 Kilogramm pro Quadratmeter Nutzlast gefordert, zur Bauzeit waren es 300 Kilogramm. Machte man reduzierte Anforderungen geltend, ließe sich noch einiges einsparen. Doch das wollte niemand näher wissen.

Im Juni 2023 fand ein Gespräch mit der Gemeinde, den politisch Verantwortlichen, der Landesverwaltung und dem Denkmalamt statt. Es ergab, dass die denkmalgeschützte Schule saniert werden muss. Dann geschah ein Jahr nichts. Bürgermeister Ingo Reisinger beteuert, seiner Instandhaltungspflicht nachgekommen zu sein. Der Bau spricht eine andere Sprache. Bei der gutachterlichen Untersuchung der Statik wurden Stellen im Beton geöffnet, die dortigen Bewehrungseisen liegen immer noch frei. Korrodieren sie, platzt der Beton ab.

Neue Schule würde wieder mehr Boden versiegeln

Seither hat sich die Diskussion um CO2-Bilanz und Bodenversiegelung massiv verschärft. Der Altbau speichert so viel graue Energie, dass er diesbezüglich jedem Neubau überlegen ist; die neue Schule würde wieder mehr Boden versiegeln. All das wird bis dato nicht bepreist, ganz zu schweigen von den ideellen Werten und kollektiven Erinnerung, die dieses Gebäude speichert. Neu zu bauen ist eine anachronistische Entscheidung. Umso mehr bei einem Bau, der einmal wegweisend war. Er könnte bei einer denkmalgerechten Sanierung wieder wegweisend werden. Das scheint die Politik nicht zu interessieren. „Zum einen ist diese Schule sanierungsbedürftig, zum anderen steht sie unter Denkmalschutz. Wenn man beides gegenrechnet, ist ein Neubau wesentlich günstiger als eine Sanierung“, resümiert der Bürgermeister. „Ich muss wirtschaftlich agieren. Unser Ziel ist ein Neubau.“

2024 attestierte ein Gutachten der Grazer Immobilien Consulting GmbH Seiser + Seiser die wirtschaftliche Abbruchreife. Der Gemeinderat beschloss (es gab nur eine Gegenstimme), die Aufhebung des Denkmalschutzes zu beantragen. Das kann ein Todesurteil sein. Der Ball liegt beim Bundesdenkmalamt, bei der Gemeinde, bei Land und Bund.

Denkmalgeschützte Bauten müssen saniert werden. Man könnte Weiz unterstützen, die Mehrkosten zu stemmen. Die Schule und der Planet wären es zigfach wert.

Spectrum, Fr., 2024.08.16

14. Juni 2024Isabella Marboe
Spectrum

Ein Haus wie ein Dampfer: die Badesiedlung in Greifenstein

Die ersten Häuschen der Strandsiedlung in Greifenstein waren wirklich nur zum Baden da – heute darf und will man hier mit allem Komfort leben. Wie aus einer „Piratenhaus“ genannten Hütte ein ganzjährig bewohnbares Domizil wurde.

Die ersten Häuschen der Strandsiedlung in Greifenstein waren wirklich nur zum Baden da – heute darf und will man hier mit allem Komfort leben. Wie aus einer „Piratenhaus“ genannten Hütte ein ganzjährig bewohnbares Domizil wurde.

Wasser ist ein konstituierendes Element der Badesiedlung Greifenstein. Eine halbe Stunde von Wien rückt die Stadt hier schlagartig in die Ferne und es beginnt eine andere Zeitrechnung. Wasser in der Luft, Grillen zirpen, es ist grün und frisch. Die Badesiedlung liegt an einem Altarm der Donau, der Bau des Kraftwerks Greifenstein zähmte den Fluss, trotzdem kommt es immer wieder zu Überschwemmungen. Deshalb stehen alle der rund 700 Häuser hier auf Stelzen, deren Höhe sich am Jahrhunderthochwasser 2013 misst: 170, 49 cm über Adria.

Das Hochwasser eint alle, die Kontrolle des Wasserstands der Donau gehört zum Alltag, er findet sich auch auf der Website der Gemeinde. Regelmäßig werden die Häuser geflutet. „Wir konnten direkt vom Balkon aus in unser Schlauchboot steigen“, erinnert sich Andreas Etzelstorfer, der das Büro Backraum Architektur betreibt und selbst in Greifenstein wohnt. Er erweitert sein Haus gerade um einen schlanken, zweigeschoßhoch verglasten, spitzen Zubau aus rotem Holz.

Anfangs nicht mehr als ein Umkleideraum

Bis auf die vorgeschriebenen Stelzen, die den spezifischen Charme dieser Siedlung am Wasser ausmachen, ist jedes Haus ein Unikat. Viele Geschmacksrichtungen, Farben und Formen finden sich, der gehobene Komfortanspruch der zunehmend sesshaften Siedlergemeinschaft ist an der Architektur ablesbar. Die ersten Badehütten wurden Ende der 1930er-Jahre errichtet. Anfangs nicht viel mehr als ein Umkleideraum, kamen später Kochzellen dazu, die zu Küchen wurden, kleine Wohn-, Badezimmer, Hoch- und Stockbetten folgten.

In erster Reihe am Wasser hat sich am Treppelweg ein recht geschlossenes Ensemble alter, dunkelbrauner Holzhäuser auf Stelzen erhalten. Der dezente, dezidiert zeitgenössische Zubau von Architekt Andreas Fellerer ging als vorbildlich sensibel in die Annalen der Architekturpublizistik ein. Unweit davon führt ein massiver Neubau ebenso exemplarisch vor, wie leicht die ausgewogen stimmungsvolle Balance, die diese Atmosphäre bedingt, zu stören ist.

Die Gebäudehülle wurde erhalten

Wer neu baut, nutzt fast immer aus, was die Bauordnung hergibt. Immerhin 80 m² Wohnfläche sind erlaubt, dazu ein Raum mit 50 Prozent der bebauten Fläche zwischen den Stützen, sofern er zwei Öffnungen aufweist, die das Wasser durchfließen lassen. Die Traufhöhe darf 7,50 m betragen. Baugrund in Greifenstein ist hoch begehrt, auf der Suche nach einem Haus bestückte der Bauherr alle greifbaren Postkästen mit Flugzetteln. Die Übung gelang: 2018 erwarb er ein kleines, eingeschoßiges Holzhaus auf Stelzen mit dunkelbrauner, horizontaler Lärchenlattung, weißen Fensterrahmen und Fensterläden auf einer etwa 15 m breiten Parzelle, die sich rund 43 m nordwärts zieht.

Im Süden die Straße, dahinter das Haus, elf Stützen im Erdgeschoß, auf dem in 2,50 m Höhe die Wohnebene aufliegt. Etwa sieben Meter breit, acht Meter lang, im nordöstlichen Eck führt eine dreiläufige Treppe mit Viertelpodest zum Eingang im gartenseitig vorstehenden Erker. Damals war die Bauherrin mit dem zweiten Kind schwanger, das Haus war höchst desolat. Man wollte es erhalten und auch im Frühjahr und Herbst nutzen, es musste saniert und neu gedämmt werden.

In den Hohlräumen zwischen Holzstützen und Lattenfassade bezeugten alte Zeitungen des Jahres 1953, wie sparsam man nach dem Krieg ausgebaut hatte. MO Architekten ließen die abgehängten Decken abnehmen, um die Raumhöhe zu maximieren, und prüften die Tragkonstruktion. Die Gebäudehülle wurde erhalten, thermisch saniert und mit Isolierglas versehen. „Die Zimmer waren sehr klein und für eine Familie ungeeignet. Wir entfernten alle Zwischenwände, um ein Maximum an Raum herauszuholen und alles unterzubringen“, erklärt MO Architektin Olivia Wieser.

Runde, sinnliche Formen

Gestalterisch folgte man dem Schiffsmotiv. Das Holz wurde weiß lackiert, die Küche nimmt es punkto Raumeffizienz mit jeder Kombüse auf. Die Nirosta-Arbeitsplatte ist nicht viel breiter als das Schiebefenster, die Küche teilt sich den kleinen Erker mit dem winzigen Sanitärraum, wo Waschtisch und Dusche unterkamen. Links vom Eingang schwingt sich eine Eckbank um einen auf dem Holzboden angeschraubten Tisch und erreicht das leicht ansteigende Pultdach 2,34 m Raumhöhe. Das Eckfenster lässt sich aufschieben, das Schlafzimmer hat eine Schiebetür aus Nirosta mit Nieten und rundem Sichtfenster, durch ein kleines Bullauge sieht man vom Bett ins Freie. Dessen Korpus ist selbstredend ein Stauraum, die Kinder lieben die kreisrunden Fenster.

2019 war der Umbau fertig und das zweite Kind geboren, die Bauherren verbrachten die gesamte Pandemiezeit in der Badesiedlung. Als zwei weitere Geschwister nachkamen, waren 40 m² nicht mehr genug und ein Ausbau fällig, den Andreas Etzelstorfer von Backraum plante. Räumlich waren zwei Kinder- und ein Elternwohnzimmer gefordert, gestalterisch mussten runde Formen vorkommen, „weil das sinnlich ist“.

Zweites Bad für innerfamiliären Frieden

Auch Etzelstorfer musste aus minimaler Fläche maximalen Raum generieren, außerdem die geforderte Kreisform mit dem rechtwinkeligen Bestand zu einem Ganzen verbinden. „Die Herausforderung lag in besonders vielen Anforderungen: in der Bauordnung, im Raumprogramm, im Bestand, in der Rundung“, bringt er die Sache auf den Punkt. „Im Detail hatte man ganz genau keinen Spielraum mehr.“ Trotzdem konnte er die Bauherrenfamilie von der Notwendigkeit eines weiteren Bades zu überzeugen. Für den innerfamiliären Frieden mit vier Kindern höchst förderlich.

Der Zubau hat Holzriegelwände, die innen mit Brettsperrholz, außen mit weiß lasierten Latten verkleidet sind: Das ist ökologisch, passt zum Bestand und bedingt geringe Wandstärken, was bei so wenig Fläche durchaus relevant ist. Der Zubau schiebt sich gleichermaßen im Vorgarten vor das alte Haus, zwischen den Stützen wurden im zulässigen Höchstausmaß 50 Prozent der Fläche zum hochwasserexponierten Raum geschlossen, den der Bauherr künftig als Werkstätte oder Atelier nutzen will. Davor parken die Autos zwischen den Stützen. Zur Straße hin eckig, zum Garten hin rund, längsseitig wie ein Schiff, überspielt dieses Haus sein Volumen mit südländisch-mediterraner Lebensfreude, die von der Nachbarschaft sehr positiv aufgenommen wird.

Diese Stimmung setzt sich im hellen, leichten Inneren des weißen Holzzubaus fort. Die Treppe in den ersten Stock verschwindet hinter einer Schiebetür mit Bullauge, jedes Kinderzimmer hat eine raumhohe Fenstertür auf den Balkon, der sich die gesamte Südfassade entlang und ums Eck nach Osten zieht. Weiße, verschiebbare Streckmetallpaneele sorgen für Sonnen- und Blickschutz. Über dem Bullauge, das der Badewanne zu einem fulminanten Ausblick verhilft, führt eine Außentreppe auf die große, gedeckte, halbrunde Südterrasse, die sich um das private Elternwohnzimmer im ersten Stock wickelt. Weich rahmt deren Dachform das Panorama über dem Wasser, das Flachdach hat nur noch den Himmel über sich. Zwei witterungsgebeutelte Fauteuils bezeugen, wo der Bauherr am liebsten sitzt.

Spectrum, Fr., 2024.06.14

10. Mai 2024Isabella Marboe
Spectrum

Wien-Penzing: Wer will in der Schule wohnen?

Die Doppelhauptschule von Helmut Richter in Wien-Penzing ist ein ikonischer Bau. Seit 2017 steht sie leer, seit Kurzem unter Denkmalschutz, der Schulbedarf des Bezirks ist gedeckt. Nun sucht die Stadt nach einer zukunftsfähigen Nutzung: als Wohnbau?

Die Doppelhauptschule von Helmut Richter in Wien-Penzing ist ein ikonischer Bau. Seit 2017 steht sie leer, seit Kurzem unter Denkmalschutz, der Schulbedarf des Bezirks ist gedeckt. Nun sucht die Stadt nach einer zukunftsfähigen Nutzung: als Wohnbau?

Es dauerte lang: Mit Schreiben 30. April 2021 informierte das Bundesdenkmalamt die Stadt Wien von seiner Absicht, die Doppelhauptschule von Helmut Richter in Wien-Penzing unter Schutz zu stellen. Seit 25. Jänner 2024 ist sie rechtskräftig ein Denkmal. „Wir haben einen sehr aufwendigen Prozess aufgesetzt, um zu einer guten Lösung zu kommen“, so Wolfgang Salcher, der Leiter des Landeskonservats für Wien. Er hofft auf Planer, die „richtig tief einsteigen“. Wie Adolf Krischanitz, der Karl Schwanzers 20er Haus so glücklich sanierte.

Mehrfach ersuchte die Stadt um Fristverlängerung, am 3. März 2023 übermittelte sie ein Privatgutachten von Architekt Manfred Wehdorn, einer Koryphäe der Denkmalpflege. Es prüfte die wirtschaftliche Abbruchreife, ließ keine Zweifel an der „höchsten architektonischen Qualität“ der Schule, stellte aber „verheerende Bauschäden“ fest. Das Bundesdenkmalamt schloss eine „faktische Unmöglichkeit der Instandsetzung“ aus und stellte klar, dass der Verlust der Schule eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturbestands und ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse sei.

Offene Räume erweitern den Horizont

Man betrat die Schule seitlich über einen Steg in einer großen, hellen Aula aus Stahl und Glas, 15 Meter hoch, darüber ein schräges, blau getöntes Glasdach, das auch Fassade war, auf einem Tragwerk aus Stahl. Dahinter ein zweites Schrägdach, 1500 m² Glas über einem tief ins Erdreich eingegrabenen Dreifach-Turnsaal. Dazwischen ein Pausenhof, oft wurden die Dächer als Libellenflügel rezipiert, Peter Cook sprach von „hand-tailored tech“.

Die Schule liegt auf einem wasserführenden Hang, der nach Süden steil abfällt, Dach und Gebäude folgten seiner Neigung. Die drei zweihüftigen Klassentrakte, die wie Finger ins Gelände ragen, sind zwischen zwei und vier Geschoße hoch. Offene Erschließungsstege und Treppenkaskaden durchmaßen die gesamte Länge, man überblickte Aula und Turnsaal. Lüftungsrohre, Installation, Stahlknoten, Zugseile, Sonnensegel: alles offen, alles ablesbar, fast jedes Detail ein Unikat. 600 Schüler besuchten die Schule. Richter hatte sie 1991 geplant, sie stand für Aufbruch, Transparenz und die Überzeugung, dass offene Räume mit viel Bewegungsfreiheit den Horizont erweitern.

Alfred Dorfer als Lehrer in „Freispiel“

Richter strebte nach konstruktiver Innovation, formvollendeten Details und orientierte sich an Renzo Piano, Richard Rogers, Norman Foster. Als Professor für Hochbau brachte er frischen Wind und internationale Vortragende an die TU Wien. 16 Jahre lehrte er dort und lebte vor, was es heißt, für Architektur zu brennen. Diese Schule war sein Hauptwerk, ein Direktauftrag und Leuchtturmprojekt des „Schulbauprogramms 2000“ von Stadtrat Hannes Swoboda. Architekten pilgerten in Scharen hin, als Musiklehrer im Film „Freispiel“ unterrichtete der junge Alfred Dorfer an dieser Schule. Es regnete Auszeichnungen, die avancierte Stahl-Glas-Architektur hatte ihren Preis.

Die Akustik der harten Oberflächen war brutal, unbarmherzig brannte die Sonne auf das Glas, Bauschäden kamen heraus und Mängel häuften sich. Keine andere Schule war im Betrieb so teuer. Richters Kompromisslosigkeit war mit den ökonomischen Sachzwängen und dem Pragmatismus der MA 56 nicht kompatibel. Statt der geplanten Drainage, zwischen deren Steinen das Hangwasser durch- und abrinnen sollte, setzte man den Bau in eine Dichtbetonwanne. Die Bauphysik war mit kühlender Nachtluft berechnet, die dafür vorgesehene Lüftungsklappe blieb zu. Die projektierten Fotovoltaikpaneele auf dem Dach gab es nie.

Die Stadt beauftragte Gutachten, die des Werkraum Wien (2015) und von KPPK (2016) hielten eine respektvolle Mängelbehebung zu vertretbaren Kosten für möglich. Bestandserhaltende Maßnahmen wurden auf 5,6 Mio. Euro geschätzt, nichts geschah. Ein Gutachten von Ingenieur Ribarich (2018) ging von etwa 60 Mio. Euro für eine Generalsanierung aus, viel zu viel. Die Stadt lud Experten zu zwei Sounding Boards, niemand war für einen Abriss.

Seit 2017 steht die Schule leer, ein Tod auf Raten. Sie blieb ungesichert, es kam zu Vandalismus, ohne Strom keine Sumpfpumpe, Wasser drang ein, zerbrochenes Glas wurde nicht ersetzt, jeder Schaden ist ein Schritt mehr zur wirtschaftlichen Abbruchreife. Die Stadt als Schulerhalterin schaute zu, die Fachwelt war alarmiert. Architektin Silja Tillner, Helmut Richters Witwe, mobilisierte. Prominenz von Wolf D. Prix abwärts, die ZV, die Ögfa, die IG Architektur, das AzW, die Initiative für Denkmalschutz, „Bauten in Not“: Alle standen in ungeahnter Einigkeit hinter der Schule. Am 18. September 2019 – dem Tag des schutzlosen Denkmals – gab es eine Demo-Lecture, am 23. Oktober einen Fachworkshop an der TU Wien, Architekt Johannes Zeininger brachte eine Petition zum Erhalt der Schule ein.

In der Dauerausstellung des AzW ist die Richter-Schule vertreten, eine Podiumsdiskussion dazu am 26. Jänner 2022 war ausgebucht, das Büro Tillner & Willinger präsentierte dort sein FFG- und „Stadt der Zukunft“-Forschungsprojekt, das die Idee der Solarpaneele auf dem Dach weiterentwickelt und den Bestand zum Fallbeispiel für eine zukunftsweisende energetische Sanierung macht. „Man kann an diesem Gebäude zeigen, wie sich viele Probleme von Glasarchitektur lösen lassen“, erklärt Tillner.

Unweit des Bahnhofs Hütteldorf eröffnete im Oktober 2022 ein neuer Bildungscampus mit 29-klassiger Ganztagsschule für rund 1100 Kinder, damit ist der Schulbedarf des Bezirks gedeckt. Die Richter-Schule muss nun nie mehr Schule sein, die Widmung des Grundstücks lässt Wohnbau zu. Wien kann Wohnen, Wohnen wird gebraucht und rechnet sich.

Erneut Leuchtturmprojekt?

Im Auftrag der Stadt startete die WSE Wiener Standortentwicklung GmbH nun ein Konzeptverfahren. Die Ausschreibung wurde EU-weit veröffentlicht, die Jury darf nicht genannt werden. Zuschlagskriterium ist vorrangig die Qualität der Projekte in Verbindung mit dem angebotenen Preis. Gesucht ist ein Investor mit einem „qualitativ hochwertigen“ Zukunftsszenario für den Bestand. Eine weitere Schul- sowie anderweitige Nutzung durch die Stadt wird dezidiert ausgeschlossen, der Bestand im Baurecht vergeben. „Dadurch behalten wir ein Mitsprachrecht. Wir haben uns über ein Jahr mit der Baudirektion ausgetauscht, nehmen den Denkmalschutz sehr ernst und werfen die Schule nicht einfach auf den Markt“, so Andreas Meinhold, Geschäftsführer der WSE. Wohnen ist möglich und das Verfahren bewusst weit gefasst. Es dient auch dazu, die Interessenslage auf dem Markt abzufragen. „Wir sind für alles offen. Jede Immobilie, die leer steht, tut mir weh“, so Meinhold. „Wenn Helmut Richter noch lebte, sähe diese Schule ganz anders aus. Er hätte sie laufend verändert und angepasst.“

Man weiß es nicht. Was man weiß: Diese Schule ist ein außergewöhnlicher Bau, sie verträgt keine Kompromisse. Das hat sie bewiesen. Wie lässt sie sich erhalten, ohne sie zu zerstören? Die Antwort auf diese existenzielle Frage muss außergewöhnlich sein. Nur dann könnte sie sich treu bleiben und wieder Leuchtturmprojekt werden.

Spectrum, Fr., 2024.05.10



verknüpfte Bauwerke
Informatik-Mittelschule Kinkplatz

12. April 2024Isabella Marboe
Spectrum

Neue Wohnanlage in Kirchdorf in Tirol: Wo der Wilde Kaiser grüßt

Wohnbau ist immer zugleich Städtebau – das gilt auch und besonders auf dem Land. Am Anfang der neuen Wohnanlage in Kirchdorf in Tirol stand ein Wettbewerb.

Wohnbau ist immer zugleich Städtebau – das gilt auch und besonders auf dem Land. Am Anfang der neuen Wohnanlage in Kirchdorf in Tirol stand ein Wettbewerb.

Kirchdorf in Tirol hat einiges richtig gemacht. Die kleine Gemeinde mit knapp über 4000 Einwohnern ist erfreulich kompakt und hat ein eindeutiges Zentrum, die Häuser sind moderat dimensioniert. Zwei bis drei Geschoße, darüber die ortstypischen flachen Satteldächer. Der Dorfplatz beginnt bei der mittelalterlichen Pfarrkirche St. Stephan. Von dort zieht er sich die Straße nordostwärts weiter über das Gemeindeamt bis hin zu seinem gleichermaßen profanen Pendant schräg gegenüber. Dort gruppieren sich alle wesentlichen öffentlichen Einrichtungen, die eine Gemeinde am Leben halten, zu einem angenehmen, ruhigen Dorfplatz.

Der kleine Musikpavillon mit seiner ziehharmonikaartigen, akustisch wirksamen Dachstruktur ist straßenseitig Bushaltestelle, zum Platz hin eine Bühne. Einträchtig fassen der neue Kindergarten, der bestehende Turnsaal, die neue Volksschule und der alte Dorfsaal inklusive Heimatbühne reihum den Platz ein. So ein geglückter öffentlicher Ort fällt nicht vom Himmel, er ist Resultat eines Wettbewerbs, den Parc Architekten und Markus Fuchs gewonnen haben. Selbst das angrenzende Bächlein wurde dafür verlegt.

Kirchdorf liegt im Speckgürtel von Innsbruck, unweit von St. Johann, die Gemeinde ist entsprechend attraktiv, ihr Wohnbedarf sehr hoch. Einen Steinwurf vom Dorfplatz, gleich hinter der Volksschule, lag ein großer Baugrund brach. Insgesamt 13.000 Quadratmeter, eine signifikante Größe für so einen Ort. Im Nordosten schlängelt sich besagtes Bächlein um eine kleine Kapelle, auch im Südosten begrenzt die Großache das Grundstück, der Baugrund war entsprechend schlecht. „Bei so einem großen Bauvorhaben hat ein städtebaulicher Wettbewerb durchaus Sinn“, so Michael Wurzenrainer, Prokurist der sozialen Wohnbaugenossenschaft Frieden Tirol, die sich stark über Architekturqualität profiliert.

Ein Ort, an dem man plaudert

Ein Wettbewerb verursacht Mehrkosten, bei der Wohnbauförderung ist naturgemäß die dafür festgesetzte Kostenobergrenze des Landes Tirol einzuhalten, den Bedarf erhebt die Gemeinde. Die Frieden Tirol schloss sich mit der Alpenländischen Heimstätte zusammen, kaufte den Grund, schrieb gemeinsam mit der Gemeinde 2019 einen städtebaulichen Wettbewerb aus und kooperierte mit der Architektenkammer Tirol; elf Büros nahmen teil. Das Programm umfasste 115 Wohnungen und einen Jugendtreff.

Die Entscheidung der Jury erfolgte einstimmig: Das Projekt von Architekt Veit Pedit und dem Büro Burtscher Durig siegte. Danach erfolgte die Bauwidmung. Gemeinsam entwickelten sie eine Art abgeflachter, trapezförmiger Punkthäuser, die geschickt zwischen dem Maßstab der öffentlichen Bauten am Dorfplatz und den Einfamilienhäusern vermitteln. „Wir wollten keine Reihen oder Blöcke auf das Grundstück stellen, sondern Häuser schaffen, die in den örtlichen Maßstab passen“, erklärt Veit Pedit. Die neun dreigeschoßigen, frei stehenden Baukörper haben trapezförmige Grundrisse, die zwischen 16 und 23 Meter breit sowie 24 und 29 Meter lang sind, jeder ist ein wenig anders. Sie sind so gegeneinander verdreht, dass sich zwischen ihnen kleine Plätze und Wege bilden. Die Eingänge sind an einem Eck in die Häuser eingeschnitten, in diesem gedeckten Freiraum trifft jedes Haus auf Straße und Platz.

Die ersten drei Häuser sind fertig, sie wurden mit Wohnbaufördermitteln des Landes Tirol errichtet. Die Wohnungen waren in kürzester Zeit vergeben, am 17. Oktober 2023 erfolgte die Schlüsselübergabe. Die Stimmung ist gut, auf fast jeder Tür ist „Willkommen“ zu lesen, auf den Balkonen wird Wäsche getrocknet, auch Fahrradständer und Postkästen stehen im Außenfoyer unter Dach, zwischen den V-förmigen Stützen spannt sich eine Bank. Zwei pro Foyer plus Eingang, das macht einen Ort, an dem man plaudert.

Umsetzung innerhalb der Kostenobergrenze

Der Spielplatz für Kleinkinder ist dem Abenteuerspielplatz der Gemeinde keine Konkurrenz. Ein Mädchen schaukelt, das Weidenzelt wartet auf besseres Wetter, und am Bach liegen Findlinge in einem Kreis. Architekt und Bauleiter haben sie gebracht. Jede Wohnung bietet schöne Ausblicke. Den Gipfel des Wilden Kaisers sieht man fast von überall, das Kitzbüheler Horn oft, auch Kirchturm und Bach bieten einen malerischen Anblick, nicht zuletzt die gegenüberliegenden Häuser. Alle Dächer sind extensiv begrünt, schließlich sieht man sie von den umgebenden Bergen aus.

Sie zeigen, dass auch die letzte Hürde – die Umsetzung innerhalb der Kostenobergrenze – souverän gemeistert wurde. „Es wird immer schwieriger, das zu stemmen“, so Christoph Riml, Bauleiter der Frieden, „wir müssen ständig Varianten erstellen.“ Die Anlage hat Passivhausstandard, Grundwasserwärmepumpe, kontrollierte Lüftung. Auch das wird gefördert, ohne rigorose Kostenkontrolle läuft nichts.

Die Architekten hatten die künstlerische Oberleitung und die Planung der Leitdetails inne. Das ist entscheidend, um mit geringstem Qualitätsverlust einzusparen. Von Anfang an gab es nur zwei Fensterformate, aber alle raumhoch. Einmal 90 Zentimeter schmal, französisch, für Schlaf- und Kinderzimmer, einmal drei Meter breit für die Wohnküchen. Aus Kostengründen sind es keine Holz-Aluminium-Fenster mehr, der günstigeren Kunststoff-Alternative sieht man mit dunklen, eingeputzten Rahmen ihr Material nun gar nicht an. Ausgeschrieben war beides.

Spielerisch-mediterrane Anmutung

Die Stiege in der Mitte hat Oberlicht, Wohnungen am Eck sind von zwei Seiten belichtet, fast jede mit zwei Balkonen, gesamt fast 25 Prozent der Wohnfläche. Die Grundrisse sind sehr gut geteilt und ausgestattet: Eichenstabparkett, großformatige, weiße Fliesen in den Bädern. Dafür kommen die Tiefgarage mit Sichtbeton und die Balkongeländer und Fahrradständer mit verzinktem Stahl aus. Keine Mehrkosten für Anstriche. Die Balkonplattformen aus Beton sind auf einer Seite zur Brüstung hochgeknickt: Das schafft Sicht- und Windschutz und verbessert die Statik. Vor allem ist es schön. Wie die Flugdächer und Fenster, die nicht strikt übereinander, sondern gegeneinander versetzt sind. Das gibt der Anlage etwas Spielerisches, sie wirkt fast mediterran und hat eine freundliche Ausstrahlung. Das ist nicht hoch genug zu bewerten.

Die Erdgeschoßeinheiten verfügen über Eigengärten, in der 99-Quadratmeter-Wohnung über der Tiefgarageneinfahrt lebt Familie Gartner, 1390 Euro brutto kostet die Wohnung im Monat, nur Strom kommt noch dazu. Die Familie schätzt sehr, dass die Zimmer ihrer Kinder Leon und Julia französische Fenster auf die Terrasse haben. „Wir wollten immer, dass unsere Kinder selbstständig nach draußen gehen können. Wir lieben diese Wohnung!“, so Steffi Gartner. Vom Esszimmer sieht man das Kitzbüheler Horn. Und die Kinder. Die Einreichplanung für das nächste Haus ist schon in Arbeit.

Spectrum, Fr., 2024.04.12



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Wohnbebauung Kirchdorf in Tirol

17. Februar 2024Isabella Marboe
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Adolf Loos wird umgebaut – die Mustersiedlung am Wiener Heuberg

Wiens Siedlern auf der Spur: Auf dem Heuberg reihen sich kleine Häuser mit großen Nutzgärten aneinander, 17 Planer entwickelten 17 Haustypen. Eines dieser Häuser wurde nun ausgebaut.

Wiens Siedlern auf der Spur: Auf dem Heuberg reihen sich kleine Häuser mit großen Nutzgärten aneinander, 17 Planer entwickelten 17 Haustypen. Eines dieser Häuser wurde nun ausgebaut.

Die Geschichte der Siedlerbewegung ist eine von solidarischer Selbstermächtigung. Sie begann um 1918 mit einer illegalen Landnahme durch Zehntausende verzweifelte, verarmte, ausgestempelte, hungrige Menschen aller Klassen. Sie bauten ihr eigenes Gemüse an und errichteten sich „um alle Eigentumsrechte unbekümmert“ (Otto Bauer) provisorische Behausungen in sogenannten Bretteldörfern im Wald- und Wiesengürtel Wiens, aber auch auf Militärparadeplätzen, in Parks und Brachstätten der Stadt. In den 1920er-Jahren wurden sie von der Stadtregierung legalisiert und in die Verwaltung eingegliedert.

Adolf Loos leitete das städtische Siedlungsamt, er plante auch die Siedlung auf dem Heuberg. Minimierte Reihenhäuser in Schottenbauweise mit Nutzgarten zur Selbstversorgung, Loos parzellierte sie so, dass die Gärten 40 bis 50 Meter lang und gut besonnt waren, er zeichnete sogar die Beete ein. Siedler und Siedlerinnen leisteten 3000 Arbeitsstunden am Bau, die fertigen Häuser wurden verlost. 17 Architekten entwarfen auf dem Heuberg 17 Haustypen, auch Loos’ Mitarbeiterin Margarethe Schütte-Lihotzky plante zwei Häuser.

Loos realisierte dort acht Musterhäuser als „Haus mit einer Mauer“, das er 1921 patentieren ließ. Es fasst Feuer- und Außenmauer zweier benachbarter Häuser zur gemeinsamen tragenden Trennwand zusammen. Beider 5,5 Meter lange Deckenbalken konnten sie als Auflager nutzen, das sparte wertvolles Baumaterial.

Einst winzig wie eine Skihütte

Für heutige Verhältnisse sind die Häuser sehr klein, die großen Gärten, das merkbar kühlere Mikroklima und die günstigen Mieten machen sie resilient. Sie so umzubauen, dass auch die Nachkommen der Errichtergeneration gern darin wohnen, birgt großes Zukunftspotenzial. Die Mauern sind hellhörig, die Nachbarschaft kommt einander sehr nah. Soziale Verträglichkeit empfiehlt sich, auch das birgt Zukunftspotenzial.

Das Siedlerhaus der Bauherren wurde von Stadtbaumeister Hans Uvodich geplant. Es ist eines der Reihenhäuser in der Röntgengasse, nur 5,90 Meter breit, 7,10 Meter lang, mit kleinem Vorgarten, der Nutzgarten ist riesig. Der Eingang liegt fünf Stufen erhöht an der linken Trennmauer, wo eine gewendelte Treppe ins Obergeschoß führt. Zwei Zimmer und ein Kabinett, straßenseitig das größte mit 16 Quadratmetern, die kleineren zehn und sechs Quadratmeter groß. Im Erdgeschoß eine Wohnküche, dahinter der Stall für das Kleinvieh, die Spüle und der Abort, wichtig zur Düngerproduktion.

Der Urgroßvater der Bauherrin war einer der ersten Siedler der ersten Stunde, später erbte der Onkel das Haus. Er nutzte es vor allem am Wochenende, die einstige Spülküche wurde zum Bad und der Stall zur Küche, sonst änderte sich nicht viel. Später zogen die Bauherren ein, damals noch Studierende. Im Sommer ist es auf dem Heuberg wesentlich kühler und viel ruhiger als in der Stadt, die Bauherren hatten Hochbeete und Obstbäume im Garten. Doch das Haus war winzig und gedrückt wie eine Skihütte, an einen Umbau dachten sie schon lang, im Jahr 2018 begann Architektin Katharina Urbanek mit der Planung.

Geschichte des Hauses erhalten

Die Reihenhäuser auf dem Heuberg wurden von der Genossenschaft Gartensiedlung neu gedämmt, ihre Fassaden tragen nun einheitlich weißen Vollwärmeschutz und Isolierglas in grünen Rahmen. Sie fallen in die Schutzzone, an der Straße wurde nichts verändert; gartenseitig gestattet der Bebauungsplan noch einen 2,9 Meter breiten Grundstreifen über die gesamte Parzellenbreite. Immerhin. „Für mich war klar: Die Geschichte des Hauses sollte ablesbar bleiben“, sagt Katharina Urbanek.

Gleichermaßen archäologisch legte sie Schicht für Schicht frei. Die Holzbalken wurden von den abgehängten Decken befreit und sandgestrahlt, die 40 Zentimeter tiefen Hohlräume dazwischen lassen die Räume wesentlich luftiger und größer erscheinen. „Außerdem kann man Schaukeln aufhängen“, lacht der Bauherr. Oben in der Küche baumelt nun eine von der Decke, die Familie hat drei Kinder.

Katharina Urbanek drehte die Nutzungen um und höhlte den Bestand komplett aus. Von den ehemaligen Zwischenwänden gibt es keine mehr, die alte Treppe wurde durch eine sehr leichte, einläufige Stahlstiege ersetzt, innen minzefarben; eine Außenstiege gibt es auch, vanillegelb führt sie von der Wohnebene in den Garten, der nun besser zugänglich ist.
Fast schwebend über dem Garten

Der Putz der einstigen Außenmauer wurde abgeschlagen. In den rauen, alten, im ökonomischen Rattefallen-Verband – hochkant alternierend zwei parallele Läufer um einen Hohlraum, dann ein Binder – verlegten Ziegeln mit dem hervorquellenden Mörtel vermittelt sich viel Geschichte. Im Wohngeschoß blieben nur ein mittlerer und zwei schmale, seitliche Wandpfeiler stehen, der alte Betonkranz wurde von einem Stahlträger verstärkt.

Der Übergang zu Küche und Esstisch im gartenseitig verglasten Zubau, einer leichten Holzkonstruktion, ist fließend. Er macht sich die Erkerregelung zunutze und kragt um die noch zulässigen 80 Zentimeter über das Erdgeschoß hinaus. Das schafft ein loftartiges Raumgefühl; man hat den Eindruck, über dem Garten zu schweben. Die niedrigen Hauszeilen und großen Grünflächen der Siedlung ermöglichen es, den Blick weit über Wien schweifen zu lassen.

Neben der Treppe ist ein Luftraum eingeschnitten: Das erzeugt zusätzliche Offenheit, verstärkt die Verbindung zwischen oben und unten und verschafft dem Wohnraum eine kleine Galerie. Vom dortigen Arbeitsplatz hat man nun Treppe und Wohnen im Blick.

Räume lassen sich abtrennen oder verbinden

Im Erdgeschoß ist es Katharina Urbanek mit der sehr klugen Anordnung von Türen in der richtigen Aufschlagrichtung und einer Vorhangschiene im Elternschafzimmer gelungen, die familiäre Privatheit zu schützen, obwohl man dort das Haus betritt. Die Treppe zieht nach oben, eine vanillegelbe Wand, von der auch das WC zugänglich ist, flankiert unmissverständlich den Durchstich zum Garten. Die neue dortige Außenwand ist wie früher massiv: Kalksandsteinziegel, unverputzt.

Dank zweier Schwingtüren im Bad, das als Puffer zwischen Kinder- und Elternschlafzimmer liegt, lassen sich diese Räume jeweils für sich abtrennen oder miteinander verbinden. Ähnlich funktioniert der Vorhang, der sich in einer leichten Rundung um das Elternschlafzimmer schieben lässt. Ist er zu, schafft er einen weichen, intimen, uneinsichtigen Raum. Ist er offen, vergrößert sich das Schlafzimmer um die angrenzende Gangfläche. Sind auch die anderen Türen offen, können die Kinder rund um das WC und die verbleibende Trennwand im Kreis laufen.

Erstaunlich, wie viel Raum in einem Siedlerhaus steckt. Dafür muss aber die richtige Architektin auf die richtigen Bauherren treffen. Das passt zur Siedlerbewegung: Sie ist so stark wie die Menschen, die sie leben.

Spectrum, Sa., 2024.02.17



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Hausadaptierung Heubergsiedlung

26. Januar 2024Isabella Marboe
Spectrum

Hauptschule im Vorarlberger Satteins: Sanierung für die Boomer

Viele vorgefertigte Stahlbetonschulen der 1960er- und 1970er-Jahre haben nun Sanierungs-
und Erweiterungsbedarf. Die Hauptschule im vorarlbergischen Ort Satteins zeigt, dass sich
dieser Bestand erstaunlich gut adaptieren lässt.

Viele vorgefertigte Stahlbetonschulen der 1960er- und 1970er-Jahre haben nun Sanierungs-
und Erweiterungsbedarf. Die Hauptschule im vorarlbergischen Ort Satteins zeigt, dass sich
dieser Bestand erstaunlich gut adaptieren lässt.

In der Schnittmenge aus Architektur, Pädagogik und Lehrplan manifestieren sich Ideale und Werte eines Staates. Den Nationalismus noch in den Knochen, bekannte sich die Zweite Republik zur Demokratie und gleichen Bildungschancen für alle. Das Schulgesetzwerk 1962 erhöhte die Schulpflicht auf neun Jahre, führte eine Lehrerbildung an der pädagogischen Akademie ein, ermöglichte Schulversuche und den Wechsel von niederen zu höheren Schulen.

Die Zeichen standen auf Wirtschaftswachstum, Zuversicht und Babyboom. Der Schulbedarf war hoch, man setzte auf vorgefertigte Bauweisen. Die damals fortschrittlichste Technologie war kostengünstig und rasch. Viktor Hufnagl, Franz Kiener, Ferdinand Kitt, Fritz G. Mayr, Herbert Thurnher und Ottokar Uhl erforschten im Auftrag des Ministeriums für Bauten und Bildung zwei Jahre europaweit die Vorfertigung im Schulbau. Sie empfahlen den in Skandinavien weitverbreiteten, hierzulande unüblichen Typus der Hallenschule, die um eine zentrale, großzügige Erschließungshalle organisiert ist und folglich das Land überzog.

Schulreformen halten lang. 1993 und 1997 wurde die Möglichkeit eines integrierten Unterrichts für behinderte Kinder eingeführt, von 2009 bis 2017/18 wurden alle Haupt- zu Neuen Mittelschulen umgewandelt. Die Systemschulen der 1960er und 1970er kommen nun ebenso in die Jahre wie die Babyboomer. Letztere sind pensionsreif, die Schulen müssen an neue Vorschriften und moderne Pädagogik angepasst werden. Das bedeutet: neue, flexible Räume für unterschiedlichste Lernformen.

Typisch für die Zeit

Die Mittelschule am westlichen Ortsrand von Satteins ist ein typisches Kind ihrer Zeit. 1970 gewann Architekt Hugo Purtscher den öffentlichen, baukünstlerischen Wettbewerb. Nach nur 14 Monaten war der vorgefertigte Stahlbetonbau mit den durchgehenden Fensterbändern 1971 – ohne Innenausbau und Turnhalle – zur Benutzung freigegeben, ab 1975 voll ausgebaut.

Auf dem Titelblatt der Eröffnungsbroschüre stürmt eine fröhliche Kinderschar auf den Hof vor dem Eingangstrakt, der zwischen dem vierstöckigen Klassenturm im Osten und dem Turnsaaltrakt im Westen liegt. Letzterer hatte eine „Turnhalle mit internationalen Maßen und Zusehertribüne für 300 Personen“. Im Untergeschoß gab es einen Mehrzwecksaal mit Bühne für ebenfalls 300 Menschen, außerdem eine Lehrschwimmhalle mit einem Becken von 16,66 mal acht Metern.

Von Anfang an hatte die Schule einen Sportschwerpunkt, im Schulversuch „Integrierte Gesamtschule“ wurden auch Sonderschüler:innen unterrichtet. Der Klassentrakt hat einen quadratischen Grundriss mit einem offenen Stiegenhaus zwischen vier Stahlbetonstützen in der Mitte. Um diese zentrale Vertikalerschließung waren pro Ebene vier Norm- und zwei Spezialkassen angeordnet, die ein wenig aus der Fassade vorstanden. In den verglasten Fugen dazwischen lagen die klassenzugeordneten Garderoben.

„Die Architektur war der Pädagogik voraus“

Für Lehrende sah man offensichtlich kaum Platz vor: Sie mussten sich mit einem kleinen Raum beim Eingang begnügen. Konstruktiv ist die Schule ein Stahlbetonskelettbau mit Massivdecken aus Ort- und Fassadenelementen aus Sichtbeton, denen man in den 1980ern Vollwärmeschutz und gelbe Fenster verpasste. Zeitgenössische Pädagogik geht auf Persönlichkeit und Talente der Kinder ein, lernschwache werden unterstützt, leistungsstarke gefördert. Das kann im Einzelunterricht, kleinen, größeren Gruppen und individuell erfolgen. Dazu braucht es „Lernlandschaften“, die sich meist um die Stammklassen anlagern, ebenso wie zentrale „Marktplätze“ zur sozialen Interaktion.

Der Bestand musste räumlich erweitert, neu organisiert sowie punkto Akustik, Sicherheitsvorschriften, Gebäudetechnik und Barrierefreiheit aufgerüstet werden. Den Architekturwettbewerb dazu gewannen Gruber Locher Architekten. Das Bregenzer Büro plant Schulen oft, gern und gekonnt, es erweiterte bereits die von Werner Pfeifer entworfene Schule Mittelweiherburg in Hard.

„Die Architektur war damals der Pädagogik voraus“, erklärt Architekt Reinhold Locher. „Der Vorteil der Bauweise von Schulen dieser Zeit ist, dass es großzügige Flächen außerhalb der Klassen gibt.“ Gruber Locher näherten sich dem Bestand voller Respekt, legten seine Potenziale frei, korrigierten Schwächen, die Eingriffe sind moderat und wirksam. Wegen des Sportschwerpunkts ist der Druck auf die Freiflächen groß, die Architekten versiegelten so wenig wie möglich.

Gute Akustik

Der Eingangstrakt ist rückseitig um einen u-förmigen, zweigeschoßigen Zubau erweitert, der ein Innenatrium ausbildet. Rundum verglast, erhellt es den umlaufenden Gang. Trennwände aus Glas lassen vom Eingang durch Atrium und Lehrerzimmer hindurch über das ganze Geschoß hinwegblicken. „Für uns ist es ein Traum zum Arbeiten. Ich finde diese Transparenz im Haus sensationell“, sagt Direktorin Monika Getzner. 32 Lehrende betreuen derzeit 244 Kinder, davon fünf mit hohem sonderpädagogischen Förderbedarf. Auf dem Atrium gibt es noch einen Ruhe- und Aufenthaltsraum für Lehrende.

Das Gelände fällt vom Eingang im Norden bis zu den Freiflächen um ein Geschoß ab, die Sonderunterrichtsräume im Untergeschoß setzen beim rückseitigen Pausenhof auf, der vom Zubau zwar flächenmäßig reduziert, aber mit aufmerksamer Gestaltung aufgewertet wurde. Die großzügige Erschließung wird zum Marktplatz mit Direktzugang zum Pausenhof, an den sich die neue Bibliothek und der Speisesaal anschließen. Die neue Zentralgarderobe schafft Raum für Kleingruppen. Zwischentrennwände aus Glas, neue Möbel und Oberflächen machen den einst drückenden Bestand sehr freundlich.

Ein frei im Raum stehendes Regal schafft einen lose vom Marktplatz getrennten Bereich für die Kinder. „Das Wichtigste an einer Schule ist mir eine gute Akustik“, so Locher. Man verpasste dem Estrich in der Halle einen akustisch wirksamen Teppich und hängte in den Klassen Baffles (schalldämpfende Raumelemente) auf. Die Turnhalle wurde erneuert und um einen neuen Gymnastiksaal ergänzt. Der Veranstaltungssaal mit Bühne bekam ein kleines Foyer mit Küche. Fossile Energie braucht man auch keine mehr: Nun gibt es Fernwärme, Grundwasserbrunnen und Solarkollektoren an Teilen der Fassade und auf allen Dächern.

Spectrum, Fr., 2024.01.26

20. Januar 2024Isabella Marboe
Die Presse

Heinz Tesar ist tot: Er war ein großer, stiller Architekt

Heinz Tesar schuf prägende Bauten, wie das Essl-Museum in Klosterneuburg. Sein Meisterwerk steht in Wien: die Donaucity-Kirche. Er starb mit 84 Jahren.

Heinz Tesar schuf prägende Bauten, wie das Essl-Museum in Klosterneuburg. Sein Meisterwerk steht in Wien: die Donaucity-Kirche. Er starb mit 84 Jahren.

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Tesar Heinz

24. November 2023Isabella Marboe
Spectrum

Nordbahnareal Wien: Dieser Tanker bietet Platz für alle(s)

Im Nordbahnareal, einem der größten inneren Stadtentwicklungsgebiete Wiens, steht die HausWirtschaft. Ein Ort zum Wohnen und Arbeiten unter einem Dach.

Im Nordbahnareal, einem der größten inneren Stadtentwicklungsgebiete Wiens, steht die HausWirtschaft. Ein Ort zum Wohnen und Arbeiten unter einem Dach.

Von außen sieht es ziemlich wuchtig aus: ein Haus wie ein Tanker auf einem annähernd dreieckigen Grundstück. Acht Geschoße, eierschalenfarbene Lochfassade, ein paar Balkone. Die HausWirtschaft vereint Wohnen und Arbeiten unter einem Dach und ist bei Weitem das größte, komplexeste Baugruppenprojekt, das das einschlägig spezialisierte Büro Einszueins Architektur je realisierte: Sie bildet eine neue Kategorie.

Der kompakte Baukörper ist energetisch effizient, gewinnt mit jedem Meter und wird innen richtig schön: Zwei zentrale Atrien machen aus der Grundstückstiefe einen Gewinn. Sie erhellen die Arbeitsflächen in den unteren drei Geschoßen und die umlaufenden Laubengänge in den fünf Wohnebenen darüber. Deren Regelgeschoß mit Ein- bis Fünfzimmertypen wurde partizipativ mit der Bewohnerschaft geplant.

Urbane Wildnis zähmen

Die HausWirtschaft steht im 85 Hektar großen Nordbahnhofsareal. Bis 2026 sollen dort 10.000 Wohnungen und 20.000 Arbeitsplätze entstanden sein. Das Areal ist eines der größten inneren Stadtentwicklungsgebiete Wiens. Das letzte 32 Hektar große Teilgebiet, das Nordbahnviertel, ist noch am Werden. Dessen städtebauliches Leitbild „Freie Mitte – vielseitiger Rand“ stammt vom Planungsteam StudioVlayStreeruwitz, Agence Ter und Traffix. Es beruht darauf, die urbane Wildnis, die zwischen der Schnellbahntrasse im Westen und dem denkmalgeschützten Wasserturm im Osten entstanden war, zu zähmen und dem Neubaugebiet als „freie Mitte“ zu erhalten. Der Preis dafür ist eine hohe Dichte von 2,1 bis 5,4 am Rand.

Zwischen Scheiben und Riegel mischen sich Türme als städtebauliche Hochpunkte zwischen 60 und 100 Meter Höhe. Letzterer, „Schneewittchen“ von Pevk Berović Arhitekti, ist nur einen Block weiter. „Der Aushandlungsprozess um die Grenzen der Bauplätze war intensiv, die Gebäudeform ergibt sich aus dem Grundstück“, sagt Annegret Haider von Einszueins. „Im Erdgeschoß haben wir einen großzügigen Durchgang, der nicht gewidmet war.“ Im Nordosten rückt der 66 Meter hohe Wohnturm „Laywand“ von Franz und Sue Architekten der HausWirtschaft schon sehr nah. Dort springt der Baukörper zurück und ist der Durchgang. Hier wird das Haus durchlässig und streckt seine Fühler in den öffentlichen Raum aus.

Freiluft-Foyer

Hier beginnt der leicht zurückversetzte, terrakottafarbige, dreigeschoßige Bauteil, vor dem sich im Norden die „freie Mitte“ ausbreitet. Vor dem „Bug“ schafft ein Raster zwischen sich und den Glasfassaden jeder Ebene ihren gedeckten Freiraum. Im vier Meter hohen Erdgeschoß dient er dem „NordbahnSaal“ als Freiluft-Foyer. Davor führt eine Treppe in einen abgesenkten Innenhof – die Ouvertüre. In der HausWirtschaft manifestiert sich eine Haltung zur Stadt, die auf Gemeinschaft fußt und einen Beitrag leisten will. Sie wurde aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert, was Exkursionen zu anderen Projekten und die soziale Begleitung durch das einschlägig spezialisierte Büro Realitylab ermöglichte. Die Open Hauswirtschaft war ein Forschungsprojekt des Future Lab RC der TU Wien im Programm „Smart Cities Demo – Living Urban Innovation 2018“ und 2022 bei der Wiener IBA vertreten, Bauträger ist die Erste gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (EGW).

Die HausWirtschaft vereint Wohnen und Arbeiten im Verhältnis 50:50. Der Maßstab ist beachtlich: 48 Wohnungen, 3500 Quadratmeter Gewerbe, davon 700 Quadratmeter Co-Working Spaces und die „HausPension“, ein kleines Hotel mit neun Zimmern. Die Lobby mit Empfang ist sieben Meter hoch, der erste Stock der physischen und seelischen Gesundheit gewidmet. Dort befinden sich zwölf Praxisräume für Therapeuten aller Art, ein Kindergarten, ein Rechtsanwaltsbüro sowie zwei große Seminarräume mit großen Fensterfronten, davor ein gedeckter Balkon mit freiem Blick auf die „freie Mitte“.

Geringe Fluktuation

Im zweiten Stock liegt darüber der drei Meter hohe Co-Working-Bereich, die umlaufenden Gänge rund um das zweite, große Atrium im tiefen Baukörper dahinter sind tief und hell genug für informelles Begegnen und Arbeiten. Hier reihen sich Büros, die Ateliers einer Töpferin, einer Siebdruckerin und die Feinwerkstatt aneinander. Im dritten Obergeschoß beginnt das Wohnen an Laubengängen um einen Innenhof. Erste Pflanzen und Schuhe erobern den Sichtbeton, vor der riesigen Gemeinschaftsküche im „Bug“ mit dem Tisch für 20 Personen breitet sich das Dach des niederen Bauteils aus. Die Landschaftsarchitekten von ZwoPK haben es als Garten mit Hügeln und Spielplatz gestaltet. Auch ihr Büro ist in der HausWirtschaft.

„Begonnen hat alles ganz klein im Sommer 2016, ich suchte Kollegen und Kolleginnen für eine Gemeinschaftspraxis“, erzählt Shiatsu-Praktiker Peter Rippl, der seit Oktober 2016 „nebenberuflich hauptsächlich“ der Initiator und Projektentwickler der HausWirtschaft war. Damals kam die Idee auf, Wohnen und Arbeiten zu verbinden, rasch waren Einszueins Architektur im Boot. „Dann konnten wir die EGW als Bauträger gewinnen, und alles wurde immer konkreter“, sagt Angela Kohl, die sich heute mit Peter Rippl die Geschäftsführung teilt, für HausPension und FlexRäume zuständig ist.

Gut besuchte Yoga- und Pilates-Kurse

An die 200 Menschen leben und arbeiten in der HausWirtschaft, die genossenschaftlich organisiert ist. Das heißt: Jeder Kleinunternehmer und jede Kleinunternehmerin zahlt beim Einstieg einen fixen Genossenschaftsbeitrag und ist damit Mitglied. Fast jeder, der hier wohnt, arbeitet auch hier. Fast jeder, der hier arbeitet, identifiziert sich mit der Idee. „Das hat den Vorteil, dass die Fluktuation sehr gering ist und jeder die strategische Entwicklung mitbestimmen kann“, sagt Rippl. Jeder Gewinn kommt der Genossenschaft zugute, ihr Ziel ist klar: leistbaren Wohn- und Arbeitsraum zu schaffen.

„Es war eine große Challenge, wir haben alle noch nie ein Haus gebaut“, sagt Kohl. Die Aussicht, etwas zu tun, was es bis dato in Wien so noch nicht gab, beflügelte die Baugruppe. Zwischen 2016 und 2022 hatte sie kontinuierlich an die 50 Mitglieder, in den jüngsten 1,5 Jahren waren es 85, jeder brachte monatlich gute 15 Stunden Arbeitszeit und seine spezifische Expertise in das Projekt ein. „Wir konnten das nur leisten, weil sehr viele Leute aus der Gruppe sehr viel mitgearbeitet haben. Bis zum Einzug haben wir alles selbst gemanagt.“ Inzwischen gibt es Angestellte. Für die Geschäftsführung, den Betrieb der HausPension, der FlexRäume und des NordbahnSaals.

Seit September 2023 ist das Gebäude besiedelt, bis auf ein paar Co-Working-Plätze ist alles vergeben. Die sonntäglichen Yoga- und Pilates-Kurse waren bestens besucht. Sie weckten sogar bei künftigen Bewohner:innen des benachbarten Wohnturms „Leywand“ Interesse, dabei ist Letzterer noch gar nicht fertig . . .

Spectrum, Fr., 2023.11.24

10. November 2023Isabella Marboe
Spectrum

Kind sein in Traiskirchen: Hüpfen und spielen im Labor

Die Zukunft einer Gemeinde liegt im Wachstum ihrer Einwohnerzahl. Die einstige Arbeiter- und Industriestadt Traiskirchen profiliert sich als besonders familienfreundlich. Das zeigt sich auch an der Verwandlung der einstigen Zwach-Villa in das Kinderabenteuerlabor KALO!.

Die Zukunft einer Gemeinde liegt im Wachstum ihrer Einwohnerzahl. Die einstige Arbeiter- und Industriestadt Traiskirchen profiliert sich als besonders familienfreundlich. Das zeigt sich auch an der Verwandlung der einstigen Zwach-Villa in das Kinderabenteuerlabor KALO!.

Traiskirchen kennt man vor allem aufgrund des dortigen Asyl-Erstaufnahmezentrums und seines Bürgermeisters, der seit 6. Juni auch Vorsitzender der SPÖ ist. Andreas Babler hat nicht nur ein Herz für Asylwerbende und Flüchtlinge, er hat auch eines für Kinder und Familien. Die Gemeinde kaufte leerstehende Industrieareale als Reserveflächen auf, um Traiskirchen zur besonders familienfreundlichen Stadt zu entwickeln.

17 Spielplätze, sechs Schulen, 13 Kindergärten und Krabbelstuben sind am Kinderstadtplan Traiskirchen verzeichnet. Seit September 2022 kennt er einen Ort mehr: KALO! – das KinderAbenteuerLabor. Andreas Babler und Gemeinderätin Karin Blum initiierten das Projekt. „Es war definitiv Chefsache“, erzählt die Leiterin Nina Panozzo. Die engagierte Elementarpädagogin hatte die Vision eines ganzheitlichen Ortes für Kinder zwischen zwei und zwölf zum Forschen, Entdecken, Spielen und Lernen.

Die sogenannte Zwach-Villa auf dem einstigen WAERAG-Areal stand schon lange leer. Die Firma stellt lufttechnische Anlagen für die Papierindustrie her. Käthe Zwach, die Witwe des Firmengründers, verkaufte das Areal an die Stadt Traiskirchen, dort hat sich u. a. das Jugendzentrum Komet eingenistet. Es grenzt an den Garten der Zwach-Villa. Sie ist kein protziger Firmengründersitz, sondern ein sympathisches, eingeschoßiges Einfamilienhaus mit Walmdach aus den 1950er-Jahren. Es steht auf einem Eckgrundstück am Kreuzungspunkt dreier Straßen in einem dispersen Umfeld, das für Traiskirchen bezeichnend ist. Die Gürtelstraße im Norden führt durch eine begrünte Wohnbebauung, die Fabrikstraße im Südwesten bildet die Demarkationslinie zur Industrie. Hier beginnt der Gewerbepark Traiskirchen im ehemaligen Semperit-Werk, gleich gegenüber an der Einmündung der Wienersdorfer Straße steht die Zwach-Villa in einem großen Garten.

Kindgerechte Nutzung der Villa

Eine angemessene Nutzung zu finden, ist überlebenswichtig für die gedeihliche Zukunft jedes Altbaus. ASAP Architekten erstellten eine Vorstudie zur kindgerechten Nutzung der Villa. „Es war ein sehr spannender, integrativer Prozess, wir haben von Anfang an unser Raumprogramm mit dem pädagogischen Konzept mitentwickelt“, sagt Florian Sammer von ASAP. Im ständigen Austausch mit Nina Panozzo machten sie aus dem gediegenen Heim der Industriellenfamilie einen Erlebnisort, eine spielerische Forschungs- und Begegnungsstätte für Kinder, deren Eltern und pädagogisches Personal.

Die Villa hat einen hakenförmigen Grundriss, ihre beiden Gebäudeflügel – der lange, schmälere im Westen und der etwas breitere im Norden fassen eine großzügige Terrasse am Garten ein, die sowohl von der Morgensonne als auch von Süden her beschienen wird. Der frühere Haupteingang lag an der Westseite, genau in der Überschneidung der beiden Trakte. Die Miniaturausgabe der Andeutung einer Freitreppe mit vier Stufen führte hinauf zur Haustür, durch einen kleinen Windfang gelangte man zur Halle im Nordtrakt, wo eine schöne, gediegene, einläufige Treppe aus Eichenholz an der Mittelmauer vor dem terrassenseitigen Wohnzimmer nach oben ins Dachgeschoss führte.

Den Architekten war es wichtig, den wohnlichen Charakter des Hauses zu wahren. Die Holztreppe blieb erhalten, das zweite Fenster der Halle wurde zum neuen Eingang verlängert. Er liegt nun also an der Gürtelstraße und ist vollkommen barrierefrei. KALO! steht in Blau, Zinnober-, Dunkelrot und Sonnengelb in einem rotgerahmten, gläsernen Feld im Zaun, die alten Pfeiler und weiteren Latten blieben. Eine rote Rampe führt im Zick-Zack zum großzügigen Podest vor der roten Tür mit dem runden Guckloch.

Das Budget verschonte die alten Ziegelmauern und selbst das Dach vor Vollwärmeschutz, dafür sind alle Fenster ausgetauscht und thermisch verbessert. Ein paar Zwischenwände wurden abgerissen, ein paar Fensteröffnungen verändert, ein neuer Deckendurchbruch geschaffen. „Wir wollten den Bestand aufbrechen, um Überraschungselemente einzubringen“, sagt Sammer. Dieser Durchbruch erfolgte im System des Bestands. Aus dessen Fertigteildecken wurde ein Deckenfeld entfernt und stattdessen ein Netz eingehängt, von dem ein runder Netzschlauch bis in das darunterliegende Abenteuerlabor im Erdgeschoss führt.

Maulwurfsgänge in die Zwischenräume

Das Innere ist liebevoll als räumliches Umfeld zum kindlichen Empowerment gestaltet. Ein 60 cm hoher Doppelboden aus Seekiefernsperrholz macht das frühere Wohnzimmer zum Abenteuerlabor. In den Boden sind vier Öffnungen eingeschnitten, die man mit Seekiefersperrholzplatten abdecken kann. Öffnet man sie, tun sich 60 cm tiefe Mulden mit rotem Teppichboden auf, von denen Maulwurfsgänge in den Zwischenraum führen. Für die kleinen ist das ein Abenteuer, für größere macht die Sitzmulde den Boden zum Tisch. Der Netzschlauch wird zur Kindertreppe, im Netz, das über den Durchbruch gespannt ist, kann man hüpfen, springen, spielen. Im Dachraum gibt es ein Malatelier und eine Werkstatt.

„Dieses Projekt hatte sehr viele Facetten“, sagt Sammer. „Wir arbeiteten sehr rauminstallativ. Alles sollte multifunktional sein.“ Nina Panozzo und Karin Blum standen nicht nur dahinter, sie gingen mit. Natürlich erfüllt dieses Haus alle OIB-Richtlinien (OIB = Österreichisches Intitut für Bautechnik) und Sicherheitsauflagen für Kindereinrichtungen. So müssen Treppengeländer mindestens 1,10 Meter hoch sein. Alte Bestandstreppen erfüllen das so gut wie nie, ASAP spannten ein raumhohes Auffangnetz vor das Geländer und stellten in der Halle eine Bank davor. So wird das Netz zur Garderobe, auf der jedes Kind in jeder Höhe seinen Mantel aufhängen kann. Lösungen wie diese sind hier viele zu finden. Sie gelingen nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Stadt, die Nutzer und die Architekten.

Spectrum, Fr., 2023.11.10



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KALO! – KinderAbenteuerLabor! Traiskirchen

26. Oktober 2023Isabella Marboe
Spectrum

Der Sonnenweiher in Grafenwörth ist auch ästhetisch fragwürdig

Die Stadt Hohenems zeigt, wie man eine Altstadt wiederbelebt und dabei den Bodenverbrauch minimiert. Gegenbeispiel: der umstrittene Sonnenweiher in Grafenwörth. Entsteht hier eine Parallelgesellschaft von Menschen, die aus den Städten flüchten und das Landleben scheuen?

Die Stadt Hohenems zeigt, wie man eine Altstadt wiederbelebt und dabei den Bodenverbrauch minimiert. Gegenbeispiel: der umstrittene Sonnenweiher in Grafenwörth. Entsteht hier eine Parallelgesellschaft von Menschen, die aus den Städten flüchten und das Landleben scheuen?

Kürzlich wurden wieder die Bauherrenpreise der Zentralvereinigung der Architekt:innen vergeben. Einer ging an den Umbau des Kärnten Museums in Klagenfurt, geplant von Winkler+Ruck Architekten und Ferdinand Certov. „Ein Gesamtkunstwerk aus historischer und zeitgenössischer Architektur“, resümiert die Jury. Ein Preis wurde für die Wohnbebauung Marburger Höfe in Graz vergeben, die anstelle der abgesiedelten Legero Schuhfabrik nach Plänen von Balloon Architekten entstanden. Ein weiterer Preis ging an Projektentwickler Markus Schadenbauer und die Gemeinde Hohenems für die Wiederbelebung der dortigen Altstadt.

Drei Preise also, die Vorhandenes nutzen und ergänzen. Die Altstadt von Hohenems ist ein Musterbeispiel für nachhaltige Zentrumsentwicklung. Eine hohe Verkehrsbelastung beförderte über viele Jahre Leerstand und Niedergang. Wird anderswo oft befürchtet, dass Verkehrsberuhigung und Denkmalschutz der wirtschaftlichen Entwicklung schaden, erwies sich in Hohenems das Gegenteil als richtig. Die Verkehrsentlastung durch eine Umfahrungsstraße und die Unterschutzstellung der Häuser in der Marktstraße im Jahr 2010 trugen maßgeblich zu einer Neuerfindung der 17.000-Einwohner-Stadt bei. Treibende Kraft ist Markus Schadenbauer: Ihm gelang es, im Zusammenspiel von privatwirtschaftlichem Engagement und der Stadtgemeinde unter frühzeitiger Einbindung der Bevölkerung ein Gesamtkonzept für die Marktstraße und die Harrachgasse zu entwickeln und eine Reihe von Investoren ins Boot zu holen. Zahlreiche Gebäude wurden denkmalgerecht saniert und die Altstadtstruktur mit behutsam eingefügten Neubauten nachverdichtet. Keine Filialen großer Handelsketten, sondern eigentümergeführte Ladenlokale beleben die Erdgeschoße. Geöffnete Innenhöfe und Durchgänge schaffen neue Verbindungen für Fußgänger.

Stärkung der Ortskerne

Das neue Stadtgefühl ist alles andere als oberflächlich. In zehn Jahren wurden über 40 neue Betriebe angesiedelt und gut 130 Arbeitsplätze geschaffen. Aus den einst vom motorisierten Verkehr in Beschlag genommenen Straßen und Plätzen wurden verkehrsberuhigte öffentliche Räume von hoher Aufenthaltsqualität. Anwohner, Gäste, Wirtschaftstreibende, die historische Bausubstanz und das Klima – alle profitieren. Die Stärkung der Orts- und Stadtkerne ist heute eine der größten Herausforderungen: Fußläufige tägliche Wege, attraktive öffentliche Räume und Orte der Begegnung dienen nicht nur der Bequemlichkeit und dem sozialen Miteinander, richtig gemacht sind sie auch essenzielle Beiträge im Kampf gegen Klimawandel und Bodenverbrauch.

Medial viel präsenter als diese drei Vorzeigebeispiele ist seit dem Sommer das noch nicht fertige Siedlungsprojekt Sonnenweiher in Grafenwörth (NÖ). Selbst die Landeshauptfrau konnte angesichts fragwürdiger Grundstücksgeschäfte des Bürgermeisters nicht anders, als eine „schiefe Optik“ zu konstatieren. Eine noch viel schiefere Optik hat die Tatsache, dass nach wie vor kaum nachzuvollziehen ist, auf welcher fachlichen Basis diese Siedlungsentwicklung auf welchen Ebenen durchgewinkt wurde. Greenpeace hat Ende Juli beim Land Niederösterreich gemäß Umweltinformationsgesetz die Herausgabe aller Gutachten in der Causa Sonnenweiher beantragt.

In der Zwischenzeit sind diese eingelangt und werden geprüft. Für das Siedlungsprojekt gab es sogar einen geladenen Architekturwettbewerb, dessen Inhalte allerdings nicht öffentlich sind. Gewonnen hat ihn 2019 das Büro Pichler & Traupmann Architekten. Mit der Planung beauftragt wurde hingegen das Büro Holzbauer und Partner. „Der See ist zentrales Element der Anlage, zugleich Rückzugsort, Erholungs- und Kommunikationszone“, heißt es auf der Website von Holzbauer & Partner Architekten über den Sonnenweiher, der mit seiner Schlangenform, dank der die Zahl der Seegrundstücke maximiert wird, an den Canal Grande erinnert. Lässt es sich in Wasser schwimmend besser mit dem Nachbarn kommunizieren als auf dem Dorfplatz? Ist das die Zukunft des Wohnens auf dem Land? Oder entstehen hier Parallelgesellschaften von Städtern, die sich die Mühen des Landlebens nicht antun wollen? Hauptsache, ein Haus mit eigenem Seezugang? Sozusagen Seevillenarchitektur für Nichtmilliardäre?

Ökologischer als Haus mit Pool?

Die vis-à-vis gelegene Friedhofsmauer ist einladender als die Straßenfront der Reihenhäuser. Das Vorfeld bildet ein Gehsteig- und Parkplatzstreifen, zu dem sich die Reihenhäuser abschotten. Nur ein mit einer fetten dunkelgrauen Fasche umrandetes Fenster blickt pro Haus traurig aus der See-Idylle hinaus. Braune Geräteboxen bilden weitere Puffer zur Außenwelt. Im Norden, entlang der Lärmschutzwand, soll der „Campus Lakeside“ der Senecura, eine Kombination aus Fachhoch- und Krankenpflegeschule, Studierendenheim, Ambulatorium und Hotel, entstehen. Teil des ursprünglichen Wettbewerbs war das offenbar nicht; mehrere Architektenbüros lieferten Studien. Ob der vor zweieinhalb Jahren vorgestellte Entwurf von Querkraft umgesetzt wird, konnte vor Redaktionsschluss nicht eruiert werden.

Klickt man sich durch die einschlägigen Immobilienportale und Internetseiten der Developer, wird klar, dass Siedlungen an Schotterteichen und künstlichen Folienseen boomen. Mangels boulevardtauglicher Skandale hält sich die Aufregung darüber in Gren­zen. Mag sein, dass die Seeressorts eine ­ökologischere Alternative zum Einfamilienhaus-Wildwuchs mit je einem Swimmingpool pro Parzelle sind. Den Handel und andere Funktionen zurück in die Ortskerne bringen, den motorisierten Verkehr reduzieren, für die Menschen mehr Platz schaffen, um sich zu Fuß oder per Rad fortzubewegen und sich auf kühlen begrünten Plätzen zu treffen, und die Zentren wieder als lebenswerten Wohnort attraktiveren: Das ist nicht rasch und einfach umzusetzen. Zahlreiche Räder müssen ineinandergreifen, Allianzen der Willigen geschlossen und Konfliktpotenziale entschärft werden. Das geht nicht im Alleingang Einzelner und nicht von heute auf morgen. Stimmen die Rahmenbedingungen und werden die Entwicklungsprozesse gut organisiert, passt auch das Ergebnis. Wenn es aber nur darum geht, wie man am besten Ackerboden zu Gold macht und die darauf entstandenen Retortendörfer optimal vermarktet, wird nichts gelingen, was dem Gemeinwohl dient.

Spectrum, Do., 2023.10.26

26. September 2023newroom

Die Potentialvermesser. nextroom fragt Friedrich Paprotka

Bis 2050 will die EU klimaneutral sein. ista leistet dazu einen Beitrag. Wie kann Energiemessung den CO2-Verbrauch verringern? nextroom fragt Friedrich Paprotka, Geschäftsführer von ista Österreich. Die Antwort ist logisch: Bevor man seinen Energieverbrauch reduzieren kann, muss man ihn kennen.

Bis 2050 will die EU klimaneutral sein. ista leistet dazu einen Beitrag. Wie kann Energiemessung den CO2-Verbrauch verringern? nextroom fragt Friedrich Paprotka, Geschäftsführer von ista Österreich. Die Antwort ist logisch: Bevor man seinen Energieverbrauch reduzieren kann, muss man ihn kennen.

Die Geschichte von ista begann 1973, zur Zeit der ersten Energiekrise. Auf einmal wurde Öl teuer, steigende Kosten führten zur Forderung nach einer verbrauchsabhängigen Abrechnung. „Damals begann man auch, Energie zu sparen“, sagt Friedrich Paprotka, Geschäftsführer von ista-Österreich. „Das erfordert eine Messdienstleistung: ich muss meinen Verbrauch kennen, bevor ich einsparen kann.“

ista ist auf die Messung von Energie- und Wasserverbräuchen spezialisiert und hat viel Expertise im Energiemanagement. „Die größte Herausforderung ist die Digitalisierung“, so Paprotka. „Können wir die Wünsche unserer Kunden und Kundinnen mit unseren Services und digitalen Leistungen erfüllen?“ Moderne Messgeräte lesen die Verbräuche von Wasser-, Wärme- und Kältezählern sowie Heizkostenverteilern über Funk ab und machen sie in einem Onlineportal sichtbar. „Man kann seine Verbräuche von Wärme, Kälte und Wasser über das VerbrauchsDatenMonitoring jederzeit einsehen. Außerdem lassen sich Smart Meter, also digitale Stromzähler, einbinden. Erzeugt der Kühlschrank eine hohe Grundlast, könnte ein neues, energiesparenderes Gerät Sinn machen. Das Erwärmen von Wasser braucht viel Energie, lange zu duschen ist auf Dauer teuer. „Es geht vor allem um eine Bewusstwerdung: Unser Produkt macht Verbräuche und damit Einsparungspotentiale sichtbar,“ so Paprotka.

Die Basis von Energiemanagement jeder Größenordnung und jedes Komplexitätsgrades bildet eine präzise Messung. Diese Dienstleistung hat seit der Gründung von ista enorm an Bedeutung gewonnen. „Heute erleben wir die zweite große Energiekrise. Unsere Messsysteme können auch einen Beitrag zur Energiewende leisten“, sagt Paprotka. Konkret: Bis zu 25% Einsparungspotential liegen allein darin, nach Schwachstellen im eigenen Energiesystem zu suchen und diese zu beheben. Die Motivation zur Verhaltensänderung ergibt sich dabei von selbst: Kostenersparnis. Ein starker Hebel.

In Zins- und Mehrparteienhäusern führen punktgenaue Messungen zu fairen, verbrauchsgerechten Abrechnungen, der eigene Energieverbrauch lässt sich auf einem VerbrauchsDatenMonitoring (VDM) jederzeit einsehen. Das Energieeffizienzgesetz und die EU-Taxonomie zwingen gewerbliche Kunden und große Firmen, ihren Energieverbrauch offen zu legen. Dies erweitert das Portfolio von ista. „Wir beraten Unternehmen, wie sie große Verbräuche unterschiedlicher Maschinen mit Zwischenzählern am besten messen und erfassen können.“ Visualisiert werden die Messsysteme für Gewerbe und Industrie im MinuteView Webportal.

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ista selbst will 2030 klimaneutral sein. Reisen werden strikt reduziert und durch Onlinemeetings ersetzt. Man stellt die Fahrzeugflotte auf Elektroautos um, optimiert die Soft- und Hardware großer Heizungen, setzt auf erneuerbare Energiequellen und kompensiert alles, was auf die satte Null (Neutralität) fehlt, mit der Unterstützung nachhaltiger Projekte auf der ganzen Welt.

Bei alternativen Energieformen ist die verbrauchsgerechte Abrechnung eine Herausforderung: Photovoltaikanlagen produzieren im Sommer mehr Energie als in der kalten Jahreszeit. Dann muss aus anderen Quellen mehr Energie zugekauft werden. Nun gilt es zu ermitteln, wer genau davon wie viel verbraucht. ista antwortete darauf mit seinem Sonnenstrom-Service.

19. September 2023Isabella Marboe
Spectrum

Michaelerplatz in Wien: Ein Platz sieht grün

Große und kleinere Bäume, Pflanzbeete, Trinkhydranten und Wasserspiele vor dem Looshaus: An der klimagerechten Neugestaltung des Michaelerplatzes in Wien scheiden sich die Geister. Die wesentliche Frage lautet: Wie geht man künftig mit Europas historischen Plätzen um?

Große und kleinere Bäume, Pflanzbeete, Trinkhydranten und Wasserspiele vor dem Looshaus: An der klimagerechten Neugestaltung des Michaelerplatzes in Wien scheiden sich die Geister. Die wesentliche Frage lautet: Wie geht man künftig mit Europas historischen Plätzen um?

Der Wiener Michaelerplatz ist ein heißes Pflaster. Fast alle Bauten, die ihn rahmen, stehen unter Denkmalschutz, sind aus Stein und für Jahrhunderte geschaffen. Der öffentliche Platzraum dazwischen fällt in die Zuständigkeit unterschiedlichster Magistratsabteilungen. Die unebenen Kopfsteinpflaster sind für Radfahrer eine Tortur, die Gehsteigkanten nicht behindertengerecht, die Steinplatten mit Asphalt geflickt, selbst ein Großteil des Kopfsteinpflasters. Alles versiegelt, eine Hitzeinsel. Auch die zwei historischen Brunnen, „Macht zur See“ von Rudolf Weyr und „Macht zu Lande“ von Edmund Hellmer, ändern daran nicht viel. Eine Entsiegelung des angrenzenden Heldenplatzes könnte wohl einiges bewirken.

Mitte Juni präsentierten Planungsstadt­rätin Ulli Sima und Bezirksvorsteher Markus Figl die klimagerechte Neugestaltung des Platzes. Architekt Paul Katzberger plante das Projekt mit neun großen Bäumen, einigen kleineren entlang der Hofburg, fünf Pflanztrögen beim Kohlmarkt und einem Wasserspiel mit 39 Düsen vor dem Looshaus. Der Weg dorthin war lang, holprig und variantenreich. 2018 hatte Katzberger mit der Planung für zwei Bauherren – die Privatinitiative zur Neugestaltung des Platzes und die Stadt – begonnen. Die Bedürfnisse verschiedenster Nutzergruppen waren zu berücksichtigen.

Der Michaelerplatz ist ein touristischer Hotspot, Fiakerstandplätze sind dort gut positioniert. Sie auf vier zu reduzieren und die restlichen zehn als Nachrücker entlang der Schauflergasse parken zu lassen war ein schwer errungener Kompromiss. Drei neue Bäume vor der Michaelerkirche sollen den dortigen Hochzeiten künftig einen feierlichen Rahmen geben, neue Granitplatten auf dem Boden für eine ebene Fläche und Barrierefreiheit sorgen. An der Neugestaltung entzündet sich nun eine grundsätzliche Debatte. „In unmittelbarer Nähe von großflächigen Grünräumen wie Heldenplatz, Volks- und Burggarten erscheint das Pflanzen von Bäumen am Michaelerplatz wie eine Alibi-Aktion“, sagt Andreas Nierhaus, Architekturhistoriker und Kurator des Wien Museum.

Zwischen imperial und bürgerlich

Der Michaelertrakt der Hofburg, entworfen von Fischer von Erlach, wurde erst um 1890 von Ferdinand Kirschner vollendet. Hoheitsvoll inszeniert er das stadtseitige Entrée in den Hofburgkomplex. Der Doppeladler der k. k. Monarchie krönt die glockenförmige Kuppel über dem Michaelerdurchgang, der Nahtstelle zwischen dem Machtzentrum des Habsburgerreichs und der Stadt. Sie bildet den Auftakt des Defilees über den Heldenplatz durch das Heldentor bis zum Maria-Theresien-Platz zwischen den Hofmuseen.

„Der Michaelerdurchgang ist der Knoten zwischen imperialer und bürgerlicher Welt, er geht auf eine Initiative von Bürgermeister Cajetan von Felder zurück“, sagt Maria Auböck, Landschaftsplanerin und Vorsitzende der Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs. „Nicht alle klassischen historischen Plätze in Europa sind als Standorte für Bäume geeignet. Am Josefsplatz dürfte man aufgrund der einzigartigen Raumwirkung nie Bäume pflanzen. Für öffentliche Räume im Weltkulturerbe der Inneren Stadt bräuchte es unbedingt eine begleitende Kontrolle.“ Die ZVA fordert das schon lange.

Anfang der 1990er-Jahre hatte Hans Hollein, Österreichs bis dato einziger Pritzker-Preisträger, eine Kerbe in den Platz geschlagen. Sie verläuft von der Einmündung der Herrengasse bis zur Reitschulgasse. Vier Stufen unter Bodenniveau legt dieses „Archäologiefeld“ von römischen Ausgrabungen über die Fundamente eines Palais des 19. Jahrhunderts und metallumhauste Leitungsrohre der Gegenwart einen Querschnitt durch die Stadtgeschichte frei. Man kann dadurch nicht mehr direkt vom Kohlmarkt aufs Michaelertor zugehen. Hollein legt sich quer. Er zwingt einen, sich der Geschichte zu stellen oder ihr auszuweichen. Paul Katzberger wollte diesen Spalt ursprünglich auch überbrücken. Das war 2018. Vier Jahre später wurde Holleins Intervention unter Schutz gestellt. „Es ist eine der wenigen herausragenden Platzgestaltungen der Postmoderne. Diese Epoche ging sehr selbstbewusst mit Geschichte um“, sagt Wolfgang Salcher. Der stv. Landeskonservator von Wien im Bundesdenkmalamt war von der akribischen Recherche zu dem Projekt tief beeindruckt. Die Neugestaltung sieht Kräuter zwischen den Artefakten vor. „Es muss nicht alles in der Stadt mit Bäumen bepflanzt sein, aber der Wunsch nach Schatten und Aufenthaltsqualität ist zu berücksichtigen“, so Salcher. „Der Klimawandel ist in der internationalen Denkmalpflege ein großes Thema, die Rahmen­bedingungen haben sich völlig geändert.“

Supermarkt statt Literaturcafé

Hofburg, Michaelerkirche, Looshaus: alles unter Denkmalschutz. Letzteres ein subtiler Affront: Die Kolossalsäulen des Geschäfts- und Bürohauses referieren auf das Michaelertor, Adolf Loos, die klassische Moderne und das wohlhabende, gehobene jüdische Bürgertum positionierten sich 1910 damit als unmittelbares Gegenüber – damals ein Skandal. Das Looshaus befindet sich zwischen Kohlmarkt und Herrengasse, wo das einstige Palais Herberstein, geplant von Architekt Carl König, sich mit einem runden Eck elegant in den Platz reiht. Einst trafen sich dort Literatenzirkel im Café Griensteidl, heute ist da eine Supermarktfiliale.

Beherzt, engagiert, stilsicher und großteils auf eigene Kosten hatten die Anrainer die Neugestaltung der Herrengasse in die Hand genommen. Rechtsanwalt Wolfgang Spitzy, Vorsitzender der Eigentümergesellschaft des Hochhauses Herrengasse, spielte eine tragende Rolle. 5,5 Millionen Euro zahlten die Privaten, eine halbe Million die Stadt. Die Herrengasse wurde nach Plänen von Architekt Clemens Kirsch erneuert, war 2016 fertig und sehr gelungen, der Michaelerplatz deutlich ungepflegter. 2017 stieß der Pfarrer der Michaelerkirche, Pater Rauch, die Idee zur Neugestaltung an. Unter Spitzys Federführung formierten sich Wirtschaftskammer, Burghauptmannschaft, Michaelerpfarre und andere Gleichgesinnte zur Initiative für die Neugestaltung des Michaelerplatzes. Sie beauftragten Architekt Paul Katzberger mit der Planung, die in Abstimmung mit allen betroffenen Anrainern und der Stadt laufend adaptiert wurde. 1,2 Millionen Euro werden Private zu den geschätzten Gesamtkosten von 8,5 Millionen Euro beitragen, der Platz soll 2024 fertig sein.

Architektur von Weltrang formt den Michaelerplatz. Jede gibt in ihrer Art Antwort auf die Fragen ihrer Zeit. Jede Neugestaltung sollte sich an Fischer von Erlach, Adolf Loos und Hans Hollein messen und das Hitzeproblem der Gegenwart lösen können. Dieser Anspruch ist hoch und legitim – natürlich kann er scheitern. Aber man sollte es versuchen, der Michaelerplatz wäre es wert. Was bleibt, ist eine Zeitschicht mehr. Sie wird für sich sprechen.

Spectrum, Di., 2023.09.19

15. August 2023newroom

Alle Farben dieser Welt. nextroom fragt Daniel Höller

Heute ist alles smart, innovativ und nachhaltig. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit beim Stahl? Und lassen sich Fassadenpaneele auch ressourcenschonend beschichten? nextroom fragt Daniel Höller, Chief Marketing Officer und Vertriebsleiter von ArcelorMittal Construction, die Antwort ist bunt.

Heute ist alles smart, innovativ und nachhaltig. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit beim Stahl? Und lassen sich Fassadenpaneele auch ressourcenschonend beschichten? nextroom fragt Daniel Höller, Chief Marketing Officer und Vertriebsleiter von ArcelorMittal Construction, die Antwort ist bunt.

Das Empfangsgebäude von Arcelor Mittal im oberösterreichischen Traun ist ein typisches Kind der 1970er Jahre: fast quadratisch, etwas gedrungen, die Fassadenpaneele im damals trendigen Blau. Ein Knick erzeugt eine Art Pilzkopf, glatte Oberflächen wechseln sich mit horizontal profilierten ab. Die Firma produziert Stahlfassaden, Trapezbleche, Sandwichelemente. 85 Leute arbeiten in Traun.
„Pflaum“ und „ArcelorMittal“ steht auf der Eingangstür, beide Namen finden sich auf den Espressotassen, 2008 übernahm der weltweit zweitgrößte Luxemburger Stahlkonzern ArcelorMittal den regionalen Familienbetrieb, der vom globalen Netzwerk, Forschung und Infrastruktur des internationalen Giganten profitiert.
Pflaum begann 1954 als kleine, erfindungsreiche Spenglerei in Linz Wegscheid, als eine der ersten produzierte man Brandschutzpaneele. Händisch, aus heimischem Voest-Stahl auf einer selbst gebauten Anlage. Innovation und Nachhaltigkeit gehören zur DNA der Firma. „Wir sind das erste Unternehmen weltweit, das seine Sandwichpaneele lösungsmittel- und emissionsfrei in einem Lichtbogenofen beschichtet“, so Mag. Daniel Höller, Chief Marketing Officer und Leiter des Vertriebs.
Das Unternehmen nimmt den Green Deal der EU sehr ernst, ersetzt unter anderem Hochöfen bei der Stahlproduktion so weit wie möglich durch Elektrohochöfen und macht Schrott wieder zu Stahl. „Bis 2050 muss unser Stahl CO2 neutral sein“, so Höller. Die CO2-Bilanz ist der Architektenschaft immer wichtiger. Stahl von ArcelorMittal ist XCarb zertifiziert. Bei allen drei Komponenten von Sandwichpaneelen - Stahlblech, Dämmung, Beschichtung - lässt sich CO2 sparen. Leistungsfähigerer Stahl ist leichter und spart Emissionen beim Transport. Dämmstoffe können ökologisch, Beschichtungen organisch, Verzinkungsprozesse CO2-ärmer sein. Nachhaltigkeit am Bau bedeutet weniger Ressourceneinsatz bei Material und Mensch. Je mehr Vorfertigung in der Halle, umso weniger Baustellenzeit, Verschleiß und Gefahr für Arbeiter. Das modulare Sandwichpaneel Module 4 wird teils manuell, teils maschinell vorgefertigt und lässt sich mit einer verdeckten Schraubenverbindung elegant verbinden. Die Platten stoßen bündig aneinander, einzig eine Fuge trennt sie. Auch für die Ecken gibt es eine formschöne Lösung.

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Beschichtungen ermöglichen Unverwechselbarkeit. „Wir können fast jeden Farbton produzieren und Paneele sogar so beschichten, dass sie zur Lackierung Ihres Autos passen“, ist Höller hörbar stolz. Ein solcher Wunsch schaffte es als „British racing green“ ins Sortiment. Legierungen, irisierende Farbverläufe, Glanzeffekte: fast alles lässt sich kombinieren, auf dem Weg zur besten Lösung sind auch Materialien und Expertise anderer Hersteller willkommen. Höller: „Wir bieten Planenden die Freiheit, groß zu denken. Die Zukunft liegt im Dialog.“
Für beengte, innerstädtische Baustellen entwickelte ArcelorMittal leicht transportierbare, sehr schlanke, vorgefertigte Trapezblechdecken, die sich vor Ort mit Beton ausgießen lassen. Sie wurden erstmals bei der Schiffsanlagestelle am Wiener Schwedenplatz (fasch&fuchs.architekten) und seither immer öfter eingesetzt.

27. Juli 2023Isabella Marboe
Spectrum

Baudenkmal wie aus dem Film: Haus Dellacher in Oberwart

Die Skizzen wurden seinerzeit über den Atlantik geschickt, weil Architekt Raimund Abraham in New York lebte. Nach dem Tod des Eigentümers geriet das Haus Dellacher im burgenländischen Oberwart in Vergessenheit. Nun steht es frisch saniert offen für Besichtigungen – und Übernachtungen.

Die Skizzen wurden seinerzeit über den Atlantik geschickt, weil Architekt Raimund Abraham in New York lebte. Nach dem Tod des Eigentümers geriet das Haus Dellacher im burgenländischen Oberwart in Vergessenheit. Nun steht es frisch saniert offen für Besichtigungen – und Übernachtungen.

Raimund Abraham (1933 bis 2010) war ein Architekt mit Charisma. Er baute wenig, zeichnete, dachte und lehrte viel. Zeitlebens vom Nimbus des Genies umgeben, zählte er zur künstlerischen Avantgarde seiner Zeit. Abraham begriff Architektur als Symbiose aus Ideal und Methode. Seine Architektur sollte die Essenz des Daseins in Raum, Zeit und Landschaft fassen. Diesen Anspruch konnte er im Haus Dellacher quasi prototypisch realisieren, weil er auf einen Bauherrn traf, der „die Sensibilität mit seinem Architekten teilte“.

Der Fotograf Max Dellacher war nicht ganz so charismatisch wie Abraham, aber immerhin in Italiens Hollywood, der Cinecittà, tätig. Das Buch „Le Fontane di Roma“ von Cesare d’Onofrio mit seinen kunstvollen Schwarz-Weiß-Fotos war ein Riesenerfolg und ist heute vergriffen. Abraham und Dellacher verbanden ihr Geburtsort Lienz und eine alte Freundschaft. Dellachers Frau Gisela, geborene Blasy, stammte aus dem Burgenland. So verschlug es den italophilen Fotografen ins beschauliche Oberwart, um das örtliche Fotoatelier zu übernehmen. Um 1963 bat Abraham um eine Skizze für sein Haus.

Drehknöpfe wie in den USA

„Jede architektonische Schöpfung ist ein Zusammenstoß mit dem jeweiligen Ort“, so Abraham. Das Grundstück wurde sehr bewusst gewählt. Keine vier Kilometer westlich von Oberwart steht nun am Rand eines Wäldchens das Haus Dellacher auf einem leichten Hügel zwischen zwei Feldern. Die Nähe der Grazerstraße B50 ist eine Konzession an das Automobil. Das Haus zelebriert den Ort: Man nähert sich ihm von Osten, schreitet einige Stufen auf den Eingang an der rückwärtigen Nordseite zu, hinter dem sich die runde Mauer der Wendeltreppe aus der Wand drückt, ein Flachdach verbindet sie mit der Garage, es bildet sich eine Art Portal. Im Süden führt eine ausladende Freitreppe auf die Terrasse. Abraham plante sie einseitig, Dellacher ordnete auf der Baustelle zwei palladinisch symmetrische Treppenläufe an. Im Osten bindet ein Weg, der von einer nischenbildenden Mauer gefasst wird, Sonnendeck und Pool an, davor stehen Essigbäume.

Der Baukörper ist aus der Grundform des Quaders heraus durch Einkerbungen und Additionen skulptural entwickelt. Eine Oberlichtkuppel erhellt den zentralen Esstisch für zehn Personen zwischen Küche und Wohnzimmer. Ohne Bezug nach außen wird er zu einem introvertierten Ort der Konzentration. Hier wird in der Mitte des Hauses das gemeinsame Essen zur Zeremonie erhoben. Raimund Abraham weigerte sich, Möbel zu entwerfen, was Max Dellacher mit umso mehr Hingabe übernahm. Alle Türen haben Drehknöpfe wie in den USA, türkise Türrahmen frischen die Gangwände aus Eschenholz auf. Einbauschränke, Wandverkleidungen, Lampen wurden von ihm akribisch geplant, teils entworfen und ausgeführt. Küche und Essplatz sind japanisch inspiriert, die Klinker auf dem Boden des Kaminzimmers, wo sich die damalige Kunstszene traf und heute ein Teil von Abrahams New Yorker Bibliothek steht, aus Großbritannien importiert.

Das Haus, das von außen archaisch behäbig wirkt, zeigt sich innen erstaunlich wohnlich. Die von oben erhellte Wendeltreppe mit der Stahlspindel und den Holzstufen ist überraschend leicht, alle Öffnungen in den massiven vor- und rückspringenden Wänden inszenieren den Ausblick, schaffen Verbindungen ins Freie und Bezüge zueinander. Zwischen Wohn- und Schlafzimmer verläuft gartenseitig ein Arkadengang, aus dem sich in der Mitte eine lange, schmale Terrasse entwickelt. Beidseitig führt symmetrisch rechts und links eine Freitreppe auf die Wiese. Die Anlage wirkt fast imperial, unter die Terrasse ist zwischen zwei mächtigen, weißen Pfeilern das verglaste Atelier von Max Dellacher eingeschoben. Das scheint ein Widerspruch, gerade dadurch aber ist das Atelier nicht exponiert, sondern beschattet und atmosphärisch angenehm.

Seit 2007 unter Denkmalschutz

1964 zog Abraham nach New York, ab dann erfolgte die Planung über exorbitant teure Ferngespräche; Skizzen wurden über den Atlantik geschickt. Architekt Rudolf Schober, ein guter Freund von Gisela Dellacher, übernahm die Baustelle. Die 43 Zentimeter dicken Außenwände wurden aus Voll- und Hochlochziegeln von der nahen Ziegelei Rotenturm gebaut. 1969 zogen Max und Gisela Dellacher mit ihren zwei Töchtern in das teure Haus, Giselas Sohn aus erster Ehe und dessen Familie wohnten da, Künstlerfreunde kamen, hier herrschte viel Leben. Dellacher starb 1984, hinterließ Schulden; eine Bank kaufte das Haus, passende Mieter fanden sich schwer.

2015 erwarb Johannes Handler das Haus, „eine reine Bauchentscheidung“. Das Burgenland erlebte unter Landeshauptmann Theodor Kery gerade einen einzigartigen Modernisierungsschub und wurde zum Inkubator aktueller Tendenzen. Fast in jedem Ort entstanden Kulturzentren, Schulen, Krankenhäuser, viele davon Betonbrutalismus in Reinkultur; die Osterkirche von Günther Domenig und Eilfried Huth in Oberwart entstand zeitgleich mit dem Haus Dellacher. „Es hat damals noch eine Zukunft gegeben“, sagt Handler, der dieses Haus, „das völlig aus der Zeit gefallen war“, der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte.

Seit 2007 steht das Haus unter Denkmalschutz. Es sah mit seinem vermoosten Putz katastrophal aus, seine Substanz aber war „so gut wie die von Gründerzeitbauten“, so Handler. „De facto musste man vor allem den nachträglich aufgebrachten Vollwärmeschutz abtragen.“ 2017 wurde das Haus in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt sorgfältig saniert. Man erneuerte die Blecheindeckung, dämmte den Dachstuhl mit Zellulose, reparierte Fenster und Putz. Innen war noch fast alles original erhalten. Seit 2017 bietet der gleichnamige Verein unter der Obmannschaft von Johannes Handler Führungen an, außerdem Workshops für Kinder. Als Ferienhaus, Film- und Event-Location ist das ikonische Haus mit Pool zu mieten.

Vor dem Eingang steht eine schlanke, hohe Skulptur des Bildhauers Rudolf Kedl. Sie begrüßt und verabschiedet alle Besucher und Besucherinnen. Es ist Max Dellachers Grabstein, der hier zum Wächter seines Hauses wird.

Spectrum, Do., 2023.07.27



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Haus Dellacher

14. Mai 2023Isabella Marboe
Spectrum

Zug fährt ab – Eine Stadt braucht einen Bahnhof

Bahnhöfe haben heute in erster Linie inklusiv und effizient zu sein. Wo Fahrpläne getaktet sind, bleiben Wartehallen auf der Strecke. In Hall in Tirol lässt sich das gerade gut beobachten.

Bahnhöfe haben heute in erster Linie inklusiv und effizient zu sein. Wo Fahrpläne getaktet sind, bleiben Wartehallen auf der Strecke. In Hall in Tirol lässt sich das gerade gut beobachten.

Eine Stadt braucht einen Bahnhof“, sagt Oliver vom Hove mit dem Brustton der Überzeugung. Er spricht von Hall in Tirol. Einem Ort mit einem außergewöhnlich schönen, mittelalterlichen Stadtkern, etwa 14.322 Einwohnerinnen und Einwohnern und einem grundsoliden, sympathischen Bahnhof, Baujahr 1957 – beziehungsweise dem, was davon blieb: die Halle, die von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) als „Aufnahmegebäude“ bezeichnet wird, und die der moderne Bahnhof nicht mehr braucht.

„Siebzig Jahre lang war das eine Art Visitenkarte, ein Empfangsportal für den Personenverkehr, ein zentraler Punkt, an dem man sich begegnet“, sagt Gerald Aichner, Alpenvereinsvorsitzender Tirol. „Man sollte die Halle revitalisieren. Das kann ja nicht adäquat und zeitgemäß sein, dass man draußen warten muss, wenn es regnet oder schneit.“ Gemeinsam mit Oliver vom Hove initiierte Aichner im Mai 2019 eine Unterschriftenaktion zum Erhalt des alten Bahnhofs. Auch Ex-EU-Kommissar Franz Fischler zählt zu den prominenten Unterstützern: „Es gibt nur noch wenige Beispiele dieser Architektur des internationalen Modernismus aus den 1950er-Jahren. Dass man den Bahnhof von Wattens erhält, den von Hall aber nicht, ist nicht nachvollziehbar.“ Noch mehr erbost ihn das Argument mit den Parkplätzen, denen der Bestand weichen soll.

Der alte Bahnhof in Hall hat eine hohe handwerkliche Verarbeitungs- und Materialqualität; außerdem haben viele Menschen eine emotionale Beziehung dazu. Der Bahnhof ist das Tor zur Stadt, doch er steht nicht unter Denkmalschutz. Sein Architekt ist unbekannt, das Bundesdenkmalamt stellte als Fallbeispiel dieser Epoche den Bahnhof Seefeld unter Denkmalschutz. Den hatte Hubert Prachensky, eine prominente Architektenpersönlichkeit in Tirol, geplant. Gebäude unter Denkmalschutz haben gleichermaßen eine amtlich verbriefte Existenzberechtigung, alle anderen tun sich schwer. Umso mehr, wenn es für sie scheinbar keinen Nutzen mehr gibt.
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Nur noch Haltestelle

„Wichtig ist heute, einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Mobilitätsangeboten zu schaffen“, sagt Christoph Gasser-Mair, Pressesprecher der ÖBB. „Auftrag der ÖBB ist, eine bedarfsgerechte Infrastruktur für Reisende im öffentlichen Verkehr zur Verfügung zu stellen.“ Neue Bahntechnik, eine neue Unterführung, zwei neue, 220 Meter lange Bahnsteige, eine neue Überdachung, Lifte, Monitore, Wartekojen: Der Umbau des Bahnhofs zur barrierefreien Verkehrsdrehscheibe erfolgte zwischen 2018 und 2020, er betrug elf Monate Bauzeit und kostete 11,5 Millionen Euro.

Das alte Aufnahmegebäude wurde geschlossen, teilabgebrochen und von allen Infrastrukturabschlüssen abgeschnitten – es sollte längst nicht mehr stehen. „Wir können auf Kosten des Steuerzahlers kein Gebäude erhalten, dessen Nutzung für die Erbringung von Mobilitätsdienstleistungen nicht relevant ist“, so Gasser-Mair. „Im Gegenteil: In Hall sind Fahrradabstellplätze ein großes Thema.“ Das heißt: Das Mobilitätskonzept bedarf einer Park&Ride-Anlage, keiner sanierungsbedürftigen Halle. Doch die ÖBB haben der Gemeinde noch bis Ende Juni Zeit gegeben, um ein Nutzungskonzept vorzulegen.

Als der Bahnhof Hall gebaut wurde, begann das Land langsam aufzuatmen. Der Terrazzo auf dem Boden, die Fliesen an den Wänden, draußen mattgrün, drinnen ockergelb, die Glastüren und großen Fenster in der hohen Halle erzielten mit bescheidenen Mitteln viel Wirkung. Man sieht auf die Bergkette des Inntals, der kleine Bahnhof strahlt Zuversicht aus, aufkeimende Lebensfreude und Reiselust. Man kaufte seine Zeitung, setzte sich nieder, wartete, kam ins Plaudern, brachte hin, holte ab und kam an. Ein Ort der Vorfreude und des Verweilens.

Heute sind Bahnhöfe „bedarfsgerechte Infrastruktur“ – also vor allem Haltestellen zum Um-, Ein- und Ausstieg, so inklusiv, barrierefrei und sicher wie möglich, mit klar bezeichneten Wegeleitungen. Nachhaltig, energieeffizient, ressourcenschonend, österreichweit einheitlich geplant. Das Nutzerverhalten hat sich geändert: Die meisten wissen genau, wann ihr Zug fährt, und kommen erst ganz knapp davor auf den Bahnsteig. „Jeder Nahverkehrszug, der in Hall wartet, hat ein WC an Bord“, so Gasser-Mair. Das dringende Bedürfnis wurde gleichermaßen in kleinen Stationen wegrationalisiert. Wer in Hall dennoch eine Toilette nutzen musste, ging in die nahe gelegene Bürgerstube. Schließlich stellte die Stadt ein WC auf und finanzierte Reinigung und Wartung; inzwischen sind die ÖBB zur Errichtung eines solchen bereit.


Kein Geld für die Sanierung

Als moderner Mobilitätsdienstleister haben die ÖBB keinen Bedarf an einem „Aufenthaltsgebäude“ und dementsprechend kein Interesse an dessen Erhaltung. Sie ist allerdings bereit, die alte Halle zu moderaten Konditionen an die Gemeinde zu vermieten. „Die ÖBB sind Eigentümer, sie wollen dieses Gebäude nicht mehr. Sie möchten aber auch nicht gegen den Willen der Gemeinde agieren“, erklärt Ex-Bürgermeisterin Eva Maria Posch. Daher wurde der geplante Abriss bis dato auch immer wieder verschoben.

Posch beauftragte den Architekten Benedikt Gratl mit einer Nutzungsstudie. „Der Zustand des Gebäudes ist nicht so schlecht, man sollte die Halle und das Vordach, das umlaufende rote Band, die strukturierten Fliesen und den schönen Terrazzo im Inneren unbedingt erhalten.“ Gratls Konzept sieht vor, zwei von außen zugängliche Container mit öffentlichem und Personal-WC sowie Technik- und Lagerinfrastruktur für ein Lokal in die zwei früheren Eingänge zu schieben und den Bestand innen als Wartezone mit Bäckerei, Trafik, Raum für Stadtteilentwicklung oder Tourismusinformation nutzen. Als Pendant zum neuen, barrierefreien, überdachten Abgang zur Unterführung hat Gratl auf der anderen Seite des Bestands auch einen Bereich für Park&Ride geplant.

Beim Wunschszenario sind sich alle einig: Die schöne, lichte Halle bleibt, ein kleiner Bäcker zieht ein, vielleicht eine Trafik, ein Café. „Ideen gibt es viele“, sagt der amtierende Bürgermeister Christian Margreiter. „Dass die Gemeinde für die Sanierung etwa eine Million Euro in die Hand nimmt, ist politisch nicht umsetzbar.“ Außerdem fand sich bisher kein überzeugendes Nutzungskonzept mit gesicherter Finanzierung. Für Bäckereien und Trafiken ist der Standort nicht rentabel, Bahnhofsrestaurationen sind für die Bahn tabu. „Bei aller Wertschätzung für den Einsatz zum Erhalt der Halle: Der Zug ist abgefahren. Zu so einem Gebäude muss man ,Ja‘ sagen, es hat keinen Zweck mehr für die Bahn.“

Eines ist jetzt schon sicher: Wo es kein Aufenthaltsgebäude gibt, hält sich auch niemand auf. Die ganze Welt spricht von sanfter Mobilität – der Abriss einer Wartehalle zugunsten von Park&Ride scheint zumindest sehr kurzsichtig. Wer weiß, wie das Reisen und die Stadt Hall sich entwickeln. Bis Ende Juni ist noch Zeit für ein alternatives Nutzungskonzept.

Spectrum, So., 2023.05.14

13. April 2023Isabella Marboe
Spectrum

Wohnen mit leichtem Gepäck in Vorarlberg

Bodenversiegelung ist ein Problem. In Wolfurt hat man es mit Fundamenten gelöst, die wieder abgebaut werden können. Inmitten von Streuobstwiesen entstand so eine temporäre Wohnanlage.

Bodenversiegelung ist ein Problem. In Wolfurt hat man es mit Fundamenten gelöst, die wieder abgebaut werden können. Inmitten von Streuobstwiesen entstand so eine temporäre Wohnanlage.

Die Idee ist toll: Wohnraum schaffen, ohne den Boden dauerhaft zu versiegeln und ihn der nächsten Generation zu erhalten, am besten aus wiederverwertbaren Baustoffen. Bauherr Gerd Arnold und Simone Burtscher vom Büro Querschnitt Architekten setzten sie beim Projekt „Q4: wiR wohnen im Rheintal mit der Landschaft“ um. Das untere Rheintal zählt zu den dynamischsten, innovativsten Regionen Europas, über 320.000 Menschen leben in 42 Gemeinden. Verkehrsinfrastruktur, Preisniveau, Siedlungsdichte und Nutzungsdruck auf Grünraum und Freizeiteinrichtungen steigen ständig. Viele große Unternehmen sind hier angesiedelt, in einer Werkstatt in Wolfurt begann der Siegeszug von Doppelmayr um die Welt.

Der Ort wuchs zum unüberschaubaren Siedlungskonglomerat an. Rund um die einst bäuerlichen, großen Rheintalhäuser und Wiesen breiten sich Einfamilienhäuser, Wohnbauten und Industrie immer weiter aus. „Es gibt einen großen Siedlungsdruck auf die kommunalen Randzonen“, sagt Architektin Simone Burtscher. „Das Rheintal ist immer noch von landwirtschaftlichen Strukturen geprägt, viele besitzen zentrumsnahe Grundstücke, die vor Jahrzehnten als Bauland gewidmet, aber nie bebaut wurden.“ Man behält sie einfach, ihr Wert steigt mit derselben Sicherheit, wie sich die Orte ausdehnen. 11,5 bis 13 Hektar Land werden in Österreich pro Tag versiegelt, das sind zwischen 16 und 20 Fußballfelder.

Auch Gerd Arnold, Geschäftsführer der Trockenbaufirma Raumwerk, und sein Bruder Egon Arnold besitzen eine baulandgewidmete, große Streuobstwiese in Wolfurt. Ihr Vater hatte hier eine Landwirtschaft, die Lage an der Brühlerstraße, die mitten durch den Ort führt, ist günstig. In der Nähe gibt es eine Bushaltestelle, der Bahnhof ist fußläufig erreichbar. Aber: Im ländlich geprägten Ortsteil Rickenbach fehlt ein Nahversorger. „Ich bekam sehr gute Angebote für das Grundstück“, sagt Arnold. „Ich wollte es nicht verkaufen, nicht versiegeln und trotzdem wirtschaftlich nutzen.“ Konventionelle Wohnbauten mit einem Bauträger und Tiefgarage kamen für ihn nicht infrage.

Die Streuobstwiese sollte für künftige Generation bewahrt werden, Arnold dachte an Tiny Houses oder Container, möglichst unkompliziert, etwa 20 Stück. Er zog Simone Burtscher zurate. Sie plädierte dafür, den Bestand mit der Hofeinfahrt, den Parkplätzen an der Straße, einem Schuppen für Gerätschaften, Gemüsebeeten und dem großen Nussbaum in das Konzept einzubeziehen. „Man kann doch so ein Rheintalhaus weder schleifen noch brachliegen lassen.“ Sie sah sich den Grund an. An der begrenzenden Stickerstraße im Norden betreibt ein Bauer im Nebenerwerb eine Landwirtschaft; seine Kühe weiden im Frühjahr auf besagter Streuobstwiese, auch im Süden und Westen gibt es noch Felder. Der Teil des Grundstücks mit der Landwirtschaft ist als Misch-, die anschließende Wiese als Wohngebiet gewidmet. Sie musste unbedingt frei bleiben. 2018 fand ein Workshop mit Roland Wück, einem Landschaftsplaner der Wiener Boku, statt. Er lehrte das Lesen der Kulturlandschaft: In den Mulden an den Grundstücksrändern zeichneten sich ehemalige Entwässerungsgräben ab, auch die von Ost nach West verlaufenden Reihen, in denen früher die Obstbäume standen, sind noch erkennbar. Streuobstwiesen sind am Schwinden, keiner der verbliebenen Bäume sollte gefällt werden; einer musste dran glauben, alle anderen überlebten die Baustelle. „Der Kerngedanke war, dass sich die vorgefertigten Einheiten leicht per Lkw transportieren lassen“, sagt Burtscher. So sind sie bei Bedarf leicht auf einem anderen Streifenfundament auf einer anderen Wiese zur inneren Verdichtung zu parken. Das Konzept kam bei der Gemeinde gut an, im Juli 2019 war die Baueingabe, Ende 2020 zogen die ersten, Anfang 2021 die letzten Mieter:innen ein, seither einige wieder aus. Gewohnt wird in zweigeschoßigen Holzboxen, die über eine offene Stiege miteinander verbunden sind. Je zwei Quader, 4,60 Meter breit, 15 Meter lang, 6,50 Meter hoch, mit je zwei Wohnungen, machen vier: „Q4: wiR wohnen im Rheintal mit der Landschaft.“ Drei an der Sticklergasse im Norden, zwei grenzen an die Wiese im Süden, dazwischen ein breiter Grünstreifen. Jede Box ist seitlich bis auf zwei Fensterschlitze beim Bad geschlossen, an den Breitseiten raumhoch verglast, der südseitige Wohnraum dehnt sich auf die 2,5 Meter tiefe Loggia aus.

Ohne Auto geht hier gar nichts

Die Zimmerei Oasys aus Alberschwende baute die vorgefertigten Holzelemente in einer holzwollegedämmten Pfosten-Riegel-Konstruktion, sie standen in kurzer Zeit, die Holzfenster stammen aus dem Bregenzerwald: regionale Wertschöpfung. Die Boxen halten locker 40 Jahre und sind extrem kompakt: Man betritt sie gegenüber dem Installationskern mit Waschmaschine, Dusche, Toilette, eingangsseitig eine Garderobe, südseitig die einzeilige Küche. Der Bauherr fertigte das Trockenbauelement selbst. Es teilt die Einheit in eine Wohnküche von etwa 20 Quadratmetern mit zehn Quadratmeter Loggia und ein etwas größeres Zimmer. Je zwei können für Familien oder zum Arbeiten und Wohnen zusammengeschlossen werden. Das tat kaum jemand.

Viele Loggien sind sehr vollgestellt, eine Familie okkupierte die Wiese vor ihrer Einheit mit Griller und Gartenmobiliar. Vielleicht zu wenig Stauraum? Architektin und Bauherr verneinen, jeder hätte einen Spind vor der Tür, ein Kellerabteil und den Fahrradraum im Altbau, der schon lange Baustelle ist. Der Bauherr saniert ihn, künftig soll man auch im Bestand wohnen können. Dort befindet sich auch die Pelletheizung der Anlage, die man sich autofrei wünschte. Doch ohne Auto geht hier gar nichts, der Parkplatz ist voll.

An der Grenze zur Streuobstwiese steht ein Hochbeet, erste Setzlinge recken ihre Blätter der noch schwachen Sonne entgegen. „Das Hochbeet ist eines meiner Projekte, das verwende zu 90 Prozent ich“, sagt Ramona Brunner lachend. Sie lebt mit ihrer Partnerin Melanie Dobler im Erdgeschoß, die beiden kommen mit ihren knapp 50 Quadratmetern gut aus, einzig die Küche ist etwas klein. „Es ist schön, da zu wohnen, die Lage ist mega.“ Die Miete wurde kürzlich auf 810 Euro pro Monat angehoben, dazu kommen zehn Prozent USt. und 110 Euro Betriebskosten. Zu zweit ginge das noch, für Singles und Familien sei es sehr viel.

„Aus finanziellen Gründen tut man das nicht, reich wird man so nicht“, sagt Gerd Arnold. Die Nachfrage ist hoch, auch die Optionswohnung für die Gäste aller ist fix vergeben. Die Mieter:innen sind 20 bis 60 Jahre alt, meist Singles oder Pärchen, Kinder gibt es kaum, für Auszubildende und Lehrlinge ist es zu teuer; aber gerade sie brauchen dringend kleine Wohnungen.

Spectrum, Do., 2023.04.13



verknüpfte Bauwerke
Q4 Wohnen im Rheintal

10. März 2023Isabella Marboe
Spectrum

Die Purkersdorfer proben den Aufstand

Parks, Denkmale und Kulturgüter haben keine Lobby – außer einer engagierten Zivilgesellschaft. Die geplante Bebauung eines Grundstücks im Sichtfeld des berühmten Sanatoriums von Josef Hoffmann in Purkersdorf schlägt hohe Wellen – ein Fallbeispiel.

Parks, Denkmale und Kulturgüter haben keine Lobby – außer einer engagierten Zivilgesellschaft. Die geplante Bebauung eines Grundstücks im Sichtfeld des berühmten Sanatoriums von Josef Hoffmann in Purkersdorf schlägt hohe Wellen – ein Fallbeispiel.

So viel ist sicher, es bleibt erhalten“, sagt Stefan Steinbichler, Bürgermeister von Purkersdorf. In seiner Gemeinde steht das ehemalige Sanatorium „Westend“ von Josef Hoffmann, ein epochales Stück Weltarchitektur an der Schwelle vom Jugendstil zur Moderne. 1996 inszenierte Paulus Manker dort sein faszinierendes Polydrama „Alma – A Show Biz ans Ende“ zum ersten Mal, sechs Jahre lang folgte das Publikum dem Spielverlauf über die mehrläufige Prachtstiege mit Oberlicht durch Zimmerfluchten, Bäder in den mondänen Speisesaal. Alle waren überwältigt.

Seit der Kundmachung einer beabsichtigten Widmungsänderung des Grundstücks 170/14 in der Wiener Straße 68 im Dezember 2022 gehen die Wogen hoch. Die Parzelle grenzt direkt an den Park des Hoffmann-Sanatoriums – bzw. das, was davon übrig ist. Im Westen wird er von Wohnbauten begrenzt, im Norden von der neuen Seniorenresidenz, die über den denkmalgeschützten, verglasten Wandelgang mit Hoffmanns Bau verbunden ist. Decken- und Stiegenkonstruktion nutzen die modernste Technologie ihrer Zeit, ebenso wesentlich war der Park als integrativer Teil des Gesamtkunstwerks.

„Das Hoffmann-Sanatorium verdient aufgrund seiner hohen künstlerischen Qualität und seiner architektur- und kulturhistorischen Bedeutsamkeit erhalten zu werden“, schrieb Eduard F. Sekler, Hoffmann-Biograf und architekturhistorische Eminenz der Harvard University. „Nicht nur im Interesse Österreichs, sondern als Teil des kulturellen Erbes der Menschheit.“ Erstaunlich spät – 1992 – wurde es unter Denkmalschutz gestellt.

1904/05 war das Sanatorium auf einem riesigen Grundstück des jüdischen Industriellen Victor Zuckerkandl als luxuriöse Kuranstalt für Heilbäder und physikalische Therapie errichtet worden. Hoffmann hatte es als Gesamtkunstwerk mit Möbeln und Interieur entworfen, auch der Park gehörte dazu. Alma Mahler, Arthur Schnitzler, Arnold Schönberg, Hugo von Hofmannsthal zählten zu den illustren Gästen, dann kamen Weltwirtschaftskrise, Nationalsozialismus, Enteignung und Ermordung der Besitzerfamilie, Kriegsversehrte und die Russen. Das Rückstellungsverfahren an die einzigen zwei Überlebenden, Fritz Zuckerkandl und Hermine Müller-Hofmann, endete 1952 in einem Vergleich.
Rückführung auf geplante Kubatur

1953 kaufte der Evangelische Verein für Innere Mission das Sanatorium und betrieb es bis 1984 als Krankenhaus und Pflegeheim. Dann stand es leer und verfiel langsam, aber sicher. Im selben Jahr widmete man den Grund von Grünland – Krankenanstalt in Bauland – Sondergebiet, Altersheim, Krankenanstalt um. Damit wurde aus dem Hoffmannpark ein gefährdeter Park. 1991 erwarb der Baumeister und Immobilienmakler Walter Klaus das Areal, man verpflichtete ihn zur Sanierung; Architekt Sepp Müller renovierte das Sanatorium vorbildlich und führte es originalgetreu auf die von Hoffmann geplante Kubatur zurück. Dafür bekam Klaus die Baugenehmigung für eine Seniorenresidenz für betreutes Wohnen samt Hotel und frei finanzierten Eigentumswohnungen. Das Büro Hlawenicka & Partner erstellte den Bebauungsplan, teilte das Grundstück in mehrere Parzellen, die Widmung wurde entsprechend angepasst.

Das Grundstück 170/14 ist 5017 m2groß, 60 Meter lang, etwa 30 Meter tief, derzeit Freifläche, achtlos gestaltet. Parkplatz, Wiese, ein paar alte Bäume – aber unbebaut; dem Parkplatz ist der ungehinderte Blick aufs Sanatorium zu verdanken. Die momentane Widmung ist Sondergebiet – Pflegeheim Seniorenbetreuung. Es gilt Bauklasse III, also acht bis elf Meter Höhe. Altortgebiet, Zentrumszone. Ziel des Bauwerbers, der Auris Immo Solutions GmbH, die das Hoffmann-Sanatorium im Portfolio führt, ist der Bau eines Generationenwohnhauses mit zwei Kindergruppen im Erdgeschoß, darauf drei Geschoße plus zurückgestuftes Dachgeschoß, macht rund 41 Wohnungen (47 bis 76 m²). Dieses Projekt bedarf der Umwidmung von Bauland – Sondergebiet, Pflegeheim, Seniorenbetreuung in Bauland-Kerngebiet – Generationenhaus. Die Höhe bleibt gleich, die mögliche Kubatur verändert sich; die generierbare Nutzfläche vermehrt sich um marginale 57,8 m², rechnet Steinbichler vor. Der Wert pro Quadratmeter aber steigt nicht unbeträchtlich.

Zu viel Geld für eine Wiese

Architekt Fritz Waclawek sammelte Unterlagen, Bescheide, Unterschutzstellungen, Widmungsänderungen, machte mobil und verfasste einen Einspruch gegen die Umwidmung. Auch die Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs, die Initiative für Denkmalschutz und viele andere taten das. 138 bis 160 Einsprüche trudelten ein, die Quellen divergieren; über 60 Menschen kamen zur Bürgerversammlung im Hotel Friedl. „Bei einer Infoveranstaltung ohne Freibier habe ich das noch nie erlebt“, sagt Bina Aicher, Obfrau der Bürgerliste „Pro Purkersdorf“. Frust und Ärger sind groß, man hat die Umwidmungen satt und den Typus „Generationenwohnen“, der keinerlei Rechtsverbindlichkeit hat. Die Website von „ProPurkersdorf“ ist voller Beispiele: meist Lochfassaden mit Vollwärmeschutz und Eigentumswohnungen, einige davon für Senioren, der Rest normal verkauft. Das bringt Rendite: deutlich mehr als ein Pflegeheim, besonders mit Blick auf Weltarchitektur. Mit dieser Parzelle wäre eine der letzten Grünflächen im Ortsgebiet für immer verbaut. 2018 sammelte „ProPurkersdorf“ über 650 Unterschriften für einen Initiativantrag und erwirkte 2019 einen Baustopp im gesamten Ort, der um ein Jahr verlängert wurde.

Steinbichler ist sehr stolz auf seine Idee mit dem Generationenhaus. „Ich möchte das Optimum für die Purkersdorfer:innen herausholen. Wir brauchen leistbaren Wohnraum und Kindergartenplätze.“ Natürlich sei er traurig, dass man das Sanatorium dann nicht mehr sähe, ein Grundtausch aber sei unmöglich – es gäbe es keine vergleichbar große Baufläche mehr, einzig den Sportplatz mit 8200 m². Bliebe der Rückkauf. Wie immer man dessen Wert berechnet: zu viel öffentliches Geld für eine Wiese. Die Gemeinderatssitzung, bei der die Umwidmung behandelt werden sollte, wurde um drei Monate auf Juni verschoben: um Bedenkzeit zu gewinnen und Skeptiker umzustimmen. Petra Eichlinger vom Ortsbildschutz Niederösterreich war auch schon da. „Bauland ist Bauland“, sagt sie. „Das Einzige, was man tun könnte: die Baufluchtlinie so zu verändern, dass mehr von der Sichtbeziehung bleibt.“

Der Fall ist symptomatisch. Parks, Denkmale und Kulturgüter haben keine Lobby, ihr Erhalt kostet Geld, ihr Verlust bringt fast immer Gewinn und Rendite, für Gemeinden, Bauträger, Investoren. Kulturgut schwindet still und heimlich. Doch das Bewusstsein einer hoch engagierten Zivilgesellschaft dafür wächst.

Spectrum, Fr., 2023.03.10

26. Januar 2023Isabella Marboe
Spectrum

Schöner Stiegen steigen in Penzing

In zwei Häusern in Wien-Penzing exerzieren die Architekten die hohe Kunst der schönen Treppe im sozialen Wohnbau, denn: Ein Stiegenhaus ist wichtig für die Orientierung und sollte ein räumliches Erlebnis bieten.

In zwei Häusern in Wien-Penzing exerzieren die Architekten die hohe Kunst der schönen Treppe im sozialen Wohnbau, denn: Ein Stiegenhaus ist wichtig für die Orientierung und sollte ein räumliches Erlebnis bieten.

Rein funktional betrachtet, sind Treppen dazu da, eine Höhendifferenz zu überwinden. Das birgt gestalterisches Potenzial. Kein Schloss ohne Prachtstiege, auf der des Kunsthistorischen Museums posieren Hochzeitspaare gern, auch die der Staatsoper eignet sich bestens zum Defilee. Jugendstil und Gründerzeit waren reich an opulenten Treppen, selbst die der Mietzinskasernen scheinen im Vergleich zur heutigen Norm großzügig. Optimierungswille und Kostendruck ließen den Typus der Stiege, die den Geschoßwechsel zelebriert, nach und nach verschwinden. Froetscher Lichtenwagner Architekten (FLA) haben ein Faible für schöne Stiegenhäuser und Jahrzehnte Erfahrung im sozialen Wohnbau. Dessen Quadratmeterpreise sind an Baukostenobergrenzen, die Wohnbauförderung an die Kriterien Ökonomie, soziale Nachhaltigkeit, Architektur und Ökologie gebunden. FLA wissen den Rahmenbedingungen möglichst viel Qualität abzutrotzen.

2016 gewann Architekt Georg Driendl den offenen, städtebaulichen Wettbewerb auf dem Areal der Körner-Kaserne in Wien Penzing. Es wird im Norden von der Spallartgasse, im Osten von der Kendlerstraße, im Süden von der Hütteldorfer- und im Westen von der Leyserstraße begrenzt. Der Park der Kaserne wuchs über Jahrzehnte hinter einer graffitibesprühten Ziegelmauer dschungelartig zu. Driendls Bebauungsplan formierte Baukörper von den Rändern her so geschickt zu hofartigen Strukturen, dass trotz hoher Dichte nur wenige alte Baumriesen fallen mussten. Es gibt viele Durchgänge, Anrainer spazieren gern im Park, auch Fuchs und Dachs wurden gesichtet.

FLA planten den Neubau mit dem L-förmigen Grundriss an der Leyserstraße 4 für die Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA). Um Bäume zu erhalten, ist der längere Bauteil zehn Meter vom Gehsteig abgerückt, im rechten Winkel dazu ragt ein kleinerer Bauteil in den Park. Die vorgegebene Trakttiefe von 20 Metern ist ein klarer Fall für Mittelgang, beidseitig Wohnungen, alle rollstuhlgerecht adaptierbar, umlaufend Balkon-/Loggienzone. Von 108 Einheiten sind 36 besonders geförderte Smart-Wohnungen zu Mietkosten von 7,50 Euro pro Quadratmeter. Ihre Grundrisse sind hocheffizient. „Das lässt so gut wie keinen Gestaltungsspielraum“, sagt Lichtenwagner. Bleibt die Erschließung. Auch ein Haus kann einen guten ersten Eindruck machen.

Geschoßwechsel spürbar machen

Die Stiege in der Dunkelzone am Eck ist der einzige Fluchtweg und muss daher als Sicherheitsstiege mit Druckbelüftung ausgeführt sein. Eine große Herausforderung für eine natürlich belichtete Stiege mit einer attraktiven Wegführung, die den Geschoßwechsel spürbar macht. „Wir beteten mantraartig herunter, dass ein schönes Stiegenhaus für die Orientierung wichtig ist und ein räumliches Erlebnis bieten muss“, sagt Lichtenwagner. Die WBV-GPA war bereit, die Mehrkosten dafür zu tragen.

Der Haupteingang ist etwas eingerückt an der Leyserstraße, dunkelbraune Klinkerriemchen an den Seitenwänden ziehen nach innen, links die Postkästen, dahinter weitet eine rückspringende Wand den Raum vor den Liften mit der Bank, zum Sitzen, für Einkäufe und Post. Sie lenkt den Blick auf den Treppenantritt, der die Stiege aus ihrem finsteren Eck ins durchgesteckte Foyer vorzieht und durch den Hintereingang Licht erhält. Am Boden, robust, preiswert: Feinsteinzeug. Hier ist aus den Fliesen – anthrazit, hellbeige, diagonal geschnitten – eine Art Tangram gelegt. Wie ein Teppich zwischen Treppe, Lift und Bank. Drei Wohnungen sind für Sehbehinderte und Blinde, auch ihre Leitlinien führen über den Teppich. Sie sind auf den Lift angewiesen, alle anderen sollten die Stiege nehmen.

Sie steigt sich fast von selbst, jedes Eck ist gerundet, das setzt Handlauf und Schritt in eine fließende Bewegung, der Antritt lenkt um 90 Grad in Gehrichtung. Um ein rechteckiges Stiegenauge – groß genug, damit Licht und Blick bis nach unten dringen – windet sich die Treppe abwärts, einläufig führt sie einen Stock höher auf ein frei ausschwingendes, halbkreisförmiges Podest, leichtfüßig folgt man der Drehung, anstrengungslos eben führt ein Steg aufs Liftpodest, in das alle Mittelgänge einmünden. Von Geschoß zu Geschoß schraubt sich diese Stiege durch einen haushohen Luftraum, der nach oben hin immer heller wird. Im sechsten Stock führt ein Steg auf die Dachterrasse am niederen Bauteil. Ab hier zelebriert eine drei Geschoß hohe Glaswand die neue Freiheit, bunte Scheiben zerlegen das Licht in seine Spektralfarben: je nach Tageszeit anders, je mehr Sonne, umso bunter.

Verwerten von jedem Quadratmeter

Die meisten Stiegen werden als Fertigteile zwischen dem oberen und unteren Podest eingehängt. Beim frei in den Luftraum ragenden Halbkreis funktionierte das nicht. Kragplatten und Treppenlauf mussten betoniert, Letzterer in die Wand eingespannt, die darauf aufliegende Fertigsteilstiege schalltechnisch entkoppelt werden. Das erforderte zwischen beidem eine Trittschalldämmung, die Treppenwangen aus weiß lackiertem Stahl gehen mit der Rundung.

Der zweite Wohnbau liegt etwas höher am Eck Leyserstraße/Spallartgasse, auch sein Grundriss ist L-förmig. Er hat 71 Wohnungen und wurde von der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Eisenhof umgesetzt. „Das Stiegenhaus liegt an der Innenecke des Hauses; ein Raum, der de facto nicht als Wohnung genutzt werden kann“, sagt Willi Froetscher. „Das Verwerten von jedem Quadratmeter ist ein gefährlicher Sport, der viele Qualitäten vernichtet.“ Dieser Fall ist besonders: Im Erdgeschoß gibt es einen Supermarkt, der fast den ganzen Längstrakt an der Leyserstraße einnimmt, die Zulieferung erfolgt ums Eck von der Spallartgasse aus. Sie muss an das Geschäftslokal angebunden sein, die Verbindung verläuft rückseitig, Foyer und Stiege können also in den zwei Geschoßen, die der Supermarkt und seine Büros einnehmen, nicht durchgesteckt sein. Der Weg vom Eingang zur Stiege ist zwangsläufig lang und verzogen.

FLA glückte ein einladendes Entrée. Zur linken die Postfächer, Gold eloxiert, zur rechten mündet eine Holzbank in die schräge Wand mit dem Fenster zum Park, der Übergang zur Stiege ist fließend. Drei Stufen sind es auf das Zwischenpodest, von dem eine einläufige Treppe diagonal quer über den Luftraum zum Beginn der regulären Stiege führt. Die Bauarbeiter tauften sie „Harry-Potter-Stiege“. Die Situation ist so großzügig, dass sie sich vor Ort sehr belebt zeigt. Die Stiege wird genutzt. Sie variiert die Kombination aus gerader, einläufiger Treppe mit freischwingendem, halbkreisförmigem Podest und Plattform zum Lift durch einen haushohen Luftraum. Ein Einschnitt in den Baukörper bringt mehr Tageslicht; Handlauf und runde Ecken ziehen leichtfüßig nach oben. Die Dachterrasse belohnt mit Blick auf Schönbrunn und Gloriette.

Spectrum, Do., 2023.01.26



verknüpfte Bauwerke
Wohnbau Spallartgasse
Wohnbau Leyserstrasse [Froetscher Lichtenwagner]

17. Dezember 2022Isabella Marboe
Spectrum

Das neue „Magdas Hotel“: Sozial mit einem Hauch Retro

Magdas Hotel ist umgezogen und wurde in einem ehemaligen Priesterwohnheim in Wien-Landstraße permanent heimisch. Das Projekt der Caritas erfüllt nun alle Auflagen an ein Hotel – und hat nichts von seinem Charme verloren.

Magdas Hotel ist umgezogen und wurde in einem ehemaligen Priesterwohnheim in Wien-Landstraße permanent heimisch. Das Projekt der Caritas erfüllt nun alle Auflagen an ein Hotel – und hat nichts von seinem Charme verloren.

Unweit von Wien-Mitte, einem Bahnhof mit Shopping-Mall und perfekter Flughafenanbindung, verläuft die Ungargasse: verstaubte Authentizität in Zentrumslage. Die Gastwirtschaft Zum alten Heller auf Nummer 34 musste schließen, das zweistöckige Biedermeierhaus wich einem Neubau: ein Wiener Schicksal für niedrigen Bestand ohne Denkmalschutz. Daneben verströmt der schwarze Wagen der Aevum Bestattung die Zuversicht alles Blankpolierten. Das morbide Klischee bröckelt – im Oktober eröffnete auf Hausnummer 38 Magdas Hotel, ein Social Business der Caritas. Auf dem Gehsteig stehen Pflanztröge, dazwischen rote Holzbänke, so viel Entgegenkommen hebt selbst an eisigen Tagen die Laune. Durch raumhohe Scheiben blickt man in einen hellen Raum voll reger Betriebsamkeit: Magdas Lokal.

Es ist Frühstückszeit, Fariba Gholami an der Rezeption ist herzerwärmend freundlich. Neun Lehrlinge gibt es, sie sind zwischen 16 und 30 Jahre alt, viele aus Syrien und Afghanistan. „In der Gastronomie herrscht Fachkräftemangel, wir integrieren Menschen mit Fluchthintergrund in den ersten Arbeitsmarkt“, so Gabriela Sonnleitner, Geschäftsführerin und Leiterin von Magdas Hotel. Das erste startete als Zwischennutzung in einem umgebauten Caritas-Pensionistenheim beim Prater. „Wir mussten mit ganz wenig Mitteln ein Haus einrichten und machten aus dieser Not einen Stil.“ Designer Daniel Büchel baute mit kreativem Witz einige halbierte Pensionistenheimstühle zu coolen Nachttischen um, kombinierte sie mit Vintage-Möbeln aus Carla-Lagern und Tischlerarbeit aus Caritas-Werkstätten. Das Zahlenverhältnis von Fachkräften zu Auszubildenden passte nicht gleich, Magdas lernte rasch, professionalisierte sich, wurde zur Erfolgsgeschichte.

Minimalistisches Gebäude

Das Haus in der Ungargasse 38 war von Dombaumeister Kurt Stögerer als Priesterwohnheim geplant worden, es hatte eine permanente Hotelgenehmigung. Seit Jahrzehnten realisieren BWM Architekten Hotels jeder Dimension und Kategorie, ein sozialökonomischer Betrieb war auch für sie neu. Partner Johann Moser leitete den Umbau; in einem gemeinsamen Workshop mit Magdas bestimmte man den Markenkern des Hauses, das immer ein Ort der Begegnung und Stille gewesen war. Aus der Traufkante ragt die Kapelle im sechsten Stock. Ein schöner Raum, leicht konisch zugeschnitten, die Decke strebt dem indirekten Licht über dem Altar zu.

Baujahr 1963, atmet der Stahlbetonbau den spröden Charme eines Nachkriegsjahrzehnts, in dem sich schon Zuversicht unter die Sparsamkeit mischte. Das Erdgeschoß ist zur Straße hin großzügig verglast, in den ersten zwei Stöcken wohnten Steinmetze der Dombauhütte und Gäste, darüber Priester. Zimmer mit Sanitärzellen an einem Mittelgang, rückseitig kleine Balkone. Die Einteilungen blieben, sonst ist alles neu: Haustechnik, Sanitär, Fluchtstiege, Lift.

Das Gebäude war sehr minimalistisch, die zeittypischen Ast-Moulin-Stegdecken hatten eine Betondeckung von gerade vier bis fünf Zentimetern. „Da bekam man schon beim Hinschauen Angst“, sagt Moser. Lang diskutierte man, ob der alte Estrich zu erhalten war. „Wir haben sogar überlegt, ihn zu schneiden, um Schallübertragung zu verhindern. Man weiß aber nie, ob die Trittschalldämmung brüchig ist. Wir hätten großen Aufwand treiben müssen und letztlich doch keine Gewähr.“ Gabriela Sonnleitner widerstrebte es, alten Beton zu entfernen, um neuen aufzubringen. Sie hatte aber keine Wahl: Einem mittelpreisigen Hotel verzeiht man keinen Lärm, auch wenn es ein sozialökonomischer Betrieb ist und Magdas heißt. Bei der Nachhaltigkeit muss die Bauwirtschaft noch viel lernen.

In den zwei Dachgeschoßen mit den marginal gedämmten Loggien lebten die Ordensschwestern, die den Betrieb am Laufen hielten, auf einer Ebene mit der Kapelle. Sie ist ein Teil des Hotels und für alle zugänglich, ein multikonfessioneller Raum für Taufen, Hochzeiten, Gebete. „Dieses Haus ist sehr spirituell“, sagt Moser. „Es hat einen ethisch-moralischen Hintergrund. Daher sind die Zimmer zurückhaltend, ohne überbordendes Dekor.“ Auf die Gangwände zeichnete die Künstlerin Michaela Pollacek leichthändig wolkig-organoide Strukturen. 85 Zimmer mit 117 Betten gibt es, die Einrichtung ist schlicht, aber aufmerksam. Weiße Wände, Glastür auf die Loggia, die Betthäupter waren einmal Kastenmöbel. Sie verströmen originales Flair, die Fernseher verschwinden in einem kleinen Kasten an der Wand. „Tabernakel“, scherzt Moser.

Bescheidene Eleganz

In Anordnung und Design des Bades zeigt sich die Erfahrung der Architekten: Nur eine halbhohe, innen weiß gekachelte Wand trennt Waschbecken und Dusche vom Raum, so wirkt er viel großzügiger. Wem das zu exponiert ist, der zieht einen hellgrauen Vorhang zu. Einzig die fünf Suiten inszenierte Daniel Büchel etwas opulenter. Da findet sich schon ein Rosenpolster auf einem Sofa. „Ein Merkmal dieser Architektur ist ihre sparsame, bescheidene Eleganz“, sagt Moser. Der Terrazzo mit der dunkelgrün-schwarzen Maserung im Foyer blieb, auch die Stiege mit dem geschwungenen Geländer und die runden Säulen. Ihre Farbigkeit bestimmt die Gestaltung in Magdas Lokal, das für alle offen ist. Wo im Hof früher ein Parkplatz war, gibt es nun einen kleinen Schanigarten mit 60 Sitzplätzen, Autos stehen in der nahen Parkgarage. „Nachhaltigkeit war sehr wichtig. Da gaben uns Magdas Leute Nachhilfeunterricht: Viel wurde saniert“, sagt Johann Moser.

Bernhard Raftl adaptierte das einstige Rezeptionspult zur Bar, 277 Leuchten aus dem Priesterheim setzten die Materialnomaden, die auf Upcycling spezialisiert sind, zur Wiederverwendung instand. Die Holzverkleidung der Nischen an der Stirnseite des Lokals war einmal Teil eines Beichtstuhls. 124 Lampenschirme wurden von Menschen mit Behinderung in der Caritas-Werkstatt Retz händisch mit Fäden umwickelt. Upcycling bedeutet hier nicht billig.

Bei Magdas begegnen Designer und Handwerker alten Gegenständen mit neugierigem Interesse und Respekt. Sie bemessen damit Wert und Nutzen neu. Diese Haltung stiftet Identität, erfordert Zeit und belohnt mit Glaubwürdigkeit. Sie bestimmt auch den Umgang mit den Menschen im Haus. Die 115 Sessel von Franz Schuster aus dem alten Magdas, an denen die Caritas-Werkstätte Retz ein Jahr renoviert hat, stehen nun in Magdas Lokal. Der Raum wurde großzügig geöffnet, die Bänke sind neu, von BWM entworfen und mit gemusterten Backhausen-Stoffen in rot-orange-braunen Tönen überzogen: ein Hauch Orient, wie in den Seminarraumnamen und auf der Speisekarte. Im Lokal können 90 Menschen sitzen, rund 40 arbeiten im Hotel. „Etwa ein Viertel hat bei uns gelernt“, sagt Sonnleitner stolz.

Spectrum, Sa., 2022.12.17

23. November 2022Isabella Marboe
Spectrum

Kunst, wo einst die Obdachlosen schliefen

In Ljubljana wurde eine denkmalgeschützte ehemalige Zuckerfabrik und Militärbaracke zur Galerija Cukrarna umgebaut. Die Stadt weiß um ihr architektonisches Erbe: Es bestimmt nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft der Stadt.

In Ljubljana wurde eine denkmalgeschützte ehemalige Zuckerfabrik und Militärbaracke zur Galerija Cukrarna umgebaut. Die Stadt weiß um ihr architektonisches Erbe: Es bestimmt nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft der Stadt.

Die Cukrarna in Ljubljana ist ein mächtiger Bau. Jeder kennt sie. Jahrzehntelang eine Ruine mit abgeschlagenen Mauern, leuchtet sie nun frisch verputzt in der Sonne. 85 Meter lang, 25 Meter hoch, thront sie am Südufer der Ljublanica. CU-KR-AR-NA steht auf den Türblättern aus Schwarzstahl, in den hellen Putz sind die Fugen eingeritzt, reduziert und edel. Südseitig ragt ein Mittelrisalit etwa zehn Meter aus dem Gebäude, seine sattelbedachte Stirnseite wendet je sechs Fenster und drei große Torbögen dem südlichen Hinterland zu. Das coole, zweigeschoßige Museumscafé mit Bühne und Bar ist ein angesagter Ort, viele Tische stehen draußen auf dem neu gestalteten Platz mit den Sitzstufen. So bleibt das Museum offen für die Stadt.

2009 gewannen die slowenischen Architekten Scapelab den internationalen, offenen Wettbewerb zur Sanierung der einstigen Zuckerfabrik mit einer radikalen Idee. Sie entkernten den denkmalgeschützten Bestand bis auf die Außenmauern und stellten eine weitgehend autonome Struktur so in den leeren Raum, dass dessen gewaltige Dimensionen spürbar bleiben. Aus einer einsturzgefährdeten Ruine wurde ein Ort für zeitgenössische Kunst aller Sparten: die Galerija Cukrarna. 1828 errichtet, war die Cukrarna eine der ersten und größten Fabriken in Slowenien. 1845 brannte sie bis auf die Außenmauern nieder. Damals floss so viel Zucker in die Ljublanica, dass ihr Wasser tagelang süß schmeckte, das Feuer brannte sich tief ins kollektive Gedächtnis ein. Danach war sie Tabak-, Textilfabrik, Militärbaracke, letzter Zufluchtsort für Gestrandete und Obdachlose. In den 1920er-Jahren lebten auch Dragotin Kette und Josip Murn hier, zwei Dichter der slowenischen Moderne, die einen Bauerndialekt zur Kultursprache transformierten.
Das Ziel: ein leeres Gebäude

Die Cukrarna ist weit mehr als Industriedenkmal, sie ist ein Stück Identität. In den 1960er-Jahren verhängte man ein Betretungsverbot, in den 1980er-Jahren wurde auch das Ufer gesperrt, in den 1990er-Jahren scheiterte ein Investor am Bau eines Einkaufszentrums. Die Stadt kaufte die Curkrarna zurück, sie verfiel weiter. „Die Geschoße waren keine 1,90 Meter hoch, wir probierten viel aus – nichts passte in dieses Gebäude“, erzählen Marko Studen, Jernej Šipoš and Boris Matić von Scapelab. „Da sagte einer von uns: Es sollte leer sein.“

Blieb noch die Frage, wie sich genug Flächen schaffen ließen, ohne die Idee der Leere zu verlieren. Und wofür? Kunst schien ideal, sie passte zu Wesen und Geschichte der Fabrik. „Wir beschlossen, Ausstellungsräume in zwei Volumen aus Stahl in den leeren Raum zu stellen und ein neues Untergeschoß zu errichten, um mehr Raum zu generieren.“

Die Cukrarna liegt an einer Schlüsselposition am Ufer der Ljublanica. Jože Plečnik, der beste Schüler in Otto Wagners Meisterschule, hat sie souverän und kunstvoll mit der urbanen Topografie verwoben. 2021 nahm die Unesco „Die Werke von Jože Plečnik in Ljubljana – am Menschen orientierte Stadtgestaltung“ in die Liste des Welterbes auf. Unweit seines Stauwehrs mit den korinthischen und dorischen Pilastern, das den innerstädtischen Wasserstand reguliert, führt die Roška-Straßenbrücke mit Fußgänger- und Radsteg über den Fluss. Sie war sehr teuer, aber wesentlich für die Weiterentwicklung der Stadt und wurde daher – wie die Cukrarna – von der EU gefördert.

Die Brücke ermöglicht ein autofreies Zentrum, weil sie den Verkehr umlenkt und das östliche Entwicklungsgebiet anbindet. Sie setzt unmittelbar neben der Cukrarna auf, so knapp, dass ihre Untersicht das Trottoir vor deren Stirnseite trocken hält. Hier passieren viele, zu Fuß, per Rad und Skateboard, hier liegt der Eingang. Der Eintritt ins Foyer ist frei, was für ein Raum!

Das Erdgeschoß ist über seine gesamte Breite und 80 Meter Länge hinweg leer, geschoßhoch schwebt über dem frei stehenden Empfangspult eine weiße, gepunktete Decke. Dahinter öffnet sich ein haushoher Raum, perfekt geschalte Wände aus Sichtbeton, perforiert von kleinen Fenstern. In der Mitte schwebt ein abstraktes, aus vertikalen und horizontalen Kuben komponiertes Volumen über dem Raum, das mit einem schmalen, vertikalen Baukörper auf dem polierten Betonboden aufsetzt: das Stiegenhaus mit Lift, ganz in Rot. Es ermöglicht, dass die Galerien in Quer- und Längsrichtung wie schwebend wirken, und reduziert die Spannweiten auf etwa 30 Meter in jede Richtung.

Black Boxes für viel Hängefläche

Der Bau war eine ingenieurtechnische Höchstleistung. Die Außenmauern konnten sich trotz Betoninjektionen nicht mehr selbst tragen, sie mussten von außen mit einem Gerüst gestützt werden. Nachdem alle Zwischenmauern und Decken im Inneren abgebrochen waren, zog man einen Stahlbetonring um die Wände, damit sie nicht zusammenbrachen. Bevor der Keller ausgehoben werden konnte, mussten die alten Außenwände mit Stahlspunden im Erdreich verankert werden. Sobald das neue Fundament trug, konnte man die Innenschale aus Sichtbeton errichten, die mit den alten Mauern verbunden ist. Nun erst waren sie stark genug, die neue Dachkonstruktion aus Stahl zu tragen, von der die Galerien abgehängt sind. Sie berühren den Wandhybrid aus Bestand und Sichtbetonscheibe nur punktuell mit einer Fachwerkkonstruktion aus weißem Stahl. Der Schlitz dazwischen ermöglicht, dass man den Umriss des Raumes zur Gänze wahrnehmen kann.

Die Raumstruktur aus Stahlfachwerken ist mit einer perforierten Aluminiumhaut verkleidet. Sie absorbiert Schall, verdeckt die Elektrik, ist als Aufhängung für Scheinwerfer geeignet, kleidet die Raumstruktur einheitlich in Weiß mit schwarzen Punkten und wirkt wie eine riesige, abstrakte Skulptur. Im Inneren befinden sich klassische Black Boxes, die viel Hängefläche bieten und sich mit Leichtbauwänden beliebig unterteilen lassen. Das neue Volumen besteht aus drei Ebenen: In der ersten und niedrigsten, dem Mezzanin, befindet sich im langen östlichen Bauteil die Bibliothek, in seinem westlichen, fast quadratischen Pendant ein Seminarraum; im Mittelristalit ist der Luftraum der Bar. Die zwei darüberliegenden Ebenen gehören der Kunst. Die unterschiedlich proportionierten neutralen Black Boxes oder White Cubes eignen sich perfekt für Ausstellungen; die Verbindungsspange an der Nordseite bietet 75 Meter Hängefläche, ein Steg führt zu den Büros im Mittelrisalit. Die Regale der Bibliothek im Mezzanin entwarf der Künstler Tobias Putrih, selbst die Toilette im Keller mit dem trogartigen Nirosta-Waschbecken ist höchst ästhetisch.

Ljubljana weiß um sein architektonisches Erbe – es bestimmt nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft der Stadt. Die Galerija Cukrarna ist unbedingt eine Reise wert.

Spectrum, Mi., 2022.11.23

03. September 2022Isabella Marboe
Spectrum

Trutzburg für Mutter und Kind

Die Architektur der Postmoderne kommt ins sanierungsbedürftige Alter. Das Haus Mutter & Kind der Caritas in Feldkirch aus den 1980er-Jahren ist so ein Fall. Die Architekten versuchen, vorhandene Potenziale zu erkennen und die spezifische Architektursprache zu wahren.

Die Architektur der Postmoderne kommt ins sanierungsbedürftige Alter. Das Haus Mutter & Kind der Caritas in Feldkirch aus den 1980er-Jahren ist so ein Fall. Die Architekten versuchen, vorhandene Potenziale zu erkennen und die spezifische Architektursprache zu wahren.

Der Ort ist mystisch. Von hohen Bäumen verdeckt, hockt ein eigenwilliges Gebäude am Rosamichlweg 12 in Feldkirch. Das Haus Mutter & Kind der Caritas. Im Nordwesten fällt unmittelbar davor schluchtartig ein stark bewaldeter Felshang bis auf eine Straße ab, die Hohle Gasse heißt. Im Nordosten verwandelt sich das schroffe Biotop in eine bukolische Landschaft. Kaum jemand kannte Ort und Bau, obwohl er unweit des Landeskrankenhauses liegt.

Nur einige ältere Leute aus der Nachbarschaft erinnern sich an das Gasthaus Carina, das bis in die frühen 1960er-Jahre dort stand. Damals arbeiteten viele Österreicherinnen in der Schweiz. Wurden sie schwanger, schob man sie ab. Ordensziel der Schwestern vom Guten Hirten (RGS ) ist es, Frauen, Mädchen und Kindern in Not vorbehaltlos zu helfen. 1957 ersuchte sie der damalige Landeshauptmann, Ulrich Ilg, ein Heim zu eröffnen. Im selben Jahr bauten sie den Gasthof zum Haus St. Michael um, wo sie bis 1982 rund 700 vertriebene Schwangere und 900 Kinder betreuten. Das Haus platzte aus allen Nähten.

Karl Müller, der Architekt ihres Vertrauens, hielt eine Sanierung für unmöglich, sie wagten einen Neubau. Er sollte in drei Etappen um damals 25 Millionen Schilling errichtet werden. Zuerst das Haupthaus für Frauen, Kinder und Schwestern, dann Nebenräume und Kapelle, zuletzt eine Pulmologie für das nahe Landeskrankenhaus. 1985 bezogen die Schwestern den ersten Trakt, als die Kosten nach der zweiten Etappe 33 Millionen Schilling erreichten, stoppten sie den Bau, die dritte Phase blieb unvollendet. 1990 übernahm die Caritas die professionelle Sozialarbeit, 1999 auch die Trägerschaft der Wohngemeinschaft Mutter-Kind, 2004 die ganze Liegenschaft.

Die Architekten Hermann Kaufmann, Andreas Postner und Konrad Duelli hatten schon in ihrem Projekt „Transfer Wohnraum Vorarlberg“ mit sozial intelligenter, solider Architektur auf die akute Problematik hoher Wohnungspreise und unwürdiger Flüchtlingsunterkünfte reagiert. 2018 beauftragte die Caritas die drei mit einer Machbarkeitsstudie für das Haus Mutter & Kind, das man nicht einfach abwohnen wollte. „Wir haben an die 25 soziale Nutzungsvarianten geprüft“, sagt Postner. Der angedachte neue Wohnbau für Jungfamilien hätte einer Tiefgarage bedurft, allein der Abbruch kostet rund eine Million Euro. Unfinanzierbar.

Insgesamt bringt es der Bestand auf etwa 3000 m? Bruttogeschoßfläche. Das ist kaum zu bewältigen, umso mehr als seine Trakte sehr verschieden sind. Daher beschlossen die Architekten, nur den Mittelteil zu sanieren und den Rest später zu bearbeiten. Gestaltungsbeirat und Bundesdenkmalamt stimmten zu, Postner und Duelli übernahmen die weitere Planung.

Das eigenwillige Haus von Architekt Müller verstört und fasziniert gleichermaßen. Hier stimmen Trafo, Garage und Lagerraum auf die Kapelle ein, die symmetrisch komponierte Eingangsfassade ist eine individuelle Spielart der Postmoderne, die Inszenierung der Balkone zwischen Kolossalsäulen erinnert an Raimund Abraham. Im ersten Untergeschoß verwies eine überdimensionierte Küche mit Kühlraum auf die projektierte Pulmologie, die nie zustande kam.

Die Einreichung ist genehmigt, 18 Wohnungen für das Haus Mutter & Kind und Jungfamilien sind bewilligt, schadhafte Bäume gerodet, vor zwei Jahren begannen erste Baumaßnahmen, die Untergeschoße sind ausgehöhlt, die ersten Einheiten im Erdgeschoß fertig. Im ersten und zweiten Stock leben begleitete Mütter mit ihren Kindern. Sie bleiben durchgehend hier, die Baustelle wird gewissenhaft abgesperrt. In Kalenderwoche 37 kommen die ersten Fenster, neun Wochen später werden sie montiert sein.

„Dieses Haus ist nicht umzubringen, das steht in hundert Jahren noch. Es ist auf Fels gebaut und hat keinen einzigen Riss“, so das Resümee der Architekten. Eine Trutzburg im Hang, mit eigenwilligen Erkern, die sich als sachte Ovale oder Dreiecke aus der Wand stülpen, tonnenweise Stahlbeton. Der massive Kern dieser Architektur ist unkaputtbar, alles weitere am Ende seiner Lebenszeit. In die Putzfassade haben Spechte große Löcher geklopft, zur Abschreckung brachte man schwarze Spechtattrappen an. Vergebens. Die Wände sind mit fünf Zentimeter Styropor für heutige Verhältnisse katastrophal schlecht gedämmt, die Heizkosten – erst Öl, dann Gas – exorbitant, die Eingangssituation bedrückend. Ein weiß gestrichenes Kreuzgewölbe aus Stahlbeton zitiert ein Klostermotiv, die Materialität ist typisch 1980er-Jahre. Braun gesprenkelte, diagonal verlegte Fliesen, der militärgrüne Lift steht um 45 Grad verdreht zwischen weißen Stahlbetonsäulen so, dass man fast hineinläuft. Dahinter führt eine Wendeltreppe nach oben, tapfer kämpft das Wort „Willkommen“ gegen die räumliche Enge an.

„Man muss sich mit dem Gebäude beschäftigen, um Liebe dazu zu entwickeln“, sagt Duelli. Über den Umgang mit sanierungsbedürftigen Bauten der Postmoderne gibt es stark divergierende Ansichten, die Epoche kennt viele Ausformungen. Die Architekten verfolgen die Strategie, vorhandene Potenziale zu erkennen und die spezifische Architektursprache zu wahren, wo sie Identität stiftet. Am nordöstlichen Ende des Gebäudes mündet eine Stiege auf ein Podest, das auf dreigeschosshohen, schmalen Sichtbetonstützen auf Tuchfühlung mit den Bäumen geht. Eine surrealistische Situation, deren Erhalt wärmebrückentechnisch eine Herausforderung ist.

Im Endausbau wird es im Untergeschoß eine Studierenden-WG, im Dachgeschoß vier, im ersten Stock sechs und im zweiten Stock vier Startwohnungen für Mütter und Kinder geben, dazu auf jeder Ebene einen Aufenthaltsraum und Büros für die begleitende Sozialarbeit, im ersten Stock eine Lehrküche. Die beliebte Dachterrasse mit dem tollen Ausblick wird saniert und um eine Veranda ergänzt, damit man auch bei Schlechtwetter im Freien sitzen kann. Vier 2020 neu sanierte Wohnungen im Erdgeschoß, „in denen du einfach ganz modern und schön leben kannst“ werden schon von Müttern und derzeit auch Vätern und ihren Kindern bewohnt. Sogar ungebrauchte Designermöbel von Charles und Ray Eames und Konsorten stehen drin – Restbestände, die Möbel Reiter gespendet hat. In jeder Wohnung andere. So geht Würde.

Spectrum, Sa., 2022.09.03

15. Juli 2022Isabella Marboe
Spectrum

Die Utopie wohnt in Simmering

Wenn der Sozialbau auslässt, tun sich Privatpersonen zusammen, um einen Lebensentwurf umzusetzen: In Wien-Simmering entsteht gerade ein Projekt, das nicht nur leistbares Wohnen bietet, sondern auch Platz für ein Trainingszentrum, Werkstätten und eine Töpferei

Wenn der Sozialbau auslässt, tun sich Privatpersonen zusammen, um einen Lebensentwurf umzusetzen: In Wien-Simmering entsteht gerade ein Projekt, das nicht nur leistbares Wohnen bietet, sondern auch Platz für ein Trainingszentrum, Werkstätten und eine Töpferei

Die Simmeringer Peripherie ist für die meisten ein weitgehend unbekannter Kontinent. Zwischen Zentralfriedhof und Alberner Hafen spannt sich ein disperses, ruppiges Stück Stadt auf. Im weitmaschigen urbanen Gewebe aus sozialem Wohnbau, Gewerbe, Industrie, Transport, Kleingärten, Landwirtschaft, Glashäusern und Dorfrelikten finden sich noch Nischen, die in kein gängiges Immobilienportfolio passen. Die Rappachgasse besteht aus einer oberen Haupt- und einer unteren Nebenfahrbahn auf abgesenktem Niveau. Dort wird auf einem etwa 3300 Quadratmeter großen Grundstück ein utopischer Lebensentwurf gerade Wirklichkeit. „Schlor – Schöner Leben ohne Rendite“ nennt sich die Gruppe von derzeit 15 Menschen, die hier gemeinsam ein beachtliches Projekt umsetzt.

Begonnen hatte alles mit einer großen Wohngemeinschaft, die als letzte Partei einen unbefristeten Mietvertrag in einem Altbau im siebten Bezirk hatte. Das Haus stand vor einer Renovierung, die Gruppe nahm die Abschlagszahlung des Eigentümers an, zog aus und machte sich auf die Suche nach einem Objekt in Gürtelnähe, um dort gemeinschaftlich zu wohnen. Immer deutlicher zeigte sich, dass ihr Startkapital für den Kauf einer Immobilie bei Weitem nicht reichte. Die Ersten sprangen ab, Neue stießen dazu, die Gruppe erfuhr vom „Habitat“. Sie beschloss, Teil dieses Netzwerks zu werden, das 2014 nach deutschem Vorbild in Österreich gegründet wurde.

Dort gibt es das Mietshäuser-Syndikat schon seit den 1980er-Jahren: Eine Gruppe erwirbt eine Immobilie und zahlt mit den Mieteinnahmen die Kredite zurück. Das Haus wird nie veräußert, es bleibt im Besitz der Gruppe und des Syndikats. „Im Gegensatz zu Genossenschaften braucht man im Habitat keine Eigenmittel“, erklärt Rainer Hackauf, Mitinitiator von Schlor und Mann für die Öffentlichkeitsarbeit. Im Schnitt führt er monatlich drei Interessierte durch das Areal, Architekten, Soziologen, Philosophen, Ökonomen. „Wir wollen zeigen, dass man die Dinge anders machen, selbstverwaltet bauen, solidarisch ökonomisch wirtschaften und leistbaren Wohnraum schaffen kann, der niederschwellig zugänglich ist.“

Zwei Jahre auf Grundstückssuche

Im Habitat ist jede:r Mieter:in, die Bauten und der Grund gehören der Schlor GmbH, deren Gesellschafter zu 49 Prozent die Wohngemeinschaft und zu 51 Prozent das Habitat sind. Sobald ein Haus abbezahlt ist, fließen Teile der Einnahmen in das Netzwerk, das Habitat-Projekte ermöglicht, Immobilien zu erwerben, und diese so dem Markt entzieht. Auch als Anlageform ist das Modell interessant: Unterstützer zahlen einen Direktkredit zwischen 500 und 50.000 Euro zu einem Zinssatz von bis zu 1,5 Prozent ein. 280 Menschen haben das bei Schlor getan und so 45 Prozent der Bausumme von 4,7 Mio. Euro finanziert. Hierzulande gibt es sieben Habitat-Projekte. Das Linzer Altstadthaus „Willy Fred“ war 2015 der Pionier, neben Wohnungen gibt es dort Kulturvereine und einen „Kost-nix-Laden“. In Wien ist das ökologische Passivhaus „Bikes and Rails“ von Architekt Georg Reinberg das erste. Nun Schlor: „Es ist bei Weitem das komplexeste Habitat-Projekt“, sagt Architektin Gabu Heindl. Zwei Jahre suchte die Gruppe ein Grundstück, nichts war leistbar; dann fand sich das abgesenkte Zirkusareal in der Rappachgasse. Die Chemie zum Vorbesitzer stimmte, ein Großteil der Gruppe verliebte sich sofort in den Ort, der Charme und einen Hauch von Anarchie verströmt.

Im Westen die Zufahrtsstraße, im Norden die Stallungen des „Fiaker Paul“, im Süden das Kfz-Service Trimmel. Im Osten eine steile, dicht bewaldete Böschung zum Bahndamm der ÖBB. Auf dem Grundstück: die 500 Quadratmeter große Trainingshalle von TRAP (Trainingszentrum Rappachgasse) – vormals der „Phoenix Fire Dancers“, die von einem eindrucksvollen Träger stützenfrei überspannt wird. Drei Tonnen können ihre Aufhängepunkte tragen, das schafft kaum eine andere Halle, viele Artist:innen trainieren hier. Die Halle wird L-förmig von Büros und Lagerräumen gerahmt, an der westlichen und nördlichen Grundgrenze gibt es zwei weitere Trakte. Das Grundstück ist als Gemischtes-Baugebiet-Geschäftsviertel gewidmet, die Gruppe wusste nicht, ob man dort überhaupt wohnen konnte. Sie wandte sich an Gabu Heindl Architektur. Das Büro zeigt ein vertieftes Interesse an Alternativen zum privaten Wohnbau. „Diese Gruppe wollte nicht nur ein Gemeinschafts-, sie wollte auch ein Habitatsprojekt umsetzen“, sagt Heindl. „Für mich ist das eine sehr schöne Aufgabe, man unterstützt damit eine gute Entwicklung.“ Das bedingt auch ein anderes Rollenverständnis. „Ich begleite die Gruppen, schaue mir den Bestand an, evaluiere das Grundstück und überlege mir einen Nutzungsmix.“

Grasbausteine statt Asphalt

Diesmal gab es viel Neuland: Gewerbegebiet, Wohnen und Arbeiten, Bauen mit Bestand, Habitat, selbstverwaltetes, gemeinnütziges Unternehmertum. Laut Gesetz zählen zu jedem Gewerbebetrieb zwei Wohnungen – für die Betriebsleitung und -aufsicht –, summa summarum gibt es hier nun ein Drittel Wohnen, zwei Drittel Gewerbe.

Die Prämissen beim Bau waren klar: so viel nutzen wie möglich, so viel erneuern wie nötig, ökologische Materialien, soweit ökonomisch sinnvoll, Fotovoltaik auf dem Dach, um drei Viertel des Strombedarfs zu decken. Künftig sollen die Asphaltflächen mit Grasbausteinen entsiegelt werden. Der Trakt im Osten war nicht mehr zu retten, Ende 2019 wurde er abgerissen. Hier ist gerade ein Holz-Stroh-Lehm-Bau im Entstehen: das Haus mit den Betriebswohnungen. Vom Trakt im Westen blieb das Erdgeschoß erhalten, eine Stahlbetondecke stabilisiert die Statik; darauf wurde ein Holzbau aufgestockt, der mit Zellulose gedämmt und innen mit Lehm verputzt ist.

Dieser Teil des Projekts (CRAP – Creativcluster Rappachgasse) ist so gut wie fertig, rund um die Halle entstehen noch Veranstaltungsräume. Im Atelier am Eck wohnt Gesa Pielok mit zwei anderen – die lehmverputzten Räume sind hell, freundlich und kühl. „Den Innenausbau haben wir selbst gemacht.“ Gesa war in der Baugruppe, am Laubengang vor Ateliers und Werkstätten stehen Tische und Pflanzen und sitzen Bewohner:innen. Im Erdgeschoß gibt es einen Proberaum, eine Holz- und Metallwerkstatt, Platz für Fahrradreparatur, darüber eine Töpferei. Die Zirkushalle wird als TRAP bestehen bleiben, auf dem Parkplatz dahinter kann man das Leben im Wohnwagen austesten. Die Halle muss saniert werden; de facto bleiben nur Boden und Sockel, darüber Holz statt Blech. Ihre Finanzierung ist die nächste Herausforderung, die Chancen auf Förderungen stehen gut: Kulturelle Angebote sind rar in Simmering, der Bezirk freut sich über Schlor. Die Stadtlage ist weit besser, als man denkt: Wirklich alle fahren hier mit ihren Fahrrädern.

Spectrum, Fr., 2022.07.15

13. Mai 2022Isabella Marboe
Spectrum

Wien-Wieden: Graue Zone Innenhof

In einem Innenhof im vierten Wiener Gemeindebezirk soll eine alte Kfz-Werkstatt einem Projekt mit unterkellertem Hotel weichen. So bleibt das Gewerbe in der Stadt – und macht trotzdem nicht froh.

In einem Innenhof im vierten Wiener Gemeindebezirk soll eine alte Kfz-Werkstatt einem Projekt mit unterkellertem Hotel weichen. So bleibt das Gewerbe in der Stadt – und macht trotzdem nicht froh.

Ein Innenhof in Wien-Wieden: Sein repräsentatives Entrée liegt an der Wiedner Hauptstraße 52, das Haus wurde 1846/47 als Heinrich Mayer's Hotel und Restauration „Zur grünen Weintraube“ errichtet. Im Hof saßen bis zu 400 Menschen unter den Bäumen, zehn Kellner bildeten die „Gartenbrigade“, auf Gastlichkeit folgte das Automobil. 1957 planten die Architekten Löschner & Helmer eine Kfz-Werkstätte, die Friedrich Achleitner in seinen Architekturführer aufnahm. „Die Kfz-Reparaturwerkstätte besteht aus einem Schnellservicedienst und einer großen Reparaturhalle, die 30 Meter frei gespannt als Stahlbeton-Bogen-Shedhalle ausgebildet ist. Die leichte und kühne Konstruktion, aber auch das hauchdünne Schalendach im Hof vermitteln etwas vom zukunftsweisenden Zeitgeist der späten 1950er-Jahre.“ Heute ist hier das Autohaus Wiesenthal, es gibt eine Durchfahrt in den Hof und „Service in the City“. Sehr praktisch, doch Kfz-Werkstätten sterben aus, längst verglühte zukunftweisender Zeitgeist im Klimawandel. Nähme man Letzteren ernst, wären Innenhöfe radikal zu entsiegeln, zu begrünen und die kluge Nutzung von Bestand jedem Neubau vorzuziehen. Stichwort graue Energie, vom (bau)kulturellen Wertverlust ganz zu schweigen.

Im Jahr 2018 erwarb die JP Immobiliengruppe das Haus mitsamt Hof. Dessen südliche Grundgrenze verläuft in zweiter Reihe der Blockrandschicht entlang der Großen Neugasse, nach etwa 60 Metern mündet die Mostgasse ein, dahinter liegt die Shedhalle. Im März 2021 zeichneten Architekt Martin Mittermair und HOT Architektur den ersten Einreichplan, im Dezember 2021 wurde der Anrainerschaft eine „Verständigung gemäß § 70 Abs. 2 der Bauordnung für Wien“ per RSb-Brief zugestellt. Für „Sanierung bzw. Umbau des Straßengebäudes sowie die Errichtung eines unterkellerten Hotels im Hofbereich“ lag ein Ansuchen um Baubewilligung vor, drei Wochen waren Akteneinsicht und schriftliche Einwendungen möglich.

Petition mit 699 Unterschriften

Die Architekten Josef Reich und Iris Karminski, beide wohnen in der Großen Neugasse, nahmen Einsicht. Das Bauvorhaben bringt es auf über neun Meter Höhe, 254 Mikro-Appartements, Tiefgarage. „Gegen betreutes Wohnen hätte ich nichts“, sagt Reich. Karminski sieht von ihrem Fenster auf das Sheddach der Halle – kein berauschender Anblick, aber: nicht höher als 7,50 Meter, an den Grundgrenzen wachsen eine Pappel und ein prächtiger Maulbeerbaum. „Man hört hier morgens und abends die Singvögel. Von dieser Baumreihe werden alle fallen“, meint sie. Reich fürchtet tiefgaragen- und zulieferungsbedingten Verkehr. Beide informierten, koordinierten, verteilten Flugzettel und starteten die Petition „Keine Immobilienspekulation in Wiener Innenhöfen – Stadtplanung im Sinne der Bewohner“ mit 699 Unterschriften. Man kontaktierte Medien, beauftragte einen Rechtsanwalt. „Seine Bürgerrechte durchzusetzen ist Sisyphusarbeit“, sagt Karminski.

Der Hof hat 5970 Quadratmeter Grundfläche, 70 Prozent sind bebaubar, 7,5 Meter Bauhöhe vorgeschrieben, Flachdach. Die Widmung ist Gemischtes Baugebiet-Geschäftsviertel, auch Beherbergungsstätten und Hotels fallen darunter. „JP Immobilien ist in ganz Europa sehr erfolgreich als Hotel Developer tätig. Natürlich auch in Wien“, sagt Jürgen Wagner, Bereichsleiter Projektentwicklung der JP Immobiliengruppe. Kürzlich schloss „Das Triest“, eines der ersten Designhotels Wiens, seine Pforten – Covid 19 traf die Stadthotellerie ins Mark. Braucht es da noch mehr? „Vor Covid buchten rund 1,4 Milliarden Menschen pro Jahr ein Hotel, davon die Hälfte in Europa.“ Keine schlechte Basis, also baut die JP Immobiliengruppe nun in der Wieden die „Marktposition unseres europaweiten Hotelportfolios nachhaltig aus“. Architekt Martin Mittermair plant Sanierung, Um- und Ausbau der Wiedner Hauptstraße 52. Das leere Haus wird hofseitig bis zur Mittelmauer entkernt und bis zur Fluchtlinie verbreitert, im Erdgeschoß soll es Restaurant und Bar geben, darüber 49 Wohneinheiten. Wo das Schalendach war, dockt am Bestand ein neuer, L-förmiger Bauteil an, der bis zur Mostgasse reicht und einen Grünraum einfasst. Sein Grundriss: Mittelgang, rechts und links je ein Zimmer mit Nasszelle, dazu eine kleine Loggia. Der Zugang an der Mostgasse wird zur Tiefgaragenabfahrt mit 88 Plätzen. Viele haben hier den Hof gequert, das Autohaus Wiesenthal hat diese nachbarliche Praxis geduldet. Adieu, Schleichweg.
Bauen emotionalisiert

„Derzeit ist die Fläche zu 100 Prozent versiegelt, in unserem Projekt gibt es Wiese und Bäume“, sagt Mittermair. „Begrünung ist ein städtebaulicher Schwerpunkt, wir haben 40 bis 50 Zentimeter Humusschicht auf unseren Flachdächern.“ Dazu Fotovoltaikpaneele. Parallel zur Wiedner Hauptstraße setzen HOT Architekten statt der Shedhalle zwei weitere Riegel in den Hof: Mikro-Appartements nach dem Prinzip wie oben. Die Werkstatt verbaute 3970 Quadratmeter Grund, das neue Projekt 3690; gesamt schafft es 8400 Quadratmeter Nettonutzfläche.

„Der Architekt als Planer und wir als Bauherren kennen die Bauordnung und befolgen sie akkurat“, sagt Wagner. Die maximale Bauhöhe auf dem Grundstück sind 7,50 Meter, in drei Meter Abstand vom Nachbarn sind drei Meter mehr möglich. „Wir könnten theoretisch mit 10,5 Meter Höhe noch dichter bauen.“ Nun sind die Riegel im Wesentlichen 9,2 Meter hoch. Diese drei Geschoße sind erlaubt, denn die 7,50 Meter bezeichnen den gemittelten Wert der gesamten Fassadenabwicklung. Dazu zählen die witterungsgeschützten Durchgänge, die am Rand der 6,6 bis 7,5 Meter tiefen Rasenstreifen zwischen den Bauteilen eine Verbindung schaffen. Sie sind 2,70 Meter hoch – die Differenz auf die 7,50 Meter war an anderer Stelle gut zu brauchen.

„Was hier nie wieder passiert: offene Werkstatttore, aus denen der Spengler hinausflext“, sagt Mittermair. „Es wird mehr Qualität haben.“ Warum dann der Protest? Weil Bauen emotionalisiere. „Wir sprechen mit der Anrainerschaft“, sagt Wagner. „Aber es ist nicht nötig, um unser Baurecht zu nutzen.“ Er und die Architekten sind sich einig: Wollte die Stadt andere Ideen, müsste sie Bauordnung und Flächenwidmungsplan ändern. „Unser Ziel ist der Schutz von Gewerbe in der Stadt“, sagt Bernhard Steger, Leiter der MA 21A, zuständig für Stadtteilplanung und Flächenwidmung der inneren Bezirke. „Die großen Qualitäten der Gründerzeit sind gemischte Strukturen. Deswegen ist im Gemischten Baugebiet-Geschäftsviertel die Errichtung von Wohnungen nicht zulässig. Durch die Beherbergungsbetriebe ist ein Graubereich entstanden.“ Dieser Graubereich ist Investoren nicht entgangen. „Das stört uns massiv“, merkt Kollege Hermann Eckart an. „Diese Entwicklung ist bereits ein Thema in der Stadtplanung.“

Spectrum, Fr., 2022.05.13

09. April 2022Isabella Marboe
Spectrum

Wo das Salz herkommt

An die 220.000 Interessenten strömten vor Covid in die Salzwelten Salzburg – die Anlage war dem Ansturm nicht mehr gewachsen. Nach der Umgestaltung erwartet die Besucher nun ein zukunftsfähiges Schaubergwerk.

An die 220.000 Interessenten strömten vor Covid in die Salzwelten Salzburg – die Anlage war dem Ansturm nicht mehr gewachsen. Nach der Umgestaltung erwartet die Besucher nun ein zukunftsfähiges Schaubergwerk.

Schon vor etwa 2600 Jahren bauten die Kelten auf dem Dürrnberg in Hallein Salz ab, seit dem Mittelalter zählte es zu den wichtigsten Einnahmequellen der Salzburger Erzbischöfe. Dem Salz verdankt die Stadt ihre barocke Pracht. Früh keimte Tourismus auf, der erste Eintrag im Gästebuch datiert auf 1607, es ist das älteste Schaubergwerk der Welt. 1989 stellte die Salinen AG die Salzproduktion am Standort ein; als die Kompressoren auf der Pernerinsel abgedreht wurden, trugen alle Mitarbeiter Trauer. Heute sind die „Salzwelten Salzburg“ die letzte verbliebene Arbeitsstätte für Bergleute in Hallein. Derzeit sind 14 dort angestellt, um die Stollen zu warten. „Wir haben eine lange Bergbautradition und sind stolz auf dieses Jahrtausende alte Erbe“, sagt Manfred Mader, der touristische Leiter der Salzwelten GmbH. Rund 220.000 Besucher und Besucherinnen zählten die „Salzwelten Salzburg“ pro Jahr, bevor Corona alles lähmte. Die touristische Infrastruktur war quasi organisch mehr oder weniger improvisiert laufend adaptiert worden. An der Kassa musste man im Freien anstehen, die Abläufe – Ticketkauf, Warten auf die Führung, Aus- und Rückgabe der Schutzkleidung, Ein- und Ausfahrt in den Stollen – waren kompliziert und unbequem für Besuchende und Personal.

Im Oktober 2019 lud die Salinen Austria AG fünf Teams aus Architekten und Kreativen zum Dialogverfahren für die Neugestaltung aus. Das Projekt von The Next Enterprise Architects (TNE), Liquid Frontiers und der Innsbrucker Medienagentur Artfabrik überzeugte. Die Umgestaltung eines der ältesten zu einem zukunftsfähigen Schaubergwerk ist multidisziplinär. Architektur, Ausstellungskonzept, Info-Screens, Illustrationen, Film bedingen und ergänzen einander, jedes Medium greift wie ein Zahnrad ins andere. Dazu zählt auch die „Salzwelten Destination Guide“-App, die dem Selfie einen keltischen Bergmann an die Seite zaubert und viel Überraschendes bietet.

Ein Stück Kulturlandschaft

„Es geht um den Spagat zwischen Information und Unterhaltung“, sagen Marie-Therese Harnoncourt-Fuchs und Ernst J. Fuchs von TNE. „Die Salzwelten sind ein Stück Kulturlandschaft mit öffentlichem Interesse an ihrer Wartung.“ TNE betrachteten sie als Gesamtheit aus Empfangsbauten, der Führung unter Tag und dem Kelten.Erlebnis.Berg. Dieses Freilichtmuseum der 1990er-Jahre stellt aus rekonstruierten Holzhäusern ein Keltendorf nach. „Die Salzwelten sind ein historisch gewachsenes Ensemble aus unterschiedlichen Zubauten, wir wollten es in seiner vielfältigen Eigenheit stärken.“ TNE gingen von Vorgefundenem aus und verfolgten eine Strategie der Inselformationen. Punktuelle Eingriffe sollten Abläufe verbessern – das glückte außerordentlich gut. Den Anfang macht der Info-Terminal beim Parkplatz, orange Punkte auf dem Boden lenken den Schritt zum metall-orangenen Trichter vor dem Eingang ins Besucherzentrum. Dieser Bau spielt eine Schlüsselrolle, war aber immer schon da. TNE entrümpelten ein altes Lagerhaus und legten den solide dimensionierten Holzdachstuhl frei. Einzig ein paar Diagonalstreben mussten verstärkt werden. Die Konstruktion hat viel Patina, sie wurde sandgestrahlt, gebürstet und gekalkt. Das erinnert an den weißen Salzfilm der Pölzungen (Abstützung durch Pfosten) im Berg; zwischen den Säulen ist genug Platz für Bänke, Displays, Menschen.

Orange ist die CI-Farbe der Salzwelten, generell sucht die Architektur den Bezug zum Steinsalzkristall. Der Estrich ist mineralisch platinbeschichtet, Weißaluminium und Stahl schimmern silbrig, Metall verweist auf die Industriegeschichte. Rund um die südwestliche Gebäudeecke des Besucherzentrums breitet sich unter einem Glasdach auf einer Stahlkonstruktion ein Platz aus. Oranges und hellblaues Glas erzeugt flirrende Farbspiele auf dem Boden. Als Oase, Treffpunkt und Verteiler liegt die Plaza günstig. Westwärts kommt man hinauf zum Kelten.Erlebnis.Berg. Im Norden mündet die Brücke ins Bergeinfahrtsgebäude ein. Ein klassisches Nadelöhr, in das TNE das Bistro als Raum-im-Raum-Pavillon implantierten. Ein oranger Lichtkreis über einer runden Wand, innen orange gepolsterte Bänke, in der Mitte 48 Sitzplätze, über dem Mundloch in den Berg mutiert der Verbindungsbau der 1990er-Jahre zur Aussichtsveranda. Was für ein Panorama!

60 Personen bilden eine Gruppe für die Fahrt in den Stollen, alle zehn Minuten startet eine Tour. Flüssig lässt sich die Bistro-Insel umrunden, wandintegrierte Sitz- und Ablageflächen machen das Warten auf die Schutzkleidung erträglich. Ein salzig-weißer Raum mit verspiegelten Säulen ersetzt die vormals muffige Garderobe. Der besondere Clou liegt im Auditorium, das TNE stirnseitig an das Einfahrtsgebäude anbauten. Die gerundete Projektionsfläche und Tribüne bedingen die spezifische Form des orangen Zubaus mit der perforierten Profilmetallfassade, der auch die darunter liegende Rangierfläche der neu gebauten Metallwerkstatt überdacht. Selten sinnstiftend überwindet das Kino mit 65 Plätzen den Niveausprung ins Untergeschoß. Der Image-Film vom Studio Artfabrik erzählt Geschichten vom Salz, fast euphorisch beschreitet man den Steg zum Mundloch.

Heimisches Fleur de Sel

Insgesamt 65,24 Kilometer Stollen durchziehen den Dürrnberg, 12,4 Kilometer davon sind begehbar. Eine Fahrt in den Berg ist auch eine Fahrt durch die Geschichte. Kelten, Mittelalter, Barock, Gegenwart: Davon erzählen die „Salzwelten Salzburg“ auf jeder Ebene. Der authentische Ort spricht für sich – die Pölzungen, die Grenze zu Bayern im Berg, die Rutschen. Exponate und Installationen laden ihn mit Emotion auf. Scherenschnittartige Projektionen der Artfabrik zaubern die Silhouette Salzburgs untermalt mit Barockmusik an einen farbigen Horizont, farbig spiegelt sie sich im Salzsee. Die Tour endet im Shop, den TNE in einem neuen Brückenbauwerk unterbrachten. Es verläuft parallel zur alten Brücke, hat eine Einschnürung in der Mitte, die als Sog wirken soll, und erinnert vom polygonalen Grundriss her an die Wegführung der Stollen unter Tage. „Die Erkennung von Figuren ist sehr wichtig“, sagt Ernst Fuchs. „Für mich sind die Salzwelten ein Projekt der Dächer.“ Die frei geformten Additionen – der Trichter am Eingang, das Glasdach der Plaza, das Auditorium und dieser Brückenbau – fassen die Bestandsbauten zum verbindenden Ganzen zusammen.

Oranges Glas verfremdet die Landschaft und macht den Shop zum magischen Raum. Gegenüber auf dem Kelten.Erlebnis.Berg produziert man in der Salzmanufaktur in vier Becken wieder Salz. Es kommt bei 68 Grad ins Solewasser, kristallisiert in kleinen Salzpyramiden, die auf einem Gitter aufgefangen und aus der Sole gehoben werden. Dieses heimische Fleur de Sel schmeckt sehr mild. Es ist der Bestseller.

Spectrum, Sa., 2022.04.09



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Salzwelten Salzburg

16. Februar 2022Isabella Marboe
Spectrum

Eine gute Art, der Stadt zu begegnen

Wien-Neubau: In der Andreasgasse bauten Rataplan Architektur ein vorgründerzeitliches Haus zur modernen Arbeitsstätte für etwa hundert Menschen aus und um: mit Blick ins Grüne, Hoflage und Lufträumen.

Wien-Neubau: In der Andreasgasse bauten Rataplan Architektur ein vorgründerzeitliches Haus zur modernen Arbeitsstätte für etwa hundert Menschen aus und um: mit Blick ins Grüne, Hoflage und Lufträumen.

Die Andreasgasse in Wien-Neubau ist eine unauffällige Seitengasse der Mariahilfer Straße, ein ruhiger Ausgleich zur Geschäftigkeit. In dieser Gasse führt das Hofmobiliendepot seine eher verborgene Museumsexistenz, gegenüber liegt der Andreaspark, auch recht versteckt. Wer ihn entdeckt hat, freut sich an diesem öffentlichen Freiraum. Die Fassadenflucht liegt in der Schutzzone und Sichtachse der einmündenden Richtergasse. Das Haus neben dem Hofmobiliendepot ist frisch verputzt. Spätbiedermeier-vorgründerzeitlich, drei Stockwerke, Bossenmauerwerk im ersten Geschoß, ein Gesims mit ionischen Kapitellen und einer eigenwilligen, schmucken Gaupe mit einem Rundbogenfensterpaar in der Mitte. Weiße Fassade, anthrazitgraue Fensterrahmen, die im Erdgeschoß bis zum Boden erweitert wurden. Nichts, das besonders irritiert. Das ist als Kompliment gemeint, denn Rataplan Architektur bauten das Haus zu einem modernen Büro aus und um, in dem etwa 100 Menschen arbeiten.

Straßenseitig wahrt es die Ruhe der Gasse. Für Aufenthaltsräume müssen Stellplätze geschaffen werden, vom Garagentor blieb die Fassade verschont, weil die Einfahrt über das Nachbargebäude erfolgt. Drei weitere neue Ebenen stecken hinter der Traufkante unterm neuen Dach, das exakt 45 Grad geneigt ist. Das ist bauordnungskonform und steil genug, um es von der Gasse aus nicht zu sehen. Selbst wenn man vom Ende des Andreasparks seine volle Höhe erfasst, wirkt es dezent. „Auf dem Dach spielt es sich ab, da gibt es Schneenasen, Oberlichten und Dachflächenfenster unterschiedlicher Größe“, sagt Projektleiter Rudi Fritz. „Weil es die fünfte Fassade ist, haben wir uns sehr bemüht, es zu beruhigen.“ Rataplan legten eine Fläche aus fixen Sonnenschutzlamellen aus rostrotem, aufgerautem Aluminium über das Dach, deren Zwischenräume die Helligkeit durch Oberlichten in den Raum dringen lassen.

Die oberste Etage ist ein zurückversetztes Staffelgeschoß. Ihre Glasfront wird von einer leicht schräg gestellten, begrünten Lamellenfassade beschattet. Eine der schönsten Formen des Sonnenschutzes, allerdings nicht unheikel. Rataplan haben schon Erfahrung damit, sie setzten auch vor das Amtshaus der MA 21 – Wiener Wasser eine grüne Fassade. Ohne automatische Bewässerung geht gar nichts, es braucht Pflege, den ein oder anderen Rückschnitt, die richtigen Pflanzen. Sie verbessern das Mikroklima in der überhitzungsanfälligen Stadt und schaffen im Zwischenraum Lamellenfassade und Büroglaswand einen schattigen Freiraum – für Raucher:innen und alle, die Luft schnappen wollen. Der Bereich zwischen Bestandsdach und begrünter Fassade ist als Terrasse über die gesamte Hauslänge gestaltet. Sie bietet allen einen wundervollen Blick über Mariahilf. Anna Detzlhofer von DD Landschaftsarchitektur plante die Freiräume des Hauses, von ihr sind die Nebelduschen, Pergolen und grünen Bögen in der nahen Neubau- und Zieglergasse.

Die Planungsgeschichte begann 2012. Damals erwarb die Sozialbau AG, deren Hauptsitz rückseitig an das Grundstück grenzt, den Bestand, der ringförmig den Innenhof umschloss. „Es war keine zeitgemäße Typologie mehr“, sagt Rudi Fritz. „Das Haus hatte ewig lange Erschließungsflächen und viele unbelichtbare Ecksituationen.“ Eine Studie für Wohnnutzung erwies sich als unmachbar, wirtschaftlich gesehen war das Haus ein Abbruchkandidat. „Man hätte es sich leichter machen können“, so der Architekt. Nach einigen Überlegungen entschied sich die Sozialbau AG zum Umbau. In einem Flächenabgleich wurde das Äquivalent der vormaligen Bestandstrakte im Hof auf einen sechsgeschoßigen Zubau an einer Grundgrenze konzentriert. Zwei Bürogeschoße für den Eigenbedarf, den Rest mietete die Erste Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH.

Der Zubau deklariert sich klar als neu: Stahlbeton, tragender Stiegenhauskern, ein paar Stützen, hell, offen, flexibles Innenleben. Außen in sattem Gelb gestrichen, mit durchgehenden Fensterbändern. Das erweitert den Freiraum, belichtet die Büros wirklich hervorragend und schenkt ihnen einen Blick ins Grüne, von dem auch das benachbarte Hauptquartier der Sozialbau AG profitiert. Die Arbeitsplätze sind zum Hof orientiert und sehr ruhig in Weiß- und Grautönen gehalten, während die zentralen Kommunikationszonen mit Pflanzen, Teppichen, farbigen Lampenschirmen und Bespannungen aus Filz lebendiger wirken. Der Sozialraum mit Stehbar, Eckbank und Stabparkett geht direkt in den Hof über, im ersten Stock wird sein Flachdach zur Terrasse. In offenen Büroräumen ist Akustik immer ein Thema, es gibt gelochte Gipskartondecken, weil sie hocheffizient sind. Aber nicht nur: Immer wieder wird auch der Sichtbeton des Neubaus sichtbar.

Große Durchbrüche und Lufträume schaffen Blickkontakte über die Ebenen hinweg, viele Facetten der Kommunikation sind möglich – vom repräsentativen Besprechungsraum über ein Zoom-Meeting in einer Glasbox bis zum Kaffeeplausch. Eine interne Treppe verbindet den vierten Stock mit dem Dachgeschoß. Selbst ihr Unterlaufschutz ist mit einem Balken der alten Dippelbaumdecke als Bank gestaltet. Im Blickfeld: Lift und Teeküche. „Durch die Corona-Pandemie ist die Kommunikation noch wichtiger geworden“, sagt Rudi Fritz. „Ins Büro geht man vor allem, weil man Leute treffen will. Dieser Kontakt bindet Menschen an ihr Unternehmen.“ Die Sozialbau AG signalisiert mit dieser Gestaltung hohe Wertschätzung für ihre Mitarbeitenden, Qualitätsbewusstsein in punkto Architektur und Umgang mit Ressourcen.

Der Bestand blieb bis zu seiner Mittelwand erhalten. Das unverputzte Ziegelmauerwerk legt alle Stahlimplantate und Unregelmäßigkeiten offen, es bildet klar sichtbar die Demarkationslinie zwischen Alt- und Neu. An diese Wand führt die Stahlbetonfertigteiltreppe vom Foyer nach oben. Sie animiert dazu, die Stiegen zu steigen, statt den Lift im hinteren Eck zu nutzen. Bewegung tut Büromenschen gut. Die alten Wandpfeiler ziehen sich bis zum zweiten Stock durch, sie werden durch Lufträume und Pflanzen als besondere Orte betont. Zwischen ihnen docken die Sichtbetondecken an den Bestand an: Der Neubau hält den Altbau. Keine schlechte Art, mit Stadt umzugehen.

Spectrum, Mi., 2022.02.16



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Bürohaus Andreasgasse

08. Dezember 2021Isabella Marboe
Spectrum

Praterstern – Bitte nehmen Sie Platz!

Der Praterstern ist ein schwieriges Terrain für Planungswillige. Die jüngste Umgestaltung setzt einen „grünen Ring“ um den Platz mit 54 neuen Bäumen: Mehr Freiflächen, Wasserspiele und Sitzmöglichkeiten sollen die Aufenthaltsqualität heben.

Der Praterstern ist ein schwieriges Terrain für Planungswillige. Die jüngste Umgestaltung setzt einen „grünen Ring“ um den Platz mit 54 neuen Bäumen: Mehr Freiflächen, Wasserspiele und Sitzmöglichkeiten sollen die Aufenthaltsqualität heben.

Der Praterstern war einmal das Tor zum damaligen Nabel der Welt, der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. 1838 wurde hier der Nordbahnhof, der erste und wichtigste aller Wiener Bahnhöfe, errichtet. Alle Einwanderer aus dem Osten kamen dort an. Seit 1879 heißt er Praterstern, seit 1886 steht Wilhelm von Tegetthoff, siegreicher Admiral der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine in seiner Mitte. Sternförmig laufen sieben Straßen – Prater-, Heine-, Nordbahn-, Lassalle-, Ausstellungs-, Franzensbrückenstraße und Hauptallee – auf seine Triumphsäule zu: wie in Paris.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Nordbahnhof zerbombt, der Praterstern zum Verkehrsknotenpunkt degradiert, der Tegetthoff an den westlichen Platzrand verdrängt. Seit 1962 quert die Schnellbahn, 1981 kam die U1 dazu, 2008 die verlängerte U2, Um- und Neubau des Bahnhofs durch Architekt Albert Wimmer wurden fertig. Bereits 2002 hatten Architekt Boris Podrecca mit Bernhard Edelmüller und Werner Sobek das ellipsoide Membrandach projektiert, das den Platz inklusive Bahnhof überspannen und als Gesamtheit erlebbar machen sollte. Es wäre ein Statement gewesen. Geblieben ist das viereckige Glasdach mit der massiven Unterkonstruktion auf dem Vorplatz.

Über 150.000 Menschen frequentieren den Praterstern täglich, mehr als Innsbruck Einwohner hat. Die meisten steigen aus, ein und um, einige arbeiten hier, Touristen und Touristinnen suchen den Prater, Polizisten und Polizistinnen wachen über den Ort. Für Alkohol- und Suchtkranke, Obdachlose, Flüchtlinge ist er ein Stück zugige Heimat in einer noch unwirtlicheren Welt. Umgekehrt erzeugen sie größtmögliche Irritation. Sie machen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sichtbar, die Brüchigkeit einer gesicherten Existenz. Aus Bahnstationen kann man sie verdrängen, aus dem öffentlichen Raum nicht.

„Der Praterstern hatte ein Imageproblem, einzelne Medien schürten ein Unsicherheitsgefühl“, sagt Andrea Jäger, die bei der Sucht- und Drogenkoordination Wien für den öffentlichen Raum und Sicherheit zuständig ist. Am 27. April 2018 wurde das Alkoholkonsumverbot eingeführt, seitdem hat sich die Lage sehr entspannt. „2017 waren wesentlich mehr marginalisierte Menschen vor Ort. Zwischen 30 und 90 Personen“, so Jäger. Heute sind es im Schnitt etwa zehn Alkohol- und ebenso viele Drogenkranke. „Obwohl es oft nur kleine Gruppen Marginalisierter sind, die sich im öffentlichen Raum aufhalten, sinkt ihnen gegenüber die Toleranz. Wir sollten die Armut bekämpfen, nicht die Armen.“

Eric Tschaikner von KENH Architekten kennt den Ort, KENH planen die Polizeistation des Jahres 1981, die Gastronom Markus Teufel gepachtet hat, zum vegetarischen Lokal „Hab's/Gut“ um. Sie machten einige Studien am Praterstern, viel Beton wurde weggeschremmt, um den Bestand ins Freie zu öffnen. „Aufgrund der Polizeipräsenz ist der Praterstern de facto einer der sichersten Plätze Wiens“, so Tschaikner. „Wir wollen den Ort drehen.“ Im Jahr 2017 und 2018 lud die MA 19 – Stadtplanung und Gestaltung – so gut wie alle Interessensgruppen zu zwei Workshops, die das Büro PlanSinn moderierte: Vertreter vom Bezirk, der ÖBB, Wiener Linien, MA 48, 46, 33, 28, Polizei, Lokalbetreiber, Fluc, Bank Austria, Fonds Soziales Wien, Kunst im öffentlichen Raum und andere. Im März 2019 schrieb die MA 19 das europaweite zweistufige Bieterverfahren „Ideenfindung zur Attraktivierung und Bespielung des Pratersterns“ aus. Die Arge Praterstern – KENH Architekten und DnD Landschaftsplanung – überzeugte, am 13. Oktober 2021 folgte der Spatenstich.

Vieles ist hier schon determiniert; es gilt das Mögliche auszureizen. Das Ziel heißt mehr Aufenthaltsqualität, also: mehr Übersicht, Freiflächen, Bäume, Grün und Wasser. Die Arge arbeitet mit dem, was da ist; nach und nach werden über 40 kleine und größere Maßnahmen gesetzt. In einer der ersten entfernte man die Pflanz-Gabionen und das Pergola-Gestänge um das Tegetthoff-Denkmal. Es steht nun wieder frei, viele sitzen auf dem Sockel und posieren für Selfies. „Platzgestaltungen symbolisieren immer auch gesellschaftliche Veränderungen. Die Corona-Krise schärfte den Blick auf den öffentlichen Raum. Er wird viel intensiver wahrgenommen und genutzt. Außerdem ist die Klimadiskussion wesentlich verbreiteter“, sagt Sabine Dessovic von DnD.

Der Praterstern ist eine hochgradig versiegelte Hitzeinsel mit Glasdach. Hinter dem Tegetthoff-Denkmal wird ein 488 Quadratmeter großes Wasserspiel mit 114 Wasserstrahlen, hohen Wassernebeln und 105 Hochdrucknebelwolken angelegt. Diese haben einen unterschiedlichen Wasserverbrauch, Kühleffekt und Erscheinungsbilder. Das Wasser macht Kindern viel Spaß, beruhigt, gestaltet den Raum und lässt sich vor allem auch abdrehen. Dann ist der Platz wieder eine freie, beliebig nutzbare Fläche – für Kunst im öffentlichen Raum, Wochenmärkte und mehr.

„Marginalisierte Gruppen von so einem urbanen Platz zu vertreiben ist keine Option“, sagt Tschaikner. Bis dato waren Bänke vor allem von diesen besetzt, andere mieden sie. KENH Architekten schaffen bewusst ein Überangebot, damit alle ihren Platz finden. Sie entwarfen eigene Stadtmöbel, die „Pratoide“. Diese Betonfertigteile haben etwa die Form des Pratersterns, werden von unten beleuchtet und fungieren auch als Sicherung für Bäume. Man sitzt also unter deren Kronen. Auf den Fertigteilen sind Sitzschalen montiert, mit Blickrichtung aus dem Kreis: „Inklusion durch Distanz“. KENH hoffen, dass dadurch die Oma, die auf ihren Enkel wartet, neben einem Obdachlosen Platz nimmt. Es gibt die Pratoide mit je fünf, sieben oder neun Sitzschalen, für kurzes, mittleres und langes Verweilen. 24 Betonkiesel und 30 Hocker komplettieren zu 186 Sitzmöglichkeiten am Stern.

Rund um den Praterstern wird ein „grüner Ring“ aus 2,5 Meter breiten Pflanzbeeten angelegt. Lampenputzergras, Blauraute, Gelber Sonnenhut, Gewürzsalbei und eine Blumenzwiebelmischung sorgen für saisonale Farbwechsel und 1400 Quadratmeter mehr Grünfläche. Für Sitzende lässt der Blick auf die Pflanzen den Verkehrslärm in den Hintergrund treten und wirkt so als psychologischer Lärmschutz. Gepflanzt werden 56 neue Bäume, robuste und klimaresiliente Großbaumarten wie Tulpenbaum, Ulme, Eiche, Robinie, Platane, dazu säulenförmige wie Krim-Linde, Stadt-Ulme und Zelkove. Gerade werden zwei große Baugruben mit Grobschlag aufgefüllt, um das Schwammstadtprinzip umzusetzen. Das heißt, dass Regenwasser vom befestigten Boden in einen Untergrund dringen kann, der Wurzeln genug Raum zum Wachsen lässt und sie auch bei Hitze mit Wasser versorgt. Darin werden acht Meter hohe Platanen gepflanzt – die größten, die die MA 42 bisher einsetzte. Ihre breiten, hoch ansetzenden Baumkronen werden ein Blätterdach bilden – passend zum grünen Prater.

Spectrum, Mi., 2021.12.08

25. November 2021Isabella Marboe
Spectrum

Ein Landhaus für Unbehauste: Ein Luxusdomizil beherbergt Obdachlose

In Mayerling baut das Architekturbüro Gaupenraub das einstige Luxushotel „Hanner“ zur VinziRast am Land um. Wo einst die Habenden residierten, sollen sich nun Obdachlose bei der Arbeit mit Pflanzen und Tieren erden können.

In Mayerling baut das Architekturbüro Gaupenraub das einstige Luxushotel „Hanner“ zur VinziRast am Land um. Wo einst die Habenden residierten, sollen sich nun Obdachlose bei der Arbeit mit Pflanzen und Tieren erden können.

Mayerling 1 war einmal eine erste Adresse. Scharenweise pilgerten die Gourmets zum „Hanner“ im Wienerwald, wo Heinz Hanner auf Drei-Hauben-Niveau kochte. „Ich bin in Mayerling 2 aufgewachsen“, sagt Ludwig Köck, Bürgermeister von Alland, dem die Katastralgemeinde angehört. „Heinz Hanner war mein Nachbar, wir spielten hier gemeinsam Tennis.“ Restaurant und Seminarhotel zählten zu Relais & Châteaux und Les Grandes Tables du Monde. Wo früher der Tennisplatz war, ist heute ein Hühnerstall. „Hauptsache, kein Leerstand“, sagt Köck. „Das ist das Schlimmste für eine Gemeinde.“ Nun baut das Architekturbüro Gaupenraub das einstige Luxushotel zur „VinziRast am Land“ um. Dort sollen Unbehauste wieder Boden unter den Füßen finden. Im Herbst lud die VinziRast zum Fest: Freiwillige und Obdachlose verkochten Gemüse vom Feld und führten über das Gelände. Viele aus der künftigen Nachbarschaft kamen, auch Bürgermeister Köck. Ein klares Statement zum Projekt.

Umgeben vom Wienerwald, steht die Jausenstation Marienhof seit den 1930er-Jahren an der Straßenkehre Mayerling 1. Ein sympathisches Haus, weiße Holzfassade, grüne Fensterläden, Schleppdach mit Gaupe. 1972 bauten Hanners Eltern rückseitig ein Hotel an, das sich den Bestand teils einverleibt, ihn teils umspült. Etwa 30 Meter lang, elf Meter breit, drei Geschoße, die Dächer gehen ineinander über. 1989 erkochte sich Sohn Heinz die erste Gault-Millau-Haube und erweiterte um einen weiteren Hoteltrakt. Etwa 19 mal 16 Meter im Grundriss, vier Geschoße, Hanner bewohnte das Penthouse unterm Satteldach, 2004 wurde der Betrieb zum Restaurant-Hotel-Meetingpoint „Hanner“ mit Goldfischteich und Hubschrauberlandeplatz. 2016 musste er schließen, 2018 kaufte die ZMI GmbH, eine Privatstiftung von Hans-Peter Haselsteiner, die Liegenschaft. Hanners Eltern dürfen dort lebenslang wohnen, Haselsteiner räumte dem Obdachlosenverein Vinzenzgemeinschaft St. Stephan ein jahrelanges Nutzungsrecht ein.

Alexander Hagner und Ulrike Schartner von Gaupenraub planten bereits in Wien viel für die VinziRast, immer im Bestand: 2004 die VinziRast Notschlafstelle, 2009 eine VinziRast-WG, 2013 machten sie ein Eckhaus in Währing zur „VinziRast mittendrin“. Dort leben Studierende mit Obdachlosen in zehn WGs, auf dem Dach gibt es einen Seminarraum, zu ebener Erde das Lokal „mittendrin“, das künftig von der „VinziRast am Land“ sein Gemüse beziehen soll. Auch dieses Haus hat einst Hans-Peter Haselsteiner erworben; nun gehört es dem Verein.

An einem nasskalten Tag im November 2018 fuhren Gaupenraub und der Vorstand der VinziRast erstmals nach Mayerling, es war gespenstisch. Einrichtung, Möbel, Lampen, alles da. In den Zimmern überzogene Betten mit toten Fliegen. Auf dem Boden Laminat in Mooreichenoptik, an den Wänden Naturstein-Imitat aus Feinsteinzeug, an den Decken abgehängter Gipskarton. Ein Zeugnis des unbedingten Strebens nach dem schönen Schein. Der Marienhof als Nukleus des Bestands wurde ständig erweitert und ein Bauteil in den anderen geschoben. Es gibt viele verschiedene Niveaus, daher ist die Erschließung sehr eigenwillig. Das Stiegenhaus am Eck des Hoteltrakts der 1990er-Jahre wird zum Anker, von dem lange, schmale Gänge mit Stufen und Zwischenpodesten ihre Haken zwischen Bauteilen und Zimmerfluchten schlagen.

„Man verläuft sich ständig“, sagt Ulrike Schartner. „Wir suchten wie die Trüffelschweine nach Qualitäten.“ In Hanners Gastroküche wurden sie fündig. „Das ist der stimmigste Ort. Die Köche schauten hier Parapet-frei von den Zehenspitzen aufwärts in die Landschaft.“ Es ist derselbe Blick über Alland, den man auch vom Maierhof hat: nach Westen, zur Abendsonne. Die Küche bekommt noch eine neue Terrasse, sonst bleibt alles unverändert. Insgesamt 77 Betten in einem Gebäudekonglomerat mit 3500 Quadratmeter Nutzfläche, dazu 2,7 Hektar Grund. Die Architekten waren geplättet von der Größe des Bestands, dann traten sie die Flucht nach vorn an. Sie erweiterten die VinziRast um 700 Quadratmeter Glashaus, etwa 98 Quadratmeter Stall und 150 Quadratmeter Volieren für Vögel. Dennis Reitinger, ein Boku-Absolvent, legt hier eine Permakultur an, bis auf die Samen ist nichts zuzukaufen. Seit zwei Jahren lebt er auf der Baustelle, Freiwillige und Obdachlose aus der „VinziRast mittendrin“ leerten den Bestand, rodeten, jäteten und pflanzten; das Glashaus fand per Crowdfunding nach Mayerling, ein Malermeister aus Etsdorf am Kamp spendete den Hühnerstall. Tischler Josef Kleinrad, Thomas Radatz, Andreas Stangl und über 40 weitere Lehrer:innen und Schüler:innen der HTL Mödling bauten ihn ab und als Luxusherherge für Hühner wieder auf. Deren Kot ergibt den besten Dünger für die Pflanzen in den Glashäusern.

Gaupenraub verkehrten einen flüchtigen glamourösen Ort für besonders wohlhabende in einen dauerhaft authentischen Lebensraum für Bedürftige. „Wir brauchen hier tragfesten Grund, kein Fake“, sagt Alexander Hagner. Der Bestand wird auf seine Struktur zurückgeführt, alle Leichtbauwände werden entfernt, Durchbrüche geschaffen, damit man in die Umgebung blicken und sich besser orientieren kann. Der Betonschneider hat viel zu tun, Peter Bauer vom innovativen Statikbüro Werkraum Wien hat viel zu rechnen. Alles, was Identität stiftet, wird verstärkt. Bezug zur Natur und Heterogenität des Bestands – je unterschiedlicher die Räume und Situationen, umso mehr Menschen werden sich wohlfühlen. Synergien finden sich zuhauf: So hat das Stift Heiligenkreuz oft zu wenige Betten für Pilger und kann das Altersheim in Alland künftig die Hotelwäscherei nutzen.

Die Zimmer sind zwischen zwölf und 30 Quadratmeter groß. In Letzteren wurden die Interieurs maßgetischlert, unter den großzügigen Bettpodesten aber ist kein Bodenbelag mehr. Die Fehlstellen werden nicht mit Eichenparkett gefüllt, sondern einfach geflickt. Ehrlichkeit ist angesagt – und Mut zur Lücke. Das Zimmer mit der türkis verfliesten Badezimmerkapsel, die wirkt, als sei sie für Barbarella gemacht, bleibt Hotel, andere sind zu permanenten Kleinwohnungen für etwa 30 Obdachlose zu adaptieren. Gaupenraub nutzen, was brauchbar ist, denn ein ungeahnt großer Teil des Budgets fließt in Mängelbehebung. So gingen Grau- und Regenwasser in denselben Kanal, waren die Brandabschnitte nicht korrekt abgetrennt, musste der Lift behördlich gesperrt werden, weil sich Entlüftungsgitter über dem Maschinenraum als Fake entpuppt hatten. Das zehrt am betagten Ehepaar Hanner: Es wollte kein Ausweichquartier und lebt nun auf der Baustelle. Ein Ende ist in Sicht, im Sommer 2022 soll die „VinziRast am Land“ fertig sein. Dann werden sich Pflanzen an den Fassaden emporranken und so den Bestand zu einem Teil des Wienerwaldes machen.

Spectrum, Do., 2021.11.25

16. September 2021Isabella Marboe
Spectrum

Wenn Loos das wüsste

Das Haus Scheu von Adolf Loos in Hietzing ist ein Schlüsselwerk der Moderne. Bedeutenderes gibt es kaum, es steht unter Denkmalschutz. Bis vor Kurzem war es ein mit höchster Wertschätzung bewohntes, gepflegtes Haus, dann wechselte der Besitzer. Nun ist es eine Baustelle.

Das Haus Scheu von Adolf Loos in Hietzing ist ein Schlüsselwerk der Moderne. Bedeutenderes gibt es kaum, es steht unter Denkmalschutz. Bis vor Kurzem war es ein mit höchster Wertschätzung bewohntes, gepflegtes Haus, dann wechselte der Besitzer. Nun ist es eine Baustelle.

Zwischen gediegenen Villen steht in der Hietzinger Larochegasse 3 das Haus Scheu von Adolf Loos. „Dieses Haus ist der Ursprung des kubischen Bauens, hier ist die Moderne entstanden“, sagt Architekt Ralf Bock, ein Loos-Experte. „Mies van der Rohe, Le Corbusier: Alle haben sich darauf bezogen.“ Gegenüber das Gymnasium Wenzgasse, es ist Dienstag, der 14. September, um die Mittagszeit. Kurz davor hatte die Autorin eine Nachricht erreicht: Es gebe Bauarbeiten am Haus, das Bundesdenkmalamt wisse nichts davon, ein Landeskonservator sei schon unterwegs, hatte sie erfahren, also war sie nun da.

Kinder strömen in die Sonne. Das nüchterne weiße Haus auf der anderen Straßenseite sagt ihnen wohl nichts. Ein kleines Baugerüst und ein Baukran stehen davor. Der Gartenzaun ist weit offen. Baustelle eben. Keine Bautafel, kein „Betreten verboten“. Kein Mensch zu sehen. Sie geht hinein, eine staubige Wendeltreppe. Abgeklebter Boden, abgeschlagener Putz. Hier fallen Späne. Sie sucht Auskunft, findet zwei Bauarbeiter, gibt sich als Architekturjournalistin zu erkennen. Was sie hier täten? Wie sie hießen? Journalistenhandwerk: immer nach Namen fragen.

Lukas – offener Blick, blaues T-Shirt, sein Kollege – schwarze Haare, kunstvoll tätowierter Unterarm – nennt keinen Namen. Beide wollen nichts sagen. „Sie können mit unserem Chef reden.“ Sie sind Installateure der Firma Stopfer Haustechnik im achten Bezirk. „Wir greifen nichts an“, versichern sie. Demontierte Heizkörper, Installationsrohre, Schutt. Warum sich die Autorin für ihre Arbeit interessiere? Weil es eines der bedeutendsten Häuser sei, die es gebe, es stehe unter Denkmalschutz. Von Adolf Loos – eines der ersten mit Flachdach weltweit. Eine Revolution. Die zwei: „Ist ein schönes Haus. Ziemlich groß. Kostet sicher genug.“

„Das Haus Scheu ist eine der bedeutendsten Villen von internationalem Rang, die wir in Österreich haben“, sagt Wolfgang Salcher, stellvertretender Landeskonservator für Wien im Bundesdenkmalamt. „Bedeutender geht's nicht mehr.“ Es ist eine typologische Rarität. Ein Terrassenhaus, das einzige von Loos und das erste seiner Art in Mitteleuropa. 1912/13 wurde es errichtet, hochinnovativ, mit eingebautem Mobiliar aus dunkler Eiche. Loos setzte es radikal abstrakt um: für jede der drei Wohnebenen eine Terrasse mit Morgensonne. Rechtsanwalt Gustav Scheu hatte die Gartenstadtidee nach Wien gebracht und Loos für die Siedlerbewegung entflammt. Im Salon von Helene Scheu-Riesz verkehrten große Geister wie Loos selbst, Kokoschka, Alban Berg.

Seit 1971 steht dieses Kleinod der Architekturgeschichte unter Denkmalschutz. Zwischenzeitlich lebten Obdachlose im Haus, sie behandelten es gut; 1978/79 wurde es von Heinz Neumann und Sepp Frank generalsaniert. Die Familie Leodolter bewohnte es mit Sorgfalt und Freude, 2011 wurde es von Silvia Leodolter verkauft. Die Gemeinde Wien zeigte kein Interesse. Der neue Besitzer, Johannes Holländer, kaufte Loos-Möbel zu. „Es war in einem perfekten Zustand, das bestgepflegte Loos-Haus, das wir haben“, sagt Bock. Das Bundesdenkmalamt war zufrieden, der Bauherr glücklich mit dem Original-Loos, er zieht nach Rotterdam.
Am 28. August 2021 wechselt das Haus den Besitzer, keinen Monat später fällt einem Beobachter ein Bauaufzug an der Fassade auf, Bock setzt das Bundesdenkmalamt und einige Journalist:innen in Kenntnis. Montag, 13. September: „Weil wir eine wache Behörde sind, reagierten wir sofort“, so Salcher. Zu diesem Zeitpunkt waren ihm keinerlei konkret geplante Arbeiten bekannt. Am Dienstag kontaktierte er die Planerin und erfuhr, dass eine Instandsetzung der Elektro- und Gasleitung geplant war. Sofort fuhr er in die Larochegasse. „Ich stellte fest, dass Baumaßnahmen stattfanden, die vom Bundesdenkmalamt nicht genehmigt sind.“

Die Journalistin sucht den dritten Bauarbeiter. Laden und Kastentüren, mehr oder weniger nonchalant mit Plastikplanen abgedeckt, lehnen an den Wänden. Eigentlich dürfte man die Holzverkleidungen in diesem Haus nur mit weißen Museumshandschuhen berühren, denkt sie. Erleichtert nimmt sie die Holzträme der Decke wahr, den Luster, originale Tür- und Fensterbeschläge, die Kaminnische. Alles noch da. Zwei Fauteuils, in die Holzwand eingebaut, auf einer liegen Bauhandschuhe. Im gemauerten Kamin drei Scheite auf trockenen Kiefernzapfen, die Wandverbauten der Bibliothek mit den goldenen Lampen intakt, eine Marmorplatte ohne Wandverbau, aber immerhin. Neben einer Tür rechts und links je drei Farbproben, Blau: Echo, Delicate Blue, Bone, China Blue, Pale. Eher keine Loos-Farben. Auf zwei Kreppbändern steht: „Wand bleibt.“

Der Kollege sei vor fünf Minuten weg, sagen die Arbeiter. Als ich das Haus verlasse, treffe ich auf einen schlanken Mann in engen Jeans. „Sind Sie der dritte Arbeiter?“ Er mustert mich überrascht. „Ich bin der Bauherr.“ „Wunderbar. Mit Ihnen möchte ich ohnehin sprechen.“ – „Wer sind denn Sie?“ „Ich bin von der Presse.“ – „Ich gebe der Presse keine Auskünfte. Sie dürfen die Baustelle nicht betreten.“ Ich gehe.

Eigentlich hätte das Bundesdenkmalamt innerhalb von zwei Wochen vom Verkäufer über den neuen Besitzer informiert werden müssen. „Uns wurde nichts mitgeteilt“, sagt Salcher. „Wir haben im Grundbuch nachgesehen.“ Dort ist auch verzeichnet, dass das Haus unter Denkmalschutz steht. Das bedeutet: „Jede Veränderung muss vom Bundesdenkmalamt genehmigt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Planungen auf solider Basis ausgeführt werden. Es gibt vom Bund große Förderungen für Voruntersuchungen. Wir zahlen bis zu 95 Prozent. Mich wundert, dass sich manche Bauherren das nicht abholen.“ Auch alle Möbel und Einbauten, die mit der Wand verbunden sind, stehen unter Schutz. Das Bundesdenkmalamt hat die Planerin kontaktiert, deren Namen es nicht nennen will. Jener des Bauherrn steht im Grundbuch.
Donnerstag, neun Uhr früh. Ein Mail von Stefan Tweraser, dem Bauherrn. Er suche den ehrlichen Austausch und weist darauf hin, dass ich illegal in seinem Haus war. „Ich gebe Ihnen gern Auskunft. Was ich nicht will, ist, dass alles schwierig wird.“

Vor drei Monaten hätten er und seine Frau das Bundesdenkmalamt erstmals kontaktiert, der Begehungstermin sei abgesagt worden, derzeit sei der Austausch mit dessen Präsidenten, Christoph Bazil, wieder rege. „Es liegt uns sehr daran, dieses Juwel als Juwel zu erhalten.“ Die Familie will die Haupträume im Originalzustand bewahren und dort sorgsam und doch zeitgemäß wohnen. „Es ist in einem technisch fürchterlichen Zustand. Wir haben begonnen, Heizkörper zu entfernen, es waren nachgegossene aus England. Uns geht es darum, die heikle Balance zwischen Denkmal und Wohnhaus zu erhalten.“

Am Mittwoch, 15. September, beging Tweraser mit Burkhardt Rukschcio, einem weiteren Loos-Experten, die Baustelle. Nichts sei zu beanstanden. „Die Wiener Gerüchteküche bauscht alles auf.“ Donnerstagvormittag war die Baupolizei vor Ort, für 13.30 Uhr ein Besichtigungstermin mit Architekt Ralf Bock vereinbart. Die Dinge nehmen ihren Lauf.

Spectrum, Do., 2021.09.16

27. September 2008Isabella Marboe
Der Standard

Der Sonne entgegen

Ein steiler Nordhang am Rande von Wien. Architekt Bernd Mayr terrassierte das Gelände und setzte darauf eine ausgeklügelte Hausskulptur mit geschwungenen Dachbögen.

Ein steiler Nordhang am Rande von Wien. Architekt Bernd Mayr terrassierte das Gelände und setzte darauf eine ausgeklügelte Hausskulptur mit geschwungenen Dachbögen.

„Eigentlich suchten wir eine Dachwohnung. Es war purer Zufall, dass wir hier gelandet sind“, erinnert sich der Bauherr. Es war Liebe auf den ersten Blick: Das Grundstück liegt am Ende einer Sackgasse auf einem steilen Nordhang. Im Süden die Straße, im Osten nichts als Wald und davor ein traumhaftes Panorama über die weichen Hügelkuppen des Wienerwaldes. Das Paar war entzückt, hatte aber Zweifel, ob sich die Parzelle zu vertretbaren Kosten bebauen ließ, denn das Gelände fällt von der Straße bis zur nördlichen Grundgrenze um 11,60 Meter ab.

Vor dem Kauf konsultierte man Architekt Bernd Mayr. „Es war ein sehr schwieriger Baugrund mit vielen Einschränkungen“, so Mayr, „der Hang ist so steil wie die Streif in Kitzbühel. Noch dazu liegt er nordseitig.“ Der Vorteil an der Sache: Der Wald grenzt direkt an, die Aussicht wird nie verbaut werden. „Ich wollte einen Baukörper entwerfen, der die Blicke zelebriert. Er sollte möglichst weit nach vor und hoch hinauf, damit er viel Sonne bekommt.“

Abgetreppte Landschaft

Ein Wunsch der ersten Stunde war, den Außenraum von jeder Ebene direkt begeh- und erlebbar zu machen. Die Grünbereiche des rutschgefährdeten Hanges wurden daher mit bewehrter Erde angeschüttet. Über abgetreppte Plateaus kann man von Ebene zu Ebene schreiten. So kommen auch die Schlafzimmer im Untergeschoß zu ihrer Terrasse.

Harmonisch liegt der ockerfarbene Baukörper im Gelände. Zu Wald und Straße gibt sich das Haus geborgen und introvertiert, überm Keller aber reckt es sich der Aussicht entgegen. Mit großen Glasflächen öffnet sich die Längsseite nach Westen und fängt so das Abendlicht ein. Über eine eingeschnittene Loggia wird auch noch die Südsonne in den Wohnbereich geholt. Die Laterne unterm obersten Dachbogen scheint den Himmel über Wien zu streifen. Hier flutet das Licht von allen Seiten, und die Baumkronen sind zum Greifen nah.

Im sachten Gegenschwung gleitet die Decke des Erdgeschoßes wie eine Welle bis zum begrünten Vordach, das über der Loggia ums Eck kurvt. Gerade 2,20 Meter hoch sind die Nebenräume und die transparente Eingangsnische. Zwei Stufen tiefer gerät unterm ansteigenden Deckenbogen im Wohnraum ein vielstimmiger Akkord aus Ausblick, Licht und Luft ins Schwingen.

Unter dem Glasband, das sich von der Straße übers Eck bis zur Westseite des Hauses zieht, liegt die weiße Küchenzeile. Vor dem Essplatz gewinnen Raum und Fenster an Höhe. Weit sieht man hier über das Häusermeer.

Ausblick durch Panoramaglas

Das Vordach neigt sich weit über den gedeckten Freiraum vor dem Wohnzimmer. Nahtlos geht der vorbewitterte Lärchenholzboden in die gewölbte Brüstung über. Fast wähnt man sich am Bug eines Schiffes. „Mich zieht es magisch nach draußen“, erklärt die Baufrau, „bei Herbstnebel ist die Stimmung mystisch. Ich fühle mich dann, als wäre ich im Amazonas.“

Acht Meter lang und 3,30 Meter hoch ist das Panoramaglas vor der Sitzgruppe. Es kommt ohne Rahmen aus: Glasschwerter geben ihm die nötige Stabilität. Ein Kamin verströmt Wärme. An der Wandscheibe in der Mitte des Hauses gleitet die Treppe auf die Galerie. Die Setzstufen wurden ausgespart, zwischen die Trittstufen dringt Licht. Oben in der Laterne malen die Schatten sachte Bögen auf die gewölbte Decke. Von hier sieht man runter in den Wohnraum und raus in den Wald. „Das ist mein Denk-Kabäuschen“, schwärmt der Bauherr. „Hier kann ich die Baumwipfel streicheln.“

Der Standard, Sa., 2008.09.27



verknüpfte Bauwerke
Neubau Haus B.

13. September 2008Isabella Marboe
Der Standard

Edelschuppen auf der Alm

Vom Bestand blieb nur der weiße Sockel. Gekonnt setzten die Architekten Florian Sammer und Karoline Streeruwitz einen Holzleichtbau mit asymmetrischem Satteldach darauf.

Vom Bestand blieb nur der weiße Sockel. Gekonnt setzten die Architekten Florian Sammer und Karoline Streeruwitz einen Holzleichtbau mit asymmetrischem Satteldach darauf.

Die Lage ist traumhaft. Zwischen saftigen Almen liegt das Grundstück hoch über dem Traunsee, unmittelbar dahinter beginnt der Wald. Nach eigenen Vorstellungen hatte der Vorbesitzer bereits ein Fundament sowie einen Garagentrakt mitsamt romantischen Fensterbögen bauen lassen. Dann bestellte er ein rustikales Blockhaus aus Finnland. Das landete direkt am weißen Sockel.

Doch die Räume wirkten drückend. Ein neuer Holzleichtbau sollte das Haus in ein lichtes, komfortables Feriendomizil verwandeln. Um dem Ort seine Reverenz zu erweisen, wünschte sich der Bauherr dunkle Holzverkleidung und ein Satteldach. Die Nordwand mit dem Bild des heiligen Christophorus musste erhalten bleiben, ebenso der alte Stiegenaufgang und der grüne Kachelofen.

Stilsicher entwickelten Florian Sammer und Karoline Streeruwitz einen zweigeschoßigen Baukörper aus Holz, der außen mit dunkel lasierten Dreischichtplatten verkleidet ist. Wie ein schwarzer Monolith sitzt er nun am weißen Sockel. Über der oberen Schlafebene steigt sacht das asymmetrische Dach an, zum Waldrand im Westen fällt es steil wieder ab.

Der Eingang ist unverändert. Unter dem Schutz des Heiligen schlüpft man im Norden ins Haus. Nahtlos geht der alte Treppenaufgang in die neue Stiegenskulptur über. Brüstung und Untersichten sind mit honiggelbem Teakholz furniert. Davor breitet sich die offene Weite der neuen Wohnebene aus: Galerie, Decke, Wände und Möbel wurden in einem Guss aus Holz gestaltet. Alles fügt sich Ton in Ton. Das verleiht dem großen, hohen Raum die warme Atmosphäre kultivierter Ländlichkeit.

Durch ein hohes, langes Fensterband bricht im Osten die Landschaft herein. Im Cinemascope-Format wandert der Blick über Traunstein und Traunsee. Davor gleitet eine ausladende Terrasse am Panorama entlang, darüber kragen die Privaträume aus. Der Vorsprung spendet der Terrasse Schatten und bildet einen umlaufenden, gedeckten Freiraum, wo sich auch bei Schlechtwetter sitzen lässt. „Im Salzkammergut regnet es oft“, sagt der Bauherr, „ich wollte keine kleine Kiste, sondern ein Haus mit Charakter, in dem man atmen kann.“

Blick bis zum Wasser

Über seinem Schreibtisch, der gleichen neben dem Treppenaufgang steht, ist ein großer, fast sechs Meter hoher Luftraum eingeschnitten. Er sorgt dafür, dass man selbst von der Galerie bis zum Wasser blicken kann. „Unsere Grundidee war, auch in den hinteren Bereichen des Hauses einen Bezug zum Traunsee herzustellen“, sagt Architekt Florian Sammer. Die Aussicht ist vielfältig: Während die Küchenzeile den Wald im Blick hat, gibt die Durchreiche die Sicht auf den See frei.

Über der Couch am Sonnendeck wurde ein zweiter hoher Luftraum eingeschnitten. Davor liegt eine Bibliotheksgalerie mit Oberlicht und Himmelsblick. „Für mich ist das eine eigene, andere Welt“, sagt der Bauherr, „hier kann ich mich voll und ganz entspannen.“ Am Parkettboden liegt ein dickes Fell, daneben erstreckt sich eine ausgedehnte Liegelandschaft. Ein Panoramafenster in der Wand lädt zum Tag- und Nachtträumen ein. Und übrigens: Das alte Blockhaus wurde zum Selbstabbau verschenkt und in Gosau wieder aufgestellt.

Der Standard, Sa., 2008.09.13



verknüpfte Bauwerke
Haus Erika

06. September 2008Isabella Marboe
Der Standard

Camouflage war gestern

Auf einem ehemaligen Kasernenareal bauten die Architekten Patricia Zacek, Christoph Karl und Andreas Bremhorst einen Wohnbau mit hoher Freiraumqualität. Die Mieter sind zufrieden.

Auf einem ehemaligen Kasernenareal bauten die Architekten Patricia Zacek, Christoph Karl und Andreas Bremhorst einen Wohnbau mit hoher Freiraumqualität. Die Mieter sind zufrieden.

Einst herrschte auf dem fast 10.000 Quadratmeter großen Areal in der Donaustadt militärischer Drill. Lange Zeit stand hier die Carl-Kaserne und hielt sich diszipliniert an den Blockrand. 2004 schrieben die beiden Wohnbauträger Arwag und Gewog einen Bauträgerwettbewerb aus, der die Weichen für eine Zukunft mit gefördertem Wohnbau stellte.

Die Arbeitsgemeinschaft Zacek, Karl+Bremhorst setzte acht verschieden lange und jeweils zwölf Meter tiefe Riegel mit lauter nord-süd-durchgesteckten Wohnungen auf den Block. Sie bilden vier Reihen, die von breiten Durchgängen, Freiräumen und Spielplätzen durchzogen sind. Der einstige Kasernenhof wird damit zum Wohnpark. Die zwei Zeilen im Norden wurden mit der ARGE Zacek, Karl+Bremhorst umgesetzt. Nach ihrem städtebaulichen Leitbild realisierte Architekt Peter Czernin dann den zweiten Teil der Anlage. Ein einzelnes Objekt der Kaserne blieb stehen.

Städtebaulicher Adapter

Die Wohnanlage liegt unweit von U-Bahn, Donauzentrum und einer Volksschule, im Osten grenzt ein Freibad an den Block, im Norden zieht eine Allee vorbei. Dahinter liegt die Freihofsiedlung, eine durchgrünte Anlage aus der Nachkriegszeit. Die erste Wohnzeile von Zacek, Karl und Bremhorst war daher als Bauklasse II deklariert und musste sich der Freihofsiedlung anpassen. Auf dem übrigen Grundstück galt Bauklasse III.

„Um zwischen niederer und höherer Bebauung einen weichen Übergang zu schaffen, zieht sich in zwölf Meter Höhe eine klare Kante durch“, erklärt Zacek das städtebauliche Konzept. „Außerdem wollten wir den Block mit durchgängigen Querverbindungen zur Umgebung aufreißen, denn rundherum ist es sehr grün. Also zogen wir die vier Zeilen wie einen Reißverschluss auseinander.“

An den Enden sind den viergeschoßigen Wohnriegeln würfelförmige Kopfbauten vorgelagert. Hier liegen die Stiegenhäuser. Orange und gelb strahlen die Wände und Decken des Foyers durch die Glasscheiben. „Die Kopfbauten sind die Gesichter der Wohnanlage“, so Zacek.

Zwischen den tragenden Stahlbetonscheiben erstrecken sich alle Wohnungen von Norden nach Süden. Unten sind wie in einem Reihenhaus Maisonetten aufgefädelt, den Geschoßwohnungen darüber sind durchgehende Loggien vorgelagert. Einige Bauteile haben außerdem noch Penthouses am Dach, die als Staffelgeschoß zurückgesetzt sind.

Die gedeckten Terrassenstreifen vor den Wohnküchen sind bereits stark belebt, die Gärten schon üppig bewachsen. Darüber kragen Balkone aus. Mal sind ihre Brüstungen aus grünem Glas, mal aus lichtdurchlässigem Metall, das sich auch an den Laubengängen wiederfindet, die an der Nordseite entlang pfeifen.

Ansonsten sind die sonnenabgewandten Fassaden der Wohnhäuser mit elfenbeinfarbenen Faserzementplatten verkleidet. Das hat eine schöne Textur und wirkt wie ein Wohnzimmerkasten", so Zacek. An den horizontalen Fensterbändern liegen jeweils Küche, Bad und Schlafzimmer.

Stolz zeigt ein Mieter seine Wohnung. Vom Laubengang bis zur Loggia erstreckt sich seine offene Wohnküche. Tisch und Sessel stehen draußen bereit, genussvoll sonnt sich unten einer im Garten. Im Hof spielen Kinder. Er ist glücklich mit seiner neuen Bleibe: „Es ist eine sehr schöne, gelungene Anlage. Der alte Kasernenplatz ist damit optimal genutzt.“

Der Standard, Sa., 2008.09.06



verknüpfte Bauwerke
Wohnpark Erzherzog Carl

30. August 2008Isabella Marboe
Der Standard

Kiste in modellierter Landschaft

Die Gegend rund um den Traunsee besticht durch fantastische Landschaft. Christa Buchinger plante ein Haus mit Schlosserei-Werkstatt, Massagepraxis und viel Blick in die Natur.

Die Gegend rund um den Traunsee besticht durch fantastische Landschaft. Christa Buchinger plante ein Haus mit Schlosserei-Werkstatt, Massagepraxis und viel Blick in die Natur.

Hoch oben über Altmünster. Wild romantisch zieht der Schustergraben seine Furche in den Hang. Ein Bach rauscht in der Klamm, zarte Sonnenschleier huschen zwischen die Bäume, von fern schimmert der Traunsee durch. Lange Zeit wohnten die Bauherren in einem Dachboden unten im Ort. Sie hatten eine Terrasse aus Waschbeton und sehnten sich nach Natur.

Davon gab es auf dem fast 1000 Quadratmeter großen Grundstück mehr als genug. Das Raumprogramm war umfangreich: Der Bauherr betreibt eine Schlosserei, seine Frau eine Massagepraxis. Viel Platz im Bad und im Garten sollte außerdem sein, denn da halten sich die beiden am liebsten auf.

Im Osten steigt die Straße an, im Westen erklimmt eine Wiese den Hang. Hier stehen Kühe auf der Weide und Obstbäume um einzelne Gehöfte. Vom unteren Spitz bis zur oberen Grenze steigt der Grund um über acht Meter an. Das Gelände wurde modelliert und das Haus an die westliche Kante gerückt.

„Das Wichtigste waren ein naturnaher, heller Wohnraum mit direktem Bezug zum Garten, Pool, Terrasse und klare Zugangsverhältnisse zu den privaten und halb öffentlichen Bereichen des Hauses“, sagt Architektin Christa Buchinger, „hier kommen alle mit dem Auto. Also habe ich das Gebäude so positioniert, dass ein großzügiger Vorplatz entsteht.“

Zimmer mit Aussicht

Im Sommer wirkt der Baumbestand im tiefen Graben wie eine grüne Wand, im Winter aber wird er zu einem transparenten Schleier, durch den man bis zum Traunsee sieht. „Diesen Blick auf Wald und Wasser wollte ich unbedingt hereinholen“, erklärt die Architektin. Die langgezogene Raumsequenz aus Kochen, Essen und Wohnen mündet direkt auf die Terrasse, die sich bis zum Schwimmbiotop am Ende des Gartens erstreckt. Die Natur ist hier zum Greifen nah: Im Osten öffnen sich die Räume mit raumhohen Glastüren in die Landschaft. Ein Band aus olivgrünen Eternitplatten schlingt sich wie ein Mäander um das ganze Obergeschoß und rahmt die Bäume und den Himmel ein.

Drinnen zieht sich eine blaue Sitzlandschaft um den gemauerten Kamin. „Diese Couch ist ideal für die Kinder. Mit den riesigen Pölstern bauen sie sogar Häuser“, erzählt die Baufrau. Eine große Qualität des Hauses ist, dass die kleinen Bewegungskünstler direkt auf die Terrasse hinauslaufen können. Auch das Bad mündet auf das schwebende Flugdach. Es ist ein großzügig verglaster Raum mit genügend Platz zum Turnen und Relaxen. Orange strahlen die Laden unter den weißen Waschbecken, durch die Fenster blinzeln See und Traunstein herein. Eine Sprossenwand im Bad animiert zum täglichen Turnen.

Die Treppenskulptur in der Mitte des Hauses ist von integrierten Regalen, einem Schreibpult mit Blick in den Garten und einer Bank vor der Küche flankiert. Sie wird so zum vielfach nutzbaren Dreh- und Angelpunkt. In die Arbeit haben es Bauherr und Baufrau jedenfalls nicht weit. Gleich an das Foyer im Erdgeschoß dockt die Schlosserei-Werkstatt, rechts davon liegen zwei Behandlungsräume zum Massieren. Eine halbhohe Sichtbetonmauer schützt zwar vor Einsicht, lässt die Sonne aber ungehindert in den Raum fallen.

Der Standard, Sa., 2008.08.30



verknüpfte Bauwerke
Haus am Traunsee

02. August 2008Isabella Marboe
Der Standard

Die Wohnwürfel neu gemischt

Architektur muss nicht immer dem Straßenraster folgen. In Wien Favoriten realisierte Rüdiger Lainer eine Skulptur mit 250 Wohnungen. Farbkonzept und Freiräume lehnen sich weit aus dem Fenster.

Architektur muss nicht immer dem Straßenraster folgen. In Wien Favoriten realisierte Rüdiger Lainer eine Skulptur mit 250 Wohnungen. Farbkonzept und Freiräume lehnen sich weit aus dem Fenster.

Wien Favoriten. Hier gibt der Blockraster der Gründerzeit den städtebaulichen Ton an. Auch für den Bauplatz des Bauträgers Heimbau & Eisenhof sah der Widmungsentwurf eine geschlossene Randbebauung vor. Auf dieser Basis wurde ein offener Wettbewerb für eine Wohnanlage mit 33.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche mitsamt Kindertagesheim ausgeschrieben.

Das Büro Rüdiger Lainer+Partner setzte an der Wurzel an, mischte die Karten der Widmung neu und schichtete das Volumen komplett um. Zweistöckige Hofhäuser bilden eine kleinteilige, mediterran anmutende Sockelzone. Darüber erobern vier freigeformte Hausformationen den Luftraum über dem Block. Die geknickten Fassaden, aus denen kühn auskragende Bauteile weit vorpreschen, mäandern dem Sonneneinfall hinterher und bilden dabei Höfe und Plätze aus. Fast jede Wohnung hat eine Veranda, Loggia oder Terrasse.

Die Architekten hatten das Glück und die Jury auf ihrer Seite. „Wir haben die Volumen neu verteilt, um trotz der hohen Dichte möglichst viele unterschiedliche Freiräume zu schaffen“, erklärt Rüdiger Lainer. Die Staffelung der Baumassen - die hohe Bebauung rückt von der Straße ab - bringt sowohl den Nachbarn als auch den Wohnungen eine bessere Belichtungssituation. „Wir sind davon ausgegangen, dass jede Einheit mindestens drei Stunden am Tag Sonne haben sollte“, so Lainer, „daraus ergibt sich die Verformung der Baukörper.“

Das Terrassenhaus Buchengasse gibt sich durch und durch urban, die Anlage zu durchschreiten ist ein absolutes Erlebnis. Terrakottafarbene Mauern säumen den Block, der von Wegen und gestalteten Freiräumen durchzogen ist. Dahinter liegen die Gärten und Terrassen der Maisonetten. Gemeinsam mit dem Künstler Oskar Putz wurden die Fassaden in viele frische Farben getaucht.

Am westlichen Eck steht ein kompakter, abgewinkelter Dreispänner. Elf Geschoße ragt dahinter Bauteil C hoch: An den Kanten wechselt der verästelte Baukörper von sattem Orange in zartes Rosa. Die eingeschnittenen Loggien strahlen hellblau. Durch ein Oberlicht fällt die Sonne ins Stiegenhaus, das sich als innere Gemeinschaftszone im ganzen Haus verzweigt. In seiner Mitte ist ein ovaler Luftraum eingeschnitten, der wie eine Wirbelsäule aus Licht alle Ebenen durchwandert.

Hochgebirge in der Stadt

Im Süden ragt auf einem zarten, acht Meter hohen Stützenwald ein mächtiger, mehrstöckiger Bauteil in den Himmel. Wie an einem Fels klettern vorgehängte Veranden die Fassade hoch. In die Schalung der Betonfertigteile wurden Bambusmatten eingelegt. Deutlich sichtbar hat sich das Relief in den Beton gedrückt. Schon bald werden in den Terrassentrögen echte Pflanzen wachsen. „Diese Terrassenhäuser sind wie ein Gebirge“, sagt Projektleiterin Andrea Graßmugg, „man geht hinein, dann verschwinden die Gipfel und tauchen irgendwann wieder auf.“

Entlang des Weges liegt das neue Kindertagesheim. Durch die runden Einschnitte seines Vordachs lugen die Veranden des Wohnbaus dahinter. Wie ein Hochseedampfer ragt dahinter Bauteil D in die Höhe. Am begrünten Dach gibt es Sauna, Beete und Wienblick für alle.

Der Standard, Sa., 2008.08.02

26. Juli 2008Isabella Marboe
Der Standard

Mit einem Hang zur Eleganz

In den Hang eines prachtvollen Gartens setzte Architekt Dominik Aichinger ein exquisites Feriendomizil. Hinter einer Mauer aus rosa Quarzit offenbaren sich großzügige Wohnräume.

In den Hang eines prachtvollen Gartens setzte Architekt Dominik Aichinger ein exquisites Feriendomizil. Hinter einer Mauer aus rosa Quarzit offenbaren sich großzügige Wohnräume.

Architekt Dominik Aichinger durchforstete sein Archiv, ließ seine schönsten Bauten fotografieren, betexten und zum Bildband drucken. Ein Exemplar schickte er jenem Ehepaar, das ihm den Dachboden verkauft hatte, in dem er heute lebt. Das Buch kam gerade richtig: Das Paar steckte zu der Zeit knöcheltief in der Planung eines Ferienhauses.

Aichinger wurde zu Rate gezogen. Er entwarf ein Haus, das voll ins Schwarze traf. Während das Erdgeschoß im Hang verschwindet, nimmt die Südfassade die Geländekante auf und öffnet sich mit einem vorgeschalteten Wintergarten ins Freie. Vorwitzig lugt die kupferverkleidete Box mit den Privaträumen der Bauherren über die Böschungsmauer, die das Haus rahmt und es zum integrativen Bestandteil einer kultivierten Gartenlandschaft werden lässt.

Der Baugrund liegt einen Steinwurf vom Steinfeldersee, der einst durch Braunkohleabbau entstanden war. Die Zufahrt im Süden liegt gerade noch im Burgenland. Von hier erstreckt sich über die Grenze zu Niederösterreich hinweg ein riesiger Garten mit Akazien, Magnolien und Kastanien. Auf der Hangkante im Norden fuhren früher die Hunte.

Wasser und Stein

„Das Wertvollste hier ist der Garten“, sagt Aichinger, „der Großteil ist eben, dann steigt der Hang über dem einstigen Gleiskörper steil an. Das Haus sollte wie ein traditioneller Weinkeller hinter einer Stützmauer im Hang verschwinden.“ Wie durch ein Portal schlüpft man unter einem kupferverkleideten Flugdach in den paradiesischen Garten. Eine zarte Bodenmarkierung bezeichnet die Landesgrenze zwischen den Bundesländern. Der Weg ist mit Quarzit gepflastert, auch die Mauer wurde mit dem hellrosa und ocker oszillierenden Stein verkleidet.

Ein Wasserfall ergießt sich aus dem Stein ins Schwimmbiotop. An der Sonnenterrasse ist eine 17 Meter lange, stützenfrei überspannte Öffnung in die Mauer eingeschnitten. Dahinter liegt ein Wintergarten mit raumhohen, rahmenlosen Isoliergläsern, die sich zur Gänze beiseite schieben und kompakt gebündelt hinter der Quarzitwand einparken lassen.

Schiebetüren sorgen für einen fließenden Übergang in die Wohnküche, in deren gigantischen Luftraum die Arbeitsgalerie ragt. Von hier können die Bauherren Fotos und Filme auf die weiße Wand gegenüber projizieren. Die Sonne, die im Norden durchs Oberlicht und im Süden durch die Fenster des Schlaf- und Badezimmers fällt, lässt den sechs Meter hohen Raum fast sakral erscheinen.

„Man hat nie das Gefühl, im Hang zu sein“, sagt die Baufrau, die stolz am weißen Möbel lehnt. Auch der fußwarme Eichenboden ist weiß gelaugt. Hinter dem Küchenblock ragt eine dunkle Schrankwand hoch, davor liegt der offene Raum mit dem Kamin, der von der Decke hängt. Dahinter steckt der Weinkeller tief in der Erde.

Eine rote Schrankwand am hangseitigen Mauerrücken bietet Stauraum für alle. Leicht gefiltert dringt die Sonne durch den Wintergarten in die drei Gästezimmer, in denen Söhne und Enkel an freien Tagen immer willkommen sind. Hinter dem begrünten Flachdach klettert dann der Hang zur Grundgrenze hoch, wo Ribisel wachsen und ein Nussbaum steht.

Der Standard, Sa., 2008.07.26



verknüpfte Bauwerke
Haus E

12. Juli 2008Isabella Marboe
Der Standard

Klein, aber Design

Eine Stadtwohnung mit 24 Quadratmetern? Das Wiener Architekturbüro Franz Sam und Irene Ott-Reinisch hat aus diesem beengten Umstand eine Garçonnière mit vielen Gadgets gezaubert.

Eine Stadtwohnung mit 24 Quadratmetern? Das Wiener Architekturbüro Franz Sam und Irene Ott-Reinisch hat aus diesem beengten Umstand eine Garçonnière mit vielen Gadgets gezaubert.

Die Baufrau lebt in Krems und nimmt regen Anteil am Wiener Kulturgeschehen. Um nach Theater- und Konzertabenden in ihren eigenen vier Wänden übernachten zu können, kaufte sie sich eine kleine Garçonnière mit Zimmer, Vorraum und WC. Der altrosa Wandanstrich mit den weiß gemodelten Blumen, Linoleum und Terrazzo stammten aus der Nachkriegszeit, die Haustechnik war nicht viel frischer. Auch die später eingebaute Duschtasse erhöhte die Aufenthaltsqualität nur marginal. De facto nutzte die Baufrau ihre Wiener Bleibe kaum.

„Eigentlich wollte ich Architektur studieren“, bekennt sie, „doch nun lebe ich mit lauter Familienfotos im Haus meiner Urgroßmutter. Wirklich puristisch wohnen, wie ich es eigentlich will, kann ich dort nicht.“ Den Wunsch nach der Reduktion auf das Wesentliche sollte ihr der Wohnungsumbau in Wien erfüllen. „Ich wollte eine Zweitwohnung, in der man bequem schlafen, tagsüber arbeiten und abends dann kochen und Gäste einladen kann.“

Die beiden Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch sind pragmatische Tüftler mit einem starken Hang zu multifunktionalen Lösungen. „Die Wohnung ist extrem durchdetailliert. Wir haben einen ganzen Lebensinhalt in diese 23,7 Quadratmeter hineinprojiziert“, sagt Sam, „das ging nur, weil sich fast alles bewegen und verändern lässt.“ An der linken Seitenwand des Vorraums klettert eine aufklappbare Schuhablage hoch, rechts liegt das Bad hinter einer Schiebewand aus Mattglas. Die Spüle wurde eigens per Computer in die Nirostaplatte eingeschweißt, diese wiederum passt genau vor den Installationsschacht. In die Nische dahinter ist das WC eingerückt. Alles ist bis zum letzten Millimeter durchgedacht.

Das beweisen allein schon die ausgeklügelten Türen in der Wohnung: Mit der Schiebetür des Kastens lässt sich zugleich die Küche wegschalten. Wenn die Glaswand der Duschzelle nachrückt, werden damit die Kleider verdeckt. Schiebt man sie in die andere Richtung, trennt sie den Vorraum ab. Bleiben die Schiebewände zu, ist der Wohnbereich zugänglich.

Die Wände wurden weiß beibehalten, fast alle Möbel sind aus hellem Ahorn. Auf dem Boden liegt Eichenparkett, die Küche ist in Grau, Schwarz und Edelstahl gehalten. Ein schmales Wandregal zieht sich bis ins Zimmer vor. Es ist so hoch, dass das rote Sofa und der Klapptisch auf Rollen darunter gerade noch Platz finden. Abends mutiert die Couch zum Doppelbett und der Tisch zum Nachtkästchen.

Viele Funktionen in einem

Die Rückseite des Regals wirkt wie eine Stele im Raum. „Das ist ein voluminöses, innen ausgehöhltes Objekt mit allen technischen Features für einen Computerarbeitsplatz“, verrät Sam. Auf der Metallablage unter der Tischplatte verlaufen sämtliche Kabel, ein Rollcontainer birgt Drucker, Laptop & Co.

Im Normalzustand rahmt der Tisch den Freiraum vor dem Fenster. Schiebt man ihn vor, wird er zur Tafel für sechs Personen, in der Business-Variante wiederum mutiert er zum Besprechungstisch. Die Freude über die Multifunktionalität war jedoch von kurzer Dauer: Ein paar Wochenenden hindurch genoss die Baufrau die Wohnung. Dann zog ihr Sohn ein. Er betreibt hier nun sein Büro.

Der Standard, Sa., 2008.07.12

05. Juli 2008Isabella Marboe
Der Standard

Schmuckstück am Baggersee

Die Bauvorschriften waren streng und gaben sogar Dachform und Farbe vor. Katja Nagy baute daraufhin eine homogene Schmuckschatulle, die auf Ausblick und Wassernähe ausgerichtet ist.

Die Bauvorschriften waren streng und gaben sogar Dachform und Farbe vor. Katja Nagy baute daraufhin eine homogene Schmuckschatulle, die auf Ausblick und Wassernähe ausgerichtet ist.

Der Baggersee hat Geschichte. Vor fast vierzig Jahren wurde er angelegt, damals kaufte sich die Baufrau mit ihrem Gatten einen Grund. Die Ehe ging in Brüche, doch die Liebe zum See blieb. Später legte sie sich eine der letzten Parzellen zu und entschied sich mit ihrem jetzigen Mann fürs dauerhafte Wohnen am Wasser. Als Planerin ihres Hauses kam nur eine infrage: ihre Tochter Katja Nagy.

Aus den kargen Vorschriften der Bauordnung drechselte sie ein lichtdurchflutetes Haus mit einem praktischen Nebengebäude. Außen besticht der mattbraune Baukörper durch schlichte Eleganz. Innen erzeugen differenzierte Raumhöhen, vorstehende Bauteile und ein abgegrabener Keller ungeahnte Weite.

Mit 13 Meter Breite und 27 Meter Länge ist der Grund sehr klein. An einer steilen Böschung ruht dahinter - tief unten im Süden - der See. Die Bauflucht des Hauses musste sich nach den Nachbarn an der Straße richten, mehr als 45 Quadratmeter Grundfläche waren nicht drin. Außerdem war ein flaches Satteldach in Grau oder Braun gefordert. So kam das kleine, kompakte Haus zu seinem beigen Eternitplattenkleid, das es vom Scheitel bis zur Sohle in einen feinen Materialguss taucht.

Split-Levels schaffen Größe

Maximal 3,50 Meter Traufkantenhöhe waren erlaubt, dafür durften die Stiege, eine Gaupe und ein Erker aus dem Haus ragen. „Ich musste die Räume sehr kompakt organisieren, um mehr als ein Geschoß unterzubringen“, sagt Katja Nagy, „in diesem Haus gibt es viele Treppen und Niveaus. Von außen wirkt es klein, von innen riesig.“ Dank dem abgegrabenen Keller bietet das Haus nun mehrere Split-Levels, die einem komplexen Raumplan in bester Loos'scher Tradition folgen.

Der Grundwasserspiegel des Sees schwankt: Abgesenkt in einer Dichtbetonwanne, ruht der Keller in der Erde. Der Rest des Hauses ist aus Holzfertigteilen, wobei der Rohbau in nur drei Tagen stand. Unter der Dachgaube stülpt sich im Norden die Stiege aus der Wetterseite, windgeschützt drückt sich die dunkel verkleidete Eingangsnische in die Westwand. Zwar ist das Vorzimmer nur 2,10 Meter hoch, doch gleich dahinter steigt die Decke an. An der Nordwand führt eine einläufige Treppe auf die Arbeitsgalerie, von der man die ganze Wohnebene überblickt. In die massive Mauerscheibe des Stiegen- und Sanitärkerns sind Bücherregale und ein Kamin integriert, davor breitet sich der offene, verglaste Wohnbereich aus.

Fünf Stufen höher entschwebt der Essplatz im Sonnenerker scheinbar ins Freie. Doppelt gebrochen sieht man durch die Glasscheiben des Nebengebäudes auf den See. „Andere Leute haben eine Fototapete, doch hier ist alles echt“, schwärmt die Baufrau, „am meisten genieße ich es, mitten in der Natur zu sein. Ich muss nicht hinaus - ich hab sie im Haus.“

Im Untergeschoß ist es angenehm kühl. Hier legt sich die Schlafebene um ihre eigene, schattige Terrasse. Davor klettert der Rasen eine Böschung hinauf, die die kleine Nichte schon als Krabbelwiese für sich entdeckt hat. Zwei Streckstühle stehen im Schaufenster des Gästehauses, das auch Sauna und Geräteschuppen birgt. Dahinter führt eine steile Betonstiege durch die wilde Wiese direkt zum Wasser.

Der Standard, Sa., 2008.07.05



verknüpfte Bauwerke
Haus V

28. Juni 2008Isabella Marboe
Der Standard

Große Villa im kleinen Garten

Dem Kleingartenhaus von t-hoch-n Architektur sieht man die Kompaktheit auf den ersten Blick kaum an. Zur Beschattung ragt im Süden eine waghalsige Pergola aus dem Haus.

Dem Kleingartenhaus von t-hoch-n Architektur sieht man die Kompaktheit auf den ersten Blick kaum an. Zur Beschattung ragt im Süden eine waghalsige Pergola aus dem Haus.

Als die beiden Söhne flügge wurden, beschlossen die Eltern, die Wohnung dem Nachwuchs zu übergeben und sich im familieneigenen Kleingarten ein Haus nach Maß planen zu lassen. Die Wunschliste war ellenlang: Eine große, offene Wohnküche mit Terrasse stand da drauf, eine Wellnesszone, ein extern begehbares Büro und ein Gästezimmer mit Kochstelle und Sanitärbereich.

Erst wurden Kleingartenhaus-Spezialisten konsultiert, schließlich landete das Paar beim Wiener Architekturbüro t-hoch-n. „Das Raumprogramm war eine echte Herausforderung“, sagt Architekt Gerhard Binder, „wir mussten eine spezielle Lösung finden, um das alles unterzubringen.“ Die Parzelle ist nur 13 Meter breit und etwa 45 Meter lang. Vom Zugang im Süden steigt das Grundstück an. „Früher stand da ein kleines Knusperhäuschen. Dadurch hatte man kaum noch was von der Aussicht“, so der Architekt, „dabei sieht man von hier bis zu den Windrädern von Parndorf.“ Diesen Blick wollte man zelebrieren und mit den Besonderheiten des Ortes verbinden.

Mehr als 50 Quadratmeter Grundfläche durfte das Haus nicht auf den Hang bringen - so sieht es die Wiener Bauordnung für Kleingärten vor. Die Architekten entschieden sich dazu, einen Quader von 5 mal 10 Metern quer über den Garten zu legen. Die offene Wohnebene erstreckt sich mit raumhohen Glasschiebetüren nach Süden und auf die Terrasse ins Freie.

Das Geschoß darüber springt zurück. Wie eine Skulptur ragt im Süden eine riesige Pergola aus dem Haus. Sie dient als baulicher Sonnenschutz und ist teilweise mit Aluminiumlamellen verkleidet, die viel Schatten werfen. Um auch das Frühstücken im Freien angenehm schattig zu gestalten, ist im Osten ein großes Sonnensegel diagonal über die Terrasse gespannt.

Raffinierte Erschließung

Der Clou des Entwurfs liegt jedoch in der Erschließung, die nach allen Regeln der Kunst den Weg durchs Haus zelebriert. Das beginnt schon an der Grundgrenze. In der Mitte des Gartens führt eine Rampe zwischen der aufgeböschten Wiese direkt zum Eingang. Laut Bauordnung liegt er im Kellergeschoß, dem geheimen Raumreservoir, das von einem südseitigen Oberlichtband erhellt wird. Links ist das Gästezimmer, rechts das Büro, hinter einer Schiebewand aus weiß lasiertem Bambus versteckt sich die Garderobe.

In der Mitte des Hauses liegt ein offenes Atrium mit einer raffinierten Doppeltreppe, die Licht und Blick durchs ganze Haus schweifen lässt. Unten ergibt sich ein geschützter, lichtspendender Innenhof zwischen Gästezimmer und Büro, von dem man - durch die Stufen hindurch - bis hoch in den Himmel sehen kann. „Hier ist man mitten im Geschehen“, schwärmt der Bauherr, „diese Stiege ist ein wahrer Blickfang.“

U-förmig breitet sich eine Terrasse am Flachdach des Kellers aus. Vor dem Schlafzimmer entschwebt das weiße Sonnensegel übers Häusermeer. Beim Aufwachen wird das Paar regelmäßig von Eichhörnchen, Füchsen, Nattern und Vögeln im Garten begrüßt. Auch das Bad am Panoramaglas im Westen hat es in sich: „Von der Wanne aus kann man ganz Wien überblicken“, schwärmt der Bauherr, „ob bei Tag oder Nacht, das ist immer ein tolles Erlebnis.“

Der Standard, Sa., 2008.06.28



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Haus R.

21. Juni 2008Isabella Marboe
Der Standard

Stilvolle Krone für die Gründerzeit

Mitten im dicht verbauten Wien erstrahlt ein Gründerzeithaus im neuen Look. Die pool-Architekten setzten dem Bestand zwei Geschoße auf und verbanden das Alte und das Neue zu einer Einheit.

Mitten im dicht verbauten Wien erstrahlt ein Gründerzeithaus im neuen Look. Die pool-Architekten setzten dem Bestand zwei Geschoße auf und verbanden das Alte und das Neue zu einer Einheit.

Das Haus stammt aus dem Baujahr 1890, hatte nur zwei Geschoße und eine kaiserliche Adresse. Es liegt in der Kaiserstraße im hippen siebten Wiener Gemeindebezirk. Das Schönbrunnergelb war stark ergraut, der Laden im Erdgeschoß schon seit langer Zeit geschlossen. Das konnte nicht so bleiben. Der Bauträger Gewog legte daher die Sockelsanierung und den Dachausbau in die Hände der pool-Architekten.

Die Zugangssituation wurde verbessert, die behutsam entkernten und zusammengelegten Wohnungen wurden mit neuen Fenstern, Parkettböden und allerlei haustechnischem Komfort ausgestattet. Im neuen Dachaufbau wurden zudem elf neue Wohneinheiten geschaffen. Die gegeneinander versetzten Bauvolumen und Terrassen sorgen für Licht, Luft und Freiraum.

Das Haus liegt im dicht verbauten Stadtgebiet. Der Hauseingang, der früher in der Mitte der Straßenfassade lag, wurde an die nördliche Feuermauer verlegt. Durch ein dynamisch geknicktes, gläsernes Portal kann man nun von vorn bis hinten das ganze Haus durchschreiten. Frisches Blau an Wänden und Pfeilern und die vielen Rampen bilden einen spannenden Parcours, der bis ins Hinterhaus führt. Zwei Seitenflügel mit eigenen Stiegen umschließen einen sechs Meter schmalen Hof.

Nachdem das Kellerfundament verstärkt wurde, konnte das Abenteuer auf dem Dach beginnen. An der Feuermauer im Süden ist ein Hohlraum eingeschnitten, der als unsichtbare Lichtquelle alle Ebenen durchzieht. Dem Wohnraum im vierten Stock schenkt er eine exklusive, witterungsgeschützte Loggia, der Wohnung darüber eine Terrasse mit Blick zum Wilheminenberg. „Ich finde es sehr schön, dass man vom Balkon in die Kinderzimmer sehen kann“, sagt das Mädchen, das hier wohnt. Auf der Terrasse darunter übt ein Kind gerade Schnurspringen.

Aufbau aus einem Guss

„Wir wollten keine glatte Schachtel auf den Bestand setzen. Es sollte wie aus einem Guss wirken“, erklärt Architekt Axel Linemayr vom Büro pool. Als zeitgenössische Attika ragen die zwei aufgestockten Geschoße mit ihren leicht abgeschrägten Kanten über die Kaiserstraße. Sie tragen denselben elfenbeinfarbenen Putz wie der Bestand. „Die Fenster sollten möglichst groß sein, doch der Straßenraum ist sehr eng. Also mussten wir einen Weg finden, um den Sichtbezug zum Gegenüber zu filtern.“

Zwischen den schlanken, modernen Gesimskanten oben und unten sind die Fensterläden aufgefädelt. Wer sie öffnet oder schließt, gestaltet auf diese Weise das Stadtbild mit. „Wir verwenden diese Fensterläden täglich“, sagt Linemayr. Er ist selbst ins Haus gezogen und wohnt im vierten Stock.

Seine 2,70 Meter hohe Wohnküche ist durchgesteckt, geschlafen wird zur Straße. Vor der Glasfassade ist eine trichterförmige Loggia eingeschnitten. Die Decke darüber steigt zum Hof auf fast sechs Meter an. Der vife Architekturkenner hat es wohl schon erahnt: Der Plafond über der Loggia ist zugleich eine Treppe - über sie gelangt man auf die Terrasse der Wohnung darüber. Dort beginnt der zweistöckige Dachaufbau, der das Haus stilvoll krönt. Von all dieser angewandten Geometriekunst ist von unten jedoch kaum etwas zu sehen.

Der Standard, Sa., 2008.06.21



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kaiser - Um- und Aufbau Kaiserstraße

14. Juni 2008Isabella Marboe
Der Standard

Aus eins mach zwei mach fünf

Die Wohngegend ist teuer. Für den Bauträger Familienhilfe schuf der Wiener Architekt Otmar Hasler eine kompakte und komplexe Wohn-skulptur, die Platz für fünf Familien bietet.

Die Wohngegend ist teuer. Für den Bauträger Familienhilfe schuf der Wiener Architekt Otmar Hasler eine kompakte und komplexe Wohn-skulptur, die Platz für fünf Familien bietet.

Liesing ist ein sehr hybrides Stück Stadtlandschaft. Übergangslos treffen hier Einfamilienhäuser, Villen, soziale Wohnanlagen und Gewerbebauten aufeinander. Ein Aquädukt der Wiener Hochquellwasserleitung quert die Peripherie. Gleich dahinter beginnt Perchtoldsdorf mit seinen Weinbergen und Heurigen. Wer hier wohnt, der schätzt den Sprung ins Grüne.

Unmittelbar gegenüber vom Rodauner Friedhof hatte die gemeinnützige Bau- und Siedlungsgesellschaft Familienhilfe einen etwa 1000 Quadratmeter großen Grund gekauft. Die Bauordnung schreibt für diese Gegend Kleinhäuser vor, die bis zu 7,50 Meter hoch und maximal 200 Quadratmeter groß sein dürfen, wobei das Haus ein Viertel der Grundstücksfläche nicht übersteigen darf. Um die nötige Dichte für einen Wohnbau zu erreichen, unterteilte der Bauträger den Bauplatz in zwei Parzellen. Der Bauordnungstrick machte eine gekoppelte Bauweise bindend.

Architekt Otmar Hasler ließ zwei Kleinhäuser zu einem differenzierten Baukörper mit fünf Wohnungen und einem Büro zusammenwachsen. Das fertige Bauwerk ist eine Skulptur mit Vor- und Rücksprüngen, die gleichsam ihr Inneres nach außen stülpt. Nur an der offenen Doppelstiege in der Mitte des Hauses ist die Zweiteilung des Grundstücks noch zu spüren. Als Treppenlandschaft, die das Gebäude perforiert, zieht sie sich vom Erdgeschoß bis aufs Dach.

Im Norden zeigt das Niedrigenergiehaus den Nachbarn seine verputzte Hinterseite. An diesem schattigen Rücken liegt ein Großteil der Schlafzimmer. „Auf einer Fläche, die sonst für zwei reicht, wollte ich insgesamt fünf Familien das Gefühl geben, ihr eigenes Haus zu bewohnen“, sagt Hasler. Auf diese Weise könnten mehr Menschen von der Wohnqualität am Stadtrand profitieren.

Qualität dank freier Räume

Keine der fünf Wohnungen ist gleich. Raumhohe Glasflächen, eingeschnittene Balkone, vorspringende Erker und Terrassen von unterschiedlicher Tiefe reißen die Ecken auf und bilden vielfältige Freiräume aus. „Das wesentliche Thema für mich war, das geforderte Volumen möglichst durchlässig auf dem Grundstück zu verteilen“, so Hasler, „gehobene Wohnqualität bedeutet für mich, weite Räume zu erzeugen und viele Bezüge zwischen Innen und Außen zu schaffen.“ Die uneinsehbaren Freiräume versprühen zudem die Atmosphäre eines Einfamilienhauses.

Von den raumhoch verglasten Wohnräumen im Erdgeschoß gelangt man direkt auf die Terrasse. Dank Oberlichtbändern, eigenen Sanitärzonen und Nebenräumen lassen sich die Keller dieser ebenerdigen Einheiten wunderbar als Büros nutzen. Luftig und vornehm schweben darüber die zwei oberen Geschoße. Die schmalen, vorstehenden Balkonbänder bilden eine klare Zäsur zwischen unten und oben, wo man nah am Himmel wohnt.

Erschlossen werden die Wohnungen im ersten Stock. Hinter den Eingangstüren führt der Weg weiter aufwärts. Die gläsernen Ecken der Wohnräume öffnen sich zu Terrassen, die so tief sind, dass auch Tische darauf Platz haben. Von hier führt eine Treppe weiter auf die Dachterrasse, die von einem Meer aus feinem, schwarzem Lavagestein umgeben ist.

Der Standard, Sa., 2008.06.14



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Wohnhaus Leinmüllergasse

07. Juni 2008Isabella Marboe
Der Standard

Wohnskulptur mit Kanten

Das Grundstück war steil und schmal. Die syntax architekten stellten auf den grünen Sockel ein Holzhaus mit Wiedererkennungswert. Oberstes Prinzip waren Licht und Ausblick.

Das Grundstück war steil und schmal. Die syntax architekten stellten auf den grünen Sockel ein Holzhaus mit Wiedererkennungswert. Oberstes Prinzip waren Licht und Ausblick.

Die Bauherren haben viele Bekannte aus der Kunst- und Medienszene. Lange Zeit lebten sie in einem schönen Biedermeierhaus, aus dessen Wintergarten man weit in die Landschaft sah. Die Feste, die sie dort gaben, waren legendär. Als sie ihr Heim räumen mussten, war klar: Auch das neue Haus sollte sich sehen lassen können und eine Atmosphäre ähnlicher Qualität bieten.

Im hügeligen Weidling hatten sie ein Grundstück, das an einen Hohlweg erinnert. Unter dramatischen Steigungen erklimmt es den steilen Südhang. Der Bauherr bat drei Architekten um einen Entwurf. Die Planung wurde schließlich dem ortsansässigen Büro syntax-architektur anvertraut. „Wir fragen nie nach Zimmern, sondern immer nach Prioritäten“, erklärt Architektin Martina Barth-Sedelmayer, „je abstrakter die Antworten, desto besser für uns, weil wir dann freier entwerfen können.“

Maßgeschneiderte Großzügigkeit, Wohnen mit Ausblick, sinnvolle Geländemodellierung und der Erhalt von zwei Fichten standen auf der Liste der Bauherren ganz oben. Wert gelegt wurde außerdem auf eine klare Trennung von Arbeiten und Wohnen, wobei jedes Kind sein eigenes Zimmer und auch die Eltern ihr Refugium haben sollten.

Wie eine wohnliche Skulptur thront der zweigeschoßige Baukörper selbstbewusst am Hang. Um dem gedeckten Balkon und den großen Fenstern möglichst viel Sonne und Ausblick zuzuführen, sind die Fassaden an der Südseite schräg zugespitzt. Für klare räumliche Verhältnisse sorgt ein lichtes Atrium in der Mitte. Es teilt das Haus in zwei Hälften und bildet eine offene Kommunikationsplattform zwischen den innerfamiliären Territorien aus. Die Westseite des Erdgeschoßes gehört den Kindern. Eines von ihnen hat das Glück, mit exklusivem Waldblick zu wohnen. Die anderen beiden Kinderzimmer ragen an die Geländekante vor. Die Fenster blicken nach Süden.

Fassade mit Patinapotenzial

„Ich habe mir ein Holzhaus gewünscht, das im Laufe der Zeit eine Patina bekommt“, sagt die Baufrau. Wie an einer Klamm schreitet man die lärchenverkleidete Fassade entlang. Keck lugt rechts die schräge Wand des Elternbades vor. In der Tiefe des dunklen Hausecks ruht das Schlafzimmer, durch ein Fenster blinzelt zwischen den Bäumen die Morgensonne herein.

Schöne Lichtstimmung auch im Foyer: Durch einen fast haushohen Glasstreifen fallen Sonne, Himmel und Föhrenwipfel in den Raum. Wie eine Skulptur klettert die Treppe über die Garderobe und windet sich ums Atrium. „Das Licht von oben ist wunderbar“, schwärmt die Baufrau, „wenn es regnet, ist es besonders schön.“ Ein Hingucker ist jedenfalls die Brüstung im Stiegenhaus: Die massive Wand ist mit ovalen Löchern perforiert.

Rechts befindet sich das Arbeitszimmer - eine Oase des Wissens mit vollen Bücherregalen und Ausblick in den Garten. Ein Panoramaglas im Süden weitet die Sicht zum Wienerwald. Links erstreckt sich die Wohnküche über die ganze Hauslänge. Die zweizeilige Küche in der Mitte ist ein Magnet für alle. Das hohe Barelement, an dem man so bequem lehnen kann, bringt so manches Gespräch in Gang.

An der Glastür zur schattigen Terrasse steht der Esstisch. Und es ist wie früher: „Wir haben immer viele Menschen da und feiern gern Partys. Auch die Kinder bringen oft ihre Freunde mit.“

Der Standard, Sa., 2008.06.07



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Hanghaus Weidling

31. Mai 2008Isabella Marboe
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Ein Obdach mit keckem Dreh

„Wir geben Obdach“ lautet das Motto des Vereins NeunerHaus. Auf einem Eckgrund in Favoriten planten Karl Langer und Liane Liszt mit dem Bauträger GPA-WBV das erste neue Objekt mit 60 betreuten Wohnplätzen.

„Wir geben Obdach“ lautet das Motto des Vereins NeunerHaus. Auf einem Eckgrund in Favoriten planten Karl Langer und Liane Liszt mit dem Bauträger GPA-WBV das erste neue Objekt mit 60 betreuten Wohnplätzen.

Schulden, Scheidung, Arbeitslosigkeit. Viele Wege führen in prekäre Lebenslagen. Ständige Unterkünfte für Obdachlose sind in Wien sehr rar, einige Obdachsuchende kamen sogar schon in geriatrischen Stationen unter. Also beschloss der Fonds Soziales Wien, Wohnplätze für Bedürftige zu fördern - mit 20 Euro pro Tag, Bett und Nase. Diese Wohnform bietet ein Umfeld, in dem man möglichst selbstbestimmt leben kann. Man kann mit Haustieren einziehen, Partnerschaften pflegen und Besuch empfangen. Architektin Liane Liszt ist Mitglied im Verein. Gemeinsam mit Architekt Karl Langer suchte sie für ihr Projekt NeunerHaus einen Bauträger. Die GPA-WBV war bereit, es zu realisieren und hatte auch schon ein Grundstück parat.

Wien Favoriten: Rundum Lochfassaden, im Westen ein Gründerzeitblock, im Süden ein Wohnbau mit Geschäft und nebenan ein kleiner Park. Mit einem kecken Dreh schwingt sich der elegante Neubau über seinem metallenen Sockel ums Eck, ebenso schwungvoll wird die Lochfassade variiert. Vorwitzig tanzen leicht vorstehende französische Fenster in dunklen Metallrahmen über die weiß verputzten Wände.

Wer lang auf der Straße war, muss sich erst wieder ans Wohnen gewöhnen, in die Gemeinschaft integrieren und neue Perspektiven finden. Dabei werden die ehemaligen Obdachlosen von einem Betreuerteam unterstützt. Dessen Büro liegt gleich am Eingang, im runden Eck des Erdgeschoßes. Durchlässige Metallpaneele an der Fassade dienen als Sonnenschutz und sorgen für eine geschützte Arbeitsatmosphäre im Inneren. Wer jedoch lieber im Offenen arbeitet, kann die Lamellen wegschieben. „Eigentlich sind sie immer zu, denn die Architektur soll doch gut aussehen“, sagt Sozialarbeiterin Doris Savvidis, „alles in allem arbeite ich sehr gern da.“

Eigener Rückzugsraum

Wie ein innerer Hauptplatz breitet sich vor der Stiege ein großzügiges Foyer aus. Rot setzt im ganzen Haus vitale Akzente, beispielsweise im Stiegenhaus und an den Möbeln. „Was braucht es, um menschenwürdig zu leben?“, bringt Architekt Langer die Aufgabe auf den Punkt. „Uns war wichtig, dass jeder seine eigenen vier Wände hat und die Tür zusperren kann.“

Kostendruck und Raumbedarf waren sehr hoch. Um die Räume im Untergeschoß vollwertig nutzbar zu machen, wurde im Keller ein Atrium eingeschnitten. An der Glasfassade zum Hof liegt die Kantine, wo man günstig essen kann. Viele treffen sich da, spielen Karten und trinken Kaffee. „Mir gefällt es hier ausgezeichnet. Ich bin froh, dass ich nun meine Ruhe habe“, sagt Kurt aus dem dritten Stock.

Alle Einheiten sind nach Süden und Westen ausgerichtet und machen das Beste aus ihren knapp 20 Quadratmetern. Jede Mini-Wohnung hat Nasszelle, Eichenparkett, eine Kochzeile mit Essplatz und ein raumhohes Fenster. „Wir wollten den Kontakt nach außen verstärken“, so Langer, „man kann sich in die Fensternischen setzen und an der Straße entlang schauen.“ Noch deutlicher sagen es die Bewohner: „Das ist unser Haus. Wir haben ein echtes Wir-Gefühl.“

Der Standard, Sa., 2008.05.31



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Wohnheim für obdachlose SeniorInnen

24. Mai 2008Isabella Marboe
Der Standard

Halb und halb macht eins

Das Grundstück war eine topografische Herausforderung. Sacht wurde es von den Architekten Herzog und Hrabal modelliert und dann mit einem schlichten Haus aus Beton und roten Fassadenplatten bestückt.

Das Grundstück war eine topografische Herausforderung. Sacht wurde es von den Architekten Herzog und Hrabal modelliert und dann mit einem schlichten Haus aus Beton und roten Fassadenplatten bestückt.

Nachdem die Mutter in Krems ein Grundstück geerbt hatte, teilte sie es für ihre Söhne in drei Parzellen auf. Dem Bauherren fiel das Randstück am Eck zu, das früher ein Weinberg gewesen war. Er und seine Frau sind sehr architekturbegeistert - und wollten daher unbedingt ein modernes Haus. In einem Magazin stießen sie auf ein Haus der Architekten Herzog und Hrabal, dessen Materialität und Formensprache sie sofort überzeugte (siehe Projekt unten). Damit waren die richtigen Architekten gefunden.

Gewünscht war ein Winterquartier für die Gartenpflanzen, ein Zimmer für ihn, eine Praxis für sie sowie ein offener Wohnraum mit Kamin und Terrasse. Doch das Grundstück machte ihnen die Sache nicht einfach: Der Hang liegt exponiert, immer weht von Westen eine scharfe Brise. Im Norden und im Osten wiederum fällt es ab, und in der Mitte zieht sich ein Geländesprung durch den Garten.

„Das Grundstück war ein richtiger Dschungel“, erinnert sich Connie Herzog an den ersten Besuch vor Ort, „doch diese Herausforderung inspirierte uns. Wir wollten das Gelände ausnutzen und ein Haus entwickeln, in das man ebenerdig hinein, in dem man aber auch von jedem Raum ins Freie kann.“ Ganz klar musste sich das Haus nach Süden hin öffnen, wo sich das schillernde Band der Donau am Stift Göttweig vorbei durch die Landschaft schlängelt. „Das Panorama ist sensationell“, schwärmt die Architektin.

Der Zugang liegt im Obergeschoß. Weit ragt ein Flugdach aus Sichtbeton über den Carport. Damit Tageslicht und Sternenschein zum Eingang dringen können, sind darin rechteckige Öffnungen eingeschnitten. Die Tür befindet sich in der Mitte des zweiflügeligen Hauses, zwischen offenem Wohn- und introvertiertem Schlaftrakt.

Gewohnt wird im langen, dunkelrot verkleideten Bauteil, der über dem Kellersockel aus Sichtbeton die Hangkante entlanggleitet. Schon im Vorraum weitet sich ahnungsvoll der Blick übers Tal. Am Eingang liegt die Praxis der Baufrau. Von der überaus praktischen Küche neben dem Wohnbereich führen in der Mitte Stufen hinab zu einem lauschigen Platz an der Morgensonne.

Lieblingsplatz an der Sonne

Im Windschatten der vorspringenden Wand öffnet sich das Wohnzimmer mittels Panoramaglas in die Landschaft. „Der Eames-Chair am großen Fenster ist mein Lieblingsplatz“, sagt die Baufrau, „da kann man so schön über die Landschaft blicken.“ Noch näher ist man der Landschaft auf der Terrasse, die zwischen Wohn- und Schlafbereich eingeschnitten ist und die am Ende wie eine Abflugrampe über dem Gelände zu entschweben scheint.

Neben dem Wohnbereich setzt der Schlaftrakt aus Sichtbeton am Hang auf. Die Zimmer der Kinder liegen im Westen, von ihren Fenstern erhaschen sie einen Zipfel vom Kremstal. „Man sieht die Sonne untergehen“, sagt der Bauherr.

Hinter einer Tapetentür verbirgt sich geschickt die Treppe ins Untergeschoß. Hier liegt auch das Refugium des Bauherren. Es hat eine Mini-Loggia im Süden und direkten Zugang auf das Wiesenplateau, wo die Sandkiste der Kinder steht. Der Ausblick ist eine Inspiration fürs Arbeiten: Ungehindert wachsen auf der steilen Böschung dahinter die alten Obstbäume.

Der Standard, Sa., 2008.05.24



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Haus K.

17. Mai 2008Isabella Marboe
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Sag Ja zur Landschaft

Eigentlich hatte der Bauherr schon alle Pläne in der Tasche. Doch ein zweiter Blick schadet nie, dachte er, und so wurde aus der ersten Idee mit Hindernissen eine zweite Idee mit Landschaftsbezug, Stimmung und Flair.

Eigentlich hatte der Bauherr schon alle Pläne in der Tasche. Doch ein zweiter Blick schadet nie, dachte er, und so wurde aus der ersten Idee mit Hindernissen eine zweite Idee mit Landschaftsbezug, Stimmung und Flair.

Sonnig, verkehrsarm und am liebsten ohne Nachbarn - so lauteten die Forderungen des Bauherren. Er stammt aus der Baubranche und hatte es eilig mit seinem Haus. Schließlich war der Grund längst gefunden, auch einen fertigen Einreichplan hatte er bereits in der Tasche. Ein weiterer Expertenblick aber schadet nie, dachte er und wandte sich an Marion Wicher vom Büro yes architecture. Die kam, sah und siegte mit einem schlagenden Entwurfsargument. „Für mich war es nicht richtig, das Haus ins Eck zu stellen, da hat man weder den Freiraum, noch die geschützte Privatheit“, erläutert die Architektin, „ein Haus braucht ganz einfach genügend Grünfläche rundherum.“

Also setzte sie die Edelvariante eines Hofhauses in den Hang: Wie auf einem Tablett schwebt es auf der Kellerdecke über der Landschaft. Nach außen geschlossen, innen offen, fasst es L-förmig eine Terrasse mit Swimmingpool ein. Der Freiraum wird so zu einem integrativen Bestandteil des Hauses, die Nachbarn werden auf diese Weise komplett ausgeblendet. Damit war auch das letzte Wunschkriterium erfüllt. Kein Jahr später stand das Haus. „Wir zeichneten teilweise den Baggern hinterher“, erinnert sich die Architektin.

Das Haus liegt an einer Straße, die sich in Serpentinen den Hügel hochschlängelt. Hinter einer Böschungsmauer schiebt sich der Keller aus dem Hang. Er ist mit horizontalen Lärchenlatten verkleidet. In der Mitte liegt die Garage für drei Autos, daneben schält sich am Eingang die künftige Praxis der Baufrau aus der Fassade. Durch eine Glastür kann man während der Arbeit ins Freie treten.

Darüber schwebt die Wohnebene in weltgewandter Weitläufigkeit über den Hügel. Wie in einem Museum wird der Blick von diesem Hauswinkel gerahmt. An der Treppe im Norden fängt ein schmales Fenster das angrenzende Bauern-idyll ein, im Osten flutet die Morgensonne durch hohe Öffnungen den Essplatz und die zwei Küchen - eine für die dezente Entsorgung der Abwasch, die andere mit freistehendem Herdblock zum genussvollen Kochen.

Verschwimmen der Grenzen

„Die schönste Aussicht ist im Süden und Westen. Da hat man das ganze Panorama übers Tal“, sagt die Architektin, „wir wollten den Innenraum zum Außenraum machen.“ An schlanken, runden Stützen mäandern raumhohe Glasfassaden an den sonnigen Filetseiten die Terrasse entlang. An den Rändern der Terrasse scheint der Wasserspiegel des Pools nahtlos in den Horizont zu kippen.

Mit einer Steigerung der Höhen und Perspektiven wird im Westen die Raumfolge von Kochen übers Tafeln bis hin zum Wohnen zelebriert. Mit einer Schiebetür öffnet sich der Essplatz zur Terrasse. Als optische Zäsur hängt eine weiße Kaminwandscheibe von der Decke, hinter Glas lodert an kühlen Tagen ein Feuer. Eine Stufe tiefer liegt der 3,60 Meter hohe Wohnbereich mit Zugang ins Freie. Weit reicht hier der Panoramablick. Wie in einem Cockpit schwebt man da über die Landschaft, wie eine Skulptur rahmt ein Betonbalken den Blick aufs Pool. „Der Bügel hat nur einen Zweck. Er soll den Nachbarn verdecken“, gesteht Architektin Marion Wicher. Den erfüllt er mit hohem ästhetischen Mehrwert. Outdoot-Dusche und Abendlicht stecken außerdem da drin.

Der Standard, Sa., 2008.05.17



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Haus H

10. Mai 2008Isabella Marboe
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Sechs Häuser in 18 Meter Höhe

Die alte Bausubstanz war unregelmäßig und verwinkelt. Die Architekten kunath trenkwalder hatten folgende Idee: alten Raster ignorieren, neuen Raster schaffen und hoch über der Stadt einfamilienhausartige Maisonetten schaffen.

Die alte Bausubstanz war unregelmäßig und verwinkelt. Die Architekten kunath trenkwalder hatten folgende Idee: alten Raster ignorieren, neuen Raster schaffen und hoch über der Stadt einfamilienhausartige Maisonetten schaffen.

Das alte Haus aus dem Jahr 1859 hatte Charakter. Es liegt auf einer schmalen Parzelle, die 60 Meter weit nach hinten reicht. Der Stadt zeigt es eine klassische Schauseite, hinter dem Entree jedoch windet sich ein lang gezogener Bauteil die Feuermauer entlang.

Der Bauherr wollte nachhaltig in die Substanz investieren, das Dach ausbauen und die Lebensqualität im Haus heben. Das Architekturbüro kunath trenkwalder nahm das Objekt genau unter die Lupe. „Der Bestand sieht aus wie die Mustersiedlung eines Fensterherstellers aus dem 19. Jahrhundert“, sagt Architekt Martin Kunath, „alles ist schief, und die Trakte haben verschiedene Niveaus. Es war unser bisher schwierigstes Projekt.“

Was tun bei lauter schiefen Winkeln? Die Architekten verstärkten die oberste Bestandsdecke und erklärten sie kurzerhand zum Baugrund in 18 Meter Höhe. Dem alten Dach wurde eine neue modulare Ordnung aufgesetzt. Sie folgt einem strikten Raster von 1,25 Metern und bildet die Planungsgrundlage für sechs hochelegante Maisonette-Wohnungen aus einem Guss. Die Wohnungsgröße variiert zwischen 65 und 300 Quadratmetern.

Mit dem Bestandsbau hat das Dachgeschoß wenig zu tun. Einmal ragt die autonome Struktur kühn in den Hof, ein anderes Mal fluchtet sie dezent zurück. „Wir wollten die Maisonetten wie Reihenhäuser aufs Dach stellen“, so Kunath, „jede Wohnung sollte viel Ausblick, Licht und auf jeder Ebene eine Terrasse oder einen Balkon haben.“

Die Umsetzung dieser Idee bedurfte höchster Bauordnungs-Arithmetik. Das straßenseitige Volumen blieb unausgeschöpft, dafür wurde es der Fassadenabwicklung überm Hof zugeschlagen. Außerdem nutzte man alle erlaubten Gaupen und Erker und schlichtete die Kubatur so lange um, bis sich der Eindruck aufgesetzter Einzelhäuser ergab.

Gang mit Verweilqualität

Erschlossen werden die Wohnungen von einem Gang entlang der Feuermauer. Rosafarben getönte Oberlichten erhellen diese innere Straße, die vor den Türen Nischen bildet und wie ein kollektives Wohnzimmer tapeziert ist. Die Lichthöfe, die in die historische Bausubstanz eingeschnitten sind, wurden selbstverständlich auch im Dachgeschoß ausgespart und bereichern eine der Wohneinheiten um ein Innenatrium, an dem die Stiege hochgleitet.

Die Fenster sitzen als rahmenlose Öffnungen in der Wand und bringen die phänomenalen Ausblicke über Baumkronen, Karlskirche und Stephansdom voll zur Geltung. Praktische Wendeflügel und breite Ablageborde erhöhen den Genuss. Raumhohe Glastüren sorgen im ganzen Haus für einen fließenden Übergang auf Terrasse und Balkon.

Das Souterrain wurde übrigens zum Seminarzentrum Theresianumgasse ausgebaut, aus dem einstigen Parkplatz im Hof wurde eine grüne Oase für die Stadt, und den Geländesprung am Nordtrakt macht sich nun eine Sonnenterrasse zunutze. „Das ist unsere Plattform für die Allgemeinheit, unser Tanzboden und der Speakers' Corner“, sagt der Bauherr stolz.

Der Standard, Sa., 2008.05.10



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Dachaufbau Theresianumgasse

03. Mai 2008Isabella Marboe
Der Standard

Lamellen nach Lust und Laune

In einer Siedlung ist man vor Einblicken nicht gefeit. In Oberwaltersdorf steht seit kurzem ein Haus aus der Architekturfeder von g.o.y.a., das aufzeigt, wie's geht: Ein beweglicher Screen steuert Lichteinfall und Aussicht.

In einer Siedlung ist man vor Einblicken nicht gefeit. In Oberwaltersdorf steht seit kurzem ein Haus aus der Architekturfeder von g.o.y.a., das aufzeigt, wie's geht: Ein beweglicher Screen steuert Lichteinfall und Aussicht.

Gelbe Villen mit Giebel, rustikale Holzbalkons und Steildächer in Variationen. Viele Klischees aus dem Fertighauskatalog bündeln sich im niederösterreichischen Oberwaltersdorf zur ruhigen Siedlung. Hier besaßen die Bauherren die Hälfte eines Doppelhauses. Die traute Umgebung wollten sie nicht wechseln, die Wohnsituation sehr wohl. Die Kinder sollten nicht länger in kleinen Zimmern wohnen, auch Stauraum fehlte an allen Ecken und Enden. „Wir hatten ein winziges Vorzimmer, zu viert nach Hause zu kommen war bereits ein Drama“, erinnert sich die Baufrau.

Als in der Nähe ein Eckgrund verkauft wurde, packte man die Gelegenheit beim Schopf. Über Freunde gelangten die Bauherren zu Architekt Paul Preiss. Er komponierte der ganzen Familie ein vielschichtiges Haus nach Maß auf die Parzelle, das ganz ohne das für Oberwaltersdorf typische Satteldach auskam. Das war ausschlaggebend dafür, dass das Projekt den örtlichen Bauausschuss passieren musste. „Weil auch Tankstelle und Bahnhof flache Dächer haben, durften wir das Haus dann so bauen wie geplant.“ Mit diesem ersten Projekt gründete Paul Preiss die g.o.y.a. group of young architects.

Eine Sichtbetonscheibe markiert die Zufahrt. Fast Ton in Ton zeigen sich die Garage und die Rückflanke des Hauses dahinter grau verputzt. Aus einem großen, trichterförmigen Foyer gelangt man in die lichtdurchfluteten und luftigen Wohnräume. Wie ein Monitor scheinen im Obergeschoß die Schlafzimmer in die Landschaft zu kippen.

Im Westen des Grundstücks wurde eine Wasserader ausgependelt. Hier durfte kein Wohnraum anstreifen. Mit viel Respektabstand gleitet an besagter Stelle die Küche vorbei. Vom Wohnraum kann man schwellenlos auf die Terrasse im Garten treten. Mittels einer Glasschiebetür lässt sich der hintere Teil des Raumes zum Büro für den Bauherrn abzwacken. So hat er Ruhe beim Arbeiten, einen externen Zugang über die Terrasse und seine spielenden Kinder stets im Blick. Im Osten des Hauses, wo alle paar Stunden ein Bummelzug an den Weinbergen vorbeituckert, ist in den Boden ein Swimmingpool mit umlaufenden Holzlatten aus Bankirai eingelassen.

Entspannungsfaktor Licht

Freitragende Holztreppen führen zu den Schlafzimmern hoch. Das Stiegengeländer besteht aus eingespannten Stahlstäben. Ein trapezförmiges Oberlicht in der ansteigenden Decke lässt die Sonnenstrahlen über die leicht schwingende Treppe vom Himmel bis in den Keller fluten.

„Ich wollte vom Schlafzimmer aus unbedingt den Sonnenaufgang sehen“, sagt die Baufrau. Durch das Fenster am Kopfende des Betts kann sie nun miterleben, wie draußen die Morgenröte aufsteigt. Nebenan gibt es ein großes Elternbad mit runder Badewanne zum Entspannen.

Auch die beiden Kinder haben ihr eigenes Bad. Beidseitig zugänglich liegt es in der Mitte ihrer gleich großen Zimmer, deren Nurglasfronten nach Süden blicken. Vor den Fenstern liegt ein gedeckter Luftraum. Ein nach vorn kippender Screen aus Aluminiumlamellen dient dazu, je nach Sonnenstand die Position zu ändern und auf diese Weise den Lichteinfall zu steuern. „Wir hatten anfänglich etwas Angst wegen der vielen Glasflächen, aber jetzt sind wir ganz glücklich damit. Von innen sieht man alles, von draußen nichts. Genau, wie wir es wollten.“

Der Standard, Sa., 2008.05.03



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DK Einfamilienhaus

26. April 2008Isabella Marboe
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Operation am offenen Haus

Am Rand der Donauauen steht ein gestrandetes Schiff der Architekten Wolfgang Tschapeller und Wolfram Mehlem. Das bizarre Betonobjekt will vor allem eines: sich von den gängigen Bildern 08/15-Wohnens verabschieden.

Am Rand der Donauauen steht ein gestrandetes Schiff der Architekten Wolfgang Tschapeller und Wolfram Mehlem. Das bizarre Betonobjekt will vor allem eines: sich von den gängigen Bildern 08/15-Wohnens verabschieden.

Der Wiener Architekt Wolfgang Tschapeller arbeitet konsequent daran, Räume neu zu definieren. „Die normalen Parameter von Geschoßen und Wänden können kein immerwährend gültiges Prinzip sein“, sagt er. Für ihn ist Architektur eine Operation in einem sozialen Kontext. „Jedes Projekt entsteht aus der Auseinandersetzung mit den jeweiligen Gegebenheiten. Wir nehmen ein Volumen, drücken etwas hinein und richten es so, dass man sich darin aufhalten kann.“

Dem Bauherrn war klar: Sollte er für sich und seine Familie je ein Haus bauen, käme als Architekt nur Wolfgang Tschapeller infrage. Als sich am Rand des Naturschutzgebiets der Donauauen schließlich ein Grundstück fand, konnte das interaktive Raumexperiment beginnen. Der Fluss prägt Land und Häuser: Fast alle Gebäude hier stehen auf Stützen, um vor Hochwasser gewappnet zu sein. Diesem Beispiel sollte das eigene Haus folgen.

Die Familie wünschte sich einen großen, gemeinsamen Raum mit Kochzeile, Kamin und Terrasse. Zwei Jahre arbeiteten Wolfgang Tschapeller, Jesper Bork und Wolfram Mehlem im intensiven Dialog mit den Bauherren an Papier-, Styropor und Computermodellen. Das Resultat ist ein Betonbaukörper, der die gängigen Vorstellungen eines Einfamilienhauses sprengt.

Ausgangspunkt des Entwurfs ist ein mehr als 22 Meter langes, sechs Meter hohes und breites, rechteckiges Volumen, in das die kleineren Räume eingedrückt sind. Wie Membrane umhüllen fließende, schräge Wände diese frei geformten Individualbereiche, die als „Abdrücke der architektonischen Operation“, so Tschapeller, im offenen Wohnraum sichtbar werden und ihn auf diese Weise umformen.

„Das Verhältnis der Volumina zueinander war essenziell für die Qualität des Inneren. Es bildet eine Kulturtextur, die sich nach dem Nutzer richtet“, erklärt der Architekt und sinniert weiter: „Dieses Haus ist ständig im Dialog mit seiner Umgebung.“ Wie ein Schiff liegt der kantige Baukörper in der Au, wie ein Schlot ragt das Studio des Bauherrn über das flache Dach hinaus. Nur auf vier Stützen berührt das Betonobjekt die Erde. Darunter befindet sich die Keller-Ersatzbox und eine Parkmöglichkeit fürs Auto.

Wohnen in der Lichtung

Eine leichte Außentreppe führt an der Südseite zum Eingang, neben dem der gebirgige Wandrücken des Kinderzimmers ansteigt. Wie durch eine Schlucht schlüpft man unter die Decke des abgehängten Schlafraums auf die weite Wohnlichtung, die ganz in Weiß erstrahlt. Wie Kristalle ragen die Zimmer in das offene Innere und verwandeln es in eine bewohnbare Kunstlandschaft. Dahinter verbirgt sich ein polygonales Flächentragwerk aus Holz. Unauffällig verschwindet darin die Stauraumwand mitsamt Kamin. Als dreidimensionale Glaskörper stülpen sich die Fenster über der Küchenzeile aus der Südfassade, frei geformte Fenster durchbrechen die Betonschale und bieten in diversen Körperhaltungen vom Boden bis zur Decke ungeahnte Perspektiven. Mit einer sechs Meter hohen, windverstrebten Glasfront nach Westen scheint der Wohnraum mit dem auskragenden Balkon regelrecht ins Freie zu kippen.

Der Standard, Sa., 2008.04.26



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Haus in St. Andrä-Wördern

19. April 2008Isabella Marboe
Der Standard

Paprika vom Südhang

In Gaimberg plante das Architekturteam Steinklammer eine Wohnanlage, die raffiniert den Hang hinabfällt. Oben gibt es reichlich Lärchenholz, unten haben die Mieter indes ihre Beete bepflanzt - mit Chili und anderen Nachtschattengewächsen.

In Gaimberg plante das Architekturteam Steinklammer eine Wohnanlage, die raffiniert den Hang hinabfällt. Oben gibt es reichlich Lärchenholz, unten haben die Mieter indes ihre Beete bepflanzt - mit Chili und anderen Nachtschattengewächsen.

Vor den Toren von Lienz, mitten in den Osttiroler Bergen, liegt die kleine Ortschaft Gaimberg. 800 Menschen leben hier, die Atmosphäre ist zutiefst ländlich. Architekt Peter Jungmann baute vor einigen Jahren in sehr puristischer Weise das Gemeindeamt aus. In unmittelbarer Nähe, an einem steilen Südhang, plante das Architekturteam Steinklammer für die Gemeinnützige Hauptgenossenschaft des Siedlerbundes einen sozialen Wohnbau.

Die Anlage besteht aus zwei differenziert gestalteten Zeilen, die wie Kaskaden den Hang hinabgleiten und einen gemeinsamen Freiraum einfassen. Sie sind von offenen Stiegen durchbrochen und erwecken den Eindruck lose aneinandergereihter Einzelhäuser. Die unteren Ebenen sind weiß verputzt, das oberste Geschoß ist jeweils mit Lärchenschindeln verkleidet. Diese Fassadengestaltung, die Anleihen an der lokalen Bautradition nimmt, korrespondiert mit den umliegenden Bauernhöfen, Stadeln und Apfelbäumen und verleiht der Anlage ihren eigenen Charakter.

„Wir wollten die Zeilen nicht parallel zur Höhenschichtlinie staffeln, sondern zwei Baukörper schaffen, die nach Süden abfallen“, sagt Architekt Georg Steinklammer. So steht kein Haus dem anderen in der Sonne. 19 Wohnungen gibt es insgesamt, sechzehn davon haben Zimmer mit Südblick, alle mindestens einen Balkon. Zu den vier durchgesteckten, ebenen Einheiten im weißen Sockel führen Rampen. Diese Wohnungen haben einen kleinen Patio, ein Terrassenplateau und Küchen mit quer liegenden Fenstern zur Dorfstraße.

Zwischen den Häusern ragen rohe Betonstiegen auf den Gehsteig. Die Holzschalung prägte der Betonoberfläche ihre Maserung ein. Das ist nicht nur ästhetisch, sondern auch rutschfest. Sie führen zu den Split-Level-Wohnungen, die im ersten Stock beginnen und sich mit einem Niveausprung bis in den nächsten Hausabschnitt erstrecken. Zwei bis drei Zimmer gibt es in der unteren Ebene, vorm Sanitärblock in der Mitte schwingen sich Innentreppen über die offenen Außenstiegen hinweg zur großzügigen Wohnküche, die einige Treppen höher liegt.

Wohnen und Stiegensteigen

„Die Topografie des Grundstücks ist auch in den Wohnungen ein Thema“, sagt Architekt Steinklammer, „man geht draußen die Straße hinauf, dreht am Eingang um und steigt dann innen Richtung Talblick hoch.“ Und eine stolze Mieterin schwelgt: „Wir wollten Sonne haben - und davon gibt es hier genug.“ Hinter einer runden Stütze öffnet sich das gläsern aufgelöste Raumeck zu Licht und Ausblick. Davor liegt die Sonnenterrasse.

Auch der zweite Bauteil besteht aus vier Häusern, hat ebene Einheiten im Erdgeschoß und offene Stiegendurchgänge, die zu den Split-Levels führen. Erschlossen wird dieser Wohnriegel von einem lauschigen, abgetreppten Weg im Osten des Grundstücks. Den Freiraum in der Mitte der Wohnanlage gestaltete übrigens der Landschaftsplaner Gerald Altenweisl. Kirschbäume, Edelkastanien, Ziersträucher und Obst wachsen zwischen den Häusern. Es herrscht die Atmosphäre eines Dorfplatzes.

Am unteren Ende des Gartens ragt eine Gemeinschaftsterrasse mit Kinderspielplatz über die Tiefgarageneinfahrt. Am Rande des Grundstücks wurden Mieterbeete angelegt. Hier treffen sich alle. „Ich habe erstmals im Leben einen Garten“, sagt eine Mieterin, „es ist eine Riesenfreude, die eigenen Chili und Paprika zu ernten.“ Und auch einen Spitznamen gibt es: Die Leute sprechen bereits von der „Hochbeet-Siedlung“.

Der Standard, Sa., 2008.04.19

12. April 2008Isabella Marboe
Der Standard

Holzunterricht für die Ferien

Für die Steiermark entwickelte das Tiroler Büro HolzBox ein modulares Herbergssystem mit Wiedererkennungswert. Direkt an der Salza wurde das bestehende Jugendcamp um 30 Betten pädagogisch wertvoll erweitert.

Für die Steiermark entwickelte das Tiroler Büro HolzBox ein modulares Herbergssystem mit Wiedererkennungswert. Direkt an der Salza wurde das bestehende Jugendcamp um 30 Betten pädagogisch wertvoll erweitert.

Grüne Almen, schwarzes Kürbiskernöl und ein markiger Dialekt - landschaftlich, kulturell und kulinarisch hat die Steiermark einiges zu bieten. An günstigen Jugendherbergen aber herrschte bisher großer Mangel. Also schrieb das Land im Rahmen des EU-Förderprogramms „Leader+“ einen Wettbewerb für multifunktionale Camping-Module aus. Sie sollten aus steirischem Holz sein, sich dem Gelände anpassen und das touristische Image der Region nachhaltig verjüngen.

Das Innsbrucker Architekturbüro HolzBox überzeugte mit kompakt möblierten Modulen, die sich beliebig aneinander reihen, übereinander stapeln und in Wasser- oder Hanglagen aufständern lassen. Es gibt eigene Holzboxen für größere Gruppen sowie für Betreuer und Eltern. Jede Box ist zehn Meter tief und an beiden Schmalseiten verglast. Auf einer Seite befindet sich die Erschließung, auf der anderen die Schlafnische mit einer nebenliegenden Loggia. In der Mitte liegt die Sanitärbox.

In materieller Hinsicht zeigen die Module, was Holz alles kann. Die Decken und Wände sind aus massiver, verleimter Fichte - das ist nicht nur robust, sondern auch ökologisch nachhaltig, atmosphärisch warm und naturschön. Außen trotzt pures, sägeraues Schnittholz jedem Wetter. „Holz ist sehr vielseitig“, sagt Architekt Ferdinand Reiter, „im vorgefertigten Leichtbau kann man damit rasch und kostengünstig eine Tourismusinfrastruktur schaffen.“

So geschehen im Wildwasserzentrum der österreichischen Naturfreunde. Es liegt in den Wildalpen am Ufer der Salza, einem idealen Einsteigerfluss zum Raften und Kajakfahren. Von April bis Oktober schlagen bis zu 200 Menschen ihre Zelte und Wohnmobile am Campingplatz auf. Abenteuer und Natur gab es hier zu genüge, doch leider hatte das Wildwasserzentrum nur spärliche 24 Betten im Altbau an der Straße. Man brauchte dringend Platz für Schulen, Gruppen und Familien.

Westlich vom Bestand steht nun ein neues Camp der HolzBox. Es besteht aus fünf Apartment- und einem Gemeinschaftsmodul, die allesamt auf einer aufgeständerten Bodenplatte am Ufer entlang schweben. Diese Maßnahme schützt vor Hochwasser und schafft unter dem Camp einen gedeckten Freiraum, wo man grillen, Boote parken und bei Regen ungestört im Freien sitzen kann.

Holz bis in den Innenraum

Der Zugang liegt zwischen den Bäumen. Eine breite Treppe, die zugleich eine große Kommunikationsplattform ist, führt auf den Erschließungsflur im Westen. Auf den hohen Sitzstufen treffen sich alle. Darunter ist ein Lager, darüber liegt der Gemeinschaftsraum zwischen zwei Glasfronten. Tische und Stühle sowie eine Eckbank aus schwarzen MDF-Platten, die zugleich eine Lade ist, säumen die Längswand. Über dem Küchenblock hängen die Tassen vom Oberschrank herab. „An den Möbeln haben wir ganz schön getüftelt“, sagt der Architekt.

In den Schlafkojen stehen neben den Stockbetten hohe Kastenstelen mit Stauraum. Keck ragt die äußere Schlafstätte auf den Flur und schafft so dem Eingang eine Nische. Am Glas ist man hautnah am Geschehen, hinterm Lüftungsflügel kann man sich verstecken, wenn man will. Die Eltern und Erzieher schlafen mit Blick zum Fluss. Wenn nötig, lassen sich die ohnehin großen Betten durch Aufstocken noch verdoppeln. Dezent drückt sich die froschgrüne Sanitärbox mit Dusche und WC an die Wand. Frei steht der Tisch im Raum, durch den von morgens bis abends die Sonne strömt. Am Balkon ist das Rauschen des Wassers ganz nah.

Der Standard, Sa., 2008.04.12



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Camp Wildalpen

05. April 2008Isabella Marboe
Der Standard

Im Geiste der alten Siedler

Eine Wohnsiedlung aus der Zwischenkriegszeit: Wo vorn strenger Denkmalschutz herrscht, entfaltet eines der Häuser an seiner Rückseite ungeahntes Ausbaupotenzial. Sebastian Schmid verhalf der Architektur auf die Sprünge.

Eine Wohnsiedlung aus der Zwischenkriegszeit: Wo vorn strenger Denkmalschutz herrscht, entfaltet eines der Häuser an seiner Rückseite ungeahntes Ausbaupotenzial. Sebastian Schmid verhalf der Architektur auf die Sprünge.

Im Schatten des Kabelwerks, einem exemplarischen Wohnbau in Wien Meidling, liegt die Siedlung Hoffingergasse. Josef Frank und Erich Faber planten in der Zwischenkriegszeit die moderne Anlage, die damals neue Maßstäbe setzte. 284 Einfamilienhäuser mit Satteldach reihen sich hier aneinander, knapp 70 Quadratmeter Wohnfläche misst eine Einheit. Vergeben wurden die Domizile per Los, tausend Stunden baute jeder Siedler daran. Die Häuser liegen an sonnigen Gärten, die mit Schuppen, Stall und Futterkammer alles boten, was Selbstversorger brauchten.

Heute wird die Anlage von der Siedlungsgenossenschaft Altmannsdorf und Hetzendorf verwaltet. Bei Familien sind die Häuser mitsamt Garten heiß begehrt - umso mehr, seit die U-Bahn die Stadt und ihre Infrastruktur in greifbare Nähe rückte. Auf einem Eckgrund, der sich an einem stillen Weg knapp 60 Meter nach Südosten erstreckt, wurde ein Haus frei.

„Es war wirklich noch aus den Zwanziger Jahren“, sagt die Baufrau und zählt die Nachteile der alten Bauweise auf: „Der Holzboden lag direkt am gestampften Erdreich auf, die Wände waren feucht.“ Für ein Paar mit zwei Kindern war das abgewohnte Haus mit der schmalen Stiege, den winzigen Kammern und Fenstern zu finster und eng.

Bauen mit Denkmalschutz

„Es gibt keine Feuermauern und vom Nachbar hört man jedes Husten,“ sagt Sebastian Schmid, der den Umbau plante und sein Büro programmatisch exit-solutions nannte - weil Architektur immer einen Ausweg kenne. Der lag hier im Garten: Die Anlage steht unter Denkmalschutz, an der Straßenseite war daher nichts zu ändern. Sie wurde frisch verputzt, bekam originalgetreue grün-weiße Fenster und Sonnenkollektoren aufs Dach, die genügend Energie zur Warmwasseraufbereitung liefern.

„Im Innenraum waren uns viel Helligkeit und ein warmer Fußboden wichtig“, sagt der Bauherr, der alle Elektroinstallationen in Eigenregie verlegte. In bester Siedlermanier entrümpelte das Paar den Garten, riss alte Dämmungen und Böden heraus, verlegte das schöne Ahornparkett, zog neue Decken ein, montierte Gipskartonplatten und Lärchenlatten. Die Bilanz: „In diesem Haus stecken weit mehr als 1000 Arbeitsstunden.“

Neben dem Eingang wendelt sich eine leichte, selbsttragende Ahorntreppe um ein 5,60 Meter hohes Regal mit reichlich Stauraumpotenzial. Das Licht, das von oben einfällt, kann zwischen den einzelnen Stufen durchströmen. Auch die Holztramdecke ist neu. Ihre Balken laufen direkt auf den Stahlträger über dem großen Wanddurchbruch zu, der den Wohnraum zum Garten öffnet.

Vor dem Wohnbereich wurde ein Wintergarten mit Glasdach angebaut. Hier sitzt man direkt unterm Himmel an der Terrasse. Die Küche grenzt an den neuen Wirtschaftstrakt, der dem lärchenverkleideten Holzleichtbau darüber als weißer Sockel dient. An einem geräumigen Schrankraum befindet sich oben das Elternschlafzimmer, von dessen Fenster direkt aus dem Bett auf die Bäume im Garten sieht. „Wir wachen mit der Sonne auf und erleben das Licht ganz anders.“

Im Bestand gingen sich oben noch zwei gleich große Kinderzimmer aus. Eines hat sein Fenster überm Garten, das andere schaut auf die Straße, daneben ist das Bad. Durch ein eingeschnittenes Dreieck in der Stiegenwand kann man unters Dach lugen, wo Schrägverglasungen für reichlich Tageslicht sorgen. Ein weiterer Ausbau kündigt sich bereits an. Die Baufrau: „Ich liebe Dachräume, auf den freu ich mich schon.“

Der Standard, Sa., 2008.04.05



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Siedlungshaus Um- und Zubau

29. März 2008Isabella Marboe
Der Standard

Zweisamkeit leicht gemacht

Getrennt wohnen ist unpraktisch und teuer. Also beschloss man, die Zukunft in einem neuen Haus zu beschreiten. Aus dem knappen Budget schuf Architekt Harald Saiko viel Wohngefühl auf wenig Fläche.

Getrennt wohnen ist unpraktisch und teuer. Also beschloss man, die Zukunft in einem neuen Haus zu beschreiten. Aus dem knappen Budget schuf Architekt Harald Saiko viel Wohngefühl auf wenig Fläche.

Er läuft Marathon, fährt Motorrad und bastelt gern. Mit seinen über 4.500 Schallplatten lebte er lange Zeit in einer Wiener Wohnung. Sie hingegen ist sehr reiselustig, fotografiert viel und entspannt sich bei der Gartenarbeit. Mit Bildern und Büchern wohnte sie in Baden. „Das ewige Hin- und Herfahren war auf Dauer nichts“, sagt er. Zwei Mieten und zwei Wohnsitze seien zu viel für eine Beziehung. Und so fassten sich die beiden ein Herz und steckten ihr Geld in eine gemeinsame Bleibe.

„Ein Haus mit Garten war immer mein Traum“, sagt sie. Gewünscht war eines mit Offenheit und Ausblick, das genau auf ihrer beider Bedürfnisse nach Gemeinsamkeit und Rückzug zugeschnitten war. Zu groß durfte es nicht sein, denn das Budget war knapp. „Mehr Grundfläche bedeutet mehr Kosten“, sagt Architekt Harald Saiko, „wir mussten in diesem Fall viel Wohngefühl auf wenig Fläche erzeugen.“ Saiko ist ein vehementer Verfechter des Loftgedankens, der hier gewinnbringend zur Anwendung kam.

Verzicht auf den Keller

Der Grund ist keine 500 Quadratmeter groß, von fast quadratischem Zuschnitt und liegt an einer Sackgasse, die von sattelbedachten Fertighäusern gesäumt ist. Tattendorf liegt im Hochwassergebiet der Triesting. Die meisten Keller in dieser Gegend werden oft geflutet - neben den Kosten ein triftiger Grund mehr, darauf zu verzichten.

Stattdessen gleitet eine schnittige Box die östliche Grundgrenze entlang. Sie dient als Stauraum und Werkstatt. Hier kann der Bauherr basteln und frostsicher sein Motorrad parken. Leichtfüßig schwebt daneben das Haus auf einer Betonplatte etwa 30 Zentimeter über dem Gelände. „Bei Hochwasser kann man auf der Terrasse sitzen und hinunterschauen“, meint Saiko gelassen.

Die Betonplatte dient dem vorgefertigten Holzleichtbau als Speichermasse. Im Süden und Westen öffnen sich über Eck geführte Isolierglasfronten zum Garten hin. Sie lassen den offenen, langen Wohnraum scheinbar erst im Freien enden. Davon profitiert man auch in der kalten Jahreszeit: Wenn die Sonne scheint, muss man im Winter tagsüber nicht heizen. Weit kragt das Dach über die Terrasse aus, alle öffenbaren Fenster und geschlossenen Wandflächen sind rot gestrichen. „Das ist eine schöne und lebendige Farbe“, sagt die Baufrau, „hier in der Gegend sind wir das bunte Huhn.“

Auf den Vorraum wurde verzichtet, man ist also gleich im Wohnbereich. Links vom Eingang befindet sich die kompakte Küche mit Blick auf die Straße. Rechts strebt hinter der Schiebetür das lange, weiße Bad dem Schlafzimmer entgegen. Es liegt im Norden und mündet direkt ins Hoheitsgebiet des Bauherren. Nur eine Schiebetür trennt seine Welt vom naturnahen Wohnen an der Terrasse. Im gläsernen Eck liegt das sonnige Reich der Baufrau. „Wir haben zwei Lebensstile“, erklärt der Bauherr, „meine Partnerin liebt es offen, ich bin eher zurückgezogen.“ Im flexibel teilbaren, loftartigen Raum ist beides möglich.

Praktische Hausbaudetails zum Schluss: Das Haus hat ein graues Foliendach, das über die Außenwände gezogen ist. Das erspart die Regenrinne und lässt das Wasser einfach abgleiten und in der Erde versickern. Schließlich war den Bauherren die bloße Folienhaut dann doch zu nackt - sie kleideten ihr Haus mit Lärchenlatten neu ein. Auch Bad und Küche wurden in Eigenregie verfliest, der Parkettboden wurde verlegt, Wände wurden gestrichen. Sogar den Garten haben sie selbst angelegt. „Das macht Spaß und stärkt die Bindung.“

Der Standard, Sa., 2008.03.29



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Haus für Zwei

08. März 2008Isabella Marboe
Der Standard

Neues Leben für den Block

Ein Eckhaus aus der Gründerzeit gestaltete das Architekturbüro atelier 4 von Kopf bis Fuß um. Im Erdgeschoß ist die Wohnbaugesellschaft Neues Leben beheimatet, auf dem Dach wurden sieben neue Wohnungen geschaffen.

Ein Eckhaus aus der Gründerzeit gestaltete das Architekturbüro atelier 4 von Kopf bis Fuß um. Im Erdgeschoß ist die Wohnbaugesellschaft Neues Leben beheimatet, auf dem Dach wurden sieben neue Wohnungen geschaffen.

Ein Eckhaus aus der Gründerzeit mitten in Favoriten. Die hohe Decke des Parterres, die um sechs Stufen angehoben ist, zeugt von altehrwürdiger Geschichte. Um die Jahrhundertwende wurden hier Klaviere produziert, für den Transport war eine hohe Zufahrt in den Hof notwendig. 1970 kaufte die Genossenschaft Neues Leben die einstige Fabrik und richtete im Hochparterre ihr eigenes Büro ein.

Dort wurde es immer enger. Einige Abteilungen expandierten in den ersten Stock, was auch die interne Kommunikation ins Stocken brachte. Als man bereits ernsthaft einen Standortwechsel erwog, fand das Architekturbüro atelier 4 einen Weg, wie sich der Bestand adaptieren und auf einer Ebene um funktionale Büroflächen erweitern ließ. Sie hatten den angrenzenden Wohnbau geplant und wussten, dass entlang der nachbarlichen Feuermauer noch ein unbebauter Teil des Grundstücks brachlag, das mit Bauklasse I - das entspricht einer Bauhöhe von neun Metern - gewidmet war.

Wohnen und Arbeiten

„Im Städtebau wird immer eine Durchmischung von Arbeiten und Wohnen angestrebt“, sagt Architekt Peter Scheufler, „hier konnten wir dieser Forderung gerecht werden. Wir haben die Gemeinschaftsräume umstrukturiert und haben den dafür vorgesehen Pavillon gegen eine Büronutzung getauscht.“ Damit kam ein Stein ins Rollen, der die Mauer zu Fall brachte und einen umfassenden Erneuerungsprozess auslöste. Bei laufendem Betrieb wurde der Bestand in drei Abschnitten zu einem Referenzobjekt fürs Arbeiten und Wohnen in der Stadt ausgebaut.

„Wir haben nicht nur das Haus saniert, sondern den ganzen Block erneuert“, erklärt Scheufler, „das ist ein wichtiger Impuls für den Bezirk.“ Mittels einer Aufstockung konnten sieben neue Wohnungen geschaffen werden. Mehr als 720 Kilogramm pro Quadratmeter waren dem Bestand nicht zuzumuten. Der gesamte Dachaufbau besteht daher aus einem leichten Stahlskelett, ausgefacht mit vorgefertigten Holzbauteilen.

Ein ruhiges Fensterband rahmt die erste Ebene und lässt das zweite Dachgeschoß scheinbar über der weißen Gesimskante schweben. In diesem aluminiumverkleideten Baukörper liegen die Wohnküchen der durchgesteckten Maisonette-Wohnungen. Sie erstrecken sich von den hohen Fenstertüren am gedeckten Loggienband hoch über der Straße bis hin nach Norden, wo ein Traumblick über die Stadt geboten wird. Alle Zimmer haben Eichenparkett, viel Licht und hohe Fenster. Den harmonischen Übergang zum benachbarten Wohnbau schafft eine ebene Wohneinheit im Osten. Ihr Flachdach dient den darüber liegenden Maisonetten als Terrasse.

Nicht nur in lichten Höhen wurde saniert, auch auf der Straße sind bauliche Eingriffe deutlich zu erkennen. Außenliegende Sonnenschutzlamellen setzen im Sockelbereich ein erstes Signal. Als elegante Screens gleiten sie ums Eck. Hinter den Fenstern liegen die hellen Büros der Wohngenossenschaft - fast völlig zwischenwandfrei und nur mit halbhohen Regalen unterteilt. Gläserne Durchbrüche in der Mittelmauer lassen Licht und Kommunikation frei fließen.

Eine leichte Luftbrücke führt auf einer Ebene vom Empfang direkt in den neuen Büropavillon. Im Norden und im Süden öffnet er sich mit Nurglasfronten und Terrassen zum neu gestalteten Hof. Im zweiten Stock hat Karl-Heinz-Stadler, Geschäftsführer von Neues Leben, sein Büro: „Besonders angenehm ist der Spielplatz unten im Hof. Der belebt den Blick von der Arbeit enorm.“

Der Standard, Sa., 2008.03.08



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Büro Um- und Zubau, Aufstockung für Wohnungen

01. März 2008Isabella Marboe
Der Standard

Wohntribüne im Winkel

Das Grundstück war vorhanden. Andrea und Wolfgang Paschinger von p2 architektur setzten in den flachen Hang einen schlichten Wohnwinkel. Um dem elterlichen Haus nicht die Aussicht zu nehmen, duckt es sich in den Grund. Nur das letzte Stück entschwebt.

Das Grundstück war vorhanden. Andrea und Wolfgang Paschinger von p2 architektur setzten in den flachen Hang einen schlichten Wohnwinkel. Um dem elterlichen Haus nicht die Aussicht zu nehmen, duckt es sich in den Grund. Nur das letzte Stück entschwebt.

Der Bauherr ist ein leidenschaftlicher Surfer, seine Frau wollte unbedingt ein eigenes Studio im Haus. Lange lebten sie in einer gemeinsamen Dachwohnung in Wien, doch ihre Sehnsucht nach Natur wuchs fortwährend. Aus dem Traum vom Haus am Neusiedler See wurde nichts - die Baugründe waren einfach zu teuer. Glücklicherweise hatten die Eltern der Baufrau ein Grundstück gleich neben ihrem Haus. Günstiger geht's nicht, sie entschieden sich dafür.

Im Internet stieß das Paar auf ein sehr ansprechendes Holzhaus von Wolfgang und Andrea Paschinger, die zu zweit das Büro p² architektur leiten. Dort lagen die Bauherren goldrichtig. „Wir haben Spaß an der Zusammenarbeit mit anderen“, sagen die Architekten. Als Diplomarbeit hatte Wolfgang Paschinger massive Haustypen aus Kreuzlagenholz entwickelt. Auch in der Büropraxis setzen die beiden Architekten auf diese Bauweise. Der Baufrau kommt das gelegen: „Von Holz umgeben zu sein ist ein angenehmes Gefühl. Es behagt uns viel mehr als Ziegel.“

Geplant wird immer gemeinsam. „Unsere Entwürfe sind am besten, wenn wir beide unseren Senf dazu geben“, sagen die Architekten. Der Grund ist etwa 20 Meter breit, im Nordwesten liegt das Elternhaus, im Nordosten reicht die Aussicht bis zum Kogelberg - der sollte sich unbedingt auch innen blicken lassen. „Den Bauherren war wichtig, den Eltern am Grundstück nebenan nicht den Ausblick zu nehmen.“ In mehreren Studien testete man die Auswirkung diverser Baukörper auf deren Wintergarten aus. Mehr als ein Geschoß war daher nicht drin.

Das Budget war knapp. Gewünscht war ein Niedrigenergiehaus mit einem Keller und einem Arbeitsstudio für die Baufrau. Das traf sich gut, denn der Grund fällt über seine Gesamtlänge um 1,40 Meter ab. „Ganz eben konnte man das Haus ohnehin nicht hinstellen, man musste mit dem Hang arbeiten.“ Leichtfüßig gleitet es auf einem Streifenfundament den Garten entlang, wo es am Ende über dem Keller entschwebt. Im Eckfenster des Schlafzimmers zeigt sich bei Sonnenaufgang der Kogelberg in bestem Licht.

Terrasse als Puffer

Die Bodenplatte und alle tragenden Wände sind aus Kreuzlagenholz. Die Dämmung montierten die Bauherren selbst, anschließend wurde grau verputzt. Auch die Lattenroste des Carports stellten sie selbst auf. In der Nordwestflanke schlüpft man direkt zum Eingang. Hier liegen die Nebenräume, alle anderen Zimmer fassen winkelförmig den Garten ein. „Das Haus ist nach außen introvertiert und nach innen extrovertiert“, erklärt der Architekt. „Die Terrasse ist der Übergang. Je nach dem, wo man steht, gehört sie zum Freien oder zum Haus.“

Hinter einer schönen Fassade aus Glas und rauchgrauen, furnierten Max-Platten sind am Garten Wohn-, Kinder- und Schlafzimmer aufgefädelt. Unter dem ansteigenden Dach streben sie der Sonne entgegen. Weit ragt es über die Terrasse, die sich vom Pflanztrog am Schlafzimmer bis zu ihrem dicken Ende vor den Glastüren des Studios ergießt. Übrigens: Der offene Wohnraum umfasst auch die Küche. Oberschränke gibt es nicht, dafür rahmt ein Abstellbord die Fensterkante und hält so den Blick nach außen frei. Die Baufrau schwärmt: „Die Lichtspiele der Lamellen sind toll, vor allem am Vormittag. Im Winter reicht die Sonne bis ganz nach hinten.“

Der Standard, Sa., 2008.03.01



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Einfamilienhaus s/p

23. Februar 2008Isabella Marboe
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Der Sprung über die Norm

Auch im knappen Budget des sozialen Wohnbaus kann räumliche Großzügigkeit stecken. Die pool-Architekten realisierten ein Haus, in dem sogar die durchgesteckten Einheiten überm Wohnraum einen Freudensprung auf fast drei Meter machen.

Auch im knappen Budget des sozialen Wohnbaus kann räumliche Großzügigkeit stecken. Die pool-Architekten realisierten ein Haus, in dem sogar die durchgesteckten Einheiten überm Wohnraum einen Freudensprung auf fast drei Meter machen.

Der soziale Wohnbau ist ein hartes, erneuerungsresistentes Pflaster. Hier trifft die Verantwortung für die Lebensqualität der Mieter auf knappe Budgets und klar definierte Richtlinien der Wohnbauträger. Was zählt, ist die maximale Nutzfläche.

Anders bei den pool-Architekten: Wenn sie entwerfen, geht es ums Ganze. Schräge Rampen, Wände, Decken und Terrassenlandschaften prägen ihre Bauten, in denen sich das Innen mit dem Außen verschränkt. Ihrer Liebe zu Innovation blieben sie auch im sozialen Wohnbau treu - und so kam die Oberdorfstraße zu einem Haus, in dem die Loggien an der Fassade springen, weil es dahinter Räume von fast drei Meter Höhe gibt. So etwas ist im sozialen Wohnbau nicht alltäglich.

Wie war das möglich? Wirklich spannend wird es immer über der Traufkante. Denn das Volumen, das sich dort unter der vorgeschriebenen 45-Grad-Neigung einschreiben lässt, birgt für Architekten die meisten Gestaltungsmöglichkeiten. „Die Bauordnung stellt es frei, den Giebel zu drehen“, erläutert Axel Linemayr von pool. Dieser innovative Kunstgriff brachte auf dem langen, schmalen Eckgrund das wesentliche Mehr an nutzbarer Fläche.

Sonne in jedem Raum

Nun begann die Knochenarbeit: das zähe Ringen um die optimalen Grundrisse. „Wir sind beim Entwurf von den Wohnungen ausgegangen. Sie sollten nach Süden orientiert sein und kaum Zimmer aufweisen, die nur von Norden belichtet sind“, so Linemayr, „wir wollten daher möglichst viele Einheiten durchstecken.“ Um die Südsonne ungehindert bis zur stillen Hofseite strömen zu lassen, entschied sich pool für fließende Räume und für die kostengünstige Schottenbauweise.

Das war noch nicht alles. Die große Wohnungstiefe wollte man mit mehr Höhe kompensieren, und so wurde in bester Loos'scher Raumplan-Tradition ein komplexes System entwickelt, das unterschiedliche Raumhöhen miteinander kombiniert. In den Wohnküchen beträgt sie üppige 2,80 Meter, während sie in den einzelnen Zimmern die üblichen 2,50 Meter aufweist.

Auch viel Luft und Sonne braucht der Mensch. Also wurden vor die offenen, raumhoch verglasten Wohnräume im Süden Loggien aus Sichtbetonfertigteilen gehängt. Um den Mietern im geförderten Rahmen noch ein Stück Balkon zuzuschlagen, sind sie seitlich perforiert. So entstand ein 58 Meter langer Baukörper mit einem prägnanten Eck, der etliche raffinierte Höhensprünge macht. „Es war eine richtige Detailtüftelei“, geben die Architekten zu, „die Baufirma war stark gefordert.“

Um noch mehr Wohnraum zu gewinnen, wurden quer über die Nordseite einige Erker verstreut. So kam das Haus an der Kreuzung im Osten zu seinem urbanen Auftritt. Hier liegen das gelbe Foyer, ein Gemeinschaftsraum sowie die Einfahrt zur Tiefgarage. Dem Hof zeigt die Garageneinfahrt ihre leutselige Seite: Sie ist außen als Lattenrost gestaltet, einen Spielplatz gibt es auch.

Ganz oben fluchten zwei gestaffelte Dachgeschoße mit Terrassen himmelwärts. Sie schaffen im Süden viel Platz an der Sonne und treppen sich dann von sechs auf vier Geschoße hinab. Hier endet das Loos'sche Regiment. Dafür gibt es Maisonetten, deren gelbe Laubengänge auf der Nordseite für Abwechslung sorgen. Auf einer Höhe mit dem Nachbarn endet das Haus im Westen mit einer Gemeinschaftsterrasse am Dach.

Der Standard, Sa., 2008.02.23



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obdo - Wohnbau Oberdorfstraße

16. Februar 2008Isabella Marboe
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Schaukasten mit Perforation

Einer Baufrau mit vielen Sammlungen setzten die synn architekten ein Haus wie einen Maßanzug in den Garten. Wie Vitrinen rahmen tief vorstehende Fenster in verschiedenen Höhen den Blick. Fein gestanzte Fensterläden machen das Haus zu einem Kunstwerk.

Einer Baufrau mit vielen Sammlungen setzten die synn architekten ein Haus wie einen Maßanzug in den Garten. Wie Vitrinen rahmen tief vorstehende Fenster in verschiedenen Höhen den Blick. Fein gestanzte Fensterläden machen das Haus zu einem Kunstwerk.

Eine Ortschaft unweit von Bad Vöslau, eine Dorfstraße wie jede andere. Ein Wiener Paar aber hatte dort auf einem Grund sein privates Refugium gefunden. „Diesen Garten hat mein Mann ausgesucht. Wir waren fasziniert von seiner Größe und den alten Bäumen“, sagt die Baufrau, „es herrscht absolute Ruhe, man kann wunderbar spazieren gehen und ist trotzdem nahe der Stadt.“

Man setzte rare Pflanzen und schmiedete viele Pläne. Dann starb der Gatte und ließ die Frau mit dem Grund sowie mit seinen Sammlungen von Comic-Heften, Büchern, Glasobjekten und mehr allein zurück. Es galt, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und das Grundstück zu bebauen. Planen sollten es die synn architekten, die der Baufrau aufgrund des hohen Frauenanteils im Büro sehr vertrauenswürdig schienen.

Die Aufgabe war delikat, auch viele Pflanzen waren liebevoll gehegte Pretiosen und sollten weiter gedeihen dürfen. „Wir haben uns genau darauf geeinigt, was wir fällen dürfen“, erinnert sich Architektin Bettina Krauk an die Fact-Finding-Mission nach der richtigen Position des Hauses.

Rahmen aus Beton

Dieses steht nun im obersten Drittel des Gartens und dockt direkt am Nachbar an. Das Flachdach über der Garage wurde zur Terrasse mit Morgensonne. Mühelos erhebt die Farbe Silber den Maschendraht von der banalen Umzäunung in die Gefilde beiläufiger Eleganz. Hier kann man Straße und Garten überblicken und gelangt auf einer Außentreppe direkt auf die Wiese. Garage und Hauseingangstür werden von einem feinen Band aus Sichtbeton gerahmt. Dieser bildet ein gedecktes Entree und gibt dem klaren, weißen Bau einen skulpturalen Touch.

Die Küchenbar heißt alle willkommen. Hinter ihrer Kastenwand liegen Bad und Waschmaschine. „Ich wollte alle Grundbedürfnisse barrierefrei bewältigen und trockenen Fußes ums Haus gehen können“, erklärt die Baufrau. Vom Eingang über die Westseite bis hin zur Terrasse im Norden zieht sich ein Rost aus Lärchenlatten. Vier Fenstertüren führen vom offenen Wohnraum sowie aus dem Zimmer der betagten Mutter, die ebenfalls im Haus wohnt, direkt ins Freie.

„Die Glas- und Comic-Sammlungen waren ein großes Thema“, sagt die Architektin, „sie erforderten viele Lager- und Präsentationsflächen. Da kam uns die Idee mit dem Schaukasten.“ Um verschiedene Lichtverhältnisse zu schaffen, wurden die Fenster unterschiedlich hoch gesetzt - sie rücken die Objekte ins beste Licht. Besonders raffiniert ist das edle Design der Fensterläden. In die Metallelemente wurden horizontale Linien eingestanzt, die dem Haus seine unverwechselbare Erscheinung verleihen.

Eine Vitrine ins Grüne

An einem weißen, beidseitig bestückbaren Regal gleitet die Treppe hoch - ein Schaukasten über zwei Geschoße. Durch das Dachflächenfenster sieht man in den Himmel. Diagonal steigt das Pultdach bis zum Eck des Schlafzimmers an, wo sich das Fensterthema facettenreich auffächert. Wie eine Vitrine springt es aus der Wand, bietet ein weites Panorama und ausreichend Platz zum Sitzen. „Vom Bett habe ich eine wunderbare Sicht ins Freie. Morgens hier aufzuwachen ist der absolute Luxus“, schwärmt die Baufrau. Auch ihre Katze liegt gern im Erker in der Sonne.

Der Standard, Sa., 2008.02.16



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Haus [KO]mic

09. Februar 2008Isabella Marboe
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Wie Stamm und Krone

Auf ein kleines Grundstück in Wien-Donaustadt stellte Architekt Christoph Mayrhofer ein Haus, als sei es ein Baum. Im gläsernen Stamm zu ebener Erd wird gewohnt, in der ausladenden Baumkrone im Geschoß darüber gibt es die Schlafzimmer mitsamt Blick ins Geäst.

Auf ein kleines Grundstück in Wien-Donaustadt stellte Architekt Christoph Mayrhofer ein Haus, als sei es ein Baum. Im gläsernen Stamm zu ebener Erd wird gewohnt, in der ausladenden Baumkrone im Geschoß darüber gibt es die Schlafzimmer mitsamt Blick ins Geäst.

Donaustadt am Rande von Aspern. Die Straße sieht aus, als wäre sie eines schwülen Hundstages einem Film von Ulrich Seidl entstiegen. Wie vom Fließband reihen sich Fertigteilhäuser mit spitzen Giebeln aneinander. Plötzlich zweigt ein Zugang ab. Er führt zu einem schmalen Fahnengrundstück mit prächtigen alten Bäumen. Die Bauherren sind alteingesessene Donaustädter und träumten lange Zeit vom Leben im Grünen: „Wir wollten ein praktisches Niedrigenergiehaus, in dem man gut leben kann.“

Die Bauordnung erlaubte offene oder gekuppelte Bauweise. Den richtigen Platz zu finden war trotzdem schwierig, denn der Grund stand voller Bäume, war kaum 30 Meter lang und von Nachbarn rundum umgeben. „Dieser Garten war wie ein Walddickicht. Ein Haus zu bauen bedeutete in diesem Fall Kahlschlag“, sagt Architekt Christoph Mayrhofer, „doch ich wollte möglichst viele Bäume retten und den Charakter des Ortes auf alle Fälle wahren.“ Das hatte Konsequenzen: Um dem schönen Nussbaum im Eck nicht die Wurzeln abzugraben, verzichtete man auf den Keller.

Keller im Erdgeschoß

Stattdessen säumt ein langer Stauraum aus Sichtbeton die Rückseite des Hauses. „Als typische kellerfixierte Österreicher waren wir anfangs skeptisch“, erinnert sich die Baufrau, „im Nachhinein betrachtet hat es allerdings nur Vorteile, wenn man seinen Keller nebenan und nicht unten hat.“ Praktisch: Man müsse keine Stiegen steigen.

Das massive Betonrückgrat dient dem Haus als Speichermasse. Es nutzt den stabilen Grundwasserspiegel der Donaustadt als Energiequelle, indem es mittels Wasserpumpe, Wärmetauscher und kontrollierter Wohnraumbelüftung beheizt wird.

Wie ein Baum steht das Haus an der nordöstlichen Grundgrenze. Transparent umfließen 3,50 Meter hohe Scheiben den offenen Wohnraum, über dem wie eine laubgelbe Blätterkrone die intime Schlafebene auskragt. Sie besteht aus Stahlträgern, wurde mit gedämmten Holzfertigteilen ausgefacht und mit High-Pressure-Laminat-Platten verkleidet. „Im Herbst haben die Blätter die gleiche Farbe wie unser Haus“, sagt die Baufrau.

„Für die Qualität der Innenräume war eine klare Zonierung von halb öffentlichen und privaten Bereichen ganz maßgeblich. Beim Wohnen und Essen sollte man rundherum den Garten spüren“, so der Architekt.

Drei Marillenbäume, deren Früchte der Hausfarbe entgegenreifen, stehen in der Auslage des Wohnraums. Im Südosten gedeiht der Nussbaum prächtig. „Der Raum ist sehr hoch und so konzipiert, dass er sich optimal an die Sonne und an die Jahreszeit anpasst“, berichtet die Baufrau aus eigener Erfahrung. „Es ist ein echter Familienraum mit viel Licht und Luft. Obwohl die Kinder oft Freunde zu Besuch haben, die nach Lust und Laune herumtoben, wird es niemals eng.“ Über einem umlaufenden Oberlichtband scheint die Decke als Vordach in den Garten zu entschweben.

Vor dem umlaufenden Balkonband, das im Südwesten die Glasfronten der Schlafzimmer und Bäder säumt, falten sich die Fassadenplatten zu zarten, tiefen Lamellenschwertern auf. Sie schützen vor zu viel Sonne, wahren die Privatsphäre und gleiten in eleganten, horizontalen Bahnen ums Eck. Wenn man zwischen ihnen durchblickt, wähnt man sich den Baumkronen ganz nahe.

Der Standard, Sa., 2008.02.09



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Einfamilienhaus Appels

02. Februar 2008Isabella Marboe
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Wohnbuckel am Waldesrand

Ein Gasthof aus alten Tagen wurde umgebaut und dient nun dem Wohnen im Grünen. Zwischen Kastanien- und Ahornbäume setzten die syntax architekten zwei gegeneinander versetzte Baukörper. Die sanften Dachformen scheinen mit der Natur zu verschmelzen.

Ein Gasthof aus alten Tagen wurde umgebaut und dient nun dem Wohnen im Grünen. Zwischen Kastanien- und Ahornbäume setzten die syntax architekten zwei gegeneinander versetzte Baukörper. Die sanften Dachformen scheinen mit der Natur zu verschmelzen.

Einst bezeichnete man den alten Dorfgasthof als „Sacher vom Wienerwald“. Er hatte einen prächtigen Garten, eine nette Veranda und einen Schiffboden aus massivem Tannenholz. Unzählige Hochzeiten, Feste und Tanzveranstaltungen waren über ihn hinweggefegt. Ein plötzlicher Umbau setzte dem Gasthof zu und zerstörte das alte Flair. Wie das Leben so spielt, musste schließlich Konkurs angemeldet werden.

Die Baufrau - in Kindestagen begleitete sie oft ihre Großmutter, die im alten Dorfgasthof selbst noch am Herd stand - wollte sich einen Lebenstraum erfüllen. Gemeinsam mit ihrem Mann kaufte sie das Gehöft und beauftragte das Klosterneuburger Architekturbüro syntax mit einem Neubau, der neben der alten Bausubstanz entstehen sollte. „Wie man in einer Syntax aus Wörtern Sätze bildet, setzten wir verschiedene Bauteile zu einem Gebäude zusammen“, erklären die Architekten ihre Arbeitsweise. Die Raumproportion, die Orientierung zu Tageslicht und Sonne, die Topografie sowie die Lebensart der Nutzer seien nur einige wenige Aspekte des architektonischen Regelwerks, nach dem ein differenziertes Ganzes gebildet wird.

Satzbau aus Alt und Neu

Zu einem klaren Satzbau gehört, dass man mitunter auch einmal ein Satzglied entfernen muss. Als Erstes wurde daher ein Teil des Bestandstraktes abgerissen. Die große Geste weitete den Blick ins Grüne. Der geschichtsträchtige Gastraum mitsamt Originalmobiliar und Ofen - er blieb freilich bestehen - wurde zum Atelier adaptiert. Wie ein romantisches Stück Land-Art rahmt das alte Bruchsteinmauerwerk den dorfseitigen Vorgarten des neuen Arbeitsraumes.

„Wir wollten von der Natur so viel wie möglich nach innen holen und wollten das Haus so in den Garten stellen, dass kein Baum gefällt werden muss“, erklärt syntax. Daraus ergibt sich die Organisation in zwei unterschiedlichen Bauteilen. Der eine dient dem Wohnen, der andere dem Schlafen. Über weißen Außenwänden driften die Dachflächen wie Zwillingsgewölbe auseinander. Sie sind aus gedämmten Holzfertigteilen, mit Kupfer gedeckt und werden mit der Zeit wohl selbst wie ein Stück Landschaft wirken.

Wie Pavillons parken die beiden Neubautrakte zwischen dicht wuchernden Kastanien- und Ahornbäumen, wo auf diese Weise neuartige Freiräume ausgebildet werden. Im Osten gleitet der weit vorgezogene Dachbogen sogar bis zur Erde hinab. Eine wohl- gemeinte Geste gegenüber der Natur: Die Dachkante scheint die Bäume regelrecht zu umarmen und bildet so einen schattigen, intimen Freiraum aus. Wie vom Zufallsprinzip geleitet entwächst der Terrasse eine dreistämmige Linde.

Leitfarbe im Innern

Innen gibt es zwei Leitfarben, die sich konsequent durchs Haus ziehen. Das Schrankraumband vor den Arbeits-, Schlaf- und Badezimmern gibt sich in einem fröhlichen Gelb, die Farbe des Wohnens hingegen ist ein kräftiges Rot. Aus dem offenen Durchgang im Wohnzimmer ragt ein horizontales Mauerband mit integriertem Dunstabzug. Darunter steht, mitten im 4,80 Meter hohen Wohnraum, ein roter Herdblock. Fein gliedern Sichtbetonstützen den Blick durchs Panoramaglas, vor dem die Terrasse an Atelier und Biotop in der Abendsonne liegt. Sie tragen das Überlager, von dem sich die Holzdecke bergend über die Lesegalerie wölbt.

Der Standard, Sa., 2008.02.02



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Haus Hadersfeld

26. Januar 2008Isabella Marboe
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In der Mitte die Sonne

Je kleiner ein Haus, desto mehr zählt das Detail. Auf einem steilen Südhang über Wien planten die Architekten Thaler und Thaler ein raffiniertes Kleingartenhaus. Statt erwartungsgemäß eng zu sein, besticht es durch Großzügigkeit und Weite. Das liegt vor allem am vielen Tageslicht.

Je kleiner ein Haus, desto mehr zählt das Detail. Auf einem steilen Südhang über Wien planten die Architekten Thaler und Thaler ein raffiniertes Kleingartenhaus. Statt erwartungsgemäß eng zu sein, besticht es durch Großzügigkeit und Weite. Das liegt vor allem am vielen Tageslicht.

Der goldene Tipp kam vom Kellner. „Wir hatten die Wohnungssuche schon fast aufgegeben“, erinnert sich der Bauherr. „Als wir eines Tages nach dem Spaziergang im Schutzhaus einkehrten, fragte der Wirt, warum wir uns nicht einfach im Kleingartenverein Rosental anmelden.“ Gesagt, getan.

Auf der Parzelle am Satzberg funkte es gleich. Dem steilen Südhang liegt ganz Wien zu Füßen. „Von hier aus gibt es einen herrlichen Ausblick auf die Kirchenkuppel von Steinhof.“ Fehlte nur noch das Haus dazu. Es sollte aus Holz sein, außerdem wollte das Paar mit Kind seine 50 Quadratmeter bebaubare Fläche optimal nutzen und möglichst viel vom Ausblick bewahren.

Es begann die Suche nach dem richtigen Architekten: Sorgfältig durchforstete man das Internet und schrieb diverse Büros an. Bei Norbert und Ursina Thaler passte die Chemie auf Anhieb. Wer sagt, dass ein Holzhaus wie ein Holzhaus aussehen muss? Den Architekten schwebte ein kompakter Monolith aus Kratzputz vor. Aus wenig Fläche machten sie ein Maximum an Raum. „Die Aussicht ist so herrlich, da braucht man nicht viel Haus, sondern möglichst viel Transparenz“, sagen die beiden Thalers.

Gelbe Box im Raum

Der Plan glückte vortrefflich. Nun steht ein klares, klassisch modern anmutendes weißes Haus mit quadratischem Grundriss im Hang. Über dem Lichtschacht an der Nordseite des Hauses führt ein leichter Metallsteg zur weißen Eingangstür. Direkt unter der Decke ist die Fassade von einem langen Glasband aufgeschlitzt. Dahinter offenbart sich ein Luftraum, der sich bis ganz nach oben ausdehnt.

Die Stiege liegt im nordöstlichen Hauseck: Wie Äste ranken sich Stufen aus Eschenholz um die gelbe Servicebox, die in der Mitte des Raumes steht. Sie begrenzt das offene, haushohe Entree und versetzt dem puristisch weißen Raum mitsamt seinem anthrazitgrauen Kunstharzboden einen farbigen Akzent. Der Dreh- und Angelpunkt familiärer Geselligkeit liegt eine Stufe tiefer: Am Esstisch, der direkt vorm Panoramafenster steht, haben acht Personen Platz. Draußen auf der Terrasse rückt Wien dann noch ein Stückchen näher. „Wir laden oft Freunde zum Brunch. Die Kinder können frei herumlaufen, Platz gibt es genug.“

Nur eine weiße, tragende Holzwandscheibe trennt das Wohnen von der Küchenzeile. Das rahmende Glasband bietet eine unverwechselbare Perspektive. „Ich liebe den Blick auf diese zwei Fichten. Das gibt mir das Gefühl, mitten im Wald zu sein“, sagt der Bauherr. Morgens stellt er sich mit seiner Kamera am liebsten vors Fenster und fotografiert den Sonnenaufgang. Für ebenso schöne Abendstunden sorgt die Terrasse.

Einen Stock höher zeigt sich Wien aus der Vogelperspektive. Golden leuchtet die Kuppel von Steinhof durch das Südfenster. Sein Arbeitsplatz liegt direkt über der Stiege an der offenen Galerie. Die lange Westterrasse braucht der Bauherr zum Entspannen.

Zur Nacht ruht es sich bestens im Kellergeschoß. Der eingeschnittene Schacht bringt Helligkeit vors Bad, Kinder- und Elternschlafzimmer hingegen liegen vor hohen Fenstern am Kiesbett im Garten. Den Eltern spendet der Südbalkon im Geschoß darüber zusätzlich Schatten. „Zum Schlafen ist das ein Traum. Am schönsten ist es nach dem Regen: Da kriegen die Steine eine andere Farbe.“

Der Standard, Sa., 2008.01.26



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Haus KD

18. Januar 2008Isabella Marboe
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Cockpit mit Wien-Blick

Wien Grinzing: Blick über die Stadt, Garten neben dem Haus, ein Kleinod aus den Siebzigern. Um die Dachkubatur maximal auszunutzen, setzten die SHARE architects dem Altbestand eins auf. Das Resultat ist ein Haus mit fescher Haube.

Wien Grinzing: Blick über die Stadt, Garten neben dem Haus, ein Kleinod aus den Siebzigern. Um die Dachkubatur maximal auszunutzen, setzten die SHARE architects dem Altbestand eins auf. Das Resultat ist ein Haus mit fescher Haube.

Weinberge säumen den Horizont, aus dem dichten Dächermeer ragen die Türme der Pfarr- und Kaasgrabenkirche - die Hochlage in Wien Grinzing war ideal. Auch der Garten im Südwesten und das bestehende Haus aus den Siebziger Jahren gefiel den Bauherren auf Anhieb. Aus dem Wohnzimmer kann man direkt auf die Gartenterrasse treten, im Stock darüber sind genügend Zimmer für die Eltern und ihre drei Kinder aufgefädelt. Einziges Problem: Für konzentrierte Arbeit war kein Platz mehr. Da die Bauherren versierte Heimarbeiter sind und dringend zwei getrennte Räume benötigten, um sich ungestört in ihre Unterlagen vertiefen zu können, war ein Ausbau unvermeidlich.

Als möglicher Ruhepol bot sich das Dach an. Wenn schon umbauen, dann ordentlich: Vier Zimmer, Bad und WC sollten schon drin sein, schließlich waren eine Menge Akten, Bücher und Gäste unterzubringen. Auf Empfehlung von Freunden landete man bald bei den SHARE architects.

Gewissenhaft ging das Wiener Büro ans Werk. Zuerst wurde eine Studie erstellt, die deutlich machte, wie viel Nutzfläche in der zulässigen Dachkubatur steckte. Von der Tonne übers Satteldach bis hin zum Maximalausbau, der in einer kühnen Auskragung die Grenze zur Baufluchtlinie auslotete, standen einige Optionen offen.

Dach aus einem Guss

„Jedes Projekt ist ein Prototyp, das für die Bauherren ein Optimum an Größe, Komfort und Qualität herausschlägt“, sagen die Architekten, „das Tollste an der Lage sind die vielen Ausblicke, die man von hier oben hat. Von Anfang an war daher klar, dass wir das Panorama ins Haus holen müssen.“ Die neue Aufstockung sollte nicht wie ein Fremdkörper am Haus sitzen, sondern wie aus einem Guss erscheinen. Bis die endgültige Form gefunden war, wurden unzählige Modelle gebaut, Dachneigungen erprobt, Gaupen hochgeklappt, Fenster eingeschnitten, Terrassen eingekerbt. Das Endresultat ist ein abstrakter Monolith, der von einer dünnen Haut überzogen ist.

„Wir wollten kein beengendes Dachbodengefühl“, sagt die Baufrau, „zuerst dachten wir an ein Loft, doch dann siegte die Pragmatik: Wir brauchten getrennte Zimmer und funktionsfähige Arbeitsräume.“ In schwungvollem Bogen führt die neue Treppe vom Bestand aufs Dach. Die Stiege liegt unter einer Gaupe, die sich aus der vorbewitterten Blechhaut stülpt. Von hier reicht das Auge bis zum Kahlenberg, der breite Glasstreifen in der Seitenwand fängt die Wiener Skyline ein.

Die transparente Intention der Bauherren und Architekten ist dem Dachaufbau deutlich anzusehen. Mit einem imposanten Nurglaseck stülpt sich das Home-Office auf die offene Gangmitte. Unmittelbar vor dem Panoramaglas steht der Schreibtisch des Bauherrn. Über eine große Schiebetür kann man auf die Terrasse treten, die genau zwischen den Arbeitsterritorien von Mann und Frau liegt. Auf diese Weise kann man einander im Blickfeld behalten.

Im Bereich der Terrasse mussten die Architekten tricksen: Damit der Holzleichtbau über den Balkon im Südwesten auskragen und seine Schnauze der Sonne entgegenstrecken kann, musste die alte Decke mittels Stahlträgern verstärkt werden. Wie von einem Cockpit aus blickt die Baufrau über Grinzing: „Besser könnte es nicht sein.“

Der Standard, Fr., 2008.01.18



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Dachausbau „on top nr 2“

12. Januar 2008Isabella Marboe
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Schwarze Schönheit

Wie ein eckiger Erdklumpen steht das dunkle Haus inmitten eines beliebten Ausflugszieles am nördlichen Stadtrand von Linz. Vielversprechend: Die x architekten nennen das Haus Black Beauty. Unter einem schrägen Dach entfaltet sich das Leben im Gelände.

Wie ein eckiger Erdklumpen steht das dunkle Haus inmitten eines beliebten Ausflugszieles am nördlichen Stadtrand von Linz. Vielversprechend: Die x architekten nennen das Haus Black Beauty. Unter einem schrägen Dach entfaltet sich das Leben im Gelände.

Lufthungrige Stadtwanderer, Mountainbiker und Sonntagsfahrer tummeln sich am Wochenende auf dem Bachlberg im Norden von Linz. Die Parzelle der Bauherren liegt inmitten von beliebten Ausflugsrouten. An der Nordgrenze des Grundstücks führt ein Wanderweg steil zur nächsten Alm, an der fallenden Südkante gibt es eine Blickachse zur Uferpromenade in der City. Direkt dahinter beginnt der Wald.

Wie einen Erdklumpen hoben die x architekten den dynamisch zugespitzten Baukörper aus dem Grundstück und hüllten ihn in eine schwarze Fassade. Unter einem schrägen Dach, das der Geländeneigung folgt, gleitet es stromlinienförmig zur Terrasse hinab. Die durchgefärbten, glasfaserverstärkten Betonplatten wirken wie eine Haut, in die jemand mit dem Messer lange, auf- und absteigende Fensterbahnen eingeschnitten hat. „Die Schlitze sind bewusst gesetzt“, erklärt Architekt Birgmann, „um den Eindruck ausgetrockneter Erde zu verstärken, haben wir die Betonplatten umgedreht und die Rückseite nach außen gewandt.“

Ursprünglich waren die Architekten davon ausgegangen, dass die Betonplatten von Luft und Sonne nach einiger Zeit gebleicht würden, stattdessen dunkelten sie nach. Heute ist die einst anthrazitfarbene Fassade tonig schwarz. „Ich muss gestehen, anfangs waren wir vom Entwurf überrascht“, sagt die Baufrau, „inzwischen gefällt das Haus nicht nur uns, sondern auch den meisten, die vorbeigehen.“ Einige seien sogar der Meinung, es handle sich um das schönste Haus von Linz.

Haus folgt Gelände

Einblicke von Passanten und Radfahrern waren unerwünscht, Licht und Ausblick dafür hochwillkommen. „Wir entwickelten den Entwurf aus der Topografie des Ortes. Jedes Geschoß sollte ideal ans Gelände angebunden sein“, sagt Architekt Birgmann. Das stellte die übliche Reihenfolge des Öffentlichen und Privaten auf den Kopf. Dieses Haus entwickelt sich von oben nach unten: An der Straße liegt die Garage, vier Stufen tiefer durchsticht das Foyer mit der oberlichthellen Stiege die Hausmitte. Eine Glasscheibe im Boden sorgt für regen Blickkontakt zwischen den unterschiedlichen Wohnebenen.

Unten an der Gartenerde liegen die Schlafzimmer sowie das große Bad mit seinem hohen Wellnessfaktor - inklusive Terrasse, Morgensonne und Waldluft. Damit nicht jeder gleich hereinlinsen kann, windet sich ums exponierte Eck ein Zaun aus horizontalen Blechbahnen.

Gegen unerwünschte Einblicke haben sich die x Architekten noch mehr einfallen lassen. „Wir wollten nicht auf die Hausmauer vom Nachbarn schauen“, sagt die Baufrau. Und so wurden an die Nebenräume kurzerhand an die Nordseite verfrachtet. Von hier mäandert am dynamisch geführten Fensterband ein freigeformter Gang den Wohnraum entlang. Je nach Wohnzimmernutzung steigt die Glasfläche steil an oder neigt sich fast bis zum Boden.

Wo der Wohnraum auf die Terrasse übergeht, lassen sich ganze fünf Meter der Glasfassade per Schiebetür öffnen. Im Freien dann pure Entspannung mit akustischer Untermalung: Aus einem Schlitz in der schwarzen Wandscheibe fließt ein Wasserstrahl ins Becken. Den Architekten forderte dieses kleine Detail isolationstechnisch einiges ab. Doch der Aufwand lohnte: „Das ist das liebste Spielzeug der Kinder. Das müssen sie sofort allen Freundinnen zeigen.“

Der Standard, Sa., 2008.01.12



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black beauty Wohnhaus und Ordination

07. Dezember 2007Isabella Marboe
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In der Mitte ist das Licht

Für eine befreundete Familie plante das Architekturbüro polar ein Atriumhaus. Das ebenerdige Baukunstwerk schwebt auf einer aufgestelzten Bodenplatte federleicht über dem Hang. Und schon winkt der erste Preis: „Das beste Haus 2007“ in der Steiermark.

Für eine befreundete Familie plante das Architekturbüro polar ein Atriumhaus. Das ebenerdige Baukunstwerk schwebt auf einer aufgestelzten Bodenplatte federleicht über dem Hang. Und schon winkt der erste Preis: „Das beste Haus 2007“ in der Steiermark.

Bad Gleichenberg ist ein Dorf. Eisern hält sich im Ort das Gerücht, dass Architekten ein Vermögen kosten. Auch Familie J. fiel der öffentlichen Meinung anheim - und fuhr daher, ohne auch nur einen Moment zu zögern, in die Blaue Lagune, um dort am gebauten Objekt das Terrain des Leistbaren zu erkunden.

Man wurde fündig. Den befreundeten Architekten Siegfried Loos und Margot Fürtsch, die unter dem Namen polar firmieren, präsentierte Familie J. den häuslichen Fund und den eigenen Grund, um noch ein paar heiße Tipps zu ergattern. Die Architekten kamen und staunten: Das sonnige Grundstück, schön in einer Talmulde gelegen, erwies sich als leichte Hanglage. Mit dem Traum des Fertighauses aus der Blauen Lagune war es damit aus und vorbei.

Nun kam das Architekturbüro polar ins Spiel. Das Budget war klein, die Erwartungen an einen überzeugenden Entwurf waren dafür umso größer. Die Architekten gingen sehr umsichtig vor. In vielen Gesprächen loteten sie die Gewohnheiten jedes einzelnen aus. In einem Punkt waren sich alle zukünftigen Bewohner einig: Ein großes, gemeinsames Wohnzimmer musste her, alle Räume sollten ebenerdig auf einer Ebene angesiedelt werden. Den Blicken aller ausgesetzt zu sein? Da hatten die beiden Töchter Unbehagen. Feinsensorisch wurde ihnen diese Vorstellung genommen. Stattdessen reifte die Liebe zu guten Materialien und zu reichlichem Veränderungspotenzial heran.

In der Mitte ein Atrium

Die Essenz all dessen wurde schließlich in einen Entwurf gegossen: ein Atriumhaus, das auf einer aufgeständerten Bodenplatte federleicht über dem Gelände schwebt. In nur drei Tagen stand der Holzbau. Sorgfältig wurde er so ins Grundstück gesetzt, dass auch die flache Wintersonne in den verglasten Innenhof strömen kann. Feinakkordiert gruppieren sich sämtliche Räume um diesen Innenhof. Er ist der kontemplative Angelpunkt, um den das Wohnen kreist. Morgens bis abends scheint hier die Sonne. Gelegentlich kommt ein Haustier aus Nachbars Garten zu Besuch, schlüpft unter dem Haus hindurch und nimmt im sonnigen Atrium Platz.

Draußen vorm Haus. Am Eingang steht ein winterkahler Amba-Ahorn. Die Fassade aus graugrünen Eternitplatten bietet ihm einen passenden Hintergrund. An der Westseite drängt sich die Massivholzdecke des Innenraums nach außen und geht in ein Vordach über. Wind- und blickgeschützt kann man hier in der Abendsonne liegen und über Sitzstufen in den Garten hinausgehen. „Wir haben mit der Terrasse große Freude“, sagt die Baufrau, „bis Ende Oktober können wir unbedenklich draußen sitzen.“

Sichtbares Holz

Im Innenraum dominieren warme Farben und Materialien. Die sichtbare Massivholzdecke schafft atmosphärische Wärme. Dem Holz war man nicht abgeneigt. Statt über eine herkömmliche Treppe bewältigt man den Niveausprung zum lauschigen Platz am Feuer mittels eines massiven Holzblocks, der unbekümmert auf dem Boden liegt. „Ich liege oft auf dem Boden und genieße die Wärme“, sagt die Baufrau.

Einmal kam eine Kurgästin angetrippelt und deponierte ein Kuvert: Zwei Fotos vom Gebäude und liebe Grüße waren darin. Seit das Projekt mit dem Steiermark-Preis für „Das beste Haus 2007“ ausgezeichnet wurde, gibt es viele neugierige Besucher.

Der Standard, Fr., 2007.12.07



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Hang im Haus

01. Dezember 2007Isabella Marboe
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Wohnen im Lattenmantel

Im einem beschaulichen Kleingarten ist es nur ein kurzer Weg in den Garten - und ein ebenso kurzer Weg zu den Nachbarn. Aus diesem Grund hüllte Architekt Georg Marterer seinen Entwurf in ein Kleid aus Lärchenlatten. Praktisch: Die zweite Haut spendet Schatten.

Im einem beschaulichen Kleingarten ist es nur ein kurzer Weg in den Garten - und ein ebenso kurzer Weg zu den Nachbarn. Aus diesem Grund hüllte Architekt Georg Marterer seinen Entwurf in ein Kleid aus Lärchenlatten. Praktisch: Die zweite Haut spendet Schatten.

Die Kleingartensiedlung, die an den Neustifter Friedhof grenzt, ist ein versteckter, grüner Mikrokosmos am Stadtrand. Er animiert zum Wohnen und Spazieren. Als die Bauherren eines Tages durch ihre künftige Wohnumgebung schlenderten, stach ihnen ein zeitgenössisches, modernes Haus ins Auge - eine Seltenheit im Kleingartenland. Die Baufrau erinnert sich: „Wir haben das Grundstück betreten, der Hausherr hatte gerade die Bohrmaschine in der Hand und entpuppte sich als Architekt. Es hat uns beeindruckt, dass er nicht am Schreibtisch sitzt, sondern am eigenen Haus baut.“

Damit war die Zusammenarbeit mit Architekt Georg Marterer eingeleitet. Nur einen Steinwurf entfernt lag das tiefe Hanggrundstück der Bauherren, für das Marterer Pläne schmieden sollte. Hauptaugenmerk galt der Aussicht auf die Weinberge, die gegenüber in der Sonne lagen. Das Haus sollte warm und freundlich sein, etwas anderes als Holz kam für die Bauherren nicht in Frage. „Wir wollten Helligkeit, Transparenz und klare Strukturen, aber auch Bereiche mit größerer Intimität.“

Georg Marterer machte sich an die Arbeit - und entwarf einen Holzquader von etwa sechs mal acht Metern. Rundherum ist das Haus von einer mehrgeschoßigen Pergola aus Lärchenlatten umhüllt. Sie verleiht dem Gebäude seinen unverwechselbaren Charakter. Die vertikalen Lamellen bilden eine frei stehende Struktur, die sogar die Terrasse im obersten Stock überragt. Hier wird am Eck des Hauses mit wenig Materie ein turmhohes Zeichen in den Himmel gesetzt.

Doch die Pergola dient nicht nur der Ästhetik, sondern erweist sich auch als höchst funktionell. „Die Überhitzung ist bei Holzleichtbauten immer ein Problem“, erklärt Georg Marterer, „ich wollte das Haus daher mit einem Sonnenschutz umkleiden.“ Das ist Low-Tech mit hoher Effizienz. Einen Nebeneffekt hat das Ganze auch noch: „Man braucht keine Vorhänge“, sagt der Bauherr, „ich habe nie verstanden, warum sich die Leute Glasfassaden planen lassen und sie dann verhängen.“

Spiel mit Bauordnung

Besondere Freude bereitet dem Franzosen das französische Fenster im obersten Stock, das direkt an das Glasband anschließt und sich voll unerfüllter Sehnsucht ins Leere öffnet. Hinaustreten? Hier nicht. „Die Bauordnung erlaubt nur einen einzigen Balkon. Wir wussten anfangs nicht, ob wir oben im Freien die Sonne oder den Blick auf die Weinberge genießen wollen“, sagt die Baufrau. Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten eines kleinen Sonnenbalkons auf der Südrückseite des Hauses. Nun kann man vom Schlafzimmer aus hinaustreten und an der frischen Luft Sonne tanken.

Wichtig nahm der Architekt auch die Freiraumgestaltung: Die Terrasse an der Hinterseite ist teilweise gedeckt und versprüht eine lauschige Atmosphäre. An der vorderen Terrasse wiederum schaffen Böschungsmauern den Kindern eine ebene Spielfläche.

Schließlich ließ sich Georg Marterer eine Alternative zu den gängigen Lattenzäunen und Thujenhecken einfallen. Sein Vorschlag, den Gehweg im Norden als Gabionengitter auszubilden, stieß beim Stadtgartenamt auf wohlwollendes Einverständnis. In die steingefüllten Stahlkörbe ist sogar eine Sitzbank integriert, auf der sich Passanten eine kleine Spazierpause gönnen können - eine weltoffene Option im hübschen Kleingartenland.

Der Standard, Sa., 2007.12.01



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Kleingartenhaus

24. November 2007Isabella Marboe
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Im Dreiklang mit der Natur

Einem Musiker und seiner Familie schneiderte das Architekturbüro t-hoch-n ein skulpturales Haus nach Maß. Das Besondere: Von außen schimmert es im Sonnenlicht, von innen entfaltet sich das Wohninstrument zu einem Schaukasten der umliegenden Landschaft.

Einem Musiker und seiner Familie schneiderte das Architekturbüro t-hoch-n ein skulpturales Haus nach Maß. Das Besondere: Von außen schimmert es im Sonnenlicht, von innen entfaltet sich das Wohninstrument zu einem Schaukasten der umliegenden Landschaft.

Der Bauherr ist ein begnadeter Musiker. Zum Studium seiner Partituren braucht er absolute Konzentration, optimale Akustik und einen inspirativen Weitblick in die Landschaft. Davon gibt es rundherum mehr als genug. „Hier ist es so grün, wie wir es wahrscheinlich nie wieder finden werden“, sagt die Baufrau, „wir haben Ausblick auf Felder und nichts als Felder.“

Wie setzt man in eine derartig vollendete Landschaft ein derartig weltliches Objekt wie ein Einfamilienhaus? „Wir wussten nicht, wie unser Haus aussehen soll. Wir dachten einfach, wir lassen die Architekten werken.“ Einige konkrete Vorstellungen gab es dann aber doch: Das Haus sollte ein Refugium zum privaten Rückzug sein, solide aus Ziegeln gemauert, cremefarben und mit einem Hauch goldigen Schimmers.

Der ideale Baugrund fand sich am Ende einer Ortschaft im Wienerwald. Die Architekten von t-hoch-n betteten eine skulpturale Baukörperkomposition ins Gelände, die sich wie eine Raumpartitur in verschiedenen Sequenzen erschließen lässt. Metallische Pigmente im Putz lassen das Haus mit der Sonne erstrahlen. Um nicht allzu sehr aus der Reihe zu tanzen, gibt sich der Bau an der Straße zurückhaltend nieder.

Licht- und Formenspiel

Zwei verputzte Nebenraumboxen, die wie große Mauerpfeiler wirken, bilden den Auftakt zur schimmernden Wohn-Ouvertüre. Zwischen ihnen hindurch schreitet man auf einen gedeckten Vorplatz zu, hinter dem das Dach in formvollendeter Dramaturgie langsam ansteigt, um nach einer weiten, beschattenden Auskragung sacht über dem Musikzimmer auszuschwingen. Wie könnte es anders sein.

Auch der Innenraum ist meisterhaft durchkomponiert. Wie eine künstliche Kluft wirkt das Vorzimmer, das von einem Oberlicht in abstrakte Helligkeit getaucht wird und Besucher effektsteigernd ums Eck in den Wohnraum führt. Hier entfalten sich Architektur und Landschaft in voller Pracht: Am Panoramaglas bleibt man stehen und blickt über unberührte Äcker hinweg bis in den Süden.

Am Durchgang hinterm Esstisch, der stolze zwölf Personen fasst, liegt die zweizeilige Küche. „Das ist mein Reich“, erklärt die Baufrau, „ich wollte die Küche nicht ganz offen im Raum stehen haben.“ So hat sie einerseits Ruhe und behält andererseits die Kinder im Blick. Am Kamin mit der gemauerten Sitzbank beginnt der eigentliche Wohnbereich. Ein übers Eck verglaster Luftraum steigert das Wahrnehmungserlebnis um eine Höhendimension und holt den Himmel ins Haus.

Musik im Mittelpunkt

„Bei so einer Lage war es ganz klar: Wir wollten mit dem Raum großzügig umgehen und wollten den Ausblick bewusst zelebrieren“, sagt Architekt Gerhard Binder, „als Tribut an die Bauherren wurde das Musikzimmer als wichtigster Raum im Haus gehandhabt.“

Elegant ist der Übergang ins Musikzimmer gelöst - über eine metallbesaitete Innenstiege lässt es sich autonom erschließen. Wie ein akustisch abgetrennter Klangkörper scheint der Holzleichtbau der Landschaft entgegenzuschweben. Neben einem Flügel, dem Notenarchiv und der Bibliothek hat noch eine Handvoll Musiker Platz, um im häuslichen Rahmen zu proben. Vom Klavierhocker aus sieht der Bauherr, was ihm lieb ist: die Noten, die Tasten, die Familie, die Natur.

Der Standard, Sa., 2007.11.24



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Haus H.

17. November 2007Isabella Marboe
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Die Kunst ist der Raum

Gutes Wohnen will gelernt sein. Achtsam verwandelte das Architekturbüro Raumkunst den Rohdachboden eines Gründerzeithauses zu einer Oase aus edlen Materialien und über-raschenden Raumeindrücken. Das Rückgrat bildet eine Möbelskulptur aus Markassa-Holz.

Gutes Wohnen will gelernt sein. Achtsam verwandelte das Architekturbüro Raumkunst den Rohdachboden eines Gründerzeithauses zu einer Oase aus edlen Materialien und über-raschenden Raumeindrücken. Das Rückgrat bildet eine Möbelskulptur aus Markassa-Holz.

Was essen Sie gerne? Interessieren Sie sich für Mode? Und welche Musik hören Sie?" Auf Fragen dieser Art muss man bei einer Wohnberatung von Christine Diethör durchaus gefasst sein. „Die Leute wundern sich immer, weil ich Sachen wissen will, die nicht unmittelbar mit Architektur zu tun haben. Aber schließlich geht es beim Bauen nicht nur um Quadratmeter, sondern auch darum, wie man wohnt und lebt“, sagt die Architektin, die gemeinsam mit ihrem Partner Harld Fux das Büro Raumkunst betreibt.

Die Synthese aus Zahlen, Fakten und persönlichem Gespräch mit der zukünftigen Bauherrschaft ergibt das Nutzerprofil, das den Raumkünstlern als Planungsgrundlage dient. Und so antwortete eines Tages eine Baufrau schlicht und einfach: „Ich wohne gerne schön!“ - und schickte die Architekten prompt auf die Suche nach einem passenden Objekt.

In Wien-Penzing fand sich ein ausbaufähiger Rohdachboden, der sich leicht in zwei Einheiten unterteilen ließ - eine zum Bewohnen und eine zum Vermieten. Eine Komplikationen gab es auf dem Dach des Gründerzeithauses aber dennoch. Diethör: „Der Dachboden liegt in der Schutzzone, hatte nur 30 Grad Neigung und mehrere unverrückbare Kaminwände in der Mitte.“

Intelligente Möbel ...

Um einen offenen, durchlässigen Wohnraum zu erzeugen, mussten die Kamingruppen notgedrungen in die Gestaltung miteinbezogen werden. Die Not wurde hier zur raumkünstlerischen Tugend. Der Kamin ist mit einem Regal aus Markassa-Holz verkleidet und fügt sich auf diese Weise dezent in die freistehende Wohnküchenzeile. Es entsteht das, was Architekten so gerne als Raummöbel bezeichnen - eine Skulptur, die viele unterschiedliche Funktionen des Wohnens birgt. Vom Essplatz über den Herdblock bis hin zum Raumteiler und zur Garderobe sind hier sämtliche Stauräume und Möbel zur einer einheitlichen Großform zusammengefasst.

„Ich kleide mich gern in schlichter Eleganz und liebe einfache, gerade Linien“, sagt die Baufrau, „genau so wollte ich auch wohnen.“ Getrost konnten die Raumkunst-Architekten daher auf Materialreduktion und klare Formen setzen: helles Birkenholz am Boden, dunkles Markassa für alle raumbestimmenden Möbel, ja sogar der Waschtisch im Bad ist aus Markassa. Mit dem Kalkstein des Bodens und des Badewannensockels harmoniert das edle Holz besonders gut. „Jedes Objekt hat so etwas wie eine Seele“, sagen die Architekten, „es macht uns viel Spaß, eine bestehende Struktur in etwas noch Besseres zu verwandeln.“

... großes Raumwunder

Messerscharf über der Traufkante sind im großen Zimmer zwei übereinanderliegende Dachflächenfenster eingeschnitten. Sie wirken wie Lichtschlitze, durch die der Himmel in den Wohnbereich fällt. Doch das wahre Raumwunder beginnt darüber - unter einem derart flachen Dach wie hier zählt nämlich jeder Zentimeter. Vor der Kaminwand ist ein vollverglaster Liegeplatz mit Schiebetür eingeschnitten, der sich zur großzügigen Terrasse auswächst.

„Ich wusste gar nicht, dass der Blick da draußen so schön ist“, sagt die Baufrau, die von der Terrasse und vom Wintergarten aus exakt die Gloriette im Visier hat. „Oft bin ich schon mit Decken und Pölstern da draußen gesessen und habe ein Picknick gemacht.“

Der Standard, Sa., 2007.11.17



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Dachausbau F.

12. November 2007Isabella Marboe
Der Standard

„Es gibt so viele gleiche Gebäude“

Jean Novel zeigt als Festredner der ZV neue Perspektiven für die Architektur

Jean Novel zeigt als Festredner der ZV neue Perspektiven für die Architektur

Im Semperdepot feierte die Zentralvereinigung der Architekten Österreichs (ZV) ihren 100. Geburtstag, dazu gratulierte der französische Architekt Jean Nouvel mit einem Festvortrag. Gerfried Sperl (der Standard) moderierte mit der Verve seiner Architektur-Begeisterung, der Saal war voll, die Stimmung prächtig, Bundespräsident Heinz Fischer gratulierte per Videobotschaft, Bundesministerin Claudia Schmied war wirklich da und bekannte sich klar zur Baukultur.

Nach einer kurzen Doppelconférence mit Hans Hollein von Star zu Star und Turmbauer zu Turmbauer legte Nouvel dann los. Er plant den neuen Uniqa Tower gegenüber von Holleins Hochhaus am Donaukanal. Subtil zielte er seinen Vortrag in Richtung der geänderten Zukunftsvisionen dieses Turms. „Es gibt so viele gleiche Gebäude in der Welt. Die Schlüsselfrage der heutigen Architektur ist, an jedem Bauplatz mit der Geografie, Kultur und Geschichte des Ortes in Dialog zu treten“, betonte Nouvel. Mit diesem sehr kontextuellen Ansatz war es ihm kontinuierlich gelungen, sich nicht zu wiederholen und mit jedem Bau neue Maßstäbe zu setzen. Auch in Österreich. Schlüssig ließ er die Projekte, die er zeigte, aus Bildern ihrer Umgebung entsteigen und spannte so einen Bogen bis zum krönenden Finale.

1998 setzte er für die SEG einen hölzernen Wohnbau mit Rankgittergerüsten an die Leopoldauer Peripherie. An einem Friedhof in der Bregenzer Vorstadt plante er für die Interunfall ein Büro-und Wohnhaus, in dem eine raffinierte Fassade aus beweglichen Lamellen Licht-Schatten-Spiele erzeugt. Im Innenhof schafft ein Oberlicht Atmosphäre.

„Ich hatte Angst, dass es klaustrophobisch wird,“ bekennt Nouvel in Bezug auf seinen Bauteil in den Wiener Gasometern. Also entwickelte er eine reflektierende Fassade, die möglichst viel Licht in die Wohnungen bringt. Auch der Uniqa-Tower wird alles andere als eine banale Scheibe, sondern eine vertikale Screen, die vielschichtig den Blick auf Dom und Innenstadt feiert.

Stadtraumbereichernd fußt ihr Sockel mit grünen Innenhöfen auf Wiener Boden, darüber hebt lichtdurchlässig transparent die Nordfassade ab. Als eindrucksvoller gläserner Keil ist die Lobby eingeschnitten. Ihre Decke und die schwebende Untersicht des Panoramarestaurants wird Pipilotti Rist gestalten. 20 Prozent ihrer Kunst am Bau wird beweglich sein. Wieder neue Perspektiven für die Architektur.

Der Standard, Mo., 2007.11.12

10. November 2007Isabella Marboe
Der Standard

Großes Wohnen im kleinen Garten

Viel Haus auf wenig Raum: In einem schmalen und langen Kleingartenhaus am Stadtrand von Wien brachte Architekt Jakob Oberwalder ein umfangreiches Raumprogramm unter. Durch geschickte Absenkung des Gartens bekommen auch die Zimmer im Kellergeschoß noch Tageslicht.

Viel Haus auf wenig Raum: In einem schmalen und langen Kleingartenhaus am Stadtrand von Wien brachte Architekt Jakob Oberwalder ein umfangreiches Raumprogramm unter. Durch geschickte Absenkung des Gartens bekommen auch die Zimmer im Kellergeschoß noch Tageslicht.

Einen Kleingarten in Wien zu besitzen ist alles andere als billig - und er ist auch nicht leicht zu bekommen. Die schönen Parzellen sind rar und heiß begehrt. Umso glücklicher waren die Bauherren, als sie von dem durchaus leistbaren Grundstück am Flötzersteig erfuhren. Im Nu war das Land gekauft, fehlte also nur noch das richtige Haus. Zielstrebig machte man sich auf der Kleingartenmesse kundig und stieß dort auf Architekt Jakob Oberwalder, der einen feinen, roten Holzquader als Referenzobjekt vorweisen konnte (siehe Projekt rechts unten).

„Die Entscheidung war ganz einfach“, sagt der Bauherr, „er hatte einfach das schönste Haus ausgestellt.“ Auch preislich käme das Fertighaus aus Oberwalder'scher Feder nicht teurer als die Fertigteilhäuser von der Stange.

Die Bauordnung für Kleingartenhäuser ist streng und gesteht dem Bauherrn nur eine beschränkte Nutzfläche und Bauhöhe zu. Doch wie es sich für einen Traum gehört, gab die Wunschliste dem Architekten ein ordentliches Pensum auf: eine große, offene Wohnküche, zwei Bäder, ein Schlaf- und Kinderzimmer, ein Arbeitsraum, und genügend Platz für Gäste musste auch noch sein - keine leichte Aufgabe.

Leitmaterial Holz

Nur wenige Parzellen liegen zwischen dem stark befahrenen Flötzersteig und der Grundgrenze des neuen Zuhauses. Im Norden gibt sich das fast zehn Meter lange und fünf Meter breite Holzhaus bis auf einen hohen Fensterschlitz geschlossen. Ein Vordach markiert den Eingang mit der sonnengelben Tür. „Diese Tür hat Signalwirkung, sie ist nicht zu übersehen“, sagt der Bauherr stolz.

Das vorgerostete Cortenstahl, das sich die Bauherren ursprünglich gewünscht hatten, sprengte das Budget - dafür wurde der vorstehende Eingangsquader mit orangebraunen Okuméplatten verkleidet. Das tropische Holz findet sich auch zwischen den Glasfronten und im schattenspendenden Rahmen wieder, der in großer Geste das Gebäude umfasst.

Im Obergeschoß springt das Haus zurück. „Der vorgesetzte Rahmen kaschiert den Rücksprung und wirkt für die Südseite als baulicher Sonnenschutz“, erklärt der Architekt. Ganze drei Meter reckt sich die Holzterrasse der Abendsonne entgegen und schafft so dem Wohnen einen gedeckten Freiraum. Auf diese Weise kann das Wohnzimmer im Sommer über zwei Glastüren in die freie Natur verlängert werden.

Die an die Nordwand gedrängte Treppe und die Balkendecke aus verleimtem Brettschichtholz, die im Übrigen sichtbar belassen und nicht verkleidet wurde, lässt den Wohnraum höher wirken. „Die Decke ist weiß gestrichen, damit kein Almhüttenflair aufkommt“, sagt Oberwalder, „ich wollte einen offenen Eindruck erzeugen.“ Dieser Trick wirkt übrigens auch im Schlafgeschoß.

An der Ostseite griff der Architekt in die topografische Trickkiste: Vorm Keller sorgt ein großer Lichthof für taghelle Verhältnisse im unten angesiedelten Arbeitszimmer. Die Zukunftsaussichten auf den abgesenkten Garten, der im Sichtbetonschacht gedeihen soll, sind zwar nicht rosig, dafür aber grün. Daneben liegt eine Badeoase mit Saunaoption und einem eigenen Zugang ins Freie. Ein weiterer Lichtschacht auf der Nordseite erhellt das Gästezimmer. Ein Außenluft-Kompressor in der finsteren Kellermitte sorgt für Wärme zum Niedrigenergiestandard.

Der Standard, Sa., 2007.11.10



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Kleingartenhaus in Wien

03. November 2007Isabella Marboe
Der Standard

Leben auf der Sonnenseite

Am Nordrand von Salzburg realisierten die sps-architekten die innovative Passivhaus-Wohnanlage Samer Mösl. Durch geschickte Anordnung haben die durchgesteckten Wohnungen direktes Sonnenlicht auf beiden Seiten. Gebaut wurde nachhaltig mit Holz.

Am Nordrand von Salzburg realisierten die sps-architekten die innovative Passivhaus-Wohnanlage Samer Mösl. Durch geschickte Anordnung haben die durchgesteckten Wohnungen direktes Sonnenlicht auf beiden Seiten. Gebaut wurde nachhaltig mit Holz.

Die Wohnhausanlage Samer-Mösl sollte höchste Qualität erzielen. Also schrieb der Bauträger „Heimat Österreich“ für die innovative Passivhausanlage ein EU-weites zweistufiges Wettbewerbsverfahren aus. Das junge Büro sps-architekten legte sich mit einem reinen, dreistöckigen Holzbau die Latte sehr hoch, siegte prompt und wurde als Generalunternehmer beauftragt. „Wir planten ein Passivhaus ohne klassische Nord- und Südfassade“, erklärt Architekt Simon Speigner, „jede Wohnung hat Vor- und Nachmittagssonne, die Mieter im Erdgeschoß haben auf jeder Seite einen Garten, die Wohnungen darüber verfügen über Loggia und Balkon.“

Der Bauplatz liegt auf einer einstigen Müllhalde am nördlichen Stadtrand von Salzburg. Zwischen den drei lang gestreckten Gebäuderiegeln wurden Grünstreifen, Spielplätze und gekurvte Wege angelegt. Auf der einen Seite der Wohnanlage grenzt ein weites Feld an, auf der anderen Seite plätschert der Alterbach. Dahinter liegt das Landschaftsschutzgebiet des Moores.

„Wegen des weichen Untergrunds musste der Aushub fünf Meter in den Boden reichen“, erinnert sich Speigner, „wir fanden da unten Schilfsedimente, und der Geruch war übel.“ Davon ist heute nichts mehr zu spüren: Statisch gefestigt stehen die Wohnbauten heute auf einzelnen Pfählen, die bis zu zwölf Meter in die Erde ragen. Unter dem mittleren der drei Baukörper wurde in einer wasserdichten Wanne die Tiefgarage angelegt.

Die drei langen Häuser mit ihrer vorvergrauten Fichtenschalung machen sich gut in der Landschaft. Rundherum grünt und blüht das üppige Moor. Aufgrund der losen Bebauung haben die Wohnungen nur Sonnenseiten: Jede der 60 Einheiten ist durchgesteckt und öffnet sich mit raumhohen Fenstertüren nach Südosten und Nordwesten. Die Holzriegelwände sind hoch wärmegedämmt, die Decken sind massiv ausgeführt und bestehen aus Kreuzlagenholz. Und schließlich die Passivhaustechnologie: Sonnenkollektoren auf dem Flachdach speisen die Warmwasseraufbereitungsanlage an, Pelletsheizung und kontrollierte Wohnraumbe- und -entlüftung sorgen für höchsten Komfort bei niedrigsten Energiekosten.

„Die Qualität der Wohnanlage ist unvergleichbar hoch“, sagt eine Erdgeschoßbewohnerin, „die Wohnung ist gut aufgeteilt und außerordentlich hell.“ Die größte Überraschung allerdings war das viele Grün. Direkt vor den Wohnräumen liegt ein großer Vorgarten, der der Kontaktfreudigkeit der Bewohner durchaus entgegenkommt: „Wir haben uns immer schon mehr Kontakt zu den Nachbarn gewünscht. Nun laufen ständig Kinder vorbei und wollen unsere Haustiere streicheln.“

Gute Orientierung

Wie Stege ragen in den Obergeschoßen die Terrassen über den Garten hinaus und schaffen auf diese Weise jeder Wohnung einen gedeckten Freibereich. Zwischen den Terrassen sind die Stiegenhäuser situiert, in die durch Glasbausteine mildes Licht hineinfällt. Je zwei Wohnungen pro Geschoß werden von jedem Stiegenhaus erschlossen - eine gute Bezugsgröße für gelebte Nachbarschaft.

Zur besseren Orientierung gibt es einen Farbkodex: Die Trittstufen sind in unterschiedlichen Farben lackiert und wer genau hinschaut, der entdeckt die unterschiedlich farbigen Isolierfolien, die zwischen den grauen Holzlatten durchschimmern.

Der Standard, Sa., 2007.11.03



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Wohnanlage Samer Mösl

27. Oktober 2007Isabella Marboe
Der Standard

Abheben mit Flügelschlag

Auf dem Dach eines Wiener Fuhrwerkshauses zeigt Architekt Peter Liaunig vor, wie er sich Wohnen und Arbeiten in Alt und Neu vorstellt. Das neue Dachgeschoß ist ein expressives Spiel mit geometrischen Formen. Über einen Steg gelangt man auf einen Dachgarten.

Auf dem Dach eines Wiener Fuhrwerkshauses zeigt Architekt Peter Liaunig vor, wie er sich Wohnen und Arbeiten in Alt und Neu vorstellt. Das neue Dachgeschoß ist ein expressives Spiel mit geometrischen Formen. Über einen Steg gelangt man auf einen Dachgarten.

Architektur ist durch und durch eine statische Angelegenheit. Umso mehr träumen Architekten davon, sie zum Fliegen zu bringen. Ein solcher Träumer ist Architekt Peter Liaunig. In Wien Hernals fand sich ein Fuhrwerkshaus aus der Gründerzeit, das sich als Sockel für Liaunigs kühne Visionen bestens eignete. Der neue Dachaufbau scheint im Begriff, jeden Augenblick mit einem kräftigen Flügelschlag abzuheben.

Zur Straße gibt sich der Dachaufbau dezent und streng diszipliniert. Die Kastenfenster blieben, die bestehende Fassade wurde in einheitliches Weiß getaucht. Vorwitzig lugt darüber die Bibliotheksgalerie über das minimalistische Gesims. Der hofseitige Formenausbruch lässt sich von dieser Seite bestenfalls erahnen. Expressiv bricht das Dachgeschoß in vollverglaster Freiform über dem Garten aus. Von der edelstahlgedeckten Kugelkalotte überm offenen Raum bis zur Regenrinne am Schrägprofil ist jedes Detail der neuen Dachskulptur akribisch durchdacht. „Sanierung und Dachausbau eines solchen Hauses sind eine dreidimensionale Werbung“, sagt Liaunig, „da kann man zeigen, wozu man imstande ist.“

Ausgetüftelte Form

Doch alles der Reihe nach: Im Erdgeschoß des Bestands befindet sich die Modellbauwerkstatt, darüber macht sich ein imposanter Wohnraum mitsamt offenem Kamin breit. Begrüßt, bekocht und gegessen wird auf weißem Marmor mit Blick in den Hof. Eine wilde Glasfassade saugt das romantische Kleinod regelrecht ins Wohnzimmer rein. Die schräg geneigten Gläser scheinen dem Garten entgegenzukippen. Doch auch Architekten sind nur Menschen: „Ich musste sehr viele Modelle bauen, bis die Geometrie der Fassade endgültig feststand“, blickt Peter Liaunig zurück.

Wie ein Vogel mit geknickten Beinen landet die organische Raumskulptur aus Stahl und Glas mit zwei schräg gekanteten Betonscheiben auf der neuen Verbunddecke, die aus statischen Gründen nötig geworden war. Von hier aus geht es hoch ins Obergeschoß. Schwungvoll führt die Treppe aus Stahl und Glas auf die Galerie. Flügelgleich hebt von dieser skelettartigen Mitte die Kugelkalotte an. Bergend neigt sie sich mit einem schattenspendenden Vordach über das Kinderzimmer und den großen, hohen Wohnraum.

Direkt vor dem Wohnzimmer liegt eine kleine Terrasse. Wie von Geisterhand schwingt sich ein Steg aus Gitterrosten auf das Dach der alten Fabrikationshalle. Von der alpinen Distel über den japanischen Zwergahorn bis zu Wein, Äpfeln, Ribiseln und Erdbeeren gibt es nichts, was in diesem Dachgarten nicht gedeihen würde. Auch für dieses niedrige Hofgebäude fand sich eine Verwendung: In die vier Meter hohen Räumlichkeiten zog das Büro des Architekten. Der Weg in die Arbeit ist somit nicht weit.

Zeitintensive Planung

Bis zu acht Stunden war Peter Liaunig täglich auf der Baustelle. Viele Entscheidungen wurden erst vor Ort gefällt. Weil es kaum Wände gibt, musste das schlagfeste Glas höchsten Schallanforderungen gerecht werden. Auch die Dichtigkeit der schrägen Flächen war eine Herausforderung für sich. „Um all die Details zu ermöglichen, mussten die Handwerker zum Teil skulptural arbeiten“, sagt Liaunig. Doch der Aufwand lohnte sich: „Ich finde immer wieder neue Durchblicke, von denen ich überrascht bin.“

Der Standard, Sa., 2007.10.27



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Um- und Zubau eines Hauses in Wien 17

20. Oktober 2007Isabella Marboe
Der Standard

Schwereloser Lebensherbst

In Lienz steht eines der größten Pflegeheime Osttirols. Architekt Georg Steinklammer sanierte den Bestand und erweiterte das Heim um einen modernen Zubau. Wie ein organisch geformter Stein zieht der neue Trakt nun alle Blicke auf sich.

In Lienz steht eines der größten Pflegeheime Osttirols. Architekt Georg Steinklammer sanierte den Bestand und erweiterte das Heim um einen modernen Zubau. Wie ein organisch geformter Stein zieht der neue Trakt nun alle Blicke auf sich.

Hans Buchrainer war früher einmal Architekt. 1954 hatte er sein Büro gegründet und plante seitdem einen Teil des Innsbrucker Olympiadorfes, das Eisstadion und die alte Bergiselschanze. Zu seinen Projekten zählt auch das Lienzer Altersheim aus dem Jahre 1971. Bei seiner Eröffnung galt das Heim als Vorzeigeprojekt", sagt Franz Webhofer, Verwalter der Osttiroler Wohn- und Pflegeheime, „mit je einer Nasszelle pro Zimmer wurde ein Standard geboten wie noch nie zuvor“.

Heute ist das Pflegeheim, das 1986 um einen Bauteil erweitert wurde, in die Jahre gekommen - und mit ihm sein damaliger Architekt. Vor einiger Zeit zog Buchrainer mit Sack und Pack in sein eigenes Projekt ein und übergab das Büro an Georg Steinklammer. Schon hatte der ambitionierte Architekt einen großen Auftrag: Schrittweise sanierte er das Heim, dessen technischer Standard längst überholt war und dessen Infrastruktur nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprach. Die alte Küche war für den Bedarf an Essen auf Rädern nicht gerüstet, Zimmer und Bäder waren nicht behindertengerecht.

Sanierung in Schritten

„Die Planung nahm viel Zeit in Anspruch“, sagt Steinklammer. Zuerst wurden die Bäder adaptiert, später kam Farbe in Zimmer und Gänge. Der Abbruch des Personalhauses schließlich machte Platz für einen Neubau, in dem heute die Dementenstation untergebracht ist.

Wie ein Möbel schwebt der freigeformte, organische Baukörper mit seinen abgerundeten Kanten über einer transparenten Empfangshalle. Darunter knickt eine Stützmauer aus steingefüllten Gabionenkäfigen ums Eck. Die rotbraune Verkleidung der Fassade, die ein bisschen an Kirsch- und Birnenholz erinnert, korrespondiert mit der stillen Hinterseite, wo die Stadt noch von charismatischen, alten Bauernhäusern und Stadeln geprägt ist.

„Wir wollten dem Gebäude einen warmen, heimeligen Ton geben, damit es wie ein Möbel wirkt“, erklärt der Architekt. Hier befindet sich auch die Zulieferung zur neuen Küche, zur Wäscherei und zum Speiseraum des Personals. Er liegt am eingeschnittenen Lichthof im Keller des einstigen Personalhauses.

Rein ins Haus. Als offenes Raumkontinuum zieht sich das Foyer mit seinem grauen Terrazzo und den sonnengelben Sitzgelegenheiten bis zum neuen Speisesaal vor. Hell und warm fällt das Sonnenlicht durch die Glasfront im Osten und Süden. „Dieser Raum ist wie ein Schaufenster und öffnet das Heim zur Stadt“, sagt Georg Steinklammer, „auf den langen Bänken entlang der Wand sitzen die Leute wie am Dorfplatz.“

Barrierefrei und freundlich geht es auch in den Schlaftrakten zu. Gangseitig sind die Zimmer mit holzfurnierten Platten verkleidet und bieten den betagten Menschen einen Handlauf, der die Fortbewegung erleichtern soll. Kleine Nischen regen zum Rasten und Plaudern an.

Hinter einer Glaswand liegt der Gemeinschaftsraum mitsamt offener Schauküche, roten Lederbänken, Spielzeugregalen und Kartenspieltischen. Hier können sich die Bewohner wie im Wohnzimmer zusammenfinden und in Gesprächen und Gesellschaftsspielen versinken. Im Hintergrund ragen die Lienzer Dolomiten empor. „Durchschnittlich sind unsere Bewohner 85 Jahre alt“, sagt Franz Webhofer, „wir wollten ihnen ein möglichst angenehmes und stressfreies Umfeld schaffen.“

Der Standard, Sa., 2007.10.20

13. Oktober 2007Isabella Marboe
Der Standard

Der Sonne hinterher

Zwischen Klosterneuburger Luxusvillen setzte Architekt Jürgen Radatz einen weiß verputzten Neubau. Innen und außen besticht das Haus durch die Eleganz der klassischen Moderne. Die Fenster sind so angeordnet, dass man die Sonne niemals aus den Augen verliert.

Zwischen Klosterneuburger Luxusvillen setzte Architekt Jürgen Radatz einen weiß verputzten Neubau. Innen und außen besticht das Haus durch die Eleganz der klassischen Moderne. Die Fenster sind so angeordnet, dass man die Sonne niemals aus den Augen verliert.

„Wo geht die Sonne auf?“ Das ist das Erste, was sich Architekt Jürgen Radatz fragt, wenn er auf potenziellem Bauland steht. Viele Grundstücke hatte er mit den Bauherren bereits besichtigt. „Wir dachten schon, wir finden gar nichts mehr“, blickt die Baufrau zurück. Doch dann kam der entscheidende Tag. Auf dem Hanggrund in Klosterneuburg wusste sie im ersten Augenblick: Das ist es.

Hübsche Villen mit Mansardendach lauern hinter hohen Mauern und prägen die Gegend. Die Atmosphäre gefiel auf Anhieb. Die uralte Villa aber, die hier stand, kam für sie nicht infrage. „Wir wollten ein modernes Haus mit kubischen Formen, das zur Straße geschlossen und zum Garten offen ist.“ Man lechzte nach Architektur, diesmal wurde was aus dem Neubau.

„Meine erste Idee war ein Gartenmauersockel, auf dem dann das Haus steht“, sagt Radatz, „wichtig war auch das richtige Eingehen auf die umliegenden Villen. Das Haus sollte zwar einen modernen Kontrapunkt bieten, gleichzeitig aber musste es sich hinsichtlich Maßstab und Materialität der Umgebung fügen.“

Stille hinter Mauern

Eine Stützmauer aus Sichtbeton schirmt nun das Haus von der Außenwelt ab. Sie schützt nicht nur den Hang vorm Abrutschen, sondern bildet einen ruppigen Kontrast zu dem weiß verputzten Wänden des Hauses - verschalt wurde sie nämlich mit sägerauen Holzbrettern. Längst ist die Betonmauer mit Gräsern und Schilf bewachsen und ist ein integrativer Bestand-teil der Gartenlandschaft. Viele Beete mit süßen Beeren setzten die Grünraumplaner stalzer lutz zwischen Kirschlorbeer und Lavendel. Unmerklich geht das begrünte Flachdach der Garage in den glatten Rasen über.

Entlang des Hauses führt eine Treppe hinauf in den Garten. Hier im geschützten und ruhigen Privatbereich kehrt Ruhe ein. Im Nichtstun lässt sich die Architektur mit ihren Licht- und Schattenspielen erkundschaften. Einmal wird ein Kubus addiert, dann wieder subtrahiert. Über der Tür schwebt der Erker mit dem Gästeraum, das Flachdach darüber wird zur Terrasse des Schlafzimmers. Radatz: „Die Fassaden des gesamten Hauses sollten plastisch wirken. Die Vor- und Rücksprünge ergeben ein wunderbares Licht- und Schattenspiel.“

Der Loos'sche Raumplan hat immer Saison: Mit einem Über-Eck-Fenster buchtet sich die weiße, lackbeschichtete Küche aus dem 2,75 Meter hohen Essbereich. Gegessen wird direkt an der Glasfassade, die ebenfalls ums Eck knickt. Über breite Schiebetüren kann man an schönen Tagen die Frühstücks-Utensilien auf die Terrasse hinaustragen. Je nach Himmelsrichtung, Nutzung und Sonnenstand folgen auch die restlichen Fenster diesem System: einmal schmal, einmal hoch, dann wieder breit und immer wieder gern ums Eck. Vom Morgen bis zum Abend verliert man die Sonne niemals aus den Augen.

Himmel in der Wanne

Dramatisch bahnt sich die Treppe ihren Weg durch den Raum. Durch ein Oberlicht fällt der Himmel ins Stiegenhaus, das sich um eine Wandscheibe dem ersten Stock entgegenwindet. Vom Zwischenpodest zweigt ein Gang mit Bestblick über die Frühstücksgesellschaft ab und führt zum Gästezimmer.

Wohnkomfort am Rande: Die Terrasse liegt direkt vorm Bad und wartet auf das Öffnen der Glastüren. Mit seinen weiß beschichteten Wänden, weißen Corian-Waschbecken und den Ruheliegen wird der Sanitärraum zur Wellness-Oase. Vor der Saunakabine liegt man in der Badewanne und schaut in den Sternenhimmel hoch.

Der Standard, Sa., 2007.10.13



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Neubau Einfamilienhaus

06. Oktober 2007Isabella Marboe
Der Standard

Zu Hause auf der Höhenschichtlinie

Wie Weinreben klettern die Kremser Terrassenhäuser den Berg hoch. Für das nötige Licht sorgt die vollverglaste Südfront - und ein Atrium.

Wie Weinreben klettern die Kremser Terrassenhäuser den Berg hoch. Für das nötige Licht sorgt die vollverglaste Südfront - und ein Atrium.

Architekt Ernst Linsberger liebt die gehobene Lebensart, den Wein und die terrassierte Kulturlandschaft rund um Krems. Schon einmal hatte er hier eine Atriumsiedlung gebaut, in der er übrigens auch selbst wohnt. „Zentrumsnah zu wohnen ist eine ganz eigene Qualität“, sagt Linsberger, „und wenn das dann noch dazu eine helle Wohnung ist! Schon Josef Frank hat gemeint: Licht in der Wohnung bedeutet Sonne im Herzen.“

Vor den Toren der Altstadt fand sich nun ein weiteres Grundstück, das nach Plänen Linsbergers bebaut wurde. „Das Grundstück war ein Weinberg. Als ich das erste Mal dort war, wusste ich sofort, wie die Wohnzeilen werden mussten. Ich wollte eine Siedlung planen, die keinem die Sicht verstellt.“ Wie einst die linear angeordneten Weinstöcke erobern sieben terrassierte Zeilen mit insgesamt 67 Wohnungen den steilen Hang.

Helle Mittelgänge erschließen je eine untere, ebenerdige Reihe sowie die darüber liegenden Maisonette-Wohnungen. „Die Bebauung ist so ausgerichtet, dass sie den Hang nicht verletzt und dass jede Wohnung eine große Südterrasse hat“, erklärt der Architekt. Von hier aus habe man einen Postkartenblick auf die Altstadt von Krems, ja sogar bis nach Göttweig.

Tiefgarage im Berg

Trotz Zentrumsnähe ist der eigene Parkplatz für den gehobenen Wohnkomfort unverzichtbar. De facto liegt die gesamte Anlage auf einer Tiefgarage. Jeder Wohnung sind 2,5 Stellplätze zugeordnet. Linsberger: „Um die Terrassierung zu schaffen, mussten wir ein halbes Geschoß abgraben. Besonders stolz bin ich auf die Gestaltung der Garage: Es gibt keine Angstträume.“ Schraubenförmig windet sich die Rampe zu den Parkebenen hoch, von denen kurze Schleusen zu den einzelnen Erschließungsgängen durchstechen. Umgeben ist der Garagenbaukörper von einer mächtigen Betonwand, die mittels Streifenrelief und horizontaler Sichtfenster etwas aufgelockert ist. Sie erweist dem örtlichen Bruchsteinmauerwerk Reverenz.

Konstruktiv war so ein Kraftakt mitsamt der begrünten Dächer, die wie Kaskaden den Hang hinabgleiten, nur in Stahlbeton möglich. Um im Kostenrahmen des geförderten Wohnbaus zu bleiben, sind alle sichtbaren Fassadenelemente aus Betonfertigteilen. Massive Vordächer schützen vor zu viel Sonne und lassen die Zeilen wie horizontale Schichtenlinien wirken. Auch dafür hat Linsberger eine Erklärung parat: „Ich wollte die Weingartenlandschaft in die Architektur übersetzen.“ Darunter sind lange, zarte Glasbänder in die Fassade geschnitten.

Obwohl die Anlage optisch größte Dichte suggeriert, gibt sich die Erschließung der Wohnung ungewohnt locker. Vor den Türen gibt es sogar noch Platz für hölzerne Boxen, die für Stauraum sorgen und die Gänge rhythmisieren.

Atrium spendet Licht

Eine Holztreppe führt vom Vorraum auf die Wohnebene hoch. Durch die Glasbrüstung fällt verheißungsvoll das erste Licht herein. Von den raumhoch verglasten Aufenthaltsräumen im Süden blickt man auf die Türme der Altstadt. Doch auch im Norden öffnet sich der Raum zum Licht: Hier liegt das kleine, intime Innenatrium, das dem Badezimmer und den beiden Schlafzimmern exklusiven Freiraum schenkt. Bis zu 3,20 m Höhe steigt das öffenbare Glasdach an und holt den Himmel ins Haus. Sollte man also vom hübschen Altstadt-Blick eines Tages tatsächlich die Nase voll haben, kann man hier ins Blaue sehen.

Der Standard, Sa., 2007.10.06



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Wohnhausanlage Langenloiserberg

29. September 2007Isabella Marboe
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Entlein im Visier

Was tun mit einer schäbigen Bungalow-Hütte aus den Siebzigern? Einem Bauherrn mit höchsten Ansprüchen gestaltete Architekt Wolfgang Buchgraber das alte Badehäuschen um und sorgte für frische Lebensfreude am alten Schotterteich - für jede Wetterlage.

Was tun mit einer schäbigen Bungalow-Hütte aus den Siebzigern? Einem Bauherrn mit höchsten Ansprüchen gestaltete Architekt Wolfgang Buchgraber das alte Badehäuschen um und sorgte für frische Lebensfreude am alten Schotterteich - für jede Wetterlage.

„Ich arbeite oft 24 Stunden durch“, sagt der Bauherr. Zum Ausgleich brauchte er daher einen Ort zur totalen Entspannung, am besten an einem See. Der radikale Tapetenwechsel vom Gewusel der Stadt in die weltentrückte Weite am Wasser musste sich rasch vollziehen lassen. „Ich wollte in weniger als 25 Minuten von einem Umfeld ins andere.“ Also graste er die Baggerseen südlich von Wien ab und fand sein Idealgrundstück schließlich bei Münchendorf.

Zwar misst die Parzelle nur 33 mal zehn Meter, doch dafür verfügt sie über einen Direktzugang zum See. Allein, der bescheidene Bungalow aus den Siebzigern bedurfte eines ordentlichen Faceliftings. Der Bauherr wollte nur eines: „Das Wasser immer vor Augen haben und die Enten vorbeischwimmen sehen.“ Diesen hehren Freizeitansprüchen konnten das eine Fenster und die eine Tür unterm massiven Dach nicht genügen. „Mit seinen kleinen Fenstern war das Haus früher wie eine Höhle“, erklärt Architekt Wolfgang Buchgraber, „ich wollte maximalen Naturbezug und das Wasser zum gestalterischen Element machen.“

Auch der einstige kleinteilige Grundriss mit seinen aufgefädelten Schlafkammern war vom erwünschten Raumerlebnis meilenweit entfernt. Im Zuge des Umbaus waren auf den 47 Quadratmeter Wohnfläche für Familie und Freunde insgesamt sechs Schlafplätze gefordert - keine leichte Aufgabe. „Ein Badehaus lebt vom See, man hält sich vor allem im Freien auf“, sagt Buchgraber. Und so wurde der Freiraum einfach ins Konzept integriert.

Der Bestand wurde thermisch saniert, neu verputzt und sandfarben gestrichen. Rundum wurde er mit neuen Fenstern versehen, südseitig wurde er sogar raumhoch verglast. Innen dominieren nun Nussholz sowie flexibles, anthrazitgraues Mobiliar.

Spiel mit Elementen

Um den Freiraum zu mehren, wurde das Vordach verlängert und mit einem horizontal gegliederten Fries aus Bankirai-Holz eingefasst. Ein breiter, gedeckter Umgang führt nun rund ums Haus. Eine Natursteinmauer aus feinem chinesischem Schiefer, der in allen erdenklichen Terrakotta-Nuancen schimmert, inszeniert den Weg entlang der Grundgrenze. Davor spielen ein nirobeschichteter Open-Air-Kamin und ein Wasserbecken mit den Elementen.

Der Stein weckt beim Bauherrn Erinnerungen an den Urlaub auf Korsika. Nicht zuletzt ist dies der Architektur zu verdanken: „Ich wollte eine Bühne fürs leichte Leben am See schaffen“, sagt Wolfgang Buchgraber. Der Sonnenschutz, der von verschiebbaren Aluminiumpaneelen gerahmt wird, ist gleichsam ein Vorhang, der den Seeblick optimal in Szene setzt.

Der Naturstein findet sich als Gestaltungselement auch im Inneren wieder. Die Steinmauer zieht sich vom Wohnraum bis zur Terrasse vor. Dort bildet sie eine höhlenartige Nische, in der wasserfeste Möbel stehen.

Der Großteil des Hauses ist flexibel gestaltet und lässt sich in der warmen Jahreszeit ins Freie verlängern. Zum spärlichen Fixmobiliar zählen Kästen und Doppelbetten, die sich nach Schlafwagenprinzip jederzeit hochklappen lassen. Damit wird der Wohnraum zur Ruhestatt am Wasser. „Im Sommer dort aufwachen, ist herrlich. Und nachts im See zu schwimmen, ist wie Urlaub am Meer.“

Der Standard, Sa., 2007.09.29

22. September 2007Isabella Marboe
Der Standard

Wer hat Angst vorm schiefen Winkel?

Mit überaus dynamisch gekanteten Gaupen durchbrach Architekt Heinz Lutter das Walmdach eines dreistöckigen Zinshauses. Der Geometrie sei Dank: Durch die Verdrehung des Grundrisses wurden dunkle Zwickel vermieden. Stattdessen geht's hinaus auf die Terrasse.

Mit überaus dynamisch gekanteten Gaupen durchbrach Architekt Heinz Lutter das Walmdach eines dreistöckigen Zinshauses. Der Geometrie sei Dank: Durch die Verdrehung des Grundrisses wurden dunkle Zwickel vermieden. Stattdessen geht's hinaus auf die Terrasse.

„Das Dach ist die Krone eines Hauses: Hier gibt es Licht, Luft, Sonne und Ausblick“, sagt Architekt Heinz Lutter. Und dann fügt er hinzu: „Die spektakulärsten Filmszenen und Werbe-Shootings werden in Dachzonen gedreht, das spricht doch für sich!“ Schon einige Male frönte er dem Dachgeschoß: Sein hellblau lackierter Dachaufbau in Wien Alsergrund bewies Mut zum Experiment, für die conwert-Immobilien verhalf er einer Hietzinger Doppelvilla zur neuen Kopfbedeckung, und auch in Leopoldstadt und Meidling war er bereits über den Dächern der Stadt tätig.

Erneut trat der Bauträger conwert-Immobilien an Lutter heran, erneut handelt es sich um ein Hietzinger Objekt - diesmal aus dem Jahre 1929. Es wurde von Architekt Ernst Epstein (1881-1938) geplant, dem Wien die Bauleitung des Loos-Hauses am Michaelerplatz sowie einige schöne Zinshäuser, Büros und Cafés verdankt. Winkelförmig fasst das Gebäude einen kleinen Platz und distanziert sich so auf vornehme Weise von der viel befahrenen Lainzer Straße. Weltgewandt gleitet die Schauseite im Südosten den Platz entlang, um hinterm Eingang ums Eck zu knicken und tief zur Straße vorzustechen. Wie es einem Stadthaus mit Stil geziemt, hat es eine Sockelzone mit Geschäftslokalen und eine Rückseite, an der das Getriebe der Vorstadt verstummen und das entspannte Auge ins verwachsene Hintergartendickicht der Nachbarschaft tauchen kann.

Dach mit neuer Kontur

Nun wurde das Dach umgebaut. Die alte Form wurde respektvoll belassen. Um den drei Wohnungen jedoch möglichst viel Licht, Luft und Weitblick zu geben, treten nun klar ablesbare Baukörper aus Glas und Stahl aus dem Dach heraus. Menschen, die hoch oben im Himmel wohnen, lieben den weiten Horizont. An den aussichtsreichsten Ecken wurden daher ausufernde Terrassen angesiedelt. „Der Witz war, dass man hier möglichst nicht nach Süden schauen sollte“, erklärt Heinz Lutter, „das Haus steht frei und rundherum ist alles grün. Es war also wunderbar geeignet für Terrassen.“

Wo es die Statik erforderte, wurde die Holzkonstruktion mit Stahlträgern verstärkt. Bruchstückhaft durchdringen die dynamisch zugespitzten Raumformationen nun den grauen Eternitpanzer der Dachhülle und bringen Luft, Himmel und Aussicht ins Innere der Wohnungen.

Ein gläserner Liftturm führt auf das oberlichthelle Stiegenpodest im Süden. Von hier aus streben die Wohnungen in zügiger Dynamik den lichten Terrassenenden im Westen, Osten und Norden zu. Dramatisch ragen die Freiräume über die Gesimskanten. In einem Guss ziehen sich die Holzlatten vom Boden bis zur Brüstung hoch.

Innen verschneiden sich die mehrfach geknickten Nurglasfronten mit den geneigten Dachflächen und schaffen unverwechselbare, spannende Räume, die am Boden mit gebleichter Eiche verlegt sind.

Wie ein organisch geformter Ast entwächst der Wand plötzlich ein Kaminrohr. Man braucht sich nicht zu wundern - das ist das neue Selbstbewusstsein von Architektur. „Die schrägen Wände sind sehr skulptural, sie zeichnen die Wohnungen aus“, sagt Lutter. Hier werden gipskartonverkleidete Sparren zu Bestandteilen expressiver Raumlandschaften. Durch glasgeschlitzte Wände und Decken brechen dreieckige Fragmente des Himmels ein.

Auch vor den Bädern macht Lutter nicht Halt: Die schrägen Wände verwandeln die Sanitärräume, die in der Regel bekanntermaßen zu den langweiligsten Wohnbereichen zählen, zu grau verfliesten Erlebniszonen.

Der Standard, Sa., 2007.09.22

15. September 2007Isabella Marboe
Der Standard

Inseln im Raumfluss

Im alten Gemäuer einer Näherei fanden die Holodeck-Architekten nicht nur riesige Raum-fluchten vor, sondern auch wenig Tageslicht. Durch geschickte Kunstgriffe wurde daraus ein hell durchströmtes Loft, in dem alles fließt: die Räume, die Wände, die Sonnenstrahlen.

Im alten Gemäuer einer Näherei fanden die Holodeck-Architekten nicht nur riesige Raum-fluchten vor, sondern auch wenig Tageslicht. Durch geschickte Kunstgriffe wurde daraus ein hell durchströmtes Loft, in dem alles fließt: die Räume, die Wände, die Sonnenstrahlen.

Ein Zeitungsinserat führte den Herrn zur alten Hosenfabrik in Ottakring. Nicht etwa ein Hosenkauf kündigte sich an als vielmehr der Kauf eines atemberaubenden Lofts. Ein findiger Baumeister hatte dort die Näherei im ersten Stock geteilt und zu zwei verkaufbaren Lofteinheiten hochgerüstet. Die Bausubstanz des Gemäuers stammt aus dem Jahr 1895, bis heute ziehen die Stahlträger des Platzlgewölbes ihre Bahnen über die 3,50 Meter hohe Decke. In späteren Jahren wurden die Außenmauern durchbrochen und um einen etwas höheren Zubau erweitert.

Da stand der Bauherr nun zwischen einer Sichtziegelmauer und den Gipskartonwänden der alten Sanitärgruppe. Dem spezifischen Charme der zwei ungleich hohen Lofthälften erlag er sofort, die trüben Lichtverhältnisse aber weckten seine Skepsis. Und so konsultierte er vorm Kauf zur Sicherheit das Architekturbüro Holodeck. Was ihn erwarten würde, wusste er bereits - sein bester Freund bewohnte schon seit Jahren ein spaciges Raumkontinuum, das seinerzeit von Holodeck'scher Hand geschaffen worden war.

Marlies Breuss und Michael Ogertschnig, die beiden Köpfe von Holodeck, wollten es genau wissen und ließen ihren zukünftigen Bauherrn ein Piktogramm seines Tagesablaufs zeichnen, um die wahren Wohnbedürfnisse zu ergründen. Die Strategie führte ans Ziel. Der Bauherr musste der Bewegung viel Raum geben, seine Ruhe hingegen wollte er am Kamin und im Schlaf finden. Außerdem brauchte er genügend Stauraum und einen Bereich für Gäste.

„Wir wollten das Loft näher zum Lichteinfall und an die frische Luft bringen“, sagt Marlies Breuss. Im Nu verlor der Zubau daher seine Außenwand und wurde um ein Segment gekürzt. Unter dem Dachflächenfenster des Pultdachs wurde einem Extra-Stück Terrasse Platz gemacht. Den unmittelbar angrenzenden Bestand, der nicht abgetragen wurde, teilt sich nun der Schlafbereich und die Pflanzenoase. „Der Wintergarten war eine geniale Idee. Ich finde es sehr angenehm, dass man bei Regen draußen sitzen kann“, sagt der Bauherr. Durch die Glasfassade an der Terrasse strömt das Loft nun weit ins Freie, die Sonne im Gegenzug dringt tief in das Loft hinein.

Am Eingang verbindet sich der erste Mauerpfeiler mit einem prägnanten Multifunktionsmöbel aus weißen MDF-Platten. Im Vorraumbereich fungiert es als Garderobe mit Ablage und Schuhkasten, dem Wohnen hingegen reckt die Möbelstele ein schwebendes Stehpult entgegen, wo der Bauherr mit Blick über sein Reich frühstückt. „Ich genieße diese Weitläufigkeit“, sagt er.

Wände in Bewegung

Bis auf die Außenmauern gibt es hier keine Wände. Organisch geformte, von der Decke abgehängte Laufschienen definieren unterschiedliche Rauminseln, auf denen man dem geistigen und körperlichen Wohlbefinden frönen kann. Bodenlange, milchweiße Planen bilden flexible Grenzen, die je nach Intimitätsbedarf starr abgrenzen oder verschwimmen. Der Boden ist durchgehend aus dunklem, geöltem Wengeholz. Selbst über den Badewannensockel wurde das Holz gestülpt. „Mir war die Perspektive wichtig“, sagt der Bauherr, „beim Baden kann ich nun zum Kamin hinübersehen.“

Alles fließt: Das Waschbecken dockt am Mauerpfeiler an, keck verleibt sich die Plastikplane das Stück Wand ein, um dahinter Stauraum zu verstecken. Der Herdblock steht frei im Raum, der Tisch kann auf Rollen gefahren werden. Hinter den Epizentren verdichteter Aktivität buchten sich weiße Wandverbauten aus der Mauer. Zieht man die Planen zu, wird der Zwischenraum zum Gästezimmer.

Der Standard, Sa., 2007.09.15



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spatial appropriation

08. September 2007Isabella Marboe
Der Standard

Das Wohnzimmer im Garten

Am Ostufer der Traisen plante Roland Rainer seine letzte Gartenstadt. Die 160 Wohnungen überzeugen durch Gärten, Loggien und Terrassen. Ein Spaziergang durch eine Siedlung, in dem der Mensch den Ton angibt: grüne Wege, ruhiges Leben, Sonnenschein.

Am Ostufer der Traisen plante Roland Rainer seine letzte Gartenstadt. Die 160 Wohnungen überzeugen durch Gärten, Loggien und Terrassen. Ein Spaziergang durch eine Siedlung, in dem der Mensch den Ton angibt: grüne Wege, ruhiges Leben, Sonnenschein.

Roland Rainer glaubte daran, dass Architektur glücklich machen könne. Den Löwenanteil seines langen, erfüllten Berufslebens widmete er daher der Planung umsichtig angelegter Gartenstädte. Stets liegen die Reihenhäuser und Wohnungen an bepflanzten Wegen, haben sonnengeflutete Räume an Innenhöfen oder Gärten und bilden so ein Umfeld, in dem freundschaftliche Kontakte gedeihen können. Der Prototyp Linz Puchenau, erbaut und erweitert von 1962 bis 1995, schrieb Architekturgeschichte. Am Ostufer der Traisen plante Rainer dann seine letzte Gartenstadt. Sie setzt einen wohnlandschaftlichen Kontrapunkt zum gegenüberliegenden Regierungsviertel St. Pölten.

„Er hatte die Vision vom Wohnen unterm freien Himmel in einer lebensfreundlichen Umgebung, wo Kinder sorglos hinauslaufen können“, sagt Architektin Johanna Rainer, die mit dem Büro Wallner & Partner das Architekturvermächtnis ihres Vaters am Hochwasserdamm umsetzte. „Mit der Sonne zu leben - das ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Es ist das Natürlichste der Welt, sich nach ihr zu richten.“ Damit sie möglichst lang Aufenthaltsräume der 38 Wohnungen und 122 Maisonetten durchströmt, ist jede einzelne südost- und südwestorientiert. Das hält auch den Wind von der Traisen ab.

Organisch schmiegt sich die erste Maisonettenreihe in einem sachten Bogen hinter lärchenhölzernen Mauern ans Gelände. Wohnräume und Gärten wenden sich der Sonne zu, Eingänge und Küchen liegen an den Wegen, damit man durchs offene Fenster plaudern kann und die ankommenden Besucher im Blickfeld hat. „Ich bin ein Licht- und Sonnenmensch, und hier ist es immer hell“, sagt die kunstsinnige Bewohnerin einer Eck-Maisonette, „das Umfeld ist wichtig für meine Kreativität. Hier hab ich das Gefühl, jeden Tag auf Urlaub zu sein.“ Wenige, ausgesuchte Möbel stehen am Eichenparkett ihres loftartigen Wohnraums, davor liegt die verglaste Loggia, davor eine gedeckte Terrasse. Besonders schätzt sie den Blick auf den Klangturm vis-à-vis.

Dauerblick ins Grüne

Oleander und Hibiskus säumen den Weg, dahinter formieren sich aufeinandergestapelte Maisonetten zu disziplinierten Zeilen. Die quergestellten, dreistöckigen Reihen bilden grüne Höfe. Die Zufahrten zu den taghellen Garagen - sie befinden sich unter dem vierstöckigen Riegel und dem plastisch gegliederten Kopfbau - liegen direkt an der Defreggerstraße. Ab und zu blitzt ein schwarzer, beinahe gänzlich verglaster Stiegenturm hervor.

„Die Lage ist perfekt“, sagt die Bewohnerin einer Gartenwohnung, „früher mussten wir mittags das Licht aufdrehen, hier scheint bis neun Uhr abends die Sonne herein.“ Ruhig spielen ihre zwei Töchter auf der Terrasse vor der Wohnküche. Am Rande blühen prachtvolle Rosen, selbst gezüchtete Zucchini und Tomaten - mit einem Wort ein kleines Paradies. „Ich wollte mein Leben lang ein Haus mit Garten“, sagt die Dame. Sorgsam studierte sie daher die Pläne, wählte ihre Wohnung nach Südlage und Gartengröße aus und bezog schließlich mit ihrem Mann die neue Bleibe.

Heute ergießt sich vor ihrer Wohnzimmerterrasse ein duftender Blütenregen, Bohnen-stauden ranken sich an der Wand zum Nachbarn hoch. „Wir leben einen großen Teil der Zeit draußen. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, anders zu wohnen.“

Der Standard, Sa., 2007.09.08



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Gartenstadt „Rainer-Siedlung“

01. September 2007Isabella Marboe
Der Standard

Willkommen an Bord

Im Park des Landespflegeheims Arche Stockerau ließ Architekt Johannes Zieser einen dunkelroten, holzverkleideten Neubau wie ein rotes Schiff vor Anker gehen. Seine Architektur beweist, dass man auch vom Krankenbett aus ein bissl Freude am Wohnen haben kann.

Im Park des Landespflegeheims Arche Stockerau ließ Architekt Johannes Zieser einen dunkelroten, holzverkleideten Neubau wie ein rotes Schiff vor Anker gehen. Seine Architektur beweist, dass man auch vom Krankenbett aus ein bissl Freude am Wohnen haben kann.

„Es ist der erste dreigeschoßige Vollholzbau in Niederösterreich“, sagt Architekt Johannes Zieser stolz, „unsere Entwurfsphilosophie für den roten Pflegeheim-Riegel war die von einem hölzernen Schiff.“ Und dann: „Es sollte wie eine Arche in den Park hinausschwimmen.“ Zieser gewann mit seinem Entwurf den Wettbewerb für das neue Niederösterreichische Landespflegeheim Arche Stockerau. Im grünen Park, direkt neben dem Altbestand, ist das Gebäude nun vor Anker gegangen und wurde mit dem NÖ Holzbaupreis 2007 ausgezeichnet.

„Am Tag des Umzugs frühstückten die Senioren noch im alten Heim, zu Mittag waren sie schon im Neubau“, erinnert sich Zieser. Und damit gingen einige funktionelle und atmosphärische Neuerungen einher: Bis auf die erdberührenden Bauteile ist der Pflegetrakt komplett aus Holz, in die Aufenthaltsbereiche wurde es sogar sichtbar integriert. Energieeffizient ist das Gebäude zudem: Es nutzt den Estrich als Speichermasse, hat Erdkollektoren und eine Wärmerückgewinnungsanlage.

In stromlinienförmiger Eleganz wickelt sich der Pflegetrakt mit insgesamt 105 Betten S-förmig aus dem eleganten, gläsernen Empfangsgebäude im Westen. Das hohe Vordach bildet einen urbanen, gedeckten Vorplatz im Freien, der nahtlos auf das Terrassenplateau im Süden übergeht.

Schiff mit Freiraum ...

Wie es sich für ein Schiff gehört, ist der Pflegetrakt außen mit dunkelrot lackierten Sperrholztafeln verkleidet, wie der Bug eines Dampfers vollzieht er mit großzügigen, halbkreisförmigen Terrassen seine Kehrtwende an beiden Enden. Die echt schrägen Stützen bilden den dynamischen Abschluss. „Diese Anordnung war die ökonomischste Lösung, um dunkle Gänge zu vermeiden. Außerdem kann man so die Menschen mit ihren Betten leicht ins Freie evakuieren“, erklärt der Architekt.

Trapezförmig weitet sich das Gangfoyer mit der Decke aus sichtbar belassenem Kreuzlagensperrholz zum lichten Speisesaal, wo man auf einer Galerie im gläsernen Gelenk der beiden Bauteile sitzen kann. Stolze sechs Meter misst der Luftraum über der Cafeteria, von deren Brüstung sich eine grüne Kaskade zum inneren Garten vor der Terrasse hinunterstürzt. Und auch dafür gibt es eine architektonische Erklärung: „Wir wollten, dass der Park von außen hereinwächst.“ Schönes Detail am Rande: Es gibt einen mit edlem Stainzer Gneis verkleideten offenen Kamin. In den allgemeinen Räumen wurden mit dem schönen Stein sogar die Gänge verkleidet.

Unmittelbar hinter der Galerie liegt, angeordnet in der offenen Mitte des Bettentrakts, der Pflegestützpunkt des Personals. Jede Station hat ihren eigenen, gemeinsamen Essplatz. Doch auch Glaube und Geist wollen gesättigt werden: Die Wände der Kapelle sind rundum mit hellem Seekiefernsperrholz verkleidet. Gleichmäßig fällt das Licht von oben in den ruhigen Raum. Der Kreuzweg aus dem alten Pflegeheim wurde in eine Seitenwand eingelassen. Es ist eine respektvolle Geste der Architektur, dass auf der Galerie auch Bettlägrige an der Messe teilnehmen können.

... und viel Licht

Orientierung, viel Licht und Ausblick sind wichtig für die Bewohner. Jedes der Ein- und Zweibettzimmer hat daher ein raumhohes Fenster, das sich wie ein kleiner Erker aus der Wand stülpt und so die Natur gleichsam ins Innere saugt. Boden und Laibungen dieser Sitzerker sind weiß - als reflektiertes Licht bleibt die Südsonne damit lange im Raum. Die behindertengerechten weißen Bäder sind durch Oberlichtbänder erhellt. „In der Nacht dringt das Licht vom Gang herein“, erklärt Johannes Zieser. Stockfinster wird es in diesem Pflegeheim nicht.

Der Standard, Sa., 2007.09.01



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Seniorenheim Stockerau

25. August 2007Isabella Marboe
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Flach oder Dach?

Umbauen in einer Gegend mit Satteldachvorschrift? Was haben wir nicht schon alles gesehen! Was haben Architekten nicht schon alles gemogelt! Den x architekten ist ein feines Experiment gelungen, indem sie das anfänglich stolze Dach sukzessive plattdrückten.

Umbauen in einer Gegend mit Satteldachvorschrift? Was haben wir nicht schon alles gesehen! Was haben Architekten nicht schon alles gemogelt! Den x architekten ist ein feines Experiment gelungen, indem sie das anfänglich stolze Dach sukzessive plattdrückten.

Das industriedurchsetzte Einfamilienhausgebiet im Süden von Linz ist nicht gerade die beste Wohnadresse. Für den Bauherren aber gab es keine bessere, denn in der Gartensiedlung mit ihren vielen kleinen Häusern aus den Sechzigern war er aufgewachsen. Dem Haus aus alten Kindestagen blieb er selbst dann noch treu, als er seine Frau kennen lernte. Die Eltern zogen sich ins Erdgeschoß zurück, das Paar wanderte in den ersten Stock - doch als der ersehnte Nachwuchs kam, wurde es eindeutig zu eng.

Anstatt in eine andere Gegend mit womöglich weniger Grün und dafür mehr Verkehr zu ziehen, beschlossen die Bauherren, die Umzugsideen schnell wieder fallen zu lassen - und umzubauen. Keine leichte Aufgabe angesichts der verwinkelten Räume und des bauphysikalischen Standards, der zu wünschen übrig ließ. Zudem war das Dach völlig ungedämmt.

Die x architekten sollten der Jungfamilie um möglichst wenig Geld möglichst viel Raum schaffen. Zuerst einmal wurde Basisarbeit am Bestand geleistet: Er bekam eine neue Heizung und größere Fenster mit Isolierglas, dafür nahm man ihm die Treppe. Nun führt eine Sichtbetonstiege von der Straße aufs Garagendach. So gewannen die Eltern ein Zimmer und die Bauherren einen autonomen Zugang mit einer riesigen Lattenrost-Terrasse für sich allein. „Früher lag diese Fläche einfach brach, jetzt sitzen wir oft stundenlang da“, sagt die Baufrau, „am besten ist es am Abend, wenn dann die Sonne untergeht.“

Über einen Durchbruch in der Westwand kommt man in den ersten Stock. Rund um die zentrale Stiege herrscht nun offene Weite. Nichts als zwei zarte Säulen und eine schmale Wandscheibe liegen zwischen dem Wohnen und Essen. Am großen Südfenster mit dem Parapet aus Mooreiche sitzt man quasi in den Baumkronen. „Eigentlich war das eine Notlösung, um den Heizkörper zu verstecken, aber jetzt ist die Bank mein Lieblingsplatz“, bekennt der Bauherr.

Darüber aber wird es wirklich spannend. „Die Bauordnung erlaubte kein Vollgeschoß, sondern nur einen Dachausbau“, sagt David Birgmann von den x architekten, „der Kniestock lag nur 1,20 Meter über der Rohdecke und so versuchten wir, aus der Dachneigung ein Maximum an Raum rauszuschinden.“

Das Spiel mit dem Dach

Am deutlichsten zeigt sich diese Strategie der totalen Ausnutzung an der Straße im Norden, wo das Dachgeschoß noch eine konventionelle Satteldachform aufweist - man möchte ja nicht die guten Nachbarschaftskontakte der Eltern gefährden. Doch im allmählichen Umkreisen ändert der Holzleichtbau sukzessive seine Form. Trichterförmig streben die ansteigenden Seitenwände dem raumhohen Panoramaglas des Elternschlafzimmers zu. Das Dach indes verebbt, bis am Ende nichts mehr von ihm zu sehen ist. Stolze vier Meter beträgt die Auskragung an dieser Stelle. Darunter schafft sie Platz für einen gedeckten Freiraum.

Außen ist der Holzleichtbau mit Bitumenschindeln gedeckt, das passt zur Nachbarschaft. Innen aber ist er rundum mit rauen OSB-Platten verkleidet, was ihm einen bergenden Charakter gibt und seine dynamisch gefaltete Geometrie ungebrochen zur Geltung bringt. Im Gegensatz dazu haben die Kinderzimmer und das weiße Bad klare, weiße Wandgrenzen.

Damit es zwischen dem schwebenden Sonnenbalkon und den beiden Kinderzimmern nicht dunkel wird, sind runde Lichtkuppeln in die Dachflächen eingeschnitten. Kreisförmig fällt der Himmel auf die Schlafgalerie der Kids, auf die Stiege, auf den Arbeitsplatz und direkt ins Bad. Das Schlusswort der Bewohner: „Hier in der Wanne zu liegen und hinauszuschauen ist vor allem bei Regen fein.“

Der Standard, Sa., 2007.08.25



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form follows § - Um- und Zubau Wohnhaus Meißnitzer

11. August 2007Isabella Marboe
Der Standard

Hungrig nach Bildern

Wer ein Fotostudio betreibt, der muss seinen ästhetischen Spleen schon einmal nach außen tragen. Am Stadtrand von Salzburg liegt schon seit Jahren ein spaciger Edelstahlzylinder in der Wiese. Nun bekam er expressive Gesellschaft von den Architekten Forsthuber/Scheithauer

Wer ein Fotostudio betreibt, der muss seinen ästhetischen Spleen schon einmal nach außen tragen. Am Stadtrand von Salzburg liegt schon seit Jahren ein spaciger Edelstahlzylinder in der Wiese. Nun bekam er expressive Gesellschaft von den Architekten Forsthuber/Scheithauer

Der Bauherr ist Fotograf und hat einen ausgeprägten Sinn für Marketing. Schon das erste Studio, das die Architekten Christian Prasser und Philipp Lutz in den Garten seines Elternhauses gesetzt hatten, machte in der ruhigen Siedlung am Stadtrand von Salzburg viel Furore. Den futuristischen Edelstahlzylinder, der einer Filmrolle nachempfunden war, kannte jeder. Der Raum war eine Klasse für sich und etablierte sich rasch als hippe Event-Location.

Doch nun wollte der Bauherr expandieren. Der autonome Zubau - freilich wieder ein Stück zeitgenössischer Architektur - sollte drei autonome Büroeinheiten und eine Wohnung fassen. Vor allem aber musste er den Zylinder aus alten Tagen um ein Vielfaches toppen. Dem Bauherrn schwebte nämlich ein kleiner architektonischer Cluster vor.

Drei Architekturbüros wurden zu einem Wettbewerb geladen, das Team Forsthuber-Scheithauer gewann mit einer expressiven Skulptur, die man erst im Durchwandern gänzlich begreifen kann. Das alte Elternhaus wurde gänzlich abgerissen, an seine Stelle trat eine von Lichthöfen umflutete Büroebene, die in der Erde steckt. Mit hoher Raumakrobatik ist darüber ein signifikantes Gebilde aus Stahlbeton in die Höhe gestemmt, 500 Quadratmeter misst das stolze Ding. Wie der Tonarm eines Plattenspielers legt sich das weit auskragende Obergeschoß über den alten Edelstahlzylinder von Prasser und Lutz, leuchtgelb ragen vorspringende Bauteile aus der mattsilbernen Alufassade.

Das Haus ist ein Kraftakt, seine Form ist alles andere als beliebig. „Wir haben die Satteldach-Typologie quergelegt und haben alle Traufpunkte und Firsthöhen mit den Nachbarn abgestimmt“, sagt Architekt Thomas Forsthuber. Die raffinierte Dachfaltung birgt südseitig ein Büro mit Galerie, die schmale Nordseite ragt wie der Bug eines Schiffes in den Gartenspitz, und über das abgegrabene Atrium, das die Büros im Keller erhellt.

Ein tierisches Haus

Hier ragt ein gelber, schräg zugespitzter Balkonbaukörper keck aus dem Obergeschoß, dort lugen das Bad der Wohnungsmaisonette und die Sanitärbox des Büros frech aus der Westflanke. Und dann der frei schwebende Tonarm, der über den Zylinder ragt: Am langen Balkon vorm Panoramaglas kann man gleichsam in die Natur treten. An die 100 Tonnen Zug lasten auf jedem Auflager des 14 Meter langen Stahlträgers, der hier alle Arbeit leisten muss. Doch vom gewaltigen Kräfteverlauf - als statisches Gegengewicht wirkt die Dichtbetonwanne des Kellers - spürt man nicht viel, denn der Träger verläuft in der Wand. „Für die Fenster gibt es Ausnehmungen, damit man aus der Schnauze in die Landschaft schauen kann“, erklärt Forsthuber in animalischen Bildern, „das Haus ist wie ein Vieh, das auf Zehenspitzen steht. Es könnte locker den Untersberg verschlucken.“

Was außen mit expressiven Ausstülpungen und Windfängen, mit Über-Eck-Verglasungen und dramatischen Materialien beginnt, setzt sich auch in den Innenräumen fort - die Architekten sprechen von „skulpturaler Plastizität“. Fast sechs Meter hoch ist der Luftraum überm Foyer, schrille Farben bieten dem Besucher allerhand zum Schauen. Tresen und Regalborde mäandern in kräftigem Orange die grün-gelbe Wand entlang. Darüber ragt das Besprechungscockpit in den Raum und stülpt sich gelbgerahmt aus der Fassade.

Wer dieses Gebäude einmal gesehen hat, der vergisst es nie wieder. Der Aufwand hat sich sichtlich gelohnt: Nun verfügt das Fotostudio gleich über eine doppelte Event-Location. Das Projekt wurde zum Bauherrenpreis 2006 nominiert.

Der Standard, Sa., 2007.08.11

04. August 2007Isabella Marboe
Der Standard

Frischekur für die Kemenate

Manchmal passiert es, dass man wieder im alten Mädchenzimmer sitzt und wunderlich um sich blickt. Dann ist die Zeit zum Handeln reif. Einer Baufrau mit wenig Budget schuf das Architekturbüro projekt.cc ein neues Refugium im Dach des elterlichen Hauses.

Manchmal passiert es, dass man wieder im alten Mädchenzimmer sitzt und wunderlich um sich blickt. Dann ist die Zeit zum Handeln reif. Einer Baufrau mit wenig Budget schuf das Architekturbüro projekt.cc ein neues Refugium im Dach des elterlichen Hauses.

Am nördlichen Stadtrand von Pinkafeld gibt es eine homogene Einfamilienhaussiedlung, die nach dem Krieg mit viel Fleiß und hohem Selbstbauanteil errichtet wurde. Schmucke Gärten säumen die rechteckigen und quadratischen Siedlungshäuser. In einem dieser Gebäude ist die Baufrau aufgewachsen. Viel Zeit und harte Arbeit hatte die Familie einst in den Bau investiert. Straße und Küche liegen im Westen, der Wohnraum im Süden, ein Zimmer mit Bad im Osten. Unter der charakteristischen Schleppgaupe im Norden führte bis vor Kurzem die Stiege aufs steile Satteldach.

Die Jahre zogen ins Haus, und mit ihnen kehrte auch die Baufrau mitsamt ihren Kindern wieder in ihre alte Dachkemenate zurück. Glücklich machte sie das allerdings nicht. „Als ich da in meinem Mädchenzimmer mit dem alten Spannteppich saß, wurde mir klar, dass etwas passieren musste.“ Eine Neuerung war längst überfällig, denn in bauphysikalischer Hinsicht war das Haus eine Ruine. Das Dach war undicht, mit trotzendem Eternit war lediglich die Wetterseite verkleidet und - der gewichtigste Nachteil - die Beheizung der bescheidenen 70 Quadratmeter verschlang Jahr für Jahr weit über 3000 Liter an Heizöl. Eine derartige Ressourcenverschwendung ist nicht nur teuer, sondern auch ökologisch bedenklich.

Also suchte die Baufrau um Förderung zur Althaussanierung an. Christian Tabernig und Harald Kloiber vom Architekturbüro projekt.cc bauten ihr im Zuge der Sanierung das Dach zum neuen Refugium mit eigenem Bad aus. Das Platzangebot ist beachtlich, der Weitblick durchs Panoramaglas enorm.

Eine Erschwernis gab es obendrauf. Da die Baufrau Lehrerin ist, musste das gesamte Haus über die Ferien fertiggestellt sein. Bis dahin hauste sie im Wohnwagen im Garten. Da die Zeit knapp war, wurde das alte Dach abgerissen und durch einen Aufbau aus vorgefertigten Holzbauteilen ersetzt. „Alles musste wie am Schnürchen funktionieren“, blickt Christian Tabernig zurück, „wir ließen deshalb nur die Giebelwände stehen. Um den neuen Dachstuhl aufsetzen zu können, betonierte der Baumeister dann einen umlaufenden Rost.“

Trick mit Dachneigung

Das gesamte Dach besteht aus statisch wirksamen KLH-Platten (Kreuzlagenholz), die ein selbsttragendes Faltwerk bilden. Außen ist das Dach mit Zinkblech verkleidet. Um möglichst viel nutzbaren Raum zu schaffen, sind die Seitenwände über die Gesamtlänge bis auf Raumhöhe hinaufgezogen. Darüber verläuft das Dach wieder in gewohnter Manier und spitzt sich in der alten Neigung auf 45 Grad zu.

Eine schlichte Betonmauer zwackt dem Garten an der Straße einen Parkplatz ab, dahinter führt ein neuer Schotterweg zum neuen Windfang. Man steigt zwei Stufen hinauf Das Entree liegt unter einer weißen Lkw-Plane. Und dann rein ins Haus. Man huscht an Mutterns Wohnküche vorbei, steigt die Stiegen hinauf, wo sich im Nordwesteck noch ein Zimmer für den Sohn ausging, und landet schließlich im neuen Reich.

Das weiße Bad mit der türkis verkachelten Dusche hat Gartenblick. Eine Tür führt in die weiße Schlafnische der Baufrau. Sie wird von einer flexiblen, beidseitig zu öffnenden Kastenwand aus weiß lackierten MDF-Platten umschlossen. Eine Leiter führt auf die Galerie unterm spitzen Dachgiebel, wo Platz für Bücher und Gäste ist.

Gewohnt wird im langen Einraum. Hier blickt man weit über die nachbarlichen Siedlergärten bis zum Kirchturm. „Früher bin ich nicht gern nach Hause gekommen“, sagt die Baufrau, „doch das ist nun vorbei. Die Lebensqualität hat sich so stark verbessert - das lässt sich nicht beschreiben.“

Der Standard, Sa., 2007.08.04

28. Juli 2007Isabella Marboe
Der Standard

Strenger Westwind

Die Bauherren wollten es schlicht, sachlich und elegant. Kein Wunder, dass sie irgendwann einmal bei einem Vorarlberger Architekten landeten. Johannes Kaufmann plante ihnen eine hölzerne Kiste und importierte so ein Stück westlicher Baukunst nach Klosterneuburg.

Die Bauherren wollten es schlicht, sachlich und elegant. Kein Wunder, dass sie irgendwann einmal bei einem Vorarlberger Architekten landeten. Johannes Kaufmann plante ihnen eine hölzerne Kiste und importierte so ein Stück westlicher Baukunst nach Klosterneuburg.

„Es gibt nichts Hässlicheres als ein Haus, bei dem man gleich das Garagentor sieht.“ Das ist ein eindeutiges Statement der Baufrau. Sie und ihr Mann haben einen fein geschulten Sinn für Architektur. Auf ihrem Hanggrund über Klosterneuburg musste daher ein besonders schönes Haus stehen. Schlichte Ästhetik, Funktionalität und perfekte Details stehen bei beiden hoch im Kurs. In der Regel findet man diese Qualitäten nirgendwo so konsequent verwirklicht wie in Vorarlberg und der Schweiz.

Man beschloss, drei Vertreter der neuen Sachlichkeit zum Essen einzuladen. Schließlich wollte man sich stark einbringen und mit dem Architekten gut auskommen. Es kamen Johannes Kaufmann, Dietrich Untertrifaller sowie ein ehemaliger Mitarbeiter von Herzog & de Meuron. Kaufmann sagte zu und brachte so ein Stück Vorarlberger Präzisionsarchitektur auf den weitläufigen Nordhang.

An die dreißig Grundrisse hatte der Bauherr schon ausgetüftelt und kannte den Grund daher wie kein anderer: „Ich bin hier aufgewachsen und weiß genau, wo die Sonne aufgeht.“ Der Architekt indes ging frei an die Arbeit heran: „Es gibt selten Grundstücke mit so wenig Zwängen. Wir planten ganz pragmatisch ein fast quadratisches Punkthaus mit Mittelerschließung.“

Das Haus besticht durch Perfektion. Die Fassade ist als Screen vorgesetzt, was den Eindruck des scharfkantigen Baukörpers verstärkt. „In jedem Wohnbereich ist ein großes Fenster mit tiefer Sitzlaibung eingeschnitten“, sagt Kaufmann, „da sieht man nur die Kante und den Ausblick, sonst nichts.“ Für Kaufmann sind diese Fernseher in die Landschaft hinaus wie eigene, angekoppelte Räume.

Das Erdgeschoß ist in den Hang geschoben, darüber setzt die Wohnebene mit einem schattigen Vordach auf. Unterschiedliche Abstände veredeln die Lattung zur raffinierten Hülle, die den Blick mal filtert, einmal abschirmt, einmal freigibt. Wie zarte Schleier ziehen sich die Hölzer als Sonnen- und Blickschutz rund ums Haus. Auch die Öffnungen variieren das Thema. Sie liegen hinter der durchlässigen Holzwand verborgen, führen als Türen unmittelbar ins Freie und holen an den schönsten Aussichtspunkten den Postkartenblick ins Innere.

Dezent zieht sich die Garage hinter einer anthrazitgrauen Eternit-Verkleidung ins nordwestliche Hauseck zurück. Die Tore verschwinden bündig in der Fassade und geben sich erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Daneben markiert ein dezenter Glasschlitz den Eingang ins Haus.

Wald im Bild

Durch ein Oberlicht dringt diffuses Tageslicht in den Raum. An einem weißen Schleiflackregal entgleitet die Treppe zur Terrasse. Eine Öffnung ist eingeschnitten: Man erahnt bereits den grünen Waldblick, den man vom Esstisch aus hat. Im Fensterpassepartout entfaltet er sodann seine volle Wirkung.

Der Bauherr schaut gern in die Bäume. Durch den Postkartenrahmen werden sie zu einem Bild gefasst, im Schlafzimmer fallen sie ihm sogar regelrecht ins Bett. Auf dem eingeschnittenen Balkon im Nordosten kann man zudem Frischluft und Morgensonne tanken. Seine Frau indes sitzt am liebsten in der tiefen Fensterlaibung im Nordwesten. Von hier schweift der Blick bis weit über die Donauauen hinaus.

Auch der Freiraum wurde in die architektonische Planung miteinbezogen. Das Wohnen geht auf einer Ebene in die Terrasse über. Sie wird von einer Stützmauer gefasst. Ein Pool und ein Stück Liegewiese sind in den Lattenrost eingelassen, als seitlicher Wind- und Sonnenschutz ergießt sich ein Holzschleier vom Vordach bis zum Boden.

Das Haus wurde mit dem niederösterreichischen Holzbaupreis 2007 ausgezeichnet.

Der Standard, Sa., 2007.07.28



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Haus Wilhelm

21. Juli 2007Isabella Marboe
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Schwerelosigkeit im Himmel

Wohnen über den Dächern von Wien? Das kennen wir schon - weit gefehlt: Eine Dach-maisonette der beiden Architekten Kristof Jarder und Peter Achhorner eröffnet neue Ein- und Ausblicke und zeigt vor, wie Architektur und Möbel zu einer Einheit verschmelzen.

Wohnen über den Dächern von Wien? Das kennen wir schon - weit gefehlt: Eine Dach-maisonette der beiden Architekten Kristof Jarder und Peter Achhorner eröffnet neue Ein- und Ausblicke und zeigt vor, wie Architektur und Möbel zu einer Einheit verschmelzen.

Die Bauherren sind Stadtmenschen mit ausgesuchtem Stilbewusstsein und Kunstsinn. Für sie lag der Gipfel des Wohnglücks nicht im Grünen, sondern auf einem Dach im Zentrum von Wien. Genauer gesagt: Auf dem Dach des so genannten Toscanahofs in der Argentinierstraße. Das Haus mit der gewellten Fassade - ein Entwurf von Architekt Gustav Peichl - hat eine stille Rückseite zum Park und eine geschickt gestaffelte Dachzone mit lukullischem Freiraumangebot. Die Maisonette-Wohnungen sind allesamt mit Terrassen und Balkonen ausgestattet, Wienblick inklusive. Herz, was willst du mehr?

Das Timing der Bauherren war perfekt. Sie stiegen in der Rohbauphase ein und konnten sich so von den beiden Architekten Kristof Jarder und Peter Achhorner ihr maßgeschneidertes Wunschdomizil am Dach planen lassen. „Die Bauherren wollten ein komplett durchgestyltes Ensemble für zwei Personen“, erklärt Jarder, „die Innenräume sollten loftartigen Charakter haben und eine klare Trennung zum Privaten aufweisen.“ Edelhölzer und Nuancen von Weiß bilden nun den vornehmen Rahmen fürs Wohnen und Arbeiten, für ungestörten Rückzug und angeregte Geselligkeit.

Wie Designstücke stehen die raffinierten Möbel aus einem Guss in der Wohnung und leiten die Blicke und Füße selbstredend zur nächsten Raumzone. Die beiden Architekten hatten Augenmaß und Taktgefühl: Sie wiesen den unterschiedlichen Wohnzonen ein wohldosiertes Maß an Intimität oder Geselligkeit zu. Die Grenze zwischen Architektur und Möbel ist fließend. „Furnitecture“ nennt Jarder diese Symbiose aus Furniture und Architecture.

Gewohnt wird zwischen zwei Wandscheiben mit je einem Gemälde von Gunter Damisch. Dazwischen sind Regale, Bar und Anrichte zu Architektur gewordenen Möbeln geformt. Als leichte Scheibe ruht die Tischplatte auf ihrem schwarzgelackten Fuß, ein weißes Wandeck fasst die Kamingespräche auf der Couch.

Das Prunkstück der neuen Möbelarchitektur ist die Stiege, die von der Garderobe in eine Sitzbank aus weißem Alcantara-Leder übergeht. In samtweichem Bogen schmiegt sie sich an ein hölzernes Podest aus brasilianischer Nuss. Ihm entwächst eine gewendelte Stiege, die in graziler Leichtigkeit zwischen weißen Metallwangen auf die Galerie hochführt. Nicht von ungefähr erinnert die Treppenskulptur an ein Schiffsdeck.

Cleverer Stauraum

An einem Wandbogen mit ausgesuchten Schwarz-Weiß-Fotos gleitet man ins Obergeschoß. Auch hier spielt die Furnitecture von Achhorner und Jarder eine Schlüsselrolle. Für die nötige Trennung zwischen Vorraum und Bad, zwischen Arbeitsraum und Schlafbereich sorgt ein elf Meter langes Kastenmöbel, das nachhaltig stille Poesie verströmt. Seine gepolsterten Türen sind mit den Fotos verfremdeter Blütenblätter vom Fotografen Andreas Baumann bedruckt. Dezent gewähren die Türen Zugang zu einem beachtlichen Stauraum, ins großzügige Bad und ins Schlafzimmer. Der dick gepolsterte Stoff an der Schrankwand hat einen großen Vorteil: Er dämpft die Akustik, in den Zimmern wird daher trotz offenen Raumflusses Intimität und Stille gewahrt.

Selbst das Arbeiten verliert in diesem Haus an Schwere: Souverän hakt sich an der Rundsäule des Arbeitszimmers ein schwarz geschwabbelter Bumerang-Schreibtisch fest. Das unverwechselbare Design, das ohne Tischbeine auskommt, stammt von Kristof Jarder. Hier kann der Bauherr fußfrei am Fenster sitzen und beim Blick auf die Dachlandschaft Inspiration auftanken.

Der Standard, Sa., 2007.07.21



verknüpfte Bauwerke
Dachmaisonette

14. Juli 2007Isabella Marboe
Der Standard

Die Arche der Architekten

Für sich selbst zu bauen ist für einen Architekten wohl eine der schwierigsten Bauaufgaben. Das Architektenpaar Irene und Christoph Antel erfüllte sich einen jahrelangen Traum: An ein kleines Haus aus den Fünfziger- jahren dockt nun ein moderner Holzbau an.

Für sich selbst zu bauen ist für einen Architekten wohl eine der schwierigsten Bauaufgaben. Das Architektenpaar Irene und Christoph Antel erfüllte sich einen jahrelangen Traum: An ein kleines Haus aus den Fünfziger- jahren dockt nun ein moderner Holzbau an.

Neupischelsdorf ist keine Adresse, die sich zur Gründung eines Architekturbüros aufdrängt. Gerade einmal 80 Einwohner zählt die kleine Ansiedlung, die zwanzig Autominuten südöstlich von Wien in der Weite des niederösterreichischen Flachlandes liegt. Doch ein Architekturbüro in Neupischelsdorf hat einen erheblichen Vorteil: Es gibt kaum Konkurrenz vor Ort. Für die Architekten Irene und Christoph Antel ist die Lage ideal: „Wir kennen die Gegend von Kindheit an, haben hier viele Kontakte und wollten nach der Zeit in Wien unbedingt wieder aufs Land zurück.“

Wo die Aulandschaft der Fischa ins Wiener Becken übergeht, entdeckten die beiden Antels ein unaufregendes, aber schön gelegenes Häuschen aus den Fünfzigerjahren. Sie entschieden sich zum Kauf und beschlossen, das Gebäude für ihre Zwecke zu erweitern. Hier konnten sie zeigen, wie sich ökologisch nachhaltig im Einklang mit Natur und Bestand wohnen und arbeiten lässt - ein perfektes erstes Referenz-Projekt. Eines wusste man von Anfang an: Das Architektenhaus sollte nicht protzen. Mehr als ein Geschoß kam für das eigene Wohn- und Arbeitsparadies daher nicht infrage.

Bauen mit Hochwasser

Den Altbau betrachteten Antel und Antel als bestehende Raumressource. Er blieb, wo er war und birgt nun Lager, Archiv und Haustechnik. Als stiller Zeitzeuge regionalen Bauens bildet er heute die integrative Mitte des Neubaus. Da man sich hier mitten im Überschwemmungsgebiet befindet, musste dafür Sorge getragen werden, dass man auch dann trocken über dem Gelände schwebt, wenn die Fischa wieder einmal aus den Ufern tritt. Daher wurde der Neubau aufgeständert: Sechs Stufen führen auf das erhöhte Betonfundament hinauf.

Bis auf zwei speichermassenwirksame Betonscheiben handelt es sich beim Neubau um ein reines Holzhaus in Niedrigenergie-Bauweise. „Im Vergleich zu Beton oder Stahl ist Holz ein vergängliches Material, bei dem klar ist, dass es eines Tages ausgetauscht werden muss“, sagt Irene Antel, „Holz ist ganz einfach lebendig.“ Und genau das sei das Schöne daran. „Wir wollten zeigen, dass man mit Holz nicht nur rustikal, sondern auch modern und zeitgemäß bauen kann.“ Vom roten Holz-estrich bis zur massiven und sichtbar belassenen Kreuzlagensperrholzdecke ist das Haus eine durchkomponierte Sinfonie an Holzwerkstoffen. Außen ist es mit unbehandelten Lärchenlatten verkleidet, die mit der Zeit grau werden. Innen sind die installationsführenden Holzständerwände mit OSB-Platten und mit Fichte beplankt. Und sogar die Möbel sind aus Holz: Sie bestehen teilweise aus furniertem Sperrholz, teilweise aus massiver Fichte.

Idyll im Innenhof

„Wohnen und Arbeiten wollten wir unbedingt zusammenbringen“, sagt Christoph Antel, „denn wir wollten nicht mit zwei Autos durch die Gegend fahren. Und in die Ortschaft fahren wir sowieso mit dem Rad.“ Die Drahtesel haben sogar ein eigenes profilitverglastes Oval am Parkplatz. Daneben ragt die Büroglasfront einladend auf die Straße. Zwischen dem extrovertierten Arbeits- und dem privaten Lebensraum am Grünen liegt ein Vorraum als neutrale Zone. Als klare Grenze ist an der Kinderzimmerwand ein Innenhof eingeschnitten. Irene Antel: „Ich sitze gern da und schaue in die Landschaft hinaus. Wenn die Ostbahn vorbeifährt, sieht das nachts aus wie eine leuchtende Raupe.“

Der Wohnraum selbst ist ein fließendes Raumgefüge. Unaufhaltsam strebt er dem entgrenzenden Nurglaseck im Nordwesten zu. Am geradlinigen Küchenmöbel mit integrierter Bar gleitet man zum Essplatz. Integrierte Bücherborde und ein Stück Wand an der eingeschnittenen Terrasse schenken dem Essbereich Rückhalt und Intimität. Durch Glasfronten werden Sonnenwärme und Ausblick eingefangen. Ab dann verliert sich das Wohnen in der Natur.

Der Standard, Sa., 2007.07.14



verknüpfte Bauwerke
Haus Antel

07. Juli 2007Isabella Marboe
Der Standard

Hausskulptur in Handarbeit

Das Grundstück wurde gerodet - plötzlich verlief eine Geländekante mitten durch die Parzelle. Passgenau meißelten die Architekten Schmid & Boese einen schwungvollen Hausbaukörper. Unten ist er praktisch, oben bietet er zudem fabelhafte Aussicht.

Das Grundstück wurde gerodet - plötzlich verlief eine Geländekante mitten durch die Parzelle. Passgenau meißelten die Architekten Schmid & Boese einen schwungvollen Hausbaukörper. Unten ist er praktisch, oben bietet er zudem fabelhafte Aussicht.

Der Pachtgrund in Purkersdorf war ein echter Glücksfall. Wie eine Insel liegt er im Bogen einer Forststraße. Im Osten grenzt der Friedhof mit Weitblick über Ort und Landschaft an, am Westhang dahinter ragt nur noch der Wienerwald empor. „Im Herbst ist diese Kulisse ein Wahnsinn, da spielen sich alle Farben ab“, gibt sich Architekt Stefan Boese zufrieden, „das Grundstück hat nur Sonnenseiten.“ Das ist Understatement vom Feinsten.

Zuvor war die Parzelle von urwaldartigem Dickicht übersät, mit der Rodung trat dann überraschenderweise ein Geländesprung zutage. Aufgrund der schwierigen Gegebenheiten bedurfte es mehrerer Durchläufe zwischen Handskizzen, Modellen und Computersimulationen sowie einiger Ortserkundungen zu allen Jahreszeiten. Erst dann war der Baukörper so weit ausgereift, dass er sich mit Selbstverständlichkeit an die Bruchkante im Gelände schmiegt und die Sonnenseiten der Lage zum Strahlen bringt.

Das architektonische Konzept schien perfekt. Ursprünglich schwebte den Bauherren ein leichtes und offenes Wohnen auf einer Ebene vor. Mit der Hangformation war das nicht ohne Weiteres zu vereinen. Zum Glück brauchten sie auch Garage, Lagerräume, eine Ordination sowie eine Einlieger-Wohnung für betagte Eltern oder flügge werdende Kinder. Stefan Boese schob all diese Funktionen als Betonbasis in den Hang und ordnete das offene Wohnen sodann im Obergeschoß an.

Platz für Geselligkeit

Das Wohnzimmer ist das kommunikative Herz des Hauses. Die Nordwand birgt etlichen Stauraum für Bücher und wird somit zum intellektuellen Rückgrat des Wohnraums. Der gesellige Essplatz liegt direkt vor der Terrasse, im Sommer ufert das familiäre Beisammensein oft ins Freie aus. Das weiße Küchenmöbel, das der freien Raummitte seine bartaugliche Tresenseite zukehrt, eignet sich zudem perfekt für größere Runden mit Gästen. „Wir wollten Feste feiern können“, sagt die Baufrau, "der Nachteil ist nur, dass jetzt alle zu uns kommen.

Beidseitig verglast, setzt die ausgedehnte Wohnebene mit einer Terrasse auf Wald- und Wiesengrund auf. „Manchmal hoppelt in der Früh ein Hase vorbei und knabbert am hohen Gras“, sagt die Baufrau, „das ist total süß.“ Auf zwei Balkonen kann man schließlich Fernblick genießen - mit etwas Glück sogar bis zur Kuppel von Steinhof. „Die Familie ist sehr gesellig“, erklärt der Architekt, „die vielen Freibereiche haben sich daher einfach ergeben.“

Am Südende der Wohnebene liegt das Schlafzimmer. Der durchgesteckte Raum mit straßenseitigem Balkon hatte es in sich: „Aus konstruktiver Sicht war das Schlafzimmer mit Abstand am aufwändigsten zu planen“, sagt Stefan Boese, „die Seitenwand trägt nämlich das ganze Obergeschoß.“ Tief im Erdreich verankert, düst sie stützenfrei über den Hang hinweg und schafft unter sich eine gedeckte Zufahrt. So bleiben die Ankömmlinge selbst bei Regen trocken.

Praktisch ist das Haus auch in ganz anderer Hinsicht: Die Bauherren wünschten sich von Anfang an ein Niedrigenergiehaus mit Wärmerückgewinnungsanlage. Geheizt wird mit Pellets. Der betonierte Sockel und die Betondecke entfalten einen weiteren Vorteil: Sie wirken als speicherfähige Masse. Um das Haus optisch leichter zu machen, sind die Seitenflanken im Süden und im Norden mit Lärchenholz verkleidet - Handarbeit von Bauherr und Architekt.

Der Standard, Sa., 2007.07.07



verknüpfte Bauwerke
Einfamilienhaus RMS

23. Juni 2007Isabella Marboe
Der Standard

Gut gewürfelt

Wie baut man am Stadtrand? In unmittelbarer Nähe der Lienzer Dolomiten planten die Architekten Steinklammer und Machné/Durig eine heterogene Wohnhausanlage. Zusammengehalten wird sie von einem Schuss Corporate Identity - und von Kunst am Bau.

Wie baut man am Stadtrand? In unmittelbarer Nähe der Lienzer Dolomiten planten die Architekten Steinklammer und Machné/Durig eine heterogene Wohnhausanlage. Zusammengehalten wird sie von einem Schuss Corporate Identity - und von Kunst am Bau.

Rundherum ist man von Dolomiten umzingelt, allmählich verliert sich die Stadt in der Landschaft: Wir sind in Lienz, genauer gesagt am südlichen Stadtrand davon. Das Grundstück im Stadterweiterungsgebiet hatte reichlich Zukunftspotenzial: Es liegt in der Nähe des Dolomitenstadions, die Bebauung nimmt ab und wird zu einem Einfamilienhausteppich, das Grün liegt vor der Nase. Einziger Wermutstropfen an der Sache: Leistbare Wohnungen sind hier rar.

Die Stadtentwicklung hatte mit der Gegend daher einiges vor. Als zukunftsweisendes Modell sollte eine geförderte Siedlung mit 250 Einheiten entstehen. Also widmete man das Grünland um. Anschließend wurden die Architekten Machné, Gussnig und Steinklammer sowie die Architektengemeinschaft STG mit einem städtebaulichen Entwicklungskonzept beauftragt.

Das Tiroler Friedenswerk realisierte den zweiten Bauabschnitt des Wohnparks Lienz Süd - fertig gestellt im November 2006 - mit insgesamt 77 Einheiten. Das Stadtzentrum liegt gerade einmal ein paar Radminuten entfernt, die westliche Grundgrenze wird von einem Campingplatz gesäumt und im Osten und Norden lassen vereinzelte Wohnblöcke ahnungsvoll Urbanität aufkeimen.

Wohnen mit Kunst

Die Architekten Hans Peter Machné, Marianne Durig und Georg Steinklammer reagierten auf diese Zwitterlage mit Typenvielfalt - Würfelhäuser, Terrassenhäuser, Split-Level-Häuser - und einigten sich auf weißen Putz und dunkelrot beschichtete Verkleidungen. Das nennt sich Corporate Identity. Verstärkt wird sie nur noch von der Kunst am Bau. Mal ragen expressive Körperfragmente von Hans-Peter Profunser in den Durchgang, mal sind es fragile Menschengestalten, die der Künstler Peter Niedertscheider in quadratische Steinplatten gefräst hat - innen und außen sind sie über Stiegen, Wände und Wege verstreut und sollen die Wahrnehmung sensibilisieren.

Beispielsweise jene für die Architektur: „Ich bin durch und durch ein Gartenmensch“, sagt die Mieterin einer Dachterrassenwohnung, „und diese Wohnung ist wie ein eigenes Haus. Jeder hat seine Etage, auf der er sich zurückziehen kann.“ Sie weiß, wovon sie spricht, schließlich bewohnt sie mit ihrer Familie eine dreigeschoßige Split-Level-Wohnung.

Durch ein breites Oberlicht fallen Sonne und Dolomitenpanorama in die Wohnküche. Unter dem Pultdach steigt der Raum auf beachtliche anderthalb Geschoße an und weitet sich mit einer glasumhausten Nische zum windgeschützten Essplatz auf der Terrasse. „Die Aufteilung ist toll. Man kann hier ungestört sitzen und hat rechts und links nur Berge.“ Sogar auf Vorhänge könne man hier getrost verzichten.

Wohnen im Würfel

Eine andere Wohnform bieten der fünfstöckige Wohnwürfel mit seinen Balkonmäandern und das ebenso hohe Punkthaus, um das sich dunkelrote Terrassenschleifen mit eingeschnittenen Glasflächen schlingen. Am Nordwestrand des Grundstücks gelegen bilden sie die Pfeiler zur Stadt.

Zwei- und Dreizimmerwohnungen sind um eine mittige Stiege gruppiert. Alle Wohnungen sind zweiseitig belichtet. Ihre organisch ums Eck geführten Freiflächen wachsen vom schmalen Wirtschaftsbalkon zu einer stattlichen, esstischtauglichen Terrasse am Wohnzimmer an.

Und schließlich die Südostflanke des Grundstücks: Lose aneinander gereihte Würfelhäuser mit Mietergärten zu ebener Erde bilden hier den Abschluss der heterogenen - und doch stimmigen - Wohnhausanlage. Zwischen die Baukörper ist paarweise je ein offenes Stiegenhaus eingeschoben. Die oberen Geschoße sind gegeneinander versetzt. Auf diese Weise bildet der Wohnraum im zweiten Stock gemeinsam mit der südwestwärts orientierten Terrasse einen Stock tiefer einen gedeckten und begehbaren Freiraum. Hier beginnt die ländliche Umgebung, hier kann man dolomitische Bergluft atmen.

Der Standard, Sa., 2007.06.23



verknüpfte Bauwerke
Wohnpark Frieden Lienz Süd

16. Juni 2007Isabella Marboe
Der Standard

Aus eng mach weit

Was tun, wenn das Grundstück beengt und beschattet ist? Mit einem Einfamilienhaus in Klosterneuburg liefert Architekt Walter Stelz-hammer eine Antwort: Man ziehe die Bauteile auseinander, schaffe reichlich Platz für gläserne Stiegenhäuser und flute die Räume mit Licht.

Was tun, wenn das Grundstück beengt und beschattet ist? Mit einem Einfamilienhaus in Klosterneuburg liefert Architekt Walter Stelz-hammer eine Antwort: Man ziehe die Bauteile auseinander, schaffe reichlich Platz für gläserne Stiegenhäuser und flute die Räume mit Licht.

Für seine Parzelle in Klosterneuburg hatte der Bauherr einen eindeutigen Favoriten. Für das künftige Haus kam ausschließlich Architekt Walter Stelzhammer infrage. Und die Aufgabe war nicht leicht, denn der windschief abfallende Nordhang mit seinen gerade einmal 480 Quadratmetern bot nicht viel Platz. Im Westen war das Grundstück von Föhren beschattet, rundherum zudem von Nachbarn umkreist. Herausforderungen sind gut, also nahm Stelzhammer den Auftrag an.

Eines trüben Wintertages begab sich der Architekt abermals vor Ort und ging danach für ein paar Wochen in Klausur - die Muldenlage war zum Verzweifeln. „Ich wollte aus der Enge der Verhältnisse einen Raumplan entwickeln, der vergessen lässt, wie klein und beengt der Grund eigentlich ist.“ Stelzhammer löste den gordischen Knoten in drei parallele Baukörper auf. Dazwischen sorgen gläserne Stiegenhäuser für Sonne, Weitblick und fließende Kommunikationsströme - es entstand ein dreifaches Haus im Haus. Jeweils um ein halbes Geschoß versetzt wandert es hangaufwärts und schafft im Garten auf diese Weise intime Höfe und ausblickreiche Terrassen.

Die Föhren winken

Am tiefsten Punkt im Osten befindet sich das Schlafhaus, dahinter liegt der Bereich für die Gäste. Durchs Oberlicht des Stiegenhauses winken aus dem Westen bereits die Föhrenstämme herüber. Gut für den Bauherrn, denn der gebürtige Tiroler liebt den Weitblick und die Natur. Noch besser allerdings für seine Frau, denn diese stammt aus Schweden und liebt die Bäume.

Über der Garage nehmen die beiden Kinderzimmer die Morgensonne ins Visier, die direkt über der Straße auftaucht. Auf der anschließenden Terrasse liegen die Töchter oft im Windschatten und lassen sich bräunen.

Im Wohnraum treffen die Reiche der Eltern und der Kinder schließlich aufeinander. „Wir sehen uns gern gemeinsam Filme an“, sagt die Baufrau, „doch die Trennung ist gut, denn beim Schlafen bin ich empfindlich.“ Die erzielte Lösung erlaube es sogar, spätabendliche Feste zu feiern, während nebenan schon geschlummert wird.

Das Ende des Hauses bildet der aufgeständerte Wohnraum auf Stelzen - das ist der krönende Abschluss mit direktem Blick auf die angrenzenden Nadelbäume. Doppelter Gewinn: Unter dem Wohnzimmer ist ein schattiges Platzerl entstanden, in dem Hitzegaplagte Entspannung finden.

Zurück ins Wohnzimmer: Platz gibt es hier nicht nur für die Familie, sondern auch für ihr größtes Faible: In einem raumhohen Regal, das sich ums Eck schmiegt, sind die vielen Bücher aufgehoben. Die versetzte Hauswand gibt im kuscheligen Leseeck ein Fenster nach Osten frei. In der Scheibe spiegelt sich - quasi ein ungeplantes Geschenk - das Stift Klosterneuburg.

Vom offenen Raumkonzept sind die Bauherren begeistert: „Wir hatten einmal 30 Gäste im Haus, das war kommunikativ.“ Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sie sich lose auf den Ebenen verteilten und über den Luftraum miteinander plauderten. Zu besonderen Anlässen geht's dann rauf aufs Dach - Fernblick inklusive. „Es ist wie auf dem Hochseedampfer, wir haben da oben sogar schon Silvester gefeiert.“

Der Standard, Sa., 2007.06.16

09. Juni 2007Isabella Marboe
Der Standard

So grün war Hietzing noch nie

Was den Dachausbau betrifft, hat Architekt Heinz Lutter eine Faustregel, die er eisern befolgt: Die „Stadt über der Stadt“ ist eine völlig selbstständige Ebene über den Dächern von Wien. Mit seinem lindgrünen Dachaufbau im noblen Hietzing zeigt er, was er damit meint.

Was den Dachausbau betrifft, hat Architekt Heinz Lutter eine Faustregel, die er eisern befolgt: Die „Stadt über der Stadt“ ist eine völlig selbstständige Ebene über den Dächern von Wien. Mit seinem lindgrünen Dachaufbau im noblen Hietzing zeigt er, was er damit meint.

Ein ausbaufähiger Rohdachboden auf einem stattlichen Doppelhaus in bester Hietzinger Grünlage: Besseres kann einem Investor wie den Conwert-Immobilien nicht passieren. Doch es kam noch besser. Man kaufte das ganze Haus und wollte natürlich die Rendite steigern. Fassade und Stiegenhaus wurden saniert, ein Lift wurde eingebaut, das Dach wurde ausgebaut. „Wir wollten aber nicht einfach nur Dachflächenfenster einsetzen, sondern etwas Modernes draufbauen“, sagt Projektentwickler Karl Raabl. „Es sollten zeitgemäße Wohnungen mit genug Raumhöhe, Terrasse und Ausblick entstehen.“

Die Vorgaben der Bauherren an Architekt Heinz Lutter waren damit klar umrissen. Die unmittelbare Nähe des Hauses Müller, einer klassisch modernen Ikone von Adolf Loos, legte die Latte hoch. Wo man einst schon zukunftweisend war, da muss man auch heute in die Zukunft blicken. Lutter agierte mehr als modern.

Ein Satteldach mit zwei Walmen krönte bis vor Kurzem das dreistöckige Haus. Das bisherige Volumen durfte nicht überschritten werden, mehr als ein Geschoß war also nicht drin. Ein Grund mehr, jeden Quadratzentimeter zu nutzen. Der schrägwandige Dachaufbau mit Erkern und Gaupen ist angewandte Bauordnungsmathematik und Baukörpergeometrie auf höchster Stufe. „Ich wollte etwas Signifikantes draufsetzen, das mehr ist als ein Dach“, sagt Lutter. „Der Aufbau sollte einen neuen Abschluss schaffen, der auch zum Bestand passt.“

Der Altbau ist eine gediegene Stadtvilla mit symmetrischem, H-förmigem Grundriss und großem Garten. Entstanden ist sie an der Schwelle zum Jugendstil. Eine schmucke, halbrunde Loggia mit Balkon ziert die Mitte der Straßenfassade, zwischen den seitlichen Flanken ist ein repräsentativer Vorhof eingefasst. An den Enden des Mitteltrakts liegt je ein schmales Stiegenhaus. In der schmalen Spindel führt nun ein ebenso schmaler Lift rauf aufs neue Dach.

Dach völlig autonom

Oberhalb der Gesimskante ist alles anders: Lange Balkonbänder, die sich gartenseitig zu Terrassentiefe ausweiten, mäandern hinter lochblechverkleideten Brüstungen am Gesims entlang. Seitlich sind Balkone eingeschnitten. Dahinter sorgt ein Holzleichtbau mit raumhohen Fenstern für gutgelauntes Wohnen mit Blicks ins Grüne. Und zwar in beide Richtungen: Denn das Dachgeschoß ist rundum mit lindgrünen Prottelith-Platten verkleidet. Die Brandschutzanforderungen an ein Wiener Dach schaffte das innovative Material allerdings nicht. „Wir durften zwar die Außenwände mit Prottelith verkleiden, mussten aber ein Zinkblechdach ausführen“, gesteht sich Lutter ein.

Wichtig sei die Form gewesen: „Ich wollte etwas Penthouse-Artiges machen, das mit verschiedenen Höhen spielt. Man sollte auf die Terrassen treten können und das Gefühl haben, unter Bäumen zu stehen.“ Geworden sind daraus zwei schrägwandige Tonnen. Die lichtdurchfluteten Innenräume kommen ganz ohne sichtbare Sparren aus.

Über den Seitenflügeln bilden die Erker und Gaupen lauschige Nischen. Bündig sind Glastüren, die sich von einem Scharnier in Gürtelschnallen-Manier auch in Lüftungsposition arretieren lassen, in die lindgrünen Wände eingeschnitten: Wie durch ein holzverkleidetes Kastenmöbel tritt man über zwei graue MDF-Stufen hinaus ins Freie. Die Rechnung der Bauherren ging auf: Längst wechselte das Haus seinen Besitzer.

Der Standard, Sa., 2007.06.09

02. Juni 2007Isabella Marboe
Der Standard

Das Leben ist ein Honigschlecken

Ein Haus mit anschließender Imkerei? Das ist ein wahrlich seltener Bauherrenwunsch. Doch Architekt Gernot Hertl war auch vor einem solchen nicht gefeit. Konsequent schüttete er in den Innenräumen Honig an die Wand und kleidete das Haus in eine Kupferhaut.

Ein Haus mit anschließender Imkerei? Das ist ein wahrlich seltener Bauherrenwunsch. Doch Architekt Gernot Hertl war auch vor einem solchen nicht gefeit. Konsequent schüttete er in den Innenräumen Honig an die Wand und kleidete das Haus in eine Kupferhaut.

Es war Liebe auf den ersten Blick. „Wir wussten sofort, das ist es!“, sagt die Baufrau, „wir wollten in offenen, weiten Räumen mit viel Glas leben. Das Einzigartige an der Lage ist, dass uns hier keiner auf den Teller schaut.“ Da störte auch nicht, dass die einstige Gärtnerei am Ortsrand landwirtschaftlich genutzt sein wollte. Man beschloss, die herrliche Wiese, die sich an den Waldrand schmiegt, für die Bienen blühen zu lassen und die hohe Schule der Imkerei zu erlernen.

„Die Bauherren suchten einen Architekten für ein präzises Haus“, sagt Gernot Hertl, „das setzt einen mächtig unter Druck.“ Als Hertl kontaktiert wurde, waren Imkereiküche, Schmutzschleuse und Lagerraum schon längst beschlossene Sache. Außerdem wünschte man sich zwei Büros, Kinder- und Gästezimmer mit Bad, eine Bibliothek zum Schmökern und einen großzügigen Wohnraum mit Kamin und stattlich großem Esstisch - schließlich ist die Baufrau ambitionierte (Schau)-Köchin, um deren Herd und Tafel sich gelegentlich bis zu 25 Gäste scharen.

Barocke Blickachse

Das Grundstück ist ein regelrechter Wiesenteppich am Rande des Waldes. Nur die schmale Westseite grenzt an den Ort. „Ich wollte die Stimmung präzise auf den Punkt bringen“, so Hertl. Die beinahe barock anmutende Blickachse sollte das Haus nach ansteigender Schönheit mit großen Glasflächen zum Wald öffnen, erklärt der Architekt. Um zu ermöglichen, hier in seine eigene Welt einzutauchen, sei von Anbeginn klar gewesen, wo das Haus stehen müsse.

Man thront auf einem Geländeplateau über Wald, Wiese und Schwimmteich. Wie eine verschlossene Auster steht das Haus über einem quadratischen Grundriss von fünfzehn Meter Länge. Rundum ist es von einer Kupferhaut umwickelt, in die polygonale Öffnungen geschnitten sind, die in einer raffinierten Choreografie Weg und Raumstimmung inszenieren. Sukzessive weitet sich der Blick durchs Fenster, bis die Landschaft im 3D-Cinemaskop-Format endlich das honiggelb fließende Innenleben des Wohnzimmers durchdringt.

„Dieses Haus lebt, das Kupfer verändert sich ständig“, sagt die Baufrau. Hinter der wettergegerbten Nordfront, die mittlerweile von rotbraun bis blaugrün schillert, liegen die Wirtschaftsräume der Imkerei, gegenüber sind kellertemperierte Lager in den Hang gegraben. Oben bahnt sich bereits das Fensterband der Kinderzimmer seinen Weg durchs Kupferblech, unten lugt das Schrägglas der Imkereiküche ums Eck. Fast 400 Kilogramm biozertifizierten Honigs werden hier - im Antlitz der Morgensonne - jährlich geschleudert.

Honig an den Wänden

Mit bauplastischer Verve bewältigt Hertl die Stärken und Tücken des Grundstücks. Oben schenkt ein Innenatrium den Eltern viel Licht und eine Terrasse, ein Glaseck erhellt das honiggelbe Gästezimmer mit honiggelbem Bad, die Bibliothek dahinter ist in honiggelbe Farbe getaucht. Nur durch einen Glaszwickel am Boden fällt der Blick aufs Gras.

Und damit bildet sie einen starken Kontrast zum natur- und lichtgefluteten Wohnraum: Am schrägen reinen Glashorizont mit direktem Blick auf die Waldkulisse wird gekocht und gegessen. Eine honiggelbe Treppenskulptur mit integriertem Kamin führt auf die luftige Galerie in die Schlafebene. „Für uns ist das schon ganz normal. Aber jeder, der das Haus zum ersten Mal betritt, ist überwältigt.“

Der Standard, Sa., 2007.06.02



verknüpfte Bauwerke
Ecker Abu Zahra Haus

19. Mai 2007Isabella Marboe
Der Standard

Postkartenblick vorm Fenster

Architekt Christian Heiss nennt seine Schaffensstätte nicht Büro, sondern Atelier. Spätestens wenn man die Ausblicke des Döblinger Einfamilienhauses inhaliert hat, weiß man auch, wieso. Wohnen vor einem Gemälde.

Architekt Christian Heiss nennt seine Schaffensstätte nicht Büro, sondern Atelier. Spätestens wenn man die Ausblicke des Döblinger Einfamilienhauses inhaliert hat, weiß man auch, wieso. Wohnen vor einem Gemälde.

„Ich wollte ein Haus im Grünen mit offenen, weiten Wohnräumen und ohne Gänge“, sagt die Baufrau, „vorher lebten wir in einer Dachwohnung, von der aus man immer nur den Himmel gesehen hat. Das hat weder uns noch den Kindern gefallen.“ Und so habe man sich entschieden, am Garten und am Leben teilhaben zu wollen. Außerdem sollte das Haus mitwachsen können und für den Nachwuchs eine Einliegerwohnung bereithalten. Keine leichte Vorgabe für ein freistehendes Einfamilienhaus auf einem sehr langen, aber nur 15 Meter breiten Steilhang, dessen Spitze im Wald- und Wiesengürtel mündet.

Als Architekt Christian Heiss auf dem Grund in Döblinger Bestlage stand, war es um ihn geschehen. „Die Länge hat mir gleich gefallen, ganz oben findet man eine für Wien einzigartige Ruhe.“ Ein abgetreppter Weg zelebriert den Aufstieg zum lauschigen Rasenplatz an der Spitze. Unter den Baumkronen der nachbarlichen Linden führt er von der Straße aus am Westrand des Grunds in einem sachten Bogen bis hin zur Terrasse, die zum Sonnenbaden einlädt. „Von hier aus gibt es diesen sehr, sehr schönen Blickpunkt auf die Kaasgrabenkirche. Es ist etwas Besonderes, so einen Maßanzug für eine Familie zu gestalten.“

Kirchturm im Bild

Insgesamt brauchte es drei Entwürfe, bis der schmale Hausbaukörper mit seinen raffinierten Einschnürungen, Erkern und Terrassen bauordnungskonform ins Gelände gebettet und so weit ausgetüftelt war, dass der Kirchturm nun postkartenreif durchs Fenster fällt. Mit einem verglasten Einraum entwächst das Erdgeschoss dem Hang, um sich auf drei differenzierten Wohnebenen zu Garten, Sonne und Aussicht zu recken. Kunstvoll feiert der Baukörper zwischen bezugsreich versetzten Wandscheiben seine außergewöhnliche Länge: Von der transparenten Breitseite im Süden flutet er um eine gläserne Mitte bis zum schmalen Nordende, das sich mit Terrasse, Panoramaerker und Balkonen der Stadt zuwendet.

„Die Grundrisslösung auf dem engen Grund war extrem schwierig. Ich wollte auf keinen Fall, dass ein Kellergefühl entsteht“, so Heiss, „das Herz des Hauses sollte lichtdurchflutet und hell sein.“ Schon beim Hauseingang zeigt sich die ganze Pracht der Helligkeit: Durch die Glaswand entlang der Stiege und durch bewusst inszenierte Wandschlitze kann man von hier bereits in die oberen Ebenen emporspähen. Der Ausblicke nicht genug: „Wir leben hier miteinander, nicht nebeneinander“, sagt die Baufrau, „man kann in der Badewanne liegen und ins Wohnzimmer schauen. Die Kinder lieben diese Glasfläche. Sie sehen sofort, wer gerade kommt.“

Fließende Raumgefüge

Im Windschatten der Treppe liegt die zweizeilige Küche. Sie gleitet entlang der Westwand bis zum Essplatz, der direkt an der Terrasse liegt. Am östlichen Ende windet sich die Südfassade raffiniert ums Eck. Auf diese Weise können Morgensonne und Natur hereinfallen - nicht zu vergessen die postkartengeeichte Kaasgrabenkirche.

Volltrunken der Landschaftsbilder geht es daneben vier Stufen aufs Eingangsniveau hinab, wo der schmale, aber stolze 3,15 Meter hohe Wohnbereich zwischen zwei Wandscheiben der Straße entschwebt.

Das transparente Entree darunter erschließt zwei potentielle Einliegerwohnungen. Hier schlüpfen die Bauherren tagtäglich vom Parkplatz ins Haus. Im hellen Vorraum der Schlafebene bewirkt die Glaswand der Treppe ihr letztes Wunder. Sie taucht den Schrankraum in helles Licht. Dahinter teilen sich Elternschlafzimmer und Bad die Terrasse. Im Norden buchten sich die Kindererker mit Balkon aus. Durch ihre Fenster winkt die Kirche - diesmal jedoch in Vogelperspektive.

Der Standard, Sa., 2007.05.19



verknüpfte Bauwerke
Haus H.

12. Mai 2007Isabella Marboe
Der Standard

Mit einem Hang zu Holz und Beton

Die Architekturwerkstatt Lienz realisierte Passiv-Reihenhäuser in bester Stadtrandlage. Wunderbar fügen sich die lose gegliederten Einheiten aus Holz und Beton in die Landschaft. Privatgärten bringen Sonne und Naturbezug, die Aussicht reicht bis zu den Dolomiten.

Die Architekturwerkstatt Lienz realisierte Passiv-Reihenhäuser in bester Stadtrandlage. Wunderbar fügen sich die lose gegliederten Einheiten aus Holz und Beton in die Landschaft. Privatgärten bringen Sonne und Naturbezug, die Aussicht reicht bis zu den Dolomiten.

„Patriasdorf ist der älteste Teil von Lienz und einer der wertvollsten Baugründe“, sagt Architekt Peter Jungmann, „ich bin dort aufgewachsen, damals war das noch ein rustikales Bauerndorf.“ Nur Wiese, Steine und nichts als Äcker. Doch dann musste ein dortiger Bauer seine sieben Geschwister auszahlen und das Grundstück parzellieren. Man hatte Glück. Denn die sieben Teile fielen nicht etwa einem Spekulanten oder Investor in die Hände, sondern dem planenden Baumeister Georg Gruber. Gemeinsam mit den Architekten Peter Jungmann und Reinhard Suntinger bildete er die Architekturwerkstatt Lienz. Einem erfolgreichen Projekt stand damit nichts mehr im Wege.

Die dreistöckigen Reihenhäuser brauchen insgesamt nur wenig Fläche und fügen sich mit dem eingeschobenen Erdgeschoß wunderbar in den Hang. Hochqualitatives Isolierglas, dick gedämmte Betonscheiben und kontrollierte Wohnraumbelüftung sorgen für Passivstandard. „Es ist eine sehr exklusive Lage. Doch der Kostendruck war so hoch, dass wir konzeptionell hochwertige Häuser in Serie planen mussten“, erklärt Jungmann. Am gewachsenen Boden im Norden befinden sich die Privatgärten. Das Material ist ortsspezifisch: oben naturverwitterte Lärche, darunter rauer Mantelbeton. Des Architekten Worte: „Der Beton reagiert schallhart auf die Straße, grenzt stärker ab und harmoniert schön mit dem Grün.“

Freiräume sonder Zahl

Die Carports bilden einen halb öffentlichen Freibereich, über dem sich das offene Wohnen zur begrünten Südterrasse weitet, die Aussicht reicht bis zu den Lienzer Dolomiten. Im Norden bieten Hintergärten eine schattige Alternative an heißen Sommertagen. Ein exquisiter Balkon im ersten Stock - gefasst in einen Rahmen aus Beton - komplettiert das reiche Freiraumangebot für alle Jahreszeiten.

Eine Baumreihe säumt den Helenenweg im Süden, dahinter grünt und blüht es auf schräg vorspringenden Terrassenbrüstungen. In ungestörter Hochlage kann man von hier aus die Sonne und einen Postkartenblick über die Stadt genießen.

Das Haus wird von mächtigen Säulen getragen. Dazwischen hängen Schaukeln herab, parken Autos, stehen Bänke - ein idealer Freiraum für den Alltag. Die Erschließung ist clever durchdacht: Zwischen den Häusern kann man zur Nordseite auf die gemeinsame Wohnstraße durchstechen. Helles Streiflicht begleitet den Passanten.

„Es ist alles bis ins kleinste Detail durchdacht, darüber sind wir sehr glücklich“, sagt Annemarie Eder. Sie war eine der ersten Interessentinnen für die neuen Wohnungen. Das Projekt gefiel ihr so gut, dass sie den Innenraum vom Architekten gleich mitplanen ließ. Jungmann arbeitete mit dem Licht: Wie durch ein Prisma fällt es vom Himmel durch die Lärchenstufen in den Vorraum, der schließlich mit grauem Eternit verkleidet ist.

Auf einem Lärchenschiffboden flutet die Wohnebene von der gläsernen Arbeitsbox über die offene Küche bis hin zur südseitigen Terrasse. Ein feiner Betonrahmen schafft Schatten und Intimität. Außenjalousien malen Streifen auf Wand und Boden. Französische Fenster im Obergeschoß sorgen für Weite und Abwechslung.

Die Anlage wurde mit dem 3. BTV-Bauherrenpreis in Tirol ausgezeichnet. In zweiter Reihe entstehen nun reine Holzhäuser. Jungmann: „Es gibt Bestrebungen, auf Plus-Energie aufzurüsten.“

Der Standard, Sa., 2007.05.12



verknüpfte Bauwerke
Plusenergie Hausanlage Patriasdorf

05. Mai 2007Isabella Marboe
Der Standard

Alles unter einem Flügeldach

Das liebliche Baden hat ein neues Ahaerlebnis: Die Architekten von BKK-3 überdachten den traditionellen Paarhof und stellten an die Straße ihre innovative Antwort in Pistaziengrün. Das Haus wird zu einer monolithischen Skulptur, in der das Licht inszenierte Wege geht.

Das liebliche Baden hat ein neues Ahaerlebnis: Die Architekten von BKK-3 überdachten den traditionellen Paarhof und stellten an die Straße ihre innovative Antwort in Pistaziengrün. Das Haus wird zu einer monolithischen Skulptur, in der das Licht inszenierte Wege geht.

Die Geburt der Zwillinge kam überraschend. Eifrig grasten die Bauherren ganz Wien und Umgebung ab, um rasch eine Bleibe mit mehr Platz, Sonne und Garten zu finden. Jedoch: „Je mehr wir sahen, umso sicherer waren wir, dass wir so nicht wohnen wollen.“ Also kontaktierte man die Architekten von BKK-3 zur Hausplanung nach Maß. Im Zentrum von Baden fand sich eine zwölf Meter breite Parzelle, die sich von der Straße im Nordosten recht weit in einen sonnenbeschienenen Garten erstreckt.

Alte, ebenerdige Häuschen mit mittigen Toreinfahrten, flankierenden Seitentrakten und schmalen Hinterhöfen prägen die stille Gasse. Hier regiert die geschlossene Bauweise. Als der Bauherr auf dem langen Grund stand, dachte er praktisch und wusste sofort, was er wollte: Er wünschte sich einen direkten Weg in den Garten, damit man von der Erde bis zum Kinderfahrrad alles problemlos transportieren konnte, ohne die Wohnräume zu queren und in Mitleidenschaft ziehen zu müssen. Wie das Haus aussah, war dann Sache von BKK-3.

Haus aus einem Guss

Ein Haus baut man nur einmal im Leben, daher so ideal wie möglich. Mit Keller, Garage, einer behindertengerechten Einliegerwohnung für Verwandtschaft und Gäste, vielen nachwuchsfreundlichen Zimmern und einem großen Wohnraum, von der die Mutter ihre Kids immer im Blick hat, wollte man für alle Eventualitäten gerüstet sein. Zwei Geschoße und eine Bebauung auf einem Drittel der Grundstücksfläche erlaubte die Bauordnung. Die Architekten von BKK-3 gossen dieses Anforderungsprofil in eine zweiflügelige, monolithische Hausskulptur, die den örtlichen Paarhof innovativ um neue Facetten bereichert.

Hinter das zwei Meter hohe, mittige Straßentor wurde ein Vorhoftrichter in den pistazienfarbenen Baukörper eingeschnitten. Wie zwei Flügel gleiten rechts und links die gleichfarbigen Schindeln der tief herabgezogenen Dachflächen über die vorspringenden Seitenflügel. Unter den schrägen Kanten steigen die oberen Zimmer auf beachtliche 4,50 Meter an, was spannende Perspektiven und eine unorthodox hohe Galerie bringt, die sich die Kinder nun als Hochbett erobern können.

Der Weg über die ockerfarbenen Betonplatten mündet hinter der ausufernden Terrasse in den Rasen. „Der Baukörper sollte die Vorgabe vom Weg durchs Haus unterstützen“, erklärt Architekt Franz Sumnitsch, „einzig und allein Glaskisten sind uns zu wenig. Etwas Emotion muss schon drinnen sein.“ Keck neigt sich die schräge Lobby des Obergeschoßes daher über den Eingang und bewahrt ihn so in einem Formguss vor Wind und Wetter. Von der Foyer-Kreuzung zweigt links der kurze Südosttrakt mit dem - man staune - grünen Garagentor, einer Stiege und dem Einlieger am Garten ab. Rechts geht es in den ausgedehnten familiären Wohnflügel, der sich mit kantiger Glasfassade nach Sonne und Garten streckt.

Licht als Inszenierung

Wie eine Kommandozentrale thront die Küche auf einem Podest in Poleposition über Straße, Vorhof und Wohnen. Eine 1,60 Meter hohe Kastenwand bildet eine morgenbesonnte Frühstücksnische, von der man bis in den Garten sieht. Klar getrennt liegen die Schlaf- und Baderäume der Eltern im kurzen Südostflügel, wohingegen die beiden Kids in der anderen Haushälfte zu Hause sind. Ein eingeschnittenes Atrium sorgt für abstrakt-meditative Sonneneinfälle.

Auch die oberlichthelle Lobby mit sitz- und liegefreundlicher Mauerbrüstung ist in eine eigene Atmosphäre getaucht. „Ich genieße es sehr, durchs Haus zu spazieren“, so die Baufrau, „doch hier ist der Treffpunkt von uns allen.“

Der Standard, Sa., 2007.05.05



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Haus Dryer

28. April 2007Isabella Marboe
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Wohn auf Holz!

In der Gemeinde Heinfels plante Architekt Georg Steinklammer den ersten reinen Holz-Wohnbau von ganz Osttirol. Dabei trifft örtliche Bautradition auf urbane Formensprache. Vier dreistöckige Holzhäuser sorgen nun für städtisches Flair in den Bergen.

In der Gemeinde Heinfels plante Architekt Georg Steinklammer den ersten reinen Holz-Wohnbau von ganz Osttirol. Dabei trifft örtliche Bautradition auf urbane Formensprache. Vier dreistöckige Holzhäuser sorgen nun für städtisches Flair in den Bergen.

Die schwäbischen Zimmerleute hatten's in sich. Ohne einen einzigen Nagel bauten sie massive Sparren und Träme anno 1781 zu eindrucksvollen Brückentragwerken zusammen. Schadlos überstand eines davon die Jahrhunderte, bis heute überwindet die denkmalgeschützte „Bungrugge“ mit 61 Meter Spannweite den Villgratenbach. Er liegt am Ortsende von Heinfels, direkt an der Bundesstraße, die Südtirol und Lienz verbindet.

An dieser Hauptverkehrsader wollte die Gemeinde auf einem freien Baugrund ein Exempel statuieren und eine soziale Wohnanlage aus Holz errichten. Realisiert wurde das Vorhaben von der Osttiroler Siedlungsgenossenschaft. Auch die Holzforschung Austria und pro Holz beteiligten sich an diesem regionalen Pionierprojekt.

Architekt Georg Steinklammer plante die dreistöckigen Zweispänner aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz und in Niedrigenergiebauweise. Darüber schweben auf zarten Stahlstützen abstrakt anmutende, ausladende Satteldächer. Sie schützen die Balkonmäander vor der rauen, alpinen Witterung und ermöglichen halb öffentliche, überdachte Freibereiche, in denen sich traditionelle und urbane Bauformen verbinden.

Blutrote Tradition

„Die Gemeinde wollte ein Satteldach, der Bauträger wünschte sich eine pflegeleichte Anlage“, sagt Architekt Steinklammer. Rotes Ochsenblut und große Dachvorstände hätten in dieser Gegend eine lange Tradition. Die Traufkanten sind als Witterungsschutz weit über die hinterlüftete Fassade vorgezogen. Diese besteht aus sägerauen Brettern, die dreifach lackiert sind - ohne Blut, mit Farbe.

Im Norden grenzt das etwa 60 Meter breite Grundstück an die Straße. Zwei nord-süd-orientierte Baukörper dienen als Lärmschutz und privat-öffentliches Portal. Dazwischen führt der zentrale Weg zu den beiden Häusern in der Südhälfte des Grundstücks, wo der starke Wind von der Stellung der Gebäude etwas eingebremst wird. So können die Mieter entspannt in ihren Vorgärten und auf ihren Westbalkonen sitzen. Unter anderem sieht man von hier auf die Hackschnitzelanlage, mit deren Hilfe die 24 Wohnungen ressourcenschonend beheizt werden.

„Es ist die erste Wohnanlage in Osttirol, die komplett in Holz errichtet wurde“, erklärt Steinklammer, „wir hatten eine extrem kurze Bauzeit, aber einen sehr hohen Planungsaufwand. Alle tragenden Elemente wurden mitsamt der Schalung komplett vorgefertigt.“ Auch innen bleibt die hölzerne Bauweise spürbar: Geschliffenene Massivholzdecken und Parkettböden treten an die Oberfläche.

Und was sagen die Bewohner? „Ich liebe diese Wohnung mit der großen Terrasse und der smarten Küche. Ich wollte immer schon Kochen, Essen und Wohnen in einem Raum haben“, sagt etwa die Mieterin einer Dachgeschoßwohnung, „es ist eine ruhige Anlage.“ Hinter dem Vorraum liegt der nordseitige Kochbereich mit Eckbank. Hier hat man die malerische Ruine Heinfels im Blick. Vor dem südseitigen Wohnbereich hat man nur noch die beschattete Terrasse vor sich. Keck ragt sie ums Eck, damit man von hier auch noch den Dorfberg von St. Oswald erspähen kann.

Der Standard, Sa., 2007.04.28



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Wohnanlage Heinfels

21. April 2007Isabella Marboe
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Ein Zubau für die Zukunft

Ans alte Gehöft der Großmutter fügten die Architekten von projekt.cc einen klaren, lang gestreckten Zubau. Dem alten Gehöft schafft er nun eine geschlossene Straßenfront im Osten, der Baufrau schafft er eine sonnige Zukunft mit Terrasse und lauschigem Hof.

Ans alte Gehöft der Großmutter fügten die Architekten von projekt.cc einen klaren, lang gestreckten Zubau. Dem alten Gehöft schafft er nun eine geschlossene Straßenfront im Osten, der Baufrau schafft er eine sonnige Zukunft mit Terrasse und lauschigem Hof.

Nach ihrer Scheidung hatte die Baufrau plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf. Von ihrer Schwester wurde sie deshalb im mehrfach umgebauten, familiären Gehöft aufgenommen, das schon in ihrer Kindheit ein Kraftort gewesen war - ein weiß verputzter, ebenerdiger Bauernhof, der als sachtes U einen Hof umrahmt. Er liegt unweit vom Ortskern, gegenüber der evangelischen Kirche. Die Baufrau erinnert sich zurück: „Am ersten Ferientag packte ich immer mein Zeug auf ein Leiterwagerl und zog mit meinem Bruder zur Großmutter.“

Einträchtig bewohnten die beiden Schwestern die zwei Zimmer an der Straße. Außerdem nutzten sie Küche und Bad, die im Nordflügel des einstigen Bauernhauses untergebracht waren. Dann stellte die Baufrau die Weichen für ihre Zukunft mutig neu. Mit einem Um- und Zubau sollte ihr Zimmer von den schwesterlichen Räumen klar getrennt und um einen eigenen Wohnbereich erweitert werden. „Ich wünschte mir viel Licht, Ruhe und einen Platz, wo sich meine zwei Töchter wohlfühlen.“ Der betagten Mutter und dem behinderten Bruder wollte sie in einer Einliegerwohnung mit eigenem Eingang ebenso komfortable vier Wände schaffen.

Wenig Geld, viel Aura

Ihr Budget war klein, ihr Vertrauen in Harald Kloiber und Christian Tabernig vom Architekturbüro projekt.cc dafür umso größer - von der Aura des Ortes gar nicht erst zu sprechen. Mit einem beheizten Estrich unterm neuen Eichenparkett legten sie den Bestand trocken und schlugen eine klare, weiße Schneise zwischen die zwei Zimmer. Ein gläserner Windfang bildet den neuen Zugang ins gewachsene Hinterhofidyll, wo ein dunkler Holzschuppen, eine alte, weiß gekalkte Waschküche und der große Kirschbaum tiefen Frieden verströmen. Schützend schiebt sich der Zubau vor den Hof, riegelt ihn zur Straße ab und verstärkt so seinen Charakter.

„In diesem Ensemble ist nichts, das mich stören könnte“, sagt Tabernig, „der Hof hat eine absolute Qualität. Und davon wollten wir möglichst viel erhalten.“ Die Baufrau habe ihnen bis zum Material hin freie Hand gelassen. Ein Zimmerer fertigte den gerad-linigen Holzriegelbau, der mit rauen Phenolharzplatten verkleidet wurde. Gelassen glei-tet die braune Fassade, die sich von der Witterung zeichnen lässt, an einem Vor- gartenstreifen hinterm Bestand die Straße entlang. So konnte er als Hofbaukörper gewidmet und mit einem flachen, braunen Foliendach gedeckt werden.

Alles weiß in weiß

Einladend ragt das Dach über dem Eingang der Einliegerwohnung aus, raffiniert kantet sich ein Oberlichtband ums Eck. Durchs Glas winken Kirchturm und Morgensonne in den Vorraum und direkt ins behindertengerechte Bad in der Mitte. „Damit die Fenster außen und das Oberlicht innen bündig sitzen können, haben wir viele Details zeichnen müssen“, sagen die Architekten. Flexibel trennt eine Schiebetür die Schlaf- von der Wohnhälfte. Blumen schmücken das Südfenster, das die kompakte Herdzeile und den Esstisch besonnt, offen fließt der Raum an der Glasfassade im Westen aus. Davor liegt die schattig umhauste Terrasse. „Ich habe Sonne und kann in den Garten“, sagt die Mutter.

In derselben Lärchenflucht lebt die Baufrau im lang gestreckten Einraum: Am Mauerdurchbruch des Bestands trennt eine Kastenwand das weiße Bad vom ebenso weißen Schlafzimmer. „Die Morgensonne und das Straßenlicht scheinen herein. Die Stimmung ist wunderbar.“

Ein Kiesbett mit Betonpflanztrögen schenkt ihrem Arbeitsplatz meditative Perspektiven. Eingespannte textile Segel verwandeln das zwei Meter breite Terrassenvordach zum Sonnenfilter, der nachts plötzlich zum Lichtkörper wird. Vom Esstisch genießt sie mit ihrer Tochter den gläsernen Weitblick auf den sonnentrunkenen Hof. Das Glück spricht aus ihr: „Hier habe ich Frieden gefunden.“

Der Standard, Sa., 2007.04.21



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Um- und Zubau Bruckner

14. April 2007Isabella Marboe
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Ein Platz an der Sonne

Das Innsbrucker O-Dorf hat ein neues Zentrum und einen urbanen Lebens-mittelpunkt. Rundgang durch das Siegerprojekt des Europan-Wettbewerbs 1996.

Das Innsbrucker O-Dorf hat ein neues Zentrum und einen urbanen Lebens-mittelpunkt. Rundgang durch das Siegerprojekt des Europan-Wettbewerbs 1996.

Die Buslinie O führt vom Innsbrucker Bahnhof mitten ins so genannte O-Dorf. Zur Olympiade 1964 baute man den ersten Teil, viele Jungfamilien zogen damals in die modernen Wohnblöcke. 1976 folgte Bauteil 2: höher, schneller und stärker. Betonfertigteile wurden zu Riegeln, Blöcken und Türmen gestapelt. Mit oder ohne Balkon verdichtet sich hier die ganze typologische Bandbreite des Systemwohnbaus zum scheinbar endlosen urbanen Patchwork.

Etwa 8000 Menschen leben hier. Das Sozialgefüge ist bunt gemischt, der Ausländeranteil hoch. Von den olympischen Ringen des Olympiaparks ist der Lack längst abgeblättert. Ein Neubau-Impuls tat not. Beim Europan-Wettbewerb 1996 siegten die Architekten Froetscher Lichtenwagner. Sie nahmen die stille Poesie der Scheiben auf: „Dieses Spiel mit den Klötzen kann eine zauberhafte Aura gewinnen: Es ist reizvoll, die Qualitäten aller Alltagsfacetten aus so einem Viertel zu destillieren. Wir wollten einen öffentlichen Platz schaffen, der die Leute anzieht.“

In Anschluss an den Olympiapark planten sie auf ortstypischer Rasterbasis einen 90 Meter langen und 45 Meter breiten Platz, der von markanten Baukörpern gefasst wird. Bauherrin war die Innsbrucker Immobilien GmbH (IIG). Subtil bereichert der mit anthrazitgrauen Eternit-Platten verkleidete Mäander das lokale Typenrepertoire um eine neue Form. Als zweistöckiger L-Winkel gleitet er über Tiefgarage, Lebensmittelgeschäft und Kindertagesheim die Ostseite entlang, kantet sich gläsern zum Mehrzwecksaal und selbstbewusst zum 50 Meter hohen Wohnturm auf. Eine gelbe Lichtschneise mit Luftbrücken teilt den Wohnturm in zwei Hälften. 27 der insgesamt 105 Einheiten sind betreute Seniorenwohnungen.

Neues Dorf-Konzentrat

Die Architekten: „Unsere maximalen Fensterformate reichen bis zum Boden, über Eck verglaste Loggien und französische Fenster sind im Hochhaus ein Luxus.“ Der Mäander tut dem Ort gut: Er wird zum neuen Dorf-Konzentrat, seine offene Platzmitte gestalteten die Architekten gemeinsam mit Alice Grössinger von Idealice mit hölzernen Bankgebirgen, abstrakten Heumandeln und schwebenden Lampenbahnen. Mit einem Wort: eine wohnliche Bühne des sozialen Lebens.

Sogwirksam wölbt sich Fassade des Lebensmittelmarktes MPreis zur Eingangsbucht nach innen. Davor führen Jugendliche ihre Skate- und Streetdance-Künste auf, Menschen lümmeln auf hölzernen Bänken in der Sonne. Wie Magnetspäne weisen die Linien im Asphalt den Weg zum Durchgang, wo eine Stiege mit zwei Handläufen für Groß und Klein zu Jugendtreff, Turnsaal, Innenatrium und Kindergarten führt.

Rege gedeiht das Vereinsleben im Plattenbau. Im Glasfoyer an der Nordseite ankert der rundgebauchte, hölzerne Mehrzwecksaal. Stolze 300 Menschen haben auf den bunten Sesseln unter der wirren Holz-Akustikdecke Platz. „Der Saal ist universell nutzbar“, sagt der Hausmeister, „im Fasching gab es jedes Wochenende einen Ball.“ Zum Großtauschtag der Philatelisten kamen Sammler aus ganz Österreich, die Klangspuren Tirol buchten den Saal als Location für ihr Festival.

Der Standard, Sa., 2007.04.14



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centrum.odorf

07. April 2007Isabella Marboe
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Farbtöne nach Noten

Eine Wohnungszusammenlegung aus sechs Substandard-Einheiten ist schon etwas Besonderes. Das Resultat ist es auch: ein an Farbtönen gespicktes Refugium für eine Musikerin.

Eine Wohnungszusammenlegung aus sechs Substandard-Einheiten ist schon etwas Besonderes. Das Resultat ist es auch: ein an Farbtönen gespicktes Refugium für eine Musikerin.

Die Welt der Musik kennt keine Grenzen. Die Baufrau ist professionelle Musikerin, die vor vielen Jahren nach Wien zog. Um sich auch räumlich neue Horizonte zu erschließen, konsultierte sie die SHARE-architects: „Ich suchte eine Altbauwohnung mit großen, hohen Räumen und einem Stück Grün.“ Dort wollte sie in einem großen Musikraum mit offener Küche und Speisesaal nach allen Regeln der Kunst die Tradition der Hauskonzerte zelebrieren. Darüber hinaus brauchte sie einen separaten Privatwohnbereich und eine Bibliothek.

Die SHARE-architects fanden ein geeignetes Gründerzeit-Eckhaus mit abgewohnten Substandardwohnungen. Sorgfältig wählten sie sechs davon aus, um sie zu sanieren und mit neuen Innenstiegen und Durchbrüchen zu einem idealen Wohnumfeld über drei Geschoße auszubauen. Gleichsam als Haus im Haus wirkt der feinsinnig implantierte Elfenbeinturm von innen. Seine Basis liegt zu ebener Erde. Aus der Mittelmauer buchtet sich eine organisch gewölbte Mini-Sanitärzelle aus, ein raumhohes Bücherregal macht die Nachbartrennwand zur veritablen Privatbibliothek. Davor befindet sich der Arbeitsplatz der Baufrau. Sie werkt auf sonnengelb beschichtetem Kunstharzboden an zwei hellen Straßenfenstern. Man schmökert zur Hofseite: Eine zweiflügelige Glastür öffnet den Raum zur efeuumrankten Terrasse, vor der sich drei Bäumen auftun.

Eine gewendelte Innenstiege führt in den ersten Stock, dem offiziellen Tor zur Welt der Musik. Zwei Träger mit schalldämmenden Gipskartonplatten und eine Sondervorrichtung für den gewichtigen Kronleuchter machen den fünfzig Quadratmeter großen Raum zum Musiksalon. „An dieser Stelle haben wir ein besonders Regalelement mit integrierter Garderobe entwickelt, das sich bis in den Salon ausdehnt“, erläutern die Architekten ihr Konzept. „Es sollte räumlich etwas Besonderes sein und wie eine Wolke aus der Wand wachsen.“

Partitur fürs Wohnen

Realisiert wurde das Multifunktionsmöbel als „Waffel-regal“ aus zusammengesteckten, doppelt gekrümmten MDF-Platten in tiefem, satten New England Red. Die beschwingte Welle weist dem Eintretenden den Weg vom Eingang zum Salon. Dort wölbt es sich ein letztes Mal als schallschluckendes Regal aus der Wand.

Der Flügel steht auf Eichenparkett über schwimmendem Estrich, monochrom leuchten Wand und Regalwolke Ton in Ton und bilden so einen feierlichen Rahmen. Durch gläserne Durchbrüche sieht man ins Esszimmer mit seiner ovalen Tafel, fließend geht es von dort in die Küche über. Eine Mischung aus Taubengrau und Salbei dominiert die Wände. Romantischer Aspekt am Rande: Alle Farben sind Musterkarten aus dem 19. Jahrhundert nachempfunden.

Trotz kräftiger Farben bleibt es hell: „Die Farben verändern sich im Laufe des Tages“, sagt die Baufrau, „es ist großartig, wie viel Licht hereinkommt.“ Ihr Privatbereich befindet sich einen Stock höher an der straßenseitigen Raumflucht. Eines Tages wird sie dieses Geschoß als Einliegerwohnung mit Privatwohnraum und eigenem Sanitärbereich vermieten können. Wenn es so weit ist, kann der Stiegenaufgang mittels Abdeckplatte gekappt werden. Bis dahin erfreut sich die Baufrau eines durch und durch edlen Badezimmers.

Der Standard, Sa., 2007.04.07



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House within a House

31. März 2007Isabella Marboe
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Onkel Freds Hütte

In einer Kleingartensiedlung am Rande von Steyr plante Architekt Gernot Hertl seinem Onkel Fred ein kleines Passivhaus. Hier findet der Segler und Weltreisende auf engstem Raum alles, was es braucht, um auch in der Heimat jederzeit vor Anker gehen zu können.

In einer Kleingartensiedlung am Rande von Steyr plante Architekt Gernot Hertl seinem Onkel Fred ein kleines Passivhaus. Hier findet der Segler und Weltreisende auf engstem Raum alles, was es braucht, um auch in der Heimat jederzeit vor Anker gehen zu können.

Onkel Fred ist ein Wanderer zwischen den Welten. Beruflich pendelt er zwischen Asien und Europa, privat segelt er leidenschaftlich gern übers Meer. Am wohlsten fühlt er sich in Bootskajüten und in japanischen Hotels, die auf engstem Raum alles Nötige bieten. „Onkel Fred lebt am liebsten in kleinen, gut geplanten Zimmern“, sagt Architekt Gernot Hertl. Er muss es wissen, denn er ist sein Neffe.

Onkel Fred ist Geschäftsmann, kalkuliert scharf, denkt praktisch und liebt den Überblick. Oft macht er in Steyr Station. Doch Hotel und Mietwohnung waren ihm auf Dauer zu teuer, seine Sehnsucht nach Garten konnten sie auch nicht stillen. Weit günstiger und besser schien ihm da ein kleines Passivhaus im Grünen, das in seiner Anwesenheit nur minimale, in seiner Abwesenheit jedoch gar keine Betriebskosten verursachte. Frei von überflüssigem Ballast wollte er auf Heimaterde in perfekt organisierten Räumen vor Anker gehen. Der bauherrliche Anspruch unterbot gängige Wohnstandards, auf einem Pachtgrund im Kleingarten ließ er sich erfüllen.

Fein säuberlich reihen sich gleich große Parzellen an die Straße. Auf jeder steht ein Häuschen, meist aus Holz, immer maximal 35 Quadratmeter groß, kein First über 4,25 Meter Höhe. Mehr erlaubt die Vereinsordnung nicht. Onkel Fred war's recht, Gernot Hertl kam jedoch ordentlich ins Tüfteln: „Bei so einem kleinen Haus ist der Passivhausstandard katastrophal. Das Verhältnis von Nutzfläche zu Außenhülle ist sehr ungünstig, die extreme Dämmstärke schränkt ein.“ Mit 37 Zentimeter Stärke blieb die Wand im Rahmen. Raffiniert hoch und quer geschraubte Fichtenlatten verleihen ihr einen dezenten silbergrauen Schimmer.

Japan im Kleingarten

Onkel Freds Hütte ist eine veredelte Kreuzung aus japanischer Lebensart und heimischer Bautradition. Das sattelbedachte Haus steht in einer Dichtbetonwanne, die sich in die Gartenerde senkt und dem Wohnraum im Süden einen exklusiven Vorhof schenkt. Dieser Kunstgriff ermöglicht es, unterm First zwei Ebenen unterschiedlicher Atmosphäre zu kreieren, weder Regenrinne noch Vordach stören den Archetypus Haus. Unter der breiten Holzfront, die schattig übers Sonnenfenster ragt, ruht Onkel Fred unter der leichten Dachschräge. Drei breite Stufen führen aufs Schlafpodest mit Schrankwand, unter einem zarten Oberlichtschlitz ist sogar noch eine Wanne integriert. „Das obere Geschoß ist extrem introvertiert, das untere dafür sehr weit. Der kleine Raum braucht das kontrastreiche Raumempfinden“, sagt Gernot Hertl, es sei spannend, jeden Quadratzentimeter zu nutzen.

Zwei Miniatur-Freitreppen schaffen der Tür im Osten einen abgesenkten Vorplatz. Das Treppenmöbel dahinter, in dem Kühlschrank, Weinregal und erstaunliches Staupotenzial steckt, ist gleichzeitig Raumteiler für die Hüttenkombüse. Für Wärmetauscher und kontrollierte Wohnraumlüftung, die Maximalkomfort zu minimalen Kosten bieten, reicht eine kleine Nische. Aus der Dusche erspäht man die Couch auf dem Bambusboden im Wohnraum. Auffällig ist das eingelassene Bodenmaß der japanischen Tatami- matten, die erst im Hof enden. Wenn Onkel Fred am Holztisch tafelt, sitzt er gleichsam im Garten. Ein japanisches Detail am Rande: eine schwarz lackierte Bestecklade in der Tischplatte. „Es ist ideal. Ich kann sogar meinen eigenen Schnittlauch ansetzen.“

Der Standard, Sa., 2007.03.31



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Onkel Freds Hütte

24. März 2007Isabella Marboe
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Bergpanorama im Objektiv

Für zwei Freiberufler samt Familie stellten die LP-Architekten ein Haus mit Flachdach ins beschauliche Bischofshofen. Es ist das erste Flachdach-Haus, das hier je genehmigt wurde: Maßgeschneidert und zugeschnitten auf Lebensbedürfnisse und Landschaft.

Für zwei Freiberufler samt Familie stellten die LP-Architekten ein Haus mit Flachdach ins beschauliche Bischofshofen. Es ist das erste Flachdach-Haus, das hier je genehmigt wurde: Maßgeschneidert und zugeschnitten auf Lebensbedürfnisse und Landschaft.

Die Bauherrin ist Fotografin. In Bischofshofen hatte sie bisher ein Miet-Atelier und einen stolz gewachsenen Kundenkreis, während sie selbst mit ihrer Familie in St. Johann im Pongau wohnte. Seit Jahren trug sie im Herzen den langgehegten Traum vom eigenen Haus in den Bergen. Doch der richtige Moment war nie gekommen.

Eines Tages wurde im Atelier eine Sanierung fällig. Dies war der richtige Zeitpunkt zu einem großen Relaunch der Wohn- und Arbeitssituation. Für ihre Portätfotografie benötigte sie einen abdunkelbaren Raum mit reichlich Platz für Prospekte und Drucksorten aller Art, ihm reichte ein Rückzugszimmer mit Aussicht. Zum Familienleben wünschte man sich viel Luft, Licht, Sonne und einen Pool im Garten.

Allzu weit sollte die treue Kundschaft freilich nicht reisen. Zum Glück ward in Bischofshofen bald eine feine Baulücke gefunden. Das Büro LP architektur plante für diesen Ort ein klares, modernes und offenes Haus, das dem Atelier einen stilvollen Rahmen und dem Wohnen den höchstmöglichen Komfort bietet: Arm im Energieverbrauch, vor allem aber reich an differenzierten Innenräumen und Außenbezügen.

Die Architekten, allen voran Bürochef Thomas Lechner, realisierten im pseudo-rustikal dominierten Salzburger Hinterland bereits einige dezidiert zeitgemäße und moderat dimensionierte Bauten. Zum tieferen Verständnis bauherrlicher Lebensgewohnheiten baten sie die Familie um einen Essay. Daraus destillierten sie das erste Haus mit Flachdach, das im Ort je genehmigt wurde und nun ein Statement für moderne Architektur setzt.

Und dieses lautet: Der grau verputzte, L-förmige Hausbaukörper gibt sich hochgeschlossen, lediglich im Süden umfasst er mit ausgebreitetenTerrassenarmen den Garten, in dem sich das Bergpanorama ausbreitet. Das Obergeschoß des langen Wohntrakts düst über den Pool hinweg. Wie ein Objektiv lugt der eingehauste Elternbalkon in die Salzburger Landschaft.

Wohnen am Pool

Ein flugbedachter Carport, ein Stück Rasen und eine puristische Sichtbetonwand vor der Tür schaffen der ebenen Büro- und Atelierflanke ein angemessenes Entrée. Eine Schiebetür sorgt für klare Zugangsverhältnisse zwischen Wohnen und Arbeiten. Studio und Atelier bieten genügend Staufläche, die Jalousien am Südglas lassen von komplett abgedunkelt bis tageshell alle Optionen offen.

Davor mäandert entlang des Wohnraums bis hin zum Pool die Terrasse. Im Norden fließt umdie Küche zum Esstisch aus. Am gemauerten Kamin wird’s beschaulich. Hier beginnt das weite Wohnen mit direktem Blick aufs Wasser. Auf der auskragenden Decke werden die Lichtreflexe regelrecht zum Tanzen gebracht.

Ein abgegrabener Innenhof bereichert die Freiräume im Osten um eine intime und kontemplative Komponente. Er lässt die Morgensonne in den Keller dringen und verwandelt ihn so zu einer attraktiven Wellnessoase. „Einmal rief unser Sohn nach einem Fußballmatch an, ob nicht ein paar Freunde bei uns übernachten könnten“, erinnert sich die Bauherrin, „und ich sagte: Wenn’s nicht gerade 30 sind, gern!“ 29 Freunde lagen daraufhin in ihren Schlafsäcken im Keller.

Ein Glasband lässt die Abendsonne auf den Flur und das Gebirge ins Blickfeld der Schlafebene dringen. Oberlichten fluten Stiege und Bad der Kinder – ihre Zimmer orientieren sich nach Osten. Die Eltern gönnen sich eine freistehende Badewanne und einen Schrankraum aus lackiertem Nussholz. „Das ist kein Waschraum, das ist eine Wellnesszone“, sagt die Bauherrin. Schlaf findet sie in einer Bettstatt mit flammend gemasertem Nussholzfurnier vorm sonnigen Monitorbalkon.

Der Standard, Sa., 2007.03.24



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Haus mit Fotoatelier

16. März 2007Isabella Marboe
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Wohnwürfel auf japanisch

Mit einem reduzierten Passivhaus wurde Architekt Thomas Moosmann dem Wunsch nach japanisch-meditativem Lebensgefühl gerecht. Die Architektur ist konsequent auf ein Minimum reduziert. Die offenen Räume zelebrieren den Ausblick in die Aulandschaft.

Mit einem reduzierten Passivhaus wurde Architekt Thomas Moosmann dem Wunsch nach japanisch-meditativem Lebensgefühl gerecht. Die Architektur ist konsequent auf ein Minimum reduziert. Die offenen Räume zelebrieren den Ausblick in die Aulandschaft.

Die Begeisterung für Japan, Technik, Design und Architektur schärfte den Blick der Bauherren für das Wesentliche. Beruflich haben beide viel mit Menschen zu tun, privat sehnten sie sich nach befreiender Leere. Die radikal modularen Bauten von Thomas Moosmann und seinem ehemaligen Partner Georg Marterer kamen ihrem Ideal sehr nahe. Sie zählten zu den drei handverlesenen Büros, die sie um den Entwurf einer günstigen so genannten „japanischen Werkhalle“ baten. Thomas Moosmann bearbeitete das Projekt. Man verlor sich wieder aus den Augen.

Die Bauherren aber trieben weiter intensive Grund- und Architekturerkundung, entdeckten eines Tages die Passivbauweise - und das passende Grundstück: einen lauschigen Kleingarten am Schillerwasser, einem Nebenarm der Alten Donau. Im fernen Süden sieht man durch die Aulandschaft das Kraftwerk blitzen. „Hier fühlten wir uns gleich wohl, zum Kauf haben wir uns spontan entschieden“, sagt die Bauherrin. Dann bekam Architekt Moosmann einen Anruf: Die japanische High-Tech-Box solle ein kosten- und energiesparendes Passivhaus werden.

Die Bauordnung erlaubte 4,50 Meter Höhe bis zur Traufkante und 80 Quadratmeter Grundfläche. Das musste reichen für ein Wohnloft mit Küche, zwei Arbeitskojen, eine Chillout-Zone, Bad, Schlaf- und Gästezimmer. Bravourös verdichtete Moosmann das Raumprogramm zur puristischen Edelbox, deren offene Ebenen an der zweigeschoßigen Südglasfront in den Garten ausfließen. Der klare Holzleichtbau mit seinem kompakten Grundriss meistert souverän die Anforderung eines Passivhauses. Carport und Nebenraumband an der Grundgrenze schenken ihm einen intimen Hof.

Effiziente Räume

Jeder Zentimeter weniger Konstruktion ist mehr Raum. „Die stabilen und dennoch sehr leichten Träger sind aus Norwegen“, sagt Moosmann, „dadurch ist der Holzanteil der hochgedämmten Wand auf ein Minimum reduziert.“ Frei überspannen die Träger der dünnen Vollholzdecke den Wohnraum. Doppelt gemoppelt: Die Fundamentplatte genügt als Boden.

Der Zugang befindet sich im Westen: Ein Kasten bildet die Garderobe an der einläufigen Treppe, dahinter liegt in einer Flucht die Küche, die per Schiebetür komplett wegzuschalten ist. Die Haustechniknische birgt zudem eine Dusche für den Gast. Der Rest ist frei fließender, in Anthrazitgrau getauchter Raum, der die Wahrnehmung sensibilisiert und die Farbnuancen der Wände, Möbel und Böden ins Schwingen bringt. „Es ist eine Oase der Ruhe“, sagt die Bauherrin und nippt an ihrem weißen Tee. „Nichts steht herum, nichts lenkt ab, man kann einfach nur sein und den Blick ins Freie gleiten lassen.“

Durch die drei Glastüren im Osten blickt man auf den exklusiven japanischen Hof: eine stille Komposition aus sibirischer Lärche, Kies und einem artesischen Sichtbetonbrunnen zum Leib- und Seele-Baden.

Durchs Bad-Oberlicht winken die Fichten. Ein windverstrebtes Holzgerüst vorm Schlafraum, dem eine Glastür Morgensonne schenkt, lässt sich zur Pergolabrücke ausbauen. Den Freiraum davor teilen sich Regal und Schreibtisch. Der Platz an der Höhensonne gehört dem einzigen Stück, das aus dem alten Haus mitdurfte: einer gelben Rolf-Benz-Couch zum Versinken.

Der Standard, Fr., 2007.03.16



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Haus Lobau

10. März 2007Isabella Marboe
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Jedem sein Stück Wohnwaggon

Unmittelbar hinter der Simmeringer Hauptstraße zeigt sich der Bezirk von seiner urigen Vorstadtseite. Hier planten die Architekten Schwalm-Theiss & Gressenbauer einen vierstöckigen sozialen Wohnbau mit eigenwilligem und individuellem Charakter.

Unmittelbar hinter der Simmeringer Hauptstraße zeigt sich der Bezirk von seiner urigen Vorstadtseite. Hier planten die Architekten Schwalm-Theiss & Gressenbauer einen vierstöckigen sozialen Wohnbau mit eigenwilligem und individuellem Charakter.

Lokalaugenschein Wien Simmering. Beim Verkehrsknotenpunkt der gleichnamigen U- und Schnellbahn-Station wendet sich die Mautner-Markhof-Gasse vom Treiben an der geschäftigen Hauptstraße ab, um gleich darauf tief in das urige Restkonglomerat Altsimmerings einzutauchen. Kleine Werkstätten, Garagen, niedere Vorstadthäuser sowie wildes Grün ducken sich unter die hochgeführte Schnellbahntrasse.

Direkt gegenüber liegt eine bananenförmige Parzelle, deren gebrochene Baulinie an der südöstlich gelegenen Straße die längste Zeit der alten Bestandsstruktur folgte. Für den Bauträger, die Wohnbauvereinigung für Privatangestellte, realisierte das Architekturbüro Schwalm-Theiss & Gressenbauer einen vierstöckigen Wohnbau mit insgesamt 22 Einheiten, der reizvoll gebrochen um die Kurve knickt und wie ein gelber Waggon im brüchigen Stück Stadt zum Stillstand gekommen ist.

„Die Gegend ist sympathisch“, erklärt Architekt Georg Schwalm-Theiss, „das ist eine gewachsene Vorstadt, die direkt an der Simmeringer Hauptstraße liegt. Wir wollten da keinen mächtigen Block hinstellen, sondern selbstständige, zweigeschoßige Einheiten schaffen.“ Die Wohnungen sind wie Reihenhäuser vom Gehsteig aus zugänglich. Auf diese Weise bleibe den Mietern viel vom Hof.

Jede der unteren Maisonetten hat ihre eigene Eingangszone und ihren eigenen Garten am Hof. Harmonisch geht die Zeile in die angrenzende Biedermeierbebauung über. Der offene Laubengang darüber bildet eine Zäsur zum leichten Abschluss des Hauses, auf dem windschützendes Strukturglas den gelben Türen ein Davor bietet. Der Baulinie folgend schmiegt sich das gelb verputzte Haus mit seinen tanzenden Fenstervariationen an die Straßenkurve. Subtil betonen die leicht unterschiedlich geneigten Fassadensegmente den individuellen Charakter jeder einzelnen Wohnung.

Vor jedem Eingang ist eine Nische mit einer Gittertür aus Streckmetall eingeschnitten. Blickdicht und sicher lässt sich auf diese Weise der geschützte Freibereich vor der eigenen Haustür nach Belieben nutzen und gestalten. Ein durchlässiges Element aus Oberlichtbändern, Scheiben und Glasschiebetüren trennt das Wohnen vom Vorraum mit WC und Küche. Das quer liegende Küchenfenster an der Straße ist im unteren Bereich matt verglast; ungefiltert dringen Blick, Südsonne und Frischluft durch die öffenbaren Flügel darüber.

Viele Raum-Extras

„Von der Bahn hört man nichts“, sagt einer der Mieter, „die großen, hellen Räume und der Garten sind klasse.“ Die einläufige Stiege an der Wand weitet sich oben zum Extra-Freibereich am vorstehenden Erkerfenster, dessen 40 Zentimeter hohe Brüstung als lauschiger Sitzplatz für Menschen und für Pflanzen taugt. Wohnqualität entsteht aus einer Summe vieler Kleinigkeiten - dieser Platz an der Stiege stellt eindeutig eine solche Qualität dar. Die transparente, obere Einraumebene zum Kochen und Wohnen mit gläsernem Extra-Erker und beidseitig vorgelagerten Terrassenflanken trägt zum hier herrschenden Reihenhaus-Feeling bei.

„Wir hatten auch Detailplanung und Bauaufsicht über“, so Schwalm-Theiss, „das ist zwar mühsam, aber es zahlt sich aus. Die Küche ist durch das Glaselement quasi im Wohnraum und lässt ihn größer wirken.“ Die Unterflurheizung, die die Scheiben wärmt, verschwindet elegant im Parkettboden und erlaubt einen ungehinderten Ausblick in den Mietergarten. Auch das ist ein Detail mit Mehrwert.

Industrieller Charme

Auf den Laubengängen findet ein unmittelbares Erlebnis von Sonne, Wind und Wetter statt. Die Waschbetonplatten, die Brüstungen aus industriellem Baustahlgitter und die ungeschmückte Stahlkonstruktion des Laubengangs geben den halb öffentlichen Zonen einen robusten Charakter, der zur Gegend passt und das Gefühl des Heimkommens verstärkt.

Hinter dem Kopf des Hauses war ein öffentlicher Durchgang vorgeschrieben. Gelöst hat man dies, indem die Passanten durchs offene Stiegenhaus durchgehen. Keck tanzen die abschließenden Balkone im Hof aus der Reihe. Hier ist das außen bunte Gebäude zur weißen Scheibe reduziert.

Der Standard, Sa., 2007.03.10



verknüpfte Bauwerke
Wohnbau Mautner-Markhof-Gasse

03. März 2007Isabella Marboe
Der Standard

Kinder, Sonne, Wärmetank

Wien-Breitenlee erfreut sich regen Zuzugs und vieler Kinder. Neben die Volksschule setzte ihnen Architekt Georg Reinberg ein Kindertagesheim in Passivbauweise in die Wiese.

Wien-Breitenlee erfreut sich regen Zuzugs und vieler Kinder. Neben die Volksschule setzte ihnen Architekt Georg Reinberg ein Kindertagesheim in Passivbauweise in die Wiese.

Kindergärten haben im roten Wien eine lange Tradition, einige Bauten waren wegweisend. Den Architekten Friedl Dicker und Franz Singer glückte im Kindergarten des Goethe-Hofs eine Symbiose aus Raum und Montessori-Pädagogik. Doch auch in neueren Tagen ist der Kindergarten eine gern gesehene Aufgabe unter Architekten.

In Breitenlee war ein neues Kindertagesheim dringend nötig. Die Gemeinde Wien schrieb daher einen geladenen Wettbewerb im Niedrigenergiestandard aus. Nach Süden ist das Grundstück offen. „Mit Solarmaßnahmen kamen wir auf Passivhaus-Standard“, erklärt Architekt Georg Reinberg.

Der Extrabedarf an Warmwasser für Windeln und Geschirr wird von Warmwasserkollektoren abgedeckt. Das dunkle, schmale Band, das aktiv und passiv die Solarenergie nutzt, fasst die Nurglasfront im Süden. Hier liegen die Gruppenräume am Garten.

„Die Kinder sollen die Kraft der Sonne im Haus erleben. Alle Leitungen sind frei geführt, im Innenatrium steht der Wärmetank. Am Thermometer sehen die Kinder die Energie regelrecht fließen.“ Vornehm gleitet der kompakte, ebenerdige Baukörper als neuer Kopf im Süden vor die Schule, schafft im Westen einen sicheren Durchstich zum grünen Breitenleer Siedlungsteppich und schließt den einstigen Vorplatz zum geschützten Innenhof. Die hier anschließende Halle ist das soziale Herz des Kindertagesheims.

Raum für Bewegung

Tische und Sessel stehen um den Wärmetank, von den Lüftungsrohren hängen Industrielampen herab, durchs schräge Atriumglas winkt der Himmel. „Wir sind eine Riesenfamilie mit 140 Kindern von null bis zehn Jahren“, sagt Leiterin Ulrike Schwarzkopf, „Bewegung und das Erlernen von Sprache hängen eng miteinander zusammen, der weite Gang gibt uns die Möglichkeit, alle optimal zu unterstützen.“ Hier wagen die Kinder erste Schritte in Gemeinschaft und Selbstständigkeit und lernen ihre Grenzen und Bedürfnisse kennen. Mittels einer Rampe gleitet die offene Mitte zum Laufen, Essen und Spielen in den hohen Bewegungsraum im Osten herab.

In der Garderobe für die Minis steht ein Birkenholzmöbel, wo Erwachsene den Kindern beim An-und Ausziehen helfen können. Jeder Gruppenraum hat einen Sanitärblock in seiner eigenen Farbe und eine intime Nische mit Fenster zum Gang. Da türmen sich Bauklötze, dort liegt eine textilumhangene Matratze. „Die Kinder können sich aufhalten, wo sie sich am wohlsten fühlen“, erklärt Schwarzkopf.

Durch feine Lamellen fällt Streiflicht auf den sonnengelben Kautschukboden, durchs Glas strömen Sonne und Natur in den Raum. Die schallschluckenden Heraklithplatten ziehen feine Bahnen über die Betondecke. Sind die Garderobentüren zwischen den Gruppen offen, entsteht eine fließende Verbindung, in der sich die Kinder frei bewegen.

„Ein Kindergarten wird intensiv beansprucht“, sagt Architekt Reinberg, „entweder sind ganz viele Menschen drinnen - oder keiner.“ Die ständige Bewegung produziere viel Energie, erfordere aber massives Lüften. Die Speichermasse der Betondecke gleicht die Spitzen aus, hohe Dämmung und eine Lüftungsanlage hält die Wärmeverluste gering und den Komfort hoch.

Normalerweise dürfen Kindergartenfenster laut Regelwerk nicht zum Boden reichen, weil die Scheiben zu kalt sind. Hier liegen die Kleinen bei Schlechtwetter am warmen Isolierglas und sehen fasziniert zu, wie der Regen ins Gras fällt. Ihr Kindergarten kostete nicht mehr als andere.

Der Standard, Sa., 2007.03.03



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Kindergarten Schukowitzgasse I

17. Februar 2007Isabella Marboe
Der Standard

Perle im Straßendorf

Mit geringem Budget und wenigen Eingriffen machten die DREER2-Architekten einen alten Streckhof im Weinviertel zur neuen Wohnstatt einer Wiener Familie. Mit gezielter Planung konnten die Bauherren damit einem Szenario à la „Hinterholz 8“ aus dem Wege gehen.

Mit geringem Budget und wenigen Eingriffen machten die DREER2-Architekten einen alten Streckhof im Weinviertel zur neuen Wohnstatt einer Wiener Familie. Mit gezielter Planung konnten die Bauherren damit einem Szenario à la „Hinterholz 8“ aus dem Wege gehen.

„Unsere Toskana-Woche ist legendär“, sagt der Bauherr. Gemeinsam mit seiner Frau arbeitet er in der freien Theaterszene und fährt mitsamt Team jedes Jahr dorthin, um neue Energien zu tanken. Zurück in Wien, hatten beide eine nachhaltige Sehnsucht und beschlossen, dem anhaltenden Toskana-Gefühl mit eigenem Haus und Hof Rechnung zu tragen. Also suchte man in der Umgebung Korneuburgs ein leistbares Landdomizil mit geschlossenem Innenhof. „Privat für sich unter der Weite des freien Himmels zu sein war für uns Stadtmenschen eine tolle Erfahrung. In diesen gesichtslosen Straßendörfern liegen wahre Perlen verborgen“, erklären die Bauherren.

Die ihrige fanden sie im winzigen Ort Weinsteig: ein eingeschoßiger Streckhof aus dem Jahr 1870 mit gelb verputzter Straßenfassade, großem Tor und einem lauschigen langen Innenhof. Im Osten lag die hohe Mauer des Nachbarn, an die Westflanke des L-förmigen Urhauses wurde in den Achtzigerjahren angebaut.

Das Haus war ein klarer Sanierungsfall. Da man einem etwaigen Abenteuer à la „Hinterholz 8“ aus dem Weg gehen wollte, zog man vor dem Kauf Architekt Andreas Dreer zurate. „Die Böden waren teilweise rausgefault, die Wände schimmlig, die Leitungen veraltet, aber die Substanz sehr brauchbar“, erklärt der Architekt im Rückblick, „die ganze Installation musste erneuert werden, doch der Kostenrahmen war sehr knapp.“

Effizient geplant

Die Strategie war klar: möglichst viel Erhaltenswertes nutzen und wenige, effektive Eingriffe setzen. Im Keller ist nun die gesamte Heiztechnik untergebracht, das Dach ist für spätere Zeiten zum Ausbau gerüstet, zu ebener Erde lebt man schon jetzt hochkomfortabel: Das wachgeküsste Wohnpotenzial der einstigen Traktorwerkstatt ließ den Bestand zur ausgedehnten Raumflucht anwachsen, die erst auf der Terrasse unterm Scheunendach am Hof endet.

Die alten Fliesen im mittigen Flur blieben erhalten, eine neue Nebenwand und zwei Durchbrüche schufen in der einstigen Kammer an der Toreinfahrt Platz für ein Gästezimmer mit Schrankwand, Toilette, Dusche und Bad. Gelebt wird im sanierten Westtrakt. Den Schiffboden in der guten Stube wollte man beibehalten, die dunkle Holzvertäfelung wurde entfernt - schon hatten die Kinder ein großes Südzimmer an der Straße.

Die frühere Küche dahinter teilen sich nun Lager und Garderobe, auf dunklem Nussholzparkett hebt die neue Weitläufigkeit an. Lässig gleitet die Werkbank zum Kochen mit Abwasch und Herd an den Fenstern vorbei, das flexibel steckbare Industrieregalsystem an der Rückwand mitsamt seinem vorstehenden Holzbord hat beachtliches Barpotenzial. Vom großen Tisch in der Raummitte blickt man durch einen Mauerdurchbruch bis zur Scheune.

Wie eine Bühne treppt sich die gemauerte Stiege aufs tiefere Bodenniveau des 3,80 Meter hohen Raumes hinab. Seitlich weiten sich ihre Holzstufen zur tiefen Sitzbank am Kamin. Zwei große Fenstertüren lassen ein Raumeck ins Freie ausfließen. Ins andere Eck wurde als konsequenter Raumabschluss eine kleine, puristische Schlafbox zur ungestörten Nachtruhe gemauert. Eine Tür führt auf die Morgenterrasse hinaus, nahtlos fließt diese in den weiten Freiraum unterm hohen Holzdachstuhl. Gleich dahinter liegt das Paradies: Zwetschken, Äpfel und Birnen erntete man im Garten schon in alten Zeiten, als hier noch der alte Stadel stand. „Es ist eine echte Oase. Hier kann man sich austoben und mit den Kindern Fußball spielen.“

Der Standard, Sa., 2007.02.17



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Umbau eines Bauernhofes

10. Februar 2007Isabella Marboe
Der Standard

Ein Haus für Omi und Taxi

Architekt Gerhard Fischill plante seiner Baufrau ein ebenerdiges Haus für ihren Lebensabend. Lapidar wie ein Geräteschuppen steht das niedere Holzhaus mit Garage und Flachdach vor den Feldern und ist in seiner plastisch strukturierten Strenge doch etwas Besonderes.

Architekt Gerhard Fischill plante seiner Baufrau ein ebenerdiges Haus für ihren Lebensabend. Lapidar wie ein Geräteschuppen steht das niedere Holzhaus mit Garage und Flachdach vor den Feldern und ist in seiner plastisch strukturierten Strenge doch etwas Besonderes.

Das Büro von Architekt Gerhard Fischill befindet sich in Roland Rainers Gartenstadt Puchenau bei Linz, einer Ikone des verdichteten Flachbaus. Puchenau besteht aus weißen, klaren Gebäuden, die mit ausgewogenen Proportionen, Sichtbezügen sowie inneren und äußeren Wegen einen nachhaltigen Beitrag zum Thema Wohnen leisten. Fischills Ortswahl ist ein Eingeständnis an eine Form, die aus Inhalten resultiert.

Seinen ersten Auftrag erbte der Architekt von seinem Kollegen Josef Schütz: ein großes Haus für eine Arztfamilie mit vier Kindern. Fein abgestimmt auf die Firste der umgebenden Bauernhöfe setzte er mitten ins oberösterreichische Dorf ein langes, sattelbedachtes Haus samt Galerie. Mit Terrasse, Garage, Schuppen und Badehaus bildet es ein kleines Ensemble, das sich um mehrere Gartenhöfe gruppiert.

Als der Großvater starb, zog die Großmutter ins Gästeappartement mit eigenem Bad und einem Fensterband am Lichtschacht, durch den abstrakte Helligkeit dringt. „Sie wollte ihr Leben nicht in meinem Keller beenden, aber dennoch in unserer Nähe bleiben“, erklärt die Tochter. Sechs Jahre dauerte das Provisorium. In der Zwischenzeit fand man Freunde, setzte diverse Kürbissorten an und entdeckte die Laufstrecke an der Donau für sich.

Ende eines Ensembles

Schließlich wurde das kleine Stück Grund am Gartenende erworben, die Großmutter wurde Baufrau ihres Hauses für den Lebensabend. Damit setzte Architekt Fischill den Schlussakkord seiner familiären Gebäudepartitur: Als feine Schließe fasst der lange, niedere Baukörper den Garten.

„Ich bin ja das Taxi für die Kinder und wollte unbedingt eine Garage, von der man direkt ins Haus kann“, sagt die Baufrau, „außerdem gehe ich oft laufen - eine Sauna erholt dann wunderbar.“ Abgesehen davon braucht es zum Leben nicht viel: ein blickgeschütztes Bad, einen großen, offenen Wohnraum mit funktionaler Küche und Kamin, Platz für nächtigungswillige Enkel und ein eigenes, abtrennbares Schlafzimmer.

Wie ein feiner Stadel liegt das Haus an der Straße. Gleich daneben breitet sich ein Maisfeld in der weiten Ebene des Eferdinger Beckens aus. Ein Fundament, acht Säulen und die Decke bilden die tragenden Basisbausteine. Die Wand mitsamt ihrer Öffnungen ist als Hülle und Haut ein wesentliches Gestaltungselement des Wohnens. Sie besteht aus einer Pfosten-Riegelkonstruktion; ihr Raster von exakt 62,5 Zentimetern ergibt sich aus dem marktüblichen Plattenmaß. Gemeinsam mit den Deckleisten der Verglasung bildet die Lärchenschalung eine rhythmische Struktur.

Schützend wickeln sich die geschlossenen Holzwände um den hellen Wohnraum, der sich großzügig verglast zur Terrasse hin öffnet. Als eigener, niederer Holzbaukörper buchten sich die Räume zur Pflege der Bade- und Saunakultur aus der Straßenfassade aus. Dahinter liegt der Eingang an der abschließenden Garage aus Sichtbeton, die gleichzeitig ein Geräteschuppen mit Zugang zu Garten und Wohnen ist.

Möbel aus einem Guss

Kein altes Möbel kam mit ins neue Haus, Architekt Gerhard Fischill plante alle integrativen und raumteilenden Wandschränke sowie das Küchen-, Bade- und Schlafzimmerinterieur gleich mit. Schrankwände aus weiß lackierten Holztafeln teilen die Garderobe von der Lesenische am Kamin, durch ein Innenfenster sieht man ins Bad hinein. Dezent lehnt sich die Bank an den frei stehenden Herdblock am großen Nussholztisch und variiert sehr dezent die ortstypische Sitzecke.

Hinterm Schrankrücken mit Schiebetür schläft die Baufrau, beim Erwachen sieht sie direkt aufs Badehaus. Entgrenzend und schattenspendend ragt das Flachdach über die Terrasse mit dem puristischen Granderbecken aus Sichtbeton. Es sammelt den Regen für die Gemüsebeete, die im Hof angelegt wurden. Eine russische Weidenart, die wie eine Olive aussieht, verbreitet Toskana-Gefühl.

Der Standard, Sa., 2007.02.10



verknüpfte Bauwerke
Auszugshaus Friedl

03. Februar 2007Isabella Marboe
Der Standard

Hightech-Hausboot am Biotop

Eigentlich wollte man von den Architekten nur einen Plan bekommen. Doch dann wurde es doch noch ein ganzes Haus. Ein Haus wie ein Schiff, ins Grundstück gesetzt von team_em.

Eigentlich wollte man von den Architekten nur einen Plan bekommen. Doch dann wurde es doch noch ein ganzes Haus. Ein Haus wie ein Schiff, ins Grundstück gesetzt von team_em.

Der Garten ist ein Paradies für die Kinder: Ein Südhang am Ende der verschlafenen Ortschaft Rassing, vierzig Autominuten von Wien. Alte Bauernhäuser, Stadel und Gehöfte säumen lose die Straße im Norden, die durch weite Feldlandschaften führt.

In der Familie hatte man bereits reichlich Baustellenerfahrung: Der Vater ist Maurer, der eine Bruder ist auch Maurer, der andere wiederum ist Tischler und der Bauherr selbst ist Elektrotechniker. Eine Skizze mit fix fertigem Raumschema inklusive Steckdosen war bereits gezeichnet. Fehlte nur noch ein Plan. Und den sollte Martin Ertl vom Büro team_em liefern.

Doch stattdessen zeigte der Architekt dem Bauherrn drei realisierte Häuser. Außen konnte er sich nicht so recht begeistern, vom hellen Innenleben mit Lufträumen und Galerien im Wohnbereich war er jedoch begeistert.

So begann der Planungsprozess. „Wir wollten kein typisches Einfamilienhaus wie einen Punkt reinsetzen, sondern eine Form finden, die sich in die Dorfstruktur fügt“, sagt Martin Ertl.

Eine feine Referenz

Mitsamt seinem malerischen Biotop wird der Garten nun von einem u-förmigen Hofhaus umfasst. Im Obergeschoß ist der lang gestreckte Riegel von einem sachten Dachbogen bespannt. Er ist mit horizontalen Lärchenlatten verkleidet und erweist so den nachbarlichen Stadeln eine feine Referenz. Keck lugt sein auskragendes Nordende zwischen den Bäumen auf die Straße.

Garage, Werkstatt und viel Stauraum waren ein absolutes Muss. „Wir wollten ohne Keller auskommen“, sagt Martin Ertl. In der massiven Nordwand hat nun der gesamte Stauraum Platz gefunden. Im offenen, hohen Zentralraum davor pulsiert das Herz des Familienlebens: Hier wird gekocht, gegessen, gewohnt und gearbeitet. Die Holztramdecke verleiht dem Raum eine warme Atmosphäre, der Luftraum über der lichtdurchlässigen Stiege ist über fünf Meter hoch. Er wird von einem Steg durchmessen, der die Nordhälfte der Kinder mit der elterlichen Südseite verbindet. Von dieser Brücke überblickt man auch die am Garten gelegene Küche. „Das ist unsere Sommerresidenz“, sagt der Bauherr. An besonders heißen Tagen bleibt die Küche immer noch angenehm kühl: Wie ein Hausboot ragt darüber der Elternschlafraum über die Terrasse und bildet ein schattenspendendes Vordach.

Der Bauherr ist leidenschaftlicher Handwerker und technischer Perfektionist. Das BUS-System, das die Sonnensegel und Jalousien des Niedrigenergiehauses je nach Wind und Wetter sowie die gesamte Beleuchtung und den Medienraum steuert, verlegte der Bauherr selbst. Daheim arbeitet er bei Frau und Kindern, jedes davon hat seinen eigenen PC an der langen Workstation. Diese liegt am lauschigen, windgeschützten Innenhof mit Aussicht auf einen Birnbaum.

Die Pergola im Hof führt wieder direkt in die Küche, wo die Mutter ihre Kinder in Wohnraum, Garten oder Wasser stets im Auge hat. Hinterm Biotop klettern Gabionen im Drahtgitter den Hügel hoch. „Zwischen den Steinen nisten Eidechsen und Molche, der Garten ist so bepflanzt, dass die Vögel leicht fündig werden“, freut man sich. Lediglich bei den Himbeeren entfacht ein regelrechter Kampf zwischen Tier und Mensch.

Der Standard, Sa., 2007.02.03



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Haus Planyavsky

27. Januar 2007Isabella Marboe
Der Standard

Ein Haus für alle Lebenslagen

Ein solides Hietzinger Vorstadthaus wurde umgebaut und aufgestockt. Architekt Jürgen Radatz ordnete im thermisch sanierten Bestand Praxis und private Schlafebene an, unauffällig fügen sich die zwei neuen Wohngeschoße ins ruhige Straßenbild.

Ein solides Hietzinger Vorstadthaus wurde umgebaut und aufgestockt. Architekt Jürgen Radatz ordnete im thermisch sanierten Bestand Praxis und private Schlafebene an, unauffällig fügen sich die zwei neuen Wohngeschoße ins ruhige Straßenbild.

„Als ich das erste Mal hier war, sah ich erstmals im Leben eine Sternschnuppe“, erinnert sich heute die Baufrau zurück. „Da spürte ich bereits, das ist mein Haus.“ Die Sternschnuppe ist fast zwanzig Jahre her. Das Haus war damals noch in Besitz der alten Generation, erst später gelangte es über eine Erbschaft in die jungen Hände der beiden Bauherren. Lang zögerte man mit dem Ausbau. „Vierzig Jahre wurde nichts investiert, es wirkte wie ein Abbruchhaus.“ Doch die Alternativen waren teuer und von der Lage nicht vergleichbar, das dritte Kind war zudem schon unterwegs. Die Familie brauchte dringend Platz, also ließ man den Bestand von einem Statiker prüfen.

Das 1892 erbaute Hietzinger Vorstadthaus mit Keller, Erdgeschoß, erstem Stock und Satteldach war problemlos ausbaubar. Knapp über zehn Meter Traufhöhe erlaubte die Bauordnung. Architekt Jürgen Radatz konnte das alte Dach durch zwei neue Geschoße ersetzen. Man wollte für die Zukunft bauen und gerüstet sein: Das inkludierte eine ebenerdige Arztpraxis, eine spätere Teilbarkeit der Wohnebenen in zwei separate Einheiten sowie einen Lastenaufzug. „Ich habe drei Kinder, das Meiste muss ich schleppen“, sagt sie. „Im Alter wollen wir dann nicht auch noch schwer tragen“, entgegnet er.

Behutsam umgebaut

Was intakt war, blieb erhalten. Neues wurde klar ablesbar in zeitlos moderner Architektursprache hinzugefügt. Die schlichten Isolierglasfenster geben gar nicht erst vor, alt zu sein. Ruhig hebt der Aufbau mit einem transparenten Fensterband an. Sein leichtes, verblechtes Vordach reagiert auf die Gesimse nebenan und bildet eine optische Zäsur, hinter der das Dach unmerklich ansteigt. Auf der Hofseite im Süden holen die zwei Leichtbaugeschoße mit Terrassen und einem Pflanzentrog Luft, Sonne und großzügiges Gartengefühl aufs Dach.

Rigoros umgewidmet

Im hellen Eingangsfoyer führen Stufen mit Kinderwagenrampe zur Arztpraxis. An den Straßenfenstern liegt der Warteraum, die zwei Behandlungsräume haben Gartenblick. Durchs Fenster fallen die zersägten Träme des alten Dachstuhls auf - sie wurden sorgfältig aufgeschlichtet und säumen nun als efeuumrankte Mauer die Westgrenze.

Der Weg zur Wohnung indes führt geradeaus am Lastenaufzug vorbei über die alte Treppe. In die hohen Räume unter der Dippelbaumdecke des ersten Stocks nisteten sich Kinder- und Schlafzimmer ein. Eltern und Tochter profitieren von der Umwidmung des Kabinetts in zwei Schrank-räume. Im edlen Bad mit Schieferboden und verspiegelter Stauraumwand lachen Sonne und abermals Gartenblick durchs Fenster.

Darüber beginnt das eigentliche, luftige Wohnen im Holzleichtbau. Durch die Glasbrüstung am Ende der alten Dachbodentreppe taucht der Blick gleich in die offene Ebene mit Lesegalerie. Der Quasi-Einraum bleibt möbelfrei und lässt das Licht vom Luftraum im Norden bis zum Esstisch im Süden ungehindert fluten. In der Küche fällt das letzte warme Abendlicht durch die Sonnenschutzlamellen. „Das ist der schönste Platz im Haus, da braucht man keinen Urlaub mehr“, sagen die Bauherren. Als weißes, abstraktes Mauerband wickelt sich die Treppenbrüstung weiter um die Galerie. Von dort kann man ins Wohnen oder von der Südterrasse bis zum Lainzer Tiergarten blicken.

Der Standard, Sa., 2007.01.27



verknüpfte Bauwerke
Haus Amalienstraße

20. Januar 2007Isabella Marboe
Der Standard

Echt schräg in Opernnähe

Die beiden Architekten Susanne Zottl und Kristof Jarder gestalteten die frühere Wohnung eines Kammersängers zur exklusiven temporären Bleibe für Künstler um. Wie eine Felswand durchzieht ein dynamisches Raummöbel die Wohnung im Opernringhof.

Die beiden Architekten Susanne Zottl und Kristof Jarder gestalteten die frühere Wohnung eines Kammersängers zur exklusiven temporären Bleibe für Künstler um. Wie eine Felswand durchzieht ein dynamisches Raummöbel die Wohnung im Opernringhof.

Der Opernringhof liegt exquisit. Vor dem Fenster erstrecken sich Ringstraße und Staatsoper. Das von Carl Appel, Georg Lippert und Alfred Obiditsch erbaute Gebäude ersetzt den ehemaligen Heinrichshof von Architekt Theophil von Hansen, der übrigens auch Börse und Parlament gebaut hatte. 1945 wurde der Heinrichshof schwer beschädigt und schließlich abgerissen. Sein Nachfolger ist stilsicher. Bis heute atmen goldgefasste französische Fenster, Geländer, Boden und Lampen im Foyer den Flair der Fünfziger.

Kammersänger Oskar Czerwenka hatte hier eine Wohnung, die sich fast 15 Meter vom Hof über eine dunkle Mitte bis hin zur Operngasse erstreckt. 1966 wurde sie von Architekt Robert Ederer in einen mahagonifarbenen, wandverbauten Möbelguss auf auberginefarbenem Teppich umgestaltet. Der zentrale Essplatz war düster, die Westsonne blieb einzig dem Salon. Nach dem Tod des Sängers und seiner Frau erwarb die Czerwenka Privatstiftung die Wohnung. Sie wollte sie als Quartier für Künstler mit Gastverträgen in Wien nutzen. Die beiden Architekten Susanne Zottl und Kristof Jarder adaptierten sie schließlich zum stilvollen Appartement mit viel Licht - natürlich wie künstlich.

Licht in Szene gesetzt

„Die Orientierung der Wohnung zu zwei Himmelsrichtungen war nicht zu merken. Wir machten ihr Gesamtvolumen und den beidseitigen Lichteinfall wieder spürbar,“ sagt Susanne Zottl, „außerdem sollte noch genug Platz für einen Flügel bleiben.“ Die statische Struktur blieb unberührt, ihre Befreiung von Boden und Einbauten wirkte atmosphärische Wunder. Von indirektem Licht in Szene gesetzt, kommen die zwei querenden Unterzüge an der durchgehend 2,90 Meter hohen Decke wieder raumgestaltend tragend zur Geltung. Darunter schlängelt sich eine frei stehende Möbelskulptur in souveräner Eleganz durch die Wohnungsmitte. Vor dem dynamisch schrägwandigen Element aus elfenbeinfarbenen MDF-Platten mäandern fließend die geselligen Lebensbereiche durch den Raum.

Dahinter weitet sich das multifunktionale Raummöbel zum begehbaren Schrank-raum. Wie ein Portal ragt er in den Salon, eine Tür öffnet beziehungsweise verwehrt die von oben belichtete Schneise zum Schlafzimmer am Hof. Das Bad an der Wohnungstrennwand ist mit dunklem Schiefer und einem Corian-Waschtisch ausgestattet. Große Spiegel mit Hollywoodbeleuchtung bieten jeder Diva Idealbedingungen fürs perfekte Make-up.

Möbel als Architektur

Die eleganten Einbaumöbel warten noch mit ganz anderen, detaillierten Überraschungen auf: Die Türstockverkleidung im Entree hält sogar einen versteckten Schirmständer bereit. Keck buchtet sich das Garderobenteil mit einer eingeschnittenen, hinterleuchteten Ablagefläche aus, um dann weiter zum Baldachin über dem Essplatz an die Decke zu fluchten. Nirosta-Kühlschrank und ein morgenbesonnter Blick auf den ruhigen, glaskuppelüberwölbten Hof warten schon auf Mieter. Eine disziplinierte Schrankwand birgt großzügig modernste Kücheninfrastruktur.

Das Multifunktionsmöbel schwebt scheinbar übers Eichenparkett, nachts lassen es hinterleuchtete Plexiglasbänder mondän schimmern. An der Bruchstelle zum Wohnen ist die fließende Raumskulptur raffiniert zur künstlichen Kluft versetzt, durch die man an der Schrankrückseite zum Wohnraum blickt.

Ein Regalelement an der Wand bildet den abschließenden Appendix im Salon. Seine Tiefen bergen Stereoanlage, viel Stauraum und die aus dem Bestand gerettete Bar: ein verspiegelter, futuristisch anmutender Schrein aus silbernen Rhomben. Der freie Raum davor wartet aufs Klavier. Vorsatzschalen gewähren Musikgenuss ohne Reue. Auf den zwei Balkonen über der Operngasse ließen sich gut Arien schmettern.

Der Standard, Sa., 2007.01.20



verknüpfte Bauwerke
Wohnung Stiftung Czerwenka

13. Januar 2007Isabella Marboe
Der Standard

Der Simmeringer Mix

Ein neues Studentenheim in Simmering legt die Latte für akademisches Wohnen hoch. Unter der Obhut der atelier 4 architects entstand ein städtischer Bau mit etlichen Freiflächen, ein bisschen Hinterhofromantik und bedrucktem Grün auf der Loggia.

Ein neues Studentenheim in Simmering legt die Latte für akademisches Wohnen hoch. Unter der Obhut der atelier 4 architects entstand ein städtischer Bau mit etlichen Freiflächen, ein bisschen Hinterhofromantik und bedrucktem Grün auf der Loggia.

Die Verlängerung der U3 machte Simmering zum boomenden Bezirk. Immer mehr neue Wohnhäuser und Bürotürme mengen sich in die alte Bebauung an der Peripherie. Auch Studentenheime sind nach Jahren der Flaute wieder im Kommen. „Die Nachfrage ist groß, die Wohnzufriedenheit sehr hoch“, sagt Günther Jedliczka, Geschäftsführer der ÖAD-Wohnraumverwaltungs-GmbH, die auf Erasmus-Stipendiaten und Post-Graduates spezialisiert ist. Die Klientel stammt aus 30 bis 40 Nationen, auch Studenten mit Familien leben in den Heimen. „Wir vertreten die Philosophie der Zweier- und Vierer-Garçonnièren mit gemeinsamer Sanitär- und Kücheneinheit. Dazu achten wir sehr auf gute Ausstattung, Gemeinschaftsangebote und Partyräume.“

Kein Studentengetto

Der Eckgrund nah der U3-Endstation Simmering lag günstig, war für die alleinige Heimnutzung jedoch zu groß. Die Widmung sah teilweise reines Wohnen, teilweise einen Mix aus Geschäften und Wohnungen vor. Bauträger GPA beauftragte die atelier 4 architects mit der Planung. „Wir wollten kein Getto für Studenten schaffen“, erklären die Architekten Peter Erblich und Manfred Hirschler, „wir haben die Parzelle ökonomisch winkelförmig bebaut und haben die diversen Wohnformen unterschiedlich artikuliert.“ Vor allem am Dach und im Hof gibt es ein vielfältiges Freiflächenangebot für Bewohner und Studenten.

Eine transparente Geschäftszone mit offener Stützenstruktur bildet den gläsernen Sockel, neben dem Ecklokal trennen sich die Wege zur Heimstiege und zum Laubengang am Hof. Er erschließt den Bauteil an der Mautner-Markhof-Gasse, der mit einer ruhigen Lochfassade aus liegenden Fenstern besticht. Souverän nimmt die verputzte Volte den Höhensprung zur Simmeringer Hauptstraße auf. Hier scheint der fünfstöckige Wohn- und Heimtrakt regelrecht zu schweben. Eine vorgelagerte Verandenschicht gibt ihm leichte Eleganz und schafft den Studentengarçonnièren einen schallgeschützten, wohltemperierten Freiraum im Südwesten. Laubaufdruck auf der Glasbrüstung, ein satiniertes Oberlicht und die öffenbare, glasklare Mittelzone für Scharfblick und Frischluft verleihen dieser Pufferzone ihre spezielle Atmosphäre.

Alle Zimmer haben ein Stück Wintergarten oder eine Loggia zum Hof, Eichenparkett und freundliche Möbel aus hellem Ahorn und sind mittels Internet, Telefon und Kabelfernsehen an die Außenwelt angebunden.

Sonnenschutzlamellen lassen die zurückgesetzte Dachzone himmelwärts gleiten. Die pergolagedeckte Terrasse mit Panoramablick über kleinteilige Hinterhaus- und Hoflandschaften bis hin zu den Gasometern und zum Millennium - Tower gehört gleichermaßen Bewohnern und Studenten. Nach allen Regeln der Kunst feiert der zentrale Innenhof mit der langen, grünen Terrasse im ersten Stock die studentische Gemeinschaft.

Hier setzten die zwei eternitverkleideten Brückenhäuser mit familientauglichen Studentenwohnungen auf. Als dynamisch-moderne Pawlatschenversion schweben sie über dem Hof und schaffen schattig gedeckte Zonen. Das Hinterhaus zum Wohnen - eine Alternative zur städtischen Hauptfassade - variiert damit ein weiteres Simmeringer Thema.

Der Standard, Sa., 2007.01.13



verknüpfte Bauwerke
Studentenwohnheim und Wohnhaus

16. Dezember 2006Isabella Marboe
Der Standard

Architektur in allen Ritzen

Ein biederes Einfamilienhaus in St. Pölten bereicherten die SHARE architects mit einer neuen Dachlandschaft aus Lärchenholzlatten und einer großen Panoramafassade. Die Verbindung zwischen Alt und Neu: eine Treppe, die wie ein Teppich in den Bestand hinabgleitet.

Ein biederes Einfamilienhaus in St. Pölten bereicherten die SHARE architects mit einer neuen Dachlandschaft aus Lärchenholzlatten und einer großen Panoramafassade. Die Verbindung zwischen Alt und Neu: eine Treppe, die wie ein Teppich in den Bestand hinabgleitet.

Viehofen ist eine Gartensiedlung am Ostrand von St. Pölten. Entstanden ist sie nach und nach auf dem Anwesen der Grafen von Kuefstein. Noch immer steht deren Villa zwischen den Hausreihen und der Gaststätte aus den Dreißigerjahren. „Es ist eine gute, ruhige Wohngegend. Wir haben den Traisenpark, die Eishalle, ein Einkaufszentrum und ein Naherholungsgebiet mit zwei Seen gleich in der Nähe“, sagt der Bauherr. Das Paar und seine Tochter lieben die Gegend und die Natur, ihr dortiges Haus wurde mit der Zeit jedoch zu eng.

Als ein Nachbar sein Haus zum Verkauf angeboten hatte, zögerte man keine Sekunde - obwohl auch dieses zu klein war. Dafür ließ der Garten mit fast 1000 Quadratmetern, Feigen-, Nashi-, Kirsch- und Marillenbäumen das grüne Herz des Bauherrn höher schlagen. Das eingeschoßige, sattelgedeckte Ur-Haus aus den Dreißigern war vor etwa zehn Jahren schon einmal erweitert worden. Die drei Zimmerchen wurden damals um ein eigenständiges Mini-Haus erweitert. Da stand es also, das Relikt eines verflossenen Trends im Garten: ein quadratischer Wohnraum mit zwei Glasfronten, auskragendem Walmdach und einem Kamin im Eck.

Lösung für wenig Geld

Nun musste ein weiteres Mal umgebaut werden. SHARE architects brachten alle Bauherrenwünsche auf dem Dach unter. Das vom Kauf ausgedünnte Budget war so karg, dass sich der Bauherr entschloss, den Innenausbau weitestgehend selbst in die Hand zu nehmen. Statt des alten Satteldachs krönt nun ein schnittiger, vorgefertigter Holzleichtbau den Bestandssockel. Die gartenseitige Schrägverglasung blickt wie ein Großbildfernseher in die Landschaft.

Durch den nötigen Aufgang kam das Haus zu einer eigens entworfenen Stiege aus Metall und Holz. Wie ein Teppich entgleiten ihre Merbau-Stufen dem geölten Parkettboden, um als begehbare Skulptur zwischen Küche und Essplatz zu landen. Von Glaswänden gerahmt wird jede zweite Stufe von unten beleuchtet und inszeniert so den Übergang von unten nach oben, von Alt zu Neu. Der Raum darunter bleibt nutzbar, zwei neue Durchbrüche im Bestand machen das Wohnen als zusammenhängendes Raumgefüge erlebbar.

Im Aufbau, wo man am oberen Ende der Treppe in neue Wohndimensionen eintaucht, wird gespielt, gelesen und gebadet. Unter Dachflächen, die in subtil asymmetrischer Dynamik bis auf vier Meter Raumhöhe ansteigen, weitet sich ein großer, zentraler Raum zur transparenten Vollschräge. Hier scheinen Himmel und Garten ins Innere zu kippen, für Frischluft sorgt ein eingeschnittenes, öffenbares Fenster. An dieser luxuriösen Gemeinschaftsfläche liegen die Individualräume. Durch zwei Glastüren im Kinderzimmer kann man aus dem Wintergarten auf den neuen, kleinen Balkon hinaustreten.

Die Eltern ruhen straßenseitig blickgeschützt hinterm Lattenrost. Dort befindet sich auch das Bad. „Wir wollten nicht, dass uns die Nachbarn ins Zimmer sehen“, erklärt die Bauherrschaft, die sich eine Architektur mit viel Liebe gewünscht hatte: „Wir machen oft Urlaub in der Türkei. Die orientalische Architektur mit ihren vielen Formen, Licht- und Schattenspielen, die den Blick verschleiern, gefiel uns immer schon sehr gut.“

Diese Anregung nahmen die Architekten auf, indem sie die Südseite des Zubaus komplett mit Lärchenholzlatten umhausten. Tagsüber wirkt der Zubau fast wie ein Stadel, den man auf den gemauerten Sockel der vorstädtisch-ländlichen Siedlung setzte. Durch ihre unterschiedlich dicken Zwischenräume schimmern tagsüber Straße, Bäume, Himmel und Sonnenlicht. Umgekehrt strahlt es nachts aus allen Ritzen.

Der Standard, Sa., 2006.12.16



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„On Top“ - Einfamilienhaus-Erweiterung

09. Dezember 2006Isabella Marboe
Der Standard

Jedem sein Stück Garten

Sonne dringt in den dichten Gründerzeitblockraster von Wien-Favoriten, raffiniert lockt sie das Eckhaus der Architekten Geiswinkler & Geiswinkler zu Mietern und Pflanzen. An den Fassaden wachsen vertikale Gärten bis zum grünen Dach hoch: ein Haus aus silbrigem Wellblech und üppigem Grün.

Sonne dringt in den dichten Gründerzeitblockraster von Wien-Favoriten, raffiniert lockt sie das Eckhaus der Architekten Geiswinkler & Geiswinkler zu Mietern und Pflanzen. An den Fassaden wachsen vertikale Gärten bis zum grünen Dach hoch: ein Haus aus silbrigem Wellblech und üppigem Grün.

„Eine Wohnung braucht viel Licht. Und damit meinen wir nicht nur Helligkeit, sondern wirklich Sonne“, sagen die Architekten Kinayeh und Markus Geiswinkler, „natürlich kann sich nicht jeder ein Haus mit Garten leisten, aber jeder will gern etwas pflanzen.“ Freiraum ist für die beiden weit mehr als nur ein Balkon. Erst ein Stück Erde zum Rasenmähen und Kräuter-Ziehen macht ihn zum lebendigen Grün.

Die erste Siedlung, die sie planten, war am so genannten Hofgartel am Leberberg. Ihre Maisonetten sind wie Reihenhäuser gestapelt und bestechen mit Gärten, Pergolen, Loggien und Dachterrassen. Das Grün zwischen den Zeilen gestaltete der Künstler Friedolin Welte, denn auch auf Schwelle und Weg legen Geiswinkler & Geiswinkler viel Wert. Die Wohnsiedlung am Hofgartel kam so gut an, dass sie dafür nicht nur den Holzbaupreis „wienwood 05“ erhielten, sondern vom Bauträger „Neues Leben“ sogar mit einem weiteren Wohnbau beauftragt wurden - diesmal am Eck eines dicht verbauten Gründerzeitblocks in Wien Favoriten.

Viel Sonne in der Wohnung und sein eigenes Stück Erde sollte auch hier jeder haben. Die Westseite liegt an der Alxingergasse, lichtdurchlässig umrundet ein Sockel auf Pendelstützen das Eck zum Eingang im Süden. Darüber wächst an beiden Fassaden die urbane, zweigeschoßige Mietergartenvariante in einer räumlich differenzierten Struktur aus Streckmetall, Wellblech und Aluminium bis hoch aufs Dach.

Wie ein Schleier beginnt der Regen seinen Weg am begrünten Dach und rinnt das spalierbaumbepflanzte, metallene Rankgitter hinab, bis er schließlich in der Erde versickert. Als bewachsene Wand bildet das Metallgitter den Blickschutz zwischen dem privaten Grün und regelt so das ökosoziale Mikroklima im vertikalen Maisonette-Garten über der Gasse.

Komplexe Fassade

Die Fassade ist räumlich komplex. Rundkantig hochgezogen, schwappen die wellblechverkleideten Erker als reflektierende Wogen über das Haus und mehren auf diese Weise das Licht in der Straße. Die meisten Loggien haben im Südwesten ein gläsernes Eck. Damit schenken sie dem zweiten Zimmer der Schlafebene eine sonnenhelle Nische und einen Blick auf den zweigeschoßigen Minigarten darunter. Der Garten unten profitiert wiederum von einem gedeckten Sitz- bzw. Liegeplatz im Grünen.

Aus baupolizeilichen Gründen springt die Gartengitterstruktur ab dem 5. Stock zurück. Gewohnt wird hier oben an sonnenwärts verschwenkten Grünräumen. Jede Maisonette hat ihren eigenen Garten, lichtdurchlässige, einläufige Stiegen, flexibel teilbare Grundrisse mit Schiebetüren und so wenig Wand wie möglich.Von der begrünten Dachterrasse hat man einen fulminantem Blick auf Wien. Aufmerksam gestaltete Gemeinschaftsräume im Keller und am Dach bilden die Basis und die Krone des Hauses.

Schwungvoll zieht sich eine semitransparente Profilitglaswand von der Garagenrampe an der Alxingergasse ums Eck, ihr Bogen schafft dem Eingang hinter Pendelstützen einen fließenden, gedeckten Vorplatz. Das industrielle Material passt in den Arbeiterbezirk Favoriten, in unscharf lyrischer Verklärung schimmern Bäume, Autos, Menschen und Häuser durch. Die gebauchte Wand birgt eine Garage für Räder. Dahinter reihen sich Kinderspiel- und Fitnessräume.

Die weißen Brüstungsmauern der Stichgänge, die vom Lift zu den Türen führen und in einem Bogen das Eck umrunden, schaffen im Hof ein eigenes Ambiente. Ein Oberlichtschacht mit Bank säumt die Grundgrenze und bringt Tageslicht in den Gemeinschaftskeller. Von einem Gitter umhaust, ragt die Stiege am Nordende der Feuermauer ins Freie. Ungehindert flutet die Südsonne in die durchgesteckten Maisonetten und Gärten der Eingangsfront.

Der Standard, Sa., 2006.12.09



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Wohnhaus Alxingergasse

02. Dezember 2006Isabella Marboe
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Das Haus am Stadel

Als wesensverwandtes Pendant gesellt sich ein feiner Neubau der LP architektur zum alten, dunklen Stadel. Die Schindelfassade zollt ihm altehrwürdigen Tribut. Unter sein Satteldach ist ein tiefer Balkon eingeschnitten. Frischluft und Seeblick hat man somit bei jedem Wetter.

Als wesensverwandtes Pendant gesellt sich ein feiner Neubau der LP architektur zum alten, dunklen Stadel. Die Schindelfassade zollt ihm altehrwürdigen Tribut. Unter sein Satteldach ist ein tiefer Balkon eingeschnitten. Frischluft und Seeblick hat man somit bei jedem Wetter.

Im alten Ortskern von Goldegg hatten die Bauherren ein Lebensmittelgeschäft. Insgesamt baten sie vier Planer um Konzepte für mehr Verkaufs- und Parkplätze. Jenes von Thomas Lechner von LP architektur begeisterte. „Erst wollten wir uns das windschiefe Gartenhaus zum Wohnen herrichten, dann fragte der Schwiegervater, warum wir nicht gleich neu bauen“, erzählt die Baufrau.

Daran hatte beim 580 Quadratmeter winzigen Grund bisher keiner gedacht, dafür war aber schon längst der Architekt entschieden. Thomas Lechner war vom Ort überwältigt: „Ich hatte gar nicht begriffen, was für ein Schatz da verborgen lag. Und ich hatte den größten Respekt, etwas Neues in so sensible, beengte Verhältnisse zu stellen.“

An der Hinterseite der Hauptstraße breitet sich im mächtigen Nordschatten des Hotelrückens ein idyllischer Garten aus, der im Osten sacht in den weiten Seeblick mit Schloss Goldegg entgleitet. Im Westen hingegen steht in zeitloser Gelassenheit auf Findlingsmauern ein langer, alter Holzstadel. „Huck dich no an wengerl her! Feierabend is, tu nix mehr“, ritzte eine fröhliche Hand in den Arbeitsbalkon unterm Schindeldach. Dieses archaische Stück Architektur legte dem Neubau die Latte hoch, an ihm musste man Maß nehmen.

Behutsam wurde der zweigeschoßige, schindelverkleidete Baukörper mit Satteldach am Gartengrund geparkt. An seiner Längsseite ist - direkt vor den Schlafzimmern - ein zwei Meter tiefer Balkon eingeschnitten, der dem Stadel eine feine Referenz erweist. Hier kann man bei Wind und Wetter mit Seeblick im Freien sitzen. Geplant war, den wesensverwandten Zeitgenossen vom First bis zum Boden mit Schindeln einzukleiden, doch das billigte die Ortsbildkommission nicht. Dem Wohnstadel war sie alles andere als gewogen, erst ein positiver Bescheid des „Fachbeirats Architektur“ glättete die Wogen. Nun trägt das Dach Kupfer, und die Baufrau trägt's gelassen: „So ist es praktischer.“

Ökologisch wohnen

Der klare Baukörper, der so selbstverständlich im Garten steht, ist raffiniert, räumlich komplex und klimatisch hochkomfortabel. Dem Hotel zeigt das Niedrigenergiehaus mit kontrollierter Wohnraumbe- und Entlüftung seine großteils hermetische Rückseite, wo sich zwischen den Dachsparren das Oberlicht gläsern zum Himmel öffnet. Es fängt den Kirchturm ein und lässt die Sonne über die Stufen tanzen. Auch den Keller in der Sichtbetonwanne adelt sein lärchengedecktes Atrium: Mit atmosphärischem Lichteinfall und intimem Freibereich schließt es direkt an den beliebten Allzweckraum an.

Eine moderne Familie braucht Auto und Stauraum. Der cortenstahlverkleidete Geräteschuppen trägt auch das Dach des Carport und schafft somit einen großzügigen Vorbereich vorm Eingang. Der gedeckte Gang inszeniert innen und außen den Weg zum Herz des Hauses.

Sein Schlag beginnt in der Küche. Dreizeilig schmiegt sie sich ins gemauerte Eck des Wohnstadels. In Anlehnung an den Loos'schen Raumplan ist sie etwas niedriger und liegt zwei Stufen über dem Wohnbereich. Umsichtig knickt die Glaswand ums Eck, um auch schräg einfallende Sonnenstrahlen einzufangen.

Im gedeckten Terrassensockel steckt noch mehr Überraschung: Nach Schubladenprinzip lässt sich im Sommer ein Extrameter herausziehen. „Der Garten ist unser erweiterter Lebensraum,“ sagt die Baufrau, „zum Winter aber gehört ein offenes Feuer.“ Ohne den Raumfluss am Panoramaglas zu stören, flackert es im puristischen Kaminquader, der dem Sitzen, Schauen und Lesen eine Nische schafft.

Der Standard, Sa., 2006.12.02



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EFH Steinacher

25. November 2006Isabella Marboe
Der Standard

Eine Fabrik für die Kunst

Eine ehemalige Textilfabrik wurde zu neuem Leben erweckt. Ins Dachgeschoß implantierten die Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch schlichte Artist-in-Residence-Ateliers.

Eine ehemalige Textilfabrik wurde zu neuem Leben erweckt. Ins Dachgeschoß implantierten die Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch schlichte Artist-in-Residence-Ateliers.

Einst wurde in der Textilfabrik Eybl in Krems im Akkord genäht. Dann wechselte das internationale Großunternehmen den Standort, und das alte Fabrikgebäude stand leer. Die ursprünglichen, modernen Wurzeln vom Anfang des 20. Jahrhunderts waren kaum zu erahnen, zu viele Umbauten wurden im Laufe der Geschichte über den einstigen Prachtbau gestülpt. Ideen und Wettbewerbe gab es viele, doch ein Investor fand sich nicht. Als die Straße 2001 in eine Kunstmeile verwandelt wurde, gab es eine Einigung mit dem Unternehmen Halmschlager. Unter der Auflage, in der Ex-Fabrik Kulturträger und Artist-in-Residence-Ateliers unterzubringen, wurde das Areal verwertet.

Der Umbau schritt voran, doch die NÖKU (Niederösterreichische Kulturwirtschaft) wollte mehr. Die Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch sollten an der Fassade ein kulturelles Statement setzen und innen ein niveauvolles Ambiente schaffen. Im Freilegen der Qualität von unscheinbar wirkendem Bestand hatten sie auf niederösterreichischem Boden schon viel Spürsinn bewiesen. So stanzten sie in Großmugl knirpstauglich niedrige Fenster in zwei Kindergärten der Fünfzigerjahre, planten in einem Kremser Kellergewölbe die beliebte Bar Hendrik und veränderten erst kürzlich einen Wasserspeicher im Reisperbachtal zum Kern eines Architekturerlebnispfades.

Als man die beiden Architekten mit dem Umbau der Fabrik betraute, war das Dach bereits neu gedeckt, die Arbeiten an den Stiegen und Fassaden waren kurz vor Fertigstellung. So banal, wie sich das Gebäude präsentierte, konnte es nicht bleiben. Sam und Ott-Reinisch nutzten die Fassade als Bildträger für Kultur: Sie setzten ihr ein Stahlgerüst mit Layern aus Bild- und Schriftrahmen vor. Ihre Farben, Linien, Gitter und Projektionsflächen reflektieren künstlerische Medien, werfen Schatten und tragen Botschaften der darin untergebrachten Institutionen nach außen. So gibt es beispielsweise eine von ORTE (Architekturnetzwerk Niederösterreich) in Szene gesetzte Information über den Architekten Josef Frank, die Artothek NÖ wiederum hängte eine Arbeit von Hans Kupelwieser auf.

Farbe, Licht, Form

Die Fassadenfarben kehren in den reduzierten Ateliermöbeln aus Stahlrohr und Massivholz wieder. Das bunte, flexible Basisinventar bildet den leichtlebigen Kontrast zum abstrakt weißen Dachgeschoß, das hauptsächlich durch Kamintürme und Sparren besticht. Artig wurde die Dachlandschaft mit Gipskartonplatten verkleidet, gelegentlich wurden bewusste Durchblicke ausgespart. Wie Blöcke stehen weiße Wandscheiben herum, die sogar skulpturale Qualität entfalten. Eine Vorhangschiene in der Decke ermöglicht textiles Verpuppen. Fünf der sechs Ateliers haben eine Galerie, deren Gaupe sich südseitig zum Balkon und begrünten Hof weitet.

Als unverrückbare Konstante bietet die graue Küchenzeile Herd, Halt und Geschirrspüler. Der Rest ist räumliches Detail: Die blauen Tische kann man hochklappen, die ausschiebbare Metallschiene wird zur Stiftablage. Aus dem Kastenspind ragt ein Kleiderhaken. Das Betthaupt weitet sich zur Ablage, gesessen wird auf Arne Jacobsons klassischen Ameisen-Stühlen. „Ein gemütlicher Stuhl muss sein“, sagt Ott-Reinisch. Daher gesellt sich daneben ein mintgrüner Lesefauteuil.

Eva Riekehof, selbst Artist-in-Residence, ist überwältigt und genießt ihr großes Atelier und das Schlafen unterm Oberlicht. Der Raum bewährte sich: 25 Künstler aus China produzierten hier unter anderem eine Ausstellung. Derzeit sind Attila Galbovy & Barna Péli aus Ungarn zu Gast. Ihre Installation ist in der Factory zu sehen.

Der Standard, Sa., 2006.11.25

11. November 2006Isabella Marboe
Der Standard

Alles unter Dach und Flach

Am Rande des Straßendorfes Hagenbrunn bauten die beiden Architekten Mühlbacher und Marschalek eine zeitlos moderne Hülle für Kind und Kegel, für Auto und Werkstatt. Der Innenraum ist von großzügigen Lufträumen gesäumt, der Außenraum von Holz und Putz.

Am Rande des Straßendorfes Hagenbrunn bauten die beiden Architekten Mühlbacher und Marschalek eine zeitlos moderne Hülle für Kind und Kegel, für Auto und Werkstatt. Der Innenraum ist von großzügigen Lufträumen gesäumt, der Außenraum von Holz und Putz.

Das Studium war eben absolviert, das neue Büro kaum bezogen, als die beiden Architekten Ralf Mühlbacher und Viktor Marschalek einem Bauherrn in aller Sorgfalt ein konventionelles Ferienhaus mit Satteldach ins naturgeschützte Gebirge setzten. Jahre vergingen, da kam auf einmal dessen erwachsener Sohn. Auch ihm sollten sie ein Haus planen, diesmal in Hagenbrunn. Sein Budget war klein, seine Selbstbaukompetenz dafür umso größer. In puncto Holz war er dank seines holzverarbeitenden Betriebes im nahe gelegenen Gerasdorf Experte mit bestem Draht zur Baubranche.

Der Generationensprung zeigte sich nicht zuletzt in der Architekturauffassung: Der Sohn war offen für modulares und energiesparendes Bauen, schätzte eine reduzierte Ästhetik und die Qualität von Holz, das unbedingt zum Einsatz kommen sollte. Nach beengten Wiener Wohnverhältnissen auf 70 Quadratmetern mit Frau und Kind wollte man das Bauvolumen voll ausnutzen, um für die kommenden Jahre mit genug räumlicher Weite versorgt zu sein.

Sie unterrichtet in Wien, er ist beruflich viel unterwegs und leidenschaftlicher Handwerker, beide sind auf ihre Autos angewiesen. Eine große Garage mit Werkbank musste sein, jedoch „nicht in einer entrückten Gartenhütte“, wie die Bauherren es ausdrückten. Elegant sollte sich die Werkstatt den klaren Linien des Hauses mit Flachdach und Keller fügen.

Eine Garage kann mehr

Hagenbrunn ist ein Straßendorf mit urigen Buschenschanken an lauschigen Kellergassen. Der Grund liegt am Ortsrand zwischen Weinbergen und Feldern in einem neuen Siedlungsgebiet. Rundum sprießen und gedeihen Einfamilienhäuser in allen nur vorstellbaren Farben und Stilen.

Die Zufahrt aufs Grundstück ist im Norden. Was sofort auffällt: Die Gartenhüttenphobie wurde berücksichtigt, elegant wurde die Garagenwerkstatt mit einer Schleuse in den holzverkleideten Wohnzimmer-Sockel im Erdgeschoß integriert. Die horizontale Lattung betont Erdung und Proportion des fast quadratischen Sockels. Küche, Wohnzimmer und Essplatz entpuppen sich unter der Schlafgalerie als differenziertes, lichtgeflutetes Raumgefüge voller Blickbezüge. Eine weitläufige Terrasse säumt die transparente Südfront, von der man über unverbaute Sonnenblumenfelder hinweg bis zum Bisamberg sieht.

„Besonders wichtig war uns der Essplatz“, erklärt der Bauherr, „in der alten Wohnung haben wir lediglich am Couchtisch essen können.“ An der Schiebetür zum Vorraum liegt er nun direkt unter dem großzügigen Luftraum mit Blick auf die westverglaste Stiege. Über fünf Meter hoch, wird er zum unmittelbaren Herzstück des offenen Wohnens.

Das weiße Edeldesign der angrenzenden Küche bietet allen Kochkomfort mit Westpanorama und Frühstücksbar an der Südsonne. Per Schiebetür lässt sich der Essplatz rasch versorgen. Schließt man sie, bleiben alle Gerüche dem Wohnraum fern - und Koch und Köchin unter sich.

Über dem Erdgeschoß schwebt - rechtwinkelig verschwenkt - der schmale, weiß verputzte Schlaftrakt. In ihm verbinden sich leichte Baubarkeit und hohe Architekturansprüche: Konstruktiv besteht er aus einem U-förmig aufgebogenen Betontrog, auf dem dann die Außenwände gemauert wurden.

Das zeitlos moderne Haus wirkt nicht nur als optischer Ruhepol in seiner Umgebung; hinter der hochgezogenen Holzlattung verbirgt sich auf dem Garagenflachdach auch noch eine grüne Privatoase mit Weidegras. Als blick- und windschützende Wand umhaust sie die Terrasse und adelt sie so zu einem intimen Innenhof in unmittelbarer Nähe der Kinder- und Schlafzimmer.

Hier haben die Kids eine ausgedehnte Lese- und Spielzone. Das Elternschlafzimmer indes kragt am Südende etwas über die Sonnenterrasse aus und schafft so schattig gedeckten Freiraum vor der Küche. Gut zum Frühstücken.

Der Standard, Sa., 2006.11.11

04. November 2006Isabella Marboe
Der Standard

Edles Eck ums Eck gedacht

Ein feines Eckhaus von Architektin Patricia Zacek bringt eleganten Schick und hohe Wohnqualität ins Hinterland der Leopoldauer Straße. Das gläserne Foyer erleuchtet nachts die Straße. Die verspielten Loggien lassen das Haus am Eck zur Grätzel-Trade-Mark werden.

Ein feines Eckhaus von Architektin Patricia Zacek bringt eleganten Schick und hohe Wohnqualität ins Hinterland der Leopoldauer Straße. Das gläserne Foyer erleuchtet nachts die Straße. Die verspielten Loggien lassen das Haus am Eck zur Grätzel-Trade-Mark werden.

Was braucht der Stadtmensch zum Wohnglück? Ein Haus, das ihm das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein. Ein Foyer, das ihn freundlich empfängt und erfreut heimkehren lässt. Und eine helle, offene Wohnung, die größer wirkt, als sie ist, mit Terrasse, Balkon oder Loggia. Wenn das Haus dann auch noch einen Hof hat, in dem man Kinder unbesorgt spielen lassen und seinem Auge einen grünen Blick gönnen kann, ist das Glück schon ziemlich perfekt. In leistbare Nähe rückt es im sozialen Wohnbau.

Und was braucht eine Architektin zum Glück? In erster Linie einen Bauträger, der diese Pläne auch wirklich umsetzt. Patricia Zacek hatte Glück. Denn die Genossenschaft „Neues Leben“ sah in den ausgesuchten hochwertigen Materialien, in den raumhohen Fenstern und im vorgesehenen großzügigen Freiraumangebot nicht nur Mehrkosten, sondern auch Quali-täten, die von Bewohnern geschätzt werden. Auf einem Eckgrund in Floridsdorf steht nun ein feines Haus mit hohem Glückspotenzial, das mit seinen schillernden Oberflächen den Lochfassaden- rahmen der Nachbarschaft sprengt.

Auf der Fassadenseite in der Schenkendorfstraße schneiden Glasflächen über dem grau verputzten Erdgeschoß unregelmäßige Mäander in die Balkonbrüstung und ermöglichen sowohl einen größeren Lichteinfall in die Zimmer als auch einen größeren Ausblick aus den Zimmern heraus. Vor der vollverglasten Wohnküche tummeln sich die etwas breiteren Glasaussparungen, vor den Schlafzimmern kam die Kurzversion zum Einsatz.

Auf der Straßenseite ums Eck dominieren verglaste Laubengänge das Erscheinungsbild des Hauses. In der geschuppten Fassade spiegelt sich die stille Bertlgasse. Geschützt von einem Wandsockel mit Lichtschlitzen erhebt sich das Erdgeschoß über die Straßenniederungen. Souverän gleiten die Glasstreifen in die Schuppenhaut darüber, wo orange Loggien vorwitzig aus der Glasebene ragen. Was man auf den Fotos noch nicht sieht: Schon wurden die Freiräume von den Mietern einverleibt: Erste Pflanzen und Wäschetrockner bereichern die orangen Loggien um lebendige Einsprengsel.

Ein Eckhaus hebt ab

Das Haus scheint über dem eingeschnittenen Eingangsfoyer zu schweben. Orange Säulen halten es im Gleichgewicht, ein Metallrahmen fasst die Glastür, durch die man die Stiegenhaus-Bühne des Gemeinschaftslebens betritt. Nachts strahlt das gelbe Entree weit in die Umgebung hinaus, dann beginnen auch die weißen, gestanzten Streifen von innen heraus zu leuchten - ein freundlicher Auftakt zum Stiegensteigen. Neonröhrenflankierte Untersichten, reflektierende Metallbrüstungen, helle Gänge und Luftbrücken, die einen Vorplatz mit spannenden Perspektiven schaffen, führen die Bewohner zu ihren Wohnungstüren.

Die Grundrisse mit meist mittigem Sanitärkern sind sehr kompakt. Einmal sind sie eingeschoßig, einmal erweitern Maisonetten mit einläufiger Stiege das Wohnangebot zur Zweigeschoßigkeit. Immer wieder werden Durchblicke ans Tageslicht inszeniert. Nicht nur von den Wohnzimmern kann man ins Freie treten, auch so manches Schlafzimmer gewährt Austritt an die Luft. Im Erdgeschoß weiten sich die hofseitigen Terrassen sogar zu Mietergärten.

Die große Räumhöhe im Erdgeschoß kommt dem Gemeinschaftshof zugute. Er ist mit verschieden hohen Bänken auf grünem Rasen als reduzierte Augenweide gestaltet. Ästhetisch und nutzbar wurde im Eck noch ein Kinderspielplatz eingerichtet, zwei Bäume wurden gepflanzt, die hoffentlich bald schon Birnen und Äpfel tragen werden.

Der Standard, Sa., 2006.11.04



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Wohnhausanlage Schenkendorfgasse

21. Oktober 2006Isabella Marboe
Der Standard

Schmal is beautiful

Reduziert und aufs Wesentliche beschränkt: Die Bauherren wollten in schlichten Räumen leben. Auf einer schmalen Parzelle mit nur acht Metern Breite planten ihnen die Architekten thaler.thaler ein Haus, das seine räumlichen Qualitäten über ein paar Split-Levels verstreut.

Reduziert und aufs Wesentliche beschränkt: Die Bauherren wollten in schlichten Räumen leben. Auf einer schmalen Parzelle mit nur acht Metern Breite planten ihnen die Architekten thaler.thaler ein Haus, das seine räumlichen Qualitäten über ein paar Split-Levels verstreut.

Die Friedensstadt war eine konkrete Utopie. Adolf Loos, Margarete Schütte-Lihotzky und Hans Kampffmeyer planten sie 1921 für die gemeinnützige Siedlergenossenschaft der Kriegsbeschädigten. Die billigen, schmalen Reihen- und Einzelhäuser auf dem Gelände des Lainzer Tiergartens boten mit Windfang, Herd, Stiege, hellem Keller und eigenen, hundert Meter langen Obst- und Gemüsegärten eine solide Lebensbasis. Die Siedlerschule lehrte Pflanzenpflege, Tierzucht und Selbstbau. Die vorspringenden Ecktypen mit Straßengiebeln gliederten die Zeilen. Eifrig baute man zu und um, fertig wurden sie nie. Ein einziges Loos-Original überstand die Zeit.

Die Vision der architekturkundigen Bauherren lautete, aufs Wesentliche des Seins reduziert zu leben. Pur, klar und gartennah - wie in Japan. Die lange Suche nach dem stimmigen Ort endete vor einem gut acht Meter schmalen Reihenhaus an einem Südhang in der Friedensstadt. Der vorgefundene Garten wurde sofort ins Herz geschlossen. Unten plätschert der Liesingbach vorbei, selbst ein Teich ist nah. Fruchtgebeugte Obstbäume werfen lange Schatten auf den Rasen. Und sogar der Traum der Bauherrin, mit Blick auf eine Kirche zu wohnen, ist mit St. Hubertus wahr geworden. Das Haus selbst war jedoch dermaßen desolat, dass man guten Gewissens neu bauen konnte.

Edel durch Verzicht

Sehr bewusst wählte man die thaler.thaler architekten. Die rigide Bauordnung sah ein Satteldach mit 35 Grad Neigung und 6,50 Metern Traufenhöhe vor und erlaubte, ein wenig vor die alte Flucht zu rücken. Zugunsten der geschlossenen Zeile und des Gesamteindrucks der Anlage verzichteten die Architekten jedoch gänzlich darauf und blieben klein und kompakt. In bester Loos'scher Manier brachten sie mit Split-Levels, die sich um ein Innenatrium konzentrieren, die Hanglage zur Entfaltung. Auf nicht einmal 70 Quadratmeter Grundfläche bietet das gangfreie Haus ungeahnte räumliche Weite.

Man nähert sich. Die Symbiose aus Japan und Österreich hebt mit Lavendel- und Kiesstreifen an. Jeder Schritt will bewusst gesetzt sein. Eine schlichte Ortbetonplatte bildet die Schwelle zum Vorbereich, der um vornehme zwei Stufen erhöht ist. Gleichsam als Negativabdruck nachbarlicher Windfänge drückt sich das gedeckte Entree ins Haus. Die weißen Putzflächen stehen in klarem Kontrast zum schwarzen Eternit, das sich als durchgehende Außenhaut bis übers Dach zieht.

Treppen und Licht

Eintritt ins Haus. Verheißungsvoll fällt von oben Licht auf die weiße Galeriewand, in der unter anderem in einer kleinen Nische auch eine afrikanische Schutzgöttin Unterkunft gefunden hat. Die Glasfront an der Dachterrasse lässt die Südsonne unter der Sichtbetonschräge durch den zentralen Luftraum in alle offenen Ebenen abwärts fluten. Eine Stiege führt um einen weiteren Halbstock zum gartennahen Wohnen hinab. Wie eine Arena ist die Treppe zur Hälfte als breite Sitz- und Stellfläche gestaltet, nur eine Wandscheibe unterbricht den gläsernen Blick auf die Terrasse, die sich abgetreppterweise ins üppig gärtnerische Grün ausbreitet.

Als weiße Zeile duckt sich die Küche an die Westwand. Die Bar auf Rollen ist so flexibel wie die Bänke am ausziehbaren Tisch. Einen Stock darüber wartet das Kaminzimmer mit stoischer Stimmung auf, nahtlos geht der gemauerte Ofen an der Wand in die Bibliothek über. Mit mehr Höhe und Licht wechselt die Stiege ihr Material. In leichtem Stahl gleitet sie zum Spielflur hoch, von wo aus die gleich großen Schlafzimmer für Eltern und Kind zu betreten sind. Eine gläserne Dusche nutzt das Gangende kurz vorm Bad, durch das Glas fällt Licht in den Gang. Das letzte Treppenstück führt dann hinauf auf die Terrasse, wo man sich im Angesicht des Gartens unter freiem Himmel sonnen kann.

Der Standard, Sa., 2006.10.21



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Haus S.

14. Oktober 2006Isabella Marboe
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Für die Studenten nur Gold

Als krönender Abschluss eines Stadtblocks setzt das Studentenheim der Architekten Baumschlager & Eberle neue Maßstäbe. Metallfarbene Beschattungspaneele mäandern über das kompakte Passivhaus. Innen sorgen Lichtschlitze für Helligkeit und Spannung.

Als krönender Abschluss eines Stadtblocks setzt das Studentenheim der Architekten Baumschlager & Eberle neue Maßstäbe. Metallfarbene Beschattungspaneele mäandern über das kompakte Passivhaus. Innen sorgen Lichtschlitze für Helligkeit und Spannung.

Die Lektüre von Weizsäckers und Lovins' Buch „Faktor 4“ habe ihn nachhaltig beeinflusst. Günther Jedliczka, seines Zeichens Geschäftsführer der studentischen Wohnraumverwaltung ÖAD, wollte für die Wiener Universitäten ein neues Gästehaus in Passivbauweise schaffen, das einen vorbildhaften Beitrag zum bewussten Umgang mit den Ressourcen dieser Erde leistet. 1998 erwarb der Bauträger ARWAG das Betriebsgelände an der alleegesäumten Molkereistraße im Stuwerviertel. Der mit Wegen und Freiraum durchzogene Stadtblock besteht aus neuen Wohnbauten, Geschäften, Cafés, einem Apartmenthaus und der Fachhochschule des BFI. Den krönenden Abschluss im Westen bildet ein Studentenheim der Architekten Baumschlager & Eberle.

Die Ansprüche an das erste Studentenheim des Vorarlberger Architektenduos waren denkbar hoch: Die Passivbauweise erfordert einen kompakten Baukörper, hocheffizient gedämmte Wandstärken von 45 Zentimetern, maximal 35 Prozent Fensterfläche und die maximale Ausnutzung der Kubatur. Insgesamt 278 Studenteneinheiten waren im Kopfbau mit seinen zwei kurzen Seitentrakten unterzubringen - trotz seiner 60 Meter Länge eine stolze Zimmerzahl.

Passivhaus mit Stil

Mit dem alleinigen Komfort der allseits bekannten kontrollierten Wohnraumbelüftung gaben sich die Architekten gar nicht erst zufrieden. Trotz hoher Dichte und einer Trakttiefe von 18 Metern wohnen die Studenten in voll möblierten Mini-Garçonnieren mit natürlich belichteter Kochzeile, Bad und wohlproportionierten Zimmern. Ausblick, Sonne und die Möglichkeit zum Lüften sind Selbstverständlichkeiten.

Technische Vorgaben werden zum Gestaltungselement. In fein schimmernder Eleganz wird der Block gefasst, lebendig wandern die manuell verschiebbaren Beschattungspaneele aus Messingblech über die Fassade, geben tief sitzendes Glas oder ein Stück grüner Putzfläche frei. Paarweise sind die Fenster von Führungsschienen gerahmt; als lebhaftes, schmuckes Relief mäandern sie um die Ecken. Am reflektierenden Metall - hier gibt es Güldenes für die Studenten - spielen die Sonnenstrahlen mit den Schatten der Bäume.

Gelassen tritt der gläserne Eingang die Nachfolge des Molkerei-Portikus an. Stufen führen ins verglaste Foyer, durch das der grüne Hof auf die Straße schimmert. Eine Lederbank in der Wandnische lädt zum Lümmeln ein, oben wird der lichte Raum von einer Galerie umrandet. Ressourcenschonend wurde das Haus auf seine Kelleraußenwände gestellt. Dieser birgt nun Annehmlichkeiten wie Fahrradgarage, Partyraum und Wäscherei, aber auch Essenzielles wie Müllraum und Haustechnik.

Wohnen mit Licht

Das Wohnen in den Obergeschoßen steht ganz im Zeichen des Lichts. Durchgehende Lichtschächte tanzen, rhythmisch versetzt, den breiten Mittelgang entlang. Die weiß reflektierenden Wände leiten die Helligkeit vom Schrägdach bis in die Tiefen des Erdgeschoßes weiter und verwandeln das Stiegenhaus in eine abwechslungsreiche Kommunikationszone.

Je vier bis fünf Zimmer werden mit einem gemeinsamen Haustechnikschacht versorgt. Durch diesen strömen Frischluft, Wärme, Wasser und Strom. Das Passivhaus-klima, das mittels Wärmetauschung, Lüftung, Energiesparlampen und Heizkörperregulierung erzielt wird, lässt keinen Wunsch offen. Auch die Möblierung hält liebevolle Details parat: Orange Max-Platten heben die Kochlaune, ein Rollwagen bietet den Luxus vom Frühstück im Bett. Hier lässt sich's leben.

Gülden wandern die gefassten Fenster und Schiebepaneele über die Fassade des Studentenheims. Hinter der spielerischen Fassade verbirgt sich ein Passivhaus. Fotos: Eduard Hueber

Für die Studenten nur die beste Ausstattung: voll möblierte Zimmer mit Parkettboden, gesunder Luft und ein bissl Orange.

Der Standard, Sa., 2006.10.14



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Student:innenwohnheim Molkereistraße

07. Oktober 2006Isabella Marboe
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Mit einem Hang zur Pragmatik

Die graue Schuppenfassade des vierstöckigen Haus-Monolithen wirkt wie Baumrinde. Das gibt schöne Kontraste zum Föhrenwald dahinter. In diesem Einfamilienhaus der Architekten Schneider & Lengauer verbinden sich Pragmatik und Poesie zum stimmigen Ganzen.

Die graue Schuppenfassade des vierstöckigen Haus-Monolithen wirkt wie Baumrinde. Das gibt schöne Kontraste zum Föhrenwald dahinter. In diesem Einfamilienhaus der Architekten Schneider & Lengauer verbinden sich Pragmatik und Poesie zum stimmigen Ganzen.

Eine gotische Pfarrkirche, alte Vierkanthöfe mit weiß gekalkten Steinwänden und verwinkelte Gässchen - das ist Neumarkt, eine kleine Marktgemeinde mitten im Mühlviertel. Üppige Felder und Wiesen umgeben das Dorf am Rand des mächtigen Böhmerwaldes, früher fuhr hier sogar die Pferdeeisenbahn nach Budweis.

Am Ortsrand von Neumarkt steht in einer losen Streusiedlung das alte Elternhaus. Der südöstliche Nachbargrund mitsamt Bauwidmung war frei, und so verließ die Bauherrin mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern die kleine Linzer Wohnung, in der man bereits zehn Jahre des Lebens verbracht hatte.

Zweifel und Angst vor Schutt, Staub und Kostenexplosionen überschatteten den Hausbau-Entschluss. Doch das Vertrauen zu den befreundeten Architekten Peter Schneider und Erich Lengauer konnte bald darüber hinwegtrösten - sie nahmen ihnen verlässlich die schwere Last der Projektabwicklung ab und planten ein klares, modernes und wartungsfreundliches Haus, das sich im Rahmen des Budgets bewegte.

Nach jahrelanger Enge wollte man endlich räumliche Großzügigkeit und Weite erleben. Tief eingeschnittene Fenster, die achtsam nach Aussicht, Sonnenstand und Nutzung ausgerichtet sind, holen die Landschaft rein ins Haus. Freundlich öffnet sich in seinem Sockel ein sonnengelber Carport. Doch auch den Menschen tut der großzügig gedeckte Vorbereich Gutes - hier kann man sitzen, plaudern und etwaigen Ankömmlingen entgegenblicken.

Durch eine ebenfalls gelbe Tür geht es ins Vorzimmer. Ein riesiges Seitenfenster bringt Tageslicht herein und erhellt den Weg bis zur Treppe, die direkt ins Wohngeschoß führt.

Oben erwartet einen der Wohnbereich mit ausladender Terrasse, von der man direkt auf den Gartenhang tritt. Drei große Fenster mit integrierten Glastüren akzentuieren die Bereiche Kochen, Essen und Chillen: Gekocht wird im Nordwesteck entlang eines Horizontalglasbandes mit ablagefreundlicher Tiefe, daran anschließend steht der Esstisch mit gemütlicher Sitzbank. Ein Regal bildet schließlich die Überleitung zur Couchlandschaft am anderen Ende des Raumes.

Geschoß zum Relaxen

Im zweiten Stock sind die Schlafräume untergebracht. Wie auch das Wohnzimmer wenden sie sich mit Licht und Ausblick dem Tal zu. Das oberste Geschoß mit seiner vollverglasten Südwestseite dient einzig und allein dem Entspannen: Hier gibt es eine lauschige Lesenische und einen kommunikativen Sitzbereich mitsamt Saunalandschaft für Genießer. Beim Duschen blickt man in die Landschaft, gleich daneben kann man zum sinnlichen Temperaturausgleich ins Freie treten.

Hoch ökonomisch nutzt der abgetreppte Haus-Monolith den Hang, ohne die Firsthöhe des Nachbarn zu überragen. Das zurückgesetzte Flachdachgeschoß lässt den Wohnturm optisch niederer erscheinen. Wunderbar korrespondiert die silbrig graue, kleinteilig strukturierte Eternitfassade, die hier oben auch die schützende Brüstung bildet, mit dem dunklen Föhrenwald dahinter. Dem geheimnisvollen Baumdickicht wendet das terrassierte Einfamilienhaus seine schuppige Rückseite zu. Bis auf zwei Türen hat die rückwärtige Fassade des Hauses nämlich keine einzige Öffnung. Doch diese zwei Türen sind essenziell - durch sie läuft man direkt in den Wald hinaus.

Bu's
Freundlich öffnet sich der Keller des geschuppten Hauses als sonnengelber Carport: Hier kann man sitzen, plaudern und etwaigen Ankömmlingen entgegenblicken. F.: Dietmar Tollerian

Ein Stockwerk einzig und allein zum Relaxen und Genießen. Nach dem Saunieren kann man zum Temperaturausgleich ins Freie treten.

Der Standard, Sa., 2006.10.07



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Haus Achhorner

30. September 2006Isabella Marboe
Der Standard

High-Tech in der Märchenwelt

Eine Villa wie aus dem Märchenbuch: Unter Veranden, pittoresken Türmchen und Erkern scheint die Zeit stehen geblieben. Doch die Artec-Architekten erweckten das Haus zu neuem Leben: Ein Nurglaserker durchbricht die Eternitfassade und bringt Licht ins Haus.

Eine Villa wie aus dem Märchenbuch: Unter Veranden, pittoresken Türmchen und Erkern scheint die Zeit stehen geblieben. Doch die Artec-Architekten erweckten das Haus zu neuem Leben: Ein Nurglaserker durchbricht die Eternitfassade und bringt Licht ins Haus.

Über den Hängen der Westbahnstrecke lässt sich eine Villenkolonie von gaudíesker Formenfülle entdecken. Errichtet wurden die ferialen Spekulationsobjekte in Tullnerbach, als die Sommerfrische im Wienerwald um 1890 noch hoch im Kurs stand. Ein findiger Baumeister schlug zu. Keine der pittoresken Villen gleicht der anderen. Ihre schmucken Holzveranden und kühnen Krüppelwalme, ihre Kamine, Türme und Erkerchen boten ideale Kulissen zum kultivierten Zeitvertreib im Garten. Doch leider waren die Häuser der Sommerfrische nicht winterfest.

Die Bauherren sind Freunde, sie teilen sich Arbeitswege und Vorlieben. Lange suchten sie nach einem Zweifamilienhaus mit Garten, wo ihre Kinder - synergetisch betreut - gemeinsam aufwachsen konnten. Die Wiener Grünlagen waren zu teuer, da stießen sie auf eine verwahrloste Villa inmitten der historischen Tullnerbacher Kolonie. Dem bezaubernden Steilhang mit Rosengarten, Sonnenblumen und efeuumrankten Baumriesen erlagen sie sofort - vom Traumblick gar nicht erst zu sprechen.

Substanz mit Tücken

Ein Bauingenieur prüfte, ob ein Umbau sich lohne, und vermittelte prompt die Artec-Architekten. Das Budget war klein, die Substanz steckte voller Tücken: Die Räume waren verwinkelt, die Kamine waren defekt, und nicht zuletzt entpuppten sich die planlich eingezeichneten Stahlträger vor Ort als zweckentfremdete Eisenbahnschienen.

Behutsam nahmen die Architekten Wandmasse aus dem Bestand. Durchbrüche und viel Glas bringen Licht und Weite, die reizvollen Blickbezüge kommen nun endlich voll zur Geltung. Die beiden Wohnungen liegen an einer Hauptstiege, jede Wohnung bekam zudem ihre eigene Innentreppe. Strategisch günstig liegt sie zwischen der südlichen Wohn- und der nördlichen Schlafhälfte. Durch ihre großflächig perforierte Brüstung greift man leicht zum gewünschten Schmöker aus der Bücherwand, die über zwei Geschoße hochklettert. Ohne Raum zu rauben, bietet sie viel Platz für Lektüre.

Alle Einbauten sind als multifunktionale Raummöbel aus MDF-Platten gestaltet, die Eschenfurnieroptik ist auffällig und eigenwillig. Ein hoher Glasschlitz im Norden legt eine sonnige Sichtachse durchs ganze Haus. Der Sanitärblock ist durch ein Oberlichtband von der Decke abgesetzt. Gleichzeitig bietet die dicke Wand dem Vorzimmer tiefe Garderobenschränke.

Über den Boden ergießt sich spritzwasserfester Estrich, der zugunsten wohlig gewärmter Füße beheizt ist. Und dann: wieder Bücher. Entlang der überwölbten Bibliothek gleitet man in die Sonnenseite des Erdgeschoßes, wo sich der L-förmige Einraum zum trapezförmigen Wohnerker ausbuchtet. Eine warmluftbestrahlte Glasfront lässt viel Südlicht, dafür aber keine Kälte durch die Veranda. Wie ein Band aus zart gehäkelter Spitze rahmt ihre Holzschnitzerei den Wienerwaldblick.

Erker entzücken

Die Küchenzeile befindet sich an der Mittelmauer, frei steht davor der Arbeitsblock mit integrierter Bank, unter deren cleveren Klappsitzen sich wertvoller Stauraum verbirgt. Der eine Erker mit seinem integrierten Eschenfurnier-Schrank ist zum Schlafen da, der große, fast quadratische Raum dahinter gehört dem Kind.

In der Wohnung darüber bricht ein Nurglaserker wie ein Baumhaus aus der Westfassade. Föhrenwipfel spiegeln sich darin. Dem Kind bietet das verschnittene Steildach ein besonderes Raumerlebnis, die Eltern indes genießen das Leben von ihrer Terrasse aus.

Der Standard, Sa., 2006.09.30



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Villa im Wienerwald, Umbau

23. September 2006Isabella Marboe
Der Standard

Schatztruhe für eine Familie

Die Bauherren wünschten sich ein Haus, das seine Kubatur voll ausnutzt und sich künftig leicht teilen lässt. Architektin Judith Eiblmayr plante einen familiären Hort mit Solarpaneelen, Erkern und Terrassen. Überspannt wird das Haus von einem riesigen Tonnengewölbe.

Die Bauherren wünschten sich ein Haus, das seine Kubatur voll ausnutzt und sich künftig leicht teilen lässt. Architektin Judith Eiblmayr plante einen familiären Hort mit Solarpaneelen, Erkern und Terrassen. Überspannt wird das Haus von einem riesigen Tonnengewölbe.

Bisher hatte man in einer durchgrünten Siedlung in unmittelbarer Nähe der U-Bahn gewohnt, Gegend und Nachbarn waren fein. Als in derselben Straße Grund frei wurde, beschlossen die Bauherren, mit einem neuen Haus vorsorglich in die Zukunft zu investieren. Ein Hort für die ganze Familie sollte eswerden – und das heißt: für zwei Erwachsene und drei Kinder, wovon das jüngste besondere Zuwendung braucht.

Man wünschte sich Wertbeständigkeit aus Ziegeln, sparsamen Verbrauch und – frei nach dem Motto „Alles für die Familie“ – vorausblickende Flexibilität. Das Volumen sollte voll nutzbar und etagenweise teilbar sein. Jetzt aber brauchte man das Haus noch im Ganzen: ein Zimmer für jeden, eine kleine Ordination, eine geräumige Küche, viel Raum zum Wohnen und Toben sowie reichlich viel Grün.

Die Parzelle ist schmal, im Süden liegt die Straße. Die Bauordnung schrieb drei Meter Seitenabstand, eine Traufenhöhe von 7,50 Metern und eine Dachneigung von 45 Grad vor. Architektin Judith Eiblmayr gelang es, die beträchtliche Kubatur angemessen in ihre Nachbarschaft zu fügen und im kompakten Baukörper auf jeder Ebene helle Räume unterschiedlichster Atmosphäre zu schaffen.

Solar mit Mehrwert

Lärchenlatten bieten Blickschutz zur Straße, dahinter grünt üppig ein Vorgarten mit Oleander, Schilf und Biotop. Die Terrasse im Süden wird zum verlängerten Wohnraum unter freiem Himmel. Als vornehmer Rahmen entwachsen dem weißen Mauersockel dunkle Solarpaneele. Sie nutzen die Gunst der Südlage, liefern der Fußbodenheizung die benötigte Energie und reflektieren Himmel und Erde. Sacht überwölbt ein Tonnendach die lärchenverkleidete Mansarde, die sich als eigene Einheit bewohnen lässt.

Man nähert sich dem Haus: Empfangen wird man von einem gläsernen Windfang. Die Ordination ist vom Vorraum aus getrennt zu betreten, eine andere Tür führt weiter in den Privatbereich. Die eigentliche Hausmitte ist leer, eine Wand mehr wird eines Tages das Teilbarkeitskriterium erfüllen – nun bereichert der Raum als offene Kommunikationszentrale, in die alle Türen münden, das Familienleben.

Der Wohnraum liegt direkt am Biotop. Die Küchenzeile mündet am Wäscheabwurfschacht und buchtet sich als über Eck verglaster Erker zur Ostsonne aus. Von hier hat die Hausfrau das Kommen und Gehen auf der Straße imBlickfeldundden Essplatz in Reichweite. Ein Fenster lockt die Morgensonne zum Frühstück, großflächige Verglasung lässt die Westsonne herein.

Im großen Freiraum in der Hausmitte liegt die leichte Stiege aus Holzstufen, durch die Stahlseilbrüstung kann das Sonnenlicht ungehindert in den Raum dringen. In der Schlafebene darüber gewinnt die Treppe an gemauerter Stärke. Mit mattgläsernen Regalen an einer Mauerbrüstung mündet sie oben in den weichen Dachraum. Die Tonne ist aus gedämmten Schweizer Lignatur- Holzkastenprofilen.

Stützenfrei überbrücken die innovativen Elemente die acht Meter Spannweite. Keine Zwischenwand trübt die Harmonie der zwei Räume, die sich unterm Holzgewölbe über die gesamte Hausbreite erstrecken. Das Studio im Norden weitet sich zur Terrasse: Gold schimmert Otto Wagners Kirchenkuppel durch die Bäume, dahinter sieht man bis zum Leopoldsberg.

Der Standard, Sa., 2006.09.23



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Haus N.

16. September 2006Isabella Marboe
Der Standard

Kein Gramm Fett

Wenn die Bundesimmobiliengesellschaft ihren neue Zentrale bezieht, dann muss die Architektur als Visitenkarte herhalten. Von den querkraft-Architekten hat die BIG daher ein rationales Outfit verpasst bekommen: Neu ist hier nur, was unbedingt neu sein musste.

Wenn die Bundesimmobiliengesellschaft ihren neue Zentrale bezieht, dann muss die Architektur als Visitenkarte herhalten. Von den querkraft-Architekten hat die BIG daher ein rationales Outfit verpasst bekommen: Neu ist hier nur, was unbedingt neu sein musste.

Architekten mögen es nicht, wenn man über Bauwerke in den Kategorien „schön“ und „nicht schön“ spricht. Sie bevorzugen es, sie als adäquat, konzeptionell interessant, avantgardistisch, bestenfalls als schlicht zu bezeichnen. Doch wenn man durch dieses ganz bestimmte Wiener Eckerl zwischen Hauptzollamt, Lebensministerium und Hotel Marriott fährt, in dem die Architekturbonzen der 80er- Jahre ihre unübersehbaren Handschriften hinterlassen haben – dann muss man unweigerlich von städtischen Ausgeburten der Hässlichkeit sprechen.

In eines dieser Gebäude – rosafarbene Steinfassade direkt hinter der Urania – ist kürzlich die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) eingezogen. Über 5000 öffentliche Gebäude stehen unter ihrer Obhut, und so ist man nicht umhin gekommen, den neuen Standort auch als bauliche Visitenkarte zu verstehen.

Das Architekturbüro querkraft nahm sich der schwierigen Aufgabe an und statuierte das Exempel, dass man auch im engen Korsett der hässlichen Gebäudehülle „Schönes“ schaffen kann. „Unser Motto war, kein Gramm Fett zuzulassen“, erklärt Architekt Jakob Dunkl, einer von drei gleichberechtigten Partnern, „da ist nichts dran, was unter Umständen zu viel sein könnte.“

Architektur auf Diät

Und so ging man dem üppigen Beamtenbarock an den Kragen und riss alles nieder, was nicht unbedingt bleiben musste. Es beginnt bereits auf der Straße: Im Eingangsbereich der neu verglasten Lobby wurden die rosafarbenen Steinplatten von den Säulen gerissen; graue Farbe bleibt als Schatten des konzeptionellen Gewaltaktes bestehen. Die Lobby selbst besticht in minimalistischem Grau und Weiß, die Beleuchtung ist ultramodern, architektonisches Fett sucht man vergeblich. Einziger Farbtupf ist das typische BIG-Orange, das Kugelschreiber, Zuckerln und sogar die Krawatte des Portiers kenntlich schmückt.

In den Besprechungsräumlichkeiten im 12. Stockwerk und in der Chefetage einen Stock höher geht noch reduzierte zu: Steinplatten und grauer Teppichboden, Glaswände und Edelstahl. An der Decke sorgt grober Spritzputz für gute Akustik, darunter hängen Kühldecken und Lüftungsgeräte herab, Rohre und Kabeltassen werden wie Autobahnen geführt, eine unregelmäßige Matrix aus eigens entworfenen und hergestellten Leuchtstoffröhren erhellt den Raum. Der schlichte Grund für diese karge Offenheit: Eine abgehängte Decke hätte die ohnehin niedrige Raumhöhe gedrückt.

„In den Besprechungsräumen ist von der Frontalpräsentation im Großen bis hin zur gemütlichen Atmosphäre alles möglich“, erzählt Ernst Eichinger, Pressesprecher der BIG. Mit Letzterem sind vor allem die kleineren, unförmlichen Lounges gemeint, die mit Sofas, Fauteuils und sogar mit der geschichtsträchtigen Sitzgruppe „Galaxy“ von Walter Pichler ausgestattet sind.

Kunst an der Wand

Doch der wahre Clou des neuen Arbeitsmilieus zeigt sich an der Wand. Um die hässlichen, aber wohlgemerkt noch voll funktionstüchtigen Kunststofffenster zu kaschieren, wurde Heimo Zobernig mit einer künstlerischen Installation beauftragt. Unter dem Titel „Transparent opakes Buchstabenwanddesign“ zieht sich der gleichnamige Schriftzug als gerasterter Layer durch die gesamte Innenfassade und drängt die alten Heizkörper und Fensterprofile in den Hintergrund zwischen Kunst und Architektur.

„KeinGrammFett“ bedeutet hier unter anderem, dass auch die Baukosten einer strengen Diät unterzogen wurden. Dieser Umbau gilt in erster Linie der Funktion, und nuramRande dem Schönen. In diesem Sinne ist das neue BIG-Headquarter kein schmieriger Protzpalast, kein Haus, in dem man sich mit Lorbeeren schmückt, sondern ein Ort von Rationalität. Jede andere Sprache nach außen wäre für für die BIG ein riskantes Unterfangen in Sachen Image.

Der Standard, Sa., 2006.09.16



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Neuplanung Firmenzentrale BIG

09. September 2006Isabella Marboe
Der Standard

Gegensätze ziehen einander an

Auf dem Eckgrundstück einer Siedlung plante teamem einem ungleichen Paar ein Haus, dessen geschlossene Außenwände sich wie eine Schnecke um das Innere winden. Wie Yin und Yang werden darin die Gegensätze zweier unterschiedlicher Charaktere vereint.

Auf dem Eckgrundstück einer Siedlung plante teamem einem ungleichen Paar ein Haus, dessen geschlossene Außenwände sich wie eine Schnecke um das Innere winden. Wie Yin und Yang werden darin die Gegensätze zweier unterschiedlicher Charaktere vereint.

Er ist ein Geistesmensch erster Güte: Wenn er in die Welt von Literatur, Film und Kunst eintaucht, versinkt die Welt um ihn. Zum Wohnen genügte dem Lehrer bisher ein simples Dach über dem Kopf. Dann lernte er jene Frau kennen, die ihr Leben mit ihm teilen wollte: ebenfalls Lehrerin, in den kontemplativen Stunden taucht sie jedoch lieber in die Welt von Pflanzen und Gartenarbeit ein. Für zwei Menschen bot die alte Bleibe zu wenig Platz. Das Paar beschloss, sich mit dem eigenen Haus ein neues Wohnumfeld zu schaffen.

Dem Schutzbedürfnis und den humanistischen Idealen des Herrn entsprach das römische Atriumhaus: Im Sommer kühl, im Winter warm, außen zu, nach innen offen, rundum solide und beständig. Die Dame seines Herzens indes sehnte sich nach Licht, Ausblick und Weite sowie nach einem kleinen Pflanzenparadies im Garten. Knapp 165 Quadratmeter mussten nicht für das Wohnglück der beiden reichen, sondern auch für die gemeinsamen Bücherbestände und vor allem für den künftigen Nachwuchs.

Ein Schneckenhaus

Der Grund liegt am Eck einer durchgrünten Einfamilienhaussiedlung, vom nahen Stadtzentrum ist nichts zu spüren. Eine Allee rahmt den Garten im Süden, im Norden wird das Grundstück von der Zufahrt flankiert, im Westen winkt der Turm der Friedhofskirche dem Gottesacker zu. Mit hochgeschlossenen und grau verputzten Flanken setzt sich das Haus deutlich von der öffentlichen Straße ab.

Wie eine Schnecke windet sich das Mauerband ums Haus und umgarnt das dunkle, eternitverkleidete Obergeschoß. In derselben Flucht ragt im Erdgeschoß die lang gezogene Garage wie ein Keil auf die Straße hinaus. Vorn parkt das Auto, im hinteren Ende sind Lager, Werkstatt und Wintergarten untergebracht. In der Garagenbucht liegt der Eingang ins Haus. Er bildet die gesellige Lebensmitte, die sich in der sicheren Umklammerung von Gästetrakt und Wohnbereich öffnen kann. Die massive Wand ist hier nicht nur Schutzpanzer, sondern auch eine wertvolle Speichermasse, um den Niedrigenergiestandard zu halten.

Nur zaghaft wagt sich ein Glasstreifen in die Westwand und schmiegt sich dann ums Eck. Eine Schiebetür weitet den Raum ins Freie. Über Esstisch und Küchenbereich hebt der Wohnraum zu einem üppigen Luftraum an - ein Steg pfeift oben quer drüber und führt ins Arbeitszimmer der Dame, das als Leichtbau über den Wohnraum ragt. Der Bauherr zieht sich währenddessen in sein Privatrefugium zurück. Zwischen dick gefüllten Bücherwänden dringt kein Laut in die Tiefen des Kellers.

Schließlich kreuzen sich alle Wege im Galeriezwickel. Von hier geht und blickt man in den Wohnraum, hier ist der Zugang zum potenziellen Kinderzimmer, zum Steg und in den Schlaftrakt, in dem die Paradigmen der Dame und des Herrn endlich zueinandergefunden haben. Zwischen zwei Wandscheiben liegen Bad und Schrankraum, zum Bett davor gesellt sich ein Panoramaglas mit Blick in den Garten.

Der Standard, Sa., 2006.09.09



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Haus pi_mut

02. September 2006Isabella Marboe
Der Standard

Glamour im sozialen Wohnbau

Beim neuen sozialen Wohnbau der Architekten PPAG wird die finanziell bedingte Reduktion zum gestalterischen Leitmotiv. Kreuz und quer verteilt, zeigen unterschiedliche Normfenster, was sie alles können. Silbriger Glitter hüllt das Haus in einen unverwechselbaren Schleier.

Beim neuen sozialen Wohnbau der Architekten PPAG wird die finanziell bedingte Reduktion zum gestalterischen Leitmotiv. Kreuz und quer verteilt, zeigen unterschiedliche Normfenster, was sie alles können. Silbriger Glitter hüllt das Haus in einen unverwechselbaren Schleier.

Tief hat sich eine soziale Grundeinstellung ins Brigittenauer Straßenbild eingeschrieben: Eine Fabrik der MA 48 und Gemeindebauten der Nachkriegszeit säumen die Traisengasse. Billig, rasch und solide gebaut, bieten die Häuser mit ihren glatten Lochfassaden und Loggien bis heute gediegene Lebensqualität. Auch der neue Gesiba-Wohnbau auf der Eckparzelle zur Vorgartenstraße entstand unter hohem Kostendruck, was die PPAG-Architekten zum Gestaltungsprinzip mit identitätsstiftendem Mehrwert erhoben.

Der bewusst unorthodoxe Einsatz typisierter Standardelemente wird zum Stilmittel, das das Haus zu einem Hingucker und jede Wohnung zum Unikat macht. Lose verteilt bereichern stehende und liegende Fenster den örtlichen Architekturkanon um eine neue Facette. Für einen Hauch Glamour sorgt der Glitter auf dem Silikatputz der Vollwärmeschutzfassade, der das Haus je nach Sonnenstand vom zarten Schimmern bis zum gleißenden Strahlen bringt.

Fixglasquadrate, Schwing-, Wende-, Dreh- oder Kippflügel erweitern das Fensterrepertoire um eine plastische Komponente. Jede Fensteröffnung sitzt anders im Raum, fokussiert einen speziellen Blick und entwickelt so einen ausgeprägten Eigencharakter. Keine der 32 Wohnungen gleicht dabei einer anderen.

Thema in Variationen

Raffiniert wurden Erker, Loggien, Giebel und Gaupen locker übers Haus verteilt. Zu breiten Feldern zusammengefasst springen die Erker 60 Zentimeter auf die Straße vor oder ragen in den sonnigen Innenhof. Dieser ist mit einer langen Eckbank, Kies, Sandkiste, Hüpfplatten und Tischtennistisch ein idealer sozialer Umschlagplatz für die Bewohner. Von der verglasten Waschküche, der ein darüber liegender Erker einen schattigen Vorplatz schafft, überblickt man den gesamten Hof. Blickdurchlässig stechen die zwei transparenten Eingänge zu den Straßen durch.

Spiel der Loggien

Wie ein grüner Teppich säumt ein breiter Vorgartenstreifen den Gehsteig vor der prominenten Schauseite des Hauses: Hier hält das elegant verglaste Hauptportal mit dem integrierten Postkasten die Stellung, hier sticht die Garagenzufahrt ein, hier hat auch das Jugendheim der MA 11 seinen Zugang ins Haus. Darüber zeigen die zweiseitig verglasten Loggien, die seitlich aus dem Mittelerker ragen, eindrucksvoll, was sie können: Dem Hauseck an der Traisengasse schenkt eine zweiseitig verglaste Loggia grüne Blicke in die ausladende Baumkrone einer alten Rubinie. Im ersten Stock wiederum springt eine Loggia über den Eingang vor und belichtet so durch einen Luftraum das großzügige Foyer, in dem übrigens auch eine Internet-Workstation Platz gefunden hat.

Ein ausgeklügeltes Farbkonzept, das in Zartlila, Beige, Grau und Knallgelb die Wände überzieht, lässt auch keine Gangseite der anderen gleichen und vereinfacht so die Orientierung im Haus. Dem Reglement zum Trotz ist das Stiegenhausgeländer hier um 45 Grad geneigt und bietet ein weiteres augenzwinkerndes Detail. Das Prinzip, das auf der schimmernden Fassade beginnt und jedem Raum seine speziell gerahmte Perspektive bietet, sorgt also auch in den Gängen des Systemwohnbaus für Vielfalt. In den Loggien, die in farbgetauchte Lufträume ragen, werden Privat-, Haus- und Stadtraum dann zum Ganzen.

Der Standard, Sa., 2006.09.02



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Traisengasse Wien

26. August 2006Isabella Marboe
Der Standard

Alt und Neu wie Schwarz und Weiß

Der Bauherr ist Stadtrat von Waidhofen an der Ybbs, mit seinem Haus wollte er ein Zeichen setzen. Also konnte Architekt Gernot Hertl die Kontrastkarte von Alt und Neu voll ausspielen: Oben lebt man mit Loft-Feeling, Sichtbeton und Terrasse. Unten schläft, liest und badet man.

Der Bauherr ist Stadtrat von Waidhofen an der Ybbs, mit seinem Haus wollte er ein Zeichen setzen. Also konnte Architekt Gernot Hertl die Kontrastkarte von Alt und Neu voll ausspielen: Oben lebt man mit Loft-Feeling, Sichtbeton und Terrasse. Unten schläft, liest und badet man.

Dicht schmiegen sich die Häuser und Türme von Waidhofen an der Ybbs zur malerischen Silhouette am Fluss. Die Stadt hat einen seit dem Mittelalter gewachsenen Kern, mit großen Ambitionen in puncto moderner Architektur führt sie ihr baukulturelles Erbe fort. Ernst Beneder hat bereits achtsame Spuren hinterlassen, Hans Hollein wird das alte Schloss Rothschild zur idealen Kulisse für die niederösterreichische Landesausstellung „Feuer und Erde“ adaptieren. Im Gestaltungsbeirat lernte der Waidhofener Stadtrat den Architekten Gernot Hertl, etwas später dann auch die Frau seines Lebens kennen. Damit war die Zeit reif für ein neues Haus von einem neuen Architekten.

Reduktion und Dichte

Dieser Bauherr liebt die Altstadt, wo sie am dichtesten, und moderne Architektur, wo sie am reduziertesten ist. Architekt Gernot Hertl war dafür genau der Richtige. Man beschloss, im Herzen von Waidhofen ein Zeichen im Umgang mit alter Bausubstanz zu setzen. Das Bestandsgebäude erstreckt sich über gotischen Grundmauern vom lauschigen Fuchslueg bis zum Keller am tiefen Garten über der Ybbs. In den 80ern wurde schon einmal aufgestockt, mit einem unschönen Blechzwickel rückte das finstere Satteldach dem Nachbarn damals an die Pelle.

Stattdessen ruht nun ein edler, eternitverkleideter Baukörper auf dem weiß verputzten Sockel, der mit neuen, rahmenlosen Fenstern zum puristischen Unterbau für das Neue wird. Elegant windet sich die geknickte Röhre am nachbarlichen Mansarddach vorbei, um sich im Südwesten zweigeschoßig aufzurichten. Dezent reihen sich die Schindeln der glasgeschlitzten Box in die Hausvielfalt an der Uferkante.

Raumdramaturgie

Innen wurde die leichte Pfosten-Riegel-Konstruktion mit zementgetränkten Spanplatten verkleidet. Zwischen Wänden von puristischer Sichtbeton-Ästhetik fließt nun ein fulminant inszenierter Einraum von der Straße bis zum auskragenden Finale. Von oben Licht fällt Licht herein, das Panoramaglas über den rauschenden Wogen der Ybbs schafft ein eindrucksvolles Ambiente. Entlang des transparenten Mittelknicks weitet sich die Röhre zur Westterrasse, leicht abgerückt öffnet sie sich dahinter zur Küche und dem etwas intimeren Wohnbereich. Souverän gleitet die Stiege vom oben liegenden Neuen ins Alte herab.

Die kleinen Räume zwischen den dicken Mauern bieten dem Privatleben geschützte Rückzugszonen, die sich von den zwei Kinderzimmern im Zubau bis hin zum gotischen Hauseck zu steigender Intimität verdichten. Hier zelebriert ein Wannentrog aus asketischem Sichtbeton mittelalterliche Badegefühle. Dahinter beginnt das Reich der Eltern: Ein Rundbogen ist zur tageslichthellen Minibibliothek ausgebaut, geschlafen wird an zwei Fenstern mit Morgensonne und Blick auf den tiefen Garten.

Unter dem hohen, auskragenden Dachbaukörper dieses Hauses verwachsen Alt und Neu zu einer Gesamtkomposition in Schwarz-Weiß. In der gewachsenen Kleinräumlichkeit des Bestands und der loftartigen Weite des Zubaus entfaltet sich ein dichtes, atmosphärisches Wohnerlebnis, das die Vorteile von Alt und Neu geschickt in sich vereint. Die stilgerechte Komplettierung dieses exquisiten Buketts im urigen gotischen Keller ist nur noch eine Frage der Zeit.

Der Standard, Sa., 2006.08.26



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Krammer Haus

19. August 2006Isabella Marboe
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Ein Haus wird Kurpark

Im einstigen Kurpark des Hoffmann-Sanatoriums wurden 130 Wohnungen gebaut. Party-Terrasse, herumschlängelnde Wege und Social Land-Art sind ein schöner Hintergrund für die neue Bebauung. Ein Portalbau von BUSarchitektur schließt das Gelände zur Straße hin ab.

Im einstigen Kurpark des Hoffmann-Sanatoriums wurden 130 Wohnungen gebaut. Party-Terrasse, herumschlängelnde Wege und Social Land-Art sind ein schöner Hintergrund für die neue Bebauung. Ein Portalbau von BUSarchitektur schließt das Gelände zur Straße hin ab.

Einst betrat man das Sanatorium Purkersdorf über einen Rasenteppich, sittsam gestutzte Bäume säumten die bogenförmigen Wege. Architekt Josef Hoffmann schuf mit dem 1906 errichteten Gesamtkunstwerk eine frühe Ikone des kubisch-geometrischen Jugendstils. Arthur Schnitzler, Gustav Mahler, Arnold Schönberg kurten hier.

Krieg, Plünderungen, viele Besitzer, Paulus Mankers „Alma a Showbiz ans Ende“ zogen über das Architekturjuwel, das in stiller Agonie zu verfallen drohte, während der Park zum dichten Wald anwuchs. Ein Neuanfang: Architekt Wolfgang Rainer baute das Sanatorium nun zur Seniorenresidenz mit 130 Wohnungen um. Aus einem geladenen Wettbewerb der BUWOG ging Architekt Franz Pfeil ex aequo mit BUSarchitektur als Gewinner hervor. Realisiert wurde schließlich das Projekt von Franz Pfeil, BUSarchitektur plante dafür den lärmschützenden Wohnriegel, der nun die Straße abschottet und einen vornehmen Rahmen für die Anlage bildet.

Von den 24.000 Autos, die täglich dieses Tor zu Purkersdorf passieren, spürt man nichts. Um hier das verlorene Grün wieder spürbar zu machen, wurde das BOA büro für offensive aleatorik mit Social Land-Art beauftragt. Ihr Projekt „Hoffmann geht spazieren“ greift die Tradition der Kurpromenade auf und vernetzt das Haus mit der Region. Auf dem Grünstreifen, der das denkmalgeschützte Sanatorium einfasst, wurde ein Rodelhügel aufgeschüttet. Eine erholsame Weite beginnt schon an der südlichen Grundgrenze, dem Auftakt zum Wienerwald.

Residenz im Grünen

Auf einer Sichtbetonrampe unter zwei alten Bäumen schreitet man über eine Brücke auf den neuen Wohnriegel zu. Wie eine riesige Veranda wirkt der filigrane Laubengang, der die Wohnungen vor Lärm schützt und ein klassisches Element der Kurarchitektur des Wienerwalds aufnimmt, den man von den Bänken der Dachterrasse übrigens wunderbar überblicken kann.

Innen setzt sich der Freiraum fort: Unregelmäßig zugeschnittene Lufträume öffnen die Decke zum Himmel und lassen Licht durch alle Ebenen in die Küchen strömen. Sie schaffen den Türen helle Vorplätze, an denen jeweils ein Pflanztrog steht. Wie im eigenen Garten kann jeder nach Belieben säen und so die innere Hausstraße mitgestalten.

Schwungvoll keilt sich die Tiefgaragenrampe unter die große Terrasse, die eine feine Fläche für Gartenpartys bildet. Wie eine Arena geleiten breite Stufen zu den Mietergärten im Süden. Nahtlos gehen sie in den breiten Lärchenholzweg über, der sich durch den Rasen windet. Über die blickschützende Profilitverglasung der auskragenden Balkone lässt die Morgensonne Schatten tanzen. Am Nordeck wechselt die Eternitverkleidung schließlich - Kupferblech wird wird hier zum edlen Schlussstein.

Der Standard, Sa., 2006.08.19

12. August 2006Isabella Marboe
Der Standard

Ode an den Bogen

Auf einem Eckhaus realisierten die RaU Architekten als Planer und Bauträger zugleich ihr Ideal von zwei Dachmaisonetten. Außen sind sie in eine Kalziphaut gehüllt, innen schenkt das teakholzverkleidete Rund Geborgenheit und eine Panoramagaupe in den Himmel über Wien.

Auf einem Eckhaus realisierten die RaU Architekten als Planer und Bauträger zugleich ihr Ideal von zwei Dachmaisonetten. Außen sind sie in eine Kalziphaut gehüllt, innen schenkt das teakholzverkleidete Rund Geborgenheit und eine Panoramagaupe in den Himmel über Wien.

Am Anfang war die Form: Sacht gebaucht stellten sich die RaU Architekten die ideale Dachmaisonette vor. Statt im obligaten Spitz auf die Traufkante aufzulaufen, sollte sich ein großzügiger Bogen himmelwärts wölben und dem Schlafbereich bergenden Charakter verleihen. Auch darunter versprach man sich besondere Wirkung. Kompromisslos bis ins Detail wollten sie ihre Idee als Planer und Bauträger in zwei Dachmai- sonetten mit Terrasse umsetzen und eine davon selbst als Home-Office nutzen.

Der ersehnte Rohdachboden, der dazu genug Fläche und Freiraum bot, lag auf einem gründerzeitlichen Eckhaus in der Wilhelm-Exner-Gasse. Sein Dachstuhl war nicht aufzustocken, er machte einem Tonnengewölbe Platz. Im Nordwesten bietet die Backsteinfassade des WUK ein ruhiges Gegenüber, im Südosten schwenkt der Blick ins urbane Hinterland ab. Das weiche Eck der Hofinnenseite gibt dafür eine umso städtischere Silhouette preis: Über einem Meer von Dächern, Mauerschichten und Schloten ragen Votivkirche und Riesenrad hoch. Rundum mäandern Terrassen.

Tonne mit Charakter

Dezent setzt das Tonnengewölbe an den Traufkanten an und geht mit einer eleganten Volte in die neue Stahlbetondecke über. Außenmauern und Kaminwände des Bestands dienen als Auflager, Speichermasse und inneres Wandscheibenrückgrat des Wohnens, das durch große Durchbrüche in der freitragenden Glasfassade ausfließt. Wie ein Textil legt sich die ockerfarbene Kalziphaut mit ihrer zahngeräderten, maschinellen Struktur über die gewölbte Decke, frech nagt sie an der schräg gestellten Glasfront.

Fast elf Meter reckt sich die Küche der Wohnmaisonette die Terrasse entlang, dahinter liegen zwei Zimmer und ein fulminanter, doppelgeschoßiger Wohnraum. An der Kaminwand klettert die Treppe zur Galerie und zur teakholzverkleideten, schlauchartigen Bade- und Schlafhöhle hoch. Die Kinder lieben es angeblich, die bauchige Tonne hinabzurutschen.

Am überdimensionalen Hofpanoramaglas weitet sie sich zur Schlafraumgaupe, der zum Lüften zwei Bullaugen eingeschnitten sind. Die schmalen Fenster mit den zarten Profilen kommen - über die verschlungenen Pfade des World Wide Webs - aus der Schweiz; auch die mit Kühlwasser beschickbare Fußbodenheizung fanden die Architekten im Internet, einem unverzichtbaren Recherche-Tool für viele Details.

Sie selbst bewohnen die kleinere, feine Tonnenversion aus Teakholz: Unter dem Bogen mit bündig integriertem Licht ruht das Bett, im sechs Meter langen Baderaumbauch ist die frei stehende Holzwanne untergebracht. Durch spannende Perspektiven und einen Luftraum gleitet man die Stiege hinab ins Foyer, wo sich das Home mit baumelndem Kaminkessel am Küchendurchbruch vom Office scheidet. Großräumig windet es sich mit einem weiten Horizontalpanorama unterm schrägen Oberlichtband ums Hauseck.

Am begrünten Dachstreifen darüber setzt die Eckterrasse an. Den Kaminschlot zieren zarte Solarkollektoren, die sich in schimmernden Glasröhren nach dem Licht drehen. Sie spenden Schatten am freiem Himmel über Wien, ein Kreis schließt sich.

Der Standard, Sa., 2006.08.12



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Penthouse WEG

05. August 2006Isabella Marboe
Der Standard

Fernseher mit Blick ins Tal

Das spektakuläre Haus der x architekten setzt einen modernen Kontrapunkt ins Einfamilienhausmeer. Gleich einem Fernseher kragt das Schlafgeschoß in die Landschaft aus.

Das spektakuläre Haus der x architekten setzt einen modernen Kontrapunkt ins Einfamilienhausmeer. Gleich einem Fernseher kragt das Schlafgeschoß in die Landschaft aus.

Lang bewohnte der Bauherr ein Haus in Perg bei Linz, wo er bis heute als Innenarchitekt arbeitet. Privat schätzt er schöne Dinge um sich und versteht die hohe Kunst, sein Leben zu genießen. Ausgeprägtes Kulturbewusstsein gesellt sich zum Freiheitsdrang des waschechten Harley-Fahrers.

Jahrelang träumte er von einem extravaganten Hanghaus mit offenen, weiten und lichtdurchfluteten Räumen. Als Zeit, Finanzen und Wille zur Neubaureife gediehen waren, fand er in Schwertberg einen Steilgrund - und in den x architekten ein Team, dessen Affinität zu dynamisch fließenden Raumfolgen genau seinen Vorstellungen entsprach.

Keller, Garage und Zaun brauchte er nicht, dafür aber ein einladendes Entree mit Carport, Home-Office, Weinlager mit Degustationsbereich und eine riesige Wohnküche zur Entfaltung seiner künstlerischen, kulinarischen und gastgeberischen Talente - mit Austritt in den Garten und Blick auf einen Pool. Die Schlafebene mit Badelandschaft sollte Rückzug und Raumreserve für ein Kind bieten. Außerdem legte er Wert auf Niedrigenergiestandard, Fitnessstudio und Werkstatt, die auch zum Parken von Rädern und seiner geliebten Harley taugen sollte.

So viel zum Anforderungsprofil, rein ins Grundstück: Dieses liegt hoch über den Niederungen alteingesessener Schwertberger Industrie und bietet aus bester Höhenlage einen weiten Blick übers Tal. Im Südwesten fällt der Hang um beachtliche 5,50 Meter. Elegant hebt ein Böschungsmauerwinkel, der sich von der Straße bis zum baumgesäumten Rasen erstreckt, das Entree auf stilvoll gestaltetes Vorplatz-Niveau.

Partitur fürs Wohnen

Als weißer Rahmen zieht sich das weit ausladende Vordach vom Carport bis hin zum eternight-verkleideten Werkstatt-Anhängsel. Durch das Garderobenglas schimmert verheißungsvoll ein dreigeschoßiger Luftraum, dahinter das Tal. Ein Oberlichtkreis erhellt die Brücke aus Akazienholz, auf der man über die Vinothek und das Büro durch eine Trennwand ins Reich des Wohnens gleitet. Eine zarte Stahlstütze und ein imposanter Stahlbetonpfeiler tragen mit visueller Leichtigkeit das gesamte Obergeschoß. Nur ein schmales Oberlichtband schlitzt die hohe Nordwand und verleiht ihr im Inneren Galeriequalität, darüber kragt wie ein Panoramamonitor die Schlafebene aus.

Blick- und windgeschützt ummauert, wendet sie ihre komplett verglaste Front der Sonne und dem Schwertberg zu. Dusche, Sauna, Ruheliegen und die freistehende Porzellanwanne, die direkt an der Glasfassade positioniert wurde, bieten höchsten Badekomfort. Selbst im Schrankraum erlahmt der Gestaltungswille nicht: Seine Decke ist raumdoppelnd verspiegelt.

Talblick in Streifen

Dem Flur schenkt ein Fensterband einen Landschaftsstreifen mit Morgensonne. Auf frei aus der Wand ragenden Akazienstufen taucht man von hier ins Wohnen ein. Wie Brückenpfeiler fassen Toilette, Speis und die Schrankwand, hinter der sich die gesamte Kücheninfrastruktur verbirgt, den Steg. Vier Schieferstufen führen hinab zum offenen Herdblock, vor dem sich das Wohnen entfaltet. Nur zwei Wandscheiben, die dem Sitzen Rückhalt bieten, unterbrechen die ausfließende Fassadentransparenz hoch über dem Schwertberg am Mühlviertelsaum.

Der Standard, Sa., 2006.08.05



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Villa 9003

29. Juli 2006Isabella Marboe
Der Standard

Highend für die Upper Class

Auf einem Eckgrundstück im exklusiven Cottage-Viertel plante Architekt Martin Mittermair ein Haus, das dem Wohnanspruch der gehobenen Klientel genügt. Angemessen zurückhaltend fügt sich die klassisch-modern anmutende Stadtvilla in die durchgrünte Gegend.

Auf einem Eckgrundstück im exklusiven Cottage-Viertel plante Architekt Martin Mittermair ein Haus, das dem Wohnanspruch der gehobenen Klientel genügt. Angemessen zurückhaltend fügt sich die klassisch-modern anmutende Stadtvilla in die durchgrünte Gegend.

Eine englische Gartenstadt schwebte Architekt Heinrich von Ferstel vor, als er das Cottage-Viertel in der Nähe des Türkenschanzparks konzipierte. Seine rundum belichteten, freistehenden Stadtvillen - allesamt mit einem Vor-und Hintergarten - entsprachen jener Vision gesunden Wohnens, die seit jeher der „besseren Gesellschaft“ vorbehalten war. Prominenz wie Ludwig Boltzmann, Arthur Schnitzler und Wolfgang Pauli zog es hierher. 1872 regte Ferstel die Gründung eines Cottage-Vereins an, der bis heute über die Einhaltung der rigorosen Bauvorschriften wacht, die dem Viertel seinen Charakter geben.

Neubauten sind in dieser Gegend selten, die Nachfrage ist umso höher. Für den Bauträger GEWO-Projekt bot sich hier die seltene Chance, eine neue Stadtvilla für die Cottage-Klientel zu realisieren. Architekt Martin Mittermair hatte schon einige Highend-Wohnprodukte realisiert und kennt das Anforderungsprofil der gehobenen Klientel. Keine Experimente, klassische Hauswerte zählen: Bestand, Stil, solide Bauweise, geschützte Atmosphäre und gehobener Standard im Komfort.

Ehrwürdige Tradition

Zwischen geschichtsträchtigen Jahrhundertwende-Villen, mitten im durchgrünten Herz des Viertels, liegt die Eckparzelle an der Cottage-Gasse. Rigoros geben die Bauvorschriften Lage und Kubatur vor. Dank Sondergenehmigung ließ sich in der Dachzone ein zurückgesetztes Staffelgeschoß durchsetzen. Aus Ziegeln gemauert und mit einem Kratzputz ganz nach Tradition der Zwanziger versehen, erweist das Haus der klassischen Moderne und seinem Villenumfeld Referenz. Gelblich lichtreflektierender Quarzsand in den unteren Stockwerken und eine optisch leichtere, weiße Dachzone erzeugen den Eindruck vornehmem Understatements.

Wie die Schlinge einer Edelkrawatte wickelt sich die massive Edelstahlbrüstung um die granitverkleidete Stiege. Innen sorgen raumhohe Türen und Fenster mit blickdurchlässigen Außenjalousien für viel Licht. Die Bäder erstrahlen in weißem Marmor und türkischem Rosso Levanto. Die Küchenzeile aus südamerikanischem Markassa-Holz mündet direkt in eine Lederbank, unter der Arbeitsplatte wartet ein ausschiebbarer Servierwagen auf seinen gastgebenden Einsatz. Vor dem Wohnbereich erstreckt sich über die ganze Südlänge die Terrasse.

Die ganze Pracht der Lagegunst entfaltet sich in der Dachmaisonette: Über die ebene Nachbarwohnung hinweg wächst sie zu einem dreiseitig verglasten, loftartigen Quasi-Einraum an zwei Terrassen aus. Hier bietet das Cottage-Viertel ein exklusives Panorama vom Millennium-Tower bis hin zum Stephansdom.

Der Standard, Sa., 2006.07.29



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Mehrfamilienhaus

22. Juli 2006Isabella Marboe
Der Standard

Oberlaa goes West

Margarethe Cufer plante das erste Wohnhaus der Thermensiedlung Oberlaa-West. Der Cufer'sche Schuss Orange darf da natürlich nicht fehlen. Das hebt die Laune.

Margarethe Cufer plante das erste Wohnhaus der Thermensiedlung Oberlaa-West. Der Cufer'sche Schuss Orange darf da natürlich nicht fehlen. Das hebt die Laune.

Bei der Thermensiedlung Oberlaa hatte die Gemeinde Wien große Ambitionen. Auf dem Grundäcker-Areal entstand die erste autofreie Öko-Mustersiedlung im Niedrigenergiestandard, was so viel heißt, dass recyclebares Baumaterial, Regenwasser und Abwärme der nahe gelegenen Therme genutzt wurden. Das städtebauliche Expertenverfahren hatte übrigens Architekt Mayr-Keber gewonnen.

Als 1999 Helmut Richters 170 Meter lange, laubengangerschlossene Wohnmaschine aus Sichtbeton, Glas und Stahl fertig wurde, ging ein Raunen durch die Architektenwelt. Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt, die Radikalität der Sanftheit ist der Natur gewichen. Üppig begrünt wirkt die Fassade heute wie eine bewohnbare Lärmschutzwand.

Die Zeit großer Ambitionen scheint jedoch vorbei: Die Parzellen der zweiten Siedlungshälfte wurden pragmatisch auf die unterschiedlichen Bauträger aufgeteilt, für Mischek plante Architektin Margarethe Cufer den ersten Hof am Eck, der den architektonischen Auftakt zur Siedlung bildet.

Pragmatisch schlicht

Die wohnbauerfahrene Einzelkämpferin plant „Häuser für die Leute“, wie sie sie nennt. Das sind Gebäude, die sich durch zeitlose Ruhe, Lebensnähe und hohe Nutzerzufriedenheit auszeichnen - und nicht lediglich durch fesche Fotos in Hochglanz-Gazetten. Cufers Qualität liegt im angemessenen Umgang mit den Rahmenbedingungen. In diesem Fall waren das der Mischek-Fertigteilbaukasten mit seinen vorgegebenen Spannweiten, Fensterformaten und Wandelementen. Zu guter Letzt wurden die insgesamt 89 Wohnungen in ein Freiraumkonzept von Maria Auböck und János Kárász eingebettet: In Schichtenlinien steigt der Grüngürtel vom Teich an der Oberlaaer Straße stark an, mit mehreren Rampen arbeitet sich die neue baumgesäumte Kurt-Tichy-Straße durch die Landschaft.

Am Horizont schließlich erstrahlt der Wohnblock. Die offene Zugangsschneise ist von mehreren Luftbrücken durchzogen, die die obere und untere Haushälfte auf jeder Ebene als ein Ganzes erscheinen lassen. An jedem Eck sitzt ein Stiegenhaus, eine Öffnung in der Südwand öffnet die Loggia nicht nur ins Grüne hinaus.

Damit die Sonne die Bewohner nicht nur im Hochsommer erreichen kann, hat Margarethe Cufer das letzte Geschoß - sozusagen die Krönung des Ganzen - in einem kräftigen Orange gestrichen. In regelmäßigen Abständen sind die Fassaden von grauen Loggienelementen umfasst. Alle Wohnungen der Nord- und Südflanken sind durchgesteckt, beidseitig belichtet und mit Südloggien versehen. Die nordseitigen Laubengänge sind von respektablen Lufträumen durchbrochen, die die Blicke nicht zu nahe an den Fenstern der Bewohner gieren lassen.

Lebensnahes Denken beweisen unter anderem der groß dimensionierte Fahrradraum und die witterungssicher zugängliche Waschküche mit Blick in den hellen Kinderspielraum. Seiner hohen Lage ist zu verdanken, dass die Mieter in blickgeschützte Gärten hinaustreten können. Offen breitet sich der Grünraum bis hin zum Teich aus. Auf dem Weg dahin scheint es einen fröhlichen Dialog zwischen den Mohnblumen in der Landschaft und dem orangen Terrassengeschoß zu geben. Alles in allem ist das ein schöner Rahmen für die Natur und das Leben.

Der Standard, Sa., 2006.07.22

15. Juli 2006Isabella Marboe
Der Standard

Sonnengehangen, Blick gefangen

Nach allen Regeln der Kunst zelebriert das Holzhaus von Andrea und Veit Pedit-Bodvay den Ausblick - und zwar mittels Fenster und gläserner Treppen. Eine Ode an die Sonne von allen Seiten.

Nach allen Regeln der Kunst zelebriert das Holzhaus von Andrea und Veit Pedit-Bodvay den Ausblick - und zwar mittels Fenster und gläserner Treppen. Eine Ode an die Sonne von allen Seiten.

Als Architekten waren Andrea und Veit Pedit-Bodvay mit ihren benachbarten Lebensbereichen in der Stadt ja noch glücklich - Tür an Tür mit Wohnung und Büro. Doch mitansehen zu müssen, wie die Kinder zwischen Asphalt, Spielplatz und Beserlpark aufwachsen, war dann doch ein anderes Kapitel. Bestehende Häuser im Grünen fernab von Smog & Co erwiesen sich als unbezahlbar. Und so beschlossen die beiden kurzerhand, sich die künftige Bleibe selbst zu planen, automaßgeschneidert sozusagen.

Der passende Grund flog ihnen sprichwörtlich zu: Ein ehemaliger Bauherr hatte den oberen Teil seines Gartens mitten in Kritzendorf zum Verkauf angeboten, man wurde sich rasch einig. Der knapp 800 Quadratmeter große Grund liegt auf einem steilen Nordhang über dem Bahnhof, der da unten in der Donauau förmlich versinkt. Die Zufahrtsstraße liegt an der schmalen Südseite, der Garten offenbart einen Prachtblick über den Landschaftsteppich der Donauauen bis hin zur Burg Kreuzenstein im Norden.

Das eigene Budget sowie Ansprüche und Lebensart kannten die Architekten freilich genau: Das Haus sollte gut im Hang liegen, möglichst viel bestehenden Garten retten und trotz Nordlage nach allen Regeln der Kunst in lichtgefluteten und durchlässigen Räumen den Blick zelebrieren.

Während man als Architekt noch vom großen Loft träumt, verändert sich das Anforderungsprofil im Nu, sobald man eine Familie hat. Gewünscht waren klar definierte, eigene Räume für Eltern und Kinder sowie Gästezimmer, Arbeitsplatz und eine großzügige Wohnküche mit Ausgang zum Garten. Die Bauordnung erlaubte, direkt an der Straße zu bauen, was dem Garten durchaus zugute kam.

Vorn zwei, hinten drei

Die Antwort auf Budget und Hang war klar: zwei Geschoße im Süden und drei im Norden. L-förmige Splitlevels umgarnen raffiniert den mittig stehenden Stiegenturm. Das lärchenverkleidete Haus ist - ganz im Zeichen des Niedrigenergiestandards - aus gedämmten Holzteilen, die vorgefertigterweise eine lange Reise aus Tirol hinter sich haben und in nur vier Tagen auf ihrer neuen Fundamentplatte standen.

Raumweitend übers Eck verglast, flächenfüllend transparent oder länglich geschlitzt - die Fenster reagieren auf jeder Ebene anders auf ihre Umgebung und lassen so von vielen Seiten Licht, Luft und Sonne tief ins Haus hinein. Davor wird eifrig variiert. Einmal legt sich eine Terrasse zu Füßen des Wohnzimmers, dann setzt sich ein sonnenlichtheischender Balkon vors Reich der Kinder, ein anderes Mal wiederum führt ein steiler Weg am panoramaartigen Küchenfenster vorbei.

Eine perforierte Sichtbetonscheibe, über die das schimmernde Sonnenlicht tanzt, bildet den blickgeschützten Vorbereich an der Straße. Drei Bullaugenfenster, die im Garderobenbereich spielerisch verstreut sind, richten den Blick hinaus zum Eingang, während durch die Stiege Licht ins ganze Haus fällt. Gläserne Stufen, die an zusammengeschraubten Stahlstangen herabhängen, machen das Stiegenhaus zu einem Lichthaus. Dadurch kann die Helligkeit ungehindert ins Haus strömen. Nebenbei wird dieser Bereich gerne als erweitertes Kinderzimmer genutzt.

Die Eltern indes nächtigen im letzten Geschoß und überblicken Donauauen und Burg Kreuzenstein. Durchs Ostfenster fällt die Morgensonne aufs Bett, Vögel zwitschern. Nein, diesen Umzug bereue man nicht.

Der Standard, Sa., 2006.07.15



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Haus Kritzendorf

08. Juli 2006Isabella Marboe
Der Standard

Über den Wellen

Der Handelskai kann ein unwirtlicher Ort sein. Doch die Architekten Ablinger, Vedral & Partner haben im Gewusel des Verkehrs einen architektonischen Impuls gesetzt.

Der Handelskai kann ein unwirtlicher Ort sein. Doch die Architekten Ablinger, Vedral & Partner haben im Gewusel des Verkehrs einen architektonischen Impuls gesetzt.

Parkdecks aus Betonfertigteilen säumen den heftig verkehrsumtobten Handelskai. Dahinter erhebt sich die Schnellbahn, die im sturen Fahrplantakt den Lärmpegel regelmäßig erhöht. Einem Gutachten zufolge halten die blau-weißen Züge hier die einsame Wiener Spitzenposition. Dass der Steg, der sich an dieser Stelle kühn über die Donau stülpt, justament Kafkas Namen trägt, gibt dem trostlosen Ort den Rest.

Für die Wohnbebauung auf der angrenzenden, 100 Meter langen Stadtparzelle wurde 1996 ein Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem die Architekten Ablinger, Vedral & Partner als Sieger hervorgingen. Mit einer gewissen Leichtigkeit entgleitet der Bau seinem übermäßig hohen, durchlässigen Sockel und gebietet der sonst eintönigen Blockrandbebauung des Handelskais städtebaulichen Einhalt.

Das fünfte Stockwerk wird zu einer Zäsur, zu einem luftigen Freigeschoß über den staubigen Niederungen des Verkehrs, um witterungsgeschützt die örtliche Gunst mit Blick aufs Wasser zu zelebrieren. Ganz oben schließlich schwebt der Maisonettentrakt leicht wie ein Flieger auf optisch zurückgenommenen Stahlbetonsäulen.

Blick auf die Stadt

Auf den weiten Terrassen, die nieselregensicher unter einem Glasvordach ansetzen, breitet sich ein exklusives Panorama aus, das die Stadt von der Donaucity-Skyline bis hin zum Millenniumstower weiträumig umspannt. Mit unterschiedlich vorgesetzten Loggien, offenen Balkonen, und horizontalgeschlitzten Lochfassaden reagiert der Wohnbau auf sein Stadtumfeld, bewältigt souverän den Lärm und schafft auf verschiedenen Innenhofniveaus geschützte Grünflächen und eine durchgängige Anbindung zum umtriebigen Straßenraum des wild befahrenen Handelskais.

In den neun Jahren vom Wettbewerb zur Realisierung erhöhten die Bauträger BWS und Domizil die geforderte Nutzflächenzahl um fast ein Fünftel auf über 20.000 Quadratmeter. Trotz verschärfter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gelang es, die hohe Dichte und große Kubatur in vier differenziert gegliederten Baukörpern ansprechend aufzulösen und die Anlage mit 213 Wohnungen (davon 59 Maisonetten) im Niedrigenergiestandard durchlässig - und reich an Freiräumen - umzusetzen.

Partitur aus Fassaden

Jede Blockrandseite ist anders und vermittelt den Eindruck eines immer wieder neuen Hauses: An einem Eck des Handelskais sorgen offene, glasgeschuppte Parkplätze vor dem transparenten Pennymarkt für ausreichenden Durchblick sowie für Nahversorgung und Umsatz an Menschen und Gütern. Dahinter wachsen die weiß gerahmten und voll verglasten Wintergärten mit Donaublick in die Höhe. Zwischen zwei verglasten Ateliers und mächtigen, grauen Stahlbetonpfeilern lässt sich hoch überm Wasser schaukeln und saunieren. Eine kleine Stiege führt hinunter auf den offenen Laubengang, von dem man entlang des Kafkastegs direkt auf die Donauinsel radeln kann.

An einer anderen Fassade wiederum haben sich die Architekten ein Farbspiel gegönnt. L-förmige Betonfertigteile mäandern um die Loggien an der Wehlistraße und betonen das orange gestrichene Innenleben. Ein paar kreative Mieter haben dieses in der Zwischenzeit durch andere Farben bereichert. In den Eigengärten im Südwesten der neuen Wohnhausanlage wiederum wuchert Gemüse in Beeten. Der zentrale Spielplatz - abwechslungsreich und auf mehreren Niveaus gestaltet - ist ein weiteres Indiz für eine gelungene Umsetzung des mittlerweile zehn Jahre alten Wettbewerbs-Projekts.

Der Standard, Sa., 2006.07.08



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Wohnbau Handelskai

01. Juli 2006Isabella Marboe
Der Standard

Vom Schatten ans Licht

Steil wie eine Klamm und dicht bewachsen: Der Garten in Gablitz war zwar romantisch, dafür aber schaffte die Südsonne den Weg ins Haus nicht mehr. gerner°gerner plus zähmte das Gelände mit architektonischen Eingriffen.

Steil wie eine Klamm und dicht bewachsen: Der Garten in Gablitz war zwar romantisch, dafür aber schaffte die Südsonne den Weg ins Haus nicht mehr. gerner°gerner plus zähmte das Gelände mit architektonischen Eingriffen.

Lang hatten die Bauherren Wien und Umgebung nach dem perfekten Grundstücken abgegrast, ehe sie in Gablitz endlich fündig wurden. Mit über 30 Grad Gefälle stürzte sich der verwachsene Steilhang von der Straße im Norden zu einem Bach hinab, dahinter steigt das dunkle Walddickicht auf. Der Grundkauf erforderte gewiss Mut, und davon hatte die Baufrau genug. Preis und Wienerwaldlage sprachen ebenfalls für sich.

In Folge rodete man über 30 Bäume und konzipierte mit einem Architektenfreund das neue Haus. Fast quadratisch kompakt setzte es ein Baumeister 1989 mit Thermoziegeln und Satteldach in Plan und Tat um.

Erhellung der Klamm

Doch das romantisch in- szenierte Gartenidyll in der Klamm war kaum zu nutzen. Das Kind brauchte Spiel- und Freiraum, auch die Eltern orteten Defizite. Dem Haus fehlten grundlegende Dinge wie Garderobe, Terrasse, Kamin, Bibliothek, Arbeitsraum und Licht, dem Garten mangelte es an Leben. Ein Um- und Zubau von gerner°gerner plus bereitet dem Schattendasein an der Mulde nun endlich ein südsonniges Ende. Damit das Licht vordringen kann, wurden Bach und Gelände gezähmt. Dem kompakten, weiß verputzten Bestands-Prototyp begegneten die Architekten in einer Doppelstrategie aus Untergraben und Andocken von zwei Zubauten mit Mehrwert und Charakter.

Eine weiße, fenstergeschlitzte Mauer mit Flugdach fasst das Carport, an der straßenseitigen, lichtbestückten Stützmauer führt eine Rampe zum spieltauglich gedeckten Vorplatz. Hier bringt ein rot beschichteter Zubau aus Holzfertigteilen mehr Pepp und geordnete Verhältnisse unters Satteldach.

Den Eingang markiert ein lichtes Glasvordach. Das kräftige Rot und die abgerundeten Ecken vermitteln Zeitgeist und Lebensfreude, in der Garderobe geben heller Solnhofer Stein und Kästen aus geflochtenem Leder die zum neuen Leben erweckte Designlinie vor.

Geordnet und gezähmt

Der Bach plätschert jetzt nur noch am Nebengrund, der Teich und einige der Bäume sind ebenfalls nur noch Geschichte: Stattdessen bettet sich ein reflektierendes Pool zwischen Stützmauern aus Gabionen. Vor der Südfassade gräbt sich ein transparenter Zubau mit Terrasse in den Hang, um sich mit einer einläufigen und großzügig verglasten Stiege zur Bibliothek an der Westflanke des Wohnraums hochzuschwingen. Ihm schenkt das Flachdach über dem neuen Zubau sowohl Südterrasse als auch Licht und Gartenblick.

Das architektendesignte Interieur des gesamten Gebäudes korrespondiert gut mit dem Hell-Dunkel aus Boden und Wand: Kastenelemente aus afrikanischer Nuss in hellen MDF-Rahmen, ein dunkler Tisch und ein gemauerter Kamin an der Nordwand möbeln die Räumlichkeiten etwas auf und schaffen Wohnlichkeit und Gemütlichkeit.

Leichte, horizontale Regalflächen gliedern dynamisch die buchbestückte Westwand, deren weiße Borde sich zum Schreibplatz klappen lassen. Vom scheinbar ins Grün entschwebenden Stiegenpodest gleitet man hinab in ein Dorado für Spiel und Freizeit. Wenn das Kind eines Tages dem Spielen entwachsen sein wird, kann der Zubau im Handumdrehen zur extern begehbaren Wohnung umfunktioniert werden. Gartenzugang inklusive, versteht sich.

Der Standard, Sa., 2006.07.01



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Einfamilienhaus Um- und Zubau

24. Juni 2006Isabella Marboe
Der Standard

Neues Leben im Hintergarten

Frischer Wind weht durch die Innsbrucker Gartensiedlung Sieglanger: Das vom Satteldach abwärts in Aluminium eingepackte Haus von Lukasser und Röck schafft einer vierköpfigen Familie viel luftig-hellen Raum auf wenig Fläche.

Frischer Wind weht durch die Innsbrucker Gartensiedlung Sieglanger: Das vom Satteldach abwärts in Aluminium eingepackte Haus von Lukasser und Röck schafft einer vierköpfigen Familie viel luftig-hellen Raum auf wenig Fläche.

Selbstverwaltete Siedlungen mit kleinen Häusern und Eigengrund zum Gemüseanbau: Mit der Kombination von Heim, Herd und Grünland dämmte die Siedlerbewegung der Zwischenkriegszeit sowohl die grassierende Wohnungsnot als auch den Hunger ein. In Innsbruck übernahm diese essenzielle Rolle die Gartensiedlung Sieglanger. Hier bereichert nun ein neues, vom oberlichtgekuppelten Satteldach abwärts aluminiumverblechtes Haus der Architekten Lukasser und Röck die alte Typologie um frische architektonische Akzente.

Sieglanger liegt im Einzugsgebiet der Westautobahnabfahrt und besteht aus nord-süd-orientierten, 50 m langen, fast 20 m breiten Parzellen mit schmucken, L-förmigen Satteldachhäusern, deren spezifische Typologie den besonderen Reiz der Anlage ausmacht: Platz sparend gekuppelt, wachsen ihre niedrigen, flach gedeckten Bauteile aneinander, was eine schöne, rhythmische Abfolge aus roten Spitzdächern und weiß geputzten Wänden ergibt. Kleine Grünstreifen säumen die Häuser, hinter denen sich der Nutzgarten erstreckt. Zum Selbstversorgen braucht man das potenzielle Gemüsegärtchen schon lange nicht mehr. Doch es ist ein kleiner Tribut, denn an leistbarem Baugrund herrscht in Innsbruck großer Mangel.

Die Stadt setzte auf innere Nachverdichtung und gestattete den Eigentümern, die Parzellen zu teilen und die freie Hälfte neu zu bebauen. So konnte sich ein Lehrerpaar mit zwei Kindern endlich das ersehnte Haus leisten, das ihnen Lukasser und Röck geplant hatten.

Idyll nach alten Regeln

27 m lang, 19 m breit, liegt der Grund im Schatten der Autobahn-Lärmschutzwand am Nordrand der Siedlung. Um den Charakter trotz Nachverdichtung zu wahren, fordern die Bebauungsbestimmungen die strikte Fortführung der alten Typologie. Firsthöhe, Neigung, Lage und Kubatur gab der Ostnachbar vor. Niedrig-flach hebt er am Südeck an, um dann mit seinem Satteldachtrakt einen Hinterhof einzufassen, der sich nordwärts zum Garten auswächst. Blickschützend fasst hier der flugbedachte Sichtbeton-Carport mit Geräteschuppen am Nordeck das Apfel- und Kirschbaum-Idyll ein.

Der so entstandene Garten ist durch eine längs gefalzte Aluminiumfassade an der Nordfront eingerahmt. Im Schrägdach sind ein paar Oberlichtkuppeln frei verteilt. Durch den Glasschlitz der weinroten Windfangbox überblickt man den offenen, zentralen Wohnraum bis hin zur Terrasse. Ein schmaler, offener Nordflur mit Mini-Toilette im Osten und raumbegrenzendem Garderobenmöbel vor der zweiläufigen Stiege im Nordwesteck erschließt die Schlafgalerie, die in den Luftraum unter der lichtkreiserhellten Dachschräge ragt und dem kleinen Haus zusätzliche Großzügigkeit bietet. Ihm schenkt der firsthohe Glasschlitz zwischen Betonplatten im Westen Licht. Im eichenparkettierten Wohnraum sorgt er für Abendsonne und für den Blick auf Straße, Kirche und Martinswand.

Im Süden und Osten raumhoch verglast, dehnt sich das Wohnen zur Hofterrasse aus und wird nur noch von den Stahlträgern räumlich gefasst. Dank Sondergenehmigung bekam der abschließende eingeschoßige Bauteil auch noch eine Terrasse und rettet so ein Stück Freiraum mehr aufs Flachdach.

Der Standard, Sa., 2006.06.24



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Wohnhaus Lukasser-Pali

17. Juni 2006Isabella Marboe
Der Standard

Gründerzeit reloaded

Trotz kleinen Budgets sorgten die exikon-Architekten beim Um- und Ausbau einer Gründerzeitwohnung in Wien für klare, neue Verhältnisse in der alten Substanz.

Trotz kleinen Budgets sorgten die exikon-Architekten beim Um- und Ausbau einer Gründerzeitwohnung in Wien für klare, neue Verhältnisse in der alten Substanz.

Wien hat viele Gründerzeithäuser: Stilzitatreich schmücken sie gutbürgerliche Bezirke mit dem Glanz alter Zeiten, ihre spekulative Kehrseite zeigt sich stadtauswärts an den kargen Zinshäusern für die soziale Unterschicht. Hier Raumfluchten und Freitreppen, dort Zimmer, Küche, Kabinett mit Abort am Gang.

Die exikon-Architekten sahen die Gründerzeit ambivalent: Einerseits spiegelt die Hierarchie aus repräsentativer Schau- und dunkler Rückseite damalige Gesellschaftsverhältnisse, andererseits bieten die soliden Häuser mit den hohen Räumen eine starke Struktur. Die Baumasse wird zur Matrix, die sich beliebig neu beschreiben, beleben, anzapfen, umnutzen, aushöhlen und updaten lässt.

Ein Objekt zur bauherrenbedarfsgerechten Umsetzung dieser Idee fand sich in der Liebhartsgasse 32, die von der hier noch sehr geschäftsbelebten Thaliastraße ins graue Ottakringer Hinterland vorstößt. Kfz-Werkstätten, Garagen und Kleinbetriebe prägen die Sockelzonen der Gründerzeithäuser, die sich bis auf wenige Baulückenfüllungen geschlossen zur Gasse reihen.

Der Bestand ist ein typisches, 1886 gebautes Vorstadthaus: eine fast schmucklose Lochfassade zur Straße, hinter den größeren Seitenfenstern sind zwei durchgesteckte Außenwandwohnungen, in der Mitte zwei Zimmer-Kabinett-Typen mit Klo am Gang. Im obersten Stock wurden zwei Einheiten frei, die sich zusammenlegen und die Option auf Erweiterung und Dachausbau offen ließen.

Freie Architektenhand

Der Bauherr schlug zu, die exikon-Architekten hatten wenig Budget, volles Vertrauen und freie Hand, um zeitgemäßen Komfort, Schlaf-Schrank-Raum und Wohnküche mit amerikanischem Kühlschrank zum genussvollen Privatleben zu zweit und mit Freunden in die Substanz zu bringen. Um eine neutrale Hülle zu schaffen, wurden alle Boden-, Tapeten- und Putzschichten diverser Vormieter entfernt, Wände weiß gestrichen und eine leichte Rigipsdecke mit Lichtspots eingezogen.

Ein neuer Estrich mit Fußbodenheizung bildet den bereinigten Baugrund der Substanz, dessen fensterreiche Sonnenseite an der Straße liegt. Hier schafft die Entfernung einer Zwischenwand den Sonnenseiten des Wohnens doppelten Raum zum Kochen, Essen, Feiern.

Schwebendes Parkett

Zwei wandflankierende, dimmbare Lichtstreifen im Boden tauchen die Mauern in einen immateriellen Schleier von Helligkeit, lassen das Merbau-Parkett schwebend wirken und zeigen, wo die alte Hülle endet und der fliegende Teppich des Lebens beginnt. Auf der Rückseite der Kaminmittelwand, gleichsam am Verkehrsweg des Hauses, zeigen zwei Mattglasscheiben in der Wand die Umschreibung der Matrix an. Bereichert um ein gläsern hell verspiegeltes, geräumiges Bad mit wellnesstauglicher Wanne und schrägem Mobiliar, wanderte das Klo vom Gang hinein hinter die sechsteilige Schiebefaltwand auf Rollen. Als weiße Fläche begrenzt sie den Vorraum, birgt aber Garderobe, Kasten, WC, Waschmaschine und den Durchgang zum Bad am begehbaren Schlafzimmerschrank in sich. Jedes Wandelement ist auch Tür und wegfaltbar, die Schienenkonstruktion von der Decke abgehängt, so bleibt die Raumhöhe immer spürbar.

Im Hof, in dem früher eine Lackfabrik war, steht nun zwischen nachbarlichen Grünoasen ein glasgedeckter Zubau für Räder und Grillfeste. Nur das letzte Zimmer an der Außenwand, einst eine Küche, hat ein Fenster zum Hof: eine bis dato nutzungsfreie Raumverheißung für alle möglichen Zwecke, vom Büro bis zum Aufstieg aufs Dach.

Der Standard, Sa., 2006.06.17



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Wohnungsumbau

10. Juni 2006Isabella Marboe
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Ruhe in Weiden

In Weiden am See haben sich viele Wiener mit Zweitwohnsitz niedergelassen. Die Architekten Heidecker/Neuhauser bauten hier einen mit Lärchenholz verschalten Monolithen, der der örtlichen Satteldachverordnung abstrakte Qualitäten abringt und optische Ruhe in der Siedlung am See verbreitet.

In Weiden am See haben sich viele Wiener mit Zweitwohnsitz niedergelassen. Die Architekten Heidecker/Neuhauser bauten hier einen mit Lärchenholz verschalten Monolithen, der der örtlichen Satteldachverordnung abstrakte Qualitäten abringt und optische Ruhe in der Siedlung am See verbreitet.

Viel kleiner als das umtriebige Neusiedl und das surftrendige Podersdorf, liegt Weiden als dörfliche Alternative am Ostufer des Neusiedler Sees. Typische einfahrtgesäumte Bauernhäuser, die sich an tiefen Parzellen zu Streckhöfen auswachsen, prägen den Ort.

Vor 14 Jahren mieteten sich hier die Wiener Bauherren in einer Halbwirtschaft ein, in der sich fünf Parteien in reger Sozialgemeinschaft den lauschigen Hof zwischen zwei Haus-Stall-Stadel-Zeilen teilten. Sobald es warm war, kam das Paar zu Wind, Wasser und Wellenreiten - als es den See auch im Winter für sich entdeckte, verlor der dunkle, kalte Altbau an Reiz, die Liebe zum Ort blieb.

Viele Wiener mit Zweitwohnsitz leben hier, in den 80ern wurde die Siedlung Seepark mit ganzjähriger Wohnwidmung parzelliert. Ihr südöstlicher Rand grenzt ans Naturschutzgebiet Neusiedler See, hier liegt der 18 m breite Grund, der sich 36 m zum Garten im Südwesten erstreckt.

Die örtliche Bauordnung gab eine maximale Traufhöhe von 3,50 m und ein 25-45° geneigtes, matt gedecktes Dach, die anspruchsvollen urbanen Bauherren einen strikten Kosten- und Zeitrahmen von einem Jahr für ihr 100-m2-Haus vor: nachhaltig gebaut, zeitlos modern, rasch heizbar, mit Gästezimmer, zwei Sanitäreinheiten und großem, offenem Wohnraum am Garten, mit Rückzugsnischen zum winterlichen Einigeln.

Präzise setzten die Architekten Heidecker und Neuhauser all das in einem reduzierten, rechteckigen Baukörper um. Der kosten-, zeit- und ressourcensparend gut gedämmte, kompakte Holzfertigteilbau ist bis zur Traufkante mit horizontalen Lärchenlatten umhüllt, hinter denen das Dach dem Blick entgleitet.

Die Straße im Nordosten bietet mit dem Genossenschaftsneubau, der folkloristischen Blockhütte und mächtigen Einfamilienhäusern einen repräsentativen Querschnitt. Ruhig wie ein Stadel in der Landschaft steht dagegen das Haus mit den bündig sitzenden Fenstern und der dezenten Dachdeckung aus vorbewittertem Zinktitan am zaunlosen Vor- und Parkplatz, der sich wie ein halb öffentlicher Teppich vor seine Straßenlängsfront legt.

Häuser im Haus

Als eigenes Häuschen springt der innen und außen mit grauem Eternit verkleidete Windfang Eintretenden entgegen, als Häuser im Haus stehen Sanitär-Speisbox und Kellerstiege im Einraum unterm Holzdachstuhl. Vom nordosteitigen Oberlichtband fällt die Sonne durchs Südwestglas bis auf die Terrasse.

Die nordwestliche Haushälfte ist raumgewinnend mit einem oberlichthellen Gästezimmer unterkellert, was sich in der um vier Stufen erhöhten Ebene im Einraum niederschlägt. Selbstverständlich schafft sie dem privaten, von zwei Meter hohen weißen Zwischenwänden umhausten Schlafbereich und dem gemeinsamen Wohnen/Kochen/ Essen verschiedene Raumcharaktere, die im Zwischenreich der Lesegalerie lose ineinanderfließen. Liegend ruht man hier für sich, sitzend blickt man über das podestbegleitende Sitzmöbel am Kamin in den ganzen Wohnraum.

Aus der Speisbox gleitet die Küche mit Straßenblick zum Esstisch mit dem auf Sitzhöhe eingeschnittenen Über-Eck-Panorama, das in die gläserne Gartenfront an der Terrasse mündet, wo eine Treppe der oberen Haushälfte Zugang ins Freie und viel Sitzpotenzial schafft. Sie ist, was einst der Hinterhof war: ein Ort für ausgelassene Gartenfeste.

Der Standard, Sa., 2006.06.10



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Ferienhaus PLANK

03. Juni 2006Isabella Marboe
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Stadtleben im Dorfanger

Am Ende von Breitenlee verliert sich Wien in Ackerland. Hier entwarfen Szedenik & Schindler eine Wohnanlage mit Mietermitbestimmung, die nach außen als geschlossene, urbane Einheit wirkt, innen aber mit lärchenholzverkleideten Hauswänden dörflichen Charakter entfaltet.

Am Ende von Breitenlee verliert sich Wien in Ackerland. Hier entwarfen Szedenik & Schindler eine Wohnanlage mit Mietermitbestimmung, die nach außen als geschlossene, urbane Einheit wirkt, innen aber mit lärchenholzverkleideten Hauswänden dörflichen Charakter entfaltet.

Wien kann auch sehr ländlich sein. Hinter dem mit Kirche, Pfarrgarten und niederen Hauszeilen noch sehr urtümlichen Dorfanger von Breitenlee kippt die Stadt nach einer schütteren Ortsrandformation vereinzelter Altbauten und Betriebe in ebene Feldlandschaft. Hier hatte die Firma Mischek einen der letzten Baugründe, für den eine mit 109 Wohnungen sehr dichte Blockrandbebauung genehmigt war. Zum Glück genügte sie heutigen Ansprüchen nicht mehr, was zur Neuplanung durch die Architekten Szedenik & Schindler führte.

Mehr Stadtrand geht kaum: Viele Lastwägen brausen dem Schild entgegen, das den Anfang oder das Ende Wiens bezeichnet, eine Buslinie dringt noch ans letzte Stück Breitenleer Straße vor. Sie bildet die nördliche Schmalseite der 5000 m² Parzelle, die im Westen von einem schmalen Fußweg und im Osten von der Schukowitzgasse begrenzt wird. Verloren steht ein alter Stadel im weiten Ackerland dahinter, wo sich Wien am Raps-gelben Horizont verliert.

Familiärer Schutzwall

In der bestehenden Widmung entwickelten die Architekten eine spezifische Wohnform aus zwei in je drei Baukörper gegliederten, Nord-Süd-gerichteten Zeilen um eine grüne Mitte, die sowohl der Stadt als auch ihrem ländlichen Rand gerecht wird.

Außen wirkt sie mit ihren treppen- und laubengangflankierten Stahlbetonwandkanten als geschlossene, nicht aber eintönige Einheit und setzt so ein starkes urbanes Zeichen. Von geradlinigen Fensterreihen und durchgängigen, verglasten Stiegenhäusern ruhig gegliedert, bilden sie den Schutzwall nach außen, vor dem sich das naturnahe familiäre Wohnen in dreigeschoßig terrassierten, mit Holzfertigteilwänden organisch geschlossenen Baukörpern am eigengartengesäumten, gemeinsamen Grünraum entfalten kann.

Optimal reagiert die klare, harte Hausschale um den weichen, differenzierten Kern auf das zwitterhafte Wesen des Ortes zwischen Natur und Durchzugstraße. Die dortige Nordseite mit den zwei außentreppentragenden, weißen Zeilenflanken um die Lärchenholzlattenmitte, die an Stadel oder Zäune denken lässt, wirkt wie ein Tor - und ist auch eins. Dezent taucht die Garagenzufahrt in den Gartenstreifen dahinter ein, dem ihre sitzstufengedeckte Rampe zur Arena wird.

Von hier überblickt man die einander freundlich zugewandten, lärchenholzverkleideten Zeilen, in deren Grüngartenstraße wie ein Wagon der tonnengedeckte Gemeinschaftsraum an der Peripherie der Felder steht. Von Lärm und Abgasen geschützt, entfaltet sich zwischen den terrassierten Baukörpern die lebendige Atmosphäre eines südländischen Bergdorfes. Wie dort Häuser hangwärts streben, treppen sich die 54 durchgehend Ost-West-orientierten, zweiseitig belichteten Wohnungen bis zur holzbehausten Dachgartenlandschaft die Außenkanten hoch.

Das Lärchenholz und die 5,80 m Achsmaß der trennwandbildenden, tragenden Stahlbetonscheiben bilden den klaren, gemeinsamen Rahmen zur individuellen gartenseitigen Entfaltung.

Individuelle Entfaltung

Denn die Architekten entwickelten ein komplexes Modulsystem, das die Option zur Mitbestimmung bot: Künftige Mieter konnten die 2,2 m Terrassentiefe im selben Maß erweitern oder einschränken, als Freiraum, Loggia, Erker oder Innenraum nutzen, sowie über Fensterformate und ein- oder zweigeschoßige Wohnform entscheiden.

Das bereicherte die breiten gemeinsamen Laubengänge, Mieter- und Dachgärten um Treppen und führte zu einer ungeahnten Vielfalt an Vor-und Rücksprüngen. Rundum holzverkleidete Erker treffen auf offene Terrassen, Loggien, Balkone, Veranden und blühende Dächer. Wie am Dorfanger stehen sich am Gemeinschaftsgrünraum individuelle Wohnhäuser mit eigenen Gärten gegenüber.

Der Standard, Sa., 2006.06.03



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Wohnhausanlage Breitenlee

26. Mai 2006Isabella Marboe
Der Standard

Im Segelflug über Wien

In exquisiter Wiener Innenstadtlage schwebt der dreiseitig verglaste Querriegel über dem Gründerzeithaus. Darin findet eine ökobewusste Familie mit fünf Kindern luftigen Platz auf drei Etagen, die ein Hightech-Energiekonzept vor sommerlichem Hitzekoller schützt.

In exquisiter Wiener Innenstadtlage schwebt der dreiseitig verglaste Querriegel über dem Gründerzeithaus. Darin findet eine ökobewusste Familie mit fünf Kindern luftigen Platz auf drei Etagen, die ein Hightech-Energiekonzept vor sommerlichem Hitzekoller schützt.

Der Luftraum über der Innenstadt ist der feinst gesponnene Stoff für Dachausbauträume, die exquisite Höhenschicht über der Wollzeile 16 ein klarer Fall für den Gestaltungsbeirat. Direkt in der Einflugschneise der Sichtachsen zum Stephansdom erstreckt sich das 1902 erbaute Haus bis zur Schulerstraße. Die Bauherren haben fünf Kinder, stets Gäste und ein starkes Ökologiebewusstsein. Sie wollten den Altbau energetisch sanieren, für Büros nutzen, selbst aber modern und offen wohnen. Drei neue Dachgeschoße waren möglich, das unterste sollte für die Kinder flexibel in bis zu vier Einheiten teilbar und später zu vermieten sein, darüber wollte das Elternpaar an viel Panorama leben.

Architekt Georg Reinberg vermutete zwischen Wienfluss und Donaukanal viel Grundwasser und fand so zum hocheffizienten Energiekonzept: Im Keller wurden ein Schluck- und ein Entnahmebrunnen gebohrt. Sie bilden den Energiekreislauf für alle Bürokühldecken und den bauteilaktivierten Dachaufbau, der auch die Abluft zur Energiegewinnung nutzt. Bei drohender Überhitzung kühlt das Brunnenwasser über einen Wärmetauscher das Gebäude, im Winter heizt es die Räume per Wärmepumpe. Mit seinen armaturbestückten Rohren wirkt der Keller wie die Schaltzentrale eines Mini-Kraftwerks.

Die Wollzeilenfassade ist klassisch komponiert: zwei Ladengeschoße unter der dreistöckig ruhigen Mitte, deren abschließende Ziergirlanden zum risalitgekrönten Traufgeschoß überleiten. Eine später eingezogene Zwischenebene hatte das ursprünglich im Erdgeschoß durchgängige Stiegenhaus geschlossen, nun kann man auf offenem Flur neben der Treppe wieder zur Schulerstraße durchgehen.

Lauschige Pawlatsche

Durch den Innenhof fällt Licht in die Traktmitte, wo sich die neue Wohnebene der Kinder mit zwei Balkonen ins Freie weitet. Über den Hof mit der lauschigen Pawlatsche hinweg kommunizieren die zwei Haushälften miteinander, der Straße zeigen sie raumhohe Glasflächen zwischen Stahlstützen, deren Neigung sich Nachbardächern anpasst.

Über der Kinderebene das Loft, dezent lugt seine Schmalseite über Wollzeile und Schulerstraße, um sich als schwebender Längsriegel über die Trakttiefe zu legen und so hoch über den Dächern die Flucht der Grünangergasse wieder aufzunehmen. Vorm betonkernaktivierten südöstlichen Wandrückgrat am Treppenaufgang scheint der dreiseitig verglaste Einraum leicht wie ein Segelflieger dem greifbar nahen Stephansdom entgegenzugleiten.

Die weiß verputzte Längsscheibe bildet mit ihren Nischen für Bad, Sanitäreinheit, Vorraum, Küche gleichsam das Infrastruktur-Panel des Wohnens, vor dem sich an ein paar Stützen der pure Luxus von fließendem Raum am fulminanten Rundumblick über die Innenstadt entfaltet, mit zwei Terrassen ins Freie weitet und so großzügig Abstand zum Nachbarn wahrt.

Chill-out auf dem Dach

Betonkernaktivierung und Grundwasserkühlung, außen liegender Sonnenschutz, Dreifach-Isolierglas, nächtliche Durchlüftung, große Speichermassen u. Ä. bieten transparente Weite ohne Hitzekoller. In der cockpitartig darüber gesetzten Chill-out-Zone mit Podest steigert sich die Hochcitylage zum Fluggefühl: Über verwinkelte Gassen, Kuppeln und verborgene Oasen auf den Dächern Wiens sieht man bis zum Schneeberg.

Der Standard, Fr., 2006.05.26

20. Mai 2006Isabella Marboe
Der Standard

Raue Schale, hölzerner Kern

Inmitten alter Obstbäume entwarfen die PPAG-Architekten ein Haus mit einer grauen Spritzfolienhaut. Das sperrholzverkleidete Innere entfaltet eine warme, behagliche Atmosphäre.

Inmitten alter Obstbäume entwarfen die PPAG-Architekten ein Haus mit einer grauen Spritzfolienhaut. Das sperrholzverkleidete Innere entfaltet eine warme, behagliche Atmosphäre.

Die Baufrau lebt und arbeitet in Wien, ihr Glück liegt auf dem Rücken der Pferde. Oft fuhr sie zum Reiten auf den Friedrichshof, um in der Weite des pannonischen Flachlands den Alltag weit hinter sich und die Seele baumeln zu lassen. Hohes Gras wuchs über das Areal von Otto Muehls Kommune und seine bewegte Geschichte. Heute wird es von einer Genossenschaft als weltoffenes Dorf mit etwa 150 Einwohnern verwaltet. Es gibt eine Sozialeinrichtung, neue Wohnhäuser, Hotel, Gasthaus, Badeteich, Föhrenwäldchen, Pferde, Spiel-Sportplätze und sehr viel Landschaft. Für Menschen mit großem Bewegungs- und Naturdrang ist der Friedrichshof ein kleines Paradies, für Pferde auch: ihre Ställe, Koppeln und Weiden liegen am Nordsaum des Areals.

Als die Baufrau einmal aus der Reithalle trat, stach ihr der Obstgarten gegenüber ins Auge. Die Apfel-, Kirschen-, Ringlottenbäume, die sich vor Himmel, Wasserturm und puristischem Krischanitz-Hofhaus aufreihten, strahlten tiefen Frieden aus. Der Gedanke, dass sich jemand der guten Aura dieses Ortes bemächtigen und sie zerstören könnte, ließ sie ihn kaufen und flugs zur Baufrau werden.

Binnen zwei Jahren musste ein Haus draufstehen, für das sie ein Minibudget und klare Vorgaben hatte: 100 m² Wohnfläche, die mit der gewachsenen Schönheit des Gartens und ihrer Persönlichkeit in Einklang standen. Kein Baum sollte fallen, als Bauplatz blieb ein Stück Wiese im schmalen Garten, dessen südöstliche Längsseite strategisch günstig die Zufahrt säumt.

Die PPAG Architekten entwarfen eine Behausung, die wie ein friedlich schlummerndes Wesen leicht schwebend zwischen Obstbäumen ruht. Der Straße zeigt es seine graue Kehrseite, die mit gut dämmendem Zweikomponentenschaum bespritzt ist und in ihrer unregelmäßigen Struktur an gerunzelte Elefantenhaut erinnert. Wie ein Auge blinzelt das WC-Fenster aus der Fassade, unmissverständlich signalisiert die rote Schiebetür: offen oder zu.

An der Rampe in den höhlenartig grauen Vorbereich dahinter wird man schlammige Stiefel los, an der Schnittstelle aller Lebensbereiche tritt man ins Haus. Durch die Wohnraumschiebetür winkt der Garten, gegenüber das weißgekachelte Bad. Gleichsam als Mini-Arena für private Auf-und Abtritte führen differenziert gestaltete Stufen zu Schlafzimmer und Studio, wo durch große Fensterscheiben die Baumkronen schwingen und in Augenhöhe Pferde vorüberziehen. Souverän hebt sich die aufgeständerte Fundamentplatte über Schlamm und Kleingetier hinweg, um mit einem Niveausprung die private Wohnzone der ersten morgensonnenbeschienenen Baumreihe entgegenwachsen zu lassen.

Auch das raffiniert verschnittene Sparrendach, das ein archetypisches Dorfthema zur organisch anmutenden Form umwandelt, fügt sich Garten und Hauscharakter. Sein tragendes Gerippe ist eine Pfosten-Riegel-Holzkonstruktion, die sich mit Regalelementen an der Wand zur Stellfläche auswächst.

Wie das Geäst eines Baumes streben die Dachsparren mit ihren Querträgern zum weiten, schrägen Über-Eck-Panoramaglas himmelwärts. Es lässt den Garten gleichsam hereinkippen und mündet mit zwei Türen im Freien.

Vom Boden, aus dem die frei stehende Küchenzeile zu sprossen scheint, bis zur Decke ist alles mit Pappelsperrholz verkleidet und verströmt so eine ruhig-warme Behaglichkeit, vor der sich die grüne Pracht unterm weiten Himmel voll entfalten kann. Mit seinem lauschigen Leseeck unterm Diagonalsparren und der offenen Mitte am Panoramaglas wird dieser Wohnraum allein nicht zu groß, zu mehrt nicht zu klein.

Der Standard, Sa., 2006.05.20



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PA1 - Das Haus mit der Elefantenhaut

13. Mai 2006Isabella Marboe
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Kleines Haus ganz groß

Ein Einfamilienhaus mit Sauna und Büro auf 50 Quadratmeter Grundfläche: Dass die Familie sich in ihrem Kleingartenidyll in der Wiener Vorstadt trotzdem nicht auf die Zehen tritt, ist dem Entwurf des Architekten Christian Prasser zu verdanken, der jeden Zentimeter intelligent nutzt. Der Clou findet sich im Keller: Hier liegt man in der Badewanne mit Blick zum Himmel.

Ein Einfamilienhaus mit Sauna und Büro auf 50 Quadratmeter Grundfläche: Dass die Familie sich in ihrem Kleingartenidyll in der Wiener Vorstadt trotzdem nicht auf die Zehen tritt, ist dem Entwurf des Architekten Christian Prasser zu verdanken, der jeden Zentimeter intelligent nutzt. Der Clou findet sich im Keller: Hier liegt man in der Badewanne mit Blick zum Himmel.

Der Kleingartenverein der Kulturfreunde Ottakring ist ein besonderer Vertreter seiner Art: Er besteht aus einem einzigen, südwärts leicht ansteigenden Wegstreifen, der im Norden in eine Straße mündet. Umkreist von städtischer Bebauung halten hier sechs Parzellen tapfer die Kleingartenbastion. Eine davon hatte sich der Bauherr vor Jahren für Grillfeste gekauft, doch man nutzte sie selten.

Die Familie lebte auf 100 m² in einer dunklen Altbauwohnung in Gürtelnähe, sehnte sich nach Licht und Luft, suchte ein Haus im Grünen und entdeckte plötzlich, über welch brachliegenden Schatz sie verfügte: Der Kleingarten hatte Baulandwidmung. Aus Holz sollte ihr Haus sein, viel Platz für Freunde, Schlafräume zum Bei-sich-Sein, Sauna und ein Bauherrenbüro mit Nasszelle haben, um Frau und Tochter in der Früh das obere Bad exklusiv zu gönnen.

Die quälende Sorge, auf 50 m² Grundfläche bei 5,5 Meter Bauhöhe auf Dauer genug Raum fürs gesellige Familienleben zu finden, schwand schon beim ersten Modell von Architekt Christian Prasser. Über der taghellen Dichtbetonwanne des Kellers für Sauna und Büro entwarf er ein Haus in Leichtbauweise mit massiven, auskragenden Holzdecken, von feinen, horizontalen Lärchenlatten und einem Vordachband raffiniert plastisch strukturiert.

Als vornehm Eternite-gefasstes Gestaltungselement mit Mehrwert durchzieht dieses Band s-förmig alle Ebenen. Erdig setzt es in der ausgedehnten Terrasse am Rasen im Osten an, schwebt weiter als gedeckter Längssaum die Wohnebene entlang, um sich dann zur lärchenverkleideten Nordscheibe hochzuknicken. Oben gleitet das Vordachband blickschützend verlattet den Südbalkon entlang, um nach einem Dreh ums Eck im himmelstürmenden Vordach zu enden, das in fünf Meter Höhe über den eingeschnittenen Eingang im Westen ragt.

Urbaner Auftritt

Ohne die Kleingartenkubatur zu sprengen, verschafft dieser umhüllende Rahmen dem Haus einen souverän urbanen Auftritt. Die etwa 17 Meter breite, fast quadratische Parzelle liegt zwischen zwei artverwandten Nachbarn am Gehweg im Osten, dem das Haus offen seine transparente Längsseite zuwendet. Das Spiel mit der Dimension beginnt schon am Geräteschuppen, der als verkleinertes Pendant mit Eternite-Band und keckem Vordach den Weg flankiert. Durch den Garten schreitet man über eine Metallrampe die Nordwand entlang dem fulminanten Entree entgegen.

Um drinnen und draußen keinen wertvollen Raum zu verschwenden, ist das gesellige Erdgeschoß an Terrasse und Garten dreiseitig glasumhaust. Die offene Küche mit integrierter Mini-Garderobe, Stauraum, Herd und Bar am Esstisch hat Rundumpanorama über Familie, Terrasse, Garten und Besucher, an der vordachschattigen Ostglasfront fließt sie ins Wohnen am Wandrücken der lichtdurchlässig eingesetzten Nussholzstufen.

Oben vom über Eck verglasten Podest blickt man aus luftiger Höhe am Vordach entlang über Nadelbäume zum Eingang hinab, ein Nur-Glas-Eck schenkt dem Elternschlafraum Licht und Panoramablick über ganz Wien, ein Lärchenwandteil im Osten gibt Kästen Halt und Betten Schutz, dazwischen sind horizontale Lüftungsfenster zu einem raumhohen Glasstreifen übereinandergereiht. Das Kinderzimmer im Süden hat am Lattenzaun seinen eigenen gedeckten Spezialbalkon.

Ein Oberlichtband unterm Metallsteg der Zugangsrampe erhellt das Bauherrnbüro am Nordende des Kellers, der sich an der nebenraumrhythmisierten Ostwand bis zur Wellnessoase im Erdreich erstreckt. Zwischen Pflanzen ruht hier die Badewanne am kalksteinverkleideten, Wärme abstrahlenden Lichtschacht mit Himmelsblick. Im Fluss von Haus und Terrasse bildet er den Auftakt oder Schlussstein an der südlichen Grundgrenze, wo er sich schon als indirekt von unten beleuchtete Gartenpartybar bewährte.

Der Standard, Sa., 2006.05.13



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Haus H.

06. Mai 2006Isabella Marboe
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Wohnlokomotive in Simmering

Neue Lebensgeister in einer Nachkriegs- siedlung weckt die GPA-Wohnanlage der schluderarchitektur. Bestückt mit bunt textilbeflaggten Balkonen, integriert die Anlage nicht nur die internationale Bewohnerschaft, sondern auch das Simmeringer Umfeld.

Neue Lebensgeister in einer Nachkriegs- siedlung weckt die GPA-Wohnanlage der schluderarchitektur. Bestückt mit bunt textilbeflaggten Balkonen, integriert die Anlage nicht nur die internationale Bewohnerschaft, sondern auch das Simmeringer Umfeld.

Im Norden das Simmeringer Bad, die Grabsteine Hagleitner künden vom nahe liegenden Zentralfriedhof, die benachbarte Zwischenkriegsanlage (Architekten Franz Kaym, Alfons Hetmanek) von stadtbauamtlichen Gartenstadt-Ambitionen. Am Block, der im Osten von der Weißenböckstraße begrenzt und einer Supermarkthalle nahversorgt wird, regieren der städtebauliche Raster und karge Charme der Nachkriegszeit: Ein hoher, langer Riegel bildet die Ostflanke zur Kreuzung, in seinem Windschatten lag vor kammartig stramm gebürsteten, vierstöckigen Hauszeilen eine alte Industriehalle.

Ihr Abriss machte einen mehr als 200 Meter langen, schmalen Streifen frei, der von Norden bis zur Stichstraße an Schule und Kindergarten im Süden den Block durchmaß und sich so ideal zur belebenden Neuintervention eignete. Bauträger GPA setzte auf Stadtrandverdichtung, das fruchtbare Soziotop von je 50 Prozent in- und ausländischen Bewohnern - und Architektur: Für den Neubau mit 8800 m² Bruttogeschoßfläche gab es ein Gutachten, das die Architektengemeinschaft Schluder/Kastner gewann.

Ihr Entwurf bringt alle Wohnungen unter, bereichert den Freiraum der bestehenden Siedlung und nimmt ihr keine Luft. Leichtfüßig schwebt ein 165 Meter langer, vierstöckiger Riegel über dem offenen, geländedurchflossenen Erdgeschoß. An seine Stiegen im Laubengang docken fünf sonnengelbe Punkthäuser mit je zwei dreiseitig belichteten, großen Wohnungen pro Geschoß an. Jede hat einen Balkon und Garten zu ebener Erde oder am Dach.

Hoher Wohlfühlfaktor

Menschen entwickeln Angst vor dem anderen, wenn er ihnen fremd bleibt und sie selbst sich nicht wohlfühlen: Also versucht diese Anlage in allen Wohnungen für höchste Zufriedenheit zu sorgen und bietet in selbstverständlicher Beiläufigkeit viele Möglichkeiten, miteinander in Kontakt zu treten. Im Nordwesten lugen die Balkone neugierig mit ihrer tiefen Längs- oder behäbigeren Breitseite aus der Riegellängsseite, Textilelemente in Gelb-Orange-Rot-Grün-Kombinationen verströmen hier eine neue, bunte Lebensenergie. Viele statteten ihr Balkonien individuell aus.

Die ost-west-belichteten Einheiten im fast sechs Meter breiten Riegel haben laubengangbegleitende Bäder und Küchen, die sich zu großen Räumen am Balkon öffnen, die Wohnungen in den Kopfteilen außerdem eine Veranda. Tragende Stahlbetonscheiben bilden die Trennwände, die Außenmauern sind aus Ziegeln. Isolierglas und Dämmung ermöglichen kostendämpfenden Niedrigenergiestandard.

Versetzt gleiten horizontale Fensterbänder durch die vornehm in graues Eternit gekleidete Fassade, die mit dynamisch gehobenem Kopfteil wie eine Wohnlokomotive der Simmeringer Hauptstraße entgegenpfeift. Darunter taucht die Tiefgaragenzufahrt ins luftig-lichte Erdgeschoß ein, schallsicher birgt der Rampenhügel einen Proberaum, von dem wie eine Arena publikumstaugliche Treppen zum Gemeinschaftsraum des ersten Punkthauses führen.

In die tragenden Sockelscheiben sind Löcher gestanzt, die zum Spielen und Durchblicken animieren, rund um die lose eingestreuten, profilitverglasten Elemente wie Fahrradbox, Kinderspielraum und Waschküche mäandert der vom Büro Hallamasch mit Treppen, Rampen, Podesten und Spielplätzen anregend gestaltete Freiraum, der mit dem Gelände ans Nachbargrün emporwächst und um die Punkthäuser zum Eigengarten wird.

Die südwestsonnengeflutete vielfältig nutzbare, kommunikative Passage für alle klettert weiter über den offenen Laubengang, wo Profilitglas mit kindgerechtem, zweitem Haltegriff vor den Eingangstüren subtil eine privatere Zone markieren. Mit eigenen oder mietbaren Gärten, gemeinsamem Grillplatz, Sauna und Dampfbad endet sie am Dach mit Weitblick über Wien.

Der Standard, Sa., 2006.05.06



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Gemeinsam in Simmering

30. April 2006Isabella Marboe
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Eine Bühne für die Jahreszeiten

Eine Hügelkuppe in Gschwandt krönte Architektin Christa Buchinger mit einem eleganten Haus, das mit seiner lang gestreckten Südterrasse vor der Küche, dem Südbalkon und der schrägverglasten Sauna im Keller viele Möglichkeiten bietet, den Ausblick auf Badesee und Traunstein-Kulisse zu genießen.

Eine Hügelkuppe in Gschwandt krönte Architektin Christa Buchinger mit einem eleganten Haus, das mit seiner lang gestreckten Südterrasse vor der Küche, dem Südbalkon und der schrägverglasten Sauna im Keller viele Möglichkeiten bietet, den Ausblick auf Badesee und Traunstein-Kulisse zu genießen.

Einmal im Leben wollte sich der Bauherr sein eigenes Haus bauen, erste Überlegungen dazu stellte er mit Architektin Christa Buchinger vor zwölf Jahren an. Im Wohnort Gmunden war Baugrund zu teuer, seine Lebensumstände änderten sich, Erfahrung und Selbsterkenntnis präzisierten das Wissen um seine Wohnbedürfnisse: fließende Räume, die traute Menschen und Landschaft offen aufnahmen, ihm und seinen Töchtern viel Platz, Luft, Licht, Natur, Garage, Büro und Fitness boten.

Die Eltern hatten über ihrem Bauernhof ein Stück Land. Es liegt auf einer Hügelkuppe zwischen Feldern, Obstbäumen, Wäldern und mächtig walmbedachten Gehöften am Ortsrand von Gschwandt. Als der obere Grundstreifen die Baubewilligung bekam, legte Christa Buchinger los: Elegant gleitet das flachgedeckte Haus die Hügelkuppe entlang. Vom schräg belichteten Keller bis zur terrassenreichen Südfront am Schwimmbiotop wird es auf jeder Ebene zur Bühne für Leben und Landschaft.

Energiesparhaus

Geschlossene Nord-Ost-und Westseite, 20 cm Wärmedämmung, großflächige Isolierverglasung im Süden und Erdwärmenutzung bieten weitläufiges Wohngefühl im Niedrigenergiestandard.

Das Eternit-Platten verkleidete, fenstergeschlitzte Bauherrenbad und das Büro im Norden stoßen auf den gläsernen Haupteingang, durch den ahnungsvoll die Landschaft winkt. Darüber landete ein anthrazitgrauer Eternit-Quader am Flachdach. Hier ist das luftige Reich der Töchter: Boden und Möbel aus weiß gebeizter Lärche, ein Bad mit Aussicht, zwei Zimmer mit Südbalkon, ein Raum an Morgensonne und herabgleitender Stiege.

Am Durchgang zwischen Garage und Haus lockt eine Betonscheibe mit Blickschlitz zum Weiterschreiten auf die Südterrasse am Schwimmbiotop, vor dem sich vom schroffen Traunstein-Profil bis zum Höllengebirge ein imposanter Gebirgszug entfaltet.

Im Norden umrahmen Glasbänder mit Lüftungsfenstern und ablagetauglichen Brüstungen die sanften Hügel des Alpenvorlandes. Eine Mattglasscheibe über der Nussholzregalwand lässt Südlicht ins Büro einfallen und den Wohnraum erahnen. Lichtdurchlässig zwischen zarte Metallwangen gesetzte Lärchenstufen führen nach oben, an ihrem semitransparenten Regalwandrücken gleitet man ins Wohnen. Beidseitig Über-Eck verglast, zelebriert der lange, wandscheibengegliederte Einraum an der Terrasse unterm auskragenden Flachdach das Naturerleben im Wandel der Jahreszeiten.

Die Eckbank am hellen Regal mit Fensterkreis in der Küche variiert ein urländliches Thema, die Herdzeile mündet in der windgeschützten, gedeckten Sitznische im Freien, von der eine Glastür zum Esstisch hineinführt. Einander, Teich, Berge und Regionalbahn im Blick, sitzt man drinnen und draußen.

Hinter Glas lodert das Feuer in der Kaminwand zwischen Essen und Wohnen, die Schiebetür ins Schlafzimmer ist meist offen, die Rückwand des Bettes der Beginn des Schrankraums, dahinter das Bad mit Hausruck-Blick. Barfußfreundlich beheizt, unterstreicht der durchgehende Schieferboden die Weite des 2,70 m hohen Raums.

Im Westen fällt die Wiese zum Nachbarn ab, hier spendet ein Kirschbaumhain Blickschutz und Schatten. Dahinter weitet sich die verglaste Kellerschmalseite zur Terrasse, das Saunaglas treppt sich mit dem Gelände im Süden hoch. Der Lebenstraum wurde gut.

Der Standard, So., 2006.04.30



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Haus in Gschwandt

22. April 2006Isabella Marboe
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Lärchen pflastern seinen Weg

Die alte Turbine und der Parkplatz des elterlichen Sägewerks brauchten eine Überdachung, der Bauherr endlich eine eigene Wohnung. Viel Holz und Eigenleistung steuerte er dem Zubau bei, den ihm Gerhard Blasisker plante.

Die alte Turbine und der Parkplatz des elterlichen Sägewerks brauchten eine Überdachung, der Bauherr endlich eine eigene Wohnung. Viel Holz und Eigenleistung steuerte er dem Zubau bei, den ihm Gerhard Blasisker plante.

Absam ist ein typischer kleiner Tiroler Ort in der Nähe von Hall: mächtige neue Häuser mit mächtigen Satteldächern vor mächtigen Bergen, dazwischen ein paar uralte schindelgedeckte Höfe und grasende Kühe. Ob im Wald, an Zäunen, Scheiten, Balkonen, Türen, Fensterläden, Stadeln, Schindeln: Holz prägt Landschaft und Dorf.

Der Bauherr und seine Eltern leben davon: Sie besitzen ein Sägewerk. Es liegt an einem asphaltieren Platz zum Liefern und Laden zwischen der Rudolfsstraße im Süden und dem ansteigenden Waldhang im Norden, aus dem der Bach herabstürzt, der die Existenz des Betriebs begründete und die Strom generierende Turbine am Nordosteck des Parkplatzes speist. Das weiß verputzte Lager hinterm alten Sägewerk an der Straße wurde mit der Zeit um zwei Holzgeschoße zum tirolerbalkonflankierten Wohnhaus aufgestockt, in dem der Bauherr bei den Eltern lebte. Das war ihm zu nah und rarer Baugrund zu teuer. Als die alte Turbine überdacht werden musste, wollte er sich damit auch seine eigene Wohnung schaffen.

Architekt Gerhard Blasisker plante ihm einen Zubau, der wie ein Bügel am zweiten Altbaugeschoß andockt und mit einer Betonstiege im Westen aufsetzt. Raumplastisch differenziert, schwebt diese belebenswerte Wohnbrücke mit schmalem Dachterrassenaufsatz nun witterungsschützend über den Parkplatz. Ihre Plattform führt zu Turbinenturm und Wohnung, wo sie sich im Westen zum gedeckten Balkon mit Blick übers Zuliefergeschehen weitet.

Die Umhausung der Maschine wird zur Behausung des Menschen. Großteils aus Lärchenholz, fügt sie sich stimmig an den Altbau und ins Sägewerksambiente. Die verfügbaren 9,5 Meter überm Parkplatz zwischen Haus und Turbine waren so knapp bemessen wie das Budget, was der Bauherr mit sehr viel Holz, Eigenleistung und dem Lebensprinzip „schlicht-klar-funktionell“ mehr als wettmachte.

Puristische Präzision

Der Zubau ist ein Meisterwerk raumgestalterischer Präzision, nichts reiner Selbstzweck, alles hat Sinn. Auf zwei parkplatzbegrenzenden Wandscheiben ruht die Betonplattform mit dem Miniholzhaus, jeder Baum ist vom Bauherrn selbst ausgesucht, geschnitten und verlegt.

Man betritt die puristische Box am Stiegenpodest, wo sich der Abstand zwischen den Lärchenlatten verbreitert, sodass man zum Nachbarn spähen kann und Ostlicht ins überseckverglaste Innere schimmert. Ein Niveausprung von 50 cm im Betonboden teilt den Raum in höhere Ost- und niedere Westhälfte.

Ihr Ostende mit dem weißen, gemauerten Kaminwürfel am kältesten Punkt bildet eine blickschützende Garderobe, Herzstück des Raums ist die u-förmige, multifunktionale Holzmöbelskulptur an der sitzbankbrüstungsflankierten Nurglasfront. Ihre stauraumbergende, hölzerne Längsflanke um drei zarte Stahlstützen gibt dem Wohnen an der offenen Fenstermitte eine gewisse Intimität, die von drei atmosphärischen Oberlichtkreisen betonte Westflanke bietet per Stereoanlage die entsprechende Beschallung, ihre Küchenzeilenrückseite mit Herd liefert die kulinarische Begleitung. Unmerklich ist der Stauraum hinter weißen MDF-Platten ins westliche Wandfeld vor der Balkontür beim Altbauanschluss integriert.

Idyll an der Turbine

In der Osthälfte sind zwei Zimmerboxen mit Nordlicht, raumschonend schmiegt sich der an Boden und Wand moosgrün verflieste, natürlich belichtet und belüftete Sanitärbereich um die kleine Treppe aufs Dach. Schmale Holzstufen, unter denen sich noch etwas unterbringen lässt, führen zwischen moosgrünen Wänden in die von einer runden Oberlichtkuppel erhellte Schlafbox: An der Turbine, hoch überm Sägewerk tut sich an der lärchengelatteten Flachdachterrasse ein lauschig-verstecktes Gartenidyll vor Bach und Bergwelt auf.

Der Standard, Sa., 2006.04.22



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house heiner

15. April 2006Isabella Marboe
Der Standard

Das Haus hockt auf dem Haus

Rüdiger Lainer reanimierte ein abgewohntes Stadthaus aus dem Biedermeier in der Favoritenstraße mit klar abgesetzter, dreistöckiger aluminiumschillernder Dachzone, offenen Wohnungen am grün umrankten Laubengang und einer großzügigen Halle für Einkaufe und Fitness im Innenhof. Mit Tageslicht und Musikbeschallung steigert die Tiefgarage die Besucherfrequenz.

Rüdiger Lainer reanimierte ein abgewohntes Stadthaus aus dem Biedermeier in der Favoritenstraße mit klar abgesetzter, dreistöckiger aluminiumschillernder Dachzone, offenen Wohnungen am grün umrankten Laubengang und einer großzügigen Halle für Einkaufe und Fitness im Innenhof. Mit Tageslicht und Musikbeschallung steigert die Tiefgarage die Besucherfrequenz.

Schleichendes Geschäftssterben, flaue Publikumsfrequenz und Autoabgase tauchen die Favoritenstraße in graugetönte Lethargie, im Sog des Südbahnhofs droht das feine Botschaftsviertelflair um Belvedere und diplomatische Akademie zu ersticken. Zeitversunkene Stille bieten Café Goldeck und Elisabethkirche am lauschigen Platz, beste Verkehrsanbindung U1, Bus und Bim.

Das städtische Zinshaus am Eck zur Karolinengasse mit Läden im Sockel und drei Wohngeschoßen wurde 1844 erbaut. Zwei zwölf Meter tiefe Trakte säumen die Straßen und fassen mit der sechs Meter schmalen Südflanke einen großen Hof ein, der im Osten ins grüne Hinterland des Nachbarn übergeht. Beides gehört der Sigma Pro-Projektentwicklungs GmbH., die mit Sanierung und Ausbau der abgewohnten Substanz durch Architekt Rüdiger Lainer exemplarisch Haus und Hof aufwerten und mit neuer Betriebsstruktur, Wohnungen und Garage frequenzsteigernd beleben wollte.

1944 hatte eine Granate ein Loch ins Dach gerissen, die provisorische Nachkriegsdeckung war morsch, die Mauern durchnässt. Im Südtrakt mussten alle Geschoßdecken erneuert werden, das Dach kam weg und wurde mit 22 Wohnungen aufgestockt. Die Tragstruktur des Bestands bilden straßen- und hofseitig regelmäßig von Fensterachsen durchbrochene 90 cm dicke Außenmauern, die sich oben bis 45 cm verjüngen.

Westlich der mittigen Kaminwand liegen große Wohn-, im Osten die Nebenräume und eine gewendelte Stiege am hofseitigen Erschließungsflur, der in die Seitenflügel mündet. Ein gelber Lift, orange Wände und die weiße, abgehängte Decke mit allen Leitungen zur Aufrüstung bringen Infrastruktur und Frische in den Bestand, sanierte Einheiten haben orange Türboxen.

Als „Haus am Haus“ folgt die Aufstockung mit gewichtsreduzierend fensterdurchbrochenen, 20-cm-Stahlbetonmauern und mittiger Installationswand der Logik des Altbaus. Seine Nebenstiege im Süden führt eine leichte Wendeltreppe fort, die den neuen Laubengang im Hof erschließt. Er wird zum grünumrankten Freiraumgerüst vor ost-westbelichteten, neuen Wohnungen. 2,5 Meter lange, leicht ansteigende Stege bilden terrassenartige, private Eingangsvorbereiche und lassen viel Licht herein.

Die Fenster zum Hof haben eine schützende Brüstung, zur Straße sind sie raumhoch, Wohn- und Schlafbereiche an den Sanitärkernen teils ost-und westseitig orientiert. Parkettfurnier, vertikale und horizontale Mattglasbänder zu den Bädern und 2,68 m Höhe lassen sie groß wirken.

Feinabgestufte, auskragende Gesimskanten markieren den Beginn des Dachaufbaus und bilden einen akzentuiert leichten Eckaufsatz aus. Perspektivisch und lastverteilend lösen sie seine Masse auf.

Raumhohe Fenster und je eine Rundsäule vor terrakottafarbigen Wandscheiben, die von einer aluminiumgegossenen Girlandenstruktur überzogen sind und als feinschillernde Stadthauskrone wirken: Sie nehmen den Rhythmus der Biedermeierfassade auf und bilden einen plastischen Kontrast zu deren flächiger Putzstruktur.

Blick zum Blasenbaum

Ganz oben nähert sich der Zubau hinter Rasenband und Schrägverglasung mit einer Terrasse dem niederen Ostnachbarn. Im verglasten Entree stellt sich zeitübergreifender Stadtbezug ein: Den hellen Gang zur orangen Stiege mit alter Madonna ziert ein reproduziertes historisches Foto mit Menschenschlangen vor Damenschneider und Fischhändler. Klassische Musik tönt hier und in der Garage, wo unterm freigelegten Kellergewölbe mit Sicht ins Freie geparkt wird. Fisch lockt heute keine Massen mehr an, ins Erdgeschoß der neuen Halle im Hof zog eine Hofer-Filiale. Im Großraum darüber trainiert man die Rückenmuskeln im Kieser-Studio mit Blick zum Blasenbaum.

Der Standard, Sa., 2006.04.15



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Zu- und Umbau Wohn- und Geschäftshaus

08. April 2006Isabella Marboe
Der Standard

Wie ein Auto soll es sein

Das nomadhome ist eine aerodynamisch geformte, modulare Homebase für die Nomaden des Hightech-Zeitalters. Es passt sich allen Bedürfnissen an und geht sogar auf Reisen.

Das nomadhome ist eine aerodynamisch geformte, modulare Homebase für die Nomaden des Hightech-Zeitalters. Es passt sich allen Bedürfnissen an und geht sogar auf Reisen.

Das Leben freiberuflicher Dauerläufer ist ständig im Wandel: Mit dem Job ändern sich Wohnort, Finanzlage und Privatleben. Irgendwann aber packt auch Stadtnomaden die Sehnsucht nach dem Eigenheim mit Gartengrün. Meist erstickt die Aussicht, sich für Jahre an Rückzahlungsraten und einen Ort zu binden, den Wunsch im Keim.

Innenarchitekt Gerold Peham gab nicht so schnell auf: Er überlegte, welches Haus ihm temporär Geborgenheit bieten könnte, ohne seine frei schweifenden Lebenskreise zu stören. Preiswert, schick, je nach Raumbedarf erweiter-und leicht transportierbar, sollte es sich wie ein Zelt dort aufschlagen lassen, wo es ihn hinziehe. Die Idee war zu gut für ihn allein, sein Jungunternehmerinstinkt regte sich: Wie ein Auto wollte er sein nomadhome aus vorgefertigten Teilen mit individuell wählbarer Oberfläche und Ausstattung produzieren.

Damals arbeitete er im Büro der Architekten hobby a.; Walter Schuster und Wolfgang Maul waren die Experten für die Umsetzung konstruktiv-baulicher Details, sie hatten schon für Eva und Fritz auf einem Pachtgrund ein cooles, leicht auf- und abbaubares Hausobjekt entworfen (DER STANDARD, 9./10. 10. 2004).

Gemeinsam entwickelten sie ein Modulsystem: 2,5 m hohe, 4,65 m tiefe, gebogene Stahlprofile bilden die raumgebende Tragstruktur, zwei davon die 2,5 m breite Grundeinheit. 2800 kg schwer, passt sie auf jeden Lkw. Nahtlos gleitet der C-Querschnitt vom Boden in die Rückwand und weiter in die Decke; die offene Mitte und Seitenteile lassen sich ausblickweitend mit Glas oder kompakt durch ein zweites Modul zur Gesamttiefe von 9,3 m schließen.

Mit einer schwungvollen Entree-Schleife aufgeputzt, leisten zwei davon im Jubiläumsjahr als „Mozart-Info-Lounge“ in Salzburg Ticket-und-Pressezentrum-Dienste, zum Wohnen braucht es mindestens vier Module. Mit 23 cm Wärmedämmung, Hinterlüftung, Isolierschicht, Elektro- und Installationsrohren infrastrukturell ausgepolstert und ausgetüftelten Anschlüssen versehen, lassen sie sich leicht zusammenstecken, mit Windfang-, Terrassen-oder anderen Modulen ergänzen und fast überall aufbauen. Einzig ebenen Grund, Kanal-und Stromanschluss braucht der Haus-Nomade zum Verankern. Parkplätze, Garagen, Flachdächer eignen sich wunderbar, Trägerroste und Holzpfähle tun's auch. Freigeister mit Autarkie-Drang versorgen ihr nomadhome per Autark-Box-Modul mit Solarenergie, Wasser und Fäkalientank.

Für den eigenen Prototypen in Seekirchen bei Salzburg leistete sich der Bauherr eine um drei Module erweiterte Minimalvariante, die L-förmig eine 33-m2-Terrasse aus so schönen wie preiswerten Lärchenholz-Fassadenelementen umfasst. Er wirkt mit seinen 2,50 m Höhe zwischen pastellfarbenen Satteldachhäusern wie ein exquisiter Zaungast von einem anderen Stern.

Keck ragt der Windfang aus orangen Kunststoffwabenscheiben, einem Nebenprodukt der Skiindustrie, aus der silbernen Alucobond-Fassade, die sich wie ein Neoprenanzug um die C-profilierte Hauskarosserie legt. Aerodynamisch schmiegt sich der Boden zur glasgeschlitzten Rückwand und Decke, fließend öffnet sich der Raum auf drei Nurglas-Seiten zur Terrasse. Das Interieur designte Peham selbst: Schränke auf Rädern, Schiebeelemente, die auf-/wegklappbare Küchenbox u. Ä. machen aus spaci- gen Möbeln multifunktionale Raumteiler und lassen so auf 77 m² mehr als genug Luft.

Der Standard, Sa., 2006.04.08



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nomadhome®

01. April 2006Isabella Marboe
Der Standard

Alt und neu im Lärchenholzkleid

Zubau für Generationen: Der Altbau birgt Schlafräume und die Garçonnière der Mutter, gewohnt wird im neuen Haus mit Pool, Einraum an der Terrasse mit Weitblick und Studio auf dem Dach.

Zubau für Generationen: Der Altbau birgt Schlafräume und die Garçonnière der Mutter, gewohnt wird im neuen Haus mit Pool, Einraum an der Terrasse mit Weitblick und Studio auf dem Dach.

Sein Alltag als Mediziner fordert dem Bauherrn äußerste Konzentration und Einsatz ab, auch seine Frau ist im Krankendienst tätig, Entspannung finden beide in der Natur. Sie hatten eine Altbauwohnung in Graz und ein Wochenendhäuschen in der Südsteiermark gemietet, auf Dauer wurde das Pendeln finanziell und zeitlich zu aufwändig.

Da entdeckten sie einen 1700 m² Grund in einem Vorort von Graz, der Stadtnähe und Landgefühl in sich vereint: Frische Almluft umweht den steilen Hang mit den vielen Wanderwegen, wo der Schnee länger liegen bleibt. Im Nordosten führt eine Straße bergwärts, hinter einer Kehre versteckt zweigt die Zufahrt ab. Die westliche Grundgrenze säumt ein Wäldchen, davor treppt sich ein Gebirgsgarten hangabwärts.

Doch der ideale Ort hatte einen Haken: Ein Punkthaus aus den 60ern stand drauf. 8,52 m breit, 10,47 m lang: kleine Zimmer mit je einem Fenster, Betonbalkon vorm Wohnraum im Südosten, darunter ein Keller mit Garagenzufahrt, darüber ein flaches Satteldach. Das Haus entsprach weder heutiger Bautechnologie, noch Geschmack und Bedarf der Bauherrn.

Zum Wohnen war es ihnen zu finster und zu klein, zum Abreißen trotzdem zu schade. Sie machten sich architektenkundig, pragmatisch klare Holzhäuser gefielen ihnen und führten sie ins Büro von Reinhard Schafler. Das Paar liebt die Weite der Wüste und natürliche Materialien: Als blickgeschütztes Refugium im Hang sollte ihr Haus mit dem Altbau und der Natur verwachsen.

Traumlage mit Haken

Sie wollten einen großen, verdunkelbaren Wohnraum am Garten, wo sie mit Freunden essen und ihre Dias so lichtecht genießen können wie den Weitblick über den Hang, der sich vom Grazer Schlossberg bis zu den steirischen Voralpen erstreckt. Auch brauchte er ein Arbeitsstudio, sie wünschte sich für ihre Mutter eine Kleinwohnung im Hausverband, wo diese autonom leben konnte, wenn sie zu Besuch oder später für immer zu ihnen käme.

Der Altbau wurde von Satteldach, der dunklen Stiege im Nordwesteck und Zwischenwänden befreit, wärmegedämmt und mit einer Fassade aus horizontalen Lärchenholzlatten neu eingekleidet, die nahtlos als gemeinsames Gestaltungselement in den Neubau übergeht. Wie aus einem Holz geschnitzt, reihen sich der sanierte Altbau zum Schlafen und das neue Haus zum Wohnen aneinander.

Im Erdgeschoß an der Nordrückwand ist die offene, zweizeilige Küche, über deren Bar man auf den Tisch für zehn Personen blickt, zwei Stufen darunter liegt der Wohnbereich an der über den Hang auskragenden Terrasse. Der Niveausprung schafft dem Diaprojektor die Idealhöhe zur Projektion an die Mittelwand zwischen zwei verglasten Raumecken und dem offenen Einraum eine klare Zäsur zwischen Essen und Wohnen. Dem Studio darüber mit dem ausladenden Vordach auf zwei zarten Säulen schenkt die Wohnraumdecke eine Terrasse mit Höhenpanorama.

Abschluss der funktionell klar gegliederten Holz-BauKörperformation bildet der Pool, der sich im Nordwesten in den Hang schmiegt. Eine Stiege führt vom Wasser auf ein Terrassenplateau an der Glastür beim Esspodest, das auf einer Ebene in den hangwärts offenen Gang mit der Treppe gleitet. Sie verbindet und erschließt beide Hausteile und machte im Altbau unten einem großzügigen Entree und oben zwei geräumigen Bädern Platz. An der durchgehenden Terrasse im Südosten liegen das bauherrliche Schlafzimmer und die Garçonnière: ein großzügiger Wohnraum mit Miniküche und Schiebetür zur Bettstatt.

Der Standard, Sa., 2006.04.01



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Haus S. Graz, Zu- und Umbau

25. März 2006Isabella Marboe
Der Standard

Das Haus mit dem Speicherkern

Für das Verwaltungsgebäude der Bundestheater in Haringsee ent- wickelte Gerhard Steixner sein „Solar“-Konzept weiter: Sport- lich-leicht schwebt ein verglaster Raum vor seinem Betonkern- Rückgrat und bietet Büros und Events den idealen Rahmen.

Für das Verwaltungsgebäude der Bundestheater in Haringsee ent- wickelte Gerhard Steixner sein „Solar“-Konzept weiter: Sport- lich-leicht schwebt ein verglaster Raum vor seinem Betonkern- Rückgrat und bietet Büros und Events den idealen Rahmen.

Als das Arsenal zu teuer wurde, verfrachteten die Bundestheater ihr Depot nach Haringsee. Etwa 40 km östlich von Wien fiebern die Kulissen dort nun in 30.000-m²-Hallen dem Bühneneinsatz entgegen. Ohne Aufsicht wollte man sie nicht lassen, der rege Kunst-Trans-LKW-Verkehr zwischen Wien und Haringsee bedurfte eines Verwaltungsbüros, das selbstredend das bauherrliche Kulturverständnis vermitteln sollte.

Das Angebot des Totalunternehmers enttäuschte, Architekt Gerhard Steixner überzeugte mit einer wesentlich eleganteren Alternative. 1989 hatte er mit Georg Driendl den „Solar I“-Prototypen realisiert. Dessen innovatives Konzept besteht aus der Kombination eines massiven Speichermassekerns mit vorgefertigten Leichtbauteilen, was rasch liefer- und baubare, preiswerte Haus-Unikate ermöglicht. Individuell geplant, handwerklich vorgefertigt, energieeffizient - nach dem Solar-Prinzip hatte Steixner einige Einfamilienhäuser entworfen. In deren privatem Nutzungsspektrum war das Edelpotenzial des Energie sparenden Kontrastprogramms aus massivem Kern und Leichtbau nicht ausgereizt. Gerhard Steixner witterte Morgenluft. Denn Bauherr „art for art“ war im Raumprogramm sehr offen, bei Architekturanspruch und Kosten umso bestimmter. Am Zufahrtskopf des Areals sollte die Verwaltungsleitstelle der Hochkultur auch Baukultur ausstrahlen, als Acht-Personen-Büro und stilvoller Rahmen für Events nutzbar sein.

Funktionale Anmut

In nur zwei Monaten Bauzeit entstand auf Bundestheaterboden ein „Solar“-Typ in unverfälscht nutzungsneutraler Reinform: ein bestechend funktionaler, kleiner, feiner Bau von tänzerischer Anmut.

Seine Form resultiert aus dem Inhalt, die besondere Ästhetik aus konsequent konstruktiv optimierten, kostenreduzierend klaren Details. Als haltgebendes Rückgrat und Träger aller Basisfunktionen wirkt die schwarz gefärbte Betonwand im Norden, der glasumhauste Wintergarten davor birgt stringent schlüssig Erschließung, Haustechnik, Sanitärkern und Küche.

An einer blickweitenden Scheibe gleitet die Fertigteilstiege hoch, wie durch ein Prisma gebündelt fällt durchs obere Schrägglas die Südsonne auf die Wand, deren energieabsorbierendes Schwarz die Effizienz der Betonkernaktivierung steigert. Davor schwebt auf einer Massivholzdecke ein transparenter Einraum, der fast alles kann: zwischen leichten Holzstützen Raumhoch fix verglast, vier Meter auskragend, sportlich an Zugstreben abgehängt. Fließend rund biegt sich das Glas am Konvektorband ums weiche Eck, witzig konterkariert von einem rudimentären Lüftungssystem: Acht schmale Türen unterbrechen den Glasfluss, bei Hitze öffnet man sie einfach.

Der ruhige, offene Raum mit der leuchtröhrenbestückten Birkensperrholzdecke und dem tragenden Massivholzboden bietet Kulturevents einen bezugsreichen Panoramarahmen. Sein rundumlaufender, absturzsichernder Handlauf ist sogar balletttauglich, leitungsführende Bodenkanäle ermöglichen Büronutzung, Zwischenwände die bedarfsweise Unterteilung zur Zelle.

Klimapufferzone

In beiläufiger Selbstverständlichkeit schafft die aluminiumverkleidete, indirekt beleuchtete Deckenuntersicht auf zwei Stützen dem Entree einen gedeckten Vorplatz. Rechts ein kleines Büro, links führt eine Fertigteiltreppe über die schwarze Speicherwand auf die Plattform in der Klimapufferzone, wo Sanitärboxen und Kochnische an den Raum andocken, der so souverän vor den Hallen aufsetzt und über ihren Inhalt wacht.

Zum blick- und lichtreichen Wohnen eignet sich der mit Keller, Balkon, Trennwänden u. Ä. ergänzbare Typ natürlich auch: Ein Bauträger kaufte das Konzept, das erste Musterhaus ist im Werden.

Der Standard, Sa., 2006.03.25



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art for art house

18. März 2006Isabella Marboe
Der Standard

Im rechten Augenblick

In der Auslage ihrer von LOOPING architecture entworfenen Parterre- Praxis arbeitet die Kinderaugenärztin und setzt so ein lebendiges Signal in die Umgebung.

In der Auslage ihrer von LOOPING architecture entworfenen Parterre- Praxis arbeitet die Kinderaugenärztin und setzt so ein lebendiges Signal in die Umgebung.

Beschwerden, Unsicherheit, leise Angst und Überwindung begleiten oft den Weg zum Arzt, der Beigeschmack notwendigen Übels haftet vielen Ordinationen an. Sprechstundenhilfen an karteikartenbestückten Tresen, musternde Blicke, gedämpfte Stimmen, weiße Arztkittel und schwere Türen erzeugen eine Atmosphäre, die Kinder mehr verstört als Erwachsene.

Ihre Praxis sollte ein entspannter Ort ohne Schwellenängste sein, Termine unbürokratisch direkt vereinbar, beschloss eine auf Kinder spezialisierte Augenärztin. Also suchte sie ein leeres Geschäftslokal im Erdgeschoß. Gleichsam in der Auslage für jeden sichtbar, wollte sie hier mit einer offenen, barrierefreien Ordination an Umgebung und Patienten ein einladendes Signal senden. In einem zweistöckigen Biedermeierhaus in der Albertgasse entdeckte sie einen verwaisten Laden, der einige Branchenwechsel hinter sich hatte. Die Besitzer freuten sich über mehr Kinder und Leben im Haus, sie mietete sich ein, ließ sich von der Zeichnerin Reinhilde Becker ein fröhliches Logo entwerfen - und hatten damit ihre Architekten gefunden: Reinhildes Schwester Eva Becker und Christa Stürzlinger von LOOPING architecture.

Das Architektenteam hatte bereits ein mobiles Bar-Tool und einige Umbauten realisiert, die mit klugem Interieur auf wenig Platz viel Raum schaffen. Das war auch hier gefragt, denn das Budget war klein und das Anforderungsprofil an den winzigen Laden in der Josefstadt umfassend: zwei ca. 3,5 Meter breite, kaum fünf Meter tiefe Räume an der Straße an hohen Schaufenstern und Teeküche.

Die Ärztin arbeitet mit einer Orthoptistin zusammen, beide brauchen ihren eigenen Platz und Therapiebereiche, im Behandlungsraum sollte es eine Besprechungszone, die Sehtest-Messdistanz von fünf Meter, Wickeltisch und Mini-Archiv geben, der Warteraum viel Bewegungsspielraum und die Garderobe auch Kinderwägen Platz bieten.

An der denkmalgeschützten Fassade regiert die feine Klinge: das helle Grau von Wandsockel und Holzrahmen nimmt den Farbton von Kopfsteinpflaster und Häusern auf, die Tür bekam einen Lüftungsflügel, die Fenster Isolierglas, im Jalousienkasten ist die Beleuchtung integriert.

Innen spielt der augenschonend hellgrüne Kautschukboden eine raumgestaltend tragende Rolle: Eben befahrbar, breitet er sich am Eingang zur kinderwagentauglichen Garderobe aus, um sich an der behindertenfreundlichen Rampe zum reduzierten L-Bankprofil zu knicken, das als räumlich-funktionale Demarkationslinie den Beginn der Wartezone definiert.

Frech-rotes Leder

An der Seitenwand setzt hier im komplementärfarbenen Rot eine Lederlehne zum Rückhalt bietenden Eckschwung auf die Bank mit den frech-roten Ledersitzen gegenüber an. Klar fassen die korrespondierenden Reihen eine freie Bodenmitte ein. Vier Lederwürfel an der Wand lassen sich beliebig besetzen und im Raum verteilen, der Boden mit roten Markierungen wird zum Instrumentarium der Orthoptistin. Sie nutzt ihn als zwanglosen Therapiebereich für spielerische Übungen vordiagnostisch mit und stimmt so die Patienten auf die ärztlichen Untersuchungen ein.

Tisch mit Glasauge

Eine Schiebetür bildet den fließenden Übergang in den Behandlungsraum, wo einen der Besprechungstisch an einer archivbergenden Wandnische empfängt: ein rundes Biedermeiermöbel mit eingefasster Glasplatte, die an ein Auge erinnert und Bezug zum Altbau aufnimmt.

Wickeltisch und Geräte rollen auf Rädern, am Fenster liegen die zwei Arbeitsplätze mit Blick auf die Straße. Passanten winken herein, durch einen Mauerdurchbruch hat die Ärztin den Warteraum im Visier, bedarfsweise bieten Jalousien Schutz. So leicht sind klare, lebendige Zeichen zu setzen.

Der Standard, Sa., 2006.03.18



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Operation Augenblick

11. März 2006Isabella Marboe
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Im spitzen Winkel über Ottakring

Wie das Aussichtsdeck eines Schiffes ragt der Südbalkon dieses Kleingartenhauses über die Wiener Vorstadt. Auf 50 m Grundfläche findet hier eine vierköpfige Familie genug Raum für Leben und Arbeiten.

Wie das Aussichtsdeck eines Schiffes ragt der Südbalkon dieses Kleingartenhauses über die Wiener Vorstadt. Auf 50 m Grundfläche findet hier eine vierköpfige Familie genug Raum für Leben und Arbeiten.

Der Bewegungsdrang der zwei Kinder stieg, die bauherrliche Sammlung kultiger Designstücke wuchs, die Ottakringer Zweizimmerwohnung hatte ihre Kapazitätsgrenze drangvoll erreicht. Die Bauherren wollten ganzjährig im Kleingarten wohnen, vorsorglich durchforsteten sie das Internet nach einschlägig versierten Architekten und ihre Umgebung nach dem perfekten Grundstück.

Dezidierte Lieblingsroute für die Suche beim Sonntagsspaziergang war der Sprengersteig. Als das winzige Gartenhaus, das an der Spitzkehre zum Paulinensteig die Steilhang-Poleposition hielt, verkauft wurde, zögerten sie keine Sekunde.

Die exponierte Lage barg die Gefahr, der Neugier aller Ausflügler ausgesetzt zu sein, versprach dafür aber wunderbare Fernsicht. Die wollten die Bauherren genießen, und die Architekten ihres Vertrauens waren auch schon ausrecherchiert. Sie wandten sich an thalerthaler, lagen auf einer Wellenlänge und taten damit den zweiten Glücksgriff.

Denn ihr Anforderungsprofil an die bauordentlich zugebilligten 50 m² Fläche war anspruchsvoll: Sie brauchten genug Platz für Kinder, Freunde, Partys, Sammlerstücke sowie ihre eigenen Rückzugszonen. Er wünschte sich ein Bad mit Erker und Wienblick, sie einen eigenen Arbeitsplatz. Vom mannshoch mit Thujenhecken umgebenen, spitz zulaufenden 320 m² Garten sollte den Kindern möglichst viel zum Spielen bleiben, darüber wollte man auf einer Südterrasse dem Wienpanorama frönen.

Die Hausminiatur

Passgenau auf den Grund zugeschnitten meißelten die Architekten einen aussichtsturmartigen Baukörper aus dem zulässigen 250-Kubikmeter-Volumen. Der Weg zum Haus duckt sich ans breite, obere Kleingartendrittel, wie ein silberschuppiger Baumstamm entwächst der trapezförmige Sockel dem Gelände, um sich ganz oben mit einer kecken Drehung südwestwärts zu recken.

Gleichsam als Schiffsbrücke schwebt nun der auskragende Balkon überm Mauerbug am Sprengersteig. Blickgeschützt hinter einem roten Brüstungsnetz, vom Vordach beschattet und witterungsfest, bietet er eine fulminante Sicht über Kirchtürme, Steffl und Häusermeer bin zur riesenradverbrämten Stadtsilhouette. Zwei Schiebetüren am schallschluckenden Kasten teilen die Schlafräume am Ostbalkon, ermöglichen elterliche Aufsicht ebenso wie Autarkie im Kinderzimmer. Seine oberlichtverglaste Schrägspitze erreicht die fein geschliffene Hausminiatur im Südwesteck, wo man aus der diagonal gestellten Wanne in Nachbars Silbertannen blickt.

Büro mit Waldblick

Nahtlos fließt das Bad in die Ankleide. Der beidseitig nord-süd-besonnte Raum zwischen Toiletten- und Schlafbereich ist weit mehr als ein Flur: Treppe und Kinder im Rücken, sitzt die Baufrau vor Nurglas über Ottakringer Wipfeln an ihrem Arbeitsplatz.

Mit schiefergrauen, geschraubten Eternitplatten vornehm geschlossen eingekleidet, zeigt das Haus dem Sprengersteig seine monolithische Nordseite. Tragende Holz-Element-Bauteile bilden die Konstruktion: geringere Kosten, dünnere Wand, mehr Wohnfläche.

Raumhoch verglast, flankiert die einzeilige Küche den Weg zur Haustür, in den Nordwestspitz dahinter ducken sich WC und Garderobe, lichtdurchlässig klettern Eschenholzstufen die rote Betonscheibe hoch. Lässig gleitet ein weißes Regal über die Nordwand von der Küche zum Wohnbereich. Ein Ostfenster schenkt dem Esstisch Licht und Gartenblick, die NurglasFront im Süden öffnet sich auf die lärchengedeckte Terrasse unterm kühn schrägauskragenden Obergeschoß.

Der Kellerspitz birgt die Sauna, dem großen Raum davor mit der etwas niederen Sitzzone vor grünen Rundsäulen aber schenkt ein hohes Oberlicht viel Südsonne. Seine Feuertaufe als Partylocation für 20 Gäste hat er bereits bestanden.

Der Standard, Sa., 2006.03.11



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Haus Z

04. März 2006Isabella Marboe
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Das Korallenhaus in St. Pölten

Ihr erstes eigenes Haus wünschten sich die Bauherren ebenerdig, praktisch und modern. Von SHARE bekamen sie einen korallenroten Baukörper mit dynamischer Dachfaltung.

Ihr erstes eigenes Haus wünschten sich die Bauherren ebenerdig, praktisch und modern. Von SHARE bekamen sie einen korallenroten Baukörper mit dynamischer Dachfaltung.

Die Bauherren sind weltoffen und agil, er stammt aus der Türkei, sie aus dem Waldviertel. Fast täglich fährt er auf den Großgrünmarkt nach Inzersdorf, sie macht daheim Buchhaltung und Haushalt. Seit 32 Jahren verheiratet, lebten sie in einer St. Pöltener Eigentumswohnung im dritten Stock. Die zwei Kinder waren ausgezogen, das erste Enkerl da, ein Lift nicht in Sicht. Bis ins hohe Alter wollte man nicht Treppen steigen - Zeit für einen Wohnungswechsel.

Sie wussten genau, wo und wie sie die ruhigere Lebensphase zu zweit verbringen wollten: in Gehnähe zum Zentrum, in einem praktischen, ebenerdigen Haus mit Garage, Wirtschaftsraum und pflegeleichtem Garten. Es sollte modern, offen, ihren Bedürfnissen angemessen sein: mit Keller für Heizraum, Sauna und Lager, gediegen aus Ziegeln gebaut, kein Raum zu wenig, keiner zu viel. Er träumte von einem lichten, weiten Wohnraum mit vier Meter Höhe, sie von einer integrierten Küche und eigenen Arbeitsräumen.

Die SHARE-architects lernten sie auf einer Hochzeit kennen, der ebene Grund fand sich beim Spazierengehen in einer ruhigen Einfamilienhausgegend unweit von Landhaus und Traisen. Obwohl die zwei sattelgedeckten, von einer Garage verbundenen Häuser des Südnachbarn ausgerechnet auf der langen Sonnenseite der 16 Meter schmalen Parzelle sehr nah rücken, 16 Obstbäume und zwei Riesenfichten darauf wuchsen, gefiel der Grund dem Paar sofort: 62 Meter erstreckt er sich von der Straße westwärts und versprach jene offene Weite, nach der sie sich sehnten.

Ihre Wohnwünsche wurden von den SHARE-architects auf dem schmalen Grundstreifen in die richtige Form gebracht. Angenehm nieder hebt sich der korallenrote Baukörper von seiner ein- bis zweistöckigen Umgebung ab, lapidar zeigt er der Straße sein hellgraues Garagentor. Dahinter knickt die geschlossene Südfassade mit einer dynamischen Dachschräge tief abwärts, um dem Dreiecksfenster Platz zu machen, das den stillen Schlafflur belichtet und sich dann gartenwärts hoch zum Wohnraum aufschwingt. Souverän lässt sie den nahen Nachbarn links liegen. Sanft buchtet sich eine graue Wandfläche zur Eingangsnische in die korallenrote Hauslandschaft, die sich ums geschützte, Licht spendende Atrium zur höhendifferenzierten Raumfolge auf einer Ebene entrollt. Sie erreicht ihren fulminanten Höhepunkt im zweiseitig verglasten, lichtgefluteten Wohnzimmer. Rotbraunes Merbau-Parkett und der weiße Kaminblock an der Südwand verbreiten Wärme, leicht mattgläsern-weiß designte Johannes Will die Küche, die sich gelassen hinter einem freistehenden Regal zurückziehen kann.

Tageslicht im Keller

Im Westen sieht man in den Garten, dem nur ein Kirschbaum als Schatten spendender Blickfänger blieb, dahinter ragt der nahe Klangturm hoch. Leicht schwebt die Terrasse über dem Rasen mit den Blumenbeeten, damit durch ein Fensterband noch Licht in den Keller dringen kann, der Sauna und Nebenräume birgt.

Die vollverglaste Wohnraumostseite wendet sich dem lärchengedeckten Innenhof und den nachbarlichen Nadelbäumen zu. An seine gläsernen Flügel docken im Westen ein Arbeitsraum und im Süden das Entree an. Dreiecksglas, Dachfaltung und Atriumblick adeln es zum besonderen Raum für das gemeinsame Wohnen.

Der Standard, Sa., 2006.03.04



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Haus Ö

25. Februar 2006Isabella Marboe
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Ein Haus aus lauter runden Ecken

Im linsenförmig zugespitzten Baukörper fanden Szyszkowitz-Kowalski am Grazer Ruckerlberg die Form, die dem fließenden Lebensgefühl der Bauherrenfamilie entspricht.

Im linsenförmig zugespitzten Baukörper fanden Szyszkowitz-Kowalski am Grazer Ruckerlberg die Form, die dem fließenden Lebensgefühl der Bauherrenfamilie entspricht.

Eine Linse, die sich an beiden Enden zur Kante zuspitzt, gab dem Haus am Ruckerlberg von Szyszkowitz-Kowalski seine Gestalt. Sie lässt sich nicht aufs prägnante Bild verknappen, entzieht sich der Kameralinse, um beiderseits in sanftem, viel Wandfläche bietendem Bogen zu entgleiten. Bewegung ist der Schlüssel zu diesem Haus, das umrundet, begangen, in seiner inneren Weite erlebt sein will.

Nach 26 Jahren in der Grazer Startwohnung war für den Bauherrn die Zeit reif zum Haus fürs Leben. Er war am Land aufgewachsen, seine Frau malt, beide wollten die Natur im Tagesverlauf erleben. Zwei Jahre suchten sie, bis sie den Traumgrund am Ruckerlberg fanden. Umgeben von Einfamilienhäusern im Grünen, liegt die fast quadratische, ca. 34 Meter breite Parzelle am Hang, der von der ansteigenden Straße im Osten stark abfällt und mit Alpenbogen-Panorama lohnt.

Ein Architekt muss her

Der Bauherr ist Statiker, doch dem Eigenentwurf fehlte die spezielle Komponente, um sein Lebensgefühl auszudrücken - ein Architekt musste her. Szyszkowitz-Kowalski kannte er von häufiger Zusammenarbeit, sie planten sein Haus, die Bauleitung übernahm er selbst.

Vernünftig sollte es sein, ökonomisch, aus Ziegeln, nach außen verschlossen, innen so weit und offen wie die Familie lebt. Einen großen, gastlichen Raum zum Lesen, Fernsehen, für das tägliche gemeinsame Kochen und Essen sollte es haben. Außerdem ein geräumiges Zimmer für die Tochter, ein helles Malatelier für sie, einen Arbeitsraum und einen Platz unter freiem Himmel für ihn.

Sonne und Weite

Die paradoxe Linsengeometrie schafft eine fließende Grenze, umschreibt einen Raumbogen, der sich in alle Richtungen umfassend öffnet und ein Maximum an Panorama, Sonne und Weite einfängt. An ihren Enden aber tritt sie kaum in Erscheinung: Der Straße zeigt das Haus seine schmale Südost-Kante, um sich mit der Nordwest-Breitseite zum Garten aufzufächern.

Ein Glasschlitz steigert die Neugier aufs Dahinter. Effektvoll erhellt er die Innenstiege an der Wandwölbung und adelt sie zum Raum. Sie führt auf den Dachgarten, wo der Hausherr oft liegt und den blitzblauen Himmelsblick genießt. Turmartig schraubt sich das Haus vom straßenseitigen Entree mit Terrasse in den Nordwest-Hang zum Wintergarten, wo sich das alpine Vollpanorama von Kleinalm bis Schöckl entfaltet.

Der Wintergarten liegt am tiefsten Linsenpunkt und bildet den intimen Gegenpol zur Eingangsspitze. Vollverglast und rechteckig, wird er mit Wendeltreppe, Terrasse und Schwimmbiotop zum lichten, grünen Kern des Untergeschoßes. Seine zwei Innenseiten schneiden ein transparentes Eck in den Linsenfluss, schaffen so in einem Raum zwei getrennte Bereiche: Im Westen hat die Baufrau ihr Atelier mit Biotopblick, im Norden arbeitet der Bauherr bei Voralpenperspektive.

Wie eine schützende Zwiebelschale wölbt sich die Nordost-Breitseite um Schlaf-, Ankleide- und Kinderzimmer, um sich hinter der Carport-Sichtbetonwand mit großer Mattglasscheibe und Klapptür für die Katze vorsichtig zum Eingang zu öffnen.

Breitseite auf die Alpen

Luxuriös zelebriert das Innere an der gewölbten Südwest-Breitseite in transparenter Weite das Rundpanorama am Hang. Bequem parkplatznah, liegt die Küche in der äußersten, vom Fensterband überm Herd geschlitzten Zwiebelschale, die sich mit einer Glastür auf die oberste Terrasse öffnet und in der leicht verengten Glasbogenfront des nahtlos anschließenden Wohnraums fortsetzt. 4,40 Meter hoch, sonnenhell, mit Kamin und effektvoll von oben belichteter Wandscheibe, vor der das patinabehaftete Startwohnungsledersofa steht, fließt der Zentralraum sanft im Norden in der Bibliothek am Wintergarten aus. Hier hat man nicht nur den Ausblick, sondern via Wendeltreppe auch den Einstieg ins Grüne.

Der Standard, Sa., 2006.02.25



verknüpfte Bauwerke
Haus am Ruckerlberg

11. Februar 2006Isabella Marboe
Der Standard

Frischzellen für Haus und Menschen

In den 80ern wurde das 130-jährige Bauernhaus im französischen Landhausstil erweitert. Souverän über- brückten t-hoch-n den Stilmix mit einem terrakottaroten Zubau.

In den 80ern wurde das 130-jährige Bauernhaus im französischen Landhausstil erweitert. Souverän über- brückten t-hoch-n den Stilmix mit einem terrakottaroten Zubau.

Zeitunglesen führte zum Traumhaus: er ist Österreicher, sie Französin und liebt die Patina geschichtsträchtiger Steinmauern, Balken und Möbel. Mehr als 50 Häuser hatten sie schon besichtigt, als eine „Immobilie der Woche“ sie nach Tulbing lockte. Der Andrang Interessierter für das älteste Haus der winzigen Ortschaft war enorm, die Besitzerin teilte mit dem Paar die tiefe Wertschätzung französischer Lebensart und alter Dinge - sie bekamen es.

Die Südlängsseite des fünf Meter schmalen, einstigen Bauernhofs liegt an der Hauptstraße. Tür und Flur im Südwesteck, reihen sich hinter vier Fenstern zwischen urigen Mauern ein kleines Zimmer, Küche und „gute Stube“ aneinander, darüber ein Satteldach. Tramdecken, Ziegelboden, Kastenfensterstöcke und der um den Kamin gemauerte Originalherd sind erhalten. In den 80ern wurde ein putziges Garagenhäuschen mit Verbindungsgang zu Keller und Altbau angefügt. Gartenseitig kamen eine Veranda im französischen Landhausstil mit importierten Fenstertüren auf die mittige Terrasse und ein üppiger Wohnraumflügel mit Walmdach, Kamin und Galerie ins ausgebaute Dach dazu.

Und jetzt die neuen Besitzer: Sie arbeitet karitativ für einen Verein, der sich um Waisenkinder aus Drittweltländern bemüht, das Paar adoptierte selbst zwei Kinder. Jedes brauchte ein Zimmer, die das Haus nicht hatte. Viele Gäste übernachten, es wurde eng, doch die Bauherren zweifelten, ob eine zweite Erweiterung glücken könne.

Da sahen sie im STANDARD den Zubau mit der am Oberlichtband „schwebenden“ Decke, den t-hoch-n in Küb am Semmering an schwierigen Bestand gefügt hatten. Und die Architekten fanden auch für das überformte Haus in Tulbing eine Lösung: Souverän überbrückt ein terrakottaroter Zubau die Niveaus und Brüche zwischen Altbau und Ersterweiterung und schenkt der Familie mehr Lebensraum.

Mit eleganter Dachneigung schiebt sich der schrägverglaste Zubau über Garage und Kellergang, umfließt das Haus, fasst es neu und stellt so die in den 80ern gekippte Balance wieder her. Den Vorraumstumpf komplettiert nun ein Büro mit Durchsicht zur Lesenische im panoramaverglasten Schlafzimmer. Zwei Reihen Dachflächenfenster und eine zur Schlafgalerie versetzte Zwischendecke ließen oben ein südlichtgeflutetes Kinderparadies entstehen. Vom Schreibtisch überblickt man die Straße, dahinter führt eine gewitzte Buchenholztreppenkonstruktion aus versetzten Regalen aufs netzgesicherte Hochbett mit Extrapodest für Freunde unterm First, durchs Fenster lacht der Himmel. Zwischen Gästezimmer und Kinderbad ist ein breiter Spielflur.

Ein oberlichthelles Waschbecken auf Eschenmobiliar bildet den Auftakt zu Elternbad und beidseitig verglastem Brückenbau. Schlank längsgelegt ruht die Wanne auf der Holzstauwand neben der lichtdurchlässigen Stiege am raumhohen, transparenten Regal ins Schlafzimmer. Das Regal ist Teil der Treppe, Raumteiler und Stauwand von skulpturaler Qualität zugleich und bietet dem Bett mit Gartenblick Rückhalt.

Das grüne Schimmern

In den Schrankraum dahinter fällt von oben Licht, durchs Regal schimmert es grün. Der Raum wirkt mit Boden und Möbeln aus Eschenholz sehr ruhig. Die großen Fenster reichen bis an die Decke, die im Vordach über der umlaufenden Terrasse endet und so gleichsam entschwebend die Grenzen zwischen innen und außen verschwimmen lässt.

Als Oberlichtband setzt das Glas im Westen an, weitet sich zur raumhohen Scheibe, buchtet sich zum gläsernen Leseeck aus und fließt endlich ins Gartenfenster im Büro der Dame des Hauses.

Der Standard, Sa., 2006.02.11

11. Februar 2006Isabella Marboe
Der Standard

Frischzellen für Haus und Menschen

In den 80ern wurde das 130-jährige Bauernhaus im französischen Landhausstil erweitert. Souverän überbrückten t-hoch-n den Stilmix mit einem terrakottaroten Zubau.

In den 80ern wurde das 130-jährige Bauernhaus im französischen Landhausstil erweitert. Souverän überbrückten t-hoch-n den Stilmix mit einem terrakottaroten Zubau.

Zeitunglesen führte zum Traumhaus: er ist Österreicher, sie Französin und liebt die Patina geschichtsträchtiger Steinmauern, Balken und Möbel. Mehr als 50 Häuser hatten sie schon besichtigt, als eine „Immobilie der Woche“ sie nach Tulbing lockte. Der Andrang Interessierter für das älteste Haus der winzigen Ortschaft war enorm, die Besitzerin teilte mit dem Paar die tiefe Wertschätzung französischer Lebensart und alter Dinge - sie bekamen es.

Die Südlängsseite des fünf Meter schmalen, einstigen Bauernhofs liegt an der Hauptstraße. Tür und Flur im Südwesteck, reihen sich hinter vier Fenstern zwischen urigen Mauern ein kleines Zimmer, Küche und „gute Stube“ aneinander, darüber ein Satteldach. Tramdecken, Ziegelboden, Kastenfensterstöcke und der um den Kamin gemauerte Originalherd sind erhalten. In den 80ern wurde ein putziges Garagenhäuschen mit Verbindungsgang zu Keller und Altbau angefügt. Gartenseitig kamen eine Veranda im französischen Landhausstil mit importierten Fenstertüren auf die mittige Terrasse und ein üppiger Wohnraumflügel mit Walmdach, Kamin und Galerie ins ausgebaute Dach dazu.

Und jetzt die neuen Besitzer: Sie arbeitet karitativ für einen Verein, der sich um Waisenkinder aus Drittweltländern bemüht, das Paar adoptierte selbst zwei Kinder. Jedes brauchte ein Zimmer, die das Haus nicht hatte. Viele Gäste übernachten, es wurde eng, doch die Bauherren zweifelten, ob eine zweite Erweiterung glücken könne.

Da sahen sie im STANDARD den Zubau mit der am Oberlichtband „schwebenden“ Decke, den t-hoch-n in Küb am Semmering an schwierigen Bestand gefügt hatten. Und die Architekten fanden auch für das überformte Haus in Tulbing eine Lösung: Souverän überbrückt ein terrakottaroter Zubau die Niveaus und Brüche zwischen Altbau und Ersterweiterung und schenkt der Familie mehr Lebensraum.

Mit eleganter Dachneigung schiebt sich der schrägverglaste Zubau über Garage und Kellergang, umfließt das Haus, fasst es neu und stellt so die in den 80ern gekippte Balance wieder her. Den Vorraumstumpf komplettiert nun ein Büro mit Durchsicht zur Lesenische im panoramaverglasten Schlafzimmer. Zwei Reihen Dachflächenfenster und eine zur Schlafgalerie versetzte Zwischendecke ließen oben ein südlichtgeflutetes Kinderparadies entstehen. Vom Schreibtisch überblickt man die Straße, dahinter führt eine gewitzte Buchenholztreppenkonstruktion aus versetzten Regalen aufs netzgesicherte Hochbett mit Extrapodest für Freunde unterm First, durchs Fenster lacht der Himmel. Zwischen Gästezimmer und Kinderbad ist ein breiter Spielflur.

Ein oberlichthelles Waschbecken auf Eschenmobiliar bildet den Auftakt zu Elternbad und beidseitig verglastem Brückenbau. Schlank längsgelegt ruht die Wanne auf der Holzstauwand neben der lichtdurchlässigen Stiege am raumhohen, transparenten Regal ins Schlafzimmer. Das Regal ist Teil der Treppe, Raumteiler und Stauwand von skulpturaler Qualität zugleich und bietet dem Bett mit Gartenblick Rückhalt.

Das grüne Schimmern

In den Schrankraum dahinter fällt von oben Licht, durchs Regal schimmert es grün. Der Raum wirkt mit Boden und Möbeln aus Eschenholz sehr ruhig. Die großen Fenster reichen bis an die Decke, die im Vordach über der umlaufenden Terrasse endet und so gleichsam entschwebend die Grenzen zwischen innen und außen verschwimmen lässt.

Als Oberlichtband setzt das Glas im Westen an, weitet sich zur raumhohen Scheibe, buchtet sich zum gläsernen Leseeck aus und fließt endlich ins Gartenfenster im Büro der Dame des Hauses.

Der Standard, Sa., 2006.02.11



verknüpfte Bauwerke
Zubau Haus J.

28. Januar 2006Isabella Marboe
Der Standard

Weißer Elternsockel, aufgetoppt

Lang genügte das moderate Haus der 70er drei Generationen, doch je älter die Kinder, desto enger das Heim. Sein flaches Satteldach taugte nicht zum Ausbau, nun krönt eine edle Reinzinkbox der Architekten Schneider&Lengauer den weißen Elternsockel. Achtsam umhaust sie die Südterrasse vor zwei Zimmern mit Ausblick, die den Töchtern Autonomie schenken.

Lang genügte das moderate Haus der 70er drei Generationen, doch je älter die Kinder, desto enger das Heim. Sein flaches Satteldach taugte nicht zum Ausbau, nun krönt eine edle Reinzinkbox der Architekten Schneider&Lengauer den weißen Elternsockel. Achtsam umhaust sie die Südterrasse vor zwei Zimmern mit Ausblick, die den Töchtern Autonomie schenken.

Etwa zehn Autominuten von Linz, bietet Gallneukirchen Menschen, die im Grünen leben wollen, eine kostengünstige, ländliche Alternative. Zwei Straßenkurven unterm Wald besitzen die Bauherren hier ein sattelbedachtes, niedriges Haus aus den 70er Jahren. Im Schutz der hochgewachsenen, dichten Thujenhecke an der Straße, die sich im Osten abwärts schlängelt, ergießt sich ein sorgsam gepflegtes, lauschiges Steilgartenidyll südabwärts.

Hinterm Verandaglas des Kellers, der sich dank Hangneigung ebenerdig zum Garten öffnet, leben die Großeltern, im Erdgeschoss mit Südbalkon wohnte die Familie auf moderatem Grundriss. An der Straße hinterm Garagenhäuschen lag der Eingang vor der verwinkelten Diele mit Treppe aufs Dach, ost- und westseitig je ein kleines Zimmer, am gartenseitigen Südbalkon die Raumflucht Kochen, Essen und Wohnen mit Kamin, im Nordwesteck Toilette und Bad. Je älter die zwei Töchter, desto enger wurde das traute Heim. Sie wollten weiter bei den Eltern wohnen, brauchten aber dringend mehr Raum, den das alte, flachgeneigte, langgestreckte Satteldach nicht bieten konnte. Es kam weg, stattdessen setzten die Architekten Schneider & Lengauer eine statisch ausgeklügelte, von einer eleganten Reinzinkfassade umhauste Wohnbox aufs elterliche Erdgeschoss, das weiß thermoverputzt mit komfortablen Schwingflügelfenstern zum reduzierten Sockel wird. Dezent überragt der Kubus die sattelbedachte Garage, die sich am Nordosteck ausbuchtet. Innen mit hellen, weichen Lärchenholzdreischichtplatten verkleidet, umhüllt die achtsam vorgezogene, dunkelgrau schillernde Wohnbox dreiseitig die Terrasse überm Garten vor den südseitig verglasten Räumen. Vor Wind, Wetter und zu viel Sonne geschützt, lässt sich hier oben an der zarten, semitransparenten Maschendrahtbrüstung der Weitblick über die Felder bis zum Pfennigberg genießen. Ohne die frühere Firsthöhe bauordnungswidrig zu überschreiten, schenkt der Aufbau den Töchtern eine ganze, neue Ebene für sich.

Um hier einen schönen, durchgehenden west- und ostseitig raumhoch belichteten Flur mit integrierten Kastenwänden schaffen und die Lasten der Box abtragen zu können, mussten einige Zwischenwände in der Diele darunter entfernt oder versetzt werden. Das Haus bekam eine neue Stiege am rot verkleideten Windfang mit Fenster, der als erster Puffer allen Zutritt gewährt und niemandes private Wohnsphäre beschneidet. Durch eine Glastür fällt Licht ins einstige Winkelwerk, wo nun von der Garderobe durch die Glasbrüstung der hellen, großzügigen Stiege hinauf oder hinunter spähen kann. Die IPE-Träger-Unterkonstruktion der hinterlüfteten Holz- Riegel-Wohnbox wurden teils auf bestehende Wände geschweißt, um am alten Dachboden eine durchgehend horizontale Ebene zu schaffen. Isolitbeton sorgt dafür, dass kein Schall durchdringt. Oben scheinen Garten und Mühlviertler Hügel durch die flächendeckende Südpanoramaglasfront in die töchterlichen Wohnrefugien zu kippen, gemeinsam teilen sie sich die lauschig umhauste Terrasse als schattig aussichtsreichen Privatfreiraum zum Quatschen und Rauchen. Eichenparkett und die reduzierte Kastenwand aus weiß lackierten MDFPlatten schaffen den großen Zimmern raumschonend Staufläche und eine helle Atmosphäre am beidseitig befensterten Flur, wo sich bei mehr Autonomiebedarf noch eine Mini-Küche ausginge. Auch das Bad am Nordwesteck bietet Licht, Frischluft und Ausblick: Spiegel lassen den vornehm mit schwarz geschliffenem Terrazzo verkleideten Raum heller wirken, durch die hohe Glastür am französischen Geländer im Norden blickt man in Nachbars Kirschbaum.

Der Standard, Sa., 2006.01.28



verknüpfte Bauwerke
Umbau Haus Dr. Egger

17. Dezember 2005Isabella Marboe
Der Standard

Chirurgische Dachgratwanderung

Raffiniert und präzise setzten die Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch eine prismatische Glas-Beton-Treppenskulptur ins mittlere Grabendrittel eines steilen Doppeldachs in der Kremser Altstadt. Von außen kaum sichtbar, gibt es dem Dachstuhl die nötige Treppe, Stabilität und Licht, das durch mattes Glas weit hinunterfluten kann.

Raffiniert und präzise setzten die Architekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch eine prismatische Glas-Beton-Treppenskulptur ins mittlere Grabendrittel eines steilen Doppeldachs in der Kremser Altstadt. Von außen kaum sichtbar, gibt es dem Dachstuhl die nötige Treppe, Stabilität und Licht, das durch mattes Glas weit hinunterfluten kann.

Die Kremser Altstadt ist ein architekturhistorisches Kleinod von UNECSO-Weltkulturerbe-Format, steingepflastert steigt sie vom Pfarrplatz aufwärts am Hohen Markt zur Höchstform an. Die dortige Gozzo-Burg wurde 1275 gebaut, alle Häuser stammen aus der Zeit, jede Epoche fügte ihnen Türme, Loggien und Giebel hinzu. Mit der puristischen Bar Hendrik unter den frei gelegten, stahlgefassten Gewölben der alten Münzstätte schufen Franz Sam und Irene Ott-Reinisch dem Nachtleben einen Fixstern und dem Bauherrn ein Stammlokal.

Er wohnt im Eckhaus, das aus der engen Rabengasse mit ihren Sturzbögen zwischen windschiefen Fassaden auf die Margaretengasse im Norden ragt. Ursprünglich waren es zwei schmale Häuser an einer Durchfahrt, bis heute liegt der gedeckte, südsonnige Arkadenhof dahinter eine Ebene unter Straßenniveau. Das Barock brachte einen schmucken Eingang und eine Traufmauer, auf der das Haus zum Ganzen und die zwei Steildächer in der tiefen Mitte zum unorthodox konischen Grabendach verwuchsen. Im Osten höher, im Westen an der Rabengasse niederer, im Süden offen, überdauerte es gut durchlüftet die Zeit, bis es eine neue Hülle in alter Form bekam. Darunter blieb es zugig und unbelichtet, nur eine Leiter führte hinauf. Der Bauherr wollte es so zeitlos gelassen bewohnen, wie sich im Hendrik trinken ließ. Mit archäologischer Akribie erforschten die Architekten den Bestand, um behutsam die neue Treppe einzufügen. Dabei entpuppte sich das erst kürzlich neu errichtete Dach als statisch unzulässig gelagert. Bedrohlich lastete es auf dem Haus, musste stabilisiert und neu aufgelagert werden. Am Durchgang liegt die Stiege zur Wohnung im ersten Stock. Die wurde sanft beschnitten, um zwischen zwei hauchzarte Betonscheiben einen prismatischen Treppenlichtkörper in den Dachgraben zu setzen. 14 Zentimeter dünn, gewichtsmindernd glasperforiert, liegen sie unten und oben auf je zwei Punkten auf, lassen Licht in den ganzen Dachraum, den grau reflektierenden Aufgang bis in den Altbau fluten. Wie die Äste eines Baumes ragen unterm Glasoberlichtprisma die brandschutzweißen Sparren vom mittigen Trambalken gen Himmel.

In der tiefen Grabenmitte kaum zu sehen, gibt die Betonglasskulptur dem asymmetrischen Dach Halt und ein helles Zentrum, das von den zwei Eingängen im Norden über ein Drittel der Länge ins Innere ragt. Raffiniert fällt Licht, aber kein Blick durchs matte Wabenglas mit Innenjalousien. Überm Podest, das die entdeckte Renaissancedecke darunter konserviert, schiebt sich eine schmale Galerie mit Metalltreppe unterm höheren Dachteil bis zur grau durchdesignten Küche mit partytauglich ausziehbarer Bar vor. Sie steht leicht erhöht an einer offenen, lichtdurchlässigen Stauraumscheibe, dezent schmiegt sich die Herd-Abwaschzeile an die Dachschräge. Durch zwei Lichttromben fällt noch mehr Himmel ein, die Südseite ist transparent verglast, ungehindert frei fließt vorm Altstadtpanorama der Wohnraum, der von einer abgehängten Decke im Westen heizkostensparend differenziert wird.

Eine Glastür führt auf die neue Südwestterrasse, die ein altes Pultdach ersetzt. Windgeschützt von der Nachbarmauer mit rostigen Fensterläden blickt man über den Arkadenhof, mittelalterliche Dächer, barocke Giebel, Türme bis zum Stift Göttweig am Horizont. Durch die lichtprismatische Mitte sieht man es selbst vom verglasten Bad an der Nordwand: Hier wäre das Dach in Ost-und Westhälfte teilbar. Der Bauherr nahm es ganz: Durch das blaue Schlafzimmerfensterglas erblickt er den Sgrafitto-Erker der Rabengasse, die dunkle Scheibe ist die einzige Spur, die das Architektenskalpell im sensiblen Stadtbild hinterließ.

Der Standard, Sa., 2005.12.17



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Wohnhaus Reither

10. Dezember 2005Isabella Marboe
Der Standard

Heilsames Doppelhaus

Mit viel Einfühlungsvermögen in die alte Ebenfurther Ortsstruktur und die speziellen Anforderungen eines Therapiezentrums planten die Architekten Koeb & Pollak ein Doppelhaus. Im naturschieferverkleideten Vorder- und Hinterhaus gibt klare Grenzen, viel Innenhof und die richtige Balance aus einsam und gemeinsam für Jugendliche, Betreuer und Bauherren.

Mit viel Einfühlungsvermögen in die alte Ebenfurther Ortsstruktur und die speziellen Anforderungen eines Therapiezentrums planten die Architekten Koeb & Pollak ein Doppelhaus. Im naturschieferverkleideten Vorder- und Hinterhaus gibt klare Grenzen, viel Innenhof und die richtige Balance aus einsam und gemeinsam für Jugendliche, Betreuer und Bauherren.

Ob Stadt oder Land: Verhaltensauffällige Jugendliche aus Problemfamilien haben es überall schwer. Im entlegenen Ebenfurth aber gab es einen Ort, wo sie ehrliche Anteilnahme, Verständnis und weichenstellende Lebenshilfe fanden. Hier gründeten ein engagierter Psychotherapeut und seine Frau 1998 den „Verein zur Förderung von Kindern und Jugendlichen“ und mieteten in Bahnhofsnähe eine stattliche Jugendstilvilla mit Garten. Solidarisch teilten alle deren Durchgangsräume und einziges Bad, bis das abgewohnte Haus aus seinen Nähten platzte. Die soziale Kompetenz der familiären Wohngemeinschaft war hoch gefordert, jeder Einzelne und alle gemeinsam brauchten mehr Platz und Komfort.

Als geräumigere Alternative bot sich die alte Post an: Hier wollten die Bauherren sich und ihren Schützlingen eine optimal auf ihre Bedürfnisse abgestimmte, neue Heimat schaffen, die sich zur finanziellen Absicherung in Wohnungen umwandeln ließ. Der Bestand war kaum belastbar, einfühlsam und sensibel planten die Architekten Koeb & Pollak statt dessen ein Doppelhaus mit großem Innenhof, das sich nahtlos in die gewachsene Struktur fügt. Das elegante Vorderhaus schenkt sechs Jugendlichen mit zwei Betreuern, das Hinterhaus mit Garten der Bauherrenfamilie bis dato nie gekannte Lebensqualität. Direkt am Hauptplatz mit Kirche und Pestsäule liegt die Rathausstraße im Herzen der Stadt: ein homogenes Gässchen aus einbis zweistöckigen Bauernhäusern und Betrieben mit großen Toren und Schaufenstern auf schmalen, tiefen Parzellen. Das Therapiezentrum ruht auf den Kellern der alten Post, deren Gewölbe eine ideale Party-Location abgeben. In selbstverständlicher Eleganz füllt die fein geschuppte, dunkle Naturschieferfassade im Norden ihre Baulücke: Die bordeauxrote Einfahrt nimmt das nachbarliche Garagenthema auf, unmerklich sitzt der dunkelgraue, mittige Eingang im Schiefer, darüber umtanzen Fensterbänder und kleine Öffnungen die Traufkante, die fließend ins Eternitdach übergeht. Im Obergeschoss wohnen die Jugendlichen in vier Einzelzimmern und einer betreuten Zwei- Zimmer-Wohngemeinschaft mit Küche und Bad.

Die bündig in der Fassade sitzenden kleinen Fenster vermitteln Schutz, ihre Brüstungen bestückte jeder mit lieb gewordenen Dingen, im Sitzen oder Stehen überblickt man die Straße. Hier ist genug Platz für Besuch, durch hohe Oberlichter im Dach flutet die Südsonne von Hof und Himmel in Zimmer, Bäder und am semitransparenten Profilit-Gussglas die Treppe bis zum Eingang hinab. Das Büro liegt an der Straße hinter zwei großen Fenstern, die den nachbarlichen Maßstab aufnehmen. Der lange, offene Gemeinschaftsraum, wo zehn Menschen gemeinsam kochen, essen und fernsehen können, aber öffnet sich mit vier Glastüren zum südseitigen Innenhof aus hellem Waschbeton, der sich als basketballspieltauglicher Freiraum von der breiten, fahrradgesäumten Durchfahrt bis zum Bauherrenhaus erstreckt.

Schön fasst die rundgeschwungene Profilit-Glaswand der Stiege Hof und Haus ein. Durch das große Südwestglas im Erdgeschoss blickt die Familie in ihren privaten Hintergarten mit Biotop, das Wandeck im Osten schafft ein Intimzone, darüber ist die Wohnküche, die sich an einer windgeschützten Nische zur Westterrasse weitet, ganz oben Schlaf- und Kinderzimmer, von dessen Ostbalkon es sich gleichsam in Baumkronenwipfeln schweben lässt.

Dezent legt sich auf jeder Ebene eine Sanitärzelle an die Nordwand, leicht ließe sich so das Haus an der Außenstiege in drei Wohnungen splitten, dasselbe gilt auch fürs Therapiezentrum. Es dürfte nicht nötig sein, das neue architektonische Umfeld wirkt heilsam – bisher gab es keine Beschwerde.

Der Standard, Sa., 2005.12.10



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Therapiezentrum

03. Dezember 2005Isabella Marboe
Der Standard

Helles Ahorn und ein Schuss Orange

Einem Gründerzeithaus in Wien-Landstraße nahmen die stadtgut-Architekten einen Teil des Daches und schenkten den Bauherrn so eine große Terrasse: Elegant umfließt ihr orange Brüstungsband die historistische Traufkante, umsichtig schmiegt sich ein verglaster Wintergarten ans alte Atelier. Gewohnt wird im Geschoss darunter in einem durchdesignten Guss aus stauraumbergenden Ahornmöbeln, wo orange Farbtupfer in Kinderbad und Küche für freche Akzente und ein Innenatrium für Licht und Luft sorgen.

Einem Gründerzeithaus in Wien-Landstraße nahmen die stadtgut-Architekten einen Teil des Daches und schenkten den Bauherrn so eine große Terrasse: Elegant umfließt ihr orange Brüstungsband die historistische Traufkante, umsichtig schmiegt sich ein verglaster Wintergarten ans alte Atelier. Gewohnt wird im Geschoss darunter in einem durchdesignten Guss aus stauraumbergenden Ahornmöbeln, wo orange Farbtupfer in Kinderbad und Küche für freche Akzente und ein Innenatrium für Licht und Luft sorgen.

Im Schatten der Hotelscheibe des Intercontinental gräbt sich vom Heumarkt die rechte Bahngasse ins kulturgetränkte, stadtparknahe Mark des dritten Bezirks: eine verborgene Straße, der die ÖBB-Geleise lichte Weite zur Vis-à-vis-Seite schaffen. Hinter einer dekorativen Lampenpromenade winkt die von Reinhard Gallister umgebaute Universität für Musik und darstellende Kunst herein. Früher wohnte die Bauherrenfamilie am nahen Modenapark, wo die zwei Kinder zur Schule gingen und Freunde fanden. Mit ihnen entwuchs man der 100-Quadratmeter-Wohnung: Jedes brauchte ein eigenes Zimmer, die Baufrau einen Garten, den Bauherrn zog es in hohe Altbaugeschosse.

Man suchte zuerst in Wiens Umgebung und fand dann das Gründerzeithaus mit ausbaubarem Dach und Grünblick im Zentrum: Seine Nordfeuermauer grenzt an die Rückseite des Palais Kinsky, vor der sich ein großer Garten bis zur rechten Bahngasse im Osten vorzieht. Funktional und präzis im Detail, hatten die stadtgut-Architekten schon die alte baufrauliche Marienapotheke kundenfrequenzsteigernd aufgemöbelt und das familiäre Landhaus geplant, nun sollten sie im obersten Altbaugeschoss mit Dach, Lift und Interieur genug Stau-, Lebens- und Freiraum mit Stil für Eltern und Kinder schaffen. Der Bauherr wollte eine „coole Bude“: weit, offen und künftig in zwei Einheiten teilbar. 1900 wurde ein Atelier mit klassisch-modernem Oberlicht auf die südliche Dachhälfte des Gründerzeitbaus aus dem Jahr 1870 gesetzt, daneben schloss nahtlos dessen steiler Holzdachstuhl an. Sein Nordwesteck bot eine Vogelperspektive über den Palaispark, der städtebaulich eine grüne Bresche in den geschlossenen Straßenzug schlägt.

Die Architekten überzeugten den Bauherrn auf einen Ausbau zu verzichten und ihr mit einer Dachterrasse gleichsam ein luftiges Pendant zu schaffen. Nun umwogt ein schönes orange Brüstungsband die historistische Traufkante, hinter der 100 Quadratmeter Freiraum um den Lichthof zwischen zwei Kaminwänden mit eigendesignten, edlen Nirosta-Aufsätzen ozeanische Weite verströmen. Im neuen Wintergarten entspannt man solarzellentemperiert zwischen Pflanzen auf gemütsaufhellend organgefarbenem Kautschuk und totalem Ausblick: Glasschwerter tragen die transparente Nord- und Westseite. Brüderlich gesellt sich das gegenschwingende Alucobond-Schrägdach ans alte Atelier, sein orange Saum mündet im Aufsatz des Glaslifts im Hof, der komfortabel Dach und Wohnung verbindet. Ein Steg führt zum mittigen Stiegenhaus mit zwei Türen, die Kinder leben im Nordtrakt, die Eltern im Süden. In einem Guss mit hellen Ahornmöbeln eingekleidet, wachsen beide Teile am Durchbruch der Kaminmittelwand in der Kochwohnessraumflucht zusammen.

Auf fußbodenbeheiztem Parkett schwingt sich das Ahorn im Elternvorraum von der Bank mit Garderobe zum glasflächengespickten Eckregal hoch, um sich vor ihrer sanft um den anderen Wandpfeiler geschwungenen Vitrinenschwester rundkantig um die Mittelwand zu schmiegen. Vorm Kamin wird sie zur Bank, darüber zum Regal, zwischen den Straßenfenstern beziehen geradlinige Sideboards ihre Posten. Der repräsentative Raum ist trotz seiner Größe sehr warm: Sanft endet er in der wandfüllenden, L-förmigen Ahornküchenzeile mit frischen orange Farbtupfern und Mattglaselementen an klugen Laden-Stau-Systemen. Die Kochinsel davor bietet mit Herd, Bar und mobilem Tisch viele Varianten zu essen, tafeln lässt sich’s im Wohnraum. Die schönen morgenbesonnten Zimmer dahinter gehören den Kids, den Gang davor verwandelt eine Glasscheibe am Lichthof zum hellen, luftigen Atrium, im Kinderbad wecken Kautschukboden und eine Plauderbank an der Dusche die Lebensgeister.

Der Standard, Sa., 2005.12.03



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orange*drauf

26. November 2005Isabella Marboe
Der Standard

Höhle und Höhensonne im Wald

Über zehn Meter tief grub Architekt Michael Lukasser die blickschützende Sichtbetonscheibe in den extremen Steilhang, dahinter treppt sich terrassenreich mit Pool am Dach die schindelgedeckte Lebensbehausung für seine Familie bergab. An diesem Wandrückgrat mit Treppe entfaltet sich innen viel differenzierte Atmosphäre mit introvertiertem, oberlichthellem Hinten und raumhoch glasgerahmtem, naturnahem Vorne am südlichen Walddickicht.

Über zehn Meter tief grub Architekt Michael Lukasser die blickschützende Sichtbetonscheibe in den extremen Steilhang, dahinter treppt sich terrassenreich mit Pool am Dach die schindelgedeckte Lebensbehausung für seine Familie bergab. An diesem Wandrückgrat mit Treppe entfaltet sich innen viel differenzierte Atmosphäre mit introvertiertem, oberlichthellem Hinten und raumhoch glasgerahmtem, naturnahem Vorne am südlichen Walddickicht.

Geld hatte Architekt Michael Lukasser fürs eigene Familiendomizil nicht viel, aber dafür den Vorteil, sein eigener Bauherr zu sein. 15 Kilometer westlich von Innsbruck fand er in Axams ein enorm steiles, von undurchdringlichem Waldund Strauchdickicht bewachsenes Grundstück, das bisher keine Käufer gefunden hatte und daher günstig war. Es liegt an einem stark verbauten Hang, wo das Hausbauerwesen im Tiroler Lokalkolorit holzbalkonverbrämt unter ausladend schneefesten Dächern und einigen Toskana-Exoten alpine Blüten treibt. Davon ist hinterm flugbedachten sichtbetonummauerten Carport, der die Straßenseite im Norden in schlüssiger Effizienz abschließt, nichts mehr zu merken.

Über 10 Meter tief gräbt sich die Wandscheibe zum Keller in den Hang, wird zum Rückgrat, vor dem sich an der einläufigen, zentralen Innentreppe auf zwei Ebenen eine Wohnkomposition aus Wandscheiben, warmem, fußbodenbeheiztem Holzparkett, Glas, Licht und Schatten entrollt. Oben von lebendig sonnenstrahlumtanzten Baumkronen umgeben, setzt unten die südbelichtete, von einer gedeckten Terrasse flankierte Schlafebene im Föhren-Birken-Eschen- Lärchen-Kirsch-Haselnuss-Steilgartendickicht auf. Außen ist der hangkonform terrassierte, abgetreppte Betonbaukörper mit Lärchenholzschindeln verkleidet: Kostenschonend und wartungsfrei korrespondieren sie wunderbar mit der Umgebung. Das Osteck des Carports markiert eine puristische Abstellbox, durch den Wandschlitz an der Treppe dahinter, die sich nach einem Schwenk tapfer die 60- Prozent-Neigung hinabstürzt, schillert es ahnungsvoll: Wandgeschützt mündet die Dachterrasse in einem schmalen, langen Pool mit Ost- West-Südsonne und Blick übers ganze Mittelgebirge. Eine Außentreppe führt zur einzigen Öffnung in der Ostflanke: die glasgeschlitzte Tür ins obere Wohnen, ein differenziertes Gefüge aus wandnahem Rückzug und luftsonnig umschmeicheltem Blattwerk um die Brennpunkte Kamin und Stiege, wo ein hoher, tiefer Schacht, der von ganz oben durch die Decke bricht, atmosphärisches Oberlicht verbreitet. Subtil inszeniert es die offene Küche an der Stiege vor der rau belassenen Sichtbetonfläche und belichtet indirekt über zwei Fenster das dahinter höhlenartig in den Hang gegrabene Arbeitszimmer der Bauherrin, vor dem sich ein weiß gemauerter, sitzbankflanierter Kaminquader in den Raum schiebt.

Er leitet vom gemeinsamen Essen vor der stumpf lackierten MDFPlatten- Küche im Osten zum kultivierten Sitzen, Musizieren und Schauen im westlichen Raumteil über, der von der einzigen Wandscheibe im Südfrontglas zusätzlich betont und gefasst wird. Sie verstärkt den Effekt der angrenzenden Über-Eck-Transparenz im Westen, wo hinter der lauschigen eigenen Gartenterrasse die Farb- und Blütenpracht am Botaniker-Nachbargrund berauscht. Aus dem Osteck ragt eine kleine, introvertierte Raumbox auf die, flugdachbeschattete, Südterrasse, wo man wie in einem Baumhaus zum Greifen nah in Eschenblättern sitzt.

Vor ihren Stämmen setzt unten mit einer langen, schmalen, von oben beschatteten Lärchenholzterrasse die Schlafebene auf. Vier lichte, raumhoch befensterte Zimmer mit Glas- oder Schiebetüren an den Wandscheiben, die den Flur vorm Hausrückgrat bilden. Hier reihen sich ans Elternbad mit oberlichtheller Dusche, Sauna und rundkantig-poppig eigendesigntem roten Bademöbel im Westen eine reduzierte Eichenstauwand, Toilette und am Ostende hinter der Holztreppe ein frischgrünes Kinderbad aneinander. Ihre demokratisch gleich großen Zimmer liegen zwischen Gästen und Eltern, von der abgehängten Terrasse können sie ins gebirgig urwüchsige Waldgartenreich stürmen, das hangabwärts lockt.

Der Standard, Sa., 2005.11.26



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Haus Lukasser

19. November 2005Isabella Marboe
Der Standard

Mit Umsicht verwoben

Die Geschichte des Bauherrn ist mit dem geerbten Hof eng verwachsen. Umsichtig und ressourcenschonend schuf Architekt Peter Zinganel zu ebener Erde zwei helle, komfortable Wohnungen an der wärmespeicherstarken Nordwand im Bestand. Hinter der schönen, semitransparenten Holzlattenwand darüber lebt nun der Bauherr mit weitem Südblick im neuen, offenen Loft mit Galerie. Sauber trennt im modernisierten Bestand eine Schmutzschleuse am verglasten, ladentauglichen Schaufenster die Hofarbeit vom Wohnen.

Die Geschichte des Bauherrn ist mit dem geerbten Hof eng verwachsen. Umsichtig und ressourcenschonend schuf Architekt Peter Zinganel zu ebener Erde zwei helle, komfortable Wohnungen an der wärmespeicherstarken Nordwand im Bestand. Hinter der schönen, semitransparenten Holzlattenwand darüber lebt nun der Bauherr mit weitem Südblick im neuen, offenen Loft mit Galerie. Sauber trennt im modernisierten Bestand eine Schmutzschleuse am verglasten, ladentauglichen Schaufenster die Hofarbeit vom Wohnen.

Erbschaften sucht man sich nicht aus, sie fallen einem zu: So kam Architekt Günter Koberg zu Haus, Hof und Kühen in Hart bei Graz, wo er arbeitet. Ort und Landleben waren ihm von Kindheit vertraut, der Blick ins oststeirische Hügelland himmlisch, der Hof von der Patina dauernden Gebrauchs durchtränkt. Ans Ostende des Satteldachs baute er sich Bad, Küche, Terrasse und Außentreppe an. Er wohnte oben, unten mietete sich die Besitzerin eines Stellpferdes ein, langsam gedieh eine extensive Landwirtschaft mit Obst, Rindern, Hühnern, Ziegen und Pferden.

Die Substanz war Substandard, das Provisorium abgenutzt, der Bauherr brauchte dringend mehr Lebensqualität, Haus und Hof eine umfassende Modernisierung. Um die Richtlinien zur biologischen Landwirtschaft zu erfüllen, mussten Abläufe geklärt, Flächen abwaschbar, Arbeiten und Wohnen sauber getrennt werden. Außerdem fehlte ein Raum zu Verarbeitung und Verkauf von Käse, Fleisch, Schnaps u. Ä. Hart bei Graz ist eine beliebte, expandierende Zuzugsgemeinde, unten sollten zwei vermietbare, oben eine offene, neue Bauherrnwohnung entstehen. Architekt Peter Zinganel war prädestiniert für die komplexe Aufgabe: Intensiv erlebte der Studienfreund und häufige Gast Werden und Wachsen des Hofs mit.

Ein alter Einlieger säumt die Zufahrt im Westen. Hier leben frei laufende Altsteirer-Hühner, wird Brennholz gelagert, auf der Hügelkuppe darüber streckt sich der schmale Haustrakt fast 25 Meter ostwärts. Seine Nordlängsseite fasst den Hof mit Stall ein, aus dem das Vieh direkt auf die Weiden läuft. Unterm Traktorstadel fällt im Süden sacht der bunte Bauerngarten mit Obstbäumen und Gemüse ab. Über lehmgestampften, ziegel- und kappenüberwölbten Kellern wuchs das Langhaus in vier Phasen, Außen- wurden Zwischenwände. Um Dämmung verstärkt, hält die speichermassenstarke Nordwand öffnungsarm die Wetterseitenfront. Am südsonnigen Garten aber erhellen nun bodenlange Fenster die zwei Wohnungen mit Parkett, Sanitär- und Kochzeile im alten Gemäuer. Die Garçonniere bekam eine Westterrasse, die Garage drunter einen gedeckten Vorplatz, ein Heizraum ergänzt die bewährten Lagerkeller.

Im Osten schließt der neue, transparente Vielzweck-Raum als Laden- Schaufenster den Hof, sauber trennt die Schmutzschleuse mit Bad und WC das Arbeiten vom Wohnen, wie eine bäuerliche „Labn“ weitet sich an der Nahtstelle zum Bestand der beidseitig glastürhelle Innenzugang zum beliebten Kommunikationsort mit Grünblick. Hier streift der Bauherr sein Bauerndasein an der nordwandflankierenden Innenstiege ab, wo das neue Loft am Industrieestrich überm Mauersprung der alten Traufkante beginnt. Hinter der semitransparenten Holzlattenwand, die nun als verbindende Klammer zwischen Alt und Neu das Dach krönt, weitet sich die offene Raumflucht an der Leichtbauwand aus Glas und Leimholz der Südsonne entgegen. An den Rändern schaffen die hereinragenden, schlanken Binder 1,20 Meter breite Nischen, zwischen denen unter anderem ein Schreibtisch zum Arbeitsplatz am Landschaftspanorama wird. Sie tragen das neue Flachdach und die Galerie, die mit Schlafpodest, Himmelsblick und Lümmelcouch wie ein Cockpit in den Luftraum über Herdblock und Tisch ragt. Mit zwei Schiebetüren lässt sich das gesellige Herz vom transparenten Bad am Schlafzimmer mit Westbalkon trennen. Versteckt führt vor der gelben Schrankwand im dunklen Norden eine schmale Holzstiege auf die eingehängte Galerie. Nostalgisch endet das Loft dort, wo alles begann: im Zubau mit Südosteck-Terrasse, wo man windgeschützt vor der Lärchenlattenscheibe und zwei v-förmigen, alten Dachsparren über oststeirische Hügel bis Slowenien blickt.

Der Standard, Sa., 2005.11.19



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„Parnhansl“ Umbau und Erweiterung einer Landwirtschaft

12. November 2005Isabella Marboe
Der Standard

Lose Umschlingung vor Föhrenwipfeln

Die einzige Stiege für zwei Parteien und den Keller lag mitten in der baufraulichen Wohnung: Sie brauchte dringend mehr Privatsphäre, Wintergarten und ein stilles Schlafzimmer in ihrem Haus in Wien-Mauer. Die alte Treppe kam weg, die synn.architekten planten ihr einen kupferblechverkleideten Zubau. Elegant windet er sich zwischen den Bäumen im Vorgarten zum Wintergarten an der sonnigen Terrasse. Von ihrer Schlafgalerie überblickt sie innen und außen ihre geliebten Pflanzen, das Dach bekam eine eigene Außentreppe.

Die einzige Stiege für zwei Parteien und den Keller lag mitten in der baufraulichen Wohnung: Sie brauchte dringend mehr Privatsphäre, Wintergarten und ein stilles Schlafzimmer in ihrem Haus in Wien-Mauer. Die alte Treppe kam weg, die synn.architekten planten ihr einen kupferblechverkleideten Zubau. Elegant windet er sich zwischen den Bäumen im Vorgarten zum Wintergarten an der sonnigen Terrasse. Von ihrer Schlafgalerie überblickt sie innen und außen ihre geliebten Pflanzen, das Dach bekam eine eigene Außentreppe.

Als der Baufrau in ihrer Studienzeit das elterliche Heim zu eng wurde, nahm sie der Großvater herzlich auf. Er bewohnte das Erdgeschoss eines kleinen Hauses der Zwischenkriegszeit. Darüber lebte unterm steilen, ausladenden Krüppelwalmdach die Großtante, demokratisch teilte man sich Keller und Garten in der gediegenen Wohngegend am Maurer Rosenhügel.

Die 490-Quadratmeter- Parzelle hat vier fast gleich lange Seiten, das Haus einen quadratischen Grundriss von 8 mal 8 Metern. An der Straße im Norden passieren eine städtische Buslinie und Autos, mit weitem grünen Sicherheitsabstand stand hinter der hohen Fichte am Nordost- und der Föhre am Nordwesteck das Haus mitten im Garten. Der Großvater vermachte ihr seinen Anteil, darüber zogen die Erben der Großtante ein. Einziger Zugang für beide aber war die Innenstiege im erdgeschossigen Nordostquadranten. Bis aufs Schlafzimmer führten alle Türen der baufraulichen Wohnung in diesen Vorraum, den jeder passierten musste, der hinauf wollte. Ohne schalldicht getrennte Treppe hatte sie im hellhörigen Altbau keine ungestörte Rückzugszone, schmerzlich misste sie geschützte Intimsphäre und ungestörte Nachtruhe.

Als genug angespart war, beauftragte sie die synn.architekten mit einem Umbau, der ihre Wohnsituation einschneidend verbessern sollte. Die Baufrau liebt und lebt mit Pflanzen, brauchte einen Wintergarten und einen Arbeitsraum. Drinnen wollte sie mehr vom Garten erleben, draußen möglichst viel davon erhalten. Der gordische Knoten der Treppe kam weg, was der Baufrau einen Zubau, der Dachwohnung einen Raum mehr und eine Außenstiege schenkte. Als lochblechverkleidete Streckmetallplastik steht sie nun im Vorgarten, vom obersten Podest erklimmt man ein lattenrostgedecktes Sonnendeck. Alle Bäume blieben stehen, geschützt schmiegt sich die baufrauliche Treppe an den Nordwandknick des neuen Zubaus, der Lärm und Blicke abschirmt.

Mit horizontal gefalzten Kupferbändern verkleidet, windet er sich wie ein Schuppentier über den weiß verputzten, straßenseitigen Sockel mit separater Kellerstiege ums Westeck, kantet sich glasgeschlitzt zur auskragenden Schlafgalerie mit Bad im Süden, die sich kühn der Sonne entgegenreckt. Ihre kupferne Untersicht schützt die Terrasse darunter vor Witterung. Sie liegt genau zwischen dem lichtspendenden neuen Türdurchbruch an der Wohnraumwestwand und dem Glaswintergarten im Süden, wo durchs transparente Dach sonnenbeschienene Pflanzen üppig wachsen. Zwischenwandbefreit kann sich nun der Wohnraum mit einer einzigen Mittelstütze über die ganze Länge gartennah vom Terrassendurchbruch im Westen bis zu den zwei Ostfenstern erstrecken, dahinter ist ihr Arbeitszimmer. Wo früher der Eingang war, fließt der Bestand an einer raumhohen Glasschiebetür in den Wintergarten. An der Nahtstelle zum massiven Altbau markiert ein zweigeschosshoher, verglaster Schlitz mit Himmelsblick und Luftraum das neue Entree unterm kecken Kupfervordach. Boden und Treppe sind aus Nussholz, sie führt unter der gläsernen Luftraumnaht an der geknickten, weißen Wand auf die Schlafgalerie. U-förmig gekantete MDF-Platten für Kakteen und Kleingewächse zieren die geschlossene, von oben besonnte Nordmauer. Ein schwebendes, horizontales Bücherregal aus weißen Max-Platten dient als Brüstung, sein vertikales Pendant steht als Schrank auf der Galerie. Im weißen Bad setzen dunkelviolette Wandstreifen kontrastreiche Akzente, durchs übereck geführte Glasband flutet auch Westlicht ins Schlafzimmer daneben. Von hier sieht die Baufrau in den Garten, von der Galerie überblickt sie ihr inneres Gewächshaus, durchs Glasdach winkt oben die Föhre herein.

Der Standard, Sa., 2005.11.12



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Haus mo.na

05. November 2005Isabella Marboe
Der Standard

Strandbaderuhesitz für alle Jahreszeiten

Nachdem sein altes Greifensteiner Badehüttenjuwel sicher auf Nachbars Grund geborgen war, wagte das Bauherrenpaar einen Neubau. Im klug verschachtelten Holzhaus der eisvogel-Architektinnen Katharina Bayer und Monika Scharmitzer lebt sichs nun hochkomfortabel das ganze Jahr über. Die frech aufsitzende, niedere Schlafbox sorgt im Wohnraum für differenzierte Höhen und insgesamt drei Terrassen auf zwei Ebenen.

Nachdem sein altes Greifensteiner Badehüttenjuwel sicher auf Nachbars Grund geborgen war, wagte das Bauherrenpaar einen Neubau. Im klug verschachtelten Holzhaus der eisvogel-Architektinnen Katharina Bayer und Monika Scharmitzer lebt sichs nun hochkomfortabel das ganze Jahr über. Die frech aufsitzende, niedere Schlafbox sorgt im Wohnraum für differenzierte Höhen und insgesamt drei Terrassen auf zwei Ebenen.

Das Kraftwerk Greifenstein verwandelte die Donau an der dortigen Badesiedlung mit den malerischen Stelzenhäusern zum stillen Altarm an Auwald und Weiden. Wer letzten Herbst hier vorbeikam, staunte sehr, als ein dunkelbraunes Holzhaus mit schmucken, weißen Fenstern am Radweg stand, per Kran in die Luft gehoben und drei Parzellen weiter auf ein Stahlgerüst gesetzt wurde. Die sichere Landung feierte die eingeschworene Strandgemeinschaft ausgelassen, denn das Badehausjuwel der 30er zählt zu den schönsten in Greifenstein. Damit war der Grund der Baufrau in der ersten Reihe am Wasser frei für einen Neubau.

Als Kind verbrachte sie die Sommer im benachbarten Elternhaus, das sich Architektenbruder Andreas Fellerer mit einem puristischen, dunklen Zubau, mehr Terrassen und Glas aufrüstete. („Eine Badehütte bleibt eine Badehütte“, Franziska Leeb, Der Standard 07.07.2003). Sie erbte das Haus der Tante, lang genügte es ihrem Naturbedarf.

Mit zunehmendem Komfort schätzte die urbane Unternehmerin Ruhe und traute Gemeinschaft am Wasser immer mehr. Dann begegnete sie dem Mann ihres Lebens, der begeistert schwimmt und surft. Ganzjähriges Wohnen wurde erlaubt, der Altbau war nicht winterfest, die niederen Räume und die steile Stiege zu Mini-Schlafkojen für Gemeinsamkeit auf Dauer ungeeignet. Die jungen eisvogel-Architektinnen Katharina Bayer und Monika Scharmitzer planten das komfortable Strandhaus für die beschauliche, neue Lebensphase. Unter den Stahlstützen parkt das Auto, die mittige, rote Nebenraumbox birgt auch eine Sauna. Mit feinen horizontalen Lärchenlatten, schiffsartigem Kaminrohr und stahlseilgebrüsteten Terrassen, die sich sonnenheischend L-förmig auf zwei Ebenen um drei Hausecken winden, passt es gut ins Strandbad- Ambiente.

Das extrovertierte Paar kannte den Grund und die eigenen Bedürfnisse ganz genau: es wollte für viele Gäste offen mit großer Terrasse am Wasser im Norden, praktischer Umkleide nach dem Schwumm und Rückzugszone an der südbesonnten Gartenrückseite wohnen, die früher zu kurz kam. Oben wünschte es Schlaf, Gäste-, Arbeitsraum und WC. Kein leichtes Programm für Greifenstein, wo die Häuser zumindest 1,20 Meter überm Jahrhundertflutpegel auf Pfeilern stehen, die Grundfläche dazwischen max. 80 Quadratmeter und die Bauhöhe max. 7,50 Meter sein darf. Die Architektinnen schachtelten die niedere Schlaf- in die Wohnebene darunter. Diesem Kunstgriff verdankt das Haus zwei differenzierte Geschosse und drei üppige Terrassen. Im offenen Wohnraum betont der Deckensprung den introvertierten Charakter der 2,30 Meter niederen Lesezone.

Am Vollflächenpanoramaglas aufs Radweg-Treiben aber schaffen 2,70 Meter Raumhöhe und heller Eichenboden großzügig gastliche Weite. Vorm langen Tisch an der großen Terrasse zieht das Wasser vorbei, nostalgische Wärme verbreitet die alte, ovale Ofenpretiose aus Hallstätter Keramik, die als liebes Erinnerungsstück an der Ostwand steht. Sorgsam beschattet die Schlafbox mit den zarteren, engeren Lärchenlatten die Terrasse am Südgarten, keck überragt sie den Steg an der Westflanke, wo man die holzgedeckte Treppe am abendbesonnten Küchenfensterband zur Tür hochgleitet. Als nährender Einzeiler verbindet sie die Raumteile, gegenüber führt eine lichtdurchlässig leichte Stiege nach oben. Dezent stecken Garderobe und Bad in der grauen Box dahinter. Sie ist auch Buch- und Geschirrreservoir-Rücken fürs Wohnen, ihre Südwand birgt einen offenen Kamin, der im Winter die Lesestimmung hebt. Oben tritt man vom breiten Flur mit dem südsonnigen Arbeitsplatz auf die Ostbalkonflanke, wo drei Stufen aufs lärchengedeckte Wohnflachdach hoch übers Wasser führen, das dem Schlafzimmer entrückte Donauarmperspektiven schenkt. Gäste weckt das Morgenlicht.

Der Standard, Sa., 2005.11.05



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Badehaus Greifenstein

29. Oktober 2005Isabella Marboe
Der Standard

Rundherum holzgewickelt

Einer finanzschwachen, eigenleistungswilligen Familie ohne Gartenambitionen entwarf Architekt Gerhard Blasisker ein Low-Budget- Haus mit selbstbaugerechten Details und vermietbarem Einlieger am Garten. Blickschützend mäandert sich die sägeraue Holzfassade um den Kontrapunkt-Bau im Tiroler Ort Weer. Seine drei Ebenen mit großer Dachterrasse zum ungestörten Grillen bieten alles, was es zum Leben braucht.

Einer finanzschwachen, eigenleistungswilligen Familie ohne Gartenambitionen entwarf Architekt Gerhard Blasisker ein Low-Budget- Haus mit selbstbaugerechten Details und vermietbarem Einlieger am Garten. Blickschützend mäandert sich die sägeraue Holzfassade um den Kontrapunkt-Bau im Tiroler Ort Weer. Seine drei Ebenen mit großer Dachterrasse zum ungestörten Grillen bieten alles, was es zum Leben braucht.

An den Kauf eines Grundstücks ließ sich beim mageren Budget gar nicht erst denken, auch Wohnungen in und um Innsbruck waren unleistbar. Also beschlossen die Bauherren, ihr Wohnschicksal in die Hand zu nehmen und sich das eigene Haus am elterlichen Grund selbst zu bauen. Architekt Gerhard Blasisker gab Konstruktionsanleitung und plante einen klar konzipierten Low-Budget-Bau mit handfertigen Details. Das Paar erwartete sein erstes Kind, reist leidenschaftlich gern, hat oft Gäste und wollte möglichst energieschonend, ungestört und günstig mit Sonne und Fernblick leben. Innige Nachbarschafts- und intensive Gartenpflege ist nicht ihr Ding. Sie brauchten offene, gesellige Wohnräume, individuelle Rückzugsnischen und einen uneinsehbaren Platz im Freien zum Grillen, Feiern, Kartenspielen. Im Garten sollte ein vermietbarer Einlieger liegen, wo später ein erwachsenes Kind wohnen konnte. Der Grund liegt etwa 15 km östlich von Innsbruck im kleinen Ort Weer: eine Anhäufung typischer Tiroler Einfamilienhäuser mit ausladenden Dächern in sauber parzellierten Gärten, die im Tal vor mächtigen Bergrücken dicht aneinander rücken. Unweit vom Dorfkern, liegt der 700-Quadratmeter- Grund inmitten einer einfamilienhausgesäumten Zufahrtsstraßeninsel. Selbstbewusst steht nun der dreistöckige, kompakte Bau mit seiner sägerauen Lärchenholzschalung im Garten auf einer 1,5 Meter dicken Betonplatte, die als Frostkoffer wirkt. Rechteckig, mit Flachdach, 10 m lang, 5 m breit, hält er geradlinig dem vorherrschenden alpinen Hausstil stand. Die uneinsehbaren Glasbänder unter der Decke, die je nach Blick- und Himmelsrichtung schräg auf- und abwärts wandern, holen präzise und achtsam die Landschaft herein. Lapidar sind in die günstige Fixverglasung zum Lüften Fensterstöcke eingeschnitten, hinterm obersten Wandstreifen weitet sich die Wohn-Koch- Ess-Ebene zur Dachterrasse: Hoch überm Nachbarhorizont ist hier nur noch Alpennaturpanorama.

Die aufmerksame Abfolge introvertierter und extrovertierter Zonen und höchste Ökonomie bei materiellen und energetischen Ressourcen sind die Themen dieses Hauses, Licht und Ausblick durch die bewegten Glasbänder akzentuieren Rückzug oder Weite. Die Reduktion aufs Nötigste eröffnet hier der Familie die Freiheit, die sie zum lebendigen Wachsen braucht. Installationsführende Fertigteildecken, aus deren Löchern lapidar Glühbirnen ragen, und rau verputzte Stahlbetonscheiben bilden konstruktive Grundstruktur und fast türlos auf jeder Ebene differenziert fließenden Raum. Stark gedämmt, wirken sie auch als betonkernaktivierte, gedämmte Speichermasse für den Niedrigenergiestandard und die schalltechnische Trennung des Einliegers. Blickweitend knickt sich das Horizontalband in dessen Wohnküche am Südwesteck abwärts, um sich überm offenen Badeflur dezent lichtspendend an die Decke zurückzuziehen.

Der Familieneingang ist eben im Süden, an der ersten und einzigen durchgehenden, schalldichten Wandscheibe im Osten führt oberlichtbandhell die einläufige Fertigteilstiege nach oben, wo zwei Scheiben einen mittig nord-südbelichteten Raumstreifen definieren. Hinter der Ostwand liegt mit Schiebetüroption der Badeflur mit Toilette, im Westen lassen sich zwei Räume schaffen. Das Herz des Familienlebens aber schlägt ganz oben, wo sich meterlang die einzeilige Küche an die Nordlängsseite schmiegt, um dem Essen vorm aufblendenden Südostglaseck mit Kellerjochblick offen zu stehen, während sie das Wandeck ums oberlichterhellte Wohnen optisch ausblendet. Die hohen Scheiben schaffen einen intim geschützten Rahmen, vor dem die Dachterrassenweite an der Westglasfront umso stärker wirkt.

Der Standard, Sa., 2005.10.29



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Haus Madi

22. Oktober 2005Isabella Marboe
Der Standard

Lichtblicke in St. Pölten

Außen von skandinavischer Schlichtheit, besticht das rechteckige, zweistöckige Haus der junger_beer architektur zt-keg in St. Pölten innen mit fließenden, atmosphärisch von einer subtilen Lichtregie inszenierten Räumen. In differenzierten Höhen winden sie sich an Rampen und Stiegen um einen kompakten inneren Kern zur oberen Schlafebene, die am Luftraum des zweigeschosshoch verglasten Wohnraums ausfließt.

Außen von skandinavischer Schlichtheit, besticht das rechteckige, zweistöckige Haus der junger_beer architektur zt-keg in St. Pölten innen mit fließenden, atmosphärisch von einer subtilen Lichtregie inszenierten Räumen. In differenzierten Höhen winden sie sich an Rampen und Stiegen um einen kompakten inneren Kern zur oberen Schlafebene, die am Luftraum des zweigeschosshoch verglasten Wohnraums ausfließt.

Lang lebte der Bauherr in Norwegen, sein Faible für schwedischnorwegisches Design nahm er mit nach St. Pölten, wo sie arbeitet. Er pendelt nach Wien, beide wurden am Land groß und ersehnten ein Haus mit Garten, damit ihr Kind gedeihlich aufwachsen konnte. Als hinterm Bahnhofs-Park+Ride eine Siedlung neuparzelliert wurde, war der Idealort gefunden. Das Haus sollte Budget und Niedrigenergie- Fördergrenze von 150 m² nicht sprengen und so zeitlos sein wie nordische Bauten. Ein Architekt plante eine Einreichung, doch irgendetwas fehlte den Bauherren, sie wandten sich zwecks kosmetischer Hauskorrektur ans Büro junger_ beer architektur. Die erklärten, dass Architektur von innen herauswachsen muss. So begann der Entwurfsprozess zum klaren, weißverputzten Quader mit westwetterseitiger Lärchenfront, die als bergende Kante mit sonnenschützenden Vordach die offene Südlängsseite rahmt. Innen windet sich bei subtiler Lichtregie ein Raumkontinuum differenzierter Wohnzonen an Rampen und Stiegen um den zentralen Hauskern in die obere Schlafebene.

Ein Straßengitter erschließt den noch lose bebauten Siedlungsteppich, der Grund liegt nord-und ostseitig an der Kreuzung, die Zufahrt an der Nordlängsflanke, schräg gegenüber stehen ein paar gleichgetaktete, ältere Häuser, im Süden eine toskana-inspirierte Villa, zügig werden viele weitere Stile folgen. Ohne zu brüskieren, distanziert sich der schlichte Quader klar vom inhomogenen Umfeld, zieht sich in seiner Orientierung um den Kern gleichsam konzentriert ins eigene Innere zurück. Einige gezielt gesetzte Öffnungen durchbrechen die Fassaden, um die Räume dahinter in differenziertes, fast abstraktes Licht zu tauchen. Das beginnt schon am Vordach, dessen Untersicht aus spiegelglatt lackierter, reflektierender Seekiefer auf zartweißen Stützen überm Carport schwebt. Er schafft Distanz zur Straße und zugleich eine große, halböffentliche Vorzone, die in der Sichtbetonscheibe vor der oberlichthellen Eingangsnische mit Grünblick im Nordosteck noch differenziert wird.

Durch den haushohen Glasschlitz im lärchenverkleideten Westen wandert die Abendsonne zwischen weiß lackierten, tennisnetzgebrüsteten Metallstufen die ganze Nordwand bis zur bordauxroten Garderobe vor, wo durchs Terrassentürglas vor der breiten Rampe zwischen grauen Kellerstiegenwänden und Haustechnikkern der Garten winkt. Vor ihm entfaltet sich südbesonnt auf rotbraunem afrikanischem Doussier-Holz im ansteigenden Raumkontinuum das gemeinsame Familienleben bis zum zweigeschossig verglasten Wohnraum sukzessive zu mehr Licht und Grünblick. Ein Ostfenster mit kräutergesäumter Terrasse zum Frühstück bei Morgensonne belichtet die Esszone, von der eine Rampe den kommunikativnährenden warmgrauen Küchenblock, dessen Stauraumrücken mit dem Kern verschmilzt, entlanggleitet.

Im Schutz der Sichtbetonscheibe an der Grundgrenze, die mit dem Sitzblock im Westen einen künftig pergolabewachsenen Freiraum definiert, kann sich das luftiglichte 5,15 m hohe Wohnen komplett zum Südpanoramaglas an der Terrasse öffnen. Die auskragend nischenbildende Lärchenkante schützt vor Überhitzung, der Kern wird zum Buchregal, nachts sorgt der reflektierende Metalllamellen- Design-Klassiker „Tannenzapfen“ von Louis Paulsens für Atmosphäre. Spotbelichtet, ragt das Ende der Raumschnecke als weiße Schlafgalerie herein. Sie gleitet ruhig auf einer Ebene um die graue, weichkantige, innen weiß verflieste, oberbelichthelle Bade-und Schrankraumkernkapsel in die zwei Elternzimmer mit Südfenster über. Der Raum im Osten gehört dem Kind: hier weicht das abstrakte Licht dem Ötscher-Blick.

Der Standard, Sa., 2005.10.22



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Haus in St. Pölten

15. Oktober 2005Isabella Marboe
Der Standard

Kleingartenidyll mit Seeblick

Konsequent verwirklichte sich Baufrau und Planerin Martina Eichberger am Pachtgrund im Kleingartenverein Zukunft ihren Traum vom sommerlichen Leben mit drei Kindern. Mit pergolabeschatteter Terrasse am Biotop im Süden, offenem Wohnraum vorm Obstgartenstreifen im Osten und lauschigem Schlafgeschoss sorgt hier nun ein puristischer, lärchenholzverkleideter Hausquader für Lebenskomfort und moderne Architektur.

Konsequent verwirklichte sich Baufrau und Planerin Martina Eichberger am Pachtgrund im Kleingartenverein Zukunft ihren Traum vom sommerlichen Leben mit drei Kindern. Mit pergolabeschatteter Terrasse am Biotop im Süden, offenem Wohnraum vorm Obstgartenstreifen im Osten und lauschigem Schlafgeschoss sorgt hier nun ein puristischer, lärchenholzverkleideter Hausquader für Lebenskomfort und moderne Architektur.

Heftig tost der Verkehr am Johnstrassen-Possingergassenhügel. Hinter Plakatwänden, Universitätssportzentrum und Gymnasium aber legt sich ab der stark befahrenen Gablenzgasse der Kleingartenverein „Zukunft“ idyllisch über die Schmelz. Heuer wird die freundliche Lunge für abgasgeplagte Stadtflaneure mit Spielplatz an bank-und baumgesäumten Wegen 85 Jahre alt. 680 Parzellen gruppieren sich hier ums Schutzhaus zur Zukunft mit den alten Kastanien. Streng regeln die Vereinsstatuten, wie Grund und Boden dieses durchgrünten innerstädtischen Kleingartengebiets zu bepflanzen und bebauen sind. Die einsichtigen Gärten muss pro 50 m² ein Obstbaum zieren, Häuser dürfen max. 35 m² groß sein, Wasser gibt es nur von März bis Mitte November, dann blühen Natur und Leben.

Hier verlebte die Bauphysikerin und ausgebildete Architektin Martina Eichberger ihre Kindheit, auch ihr Nachwuchs tobte am großelterlichen, kaum 300 m² Pachtgrund freudig umher. In erster Reihe bildet seine Westflanke vorm Gymnasium am Hauptfußweg gleichsam die Vorhut, im Norden sticht der Vereinsweg tief in die Kleingärten dahinter. Fernab der Wege, duckte sich das desolate, lehmverfachte alte Häuslein an die Südgrundgrenze. Hausmann Johannes Kirnbauer ist Tischler und Bauingenieurstudent, das Paar baute neu und setzte mit minimalem Budget, viel Eigenleistung und Lärchenholz auf kaum 33 m² konsequent ihren Sommerhaus-Traum im Kleingarten um. Freunde kommen oft, man wollte eine gastliche Wohnküche und hautnah die Jahreszeiten erleben. Abends sollten die drei Kinder ruhig schlafen und die Eltern sich im Strahl der Abendsonne auf einer Terrasse ein Glas Wein gönnen können.

Kellerlos steht das Haus von kaum 5 x 6,7 m auf einer Fundamentplatte am Nordwesteck. So kann sich der morgenbesonnte alte Apfel-und Birnbaumgarten über die ganze Länge entfalten, wo Schaukel und Sandkiste die Kleinen beglücken. Die Küche liegt strategisch blickgünstig nord-osteck- verglast im Erdgeschoss. Quer durchlüftbar, bringen die Fenster mit der hinterlüfteten Holzfassade klimaanlagefrei ein gutes Raumklima, Wasserquelle ist der Regen. Rundum mit horizontalen, schmalen Lärchenlatten verkleidet, fügt sich der puristische Quader wunderbar in seine Umgebung. Gegen Sonne und Einbruch schützen die Lamellen, die sich auf einer zarten Metallschiene bündig vor die Fenster schieben lassen, an der Ostlängsfront vorm Kochwohnraum sind sie platzsparend hochklappbar auch als Tisch im Freien zu verwenden. Wenn die Nacht hereinbricht, ist das Haus ganz zu.

Tagsüber schimmert durchs Über-Eck-Glas schon vom Vereinsweg über die transparente Wohraumfront der Hintergarten durch, wo an der schilfgedeckten Südterrasse mit der weinrankenbewachsenen Pergola am kleinen Biotop Seegefühle aufkommen. Der Eingang liegt einraumteilend mittig im Osten zwischen dem 2,50 m hohen Wohnen und der niederen Küche. Das Erdgeschoss an der leicht übers Wasser ragenden Terrasse ist weiß verputzt, über der steilen Lärchenstiege aber herrscht unter der Flachdachneigung im rundum nut-und feder-fichtenholzverkleideten Raum Matratzenlagerromantik: hier schafft der Deckensprung ein Kinderschlafpodest vorm extra niederen, abendbesonnten Fensterband, die Eltern haben im Süden mehr Höhe und Glas mit Ablage und Ausblick. Alle Wände des zellulosegedämmten Holzriegelleichtbaus sind in der Zimmerei vorgefertigt, die Decke aus Massivholz, jede Wand-Fenster-Treppen-Nische als Stauraum genutzt. Ein langer Gartenschuppen schirmt im Westen vom Gehweg ab, der Vorbereich wird noch mit einer Grünlaube gestaltet und so eine Atmosphäre mehr in den Kleingarten zaubern.

Der Standard, Sa., 2005.10.15



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Kleingartenhaus

08. Oktober 2005Isabella Marboe
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Hausklamm an der Kranebitter Klamm

Im Schatten der Kranebitter Schlucht entwarf Architekt Johann Obermoser ein Haus, das so archaisch ist wie die Gebirgslandschaft. Eine Stiegenkaskade an einer klammartigen Sichtbetonscheibe erschließt den mit rostigen Blechpanelen verkleideten Baukörper, der sich im Westen mit transparenten Wohnebenen, flugdachartiger Terrasse und Glaskeller zum Wiesengrund mit Schwimmkanal öffnet. Die Kinder leben autonom in zwei Lofts am eigenen Treppenturm.

Im Schatten der Kranebitter Schlucht entwarf Architekt Johann Obermoser ein Haus, das so archaisch ist wie die Gebirgslandschaft. Eine Stiegenkaskade an einer klammartigen Sichtbetonscheibe erschließt den mit rostigen Blechpanelen verkleideten Baukörper, der sich im Westen mit transparenten Wohnebenen, flugdachartiger Terrasse und Glaskeller zum Wiesengrund mit Schwimmkanal öffnet. Die Kinder leben autonom in zwei Lofts am eigenen Treppenturm.

Schroff und mächtig ragen die Felsen der Kranebitter Klamm in den Himmel über Tirol. Unweit von Innsbruck liegt diese Schlucht im Mischwald der unteren Nordkette, deren Naturgewalt die Bauherrn sofort faszinierte. Hier kauften sie 2000 m² Freiland mit partieller Bauwidmung. Versteckt hinter einer scharfen Straßenkehre, liegt seine Ostgrenze in der Verlängerungsachse der Schlucht. Laut tost der Bach durch dichte, gebirgig ansteigende Föhren, vor denen sich der Grund imWesten zur Wiesenlichtung weitet, nach Süden abfällt und dann wieder in Wald übergeht.

Eine archaische, urwüchsige Landschaft, wie geschaffen für die Bauherrn und ihren Architekten, Johann Obermoser: drei starke Charaktere, die sich seit Jahren kennen. 1992 kauften sie den Wald- und Wiesengrund, seither keimte die Idee zum Haus mit Pool im Garten, wo man beiWind und Wetter schwimmen kann. Obermoser wusste um die baufrauliche Liebe zu offenen, modernen Räumen, den bauherrlichen Hang zu Gletschern, rustikalen Bauernstuben und seine Sammelleidenschaft für ausgefallenes Spielzeug. Die zwei fast erwachsenen Kinder wollten autonom, doch in Reichweite der elterlichen Nabel- und Nährschnur leben.

Vieler Worte bedurfte es beim Planen und Bauen nicht mehr. Das Paar vertraute der schöpferischen Intuition des Architekten blind und bekam, was es wollte: ein Haus, so archaisch wie die Landschaft. Mit rostigen Blechpanelen verkleidet, liegt es an einer rauen Sichtbetonklamm mit oberlichtgefluteter Treppe, wo die drei Wohnebenen andocken. Mit verglaster West- und Südfront öffnen sie sich zur Landschaft, um von der schwebenden Terrasse mit einer steilen Außentreppe im 15 m langen Schwimmkanal vorm gläsernen Spielkeller in sie einzutauchen. Wie ein Glühwürmchen schimmert nachts Licht durchs satinierte Garagenglastor an der Zufahrt im Nordosten, die sich gartenseitig zur Pergola ausweitet. Sie bildet den Auftakt zur imposanten Hausskulptur für zwei Generationen. Eine hohe, scharfkantige Sichtbetonscheibe flankiert die Ostlängsfront, rätselhaft ragt eine schwebende Betonbox aus der Wand, über die sich ein gletschereisiger Glasquader schiebt, dahinter ragen die rostigen Blechpanele des Hausbaukörpers hoch.

Regentropfen malen feine Rinnsale aufs Oberlicht vor Föhrenwipfeln, darunter schwingt sich die Treppenkaskade aus sich verjüngenden, schwebend gesetzten Holzstufen die Wandscheibenklamm hoch. Sie erschließt die drei Elternebenen, das Reich der Kinder ist am Stiegenturm im Nordeck: zwei Einraumlofts mit Sanitärbox und Zugang auf die Terrasse, die wie ein Flugdach dynamisch am elterlichenWohnloft entlang gleitet, um schwebend am Südglas einzurasten, wo sie Pool und Vorgarten am Sauna-Fitness- Keller, der auf der tieferliegenden Naturgartenerde aufsetzt, tagsüber beschattet und nachts deckenlichtflutet.

Hier genießt der Bauherr mit Blick aufs Wasser seine Sammelerausbeute: Wurlitzer, Flipper, Roboter, eine schicke Nirostabar und andere Gemütsaufheller bevölkern den Raum, an dessen abschließender Wandscheibe eine Treppe ins zentraleWohnloft schwebt. Ein riesiger, eichenholzgedeckter Raum mit offenem Küchenblock, langem, großen Esstisch am westseitigen, waldgesäumten Wiesenpanorama mit südseitiger Sitzecke.

Hier lüftet an der Treppengalerie auch die hereinragende Betonbox ihr Geheimnis: holzgetäfelt, mit Eckbank, Tisch und Kamin bietet sie authentisches Bauernstubenambiente. In der Schlafebene darüber aber herrscht, von der weißen Wanne hinter der Treppenluftbrücke, unterm Oberlicht übers verglaste Schlafzimmer mit intimem Südbalkon bis zum Arbeitsraum der Bauherrin wieder moderne Transparenz.

Der Standard, Sa., 2005.10.08



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Haus H.

01. Oktober 2005Isabella Marboe
Der Standard

Sinfonie in Weiß

Als zarte, wärmespeichernde Wandscheibe mit filigran-zarter sonnenseitiger, blickweitender Glashaut fasst der neue Hauswinkel in Oberkirchbach von Runser und Prantl behutsam Terrasse, Pool, Gartenidyll und Weitblick im Westen ein. Eine Architektursinfonie in Weiß mit fein gesponnener Partitur, die zwischen den schönen alten Föhren und Birken fast verschwindet.

Als zarte, wärmespeichernde Wandscheibe mit filigran-zarter sonnenseitiger, blickweitender Glashaut fasst der neue Hauswinkel in Oberkirchbach von Runser und Prantl behutsam Terrasse, Pool, Gartenidyll und Weitblick im Westen ein. Eine Architektursinfonie in Weiß mit fein gesponnener Partitur, die zwischen den schönen alten Föhren und Birken fast verschwindet.

Bei lufthungrigen Städtern ist das nahe Oberkirchbach im Wienerwald als Sommerfrische sehr beliebt. Auf dem Hügel überm kleinen Straßendorf grasen Pferde, hier hatten die Eltern der Bauherren einen großen, gepflegten Garten mit schönen Bäumen. Zwischen voluminösen Satteldachhäusern im Norden und Süden liegt die Schmalseite an der Straßensteigung im Osten. Blickdicht heckenumwachsen, neigt sich der im unteren Drittel grünland gewidmete Grund über 60 Meter westwärts. An der Baulinie im Nordsaum stand ein kompakter, 8,3 Meter mal 9,2 Meter großer Holzriegelbau. Der niedere Bungalow vom Baujahr 1962 barg wenig Komfort und einen gravierenden Nachteil: Die Wetterseite im Westen war zu, Landschaft und Abendsonne blieben draußen.

Das Bauherrenpaar lebt und arbeitet im Ausland, die lange Suche nach dem optimalen Ferienort mündete in der Einsicht, dass Oberkirchbach nicht zu überbieten war. Zum ganzen Glück fehlte nur ein offenes, rasch beheizbares Haus, wo man kultiviert im Garten leben konnte. Mit großem Wohnraum, Pool, Terrasse, Schlafund zwei Gästezimmern sollte es ein großfamiliärer Treffpunkt sein. Die Architekten Runser und Prantl nahmen gleich die Baumgruppen wahr und gewissenhaft auf, um das Haus behutsam in deren gewachsene Naturschönheit zu setzen. Statt dem Altbau legt sich nun ein klarer, elegant reduzierter Winkel ins Gelände, fasst souverän wetterschützend und transparent blickweitend die Terrasse an Pool und Westpanorama ein.

Den verkleinerten Auftakt zum L-förmigen Haus bildet die weiße Carport-Mauer an der Nordgrenze mit winddichtem Müll-und Lagerraum, der den Keller obsolet macht. Edel designte Stahlzylinder von Jakob Uhl beleuchten den sachten Wegschwung um die mächtige Birke im Vorgarten, in der Mulde dahinter ruht die niedere, weiße Ostwandscheibe. Ein morgenbesonntes Fensterband belichtet den Flur dahinter, grün blitzt es durch den Glaseingang. Er liegt strategisch exakt in der Schnittlinie zwischen langem, privatem Osttrakt und der kurzen, geselligen Nordflanke, die beide in weißgerahmter Transparenz am Terrassenwinkel um Wasser und Weitblick zusammenfinden.

Weiß sind die Wände, weiß geölt der Eichenboden, weiß die Stahlbetondecke, die als schattenspendendes Vordach den Raum am Terrassensaum ins Freie dehnt. Wärmespeichernd umgibt der weiße, außengedämmte Stahlbetonmantel den skelettartig filigran weiß-stahlgerahmten Glasinnenwinkel. Weiße Vorhänge bilden den Sonnenschutz, die tragenden Rundstützen aus Sichtbeton erinnern daran, dass drinnen nicht ganz draußen ist. Weiß kantet sich der reduzierte Stauraumrücken aus dem Nordosteck, der offene, weiße Küchenblock birgt auch die Bibliothek. Nur der Kamin am Wandende im rundum verglasten Sitzbereich ist aus schwarzem Metall: Er wird in Schneewintern wohlige Stimmung verbreiten.

Von der Tragstruktur bis ins Detail folgt alles dem Raster, eine konstruktive Partitur, deren räumliche Harmonie die Sinfonie in Weiß bis zum Aufeinandertreffen von Wand und Rundstütze in Feinschwingung versetzt. Oberlichter über den Wandscheiben der Gästezimmer, ein glasmöbliertes Bad, in dessen Spiegel sich die Natur, die durchs Übereck- Glas in den großen, abschließenden Schlaf-Arbeitsraum einfällt, nochmals bricht, lassen innen das Licht ungebrochen fluten. Alle raumhoch verglasten Zimmer haben Direktzugang zur Eichenterrasse, in die sich das mit weißem Polyester ausgeschäumte Pool gräbt. Kaum größer als sein Vorgänger, offenbart der zarte, weiße Hauswinkel ein neues Panorama im Cinemascopeformat, das den ganzen Wienerwaldhorizont umfasst. Vom Ortsgasthaus aus aber verschwindet er fast hinter Birken und Föhren.

Der Standard, Sa., 2005.10.01



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Haus K.

24. September 2005Isabella Marboe
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Eine Stadtvilla für zwölf

Dem innovativen Bauträger PRISMA entwarfen die Architekten PPAG einen urbanen, von eleganten Fensterbandmäandern, Loggien, Terrassen und Gaupen differenziert gegliederten Solitär. Als abgetreppte Terrassenlandschaftsskulptur legt sich das Split-Level-Haus über den Döblinger Hang, in dem sich urbaner Wohnkomfort ausblicksreich mit balkon- oder eigengrünflankierter Naturnähe verbindet.

Dem innovativen Bauträger PRISMA entwarfen die Architekten PPAG einen urbanen, von eleganten Fensterbandmäandern, Loggien, Terrassen und Gaupen differenziert gegliederten Solitär. Als abgetreppte Terrassenlandschaftsskulptur legt sich das Split-Level-Haus über den Döblinger Hang, in dem sich urbaner Wohnkomfort ausblicksreich mit balkon- oder eigengrünflankierter Naturnähe verbindet.

Mit den von BKK3 geplanten Impulszentren IP.ONE und IP.TWO realisierte das Unternehmen PRISMA bereits innovative Büros in Wien, auf zwei Döblinger Parzellen schrieb es als ambitionierter Wohnbauträger einen Wettbewerb aus. Hier gilt Bauklasse I mit 7,50 Meter Traufhöhe und 45 Grad Dachneigung. Investigativachtsam erforschten die Architekten PPAG die Bauordnung, optimal nutzt ihr Siegerprojekt den schwierigen Grund, der diagonal vom straßenseitigen Südostspitz zum grünen Nordosten um acht Meter abfällt. Souverän treppt sich ihr Terrassenhaus über eine Split- Level-Kante an der Mittellinie ins garagenrampenumkurvte Gelände, schenkt so den Bewohnern ein Gartengeschoss mit Eigengrün und 12 hochwertige, ebene Wohnungen an viel Blick und Freiraum.

Raffiniert schmiegt sich das Haus ins Gelände. Architekturplastisch mit bis zu 2,70 Meter tiefen, von zarten Edelstahlnetzen umkränzten Terrassen, Balkonen, Loggien und alugerahmten Fensterbandmäandern strukturiert, fügt sich die edle, elfenbeinfarbene Stadtvilla in ihre exquisite Nachbarschaft. Die Optimalnutzung des Grunds wurde zur Entwurfsherausforderung, das Ausreizen der Möglichkeiten des Bauordnungsrahmens zum Gestaltungsmittel. Dabei erwies sich Paragraf 81.(2), der den Gebäudemantel betrifft, als sehr fruchtbar: In Streifen geteilt, passen sich die Fassaden dem sanft modellierten Hang an.

Hier treffen Stadt und Land aufeinander: der Glanzinggassenblick im Süden mündet im kleinen Obstgarten gegenüber, im baumgesäumten Norden sieht man weingebirgige Kleingärten, im Osten blitzt die Donaucity-Skyline auf, die Westfront versinkt im Hang. Der urbane Solitär konnte also seine Terrassen in alle Himmelsrichtungen recken, denn Wohnqualität ist hier vor allem Naturnähe. Loggien und Gaupen dieser Stadtvilla sind so gesetzt, dass sie als lichtspendende Wohnraumerweiterung umgebene Ausblicke am besten zur Geltung und tief ins Innere bringen, damit jeder der individuellen Grundrisse ein Maximum an Licht und eigenen Panoramen hat. Einladend säumen Bänke an der Straße die Betonwand vorm Haus, als expressive Raumschleife kurvt sich die Tiefgaragenzufahrt in die Kellereingeweide. Über eine luftige Brücke schreitet man zum Eingang am mittigen, oberlichthellen, doppelläufigen Stiegenhaus, das auch statischer Kern des Stahlskelettbaus ist. Verbindend erschließen nussbraune Travertinpodeste die höhere Westhaushälfte mit der ein Halbgeschoss tiefer liegenden im Osten. Einstiegsebene in den abgetreppten Solitär ist das Erdgeschoss, wo sich eine ausladende Terrasse ums Westeck windet, um im Norden als Balkon in einer licht-und luftspendenden Loggia zu münden. Ein Halbgeschoss tiefer setzt das Haus mit fulminantem Tiefgaragenrampenpanorama im Garten auf, am tiefsten Hangpunkt im Osten entfaltet sich ein lauschiges Idyll an efeuumrankten Baumstämmen.

Alle Geschosse sind 2,65 Meter hoch, alle 60- bis 150-Quadratmeter- Einheiten zumindest zweiseitig belichtet, die bodennahen haben Eigengärten, die darüber große Terrassen. Eben zugänglich, nutzen sie teils darunterliegende Decken und hinterlassen dort einen Abdruck, der reizvoll höhendifferenzierte Räume ausbildet. Die umlaufenden Fensterbänder variieren vom schmalen Glashorizont zwischen Küchenzeilen über Mittelpanoramen bis zum raumhohen Cinemascopeformat an übereck geführten Terrassen. Besondere Panoramenvielfalt herrscht im Dachtop, dessen gesamte Westfront sich mit zurückspringender Terrassenflucht zum Föhrengipfelblick weitet, um im Norden am offenen Wohnen ausufernde vier Meter zu Wienerwald und Millenniumstower vorzuspringen. Sein Pendant im Osten kontert mit Exklusivzugang aufs oberste Terrassenflachdach.

Der Standard, Sa., 2005.09.24



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Wohnbau Glanzinggasse

10. September 2005Isabella Marboe
Der Standard

Tiroler Hausverwandlung

Architekt Martin Maximilian Weiskopf verwandelte ein finsteres, biederes Einfamilienhaus im Tiroler Look zur eleganten, licht-und raumgefluteten Hausgeometrie....

Architekt Martin Maximilian Weiskopf verwandelte ein finsteres, biederes Einfamilienhaus im Tiroler Look zur eleganten, licht-und raumgefluteten Hausgeometrie....

Architekt Martin Maximilian Weiskopf verwandelte ein finsteres, biederes Einfamilienhaus im Tiroler Look zur eleganten, licht-und raumgefluteten Hausgeometrie. Von Vordach, ausladendem Holzbalkon und Veranda befreit, öffnen sich nun vor transparenter Südfassade und terrassenreichen Nurglaswintergartenquader im Garten neue Lebensperspektiven.

Ganz Wattens und Umgebung tragen den Stempel des umsatzstarken Familienkonzerns Swarovski, dem bedeutendsten Arbeitgeber der Region. Touristenströme fluten die u.a. von André Heller in schillernde Kunstmagie getauchten Kristallwelten, die zwischen Lagern, Werksbauten und Fabrikschloten im Tiroler Gebirgstal liegen. Im nahen Fritzens errichtete Swarowski eine Arbeitersiedlung, wo sich in gleichförmigem Regelmaß 1000 Quadratmeter Parzellen mit Einfamilienhäusern im Tirolerlook zum Siedlungsteppich um Kirche, Schule und Supermarkt formieren.

Auf so einem Grund mit Zufahrt im Norden hatten die Eltern des Bauherrn 1952 ein Haus gebaut: neun Meter im Quadrat, Vorraum, Küche, eine kleine Stiege, Wohnen zum Garten im Süden. Beschattet von hohen Nadelbäumen, Holzveranda und „Tiroler“ Balkon drang kaum Licht ein, oben herrschte bei beschnittener Raumhöhe unterm auskragenden Satteldach noch mehr düstere Enge. Der Bauherr arbeitet in Innsbruck, verkehrstechnisch war Fritzens günstig, preislich unschlagbar. Eher lustlos wohnte er im Erdgeschoss, bis er die Selbstbeschneidung von Licht, Raum und Blick satt hatte. Er träumte einer hellen Wohnküche mit Wintergarten, wo er endlich Freunde zum Essen einladen konnte, außerdem war eine energie-und bautechnische Aufrüstung überfällig. Architekt Maximilian Weißkopf hatte die frühe Kindheit in Fritzens verlebt. Voll Respekt für die alte Kubatur plante er das Haus um und verwandelte es doch innen wie außen in etwas ganz Neues.

Eingekleidet in eine hinterlüftete Vollwärmeschutzfassade aus feinen, vertikalen, drei Zentimeter schmalen Holzlatten, die sich schräg zugespitzt zum eleganten, glasgebrüsteten Südbalkon einbuchtet, unter dem schimmernd der Glaswintergarten in die Wiese ragt, wird der biedere Altbau zur reduzierten Hausgeometrie. Außen schafft die homogene Hülle Einheit, innen führt eine radikale Entkernung zum neuen, hellen Wohnerleben. Nur Außenwände und Stiege blieben, dank neuer Deckenfelder legt sich das Erdgeschoss als ein Großraum um den Treppenkern, fast ganz aufgelöst ist die transparente Südseite mit dem Nurglaswintergarten, der sich ostfluchtend in den baumbefreiten Garten schiebt. Selbst seine Tragstruktur ist aus Glas, nichts stört das Rundum- Panorama mit West-Ost-Südsonne unterm freien Himmel, wo man über Garten, Kirchturm bis zu Inntal und Brenner blickt. Vor Überhitzung schützen 50 Düsen, die permanent einen beruhigenden, luftwirbelgekühlten Wasserfilm übers leicht geneigte Dach sprühen.

Hinter der Garage mit erstem Gartendurchblick ragt ein neuer holzverschalter Windfangzubau mit Garderobe an lattenbreiten Lichtzwischenräumen aus der Nordfront. Schon hier gibt das raumhoch glasgefasste Stiegenpodesteck den Blick durch den wandlosen Raum zum Garten am Bergpanorama frei. Aus der Küchenzeilennordwand mäandert ein offener, granitgedeckter Herdblock, frei fließt davor der eichenparkettgedeckte Raum übers verglaste Westeck zur Südfront, weiter auf die Betonterrasse mit Wasserbecken, die sich um die Hauskante knickt, zur ausufernden, lärchengedeckten Terrasse um den Glasquader aufsteigt, die mit zwei Treppen im Obstgarten aufsetzt. Auch oben wurde angenehm belebbarer Dachraum: ein großes, neues Fenster im Norden schenkt dem Bauherrn ein Arbeitszimmer mit Aussicht auf die Fritzener Landidylle. Als kleine, neue Loggia lugt das Bad vor, ein horizontales Fensterband in Wannenhöhe bringt Licht und Baumkronenblick. Die zwei Räume unter der Dachschräge im Süden teilen sich das Bergpanorama vom gedeckten Balkon in der Lärchenholzlattenschale. Zwei neue Wohnebenen im Garten für neue Lebensperspektiven.

Der Standard, Sa., 2005.09.10



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Wohnhaus Fritzens

03. September 2005Isabella Marboe
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Prisma der Landschaft

Geradlinig, schlicht und schön nimmt das Haus von Architekt Konrad Schermann sein langes, großes Grundstück in Besitz. Ein kubischer Blickfänger im sanfthügeligen Weinviertler Rußbachtal, der mit verschiedenformatigen, umsichtig gesetzten Fenstern, vorspringender Loggia, raffinierter Verglasung und Luftraum im Innern wie ein Magnet die schönsten Ausblicke einfängt

Geradlinig, schlicht und schön nimmt das Haus von Architekt Konrad Schermann sein langes, großes Grundstück in Besitz. Ein kubischer Blickfänger im sanfthügeligen Weinviertler Rußbachtal, der mit verschiedenformatigen, umsichtig gesetzten Fenstern, vorspringender Loggia, raffinierter Verglasung und Luftraum im Innern wie ein Magnet die schönsten Ausblicke einfängt

Prinzipiell begegnet Architekt Konrad Schermann der Einzelhausplanung aufgrund grassierender Landschaftsverhüttelung, Flächenfraß, hohen Erschließungskosten u.ä. mit verantwortungsvoll gebotener Skepsis. Auch die Bauherren trauten sich wegen kursierender Negativberichte nicht gleich übers Bauen, suchten erst eine größere Bleibe in Wien, dann ein altes Haus in näherer Umgebung. Bis sie einen 2600 Quadratmeter Grund in Unterolberndorf fanden, der so erschwinglich und schön war, dass alle Zweifel schwanden. Zu zwei Drittel grünlandgewidmet, konnten die Gärtner aus Leidenschaft hier ihrem Hobby frönen.

Sie kontaktierten drei Architekten, für Schermann sprachen ein Bekannter und sein schönes Klosterneuburger Haus, ausschlaggebend war, dass er gleich nach Unterolberndorf fuhr. Hier zeigt sich das Weinviertel von ganz untypisch sanfthügeligem Charakter. Als lose Streu-und Straßensiedlung schmiegt sich der verschlafene Ort an den weiten Bogen des Kreuttals, durch das träg der Rußbach fließt. Am Ende des Ortes liegt das 16 Meter breite Grundstück an der Straße im Südwesten. 130 Meter lang erstreckt es sich bachwärts nach Nordosten, dank Grünlandwidmung wird niemand je Sonne und Blick auf Holler, Schlehe, Walnuss und andere Naturlehrpfadbäume am Ufer verstellen. Der Bauplatz, wo sich fast ungetrübt das von kleinen Feldern, Mischwaldflecken, Weinund Baumreihen bewachsene Kreuttal-Panorama entrollt, überwältigte auch den Architekten. Dieser Ort rief nach einem Haus, das kunstsinnig die Landschaft zelebriert und wie ein Magnet einfängt. Weit abgerückt von der Straße, wird der moderne, graue Kubus in blickreicher Bestposition an der hinteren Baugrenzlinie zum Erschließungsschlüssel des Gartens, den er selbstbewusst in Besitz nimmt. Der Weg durch den tiefen Vorgarten am ummauerten, hofbildenden Carport vorbei zum quaderförmig eingeschnittenen, vom auskragenden Obergeschoss beschirmten Eingang wird zur Einstimmung auf die Natur.

Deren Erleben setzt sich im maßvoll aus weißen vor- und rückspringenden Quadern gemeißelten Baukörper fort. Gekonnt fasst er umgebende Idyllen rahmend ein: die Kirchturmspitze im Südosten, die er mit der abgegrabenen Terrasse vorm Büro bis in den Keller lockt. Das Bachbiotop, dem er in der trichterförmig-perspektivweitenden Loggia förmlich entgegenspringt. Das Firmament mit Sonne und Sternen. Bereits im Vorraum entfaltet das sichtachsenorientierte, plastische Gestaltungsprinzip seine volle Wirkung: in der Über-Eck verglasten Schlafgalerie, die in den zweistöckigen Luftraum dahinter ragt, spiegelt sich der Himmel und sorgt für kosmische Weite. Vom Küchenfensterband mit Kirchturm am abgetreppten Kräutergarten über den Großformat-Blick auf Rußbach- und Kreutberg durchs hohe Wohnraumglas, dem lauschig sitzbankbrüstungsgerahmten, schmalen Landschaftsfensterbild im niederen Raumteil bis hin zum Westfenster, das die Sonnenstrahlen über den Boden tanzen lässt, öffnet sich ein Rundumpanorama, das erst auf der podestartig hohen Terrasse im Naturgartenbiotop endet.

Den eleganten Auftakt ins Obergeschoss bildet die hinterleuchtete, weiße Acrylplattenwand an der Stiege auf die Galerie mit luftraumweiter Naturvogelperspektive, die erst am Kinderzimmer endet. Noch arbeitet die Baufrau im offenen Raum, später wird ihn die zweite Kinderzimmerwand beschneiden. Die vorspringende Schlafraumloggia schenkt das Erlebnis, gleichsam ins Freie zu treten. Rückhalt und Kastenfläche bietet die Nordwand, vom glasumhausten Luftraumeck sieht man zum Esstisch hinunter, im Liegen schenkt die Sichtbetonbrüstung bergenden Schutz, durchs Großformatglas aber leuchten die Gestirne.

Der Standard, Sa., 2005.09.03



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Haus im Rußbachtal

27. August 2005Isabella Marboe
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Neuer Lebensglanz für Glanzing

Mit einem stimmigen Revitalisierungskonzept und einem vornehm zurückhaltenden Neubau sorgten Architekt August Sarnitz und der Bauträger Raiffeisen RBM für neues Leben in der umsichtig sanierten Ex- Kinderklinik Glanzing.

Mit einem stimmigen Revitalisierungskonzept und einem vornehm zurückhaltenden Neubau sorgten Architekt August Sarnitz und der Bauträger Raiffeisen RBM für neues Leben in der umsichtig sanierten Ex- Kinderklinik Glanzing.

Als weltweit erste Kinderklinik war Glanzing 1912-13 eine medizinische Innovation. Wie ein Schloss thront sie im weitläufigen Park am Döblinger Hügel. Baumeister Carl Baudstiber und Eduard Thumb planten sie heimattümelnd neudeutsch auf Rustikasockel mit Figurinenzier an Rundbogenloggien, Walmdach, Turmoktogon und Eingangsportikus. Das Rittersaal-Foyer ist denkmalgeschützt, im Grundriss aber waltete Vernunft: funktionelle Mittelgänge an hellen Kranken-und Ärztezimmern, der unorthodox abgewinkelte dritte Flügel ist südorientiert, hier schenkten zartgliedrige Stahl-Glas-Veranden den Kinderpatienten Sonne und Grünblick. 1999 wurde die abgenutzte Klinik ausgesiedelt.

Die Stadt Wien suchte Käufer mit sinnigem Nachnutzungsszenario, die Raiffeisen RBM überzeugte mit dem Revitalisierungskonzept „Glanzing Park“ von Architekt August Sarnitz, am Nebengrund im Norden wurden mit Günther Holnsteiner schöne, neue Wohnzeilen realisiert. Im sanft sanierten Altbau entstanden in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt 43 Luxuswohnungen von 49-190 Quadratmeter mit 3,50 – 3,80 Meter Raumhöhe, deren Sanitär- und Nebenraumstränge in die breiten Ex-Klinikgänge eingeschoben sind. Der Rittersaal blieb Foyer, Mauerdurchbrüche erhellen die Stiegen, neue dunkelrote Glasgaupen das Dach. Die Garagenzufahrt verschwindet in der Rustikamauer, transparent entsteigt die Glasveranda der Wellness-Ruhezone dem Gartensockel. Lichter Granit und grünblaue Kacheln im Saunabereich, dunkeltürkis changierende, hinterleuchtete Wandpfeiler am 15 Meter Nirostabecken, taubengrauer Schiefer u.ä. verbreiten gepflegte Atmosphäre.

Etwas erhöht lag im Osten neben der Klinik eine „Expektanz“, auf deren Grundfläche Sarnitz einen Neubau plante. In vornehmer Zurückhaltung stellt sich der klare, reduzierte, weiße Quader neben die Klinik. Alle Fenster sind mit zarten, ausklappbaren Bronzeläden eingefasst, die mit Wald und Bestand korrespondieren. Dahinter verbergen sich sechs komplex nach Loos’schen Raumplanprinzip aufgebaute split-level-Wohnungen. Keine gleicht der anderen, doch jedes differenzierte Innere erzeugt mit bis zu sieben Meter hohen Lufträumen, über Essplatzplateaus ragenden Schlafzimmern, ums Eck geführtes Glas und Terrassen eine Großzügigkeit, die mit der Altbauhöhe konkurrieren kann.

Im Norden ragt ein schmaler Stiegenturm mit Sitzbank aus dem vierstöckigen Haus, das klug Hang und Bauordnung nutzt: am tiefsten Geländepunkt im Osten weiten sich die drei unteren Maisonetten mit Terrassen zum Privatgarten, je nach Nutzung und Blick variiert die Breite der raumhohen Fenster und Glastüren. Während diese Einheiten mit ruhiger Schlafebene und Garten reihenhausartiges Ambiente bieten, nutzen die oberen mit zurückgesetzten Terrassen das 45 Grad Dachschrägenvolumen als großzügige Wohnebene, was an den zwei abschließenden Fensterbreitbändern ablesbar ist und dem Haus seine „stille Mitte“ gibt.

Der „Reihenhaus“-Zugang ist ebenerdig auf der Westrückseite am leicht erhöhten Split-Level der Küche mit Eckfenster, dahinter tut sich an der mauergekanteten, mittigen Treppe der Luftraum auf: ein Halbgeschoss abwärts blickt man ins Wohnzimmer mit Kamin am ostbesonnten Garten, keck ragt wie ein Innenbalkon der Flur vor den Kinderzimmern herein, die auf den Essplatz winken oder zu Elternschlafraum und Bad hochsteigen können. Frech ragt der orange-glasgeschuppte Laubengang aus der ruhigen, von hohen und horizontalen Fensterschlitzen perforierten Rückseite. Er erschließt die Kochnischen der oberen Einheiten mit intim versenkten Schlaf- und ostsonnig verglasten Wohnräumen, von deren Dachterrassen man die fulminante Donau-City-Skyline genießt.

Der Standard, Sa., 2005.08.27

19. August 2005Isabella Marboe
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Expressive Holzskulptur am Dach

Umsichtig setzten die Architekten Ferdinand Reiter und Christian A.
Pichler ein vorgefertigtes Holzsatteldach mit dezenten Flächenfenstern auf ein altes Innsbrucker Haus, kühn setzten sie ein Stück Stiegenhaus an die frische Luft. Sie schenkten damit dem Innenhof eine expressive Skulptur, den Bewohnern eine gemeinsame Terrasse überm First und der obersten Wohnung die ganze Hauslänge.

Umsichtig setzten die Architekten Ferdinand Reiter und Christian A.
Pichler ein vorgefertigtes Holzsatteldach mit dezenten Flächenfenstern auf ein altes Innsbrucker Haus, kühn setzten sie ein Stück Stiegenhaus an die frische Luft. Sie schenkten damit dem Innenhof eine expressive Skulptur, den Bewohnern eine gemeinsame Terrasse überm First und der obersten Wohnung die ganze Hauslänge.

Argusäugig wachen Innsbrucks Behörden über die historisch gewachsene Dachlandschaft: mit Maß und Ziel sollen sich neue Ausbauten schonend einfügen. Etwas abseits vom Altstadtkern liegt das Haus Franz-Fischer-Straße 50 an der Peripherie des Zentrums in einem homogenen Gründezzeitblock. Ein solider Altbau, 1905 an der Schwelle zum Jugendstil von Baumeister Anton Fritz erbaut. In der Nachkriegszeit war seine letzte Aufstockung, die Statik des Dachstuhls höchst erneuerungsbedürftig. Mit der Sanierung schufen die Architekten Ferdinand Reiter und Christian A. Pichler auch neuen Dachwohn- und Freiraum. Der Altbau ein klassischer Zweispänner mit mittiger Stiege. Mit symmetrisch zartweiß secessionistisch dekorierter, graugeputzter Lochfassade fügt er sich in den urbanen Block, während sich im Hof eine geschlossene Holzveranda das Haus hochrankt. Ein Thema, das in variantenreicher individueller Ausprägung die meisten Hoffassaden ziert und eine sympathische Vielfalt kleinteiliger Loggien und gedeckter Balkone schafft. Als zweites charakteristisches Element umschließen verschieden geneigte Satteldächer den Block.

Geschickt raumbildend folgt der neue Aufbau der inneren Logik des alten Hauses, erfrischend unkompliziert nimmt er zeitgemäß die ortsspezifischen Themen Satteldach, Holz und Freiraum auf. Das zum lukrativen Ausbau zu flache, alte Dach wurde entfernt, die bestehende Decke mit Estrich-Verbundbeton verstärkt, darauf kam ein leichter, vorgefertigter Holzdachstuhl mit 45° Neigung. Dezent fügt er sich mit flächig auf der dunkelbraunen Alu-Colorblechhaut aufsitzenden Fenstern in die rotgeziegelte Dachtopografie und bereichert sie um drei Wohnungen. Luftig-leicht reckt sich der Clou des Entwurfs über der Stiegenmitte aus dem Dach.

Kühn ragen die expressiv vorgezogenen, brandschutzbedingt überdimensionierten, gipsfaserplattenverkleideten, dunkelbraunen Deckenträger in den Hof, dazwischen schwebt ein breiter Querbalken. Er bildet das leseund rauchpausenfreundliche Aussichtspodestplateau der eingehängten Metallstiege, auf der man mit Freiblick in schwindelnder Höhe die Terrasse erklimmt, die sich über den First hinweg als gemeinsames urbanes Sonnendeck und Partyplateau zur Straße im Süden vorzieht.

Am stadtseitigen Blockrand übt sich die spektakuläre Mitte mit zwei zurückspringenden, dreiseitig verglasten Gaupen in vornehmer Zurückhaltung. Spielerisch setzen zwei öffenbare Fensterrahmen am Regenrohr die Altbausymmetrie fort. Seiner Logik folgen auch die gespiegelten Grundrisse der ersten Dachebene an der verlängerten Stiege. Die Toilette findet im treppenflankierenden Zwischenraum vorm ersten Sparren Platz, durch ihre schräge Außenglaswand blickt man in die Tiefe. Vom Eingang bis zum lichten Südblick erstreckt sich ein langer Raum mit Küchenblock an der Trennwandmitte, unter den schrägen Dachfenstern zwischen den Sparren lebt man auf großem Fuß im nord-süd-himmelshellen Einraum oder schafft mit Zwischenwänden mehrere Zimmer. Alle Tragkonstruktionen sind mit dunkelbraun befilmten Sperrholzplatten verkleidet, die auch Kabel und Rohre bergen. Kästen, Schiebetüren, Küchen- und Sanitärboxen sind aus demselben Material, was schön mit dem hellen Estrich, Decken und Wänden kontrastiert und dem Inneren einen vornehm einheitlich ruhigen Charakter gibt. Der wahre Luxus liegt unterm First, wo sich die oberste Wohnung ungeteilt über die ganze Länge erstreckt. Ebenso edel hell-dunkel gestaltet, öffnet sich hier die zurückgesetzte Gaupe mit Glastüren zur Südterrasse, von der man über angepflanzten Wein und Zaha Hadids Schanze hinweg bis zum Patscherkofel blickt.

Der Standard, Fr., 2005.08.19



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FF50

13. August 2005Isabella Marboe
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Edel aufgemöbelt

In der frühen Gründerzeit stellten sich hier die Pferde unter, später verkam das Erdgeschoss des Fuhrwerkshauses zum Lager, die Familie wohnte oben. Umsichtig sanierten die Architekten DREER 2 den 40 Meter langen Trakt. Edler Holzboden, eine raffinierte Kücheneinheit, die vergrößerten, sitzbankgesäumten Fenster, Kamin und ähnlichen Finessen bilden nun die angemessene Kulisse für Festivitäten aller Art

In der frühen Gründerzeit stellten sich hier die Pferde unter, später verkam das Erdgeschoss des Fuhrwerkshauses zum Lager, die Familie wohnte oben. Umsichtig sanierten die Architekten DREER 2 den 40 Meter langen Trakt. Edler Holzboden, eine raffinierte Kücheneinheit, die vergrößerten, sitzbankgesäumten Fenster, Kamin und ähnlichen Finessen bilden nun die angemessene Kulisse für Festivitäten aller Art

Zwischen mächtigen Industrietanks, Hallen und Höfen wohnt die Bauherrnfamilie im Obergeschoss eines Wirtschaftsgebäudes am eigenen Werksgelände, die Räume darunter dienten als Lager: das stattliche Sammelsurium ungebrauchter Dinge betrat man nur selten. Der zweistöckige Trakt aus dem Jahr 1850 hat als ältester Bau am weitläufigen Areal beide Weltkriege, werksinterne Umstrukturierungs- und Modernisierungsschübe schadlos überstanden. Von Bäumen verborgen liegt er hinterm ersten Zufahrtshof am Tor, früher passierten hier Fuhrwerke, um ihre Lieferrunde um den Rasen vorm Lager gegenüber zu drehen, wo Bierfässer ein- und ausgerollt wurden. Der 7 Meter breite, 40 Meter lange Gründerzeittrakt im Süden diente als Pferdestall.

Der letzte Umbau war 1960, Fassadensanierung und Aufrüstung auf Niedrigenergiestandard fällig, die Bauherren wollten nicht länger aufs Erdgeschoss am Garten verzichten. Der große Rasen mit Birke und Pool im Osten ist eine erholsame, von Verwandten hochfrequentierte Grünoase, die Hausfrau war es müde, bei jedem Fest zur Verköstigung der Großfamilie auf- und ab zu rennen. Das Erdgeschoss sollte mit offener Küche, Speis, Wohnsalon, Kamin, Esszimmer, komfortabler Gästeeinheit, Garderobe und Toilette den Idealrahmen für geselliges Zusammensein bilden. Mit Umbau und Sanierung betraute man DREER 2, die den Bauherren bereits ein Minibüro geplant hatten. Die Architekten behandelten den Bestand voll Umsicht und Respekt. Seine Stärke liegt im Süden: 40 Meter lang, 3,60 Meter hoch, ist die Gartenfront die einzige mit Fenstern. Um mehr Licht ins Innere zu holen, ohne die Barockfassade mit ihren übereinstimmenden Achsen zu stören, wurden alle Fenster bis zum Gebäudesockel verlängert, die zwei Türen vollverglast.

Das Entree ist klassisch im mittigen Portalbau, Stiege und Tür ins private Oben blieben unangetastet, sein Ostende mit Garderobe und Toilette bildet den Eingang zum Darunter. Die Glasbausteine der 60er sind durch einen geschossübergreifenden Fensterschlitz ersetzt, der auch die dunkle Traktmitte mit der offenen Küche erhellt. Sie bildet mit Speis und Technik den zentralen Infrastrukturkern am fast durchgehend offen Südgang zum Defilee an der edlen Raumflucht. Organisch schmiegt sich die neue, 85 m² Lärchenholzterrasse an Rasen und Pool, von hier lässt sich der Wohnsalon am östlichen Traktende betreten.

Vier Fenster mit breiten Brüstungen laden zum Sitzen am sonnigen Gartenblick und zur Anteilnahme am Treiben um Pool und Terrasse. Der große, weiße Raum wirkt sehr hell, Fußbodenheizung und warmes, rotbraunes Merbau-Tropenholz schaffen angenehme Atmosphäre. Subtil betonen die breiten, langen, durchgehenden Bretter die Längsausrichtung des Trakts. An der Ostwand wurde ein ehemaliges Kapellenportal zur Brüstung eines offenen Kamins, den ein Hafnermeister in alter Handwerkstradition setzte. Die sandsteinerne Ofenbank an der Wand komplettiert das stilvolle Kamingesprächseck, die zweite Sitzgruppe liegt an der Küche. Ihre Rückwand wurde freigelegt, symmetrisch teilt der Dunstabzug das zugemauerte alte Rundbogenfenster, wo sich Flaschen abstellen lassen. Die Wienerbergerziegel korrespondieren korrespondieren mit dem Holzboden und der u-förmigen, dunkelbraunen Küche, die am Portalentree in eine Sitzbar am weißen Mauerpfeiler mündet. Ihre gedämpfte Farbigkeit setzt sich im sienabraunen Esszimmer fort, hinter der einzigen Tür, die hier der durchgehenden Südgangflucht ein Ende setzt, ist das Gästeappartement mit Sanitäreinheit und zwei Südfenstern. Das Pendant zum durchgehenden Holzboden bildet die weiße Decke mit dezenten Spots, die nach Sonnenuntergang für Licht sorgen.

Der Standard, Sa., 2005.08.13



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Villa für MM

06. August 2005Isabella Marboe
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Aus der Norm gehoben

Das Grundstück war extrem steil, dafür günstig. An ein Fertigteilhaus von der Stange war hier nicht zu denken. Zu einem Preis unter der Norm planten Christian Tabernig und Harald Kloiber ein unkonventionelles Hofhaus auf Stützen, das souverän über dem Hang schwebt, Süd-West-Sonne und Ausblick schenkt.

Das Grundstück war extrem steil, dafür günstig. An ein Fertigteilhaus von der Stange war hier nicht zu denken. Zu einem Preis unter der Norm planten Christian Tabernig und Harald Kloiber ein unkonventionelles Hofhaus auf Stützen, das souverän über dem Hang schwebt, Süd-West-Sonne und Ausblick schenkt.

Eklatanter Platzmangel zwang das Paar mit zwei Kleinkindern zum Rückzug auf den elterlichen Hof in der Oststeiermark: eine belastende Situation, nach zwei Jahren war endlich an der Grazer Peripherie in Gösting leistbarer Baugrund gefunden. In Fahrraddistanz von seiner Arbeit herrscht am abfallenden Nordhang tiefste Ländlichkeit: durch dichtes Grün späht man über den Teich in Nachbars Garten die enge Talsohle hinab, wo ein Bach fließt. Gegenüber winkt malerisch die Burgruine Gösting vom sonnenbeschienenen Waldhang.

Die Finanzen waren vom Grundkauf ausgedünnt, rasch brauchte die Familie ein preiswertes, ebenerdiges Haus fürs ganze Leben: naturnah, sparsam im Energiebedarf, mit viel Licht und Luft, offenen Kochwohnessraum, Arbeitsplatz und eigenen Schlaf-Gäste-Kinderzimmern. Harald Kloiber und Christian Tabernig fanden eine unkonventionelle Hanglösung unterm Fertigteilpreis: bravourös planten sie ein terrassenflankiertes, L-förmiges Hofhaus, das mit freier Weitsicht auf Stützen überm Gelände schwebt und in sieben Monaten fertig war.

Knapp 30 Meter breit, fast ebenso lang liegt der felsige Grund an einer ansteigenden Strasse im Süden, bis zur Nordbaulinie fällt er fast vier Meter, zur Grundgrenze fast zehn Meter ab. Um den Garten zu wahren und dem Wohnen auf einer Ebene Privatfreiraum zu schaffen, wurde das Fundament als Plattform fürs Leben vier Meter hochgehoben. Wie am Tablett schwebt der klare Baukörper mit Innenhof und Talblick auf elf zarten eingespannten Stahlstützen über Hang und Nachbarn, ohne deren Sicht zu stören. Lasten-kosten- und bauzeitminimierend sind Dach und witterungsexponierte Außenwände des vorgefertigten Holzleichtbaus mit Alwitra- Folie überzogen, dem gedeckten Wohnweichteil um den Hof am Hochplateau genügen die konstruktiven OSB-Platten als schöne, warme Oberfläche. Estrich und Zwischenwände wirken als Speicher, die vordachbeschattete, raumhohe Fixverglasung ist ein Wärme, Süd-Westsonnen- und Blickfänger. Ein horizontales Fensterband am ostflankierenden Schlaftrakt, Eichenparkett, Kamin und Oberlicht schaffen luftig-wohlige Atmosphäre im engen, grünen Bachtal.

Dem nahen Ostnachbarn zeigt der lange Schlaftrakt seine olivgrün schillernde Folienhinterseite, das Haus wirkt wie ein Caravan, der im Wald parkt. Ein Wohnmobil fürs Leben, das mit einem luftigen, lärchengedeckten, breiten Zugangssteg am Südosteck beim Parkplatz vor Anker ging, später wird noch die Baufrauenpraxis andocken. Vordachgeschützt zeigt hier das Hausinnere seine pure, weiche OSBHaut. Hinter Technik und morgenbesonntem Elternschlaf- Schrankraum fängt deckenhohe Verglasung am breiten Spielflur das Westlicht ein, die Kinder können alle Ankommenden sehen oder geschützt vom umlaufenden, blickdurchlässigen Geländer am Steg spielen, der sich zur schwebenden, L-förmigen, südund westbesonnten, gedeckten Terrasse um den Wohnraum auswächst.

Fließend geht der Spielflur in den offenen Arbeitsplatz am Ostfenster über, auch das angrenzende Bad und die Kinderzimmer haben im Liegen vom Hochbett Morgensonne und Kirschbaumblick. Wo sich der Steg zur Terrasse weitet, ist der Eingang mit Garderobe an der Flur- Schnittstelle von individuellem und gemeinsamem Familienleben. Zentrum des langgestreckten Wohnens ist ein gemauerter Kaminsolitär, der selbstverständlich die Raumbereiche definiert. Gesessen wird am Feuer, den offenen Küchenblock mit Regalrücken an der Ostwand erhellt eine Lichtkuppel, lapidar sitzt ein stellflächenbietender Fensterstock zum Durchlüften im großen, nordseitigen Fixglas. Gewohnt wird an der Glasschiebtür zur weiten Terrasse im Südwesteck mit Panoramarahmen ums nachbarliche Hausidyll.

Der Standard, Sa., 2005.08.06



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Einfamilienhaus Grabner

30. Juli 2005Isabella Marboe
Der Standard

Autarker Single in der Landschaft

Einem sehr umweltbewussten Bauherrn planten die Architekten Schneider&Lengauer ein fast quadratisches Holzhaus, das er großteils selbst bauen konnte. Harmonisch fügt sich der niedere, klare Baukörper in die Mühlviertler Umgebung, seine Energie bezieht er im Einklang mit der Natur aus Sonne und eigener Speichermasse.

Einem sehr umweltbewussten Bauherrn planten die Architekten Schneider&Lengauer ein fast quadratisches Holzhaus, das er großteils selbst bauen konnte. Harmonisch fügt sich der niedere, klare Baukörper in die Mühlviertler Umgebung, seine Energie bezieht er im Einklang mit der Natur aus Sonne und eigener Speichermasse.

Der Bauherr liebt das Holz, die Bäume und die Landschaft, Lebensentscheidungen fällt er meist bei der Arbeit. Beim Scheiterschlichten schweifte sein Blick über die sanften Hügel seiner Heimat Trosselsdorf, an einer Streuobstwiese in vollster Blüte blieb er hängen. Da entstand vor seinem geistigen Auge das Bild seines künftigen Holzhauses, das sich in naturgewachsener Selbstverständlichkeit in die Umgebung fügte, ohne die schöne Baumreihe zu überragen. Er hatte Glück, der Grund die Baugenehmigung. An einer nordwärts ansteigenden Straße liegt er am Ortsrand vor den drei letzten Häusern in fast unberührter Landschaft. An der südlichen Grundgrenze steht eine große Kirsche vor Streuobstbäumen, durch deren Laub der mächtige Vierkanthof an der Dorfstraße schimmert. Im Osten und Westen heben Wälder an, in denen er die Weißtannen zum Hausbau fand und fällte. Ein halbes Karenzjahr lang lernte er das Zimmererhandwerk, dann beauftragte er das Büro Schneider&Lengauer mit der Planung eines niederen, autarken Passivholzhauses, das er und Freunde großteils selbst bauen konnten.

Ressourcenschonung und Autonomie sind für den Single Grundsatzprinzipien, aufs Auto kann er am Land nicht verzichten. Er brauchte eine Garage, Arbeits- Schlaf – und Kochwohnessraum, sowie zwei weitere Zimmer: Moderat dimensioniert, muss im Haus fürs Leben Platz für Lebensliebe und Kinder sein. Die Architekten entwarfen einen sehr klaren, eingeschossigen, fast quadratischen Holz-Riegel-Bau auf einer Fundamentplatte, die federleicht über der Wiese schwebt. In großer Sorgfalt entwickelten sie einfache, selbstbautaugliche Konstruktionen und Verbindungen. Weiße, hauchzarte Rundstützen von zehn Zentimeter Durchmesser tragen das Vordach. Je nach Himmelsrichtung kragt es unterschiedlich weit aus, beschattet die dreiseitig umlaufende Terrasse und lässt optisch den Innenraum in die Landschaft ausfließen.

Die nachbar- und wetterseitige Nordfront ist geschlossen, harmonisch fügt sich die grünliche Kupferblechverkleidung in die Umgebung, altert so lebendig wie die horizontalen Lärchenholzlatten, mit denen sich die Garage ums Eck zur Zufahrt im Westen knickt. Nahtlos schließt das Terrassenvordach überm Eingang an, wo man durch einen Glasschlitz die ganze Haustiefe durchblickt. Klar trennt die zentrale Erschließungs- und Sanitärschneise die introvertierte Schlafseite mit Kellertreppe im schattigen Norden vom Wohnen im transparenten, sonnenhellen Süden. Direkt führt die große, offene Garderobe mit Doppelglastür zum Arbeitsplatz am transparenten Südwesteck, wo der Bauherr Straße, Wald, Wiese und die komplettverglaste Südfront überblickt. Ihre dreifach-isolierten Scheiben und Schiebtüren tragen stark zur positiven Energiebilanz bei. Zwischen den Holzstützen unter der Tramdecke, die im schwebendleichten Vordach mündet, scheinen sich Grenzen zwischen Innen und Außen aufzulösen.

Vom leinölgetränkten Tannenboden bis zur Decke ist fast alles konsequent aus Holz: die formal klare, zweizeilige Küche, der holzbestuhlte Tisch in der Mitte, das halbhohe Regal auf Rollen, das raumteilend zum Kamineck an der Ostwand überleitet. Dem Raum gibt das Naturmaterial eine sehr ruhighelle Atmosphäre, die mit dem lebendigen Mühlviertler Rundumpanorama in harmonischem Einklang steht. Mit Solar- und Photovoltaikanlage am Flachdach, starker Schafwolldämmung, Lehmputz, kontrollierter Wohnraumbe- und entlüftung produziert das autarke, nord-süd-orientierte Passivhaus sogar Stromüberschuss. Die nötige Speichermasse schafft eine dicke Natursteinmauer, sie schenkt dem oberlichthellen Atrium an der Sanitärschneise kontemplative Zentriertheit.

Der Standard, Sa., 2005.07.30

23. Juli 2005Isabella Marboe
Der Standard

Drei Kategorien Landschaft

Umsichtig und, klug öffnete Architekt Peter Achhorner das geschlossene System eines Fertigteilhauses aus den 90ern zur Landschaft. Statt dem Kelleroktogon ragt nun ein zweistöckiger, transparenter Zubau aus dem Haus, der dem Wohnraum einen in der Landschaft schwebenden Essplatz, der Küche Licht und der Gaupe eine Terrasse schenkt. Den Keller verwandelt er zum Salon mit Vinothek am Pool.

Umsichtig und, klug öffnete Architekt Peter Achhorner das geschlossene System eines Fertigteilhauses aus den 90ern zur Landschaft. Statt dem Kelleroktogon ragt nun ein zweistöckiger, transparenter Zubau aus dem Haus, der dem Wohnraum einen in der Landschaft schwebenden Essplatz, der Küche Licht und der Gaupe eine Terrasse schenkt. Den Keller verwandelt er zum Salon mit Vinothek am Pool.

Vor über 15 Jahren verliebte sich die Baufrau auf Anhieb in den Fahnengrund am Gießhübler Südhang. Blick-und verkehrslärmsicher führt eine Zufahrt im Norden an Nachbars Haus und Garten vorbei auf die ca. 20 m breite, über 80 m lange Parzelle, die im Süden stark abfällt. Ein mächtiger Feldahorn markiert den Beginn des bebaubaren, oberen Streifens, weit blickt man in die naturgeschützten Wälder der Föhrenberge, vom sonnenbeschienenen Anninger winkt der „Husarentempel“. Nah an der Außenringautobahn, taucht man im versteckten Gartenidyll mit Nuss- und Kirschbaum ins grüne Fichten-Ahorn-Dickicht. Die einmalige Option erforderte rasches Handeln, man ließ sich ein zweistöckiges, unterkellertes Öko-Brauchl-Fertigteilhaus mit Satteldach aufstellen.

Das Paar lebte lang im Ausland, die zwei Kinder zogen aus, räumlich und energetisch entsprach der fliederfarbige Bau mit postmodernem Portal und dunklem Keller nicht mehr. Das Stahlbetonoktogon, das als künftiges Wintergartenfundament in den Südhang ragte, verstellte Zugang und Blick, buchtete sich als Terrassenhälfte in den Wohnraum darüber, wo es die Baufrau satt hatte, an der verwinkelten Küche im hinteren Ostwinkel zu stehen. Man wollte Carport, Pool, Sauna, Vinothek, endlich den Garten auch innen erleben, die verwaisten Kinderzimmer als Schrank-und Arbeitsraum nutzen. Peter Achhorner sollte das Haus ausbauen und energietechnisch aufrüsten.

Der Fertigteilbau aus vorgefertigten Holzelementen entsprach dem reinkarnierten Architekten-Albtraum: ein in sich geschlossenes System, das Eingriffe nur im Raster zuließ. Achhorner analysierte es, verstärkte die Dämmung, Tragstruktur und Fensteröffnungen blieben unangetastet. Das Haus wurde dezentgrau gestrichen, von stilistischen Zierelementen und dem Kelleroktogon mit der tragenden Säule dahinter befreit. Ihre statische Funktion erfüllt nun ein Stahlbetonunterzug, der auch das Licht trägt. Er ermöglicht, die Gartenfassade vom Keller bis vor die Dachgaupe aufzureißen und um Zubauten zu bereichern. Vom Salon am Pool übers schwebend neue Sitzen am Esstisch im Glasquader, der kühn in die Luft ragt, bis zum Balkon darüber bietet das Innere nun drei Kategorien von Landschaftserleben. Nahtlos geht die Lärchenterrasse draußen in die spiegelglatte Wasserfläche über, als Horizontalpanorama winkt der Garten in den Saunaruheraum.

Als hauchzarte Klammer schwebt das Eingangsvordach zum Carport, knickt um West-und Südfassade, um auch die Sichtbetonstiege zum Garten zu bedecken. Entlang einer mattierten Folienscreen, auf die das Laub schöne Schatten wirft, schreitet man zur Saunabox unter den Lärchenkanthölzern, wo das Auto parkt. Auf drei Fundamentpunkten schwebt sie schräg überm Gelände, in das man entspannt vom Liegeraum blickt. Glas deckt den Weg zwischen Sauna und transparentem Zubau, der statt des Oktogons auf die Terrasse ragt. Er macht Keller zum zweiten Wohnraum am Edelstahlpool, wenn die Landschaft im Nachtdunkel versinkt, beginnt es zu leuchten, für erhöhten Genuss sorgt die wohltemperierte, luftbefeuchtete Vinothek im dunklen Nordosteck. Eine glasumhauste, blickdurchlässige Holzstiege auf zwei Stahlwangen führt auf den transparenten Essplatz, der kühn auf einer einzigen Stahlstütze im Eck aus dem Raum ragt und die Terrasse beschattet.

Dreiseitig verglast, hebt er in die Landschaft ab, bringt Natur und Licht herein. Er schuf im Südosten endlich dem offenen Küchenblock mit Bar einen Platz an der Sonne. Dahinter ist nun eine Bibliothek an der neuen Stiege nach oben, vom dachbegaupten Arbeitsplatz tritt man auf den Balkon: ein Hochstand mit Fernsicht ins Burgenland.

Der Standard, Sa., 2005.07.23



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Haus D

02. Juli 2005Isabella Marboe
Der Standard

Raumgebirge mit Himmelsblick

Mit einem kostengünstigen, oberlichtbanderhellten Raummöbelsystem aus naturlackierten MDF-Platten schenkten die Architekten Kirchweger und Zechner einer Loft in Ottakring individuelle Rückzugsnischen, ohne den Charakter des zentralen Einraums zu zerstören.

Mit einem kostengünstigen, oberlichtbanderhellten Raummöbelsystem aus naturlackierten MDF-Platten schenkten die Architekten Kirchweger und Zechner einer Loft in Ottakring individuelle Rückzugsnischen, ohne den Charakter des zentralen Einraums zu zerstören.

Auf Otto Wagners Hochtrasse pfeift die Vorortelinie über die Julius Meinl Gasse, der Traditionsbetrieb, Gewerbe, Fabriken, Gemeindebauten und das Kongressbad mit Park drückten der Gegend ihren Stempel auf. Lärm dröhnt über den rot-weiß-rot beplankten Badeeingang in der Liebknechtgasse, gegenüber lag ein Gewerbeblock brach, den Bauträger BAI verwertete. Dreiseitig von neuen Wohn- Geschäftsriegeln mit Merkur-Markt geschlossen, blieb vom Bestand nur die Westflanke in der Beringgasse. Die alten Hallen wurden estrichfertig saniert und in diverse Größen unterteilt zum Ausbau verkauft.

Außen lassen rote Fliesen zwischen grauen Stahlbetonrahmen und doppelreihige quadratische Vollwärmeschutzfenster den Bestand nur erahnen, hinter den Türen am rigipsbeplankten Flur aber zeigen sich Lofts mit Qualität und Charakter: 4 m hohe, große Einräume mit leporelloartig gefälteter Stahlbetondecke. Beim Badeausflug mit seinen zwei Kids entdeckte der Bauherr den Block, im fast quadratischen, nord- und westseitig voll durchfensterten, gleichmäßig hellen Eckloft erfüllte sich sein Eigentumswohntraumraum. Hier gab es keine Überhitzung, ideales Atelierlicht und Ruhe.

Bisher hatte er in einer Gründerzeitwohnung gelebt, die kindlichem Lauf-Spiel- Schlafdrang, seiner Leidenschaft fürs Malen, Kochen und Essen mit vielen Freunden genug Zimmer bot. Die Loft sollte ein kommunikativer Einraum mit offener Küche bleiben, doch er brauchte schallund blickdichte Rückzugszonen für sich, die Kinder und einen Raum zur flexiblen Innenerweiterung, der Untermietoption, Gästen und später jedem Kind eigenes Quartier bot. Den Spagat aus kollektivem Groß- und separatem Individualkleinraum bewältigt das sorgfältige Innenraumdesign von Kirchweger und Zechner bravourös. Sie entwickelten ein günstiges Elementsystem aus naturlackierten MDF-Platten und Glas, das fließende Grenzen definiert, Möbel, Stauraum, Licht und Installationen trägt.

Über den 2,50 Meter-Wandmöbeln bieten ein Meter hohe Glasbänder auf zarten MDFLeisten, MDFLeisten, die weder Rippenstruktur noch Fenstersprossen queren, den optischen Vollgenuss der Deckenfaltung, die sich als Kunsthimmel übers Loft legt. Ihr flächendeckendes Pendant bildet das strapazierfähige, geölte Eichenindustrieparkett, das mit der MDF-Haut harmoniert. Fächerartig in bewegtem Knick um die bestimmende, freie Diagonale geführt, fasst die neue raumfacettierende Feinstruktur eine lebensoffene Mitte ein, die sich zum lichten Nordwesteck weitet und so subtil den schönsten Blick über eine Allee inszeniert. Sie gibt der Loft eine Richtung und ihren Rändern differenzierte Privatnischen.

Wie Inselriffe im Parkettmeer driften die Raummöbel zum Eingangseck, schützen das private Dahinter, lenken sanft Blick und Schritt zur hellen Weite. Am fixen Kaminschacht dockt die lange, schwebende Nirostawerkbank mit Herd an, wo der Koch bei freiem Blick hantiert und Gäste wie an einer Bar sitzen. Dahinter entfaltet sich am beckenkühlschrank- stauraumbergenden MDF-Rücken die längste Raumöbelkette an der Ostwand. Sie birgt das MDF-Bad, wo Spiegel, blau lackierte Wände, verglaste Dusche und Schiebetür in sein Schlafzimmer am Nordfenster Licht und Frische bringen. Es folgt das Reich der Kids, die ihre Spiellade durch die schräge Kastenraumwand ins Wohnen schieben können. Die zweite MDF-Formation pirscht sich von Süden zum Entree, wo sie mit Guckloch überm Telefon die Garderobe bildet, die sich zur Gastraumoberschrankflucht ausbuchtet und so dem Bett an der Wand Bewegungsfreiheit schenkt. Hier ruht man unter zwei Himmeln: naturblau westbesonnt am Fenster, weiß stahlbetongefaltet am Oberlicht.

Der Standard, Sa., 2005.07.02



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Loft M.

25. Juni 2005Isabella Marboe
Der Standard

Sanfte Landung am Osthang

Leicht wie ein Papierflieger legt sich die raffinierte Hausraumfaltung der xarchitekten in den steilen Weidlinger Wienerwaldhang. Terrassen und Glas lassen auf jeder Ebene das Innere in die Landschaft aus- und viel Sonne für die Kärntner Bauherren einfließen, es fehlt nur noch das Wasser – das kommt in der zweiten Bauphase als Pool aufs Dach.

Leicht wie ein Papierflieger legt sich die raffinierte Hausraumfaltung der xarchitekten in den steilen Weidlinger Wienerwaldhang. Terrassen und Glas lassen auf jeder Ebene das Innere in die Landschaft aus- und viel Sonne für die Kärntner Bauherren einfließen, es fehlt nur noch das Wasser – das kommt in der zweiten Bauphase als Pool aufs Dach.

Zum Arbeiten war Wien für die jungen, dynamischen Professionals ideal, in der 70-Quadratmeter- Stadtwohnung aber waren sie nicht glücklich. Ohne Sonne, Wasser und Bäume konnte das Kärntner Paar auf Dauer nicht leben. Nach Powerwork in vollklimatisierten Räumen brauchten sie dringend Licht, Luft, Natur und Weite. Ihre Grundsuche folgte der schönen Strecke an der Donau nordwärts und endete im nahen Weidling bei Klosterneuburg. Ein verträumtes Wienerwaldkleinod mit Kopfsteinpflaster, Barockkirche und Friedhof am Weidlingbach, dem die frühe Sommerfrischenkultur stilvolle Häuser mit Veranden bescherte. Umgeben von ehrwürdig zugeknöpften Landvillen in üppigem Grün, liegt der idyllische Steilhanggrund im Wienerwald. An der zirka 20-Meter-Schmalseite führt die Straße bergauf, von hier steigt die 2280-Quadratmeter- Parzelle um fast 20 Meter westwärts an. Eine Fichtenreihe säumt moosigen Waldboden, wo bei Dämmerung Wildschweine auftauchen. Die oberen 60 Prozent sind Landschaftsschutzgebiet, bebaubar war nur der Streifen an der Zufahrt mit maximal acht Metern Höhe.

Früher stand hier ein altes Haus, die xarchitekten legten drei Konzeptmodelle mit und ohne integrierten Bestand vor: davon unbelastet, wollten die Bauherren dezidiert einen zukunftsorientierten Kontrapunkt ins geschichtsgezeichnete Weidling setzen. Hell, großzügig, in einer zweiten Phase mit Pool und Saunalandschaft am Dach ausbaubar, sollte das neue Lebensdomizil den Kärntnern bieten, was sie im Osten so vermissen: Sonne und Wasser. Blickgeschützt wollten sie mit viel Panorama naturnah wohnen, Wohnund Essbereich sollten differenziert offen, der Schlaftrakt familienwachstumskompatibel sein, ihre Bilder von diversen Fernreisen prominent platziert anhaltend gute Laune verbreiten. Mit der leichten Eleganz eines Papierfliegers setzt die raffiniert geknickte Hausraumfaltung der xarchitekten sanft am Osthang auf, auf jeder Ebene fängt ihr Inneres mit Terrassen und Balkonen die Landschaft ein. Zum sehnsüchtigen Südspitz zulaufend, reckt sich die Dachterrasse mit der zarten Metallbrüstung dem Himmel entgegen, entrollt sich nach einer Kehrtwendung sanft bergend überm Schlaftrakt, um dann am Moos aufzusetzen.

Der Spitz wird dem künftigen Pool Privatheit schenken, sein Anstieg lässt den Wohnraum darunter zu luxuriöser Höhe anwachsen, vergrößert das Panorama am schräggestellten Südglas. Seine auf die weitergeführte Ostwand zulaufende Auskragung schafft der Terrasse einen schattigen, witterungsgeschützten Bereich von fließender Weite. Semitransparent mit Polycarbonat- Stegplatten verkleidet, hockt die Garage im Berg, unterm straßenseitig geschlossenen, auskragenden Erdgeschoss schlüpft man ins Haus. Sieben Meter hoch, oberlichtbanderhellt, fängt die weiß reflektierende Nordwand die rasch vom Hang verschluckte Westsonne ein, an ihr kommen die Bilder voll zur Geltung, ungehindert fließen von hier die zwei hellen, großen Wohnebenen in den Vorgebirgsgarten aus. Wie durch einen Felsspalt erklimmt man die Schiefertreppe dem Licht entgegen in den Raumfluss an der Glasfassade, die nur von den Holztürrahmen und einem Paneel vor der schiefergedeckten Küchenzeile unterbrochen wird. Sie schmiegt sich in den Hang und öffnet sich zur Lärchenterrasse, überm Esstisch knickt die Decke zum Wohnen hoch, das sich mit Ahornboden über-eck-verglast einen Treppensprung tiefer dem südspitzumhausten, steingedeckten Terrassenende zuwendet.

Keck ragt die Arbeitsgalerie in den Luftraum, dahinter folgt die Schlafraum-Bad-Reihe. Weißer Teppich stimmt ruhig, nach dem Aufwachen kann man vom Südbalkon in den Garten oder aufs Dach laufen, bald auch in den Pool springen.

Der Standard, Sa., 2005.06.25



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Falthaus

04. Juni 2005Isabella Marboe
Der Standard

Hauslandschaft in den Siegenfeldern

Wie aus einem Guss legt sich die Hausraumfaltung der Architekten Holodeck.at in die Hügellandschaft am Wienerwaldsaum. Als zeitgenössische Interpretation des ländlichen Hoftyps knickt sich der ansteigende Baukörper um einen privaten Innenhof, verkörpert mit separater Garage und Büro den Lifestyle stadtnomadisierender Bauherren.

Wie aus einem Guss legt sich die Hausraumfaltung der Architekten Holodeck.at in die Hügellandschaft am Wienerwaldsaum. Als zeitgenössische Interpretation des ländlichen Hoftyps knickt sich der ansteigende Baukörper um einen privaten Innenhof, verkörpert mit separater Garage und Büro den Lifestyle stadtnomadisierender Bauherren.

Halbe Sachen mögen die Bauherren nicht. Stadt ist Stadt, Arbeitsstätte, Mobilität. Land ist Landschaft, Freizeit, Entspannung. Mit zwei Kindern brach eine neue Lebensphase an, der Wiener Dachausbau passte nicht mehr. Beserlpark und Ausflüge waren nichts gegen Freiheit, Frischluft und Sonne, die sie in ihren Landkindheiten genossen hatten. Dicht an dicht stehende Häuser mit Garten konnten das nie bieten, man suchte Landwirtschaftsgrund mit partieller Bauwidmung.

Zwei Jahre wurde der Wienerwald abgerast, in Siegenfeld fand sich ein Grund, wo das Familienherz höher schlug. Niedere Hauszeilen zwischen Alleebäumen säumen die Gaadener Hauptstraße mit Kirchturm im Süden, von der die Zufahrt am Westnachbarn vorbei auf den versteckten Fahnengrund führt. Dahinter dehnt sich ein weiter Feldstreifen zum Wienerwaldsaum auf- und nordwärts, rundum nichts als Landschaft. Man wollte ein Haus zum modern flexiblen Lifestyle: offen, naturnah, mit Fitness, Bad und Rückzug für jeden, Werkstatt für ihn, Büro für sie. Über ein Jahr wurden und Homepages studiert, drei Büros zur Begutachtung geladen.

Der sensiblen, präzisen Ortswahrnehmung von Holodeck.at und ihrem konzeptionellen Antasten an die Form vertraute man sofort. Als Entwurfsbasis baten Marlies Breuss und Michael Ogortschnig jedes Familienmitglied, seinen Alltag mit Piktogrammen wie „ausziehen/fallen lassen/spielen/austoben/diskutieren“ darzustellen. Daraus wurde die Raumfaltung zur Entfaltung: Wie aus einem Guss fließt der raffinierte Baukörper in die Siegenfelder, schmiegt sich raumfaltenreich an Häuser und Hügel. Als bezugsreiche Lebenslandschaft für vier Menschen wächst unterm dynamischen Dach das Innere aus der Erde, um am abgetreppten Wohnraumdeck zweimal ums Eck zu knicken. Als moderne Antwort auf den ländlichen Hoftyp umfassen der separate Eltern-und Kindertrakt den privaten Innenhof. Unter den Dachschrägen entfaltet jeder Raum mit differenziert nach Blick und Sonne gesetzten Fenstern spezifischen Eigencharakter von variantenreichem Einund Aussichtsspektrum. Die Gaadener Straße ist gleichsam die Nabelschnur zu Stadt und Stress, der an der Sichtbetonwand zum Garagen- und Bürobaukörper im Westen entgleitet, mit Auto und Abarbeiten schwindet. Vom Entree hinter der dezent verputzten Tür klettert eine Bambustreppe als plateau- und panoramareicher Höhenweg die rote Garderoben- und Toilettenwand zur Küchengalerie empor. Das Geländer aus transparenten Kunststoffbändern zwischen schräg vom Boden zur Decke strebenden Bambusstäben ist ein metallgefasstes, lichtreflektierendes Kleinkunstwerk für sich. Durchs Fensterband an der Decke fällt Südlicht, knickt sich weiter ums Osteck, wo es dem Fitnessraum im Keller fulminante Oberlichtperspektiven schenkt. Sein Unterwasserbetonsockel mit Drainagen im Lehmgrund hält das Schmelzwasser fern. Am ersten Podest hebt das Wohnen an, das vollverglast nach Nord in den von Weiden, Weißdorn, wilden Birnen und Hagebutten gesäumten Hang mit Pool ausfließt. Liegefreundlich schmiegt sich die Sitzbank als abstrakte Hügelkette an den Kamin, der sich als Block in den Raum schiebt. Ein hohes Westfenster rahmt das nachbarliche Satteldachdoppel zum Ausblick, den man auch von der Küche erhascht. Drei Bambusstufen führen zur Speis, deren Glühbirne die Deckenfaltungen inszeniert. Subtil zeigt der Wandfarbwechsel den Übergang ins Private. Vom nächsten Podest, wo sich die Wege der Eltern im Osten und Kinder im Norden trennen, sieht man den getreppten Innenhof: Abendsonnenterrasse der Großen, erhöhtes Spielplateau mit Kirchturmblick der Kleinen.

Der Standard, Sa., 2005.06.04



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floating house

28. Mai 2005Isabella Marboe
Der Standard

Leuchtrot hinterm Lattenzaun

Mit auskragendem Nordbalkon, Stahlseilbrüstung und zartem, längsflankierendem Vordach verbreitet ein zweistöckiger, roter Hausquader am Pool frohes Ferienfeeling im Wiener Kleingarten. Im belichteten Keller brachte Architekt Oberwalder die Schlafräume unter und schuf so auf wenig Fläche einer Familie viel naturnahen Lebensraum.

Mit auskragendem Nordbalkon, Stahlseilbrüstung und zartem, längsflankierendem Vordach verbreitet ein zweistöckiger, roter Hausquader am Pool frohes Ferienfeeling im Wiener Kleingarten. Im belichteten Keller brachte Architekt Oberwalder die Schlafräume unter und schuf so auf wenig Fläche einer Familie viel naturnahen Lebensraum.

Die Kleingartensiedlung am Hernalser Predigtstuhl ist ein idyllisches Kleinod ihrer Gattung. 1916 begannen die ersten Städter hier ihre Gärten anzulegen, bis heute wird der alte Zaun der Gründerzeit liebevoll gepflegt. Frisches Grün ragt zwischen dunkelbraunen Holzlatten und weißen Mauerpfeilern, harmonisch säumt der Zaun in ungebrochener Ganzheit beide Wegseiten, hinter knorrigen Obstbäumen stehen noch viele alte Häuschen. Dunkelbraunes Holz, grün-weiße Fensterrahmen, ehrwürdig vergraute Eternitplatten und buckelige Dachschrägen prägen das Ambiente. Schon lang leben die Eltern der Baufrau dauerhaft dauerhaft in diesem Kleingarten, freudig tollte der Sohn umher, auch der Gatte träumte vom Haus im Grünen.

Man kaufte eine nahe Parzelle, zwei Jahre reifte der Entschluss zu Aufgabe der Stadtwohnung und Neubau im Kleingarten. Eine Zeit neugierig-interessierter Architekturerkundung, die schließlich zu Jakob Oberwalder führte. Er bekam ein Aquarell mit Kubus, Pool, Terrasse und einen Blumentopf in ihrem Lieblingsrot. So rot sollte das Haus werden, außerdem wollte sie mit den Füßen nach Osten schlafen und eine begehbare Dusche, wie sie im Süden üblich sind. Die Familie brauchte genug Stauraum und einen Geräteschuppen, das Kind ein großes Zimmer. Kein leichtes Programm für einen Kleingartengrund von 350 Quadratmeter, wo der umbaubare Raum mit 250 Quadratmeter, die Grundfläche mit 50 Quadratmeter und die verglichene Bauhöhe mit 5,50 Meter beschränkt sind.

Die lebensraumschaffende Maßarbeit am Baukörper reicht bis ins Detail des schlanken, kostenreduzierenden Holzleichtbaus, sie begann mit der kompositorischen Anordnung von Pool, Haus und Schuppen. Ein Trio, das über den südflankierenden Lattenzaun hinweg mediterrane Lebensfreude am abfallenden Nordhang verbreitet. Die kecke, rote Gartenbox am Westeck korrespondiert mit dem Entreequader. Beide sind mit verleimten Bootsbausperrholzplatten verkleidet, wie ein Schiff geht das von horizontalen Holzlatten fein gegliederte Haus am terrassierten Pool vor Anker. Per Stahlseil von der verzinkten Eckstütze der Nordterrasse abgehängt, gleitet ein schnittiges Flugdach vom Eingang die lange Westfassade am schwimmtauglich formatierten Becken entlang. So fügt sich das zweistöckige Haus in den kleinen Maßstab der Siedlung ein.

Die Stahlseilbrüstungen der Terrassen lassen an eine Reling denken, wie von einer Kommandobrücke blickt man vom auskragenden Balkon übers Wasser. Der gedeckte Freiraum am Nordeck kam dem Entreequader zugute, dem raumhoch verglasten oberen Wohnen schenkt er ein weites Panorama nach Neuwaldegg, vom Heuberg winkt Loos’ Siedlung. Nach einem Wiener Arbeitstag genießt die architekturentflammte Baufrau hier milde Abendluft und Sonne. Gekocht und gegessen wird zu ebener Erde, wo das Über- Eck-Fenster der offenen Küche, große Scheiben zu Nordblick und Terrasse naturnah luftig-helle Weite schaffen. Die 17 Zentimeter dünne Decke zwischen zartweiß lasierten Trämen macht viel Raumhöhe spürbar, zwischen die eingeschobenen Stufen der einläufigen Treppe flutet Licht. Die Außenwände kommen mit 22 Zentimeter Stärke aus, problemlos ließen sich die vorfabrizierten Leichtbauelemente im Handwagen am schmalen Zufahrtsweg transportieren, im Keller wurde Stahlfaserbeton verwendet, verwendet, der sich leichter pumpen lässt. Kaum merkbar, von 1,20 Meter hohen Fenstern belichtet, verschwindet seine Längsseite im Hang. Er birgt das große Kinderzimmer mit Bad und Terrassenzugang, die treppenschrägennutzende Haustechnik, Elternschlafund Schrankraum, und deren Bad. Neben blauverfliester Dusche, WC und milchglaserhellter Wanne vorm neonröhrenbestückten Lichtschacht ginge sich hier noch die Mini-Sauna aus.

Der Standard, Sa., 2005.05.28



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Kleingartenhaus

21. Mai 2005Isabella Marboe
Der Standard

Raffiniert gerastert

Einem designkundigen Bauherrn plante Architekt Thomas Moosmann am langgestreckten Grund im Tullnerfeld ein konsequent im Raster aufgebautes Haus. Grundmaß und Schritt gibt die Pergola vor, die als strukturabbildendes Rückgrat die Ostlängsseite flankiert. Sie verwandelt die Parzelle zur Inszenierung aus Hof, Vor- und Hintergarten um den raffinierten Hausquader mit Innenatrium in der Mitte.

Einem designkundigen Bauherrn plante Architekt Thomas Moosmann am langgestreckten Grund im Tullnerfeld ein konsequent im Raster aufgebautes Haus. Grundmaß und Schritt gibt die Pergola vor, die als strukturabbildendes Rückgrat die Ostlängsseite flankiert. Sie verwandelt die Parzelle zur Inszenierung aus Hof, Vor- und Hintergarten um den raffinierten Hausquader mit Innenatrium in der Mitte.

Ein- bis zweistöckige Hauszeilen säumen die kapellengezierte, dörfliche Hauptstraße einer Kleingemeinde im Tullnerfeld. Im Norden verläuft die Donau an der Stromsiedlung, im Süden die Bahntrasse im Grünen, dazwischen der stille Ort. Der Bauherr arbeitet in Wien, wo er nichts Angemessenes fand.

In diesem Landidyll hatten die Eltern einen Baugrund von extremer Lage und Zuschnitt. 14 Meter breit, 70 Meter lang, erstreckt er sich von der örtlichen Hauptverkehrsader im Süden zum Damm im Norden, der kleingartenbesiedelt in die Donau-Auen übergeht. Dem Bauherrn schwebte ein bedürfnisgerecht adaptierbares, rationelles Fertigteilsystem vor, im Internet stieß er auf den mamo-Modul und kontaktierte Architekt Thomas Moosmann.

Der erfüllte den gestalterisch hohen Anspruch nach einem reduziert designten Haus mit Keller in präziser, fertigteilkompatibler Planung. Sicht-schallschützend und elegant rahmen drei ahornbaumgesäumte Sichtbetonscheiben den Carport an der Straße, die puristische Black Box am Eingang birgt Müll-und Abstellräume. Innen schwarz, wird die Wand zur abstrakten Fläche, hinter der das Dorf entschwindet. Haus und Garten sind eine Welt für sich, die konsequent im Konstruktionsraster zwei zu eins im Ein-Meter- Modul (Statik: FCP) aufgebaut ist.

Sein Maß gibt die Pergola vor, die als strukturabbildendes Rückgrat die Ostlängsseite säumt, sie inszeniert und rhythmisiert. In ihrem strengen Stützenraster durchschreitet man den stillen, hofartigen Vorgarten mit Lärchenholzterrasse und Schwimmbiotop vorm Wohnraum. Innen und dahinter setzt sich der Raster fort, als Verbindungselement laufen die Pergolabalken übers Flachdach, das nord-und südseitig himmelweitend verglast in Holzrahmen auf erdenden Stützen mit Gartenblick endet. An diesen Rändern wird das homogene Innere durchlässig. Dunkler Nussboden, braune Wände und Decke im Wohn- und flächendeckender Elfenbeinton im Schlafbereich schaffen schatullenartige Raumstimmung. Lokale Betriebe (Fa. Leitzinger, Fa. Loley) führten die feine Tischler- und Glaserarbeiten aus. Der eingeschossige Grundriss von 10 mal 20 Metern resultiert aus dem Stützenraster, der mit Lichtlinien bestückt effektvoll und konsequent das ganze Beleuchtungssystem trägt. Reizvoll variieren die 2,80 Meter hohen Freifelder dazwischen das Thema. Im Verhältnis eins zu zwei geteilt, reagieren Glaselemente, Türen und raffinierte Lärchenholzpaneele, die in dunklem Nussbraun lasiert von einer hinterlüfteten Glasvorhängeschale witterungsgeschützt sind, auf Raum und Licht. Differenziert spiegeln drei Seiten den Garten, während sich die Westfront vom Glaseck übers Oberlicht am Bad sacht zum schmalen Blickstreifen am Schlafzimmerboden schließt.

Übers Nachbargrün hinweg korrespondiert die bauordnungsgemäße Sichtbetonfeuermauer im Osten mit der Eternitwand gegenüber. Diese Flanke unterbricht die Pergola und schenkt Intimität. Innen fällt durch frei liegende Deckenbalken Licht aufs japanisch schlichte Atrium davor. Es markiert den Übergang von Wohnzu Schlafzone. In diesem Zwischenreich steht die silber gestrichene MDF-Arbeitsbox mit umlaufenden, raumillusionistisch weitendem Spiegelband, genauso ist die Kastenwand mit integriertem WC an der einläufigen Kellertreppe gestaltet. Davor erstreckt sich weit das offene Wohnen mit Silberküche, Tisch am Atrium, Garderobenbox, Kamin und einer Couch, von der man ins Freie abhebt.

Eine Silberwand mit Spiegelband, die zwei Bäder und Schrankraum in der Mitte birgt, bildet die Demarkationslinie zu den Schlafräumen. Im Verhältnis, in dem sie das Wohnen teilt, teilt das Haus den Garten, der hinter der Terrasse in die Aulandschaft ausfließt.

Der Standard, Sa., 2005.05.21



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Haus Muckendorf

14. Mai 2005Isabella Marboe
Der Standard

Eingeklinkt ins Mark der Stadt-Nomaden

In der schillernden, raumgefalteten Kaiserstraßenfassade des Neubaus von gerner°gerner plus nehmen Neubauer City Vibes Gestalt an. Dahinter zelebriert ein schmaler Riegel im lang gestreckten Hof lustvoll den Freiraum in Variationen. 47 individuell zugeschnittene Wohnungen bieten flexiblen Menschen das Maß an Offenheit und Komfort, das sie brauchen.

In der schillernden, raumgefalteten Kaiserstraßenfassade des Neubaus von gerner°gerner plus nehmen Neubauer City Vibes Gestalt an. Dahinter zelebriert ein schmaler Riegel im lang gestreckten Hof lustvoll den Freiraum in Variationen. 47 individuell zugeschnittene Wohnungen bieten flexiblen Menschen das Maß an Offenheit und Komfort, das sie brauchen.

Jung, urban und dynamisch: Mit einer hohen Dichte an trendigen Bars, Lokalen und Spezialläden mauserte sich Neubau zur präferierten Wohnadresse für Stadtnomaden. Das Geschäftssterben grassiert hier längst nicht so wie in anderen Wiener Grätzeln. Viele Kreative, Architekten, Designer und Galerien mieteten sich in leer stehende Lokale und Gewerbebetriebe ein. Man wohnt so flexibel, wie man lebt: Die Fluktuation ist hoch.Grundstücke sind rar im dicht verbauten Bezirk, in der Kaiserstraße besaß die CPB Beta Anlagen Leasing GmbH eine Parzelle mit niederem, altem Lampengeschäft und ebenso brachliegender Produktionsstätte im langen, schmalen Hof. Beides war nicht unter Denkmalschutz und wurde abgerissen.

Man schrieb einen geladenen Wettbewerb zum Neubau aus, den gerner°gerner plus mit einer differenzierten Baukörperformation (Projektleitung: Robert Hammer) gewannen. Ein schmaler, vom rapsgelben Dach gekrönter Wohnriegel flankiert den grünen Hofweichteil, um sich straßenseitig mit knochenartig „dickem Ende“ im Mark der Stadt einzuklinken. Der flexiblen Klientel bieten 47 individuelle, multimedial aufrüstbare Wohnungen mit vielfältigen Freiräumen auf ein oder zwei Ebenen den maßgeschneiderten Lebensrahmen. Jeder Haushöhenmeter weitet die Perspektive ins dichte Geflecht der Dachgärten, Terrassen, Balkone und Höfe, die als versteckte Oasen Neubau durchziehen. Lustvoll zelebriert der Riegel das Thema mit eingeschnittenen Atrien, Terrassen und offenen Laubengängen auf jeder Ebene anders.

In den stromlinienförmigen Alucubond-Platten der westlichen Straßenfront scheinen sich die City Vibes zu materialisieren. Die schillernde, geknickte Raumfaltung mit zartgefassten Fensterbändern wird zur Visitkarte der weltoffenen Klientel. Den Wohnungen schenkt die bauchig vorgeneigte, schiefwandige Fassade spannende Räume, breite, ansteigende Fensterbrüstungen animieren zum Be-Sitzen. Im verglasten Erdgeschoss wird ein Büro einziehen, daneben leuchtet der orange, aerodynamisch mit praktischem Ablagearm gestylte Briefkasten durchs transparente Foyer. Das Edelstahlgittergeflecht im Stiegenhaus lässt an Haute-Couture- Spitze denken, ahnungsvoll hell blitzt es durch den verglasten Eingang auf die verkehrsreiche Straße.

In der hofseitigen Glasfassade spiegelt sich das Gründerzeit-Visa- vis, vom Fenster über der Garageneinfahrt entrollt sich ein Hügel sanft ostwärts zum schmalen Rasenstreifen, der sich optisch barrierelos zum Nachbarn weitet. Ruhig fassen die raumhoch verglasten Garçonnièren im Erdgeschoss den Hof ein. In offenen Ein- oder Zweiräumen, zwei-oder dreiseitig belichtet, mit hellem Birkenparkett, klaren, weißen Küchenzeilen, mintgrün oder weinrot akzentuierten Sanitärzellen weitet sich jede zu lauschigen Atrien. Sie wurden zwischen die zwei tiefen Einheiten an der Südfeuermauer eingeschnitten und bieten hier versteckte Privatfreiräume zum Lesen und Träumen.

Der offene, metallbrüstungsverbrämte Laubengang darüber weitet sich zu gedeckten Mieterterrassen, von hier lässt sich der große, luftige Freiraum erglimmen, der das Dach des hofschließenden, zweistöckigen Baukörpers im Westen krönt. Er bietet Kindern einen Spielplatz und Erwachsenen eine Partylocation mit Rundumblick in die urbane Neubauer Grünlandschaft. Der edelvergitterte Schlitz unter der hochgezogenen Dachhaut im vierten Stock gibt sowohl dem Riegel als auch der Laubengangpassage einen speziellen Kick. Hier beginnt das Leben in Maisonetten mit Terrasse. Luftig hoch, bettet sich in atmosphärischen Räumen, durch schräg geschnittene Fenster und Wände das facettenreiche Hinterland ins Stadtpanorama.

Der Standard, Sa., 2005.05.14



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kai Wohnbau Kaiserstraße

23. April 2005Isabella Marboe
Der Standard

Kontrastprogramm am Biotop

Kulissenhafte Traumhäuser um einen Teich sind Verkaufsschlager des Bauträgers AURA. In seiner Anlage in Leopoldsdorf eroberten Hadler bis Hausdorf Architekten zeitgenössischer Architektur neues Terrain. Ihr städtebauliches Konzept strukturiert das pastellfarbene Idyll, wie Finger einer Hand greifen mehrgeschossige Wohnbauten zum Biotop.

Kulissenhafte Traumhäuser um einen Teich sind Verkaufsschlager des Bauträgers AURA. In seiner Anlage in Leopoldsdorf eroberten Hadler bis Hausdorf Architekten zeitgenössischer Architektur neues Terrain. Ihr städtebauliches Konzept strukturiert das pastellfarbene Idyll, wie Finger einer Hand greifen mehrgeschossige Wohnbauten zum Biotop.

Keinen Steinwurf von Wiens Südgrenze liegt Leopoldsdorf an der B16. Die 3.500-Seelen-Gemeinde wächst stark, für naturhungrige Städter ist sie eine günstige Wohnalternative. Noch staut es sich zu Stoßzeiten an der Maria Lanzendorfer Straße, mit der B16-Umfahrung wird 2005 Ruhe einkehren. Die Straße begrenzt die südliche Längsseite einer riesigen Reihenhausanlage.

Reihenhausanlage. Ihr Herzstück sind zwei nierenförmige frühere Baggerseen, die Bauträger AURA zu schilfbewachsenen Biotopen machte. Er ist Spezialist für Reihenhaussiedlungen, die sich um Teiche gruppieren. Pastellfarben, mit weiß gefaschten Fenstern und Garten sind die schmucken Häuschen der reinkarnierte Traum vom Glück im Eigenheim, sie verkaufen sich prächtig. Die AURA ist aber auch offen für moderne Architektur, wenn sie ihre Klientel findet.In Leopoldsdorf wagte sie mit den Hadler bis Hausdorf Architekten ein Experiment. Ihr Städtebau folgt der Gartenstadtidee, er schafft einen ruhigen Charakter. Organisch schmiegt sich eine Reihenhausschlange ans Ufer des Teichs im Norden, die anderen laufen strahlenförmig in geschwungenen Zeilen auf die Biotope zu. Am Nordwest-Stück, das von Ödenburger und Maria Lanzendorfer Straße gefasst wird, bewiesen die Architekten, dass moderne Bauten gefragt sind.

Aus 13 mehrgeschossigen Blöcken mit Maisonetten, Keller, Lift und Tiefgarage entwickelten sie eine intelligente, lose über verglaste Stiegen verknüpfte Baukörperformation. Die Zeile am Beginn der Maria Lanzendorfer Straße wird ein abschirmendes, leicht gekrümmtes Rückgrat bilden, die anderen Bauteile greifen wie fünf gekrümmte „Finger“ ans größere Biotop, der abschließende, längste flankiert die Ödenburger Straße. Sukzessive verkürzen sich die Blöcke, alle sind Ostwest belichtet und natürlich belüftet, der „Daumen“ am Ostende schließt die Parzelle.

Er und der zweite „Finger“ sind schon fertig. Wie Taucherbrillen stülpen sich froschgrüne Panoramafenster aus den krönenden Dachmaisonetten, Westsonne durchflutet den durchgesteckten Einraum dahinter, die Küchengalerie hat über die Treppe den vollen Überblick, durchs horizontale Ostfenster sieht man im Sitzen auf den Golfplatz von Achau. Am geselligen Wohn-Essraum liegen noch zwei Zimmer mit Bad, wo Kinder ihr ungestörtes Reich haben. Für Singles eignen sie sich als Homeworker-Station. Im Westen ist noch ein Balkon mit Metallbrüstungswelle, eine Stiege führt auf die Dachterrasse. Von hier blickt man über die futuristische Reinzinklandschaft aus silbernen Rohren, frechen Monitoren, Holzterrassen bis zu Schneeberg und Leithagebirge.

Quer dazu ist darunter die stille Schlafebene mit Bad und WC am gemeinsamen Erschließungsflur, eine Tür neben dem Eingang macht den Raum unter der Innenstiege zur externen Abstellkammer. Mittelmaisonetten haben zweigeschossige Loggien, die Metallelemente des oberen Podests lassen sich entfernen, ein hoher Wintergarten entsteht. Ebenerdig wohnt man im Erdgeschoss mit V-förmigen Betonstützen vor gedeckter Terrasse, die sich zum Privatgarten öffnet. Über den Weg zum Biotop kommunizieren die „Finger“, der westliche besteht aus zwei Blöcken, die das durchgehend verglaste Stiegenhausgelenk verbindet. Es verbreitert sich, schenkt jedem Podest ungetrübten Ausblick, der Aufstieg auf gelben, reflektierenden Stufen um die sich erweiternde Spindel ist ein Raumerlebnis.

Die 40 Eigentumswohnungen fanden begeisterte Käufer, was Vorbedingung zur Realisierung des Gesamtprojekts war. Bis 2006 können sich Menschen mit dem Kauf von einem der 189 Tops für moderne Architektur, Lebensqualität mit Cinemascope-Panoramen und den Feierabendspaziergang um die Teiche entscheiden.

Der Standard, Sa., 2005.04.23



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Wohnanlage Leopold 40

09. April 2005Isabella Marboe
Der Standard

Archaisch, mit vier sakralen Ecken und Helm

Ein etappenweise realisierbares Haus, in dem die Seele atmen kann, planten Szyszkowitz-Kowalski in Kumberg bei Graz. Wie ein Helm ruht das Tonnendach zwischen vier markanten Eckpfeilern am fast quadratischen Grundriss. Atmosphärisches Licht und großzügige Weite verströmt der hohe, überwölbte Zentralraum mit Galerie und unregelmäßigen Glasöffnungen.

Ein etappenweise realisierbares Haus, in dem die Seele atmen kann, planten Szyszkowitz-Kowalski in Kumberg bei Graz. Wie ein Helm ruht das Tonnendach zwischen vier markanten Eckpfeilern am fast quadratischen Grundriss. Atmosphärisches Licht und großzügige Weite verströmt der hohe, überwölbte Zentralraum mit Galerie und unregelmäßigen Glasöffnungen.

Was tun, wenn man ein Stück Grund erspart hat, ein besonderes Haus will, aber keine Architekten kennt? Die künftige Baufrau griff zum Telefonbuch und traute ihrer Intuition: Szyszkowitz-Kowalski war der längste, klangvollste Name. Die nette Architektenstimme empfahl Kammerberatung und lud zum Kaffee ins Büro. Dort schwante dem Paar vor vielen Eigenpublikationen, dass es an renommierte Architekten geraten war. Es stand tapfer zum knappen Budget, Intuition und Sympathie siegten: Szyskowitz-Kowalski planten ein Haus zur Realisierung in Etappen.

Archaisch sollte es sein, mit vier sakralen Ecken, viel Licht und Luft, damit die Seele atmen kann. Konkrete Raumvorstellungen gab es keine, dafür eine feinsinnige Bild-Collage, die präzise Atmosphäre vermittelte. Der kleine, 10 Meter breite Hügelgrund liegt am Ortsende von Kumberg, einer idyllischen 3.360-Einwohner-Gemeinde im Grazer Umland. Von der Straßenschmalseite im Osten abfallend, legt er einem die sanfte Landschaft zu Füßen. Im Norden ragt hinter einer modernen Kirche mit prägnantem Dach der Schöckl auf, im Süden erstreckt sich das benachbarte Giebelmeer, im Westen der Garten. Die Bauordnung sah 33 Grad bis 45 Grad Neigung mit zur Straße parallelem First vor. Inspiriert lösten das die Architekten ein: In sanftem Bogen schmiegen sich zwei Tonnen unterm vorgeschriebenen Neigungsverschnitt firstaufwärts, das bergende, raumgestaltende Dach wird zum Charakteristikum. Kostensparend sind die Holzbinder nicht geleimt, sondern genagelt. Wie ein Helm ruht die weiche Form am fast quadratischen, zweistöckigen Haus zwischen vier markanten Eckpfeilern. Sie bilden innen die sakralen Nischen. Aus Ziegeln gemauert, nimmt es die archaischen Themen Wand, Öffnung und Dach auf, interpretiert sie neu und schafft daraus eine spezielle Atmosphäre.

Inmitten der Straßenfront sind Eingang und Vorraum, eine geschwungene Treppe mit rau geschweißtem Stahlgeländer führt in den Keller. Der Blick gleitet darüber weg drei massive, versetzte Mauerpfeiler entlang, die hoch in den überwölbten Zentralraum dahinter ragen und türlos offen die Wohnbereiche definieren, Licht und Sicht frei fließen lassen. Am „sakralen“ Südost-Eck ist die Herdzeile, vom Fenster sieht man die Sonne aufgehen, der erste Raumpfeiler gibt der Küche eine praktische Nische, davor in Raummitte ist der Tisch, auf roten Säulen variiert das Oberteil vom Schrankblock ein Hausthema. Das horizontale Glasband dazwischen wächst zum vertikalen Schlitz, durch den Südsonne bis in den Wohnraum fällt. Der zentrale Mauerpfeiler mit Kamin ragt hoch in den Dachraum, ausladend schwingt sich die gewendelte Treppe mit Sitzpfeiler die Nordwand auf die Galerie zum ostseitigen Schlaf-Kinderund Badezimmertrakt. Von dessen Trennwand hebt ein Bogen zum Gegenschwung an, um sich in acht Meter Höhe zum bergenden Gewölbe und über ein Oberlicht zu entfalten. Vom Garten wirkt das Dach wie ein Helm mit aufgeklapptem Visier, das Westsonne einfluten lässt. Ein zweiter Südschlitz und viele unregelmäßige Öffnungen erzeugen atmosphärisches Licht mit Himmels- und Landschaftsperspektive. Im Osten mündet der Raum ins Baufrauenatelier mit Schöcklblick und Nordost-Nische, eine durchgängige Glasfront öffnet ihn zur Gartenterrasse, in deren Mauerzinnen die Pfeiler anklingen. Der Hang birgt zwischen vorragenden Kellerseitenwänden Raumreservoir. Etappenweise lässt sich hinterm fertigen Pelletslager- Heizraum-Kern die künftige Bauherrnpraxis mit lichtspendendem Wintergarten am kiesgedeckten Innenhof ausbauen. Hier soll zwischen vier Bäumen noch ein Schwimmbad mit Treppe zur Terrasse folgen. Der Kreislauf von Natur zu Haus wäre geschlossen.

Der Standard, Sa., 2005.04.09



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Haus in Kumberg

02. April 2005Isabella Marboe
Der Standard

Differenziert gegliederte Dichte

In Kagran gelang den Architekten Ablinger, Vedral & Partner ein locker wirkender Wohnbau der GSG mit hoher Dichte. Eine gehsteigüberragende Arkadenzone, luftige Laubengangbrücken, verglaste Stiegenhäuser und ein niederer, zarter Südtrakt gliedern die Baumassen. Dachterrasse, Ecklokal, Kinderspielraum und das begrünte Garagendach im Hof sorgen für Gemeinschaftsleben, Loggien und Balkone für privaten Freiraum.

In Kagran gelang den Architekten Ablinger, Vedral & Partner ein locker wirkender Wohnbau der GSG mit hoher Dichte. Eine gehsteigüberragende Arkadenzone, luftige Laubengangbrücken, verglaste Stiegenhäuser und ein niederer, zarter Südtrakt gliedern die Baumassen. Dachterrasse, Ecklokal, Kinderspielraum und das begrünte Garagendach im Hof sorgen für Gemeinschaftsleben, Loggien und Balkone für privaten Freiraum.

Seit die U1 die Donau überbrückt und so den jenseitigen Bezirk näher zur City brachte, ist Kagran deklariertes Stadterweiterungsgebiet, der dortige Mall-Magnet Donauzentrum verzeichnet derzeit 18 Millionen Besucher pro Jahr. Längst wichen viele alte Gärtnereien neuen sozialen Wohn- und Infrastrukturbauten in attraktiver Alte-Donau-Nähe.

Ein junges Kagraner Baufeld liegt haarscharf an der Bezirksgrenze Dückeg. zwischen Donaufelderstr. und Prandaug. Am Südende steht der Kindergarten von Martin Kohlbauer, wo die Nippongasse einmündet, wächst ein 250-Betten-Geriatriezentrum von Gustav Peichl & Partner empor. Hier verkaufte der Wohnfonds Wien (WBSF) Bodenreserven an Sozialbauträger. Fördergelder sind an einen Grundkostenanteil von maximal 220 Euro pro Quadradmeter Wohnfläche gebunden, was dazu zwingt, Parzellen optimal auszunutzen. Sehr hohe Dichte war beim neuen GSG-Wohnbau gefordert. 108 Wohnungen von über 20 Typen, fast alle mit Balkon oder Loggia, planten Ablinger, Vedral & Partner in drei Bauteilen. Konstruktiv bestehen sie aus Stahlbetonscheiben, Orientierung nach der Sonne, Vollwärmeschutz und Isolierglas bringen Niedrigenergiestandard.

Ein achtstöckiger, 16 Meter tiefer, 65 Meter langer Riegel mit Arkaden säumt die westliche Nippongasse, flankierend fassen ein ebenso hoher und tiefer Nordbauteil und ein mit acht Meter Tiefe viel zarterer, lichtmäßig privilegierter Südtrakt den Innenhof ein. Um die Sonne nicht zu sehr abzuschirmen ist er zwei Stöcke niederer. Ein offener, hofquerender Nord-Süd-Durchgang und luftig schwebende Laubengangbrücken ab dem dritten Obergeschoss leiten filigran zum Riegel über. Abgehängte Pflanzentröge führen das Hofgrün zur Dachterrasse für alle weiter. Oben sitzt man windgeschützt an der gewölbten Sichtbetonwand bei Südsonne mit Donau-Panorama plus Millenniumstower.

Eisiger Wind bläst über die Gasse, die bis vor kurzem Tokiostraße hieß. Exotik im Namen und Wind blieben, lindernd ragen die Arkaden übers Trottoir. Horizontale, schmale Anthrazitpaneele zwischen Holzleisten gliedern elegant den 4,5 Meter hohen, gedeckten Sockel, durch auflockernd verschieden hohes Glas lugt man in den Kinderspielraum. Hier blicken auch Knirpse durch, über der Miniküche ist innen eine Galerie, die Hofverglasung bringt Licht und Blick zu Kids, die am begrünten Garagendach spielen. Ebenso transparent ist das Lokal am Arkadensüdeck, dunkelrotes Glas setzt feine Akzente, ein Cafetier wird soziales Leben in die neue Straße bringen.

In Riegelmitte sind durchgesteckte Maisonetten mit hofseitigen Laubengängen an Eingangsflur und zweizeiliger Küche. Ihr Fensterband hat Ostsonne, keine Tür trennt vom großen Wohnraum mit Westloggia. Viel Höhe bietet ein Luftraum an der einläufigen Treppe in die obere Schlafebene mit Sanitärblock in der dunklen Mitte. Sowohl der große Raum im Westen als auch die zwei kleinen im Osten haben Balkon. Wie Passepartouts rahmen weiße Mauerbänder zartwandig getrennte Loggien an der Straße. Glas, Lochblech-Anthrazitbrüstungen und das Wechselspiel aus Balkon und Loggia geben der Fassade Plastizität. Die lichtmäßig schwierige 16-Meter-Tiefe wird zum Mehr an Privatfreiraum, der Ost-und Westsonne hereinlockt. An den Riegelenden liegt je ein Dreispänner ums verglaste Stiegenhaus, das gelenksartig die Seitentrakte anbindet. Wie eine Brücke schwebt ein schmaler Appendix im Norden über die Straße, dockt als gedeckte Arkadenverlängerung an Elsa Prochazkas Nachbarbau an. Die Garage führt im Erdgeschoss zum Sondertyp: Man wohnt im ersten Stock mit Südterrasse zum Hof, das Galerienordlicht erhellt das hohe Entree. Das variierte Motiv des Mauerrahmens um Glas- Anthrazit-und Metallbänder eint die differenziert gegliederte Anlage.

Der Standard, Sa., 2005.04.02



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Wohnbau Tokiostraße

26. März 2005Isabella Marboe
Der Standard

Das gelbe Krokodil überm Pool

Für einen Bauherrn mit Faible für Fahrräder, Wein und Südafrika entwarfen die hobby a. Architekten ein Haus wie ein Krokodil. Das auskragende Obergeschoss und die Split-Level- Lösung im Inneren folgen dem Hanggrund, die weitläufige Terrasse und der Pool vor der Wohnküche erhöhen die Lebensqualität.

Für einen Bauherrn mit Faible für Fahrräder, Wein und Südafrika entwarfen die hobby a. Architekten ein Haus wie ein Krokodil. Das auskragende Obergeschoss und die Split-Level- Lösung im Inneren folgen dem Hanggrund, die weitläufige Terrasse und der Pool vor der Wohnküche erhöhen die Lebensqualität.

Der Bauherr arbeitet in der Baubranche, hat ein Faible für Südafrika, gute Weine und Fahrräder. Er wollte ein großes, modernes Haus in ruhiger Lage, das ihm, Frau und Tochter mit Pool, Weinkeller und Garage für seine Bikes gehobene Lebensqualität und Urlaubsflair bot. Im Herbst betrat er das Büro der hobby a. Architekten, am 1. Juni wollte er einziehen, der Wein aus Südafrika zum Einweihungsfest war schon bestellt. Gemeinsam suchte man ein erschwingliches Grundstück und wurde zehn Minuten vom Arbeitsplatz in der Randgemeinde Bergheim fündig. Über 45 Meter erstreckt sich die Längsseite der von zwei Straßen im Norden und Süden eingeklemmten Parzelle, bis zum Spitz im Westen fällt sie fast 2,5 Meter ab. Dafür hat die östliche Breitseite eine hammerförmige Erweiterung nach Süden. Sie wird zum Privatvorgarten der Tochter, die erhöht auf der Eingangsebene wohnt. Sie und der Bauherr können auf einer eigenen Rampe direkt von der Fahradgarage auf die Straße zur Schule oder zum Rennradfahren flitzen.

Man betritt den 6,5 Meter schmalen, über 30 Meter langen, hellgelb verputzten Betonbaukörper an der weitgehend geschlossenen Nordseite. Elegant schwingt sich die um einen Baum geführte Gartenmauer zur Garagenwand hoch, dem Eingang schafft sie einen beleuchteten Vorplatz. Das auskragende, abgeschrägte Obergeschoss folgt der Hangneigung, es erinnert vage an ein Krokodil und hebt sich so deutlich von den umgebenden Tirolerhausvarianten ab. Hinter der abfallenden Schnauze schwebt oben vorm Wohnraum im Südwesteck eine Riesenterrasse, aus der Brüstung ragt in 3 Meter Höhe ein Sprungbrett, von dem man sich in den Pool darunter werfen kann. Sie ist zum Himmel offen, zur Straße blickdicht zugemauert. Eine große Öffnung in der Westwand rahmt den Ausblick, die Gartenseite ist zum breitem Längspanorama geschlitzt, der Rahmen darüber bietet Sonnenschutz und Schatten.

Auch im Inneren wirkt der Hang nach: Als Split-Level treppt es sich vom Entree halbgeschossig zur Wohnküche ab, die sich raumhoch übereckverglast auf einem Niveau zum Pool öffnet. Durch den oberlichtbeschienenen Luftraum über der Stiege sieht man vom Vorraum mit Garderobe für den beachtlichen Schuhbestand die reizvollen Lichtreflexe, die über den Wasserspiegel tanzende Sonnenstrahlen an die Decke werfen. Im Halbstock darunter sind Weinkeller, Sauna und Ruheraum, ein Oberlichtband macht sie taghell.

Stützen reduzieren die Südwand auf Decke und Fensterbandbrüstung des Schlafbereichs, dynamisch folgt die Wohnraumverglasung dem Treppenverlauf auf die höhere Ebene dahinter, wo sie in eine elegante Horizontale mündet. In exponierter Hochlage überblickt die Baufrau von ihrem Arbeitsraum an der Treppe sowohl Eingang als auch Wohnraum bis zur Terrasse. Heller Steinguss bedeckt durchgehend Boden und Treppe, Glasbrüstungen schaffen Transparenz, alle Wände sind elfenbeinfarben, im Wohnraum sorgt Schallbespannung für optimale Akustik. Die bergende Kaminwand und das raumbildende Küchenrückgrat mit Herd darunter gestalteten die Innenarchitekten Hatz & Peham mit dunklem Rio-Palisanderholz. Es findet sich auch an Schränken und Garderobe. Seine exotische, flammenartige Struktur kontrastiert zu den ruhigen, hellen Räumen.

Die Terrasse um den Pool ist mit ihrer in Steinöl eingelassenen Betonplatte die ideale Grillparty-Location, sie weitet sich im Süden zum geselligen Sitzplatz. Mit Weidenmatten gedeckt, stellen sich afrikanisch anmutende Urlaubsgefühle ein, im Winter lassen sich die zarten Tragrahmen des Sonnenschutzes abschrauben, mit der Sommerhitze verlassen die tropischen Reminiszenzen den Garten.

Der Standard, Sa., 2005.03.26



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Haus für Dani und Herbert

19. März 2005Isabella Marboe
Der Standard

Alles unter einem Dach

Die verschiedenen Steildachformationen einer gewachsenen Weizer Einfamilienhausgegend bereicherte Architekt Erhard Mastalier um eine leichte, weiße Holzleimbinder-Konstruktion. Weit über die große Terrasse auskragend, schwingt sie sich luftig übers Oberlichtband im Norden. Wie ein Gartenpavillon sitzt dieses eingeschossige, erdverbundene Haus im Grünen.

Die verschiedenen Steildachformationen einer gewachsenen Weizer Einfamilienhausgegend bereicherte Architekt Erhard Mastalier um eine leichte, weiße Holzleimbinder-Konstruktion. Weit über die große Terrasse auskragend, schwingt sie sich luftig übers Oberlichtband im Norden. Wie ein Gartenpavillon sitzt dieses eingeschossige, erdverbundene Haus im Grünen.

Ein ganzes Berufs-und Familienleben lang bewohnte das Weizer Bauherrenpaar eine 90-Quadratmeter- Wohnung im ersten Stock, vor 13 Jahren kompensierte es den Grünmangel durch Kauf eines raren Grunds in City-Lage. Mit Hingabe hegte die Baufrau den Garten, pflanzte Bäume und Beete, oft pilgerte die Familie zum Picknick ins eigene Grüne. Beider Ruhestand steigerte Sehnsucht und Wegfrequenz. Nach reifer Überlegung besiegten der starke Wunsch und ein klarer Kostenplan für 140 Quadradmeter die Skepsis, sich das Haus im Garten auch leisten zu können.

Sohn Erhard Mastalier kennt Bauherren und Grund genau. Er ist Architekt und plante das Haus. Maßvoll sollte es sein, ohne Keller, aber keine rationale Kiste. Blickgeschützt wollte man möglichst barrierelos und gartennah leben, Lebensmittelpunkt sollte ein Wohnraum mit fließendem Übergang zu Küche und Natur sein, lieb gewordene Möbel waren ebenso einzuplanen wie eine optionelle autonome Wohneinheit für Pflege- oder sonstige Bedarfsfälle.

Der Bauherr konnte sich sein Haus ohne markantes Dach nicht vorstellen. Das entsprach der Bauordnung, die eine Sattel-oder Pultform vorschrieb und so den Charakter der stilvollen Gegend prägte. Etwa gleich große Gärten um ein-oder zweistöckige Einfamilienhäuser ab den Dreißigern mit diversen Steildachformen bis zum Walm, vereinzelt zeigen herrschaftliche Jahrhundertwende-Villen das nahe Zentrum an. Der Grund misst etwa 30 Meter mal 40 Meter, an der Südost-Schmalseite verläuft die Cäsargasse. Um möglichst viel Garten zu bewahren, wurde der Vorderteil als unverbaute Fläche deklariert und auf Parkstreifen verzichtet. Das Auto steht auf der Straße vorm efeuumrankten, alten Zaun.

Natur, Sonnenstand, Lichteinfall und Gartenblick sind die Themen des eingeschossigen Hauses, das auf einer 25-Zentimeter-Fundamentplatte direkt auf der Erde steht und sich unterm weit auskragenden, sanft geschwungenen, weißen Holzleimbinder-Dach im hinteren Gartenteil versteckt. Von dichtem Heckengrün blickschützend umgeben, fügt es sich wie ein Pavillon in selbstverständlicher Eleganz in die gewachsenen Platanen, Fichten, Kirsch-, Nuss- und Apfelbäume. Ihnen wendet es seine überdachte, wintergartenartig leichte Südwest-Wohnseite zwischen zarten zehn mal zehn Zentimeter breiten Stützen und Glas zu. Sie nutzt jeden Sonnen-und Wärmestrahl, bis zu acht Stunden kann man die Heizung an sonnigen Wintertagen abdrehen und so ein Drittel Energiekosten sparen.

Massiv gemauert ist der Nebenraumtrakt im Nordosten. Betonplatten führen hier geradlinig ans Grundende, wo zwei lärchenholzverschalte Boxen alles bergen, was es zu stauen gibt. Dem Eingang gibt eine hinterleuchtete Pergola Witterungsschutz und Rahmen, leitet als optische Klammer vom Nebentrakt in den Mauersockel der verglasten Südostseite über. Er erdet das Haus, gibt der integrierten Küche Blickschutz und bildet ein reizvolles Pendant zum gegenschwingenden Dach. Nieder hebt es in einer Regenrinne, von der seitlich das Wasser im Gartenkiesbett versickert, über der Terrasse an, um sich 3,80 Meter hoch im Nordosten übers Glasband zu schwingen. Von hier gleitet das Licht bei Sonnenaufgang über die geneigte Decke, um bis zum Abend durchs Haus zu wandern, am 1:1-Dachmodell wurde das getestet. Mit drei Schiebetüren lässt sich die gläserne Südwestfront öffnen, mit grauen Jalousien, die in der Untersicht verschwinden, ganz schließen. Auch Gäste-und Elternschlafzimmer haben Nurglas-Gartenblick, nordwestseitig ist der oberlichtbandhelle Schrankraum vorm Nebentrakt eingeschoben, durch die Glaskuppel im Bad genießt man den Vollmond. Diese Einheit lässt sich abtrennen. Ein kontemplatives, naturverbundenes Garten- Haus für alle Tages- und Lebenszeiten.

Der Standard, Sa., 2005.03.19



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Wohnhaus GLM

12. März 2005Isabella Marboe
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Ziegel in der Stadtbrandung

Gekonnt zelebrieren die BEHF-Architekten am neuen geförderten GPA-Wohnhaus die Schönheit des Sichtziegelmauerwerks. Vom manganbraunen Schmalformat elegant strukturiert, wird die Baukörperplastik in der Kollmayergasse zum Markstein im diffusen Gürtel-Hinterland. Die Wertschätzung, die sie ausstrahlt, setzt sich innen in schönen, hellen Wohnungen fort.

Gekonnt zelebrieren die BEHF-Architekten am neuen geförderten GPA-Wohnhaus die Schönheit des Sichtziegelmauerwerks. Vom manganbraunen Schmalformat elegant strukturiert, wird die Baukörperplastik in der Kollmayergasse zum Markstein im diffusen Gürtel-Hinterland. Die Wertschätzung, die sie ausstrahlt, setzt sich innen in schönen, hellen Wohnungen fort.

Als örtliches Baumaterial hat der Ziegel vom Wienerberg 180 Jahre Tradition, sein Produzent ist heute Weltmarktführer. Er ist der Stein, aus dem die wegweisenden kommunalen Wohnbauten des Roten Wien sind. Bis heute wird viel mit Ziegeln gebaut, meist verbirgt sich der wärmespeichernde Baustoff mit dem grundsoliden Image unter isolierenden Putzschichten. Naturbelassen tritt er nur an Trutzburgen wie Arsenal, Rossauer Kaserne, frühen Industrieanlagen, Fabriken und den Stadtbahnbögen in Erscheinung.

Lustvoll zelebriert ein neuer, geförderter GPA-Wohnbau die zeitlose Schönheit des Sichtziegelmauerwerks. Das von den BEHFArchitekten skulptural gestaltete Haus setzt einen Markstein ins diffuse Gürtel-Hinterland. Tief eingeschnittene Fenster, horizontale Balkonzeilen zwischen Loggien und zinnenartige Dachgaupen geben der Fassade raffiniert asymmetrische Plastizität, das edle Ziegelformat feinmaßstäbliche Struktur. Die prägnante, bewohnbare Baukörperplastik vermittelt Wertschätzung und nimmt Bezug zur unscheinbaren Gasse auf.

Wo der Gaudenzdorfer Gürtel sich zum Wiental schlängelt, verdichtet sich Stadt zum urbanen Spannungsfeld erster Güte. Das Gürtel-Superblock-Konzentrat setzt sich in den Gemeindebauten des Arbeiterbezirks Meidling fort, an den Verkehrsadern florieren Autohandel, Industrie und Gewerbe. Von diesen Merkmalen behaftet, kratzt die Kollmayergasse im Norden die Kurve zur Schönbrunner Straße, wo ein am Sockel thronender, fast 50 Meter hoher Backsteinschlot dem Himmel über der Gasse eine schlanke Perspektive schafft. Der schmucke Sozialwohnbau mit der zweischaligen Sichtziegelfassade wird ihm zum Pendant, setzt zwischen zweistöckigem Biedermeierhaus und Autohändlerparkplatz ein starkes Signal.

Straßen sind hier vor allem Verkehrsträger, wie lang die niederen Häuser und Gewerbe bleiben, bestimmen Zeit und Marktlage. Wo alles im Fluss ist, braucht es Halt. Die Baukörperplastik wird zur ruhigen Konstanten, die mit dem Schlot und der Gasse im Osten in einen Dialog tritt. Manganbraun gebrannt, gesintert, sorgsam verfugt, mit diszipliniert durchgehenden Dehnfugen vermittelt der schmalformatige Schweizer Qualitätsziegel Dauer, seine Dämmwerte bringen Niedrigenergiestandard im geförderten Wohnbau.

Als starke vertikale Elemente wirken die zwei vorspringenden Loggien, die sich überm ersten Stock verjüngen. Einerseits kaminartig gemauert, andererseits von großen Fenstern ostlichtgeflutet, rahmen sie kontrastvoll die tiefen, beschatteten Balkone. Wie Zinnen wachsen die Nord-Süd beidseitlich belichteten Gaupen gerade aus dem zurückgesetzten 4. Stock. Ihr Zwischenraum schafft der Wohnküche im Dachgeschoss eine schmale und eine quadratische Terrasse mit Ziegelboden, Ost-und Südsonne, Schlotperspektive und Blick in Werkstatthinterhöfe. Alle der 14 großteils durchgesteckten Einheiten haben Hofbalkone, reizvoll verstärken dunkler Ziegel und weiße, helle Wohnungen mit Stabparkett den Gegensatz von harter Außen- und privater Innenwelt.

Statisch ausgeklügeltes Rückgrat ist der mittige Sichtbetonstiegenhauskern, wo grauer Travertin, lackierte Metallgitter und hoch gesetzte Fenster unprätentiös Ruhe verströmen. Straßen-und Hoftür sind aus Glas, man durchblickt die ganze Haustiefe. Nahtlos setzt sich der Ziegel im Gangschlauchraum dahinter an Boden und Wänden fort, als Gehweg führt er an der flankierenden Nordgangwand Nordgangwand weiter ins Freie. So wird der Eigengarten im Erdgeschoss vom Gemeinschaftshof im Süden geteilt, den Liz Zimmermann gestaltete. Eine lange Sitzbank säumt den Rasen, verspielt schließen über verschiedenfarbigen Bodendeckern tanzende, schräge Rankgitter den Hof im Westen ab.

Der Standard, Sa., 2005.03.12



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Wohnbau Kollmayergasse

05. März 2005Isabella Marboe
Der Standard

Gekonnt ums Eck gestelzt

Dem gediegenen Haus geselliger Bauherren verpassten die arquitectos ein umsichtiges Update mit Zubau, der auf zarten Stelzen eine gedeckte Terrasse schafft. Zwischen Lärchenlatten tanzt das Sonnenlicht, wirft malerische Schatten in den Raumschlauch dahinter, durch dessen vollverglaste Enden Licht und Garten strömen.

Dem gediegenen Haus geselliger Bauherren verpassten die arquitectos ein umsichtiges Update mit Zubau, der auf zarten Stelzen eine gedeckte Terrasse schafft. Zwischen Lärchenlatten tanzt das Sonnenlicht, wirft malerische Schatten in den Raumschlauch dahinter, durch dessen vollverglaste Enden Licht und Garten strömen.

Architekturinnovationen sind rar in Graz St. Peter. Hier hielt sich im Hinterland des ORF-Zentrums (Gustav Peichl) recht unverfälscht eine Einfamilienhaussiedlung aus den Zwanzigern in großen Parzellen. Wo sie neu bebaut wurden, herrscht höhere Dichte im mehrgeschossigen Wohnbau oder pseudo-toskanischer Fertigteilhaus- Stil. Dort besitzen die Bauherren ein Haus des Jahres 1910, das mitten in der Südwesthälfte des 2.000 Qudradmeter großen Gartens throhnt.

Es wurde von den arquitectos saniert und um einen Zubau bereichert. Auf zarte Stützen aufgestelzt, windet er sich kantig-keck ums Nordeck des Hauses, leuchtet wie ein Glühwurm aus nachtdunklem Blätterwerk. Als massiver, kühler Stein ruht der sanierte Altbau dahinter im Garten. Ein Doppel, das in St. Peter architektonische Frische, beim Bauherrenpaar und seinen Gästen rund um die Uhr ins Draußen ausufernde Lebensfreude verbreitet. Der Altbau hatte einen klassischen, fast quadratischen Grundriss von cirka acht mal neun Metern mit Kamin in der Mitte, drei Zimmern und gewendelter Holztreppe im Nordeck. Die Energiekosten explodierten, das markante, gekreuzte Krüppelwalmdach und die Wände waren ungedämmt, die Räume zugig und eng, die Wetterseite im NW fast fensterlos, eine Sanierung überfällig. Außerdem brauchte das gesellige Paar mehr Raum, um Freunde beherbergen, den schönen Garten endlich auch innen spüren und bei Regen draußen sitzen zu können.

Der Zubau ist ein kleines Meisterstück. Er fungiert als Witterungsschutz der Terrasse, birgt das neue Entree fürs Mutterhaus und eine luxuriöse Dependance in Baumkronen mit eigenem Zugang und Direktverbindung zum Altbau. Frech stülpt sich der Holz-Windfang aus der NWFront, wirkt wie der Stamm des Zubaus, der darauf aufliegt und durchs Glasdach winkt, ein Schlitz lässt auf die gedeckte Terrasse mit einladendem Tisch blicken. Eine Tür führt in den Altbau, eine andere ins Freie zur Metallstiege ins moderne Baumhaus auf Stahlstützen, das ums Eck hochklettert und sich unter den Verschnitt des Walmdachs schmiegt. Bei Wind und Wetter erklimmt man es, um sich darin wohlig-warm einzunisten.

Der ansteigende Schlauchraum ist verglast, die behausenden schmalen vertikalen Lärchenlatten an den Längsseiten lassen einen Schuppen assoziieren, bieten Blickschutz und harmonieren mit den mächtigen Rotbuchen davor. Innen werfen sie malerische Schatten, die mit dem Baumkronenblattwerk verschmelzen, zu jeder Jahres-und Tageszeit wechselt die Stimmung. Die Schmalseiten sind vollverglast, vom großen Monitor im Südwesten hat man die Wittenbauerstraße im Visier, von diesem Platz an der Sonne schlüpft man in den Altbau. Boden und hausseitige Wand sind hellgrau, die Decke weiß, was Helligkeit und Weite mehrt. Eine weiß gebeizte Holzstiege mit seitlicher, ansteigender Liege führt aufs Hochplateau am gartenseitigen Vollglas im Nordosten. Hier ist ein Bad mit Panorama und edel reduzierter Sanitäreinheit.

Wenige umsichtige Eingriffe veränderten Inneres, Energieeffizienz und Ausstrahlung des Altbaus, ohne seinen Charakter zu zerstören. Grauer Anstrich und ein eternitgedecktes, formal um alle Vorstände entschlacktes Dach verwandeln biedere Behäbigkeit in kühle Strenge. Der alte Eingang, die Mittelwand im Wohnraum, der Ofen aus der Küche wurden entfernt, sie bekam im Südwesten eine Glastür mit Balkon. Seine hochgezogene Betonplattform weitet sich zur Sitzbank mit Metallbrüstungslehne, die praktische Konstruktion taufte man ihrer Form wegen „Ägypter“. Der Kachelofen wanderte ins Stiegenhaus, machte es zum warmen Ort konspirativer Sit-ins. Ein neues Dachflächenfenster bringt mehr Licht, von der Zwischenpodeststufe geht’s direkt zur Terrasse.

Der Standard, Sa., 2005.03.05



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update

26. Februar 2005Isabella Marboe
Der Standard

Klein, aber fein

Für Blutauffrischung im dichten, grauen Grätzel hinterm Westbahnhof sorgt ein neues Heimbau-Haus von Martin Kohlbauer. Jeder Zentimeter der schmalen Parzelle ist genutzt. Hochkomprimierte Grundrisse, niedere Fensterparapete und Küchen, deren zweite Zeile im fassadengestaltenden Erkerelement sitzt, erzeugen auf wenig Fläche maximales Raumgefühl.

Für Blutauffrischung im dichten, grauen Grätzel hinterm Westbahnhof sorgt ein neues Heimbau-Haus von Martin Kohlbauer. Jeder Zentimeter der schmalen Parzelle ist genutzt. Hochkomprimierte Grundrisse, niedere Fensterparapete und Küchen, deren zweite Zeile im fassadengestaltenden Erkerelement sitzt, erzeugen auf wenig Fläche maximales Raumgefühl.

An der Demarkationslinie des Gürtels ändert die Mariahilfer Straße ihre Atmosphäre, die Dauerhochfrequenz am Verkehrsknoten Westbahnhof verebbt schon hinterm Postamt. An der Stadtbrache aus Geleisen, Bahntrassen und Brücken zeigt Urbanität ihre Kehrseite, bisweilen schwappt das leichte Gewerbe der Felberstraße herüber. Wo die Einkaufsmeile das Prädikat „äußere“ trägt, kämpft alteingesessener Einzelhandel tapfer um Kunden und gegen das Geschäftssterben an, überm anschließenden Wohngebiet liegt der graue Staub der Verwahrlosung. Die Infrastruktur ist hier selten dicht, im Zug vom Ausbau des Westbahnhofs wird auch der Staub vom „Postareal“ schwinden.

Einen ersten positiven Impuls setzt nun das kleine, feine Haus in der Viktoriagasse 10, das Architekt Martin Kohlbauer für den Wohnbauträger Heimbau plante. Die Ausgangslage auf der winzigen 470-Quadratmeter-Parzelle war so beengt wie exponiert. Sie liegt in der Einzugsschneise der Karmeliterhofgasse, der Erker des letzten Eckhauses rahmt den Blick auf den Neubau. Er grenzt an einen niederen, alten Gewerbehof, wo die Bauordnung 13,40 Meter vorschrieb, und ein aufgestocktes Barockhaus, wo 15,40 Meter zulässig waren. Kohlbauer verzichtete mit 13,25 Meter beidseitig auf Höhe und entschied sich zur städtebaulichen Geste: Mit einem turmartig auf 17,40 Meter überhöhten Mittelteil setzt der symmetrische Baukörper ein Signal.

Die sorgfältig mit hochwertigen Materialien gestaltete Straßenfassade vermittelt Wertschätzung. Vier übereinanderliegende Erker nehmen ein charakteristisches Umgebungsmerkmal auf, betonen die Vertikale und den Eingang im Sockel. Mit hellem Feinsteinzeug verfliest, schafft er eine ruhige Verbindung zwischen ungleichen Nachbarn. Der Gemeinschaftsraum mit Nurglasfassade wäre auch als Geschäftslokal nutzbar. Horizontale Eternitplattenstreifen zwischen Fensterbändern mit Metallstangen verstärken die Turmwirkung der Mitte, zwei zarte seitliche Leichtmetall- Lamellen lassen den Baukörper vor der Dachverglasung leichter erscheinen und leiten harmonisch zum angrenzenden Gesims über.

Der ornamentale Duktus des oval eingeschnittenen Fensters in jedem Erker aus genageltem Aluminium muss nicht jedem liegen. Ihr Mehrwert für die 53-Quadradmeter- Mittelwohnung dahinter ist unermesslich: Der Erker schenkt der Küche am zentralen, komprimierten Sanitärblock eine zweite Zeile mit Ausblick und ermöglicht ermöglicht einen offenen Grundriss mit hochwertigen, hellen Räumen hinterm hohen Fensterband an der Straße im Südosten.

Hochökonomisch reduziert sich die Gemeinschaftserschließung auf einen Gang mit einläufiger Treppe und Lift. So proportioniert, dass er nicht kleinlich wirkt, teilt er das Haus in Straßen- und Hofseite. Hier hat jede Wohnung Gärtlein, Balkon oder Loggia, das Prinzip des frei um den zentralen Sanitär-und Küchenblock laufenden Grundrisses ist in jeder Einheit durchgehalten. Alle Fensterparapete sind durchgehend mit 60 Zentimeter sehr nieder, werden gern als Sitzgelegenheit genutzt und bringen viel Licht und Aussicht in den Raum. Die seitlichen Wohnungen sind durchgesteckt, vom Vorraum blickt man durch die ganze Tiefe bis zum Hof. Atelierverglasung mit Luftraum und Galerie sorgt in den zwei durchgesteckten Dachmaisonetten für eine großzügige Weite, die an Altbauhöhen herankommt. Zur hofseitigen Terrasse gesellt sich straßenseitig ein zweiter Aufstieg aufs Dach.

Zu sozialen Wohnbaukonditionen macht dieses kleine, feine Haus aus wenig Platz viel Raum. Einen passablen Hof gab die Baulücke nicht mehr her, auch das ändert sich bald: Am anschließenden Grund realisierte die Heimbau ein zweites Haus, beider Höfe werden zusammengelegt. Frischluft hinterm Westbahnhof.

Der Standard, Sa., 2005.02.26



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Wohnhaus Victoriagasse

19. Februar 2005Isabella Marboe
Der Standard

Scheiben in Variationen

Auf ein stilles Eck am Mödlinger Familienanwesen setzten Bene Marginter und Martina Podivin ein klassisch-modernes Haus. Mit hoher Nordwand und abgetrepptem Flachdach zelebriert es die Kunst der Scheibe und schafft differenzierte Zonen an Privatheit. Dem Schlaftrakt am Split-Level schenkt ein Innenatrium Licht, auf Grasniveau fließt das Wohnen in den Garten.

Auf ein stilles Eck am Mödlinger Familienanwesen setzten Bene Marginter und Martina Podivin ein klassisch-modernes Haus. Mit hoher Nordwand und abgetrepptem Flachdach zelebriert es die Kunst der Scheibe und schafft differenzierte Zonen an Privatheit. Dem Schlaftrakt am Split-Level schenkt ein Innenatrium Licht, auf Grasniveau fließt das Wohnen in den Garten.

Allsommerlich drohte den Bauherren in der Wohnung auf der verkehrsstaub-und lärmumtosten Nussdorfer Straße die Decke auf den Kopf zu fallen. Die Nachmittagssonne brannte so glutheiß herein, dass sie die Jalousien zuziehen mussten. Man floh ins Maria Enzersdorfer Zweitdomizil, doch das Pendeln ins sanierungsbedürftige Reihenhaus aus den Sechzigern war keine Dauerlösung. Als Alternative bot sich Mödling an, wo die Großmutter des Bauherrn im alten Gesindehaus der früheren Emaillefabrik auf 4.000 Quadratmeter Grund lebt. Man fragte das Architektenduo Bene Marginter und Martina Podivin, ob dieser einen Neubau vertrüge, ohne die Lebenskreise der rüstigen Dame zu stören.

Das Familienerbe liegt zentrumsnah an der Bahn, eine homogene Reihe pastellfarbiger Doppelhäuser säumt die Fleischmanngasse im Osten, an der Nordlängsseite entstand in den Neunzigern eine dichte Siedlung. Auch ihr Blick sollte möglichst uneingeschränkt sein. Der eternitverkleidete Altbau flankiert die Südlängsseite, im Westen verläuft die Bahn, das freie, verwilderte Garteneck davor bestach mit Bäumen, Spechten, unverbauten Grünblicken, West- und Südsonne. Das Haus wurde im verborgenen Nordwestwindschatten des Altbaus platziert. Weil die Bauordnung eine Verbindung vorschrieb, rührt es ihm hauchzart ans hinterste Eck.

Es sollte zurückhaltend, puristisch und klar sein, mit Flachdach und von der Straße kaum zu sehen. Ein stilles Refugium fürs ganze Leben, wo man ungestört die Natur genießen und ohne überflüssige Treppen erhöht schlafen kann. Die alte Zufahrt blieb, der edle, neue Carport aus Sichtbeton und Gabonen schafft zusätzlichen Sitzschutz. Ein kontemplativer Weg führt am Altbau entlang durch Großmutters Garten zum reduzierten Neubau. Aus horizontalen und vertikalen Scheiben komponiert, zelebriert der niedere, mit nischenbildenden Vor-und Rücksprüngen differenziert gestaltete Baukörper Grundthemen der klassischen Moderne.

Eingeschoben zwischen Schlafund Wohntrakt liegt geschützt das gedeckte Entree im Osten, an einer Sichtbetonscheibe führt einläufig eine Treppe in den Keller, wo Gäste mit Baumstammblick durchs Oberlichtband übernachten. Eine hohe, geschlossene Nordwand schirmt die Nachbarn ab, unter abgetreppten Flachdächern entfaltet sich das Innere als nuancierte Folge an Privatheit gartenwärts. Schutzsuchend schmiegt sich die intimste, erhöhte Split-Level-Schlafebene an die Scheibe, Teppichboden betont die Stille. Ein inneres Atrium schenkt Licht, mit Glasschiebetüren öffnen sich Sauna und Bad zum in sich gekehrten Freiraum. Als Referenz an die Familientradition ist die Wanne aus Emaille. Auch das Interieur wurde mitgeplant. In Wien hängte der Bauherr seine Anzüge auf den Balkon, um sie von Nikotinschwaden diverser Meetings zu befreien, nun steht im Schrankraum der Prototyp eines strömungsbelüfteten Kastens.

An den Schmalseiten öffnet sich der introvertierte Trakt im Schlafzimmer mit Ostfenster zur Morgensonne, im Westen fließt er mit Balkon und Arbeitspodest ins extrovertierte, schiefergedeckte Wohnen am Garten über, Jalousien sind unterm drei Meter auskragenden Dach kaum nötig. An zarten Stahlseilen in den Wanddurchburch geklemmte, horizontale Regale bilden den beidseitig bestückbaren, blickdurchlässigen Übergang zur Ebene darunter, der Kamin mit verglaster Feuerstelle die Trennung zum Essen mit Terrassenzugang und Südfenster, an einer Schiebetür schließt im Osten die Küche an. Auf Grasniveau fließt das Wohnen in den Garten mit Kiefern, Esche und Nussbaum. Armin Haderer gestaltete ihn mit Kies und Wasserbecken, dessen Lichtreflexe über die Dachuntersicht auf die Wohnraumdecke tanzen, japanisch schlicht.

Der Standard, Sa., 2005.02.19



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Haus Fleischmann

12. Februar 2005Isabella Marboe
Der Standard

Urbaner Wohnriegel am Donaufeld

Hinter einer der elegantesten Garagen Wiens sorgt der „Neues Leben“- Wohnriegel von Schwalm-Theiss & Gressenbauer und dem „Atelier in der Schönbrunner Straße“ im Donaufeld für durchlässige Urbanität. Zweigeschossige Loggien bringen Südsonne in Maisonetten, die mit Freiraum, Holzdecke und anderen feinen Details Hauscharakter haben.

Hinter einer der elegantesten Garagen Wiens sorgt der „Neues Leben“- Wohnriegel von Schwalm-Theiss & Gressenbauer und dem „Atelier in der Schönbrunner Straße“ im Donaufeld für durchlässige Urbanität. Zweigeschossige Loggien bringen Südsonne in Maisonetten, die mit Freiraum, Holzdecke und anderen feinen Details Hauscharakter haben.

Junge Menschen und Familien ziehen gern in Kagran-Nähe. Die Infrastruktur ist mit U1, International School, Veterinärmedizinischer Uni, Eishalle (Sepp Müller) und Freizeit-Facilitys gut, das angrenzende Donaufeld als Klassiker der Stadterweiterung beliebtes Terrain für ambitionierten Wohnbau. Hier stehen die autofreie Siedlung (Lautner-Scheifinger- Szedenik-Schindler, Grünraum: Maria Auböck, János Kárász), die mediterran-visionäre „Compact City“ (BUS-Architekten), die Wohnen und Arbeiten kombiniert, und die „Frauen- Werk-Stadt“ (Prochazka, Ullmann, Peretti, Podreka), die Anfang der 90er geschlechtsspezifische Bedürfnisse bedachte. Damals wurde das städtebauliche Gutachten erstellt, das Dichte und Kubatur fürs Neubauareal südlich der Donaufelder Straße festlegte. An der Dückegasse im Westen war ein Büro- und Garagenbau, anschließend 5 Meter niedere Bebauung und ein 12 Meter tiefer, Ost-West-belichteter Riegel vorgesehen, dem die hofbildende Großform (Prochazka, Krischanitz) an der Tokiostraße entgegenmäandert. Seit über 20 Jahren befassen sich Schwalm-Theiss & Gressenbauer und das Atelier in der Schönbrunner Straße intensiv mit sozialem Wohnbau, der sich für sie nie im offenen Grundriss erschöpft. Wesentliches Thema ist auch der öffentliche Raum, der zwanglose Kontakte fördert und so Isolationstendenzen vorbeugt. In Neubaugebieten, wo Nachbarschaftsbeziehungen erst wachsen müssen, wiegt das noch schwerer. Um so durchlässige wie hochwertige urbane und private Freiräume zu schaffen, schichtete man die Kubatur geschickt und innovativ um. Statt das westliche Grün zuzubauen, rhythmisieren sieben Wohntürme im Osten den 120 Meter mal 9 Meter großen Riegel, der lapidar auf Sichtbetonstützen um über 4 Meter aufgestelzt wurde. Bauträger „Neues Leben“ und die zuständigen Magistratsbeamten stimmten der lebensqualitätssteigernden Lösung zu.

Die lärmabschirmende, Nutzungsmix und Stellflächen bietende Büro-und Garagenflanke an der Dückegasse gestaltete Gorgona Böhm mit horizontaler Holzlattung und transluzenter Metallmembran hell, durchlässig und elegant. Ungehindert fließt der Freiraum dahinter weiter durch die luftig-hohe Sockelzone, über der souverän der sechsgeschossige Wohnriegel schwebt. Die weite Bodenfläche darunter ist aus Asphalt, Holz, Steinen, grün-rotem Tennisbelag subtil wahrnehmungsanimierend. Den Lärm vom Skaten, Laufen, Radfahren schirmt die Schalldämmung der 42 Maisonetten darüber ab.

Auf 110 Quadratmetern bieten sie im Geschosswohnbau eine Lebensqualität, die dem Haus mit Garten entspricht. Die L-förmigen Grundrisse winden sich um zweistöckige, vier mal vier Meter große Loggien, wo man auch Bäume pflanzen kann. Farbige Glasflächen geben jeder Loggia einen individuellen Touch, dem Riegel große, tiefe Öffnungen in abwechslungsreich bunter Frische und den Räumen Süd- und Westlicht. Zwei Schiebetüren lassen die vollverglaste Wohnküche am unteren Eingangsniveau mit der Loggia verschmelzen, auch oben schafft viel Glas Licht und Weite. Warme Atmosphäre verströmen Parkett, Holzstiege mit praktischem Stauraum und eine Fichtentramdecke. Die Detailsorgfalt reicht bis zur Verglasung zwischen durchgehenden Balken.

Hochökonomisch ist die Erschließung auf Sichtbetonlaubengänge je zweitem Stock und drei Stiegen mit Lift reduziert. Zwischen Riegel, Türmen und Mäander schafft sie en passant Bezug zum Nachbarn. In 19 Turmmaisonetten (70 bis 86 Quadratmeter) sorgen Schiebefenster im Süden und Über-Eck-Verglasung nach Osten beidseitig für Licht und Naturbezug. Sie schweben über Metallboxen für Räder und verglaste Gemeinschaftsräume. Im sinnvollen Kontrast aus intim-warmem Privat- und durchlässig-rauem öffentlichen Raum ein urbaner Wohnbau im besten Sinn.

Der Standard, Sa., 2005.02.12



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Wohnhaus Dückegasse

05. Februar 2005Isabella Marboe
Der Standard

Glashaus in Variationen

Für Abwechslung zwischen Fertigteilbauten sorgt ein dynamisches neues Haus von Heinz Lutter. Im Schutz von Sichtbetonzaun und Feuermauer lässt sich durchs transparente Wohnraumeck mit Terrasse der Garten mit Glashaus genießen. Zwei eingeschnittene Lufträume mit Galerie schaffen ungeahnte Weite. Im Studio am Dach herrschen Glas und Ausblick.

Für Abwechslung zwischen Fertigteilbauten sorgt ein dynamisches neues Haus von Heinz Lutter. Im Schutz von Sichtbetonzaun und Feuermauer lässt sich durchs transparente Wohnraumeck mit Terrasse der Garten mit Glashaus genießen. Zwei eingeschnittene Lufträume mit Galerie schaffen ungeahnte Weite. Im Studio am Dach herrschen Glas und Ausblick.

Schütter bebaut, geht im Hinterland der Speisingerstraße das noble Hietzing in die weinberggesäumte Maurer Peripherie über. Zwischen Fuhrwerkshäusern, Gemeindeblöcken und Rosenhügelsaum entdeckte ein Developper Grünland, kaufte und parzellierte es. Zwei- bis dreigeschossige Fertigteilhäuser charakterisieren die Gegend. Den Bauherren mit zwei Kindern wurde ihr Dreifamilienhaus zu eng, sie wollten in der vertrauten Nachbarschaft neu bauen.

Auf der Anrainerversammlung zum Furtwänglerplatz stellten sich gleich zwei Weichen. Man hörte von der Parzellierung der alten Gärtnerei gegenüber und bat den spielplatzgestaltenden Architekten Volker Dienst um Rat bei der Planerwahl. Unter drei Kollegen schrieb der Bauherr einen Wettbewerb für einen Ziegelbau aus. Er hatte ein präzises Raumprogramm und aufgrund profunder Ortskenntnis klare Präferenzen: nord-und straßenseitig abgeschottet, zum Garten offen. Der bauplastische, innenhofbildende Entwurf von Heinz Lutter machte das Rennen.

Kaum 17 Meter breit, erstreckt sich der Grund von der Straße fast 80 Meter tief zum Garten nach Westen, wo malerisch das Glashaus der Gärtnerei steht. Die Bauordnung legte an der länggseitigen Nordfeuermauer gekuppelte Bauweise fest. Bis zu 15 Meter Tiefe durfte das Haus 6,5 Meter, dahinter 4,5 Meter hoch sein, zur Straße waren 6 Meter, zum Südnachbarn 4,5 Meter Abstand zu halten. Daraus formte Lutter einen zweigesichtigen, dynamisch ausdifferenzierten Baukörper mit transparentem Studio am Dach. Die hakenförmige Grundform nimmt die örtliche Fuhrwerkshaustypologie auf, schräge Wandverläufe, zwei eingeschnittene Lufträume, das auskragende rote Obergeschoss, Sonnenkollektoren und Studio am Dach erweitern sie zeitgemäß.

Die abgetreppte Feuermauer wird zur schützenden Nordflanke für Fitness, Sanitär und Kinderzimmer, vor der sich das Haus zum Garten entfaltet. Das vollverglaste Wohnraumeck weitet sich zum zentralen Luftraum mit Stiege und Galerie. West- und Südlicht durchströmt die großzügig eingeschnittene Weite, die über Hakenform und Ebenen hinweg die Räume miteinander und der Natur kommunizieren lässt. Eine Sichtbetonmauer schirmt von der Straße ab, als Verweis auf den Garten bilden horizontale Lattung vor Tür und Garage blickdurchlässige Filter, auch Sockel und die Balkone sind so verkleidet. Einer springt frech aus dem Obergeschoss, wo der Junior alle Freunde im Visir hat.

Lutter variierte den Filter auch im Interieur. Mattglasstreifen in der Tür, im Kontrast zum schmalen Vorraum, entfaltet die Höhe im Wohnbereich ihre volle Wirkung. Durchs transparente Raumeck flutet der Garten über die freigeformte Terrasse. Dynamisch kragt die rote Deckenuntersicht aus, knickt sich als horizontal geschlitzte Wand um den Balkon, schafft gedeckte Bereiche und spannende Perspektiven. Im Osten geht der offene Raum in die Küche über, die im Süden keck vorspringt. Vis-à-vis gibt der zweite Luftraum der ruhigen Nordwand feines Licht, prädestiniert sie zur Hängefläche für Kunst, eine Schiebetür bindet den Fitnesstrakt ein.

Die zwischen zwei schrägen Scheiben geführte, einläufige Stiege wird gartenseitig zum raumbildenden Möbel. Hinterleuchtetes Mattglas, erdige Sitzstufen am Kamin, rechts und links scheinen horizontale Regale wie Äste bis ins Studio zu wachsen. Dem Bad schenkt der Luftraumzwickel Schluchtperspektive, Ober-Ost-und Südlicht. Jedes Kind, Eltern und Bad haben eigenen Balkon, die große Galerie schafft eine Gemeinschaftszone am Puls von Haus und Garten. Im Kemperol-gedeckten Studio-Holzleichtbau auf der Flachdachterrasse lösen sich Innen und Außen dann fast auf: eine Wand zur Straße, sonst Glas und Weitblick.

Der Standard, Sa., 2005.02.05



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Haus W.

29. Januar 2005Isabella Marboe
Der Standard

Feinfacettiertes Wohnjuwel in Favoriten

Die edle Titanzinkblechfassade des von ARTEC geplanten, neuen sozialen Wohnbaus in der Alxingergasse sorgt für Glanz im grauen Gründerzeitblock. In exzellenter Ausführungsqualität realisierte Bauträger GPA die Hausskulptur, die mit Dachterrassen und Gärten, innenraumweitenden, geschlossenen Loggien und rot lackiertem Stiegenhaus höchste Qualität bietet.

Die edle Titanzinkblechfassade des von ARTEC geplanten, neuen sozialen Wohnbaus in der Alxingergasse sorgt für Glanz im grauen Gründerzeitblock. In exzellenter Ausführungsqualität realisierte Bauträger GPA die Hausskulptur, die mit Dachterrassen und Gärten, innenraumweitenden, geschlossenen Loggien und rot lackiertem Stiegenhaus höchste Qualität bietet.

Im Zug innerstädtischer Verdichtung mausert sich der klassische Arbeiter-und Industriebezirk Favoriten im Schatten der Wienerberger Ziegeleien zum Architekturparcours. Zunehmend werden baufällige, niedere Häuser im Gründerzeitblockraster durch moderne, ambitionierte soziale Wohnbauten ersetzt. In gehäufter Form senden sie rund um den Paltramplatz schon das deutliche Signal einer neuen, besseren Wohnära in die Stadtlandschaft.

Mit Glanz füllten ARTEC ihre Lücke in der Alxingergasse 78, schon von weitem strahlt die lichtreflektierende Titanzinkblechfassade aus dem grauen, rigiden Blockraster. Um 70 Zentimeter fällt die Straße von Süden nach Norden, ebenso springt die Bauklasse von IV auf III. Passgenau meißelten die Architekten ein skulpturales Wohnhaus aus der zulässigen Kubatur. Hochelegant meistert der aus zwei versetzten Ecktürmen und überm Erdgeschoss schwebenden, geschlossenen Loggien differenziert gestaltete Baukörper die Höhendifferenz. Die dachterrassenbekrönten, vorspringenden Bauteile schaffen den oberen Wohnungen privaten Freiraum zu Straße im Osten oder Hof im Westen. Die lebensqualitätsbessernde Baukörperplastik macht keinen Unterschied zwischen Schau-und Rückseite, sie zeigt sich zum Hof ebenso vornehm wie zur Straße. Plan sitzen die skandinavischen Fenster mit dem zarten Aluprofil, die sich zum Putzen nach außen wenden lassen, in der Fassade. Die 60 Zentimeter breiten Blechbahnen wirken wie Platten, die Witterung wird dem glatten Silberpanzer Alterswürde geben.

Alterswürde geben. Die Ausführungsqualität, in der Bauträger GPA das Haus durchgehend präzise realisierte, ist im sozialen Wiener Wohnbau exzeptionell. In den unteren zwei Regelgeschossen erweitern die Loggien der Ost-West-belichteten, durchgesteckten Einheiten den Wohnraum um luxuriöses Mehr: ihre verglaste Schmalseite schenkt Weitblick und lässt zusätzlich Süd- oder Nordlicht einfallen. Das Haus ist ein Skelettbau, die Außenwände eine hinterlüftete Leichtbaukonstruktion. Innen mit hellem Sperrholz verkleidet, scheinen sie aus dem Ahornboden zu wachsen, hinter Holzfensterstöcken verschwinden die Alurahmen, optimal entfaltet sich die Panoramawirkung der Hof- Himmel-Dach-oder Straßenperspektiven. Sie unterscheiden sich in jeder Einheit, den hofseitigen Garconnieren schafft die Holzwand mit Grünblick exquisite Atmosphäre, Ahornschiebetüren auf 35 Quadratmeter flexibel nutzbare Weite.

Dem Entree bringt die Loggia gedeckten Straßenraum, subtil variiert das Zweischeibenglas der Tür das Thema der Plastizität, fröhlich leuchtet das an Boden, Wänden und Decke rot lackierte Stiegenhaus nach außen. Metallbrüstung, Sichtbetontreppen und Kellerbeleuchtung verstärken die Wirkung. Optimal nutzten ARTEC die 70 Zentimeter im Hang: Doppelt gestapelt stehen die Autos in der Garage, eine Hebebühne hievt sie auf die Zufahrt am tiefen Nordende. Darüber thront hoch überm Trottoir die Glasfront von Büro oder Praxis der Erdgeschosswohnung. Sie hat zwei Eingänge, privat lebt man am Splitlevel mit Garten. Schwungvoll führt die Metallbrüstung im Foyer zur Tür der zweiten, hoforientierten ebenerdigen Einheit mit japanisch anmutendem, sichtbetonummauertem Garten, in der Schönheit des Verfalls ragen davor Feuermauerziegel hoch. Galerie mit Sichtbetontreppe, Holzbrüstung und fünf Meter Höhe entfalten Loos’sche- Raumplanqualität, die im roten Stiegenhausluftraum Spuren hinterlässt. Die krönende Dachmaisonette hat Ost-und Westterrasse, bauordnungsbedingt mündet sie straßenseitig in ein schräges Oberlicht, zwei Stufen führen zum Bad überm Lift. Wie alle Nassräume ist es raumhoch verfliest. Eines vieler außergewöhnlicher Details, die dieses Wohnjuwel fein facettieren.

Der Standard, Sa., 2005.01.29



verknüpfte Bauwerke
Wohnhaus Alxingergasse

15. Januar 2005Isabella Marboe
Der Standard

Himmlische Perspektiven

Ohne das geschützte Ensemble der Grazer Altstadt zu stören, bietet der neue zweistöckige Dachausbau am Biedermeierhaus von Architekt Michael Homann höchste Lebensqualität. Ums mittige Glasatrium schenkt er lichten, weiten Raum mit Dachgarten in luftiger Höhe.

Ohne das geschützte Ensemble der Grazer Altstadt zu stören, bietet der neue zweistöckige Dachausbau am Biedermeierhaus von Architekt Michael Homann höchste Lebensqualität. Ums mittige Glasatrium schenkt er lichten, weiten Raum mit Dachgarten in luftiger Höhe.

Die Druckerei Khil ist ein alteingesessener Familienbetrieb mitten in der Grazer Altstadt. Angesiedelt in der kleinen, idyllischen Neutorgasse, wo sich im Schatten des Franziskanerklosters pastellfarbene Biedermeierhäuser aneinander reihen, wird hier seit 1880 auf zwei Stöcken gearbeitet und im dritten gewohnt. Als der Betrieb expandierte, entschieden sich die Unternehmer zum Dachausbau, den Kunde und Architekt Michael Homann entwarf und in Partnerschaft mit Architekt Wolfgang Schmied umsetzte. Die Ausgangslage in der streng denkmalgeschützten Grazer Dachlandschaft, wo der ungetrübte Schlossbergblick auf rote Ziegel höchste Priorität genießt, war denkbar schwierig, die Ansprüche der Bauherren hoch. Man wollte nach Jahren im dunklen, beengten Altbau endlich eine lichte Wohnung am Dach, dazu ein Büro und einen abtrennbaren Einlieger für die Kinder.

Das Doppelhaus der Biedermeierzeit erstreckt sich vom Eingang an der Neutorgasse im Osten bis ans Murufer im Westen, in der Mitte ist ein Lichthof an der Feuermauer des Nordnachbarn. Der alte Dachstuhl war mit einer Firsthöhe von 5,59 Metern sehr nieder und desolat, er wurde abgetragen und durch Stahlfachwerkträger mit Zwischendecken aus Massivholz ersetzt. Eine leichte, die Fundamente nicht belastende Konstruktion, die mit einem Kran in der engen Gasse aufs Dach gehoben wurde. Um hier helle Weite zu schaffen, konnte Homann die Angleichung des Osttrakts an den über sieben Meter hohen Nachbarfirst erreichen. So lebt man auch in der 60-Quadratmeter- Wohnung im zweiten Dachgeschoss unter der inneren Firsthöhe von 3,49 Metern sehr großzügig.

Auf dieser Ebene spielt der Clou des Entwurfs seinen Reiz am stärksten aus. Von außen unsichtbar, schenkt ein dreiseitg verglastes Atrium mit Terrasse in der Mitte den Räumen Helligkeit und den Bewohnern ein geschütztes Freiraumrefugium am Dach. Durch Glasbänder im Boden fällt Licht hinunter, die weiße Feuermauer im Norden reflektiert zusätzlich die Sonnenstrahlen. Durch die Atriumverglasung im Westen sieht man in den Wohnraum darunter. Höchsten Luxus entfaltet der umsichtig auf der niederen Firsthöhe zwischen die Häuser gesetzte begrünte Flachdachgarten, von dem man über die üppig bepflanzte Balkonbrüstung das fulminante Panorama übers nahe Gassengewirr der Altstadt bis weit über Murufer und Schlossberg genießt. Ressourcenbewusst brachte der Bauherr hier Sonnenkollektoren an. An den Straßenfassaden ist der zweigeschossige Dachaufbau kaum spürbar: In unauffälliger Eleganz ragen je drei hochtransparente, reduzierte Gaupen aus den schutzzonengemäß geneigten Biberschwanzdachflächen. Glasgedeckt weiten sie den Dachraum zum Himmel, die „Topturn“-Bauart der öffenbaren Schwingflügel ermöglicht das komplette Aufklappen der Glasflächen, was lebendige Vielfalt erzeugt.

Immer noch leben die Vollblutunternehmer mit der Druckerei: Man betritt den Dachausbau im verlängerten alten Stiegenhaus, wo noch der zukünftige Lift Platz hat. Das 60-Quadratmeter-Büro liegt an der eingangsseitigen Neutorgasse, die 130-Quadratmeter- Bauherrenwohnung im Westen. Räumliches Juwel ist der zentrale, räumlich hoch differenzierte Wohnkochraum. Massivholzdecke, Buchenparkett und der alte Kaminschacht erzeugen Wärme, großzügige Weite herrscht im Luftraum unterm First. Eine zarte, runde Wendeltreppe führt unters Glasatriumeck auf die Galerie, die der Küche eine niedere Höhe schafft. Als atmosphärische Reminiszenz ans Alte findet sich ein Bundtram unter den begehbaren Glasgauben in der straßenseitigen, weiß verputzten Dachschräge. Von hier schweift der Blick am tosenden Stadtverkehr, Cook und Fourniers Kunsthaus vorbei die Mur entlang.

Der Standard, Sa., 2005.01.15



verknüpfte Bauwerke
Dachboden Neutorgasse

08. Januar 2005Isabella Marboe
Der Standard

Designerbebrillte Hausgeschwister

Mit den neuen Familienhilfe-Wohnhäusern in Ottakring setzten die Architekten RATAPLAN zwei feine Schlusssteine ans grünflankierte Ende einer Sackgasse. Sonnenhungrig ragen aluumrandete Loggien wie „Schutzbrillen“ aus den Südfassaden, im Osten bieten dreiseitig verglaste Veranden mit Balkon Morgenlicht und Skyline-Panorama.

Mit den neuen Familienhilfe-Wohnhäusern in Ottakring setzten die Architekten RATAPLAN zwei feine Schlusssteine ans grünflankierte Ende einer Sackgasse. Sonnenhungrig ragen aluumrandete Loggien wie „Schutzbrillen“ aus den Südfassaden, im Osten bieten dreiseitig verglaste Veranden mit Balkon Morgenlicht und Skyline-Panorama.

Im Weichteil der Ottakringer Vorstadt, wo die Gründerzeitbebauung in Kleingartensiedlungen übergeht und die Straßen dem Wilheminenberg zustreben, liegt die Starkenburgg. Am Bergsaum, unweit von Steinhof und Ottakringer Bad, nah an der U3 Endstelle, paart sich städtische Infrastruktur mit Naturnähe von hohem Freizeitwert. Sacht fällt die stille Sackgasse nach Osten ab, wo sie in verwachsenen Kleingärten und einen großen Sportplatz endet. Am Saum der grünen Flanke war ein Grund frei, der in gegenüberliegende, keine 20 Meter schmale, 45 Meter tiefe Bauplätze geteilt wurde. Im Schatten voluminöser Wohnbauten gingen die versteckten Parzellen fast unter. Trotz beengter Ausgangslage entschied sich der Bauträger Familienhilfe hier für zwei neue Häuser. Mit feingliedrig durchkomponierten, korrespondierenden „Hausgeschwistern“ setzten die Architekten RATAPLAN markante Schlusssteine mit 14 Wohnungen von hoher Qualität in die Sackgasse.

Neugierig und keck ragen drei versetzte, aluminiumumrandete Loggien aus der Fassade von Haus Nummer sechs. Teils balkongekrönt, folgen sie in luftiger Höhe der Straßenflucht, die Wand richtet sich nach dem Hang. Subtil nehmen diese Bezugsrichtungen das Nebeneinander von Stadt und Natur auf, das die Gegend prägt. Sie geben den artverwandten Häusern mit parallelen Straßenfronten und gegenüberliegenden Garagenzufahrten ihren besonderen Dreh. Im wahrsten Wortsinn tritt man blickgeschützt auf Loggien oder Balkonen aus der Fassade. Hinter Glastüren stülpen sich offene Wohnküchen dreiseitig vollverglast zur Morgensonne aus den Ostfassaden, am Eck werden sie zur Terrasse. Von einem mäandernden Aluband gefasst, variiert die Veranda-Freiraum- Kombination das Thema der Loggien-„Schutzbrillen“. Sonnenhungrig richten sie sich nach Süden, blicken bei Nummer drei in den ruhigen, abfallenden Garten, darüber trohnt das Haus. Der massive Westnachbar reicht zur Grundgrenze, an seine Feuermauer dockt das Stiegenhaus mit vollverglaster Südfront und Grünblick an. Es erschließt sieben Wohnungen, davon zwei Maisonetten, die meisten haben Freiräume zu zwei Himmelsrichtungen. Die Ost-Balkone fangen nicht nur die Sonne, sondern auch den Blick auf die überm Sportplatzrasen aufragende Skyline mit Altottakringer Kirchturm und der weißen 60 Meter Ellipse von Nehrer&Medek an der U3 ein. Von der Dachmaisonette mit raumhoch verglaster, großer Wohnküche und umlaufender Terrasse genießt man das ganze Panorama. Durchgehende Fensterbänder schenken nordseitigen Räumen schöne Ausblicke im Querformat und eine elegant ruhige Fassade.

Dem Vis-a-vis wahrt ein Grünstreifen Respektabstand zum Nachbarn, zusätzliche Distanz schafft das einladend zur Straße Über-Eck-verglaste Foyer, dessen Asphaltboden das Trottoir fortführt. Als mehrstöckige Aussichtsplattform auf efeuumrankte Fichten ragt das offene Sichtbetonstiegenhaus in den idyllisch ansteigenden Garten mit Sauna für alle. Der offene Raumfluss und prägende Hausthemen werden in der Erdgeschosseinheit mit Eigengarten besonders deutlich, wo RATAPLAN das Interieur designten. Im dreiseitig verglasten, auskragenden Ostzwickel der Wohnküche setzt sich der Belag der anschließenden Terrasse innen fort, zelebriert das „Heraustreten aus der Fassade“. Für die mit grauem Filz bespannten Kästen wurde ein beliebig kombinierbares System aus Ober-Unterschrank-Laden und Regalelementen entwickelt. Runde Plexiglasscheiben als Griffe nehmen das „Brillen“- Thema auf, der Mäander findet sich im von Spiegeln optisch erweiterten Badezimmer wieder. RATAPLAN planten auch eine Kleinwohnung mit Westbalkon zum Büro um, das stilvoll Nutzungsmix ins Wohnhaus am Grünen bringt.

Der Standard, Sa., 2005.01.08



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Wohnbau Starkenburggasse

11. Dezember 2004Isabella Marboe
Der Standard

Das ganze Mühlviertel im Zubau

Der kluge, nachhaltige Niedrigenergie-Zubau der Architekten Naderer / Tschaikner gibt einer Tierarztfamilie in St. Veit die Landschaft zurück. Die elegante, geschlossene Lärchenholzfassade im Westen blendet die Straße aus, dafür durchflutet Oberlicht die Räume.

Der kluge, nachhaltige Niedrigenergie-Zubau der Architekten Naderer / Tschaikner gibt einer Tierarztfamilie in St. Veit die Landschaft zurück. Die elegante, geschlossene Lärchenholzfassade im Westen blendet die Straße aus, dafür durchflutet Oberlicht die Räume.

Ungeschützt lag die Südschmalfront des satteldachgedeckten Elternhauses im Visier der Autoscheinwerfer an der Nordeinfahrt von St. Veit. Auch die zweistöckige, westliche Längsseite flankiert die Hansberg-Landstraße, gegenüber wacht die Kirche über Ort und Verkehr. Im Süden liegt der alte Eingang, 3Meter fällt dahinter das Gelände zur Sonnenterrasse ab, im Osten verliert es sich in ungestörter Mühlviertellandschaft. Hier setzt das Haus dreistöckig auf, die Kellerrückseite mit Zufahrt ignorierte sanfte Wiesen und den Blick über weidende Kühe am Waldsaum zur Ruine Waxenberg.

Der Bauherr ist hier geboren, kannte die brachliegende Schönheit im Osten und die Tücken des 70er-Baus mit dunklem Mittelgang und kleinen Fenstern. Nach dem Studium zog der Tierarzt mit Frau und Kind wieder nach St. Veit. Die Heizkosten waren hoch, die Familie brauchte mehr Licht und eigenen Lebensraum. Sie baten mehrere Architekten um Ausbauideen im Niedrigenergiestandard. Elternwohnung und Traufhöhe mussten bleiben, die Straße sollte nicht spürbar sein, die Natur umso mehr. Der umsichtige und kluge Entwurf von Naderer/Tschaikner machte das Rennen. Im Norden wurde für die Garage eine Böschung abgegraben, auch im tiefsten Winter kann der Tierarzt sofort losstarten. Darauf steht ein leichter Stiegenturm aus Glas, Holz und Stahl. An der schönen Aussicht wurde das Pult- zum Flachdach hochgeklappt, was zwei Geschosse brachte. Über beiden längsflankierenden Terrassen kragt es 1,50 Meter aus.

Als Schutzschild überzieht die elegante Fassade aus horizontalen Lärchenholzlatten die Straßenfront. Wie ein edles Passepartout rahmt sie die Elternfenster und den alten Eingang. Die homogene Holzfläche zieht sich übers Pultdach im Westen, das ein breiter Oberlichtstreifen zum Himmel öffnet. Im Norden schafft die umfassende Lärchenwand dem neuen Entree einen Vorhof. Der Verkehr ist nur peripher als Bewegung durch Ritzen spürbar, windgeschützt sitzt man mit Mühlviertelblick am Garagendach. Eine Kommunikationszone für alle ist der Stiegenhausturm. Gern sitzt die Mutter hier in Gesellschaft isolierglasumhaust wie in einer Veranda an der Natur. Die Treppenspindel ist so groß, dass sich noch ein Lift einbauen lässt, der Jungfamilie oben schenkt der Turmklimapuffer einen Balkon vorm Entree.

Schon der Vorraum mit weiß gebeizter Eichenkastenwand auf weiß geöltem Lärchenboden bringt den Ausblick am Ostfenster optimal zur Geltung und stimmt so auf den offenen Wohnraum mit freistehendem Herd dahinter ein. Er bietet auf der ganzen Längsseite das volle Mühlviertelpanorama, die breite Brüstung am Südfenster wird zum lauschigen Kaminsitzplatz vor baumgekrönten Dachflächen, die umlaufende Terrasse dehnt den Raum ins Freie. Das Innere kann weiter nach Westen in die Bibliothek fließen, die per Schiebewand abzutrennen ist.

Die bestehenden Kamine verschwinden in der tiefen, weiß gebeizten Kastenwand, die als ruhiges Stauraumrückgrat die untere Ebene teilt. Im Nordwesteck ist ein Schlafraum mit Bad, im Büro dahinter führt eine einläufige Treppe die Mittelmauer hoch. Die ganze Westseite taucht ein zweigeschossiger Luftraum mit geschwungener Wandkante ins Oberlicht mit Himmelsperspektive. Die Kirchturmzwiebel lugt oben in den Badezimmerspiegel, die Wanne an der Westflanke weitet sich zur Sitzbank, im Norden ist eine Terrasse, die zwei Zimmer im Osten haben wieder den langen Panoramabalkon. Das Südfenster im oberen Wohnraum wird zum Tafelbild der Wand. Das Passepartout-Thema reicht bis ins Detail: Fensterrahmen sitzen an der Außenwand, innen ist im Glas an Mauerkanten nur noch Landschaft.

Der Standard, Sa., 2004.12.11



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Umbau Haus Atzmüller

04. Dezember 2004Isabella Marboe
Der Standard

Silbergrau und immergrün schillernde Baulücke

Elegant schloss Architekt August Sarnitz die Baulücke am Laubeplatz in Wien-Favoriten: Spiegelflächen von Eva Schlegel geben Schauloggien zum Park und Wintergärten im Innenhof spezielles Flair. Auf offene Transparenz setzt das Haus der querkraft-Architekten.

Elegant schloss Architekt August Sarnitz die Baulücke am Laubeplatz in Wien-Favoriten: Spiegelflächen von Eva Schlegel geben Schauloggien zum Park und Wintergärten im Innenhof spezielles Flair. Auf offene Transparenz setzt das Haus der querkraft-Architekten.

Als „grüne Lunge“ streute August von Siccardsburg im 19. Jahrhundert das Gefünft Laube-Erlach- Humboldt-Friesen-Paltramplatz in den Gründerzeitraster des dicht verbauten Favoriten. Zwei typische Eckhäuser mit Rustikasockel Rustikasockel und Fensterzier rahmen den Block am Laubeplatz, das zweite südliche Gebäude tanzte deutlich niederer aus der Reihe, dasselbe galt für sein Gegenüber. Sie wurden dem Block entrissen, um zwei vierstöckigen Sozialwohnbauten mit EG und ausgebautem Dach Platz zu machen.

Bauträger GPA setzte auf Qualität und beauftragte die Architekten August Sarnitz und querkraft. Heutigem urbanem Wohnanspruch und dem Block angemessen, sollten sie bei großer Dichte ostwest- belichtete Typen mit Freiraum in überdurchschnittlicher Ausführung bieten. Am Laubeplatz setzt der zurückhaltende Bau von August Sarnitz feine Akzente. Hintergründig gestaltete gestaltete Eva Schlegel die Brüstungen der sichtbetonten „Theaterlogen“ als Spiegelflächen. Aus sicherer Distanz kann man hier das Treiben im Park beobachten. Voyeuristische Tendenzen des Wieners werden im Spiegel des halböffentlichen, parkseitigen Raums ebenso reflektiert wie Baumkronen vorm Himmel. Dezent nimmt der silberfarbene Fassadenputz das Thema auf, in tänzelnder Leichtigkeit kehrt es in den runden, semitransparenten Spiegelfolien der Wintergärten im intimeren Innenhof wieder.

Horizontale und vertikale Glasstreifen markieren die mittige Stiege mit Lift, eine markante Sichtbetonscheibe schützt das zurückgesetzte, nur 2,10 Meter hohe Entree mit Abstellraum. Der Laubeplatz ist im Westen, im Regelfall liegt hier am Wohnraum mit Schiebetür abtrennbar die Küche, beide teilen sich die „Theaterloge“, im Osten ist noch ein Raum. Der Mitteltyp ist mit Wintergarten hoforientiert. Dem Block wurde eine Überhöhung der Bauklasse III um 1,50 Meter zugestanden. Sarnitz nutzt sie im EG für zwei Split-Levels, um die Idee des Loos’schen Raumplans umzusetzen. Kommunikativ gestaltet sich das Foyer mit roter Betonsitzbank und integriertem Postkasten auf rotem Fließestrich, der Hof blitzt herein.

Müde Lebensgeister weckt das immergrün-gelbe Haus der querkraft- Architekten, das maximale Transparenz und Flexibilität bietet. Die westliche Innenhofseite flankiert eine Terrasse, die sich dynamisch vom Spitz auf Balkontiefe weitet. Auf ihrer Glasbrüstung ließ Grafikerin Stephanie Lichtwitz das Gras sprießen, durchgehend läuft dahinter die raumhohe Glasfassade. Ebenso transparent ist die Leebgassenfront im Osten. Hier verbietet die Bauordnung Balkone, architektonische Zierelemente sind erlaubt. Nun sorgen begehbare Gesimse für straßenseitigen Frischluftzugang. Raffiniert schließt das Haus mit grün-gelben Türen die Öffnung und öffnet die Wand.

Unterzüge gibt es keine, Abendoder Morgensonne scheint tief herein, alle Terrassen sind ca. 43 Zentimeter überm Boden der Wohnungen, die so eine lange Sitzbank am Glas bekommen. Sie folgen stringent einem klaren Prinzip: In der dunklen Mitte ist der Sanitärkern mit beliebig platzierbarem Küchenanschluss, auf Wunsch konnten Mieter ost-westoder beidseitig durchgesteckt wohnen, der Stützenraster gab die Option für Zwischenwände vor. Keine Einheit gleicht der anderen, die Überhöhung wurde für eine Maisonette im EG genutzt. Zwei Glastüren machen das Gangfoyer durchlässig, rechts und links sind an zarten Stahlstützen in gelben Raumnischen Räder abzustellen, nahtlos setzt sich der Asphalt vom Trottoir am Boden fort. Gelbe Lift-und Eingangstüren schenken gutgelaunte Orientierung, die puristische Sichtbetonstiege mit Maschendraht Ausblick durchs Glas, auf dem immergrün das Gras ins graue Favoriten leuchtet.

Der Standard, Sa., 2004.12.04



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LEE - Wohnhausanlage Baulücke
Wohnbau Laubeplatz

27. November 2004Isabella Marboe
Der Standard

Schwebebalken in der Landschaft

Damit Waldmulde und Gelände frei fließen können, planten die Architekten Christine und Horst Lechner in Puch ein edles Holzhaus in Schwebe. Auf einer Stütze setzt es auf, als Brückenkopf birgt sich das Erdgeschoss teils im Hang, viele gedeckte Balkone nehmen das Freie ins Visier.

Damit Waldmulde und Gelände frei fließen können, planten die Architekten Christine und Horst Lechner in Puch ein edles Holzhaus in Schwebe. Auf einer Stütze setzt es auf, als Brückenkopf birgt sich das Erdgeschoss teils im Hang, viele gedeckte Balkone nehmen das Freie ins Visier.

Steil schlängelt sich der Monsteinweg durch die bewaldete Pucher Anhöhe, über die sich lose alte Bauernhöfe und gartengesäumte Einfamilienhäuser verteilen. Etwa 15 km südlich von Salzburg liegt die Streusiedlung, wo die Bauherren mit zwei Kindern ein Geschoss in einem ortstypischen, ausladend überdachten Haus bewohnten. Sie wollten besser leben, aber am Ort bleiben, wo ihre Wurzeln sind. Schräg gegenüber ist der elterliche Hof.

Der Bauherr kommt aus einer Tischlerfamilie, betreibt sein Gewerbe mit akribischer Perfektion und wollte einen edlen Holzbau. Im Norden neben dem früheren Haus waren 656 Quadratmeter Grund von komplexer Landschaftsformation frei. An der Straße im Westen ist ein Böschungsstreifen, dahinter fällt das Gelände stark ab, um sich als grüner Rücken südwärts eine Waldlichtung hinaufzuschwingen. Auch den Osten säumt ein Hang, zwischen beiden Hügeln schmiegt sich eine sanfte Mulde talwärts in Nachbars Garten.

Souverän reagierten die Architekten Christine und Horst Lechner auf die besondere Umgebung. Wie eine Brücke schwebt der Wohnriegel mit der schönen rostbraunen Fassade aus furnierten, geharzten Papierverbundstoffplatten über die Landschaft. Scheu scheint sein schräges Ende dem östlichen Waldsaum zu weichen, innen meint man, in Bäumen zu sitzen. Als Brückenkopf ist das Erdgeschoss teils in die Böschung gegraben, über ein Glasband haben Keller und Gästebad Licht. Transparent öffnet sich der Sockel zur Zufahrt im Osten, die hellen Räume mit Auslauf aufs freifließende Gelände nutzen die Kinder exzessiv. Kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmetauscher und fußbodenbeheizte Nassräume schaffen ein sehr angenehmes Raumklima. Das edle Passivhaus kommt mit einer 900- Watt-Restwärmepumpe aus.

Eine einzige Stütze hält die Wohnbrücke, die mit verschieden großen, im NW ums Eck geführten, überdachten Balkonen und zarter Metallbrüstung neugierige Fühler zu Frischluft und Natur ausstreckt. Schwarze Untersichten rhythmisieren die Fassade, darunter fließt die Geländemulde im eigens angelegten Teich aus. Hier spielen die Kinder mit Freunden, durch den zweiseitig verglasten Vorraum tritt man ein. Wie eine Skulptur führt die einläufige, geschlossene Stahltreppe in den riesigen, oberen Einraum. Der Bauherr verkleidete Wand, Boden und Decke komplett mit hellem, furniertem Ahorn, was den bergenden Charakter einer Schatulle schafft. Durch ein Glasfenster im Boden überblickt man die Tür. Das schalldichte Toilettenahornmöbel scheint aus dem Boden gewachsen, es bildet die Zäsur zwischen Tisch und frei stehendem Herd. Am großen Nordwestbalkon mit Abendsonne davor kann man im Freien essen, die Küchenzeile nistet am tiefen Schrägfenster mit Beleuchtung, Ablage und Waldpanorama. Hier sind Rehe zu erspähen, als zweite Zäsur zum Wohnen im Westen wirkt die Treppe. Mit dreiseitig umlaufender Balkonlandschaft ufert das raumhoch verglaste Innere üppig in die Natur aus. Als große Terrasse setzt sie im SW am Geländerücken auf, als auskragender Balkon dockt sie am Osthang an. Der Bauherr deckte sie mit fein strukturiertem, robustem, dunklem Bankaré- Holz.Ein langer Balkon zieht sich bis ums Osteck die Südfront vor der zweiten, oberen Wohnebene entlang, der Raumstreifen dahinter kann durch Schiebetüren frei fließen. Die Kinderzimmer teilen sich die Westseite – das nördliche hat Übereck-Terrasse mit Untersbergblick, das südliche genießt die Waldmulde. Beide öffnen sich zur großen Spielfläche an der Stiege vor ihrer gelben Badbox. Das Reich der Eltern beginnt beim großen Schrankraum im Osten. Vom Schlafraum im Süden sehen sie auf die Talmulde, von der Wanne vorm roten Schrägfenster in den Wald.

Der Standard, Sa., 2004.11.27



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„Landschaftsfluss“

20. November 2004Isabella Marboe
Der Standard

Leben an der Schräge

Im engen Korsett der Satteldachverordnung in Klein-Engersdorf planten die t-hoch-n-Architekten ein schräges Haus. Ein diagonaler Schnitt schafft Lebensraum zum Wohnen, Arbeiten und Entspannen mit räumlichem und ökologischem Mehrwert.

Im engen Korsett der Satteldachverordnung in Klein-Engersdorf planten die t-hoch-n-Architekten ein schräges Haus. Ein diagonaler Schnitt schafft Lebensraum zum Wohnen, Arbeiten und Entspannen mit räumlichem und ökologischem Mehrwert.

Nicht nur der Haarschnitt, den sie beim Friseur „be a good girl“ bekam, gefiel dem Bauherrnpaar: auch die Architektur des feinen, unkonventionellen Shops hatte es ihnen angetan. Ihr zukünftiges Kind sollte im Grünen aufwachsen, man bat man die Schöpfer des Friseurladens, die t-hoch-n- Architekten, um die Planung eines Hauses.

Die Ansprüche waren enorm: Das Haus sollte Privatheim mit geschütztem Freiraum sein, aber auch einen separaten Bereich für seine Modelleisenbahn und ihre zukünftige Praxis haben. Als sie schwanger wurde, stieg der Zeitdruck, das Haus sollte zum Geburtstermin fertig sein, der Rohbau der reinen Holzkonstruktion stand in einer Woche. Vom Entwurf an waren auf 95 Prozent präzise Kosten gefordert, was nur durch Vorleistung der Polierplanung und eine sehr frühe Ausschreibung möglich war.

Keine halbe Autostunde von Wien liegt Klein-Engersdorf in der sanften Weinhügellandschaft des Bisambergs. Die Gegend ist bei Jungfamilien hochgefragt. Im neuen Aufschlussgebiet liegt der 16 mal 27 Meter große Grund, die Straße verläuft an der schmalen Westseite, das Gelände gegenüber ist noch nicht baulandgewidmet. Unerbittlich schreiben die örtlichen Bebauungsbestimmungen hier allen Neubauten rote Satteldächer vor. Ein unglücklicher Versuch, Einheitlichkeit zu schaffen: Signalfarben ragen die neuen Dächer aus den Weinreben.

Um dem rigorosen Satteldachkorsett räumlichen Mehrwert abzutrotzen, schnitten die t-hoch-n- Architekten den archetypischen Baukörper überm Grundriss von 12 x 24 m diagonal durch. Diese Achse bestimmt die Erschließung, bringt dynamische Räume und definiert klar private und halböffentliche Zonen.

Am Straßennordeck spitzt sich das Haus dramatisch auf eine Mauerkante zu, als diagonale Außenwand wächst sie ans Südeck weiter. Sie weist den Weg in die von der roten Satteldachhälfte gedeckten Privatwohnung im Osten, im Westen schafft ein autonomer Baukörper mit praxistauglichem Fenster, Sanitäreinheit, separater Außenund innerer Verbindungstür einen halböffentlichen Bereich.

Die zweite Dachhälfte über der dreieckigen Südwestterrasse besteht aus der tragenden, anthrazit gebeizten Holzkonstruktion mit Lamellen, die malerische Schatten über den Freiraum werfen, leichter Regen rinnt von ihnen ab. Sie ist so dimensioniert, dass man sie problemlos zum Wintergarten aufrüsten kann. Die birkengesäumte Südseite mit Blick auf die Felder lässt sich mit günstigen Schilfrohrelementen komplett zum Innenhof schließen.

Sanft geschwungen, wird die Nordwand zum Versorgungsrückgrat, das Parkplatz, Neben-und Sanitärräume birgt. Vorm Eingang schafft sie einen Platz und im Inneren eine Vorzone zur Terrasse, ohne ins Private einzudringen. Im Westen sind ein Gäste- oder Arbeitsraum mit Archiv, die Küche mit Ausblick über der Arbeitsfläche öffnet sich zum großen, zum Freiraum vollverglasten Wohnraum, wo eine massive Wandnische dem Bauherrn die Akustik zum Musikgenuss bietet.

Lichtdurchlässig und transparent führt die leichte Metallstiege mit Holzstufen und Glasbrüstung hinauf, der Luftraum bis zum First darüber schafft räumliche Weite. Hier kann Warmluft zum höchsten Punkt zirkulieren und bei Bedarf durch Dachflächenfenster entweichen. Das verbessert Raumklima und Energiebilanz. Auch die tragende Patentholzmassivdecke der Pernitzer Firma Berger, deren Masse Schallschutz bringt, genügt höchsten ökologischen Ansprüchen.

Spannend ragt das Badezimmer mit dem hohen Fenster in den Luftraum, dahinter hat die Bauherrin einen Arbeitsraum, über Sonne und Ausblick in der Südwestschräge unterm Dach freut sich der Junior, im Osten ist der Elternschlafraum mit Übereckverglasung.

Der Standard, Sa., 2004.11.20



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Haus H.

13. November 2004Isabella Marboe
Der Standard

Raffinesse im Plattenbau

Mit dem eleganten Wohnbau am Hundsturm setzten die ARTEC-Architekten neue Maßstäbe im Mischek-Plattenbau. Städtebaulich ein Blickfänger, gibt das hohe, schlanke Haus mit vor-und rückspringenden Loggien, transparentem Stiegenhaus, großzügigen Lofts, perspektivereichen Maisonetten und dem ARTEC-Büro dem Grätzel neue Impulse.

Mit dem eleganten Wohnbau am Hundsturm setzten die ARTEC-Architekten neue Maßstäbe im Mischek-Plattenbau. Städtebaulich ein Blickfänger, gibt das hohe, schlanke Haus mit vor-und rückspringenden Loggien, transparentem Stiegenhaus, großzügigen Lofts, perspektivereichen Maisonetten und dem ARTEC-Büro dem Grätzel neue Impulse.

Im Keil der urbanen Starkverkehrsschneisen Margaretengürtel und Rechte Wienzeile steht im Rücken eines gründerzeitlichen Schönbrunnerstraßenblocks der neue Mischek-Bau am Hundsturm fünf. Die bis ins Detail umsichtige Planung der ARTEC-Architekten trotzte der Plattenbauweise ein raffiniertes, urbanes Haus mit transparenter Stiege, plastischer Fassade, Freiräumen, hellen, offenen Lofts und Maisonetten mit Wienpanorama ab.

Am Hundsturm wird die dicht verbaute Stadt mit Spielplatz und Park zur versteckten Grünoase, die Hauslage ist exponiert. Vorm Eingang münden drei Straßen ein, die an der Post noch einen Platz bilden. Eingeklemmt zwischen dem niederen Barockbau im Osten, dessen Hinterhaus in den Hof ragt, und einem siebenstöckigen Mischek-Nachkriegs- Pionier läuft die den Bezirk querende Einsiedlerstraße aufs Wohnhaus zu und macht es so zur städtebaulichen Markante.

Ein Pendant zum Hundsturm bildet die hohe, gläserne, mittige Stiege, die das achtstöckige Haus in zwei schlanke Baukörper teilt. Die raffinierte vorgesetzte Fassade wirkt als Filter zur Straße. Bis zu 80 Zentimeter springen hier sonnenschützende, blick- und freiraumweitende Loggien über Bauflucht vor-und zurück. Raster der Plattenbauweise nimmt den Duktus des Westnachbarn auf, die Plastizität leitet elegant zum Barock über.

Flachstahlbrüstungen geben dem Filter Feinstruktur, den Terrassen bis zu 2,30 Meter Tiefe, seine Stahlbetonrahmen lassen ein Spalierobstgerüst assoziieren. An blickschützenden Trennwänden schafft ein verzinktes Blechpaneel bedarfsweise Stauraum. In Schrägstellung rahmt es den Freiraum wie eine Bühnenperspektive, die reflektierende Fläche lenkt mehr Südwestlicht hinein. Alle Regenrinnen sind unter Gittern außen geführt, was die Balkone noch vergrößert. Das verglaste Stiegenhaus wirkt nach außen als repräsentative Schnittstelle, innen ist es eine attraktive Kommunikationszone für alle.

Der frischgrüne Anstrich nimmt den Parkblick mit herein, grauer Terrazzo bildet einen ruhigen, erdnahen Boden. Von oben durchgehend belichtet, wird der Stiegenturm mit blickdurchlässigem Flachstahlgeländer zur Lichtsäule. Großzügig weitet er sich vorm Innenhof, vom Lift im Dachgeschoss genießt man einen Postkartenblick auf die Hundsturmspitze. Die 28 Wohnungen bestechen mit Typenvielfalt, Raumqualität und Außenbezug. Jede hat Direktzugang zu verschieden tiefen und hohen Loggien, unterschiedlichen Lichteinfall und Ausblick, die großen Fenster reizen das Maximum der Bauweise aus. Im Erdgeschoss sind Maisonetten mit zwei Zugängen und Eigengarten. Die ebenen Lofts bestehen prinzipiell aus einem mittigen, gegengleich versetzten Sanitärkern, vor dem sich lichtdurchfluteter Einraum mit Loggia über die ganze Längsseite weitet. Auf Wunsch lassen sich Zwischenwände einziehen oder Einheiten zusammenlegen. Exquisit lebt es sich in den Dachmaisonetten, wo einem von Nord- und Südterrassen auf zwei Ebenen ganz Wien zu Füßen liegt.

Im Sockel des Ost-Bauteils ist das neue ARTEC-Büro. Die edle Alu-Glasfassade mit Sichtbetontreppe verströmt zarte Noblesse, das transparente Schaufenster macht die Arbeit im offenen, reduziert gestalteten Fertigteileinraum spürbar und wertet das Quartier auf. Das alte Hinterhaus ist mitgenutzt, seine komplett mit walzblanken Aluminiumtafeln verkleidete Kubatur wirkt wie ein abstrakter Think Tank, ihre reflektierende Oberfläche mehrt das Licht im Nordhof. Von Mauern, Gärten, Kaminen und Dächern der Nachbarn umgeben, entwickelt er sein eigenes, exquisites Flair. Zierapfel-, Essig-und Maulbeerbaum, Bank und Ribisel am Spielplatz animieren zum Sitzen, Schauen und Plaudern.

Der Standard, Sa., 2004.11.13



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Wohnhaus am Hundsturm

06. November 2004Isabella Marboe
Der Standard

Hausthemen in Variationen

Für umweltbewusste Bauherrn setzte Architekt Thomas Abendroth im Sinn der Nachverdichtung einen lärchenholzgeschalten Zubau aufs elterliche Haus in Mautern. Mit Stiegenturm, Schmetterlingsdach, Eckzimmern und variantenreicher Terrassenlandschaft bietet er im Niedrigenergiestandard neue Lebensqualität über Baumkronen.

Für umweltbewusste Bauherrn setzte Architekt Thomas Abendroth im Sinn der Nachverdichtung einen lärchenholzgeschalten Zubau aufs elterliche Haus in Mautern. Mit Stiegenturm, Schmetterlingsdach, Eckzimmern und variantenreicher Terrassenlandschaft bietet er im Niedrigenergiestandard neue Lebensqualität über Baumkronen.

In sanften Weinbergtrassen liegt Mautern an der Steiner Donaubrücke, keine zehn Minuten südwestlich von Krems, nach Wien braucht man eine Stunde. Jedes Wochenende fuhren die Bauherrn die Strecke zur Großmutter, die allein in einem typischen einstöckigen, vor Jahrzehnten gemeinsam gebauten Haus lebt. Inmitten einer locker bebauten Siedlung, von der Straße im Osten durchs zweistöckige Haus des Onkels abgeschirmt, liegt es in einem idyllischen Garten mit 100jährigen Obstbäumen. Nahtlos geht er in den familiären Nachbargrund über: ein riesiges, sicheres Paradies für die Kinder, wo Marillen, Zwetschken, Äpfel, Ribisel und mehr Köstlichkeiten wachsen.

Die Bauherrn lebten im dichtverbauten Margarethen im selben Wohnbau wie Architekt Thomas Abendroth. Als das zweite Kind kam, suchte man eine familienfreundlichere Option am grünen Stadtrand, was unleistbar war. Im Sinn ressourcenschonender Nachverdichtung und zur Freude der Oma entschied man sich für den Umzug nach Mautern und bat Abendroth um die Planung der Aufstockung. Sie sollte aus ökologischen Baustoffen sein, Niedrigenergiekomfort, ein Büro, Schlaf-, zwei Kinderzimmer und Terrasse bieten, außerdem musste die Wiener Einbauküche integriert werden.

Das alte Haus ist prinzipiell Rechteck, weit ragte das Satteldach vor, aus dem Südwesteck buchtet sich der Wohnraum Gartenterrasse und Südsonnenfenster. Die Bauarbeiten sollten das Leben der Mutter zu ebener Erde möglichst wenig stören schnell vonstatten gehen. Das Satteldach wurde entfernt, statt dessen sitzt nun ein dreischaliger Holzriegelleichtbau am alten Sockel, dessen neuer Anstrich mit der Lärchenschalung harmoniert. Beidseitig beplankt, zellulosegedämmt, mit Dreischeibenverglasung, Erdwärmetauscher und kontrollierter Wohnraumbelüftung erreicht er die Energiekennzahl 24 kWh/(m2a). Er schenkte der Mutter mehr Licht, eine gedeckte Terrasse und eine durch die neue Außendämmung eklatant bessere Energiebilanz.

Drei verschiedene Lattenbreiten und nach Licht und Panorama gesetzte Fenster geben der Fassade feinstrukturierten Rhythmus, die vorspringende, tiefe Nordterrasse und ihr zurückgezogenes, breites Pendant im Süden Plastizität. Feinsinnig gleichsam ins Negativ gekehrt und positiv in zwei Pulten doppelt verwandelt, kehrt das Satteldachthema im prägnanten, zur Mitte geneigten Schmetterlingsdach wieder. Dem längsseitig durchgehenden zentralen Wohnraum gibt die doppelte Schräge Charakter, den anschließenden Zimmern mehr Höhe. Als Raum im Raum bildet die integrierte, blau eingehauste Küche mit Blick und Bar zu Essplatz und Nordterrasse eine Zäsur zwischen Wohnen im Osten und dem Essen zum Garten, vom Minibalkon davor ruft man zu Tisch.

Der Zubau variiert grundlegende Altbaumotive. So beansprucht je ein Zimmer ein Haus-Raum- Eck. Jedes Kind hat ein zweiseitig belichtetes zum Garten, der Elternschlafbereich mit Bad ist im Nordosten. Als externer Zugang ist dem unteren, vorspringenden Wohnraum der Stiegenturm im Südosteck vorgesetzt. Die Schalung betont seine Vertikale, ein hoher Glaslichtstreifen belichtet ihn komplett, vom Windfang kommt man ins Büro: die Mutter trat ihr Eckkabinett ab.

Die reduzierte Gestaltung setzt sich innen im ruhigen Ahornboden und Schiefer in Küche und Bad fort, die vorspringenden Eckräume schaffen Einschnitte, die mit Terrassen von unterschiedlichem Charakter genutzt sind. So entsteht auf Baumkronenhorizont eine zweite Freiraumebene als Variation zum Garten. Hochbeliebt ist die tiefe Nordterrasse zwischen Bad und Kinderzimmer mit Weinterrassenpanorama, zum Essen im Freien lädt der lange Südbalkon.

Der Standard, Sa., 2004.11.06



verknüpfte Bauwerke
Mariandl - Ausbau eines Einfamilienhauses

30. Oktober 2004Isabella Marboe
Der Standard

Leben an Licht und Landschaft

Aus minimalem Budget zauberten die Architekten Maria Flöckner und Hermann Schnöll ein Maximum an Raum und Lebensqualität. Zeitlos modern fügen sich lärchenholzgeschaltes Foto-Atelier und Wohnhaus als Ensemble in den idyllischen Ort Kuchl, Fenstereinschnitte und Lufträume schaffen innen mehrdimensional durchlässige Weite.

Aus minimalem Budget zauberten die Architekten Maria Flöckner und Hermann Schnöll ein Maximum an Raum und Lebensqualität. Zeitlos modern fügen sich lärchenholzgeschaltes Foto-Atelier und Wohnhaus als Ensemble in den idyllischen Ort Kuchl, Fenstereinschnitte und Lufträume schaffen innen mehrdimensional durchlässige Weite.

Etwa 30 Kilometer südlich von Salzburg liegt die Gemeinde Kuchl, wo Bildhauer Josef Zenzmaier in der Strubau ein altes Landhaus bewohnt, durch die Ritzen des Werkstattstadels schimmert Glut, der Meister ringt mit Wachsabgüssen um seinen Paracelsus. Schon als Kind liebte Sohn Stefan das Ineinanderfließen von Wohnen und Arbeiten. Heute ist er selbständiger Fotograf, lang lebte er mit Frau und drei Kindern in Salzburg, die Wohnung war viel zu klein, er suchte eine größere und ein Atelier. Als der Vater ihm das 902 Quadradmeter

Als der Vater ihm das 902 Quadradmeter Gartenstück vor seinem Haus schenkte, entschied er sich zum Umzug nach Kuchl. Sein Budget war minimal, der Ort sensibel, der Bedarf anspruchsvoll: er brauchte ein Profi-Atelier und endlich genug Lebensraum für fünf Menschen. Hell, klar und zeitlos sollte das Haus sein und mit der Umwelt in Kontakt treten. Umsichtig reagierten die Architekten auf Aufgabe und Ort. Präzis setzten sie zwei wesensverwandte Holzquader auf den Grund, vielschichtig kommunizieren sie miteinander und der kleinteiligen Dorfstruktur.

Die schlichten, modernen Baukörper sind formal reduziert und komplett in vertikaler, feinstrukturierter Lärche verschalt. Das vertraute Material fügt sich in die Ortslandschaft, ohne sich anzubiedern. Tief eingeschnittene, klug gesetzte große Öffnungen geben den Häusern Plastizität und Transparenz. Als ruhiger Rahmen schirmt der Atelierquader Garten und Wohnbau ab, Schaufenster vermitteln die open mind des Fotografen. Als kommunizierendes Luftraumpaar machen zwei über Eck verglaste Einschnitte das Haus dahinter auf allen Ebenen lichtund blickdurchlässig, erzeugen auf minimaler Fläche entgrenzende Weite, die Umgebung fließt förmlich ins Innere. Behutsam fassen beide Gebäude geschützten Grünraum ein.

Gelassen schafft der Parkplatz dem fast vier Meter hohen Atelier Öffentlichkeit, die geringe Höhe lässt Nachbarn den Gebirgsblick. Straßen- und Gartenseite sind gleich: sofort ist die über drei Meter hohe Doppelglastür als wichtigste Öffnung erkennbar, ein großes Fenster schenkt Licht und inspirativen Blickkontakt Straße und Haus. Der alle Scheinwerfer und das Equipment bergende Raum lässt sich komplett verfinstern, kann Dunkelkammer oder transparentes Studio sein. Hinter dem kleinsten Fenster liegt das „Extrazimmer“ mit Sanitärzelle, Schlafpodest und eigener Tür im Westen.

Zum Atelier verschränkt, exakt nord-südorientiert rahmt das zweigeschossige, unterkellerte Wohnhaus einen privaten „Sonnengarten“, der in Großvaters Grund überfließt. Die kleine Tochter sieht durch die Luftraumsäule ihres Zimmers auf Großvaters Sitzbank, über eine ausklappbare Dachbodentreppe kann sie über den Wohnraum ins Freie laufen. Das Haus ist ein Mischbau, die tragende Sichtbetonscheibe teilt es Nord- und Südseite. Über eine im Rasen versenkte Cortenstahltreppe betritt man den Keller am Zwischenpodest unterm südöstlichen Luftraumeck, Oberlicht und die zweite Lichtsäule wandeln ihn zum hellen Wohnraum.

An der Sichtbetonwand die einläufige Treppe in der dreiseitig belichteten Küche hoch, darüber auskragende, große Schlafraum schenkt ihr eine gedeckte Terrasse vor dem malerischen „Schattengarten“, fünf Fenstertüren schaffen viele Freiraumbezüge sowie enorme Zugangsvielfalt. Die obere Ebene ist Meter hoch, was auf kleinster Fläche ungeahnte räumliche Großzügigkeit erzeugt. Mit Panoramarundblick durch die diagonalen, haushohen Lichtlufträume gewinnt der teils zweigeschossige Wohnraum am Südgarten mehrdimensionale Panoramaweite, sich darüber in dialogischer Vogelperspektive nach innen außen fortsetzt.

Der Standard, Sa., 2004.10.30



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Haus und Atelier

16. Oktober 2004Isabella Marboe
Der Standard

Die hohe Kunst der Uferkante

Am naturgeschützten Südufer des Zeller Sees plante Karl-Heinz Machat umsichtig ein exquisites Haus. In vornehmer Leichtigkeit schweben Schlafraumbox und pultbedachter Wohnraum aus Birke überm durchlässigen Sichtbetonsockel, vielen Gästen bietet ein Holzhaus hohen Komfort.

Am naturgeschützten Südufer des Zeller Sees plante Karl-Heinz Machat umsichtig ein exquisites Haus. In vornehmer Leichtigkeit schweben Schlafraumbox und pultbedachter Wohnraum aus Birke überm durchlässigen Sichtbetonsockel, vielen Gästen bietet ein Holzhaus hohen Komfort.

Zell am See hat alles, was man wünschen kann: einen verwinkelten Ortskern mit romanischer Kirche, Wachtturm, Schloss Rosenberg, gepflegte Kuratmosphäre an der Seepromenade, das einstige Flair der exklusiven Sommerfrische an der Westbahn umweht die Grand Hotel Terrasse. Die Gipfel von Kitzsteinhorn, Hohen Tauern bis zum Glockner spiegeln sich im Wasser, auf dem Boote treiben. Die Schmittenhöhenseilbahn brachte Wintertourismus, der Zauber des Ortes blieb. In den Siebzigern war hier leicht bauen, viele Einfamilienhäuser säumen den See, vereinzelt ranken sich Bergbauerhöfe Steilhänge hoch. Heute ist die Stadtgemeinde mit Baubewilligungen restriktiver: fast das ganze Ufer in 500 Meter Luftlinie ist Naturschutzgebiet. Die Mutter des Bauherrn und ihr Partner sind alteingesessene Zeller, sie hatten eine Badehütte am Südufer, oft gehen sie schwimmen. Der Sohn lebt und lehrt heute in Boston. Als die Umwidmung der 860 Quadratmeter Baugrund bevorstand, entschied er sich mit seiner Lebensgefährtin für einen zweiten Wohnsitz in Zell. Er nahm die Bauherrnschaft am sensiblen Ort sehr ernst und schrieb unter vier Architekten einen Wettbewerb mit Preisgeld aus.

Das weltoffene Paar hat oft Gäste, braucht aber auch Rückzugszonen, er will ungestört in seinen vielen Büchern lesen, die Zeller Verwandtschaft sollte weiter baden können. In hoher Detailsorgfalt plante Karl-Heinz Machat eine ausdifferenzierte Baukörperkomposition, deren offenes Raumgefüge dem weiten Horizont der Bewohner entspricht. Er hatte die künstlerische, Architekt Christian Gritznig die technische Oberbauleitung. Wie am Ufer flüssiges Wasser auf feste Erde trifft, verbinden sich im eingegrabenen, von Einschnürungen, Öffnungen und Treppen strukturierten Raumfluss des Sichtbetonsockels Geselligkeit und Konzentration, Innen – und Außen. Obere, private Ebene und Gästehaus sind im Holzleichtbau konstruiert, bilden birkenholzverkleidet den „weichen“ Kontrast zum massiven Erdgeschoß.

Es erstreckt sich vom See im Nordosten zur Straße im Südwesten, wo das nahe, starkfrequentierte Strandband ist. Hier wirkt der leicht vorspringende, niedere Gästeholzwürfel als ruhiger Schutzfilter, ein zarter Sichtbetonrahmen bildet Witterungsschutz mit Himmelsblick und die elegante Klammer zum Haus, als transparentes Zwischenelement sitzt der glasüberdachte Vorraum zwischen den Baukörpern. Der Sockel an der westlichen Längsseite macht den Garten zur großen Liegewiese. Schon vom straßenseitigen Bibliotheksauftakt sieht man den See, zwei Glastüren schaffen die erste räumliche, blickweitende Einschnürung, Sichtbetonscheiben dahinter die Arbeitszone vorm nächsten Lichtschlitz. Der nischenbildende Rhythmus schafft dem schreitenden Denker einen Wandelgang an der Bibliothek. Der Grünraumstreifen davor ist als japanischer, englischer und französischer Garten geplant.

Der Niveausprung der Stiege hinab zum See markiert den Übergang zur Geselligkeit. Vorm Küchenvorsprung verdichtet sich die Wiese in der abgesenkten Terrasse zur geschützten Mulde, von der die Badegäste ihre Garderobe mit Bad betreten. Die Wanne ist auf Wasserniveau, hinter einer Sichtbetonscheibe im Westen eine Sonnen- und Saunaterrasse mit zweitem externen Entree.

Das Haus scheint dem Ufer zu entsteigen, von der Küche führt eine filigrane Edelstahltreppe ins Wohnzimmer, schräg steigt das Pultdach vom Über-Eck-Panoramaglas an, zoomt in perspektivischer Verkürzung den See gleichsam über die Terrasse hinein, ihre Seilbrüstung zitiert Schiffstaue. Den Gebirgsblick holt die zweite Übereckverglasung ins Haus, Stufen führen in die abschließende, intime Schlafholzbox mit Balkon überm Sockel.

Der Standard, Sa., 2004.10.16



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Haus am Zeller See

09. Oktober 2004Isabella Marboe
Der Standard

Paradoxes Paar fürs Leben

Von Kunststoffplanen überzogen, liegt das Hausobjekt der hobby a. Architekten wie eine Wegwerfkamera am Pachtgrundrasen in Bergheim. Der Bauherr ist Fotograf, durch große Monitorfenster blickt er auf Fluss und Uferböschung, der sichtbetongerahmte Innenhof verströmt archaisch-meditative Kontemplation.

Von Kunststoffplanen überzogen, liegt das Hausobjekt der hobby a. Architekten wie eine Wegwerfkamera am Pachtgrundrasen in Bergheim. Der Bauherr ist Fotograf, durch große Monitorfenster blickt er auf Fluss und Uferböschung, der sichtbetongerahmte Innenhof verströmt archaisch-meditative Kontemplation.

Flankiert von Autostrada und Westbahntrasse, liegt die Randgemeinde Bergheim keine zehn Kilometer nördlich von Salzburg. Um den alten Kern siedelte sich im Speckgürtel um die Mozartstadt Industrie- und Gewerbe an. An der bewaldeten Fischach-Böschung liegt eine Papierfabrik aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Ein patinabehafteter Holzfachwerksbau auf Steinsockel, die Laden zum Papiertrocknen prägen die Fassade. Der Bauherr ist Fotograf mit starkem Sinn für Orte mit Flair, in der raren frühen Industriearchitektur nistete er seine Werbeagentur ein, lang bewohnte er einem Turm am Werksareal.

Der wurde ihm mit Frau und zwei Kindern zu eng, sie brauchten mehr Raum. Sein Leben ist Veränderung, er wollte eine temporäre Wohnlösung. Zehn Jahre pachtete er am Zufahrtsende im südlichen Fabriksvorfeld 760 Quadratmeter an der waldgesäumten Bachböschung und bat die hobby a. Architekten um ein Haus aus recyclebarem Material, das seinem Lebensgefühl entsprach. Es sollte der extrovertierten Familie in offenen Räumen mit oberer Schlafebene und Hobbyraum modernen Komfort bieten.

Wie sich gute Werbung zum prägnanten Bild bündelt, bringt ihre entwerferische Königsidee das Wesen des Hauses auf den Punkt: eine Wegwerfkamera, die auf Rasen fiel. Das massenkompatible Industrieprodukt reflektiert humorvoll den flexiblen Life-Style und begeisterte den Bauherrn sofort. Von braunen Kunststoffplanen überzogen, mit abgerundeten Kanten, monitorartig eingeschnittenen Fenstern wirkt es wie ein futuristisches Design-Objekt.

Der monolithische Baukörper besteht aus einer mit dem Hang fließenden und einer auskragenden Kubatur, mit seiner stromlinienförmigen high-tech- Haut wirkt er wie der Vorbote einer avancierten Bautechnologie, der sich in die Gegenwart verirrte. Leicht setzt das Hausobjekt auf der auskragenden Fundamentplatte auf. Sein formgebendes Traggerüst aus zerlegbaren Holzfertigteilen war in einigen Tagen aufgestellt, es lässt sich ebenso schnell abbauen. Die hinterlüftete Wärmedämmschicht ist aus recyclebarer Steinwolle, das Innere mit OSB-Platten verkleidet. Damit kein „Pappdeckelfeeling“ entsteht, kam verputzter Heraklith drauf.

Dynamisch kippt einem am Eingang die Wand im vorspringenden, östlichen Hausteil entgegen, durchs Windfangglas sieht man die mit dem Hang hinabgleitende Dachfläche entlang durch den fließenden Wohnraum ins abschließende, schräge Südpanoramaglas. Wie im riesigen Fernsehbildschirm zeigt sie das Gebüsch, unter dem der Bach als lebendig-allgegenwärtige Geräuschkulisse vorbeirauscht. Ein horizontales Ostfensterband weitet die Perspektive beim Abwasch in der freistehenden Küche, gegenüber tritt man durch raumhohe Schiebetüren auf die Terrasse. Der ganze Wohnraum hat vierseitig Licht und Ausblick, fließend geht er im Westen mit Übereck-Glas zu Innenhof und schräger Nordwand in die Medien-Lounge über. Als zweite künstliche Screen sitzt der Design- Fernseher in der olivfarbenen Betonwand, an deren Rückseite die Stiege hinauf führt.

Hier hat die Mutter einen Arbeitsplatz mit Blick auf die Fabrik, drei Zimmer bieten die Vogelperspektive auf Bach oder Innenhof, im südseitigen Bad ist durch ein Glas von der Wanne aus das Geschehen in der Wohnküche darunter zu beobachten. Den Zuwachs um ein Kind verkraftete das Haus locker. Es ist so schön, dass die Familie mehr als zehn Jahre drin leben will. Nun gesellte sich zum grünen Freiraum in der Mitte ein intimer Innenhof mit skulpturalem Grillobjekt. Von Sichtbetonmauern mit wenigen Einschnitten gerahmt, mit weißem Marmor und Kies gedeckt, gibt der Hof dem Haus Halt. Beide gemeinsam vereinen das Lebensparadox flexibler Beständigkeit.

Der Standard, Sa., 2004.10.09



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Haus für Eva und Fritz

02. Oktober 2004Isabella Marboe
Der Standard

Das Haus des Architekten

In der südsteirisch anmutenden Hügellandschaft um Brand-Laaben verwirklichte sich das Architektenpaar Oberlik einen Lebenstraum. Ein kompromissloses Idealhaus als naturnahe Bühne für exzessive Geselligkeit, kreative Entfaltung und persönliches Wachstum.

In der südsteirisch anmutenden Hügellandschaft um Brand-Laaben verwirklichte sich das Architektenpaar Oberlik einen Lebenstraum. Ein kompromissloses Idealhaus als naturnahe Bühne für exzessive Geselligkeit, kreative Entfaltung und persönliches Wachstum.

Im eigenen Landhaus wollte das Architektenpaar Oberlik endlich kompromisslos planerische Ideale realisieren. Es sollte ihre großzügige Architektur-und Lebensauffassung auf den Punkt bringen. Als intelligentes, modernes Low-Budget- Projekt bettet sich das materialechte Haus nun harmonisch in die Natur, sein offener Innenraum mit Landschaftspanorama wird zur lichten Bühne geselliger Kochevents mit bis zu 70 Freunden, aber auch zum individuellen Rückzugsort zu kreativer Entfaltung und persönlichem Wachstum.

Der Weg dorthin war weit: zwei Jahre suchte das Paar nach einem Ort in Wiennähe, der nach einer stressigen Arbeitswoche absolut entrücktes Feriengefühl bietet. Seinen Idealplatz fand es in Brand- Laaben, etwa 30 Kilometer westlich der Stadtgrenze. Hier, wo der Wienerwald in lichtungsreicher Weite ans Mostviertel grenzt, scheint die Zeit still zu stehen. Die sanften Hügel mit Obstbaumwiesen, grasendem Vieh und alten Gehöften wirken südsteirisch.

Als ein Landwirt 44 Hektar verkaufte, zog der Architekt die Konsequenz zum kompromisslosen Bau: er wurde Nebenerwerbsbauer. Auf einer 560 Meter hohen Anhöhe, den konkurrenzlos schönsten Blick bis zum Ötscher zu Füßen, steht das Haus. Bruchsteine aus dem Felsaushub flankieren den Vorplatz der Südzufahrt, darauf wuchern Pflanzen und exotische Gewürze als Referenz an den Bauerngarten im Nutzbeet der ambitioniert kochenden Bauherrin. Innovativ zitiert das Haus die ortsprägende Stadel-Typologie.

Ein Stahlskelett bildet die Tragstruktur des rudimentären, ca. 8,80 m breiten, 30 Meter langen satteldachgedeckten Baukörpers. 7,5 Meter misst er bis zum von Mattglasscheiben aufgelösten First, 80 cm hohe Fensterbänder flankieren beide Längsfronten unter der Traufe. Sie kragt als Wartungsumgang und baulicher Sonnenschutz ein Meter aus. Innen und außen unverputzte Betonsteine bilden mit 10 Zentimeter hinterlüfteter Dämmung als Speichermasse ein energetisch optimiertes Dreischichtmauerwerk, die Heizkosten der Riesenkubatur betragen ca. 540 Euro/Jahr, der perfektionistische Eigenbauer Oberlik drückte den Quadratmeter-Preis auf 726 Euro brutto.

Archaisch ländlich wirkt die Südfront mit rauen Betonsteinen und Bank vor marillenbaumberankter Lärche. Ein großes Fenster und zwei Eingänge zitieren das Scheunentormotiv, zentral überm acht mal acht Meter Keller mit Holzschnitzelheizungsappendix ist die Haustür, vom Entree betritt man den Lebenseinraum im Westen oder das mit Kuhfellbank und Hockern als Bar designte Weinlager. Der Bauherr liebäugelt mit dem Betrieb einer Schnapsbrennerei, die vom zweiten Portal leicht zu beliefern wäre. Im Osten steigt das Gelände, extern betritt man hier zwei Gästeappartements mit Miniküche, Sanitärboxen, reduzierten Stahltreppen, Raummöbeln und Ausblick. Mit Wohnplattform und abgehängter Schlafgalerie folgen sie dem Loos’schen Raumplan.

Die Toilette am Entree ist der einzige Abschlussraum im Wohnhaus, selbstverständlich markiert der freistehende Herd mit schwebender Glasablage, großer Tafel mit Eckbank im Süden den Essbereich, die Gastroküche im Norden genügt allen Ansprüchen. In der Mitte führt eine einläufige Treppe auf die Galerieebene. Hier hat die professionell malende Bauherrin ihr Atelier mit Oberlicht, vis à vis steht das Bett, dahinter der offene Sanitärraum.

Unterm weit vorgezogenen Dach im Westen öffnet sich eine hohe Glastür zur Terrasse vor der riesigen Lebensraumbühne. Das ganze Jahr verfolgt man hier den Sonnenstand, im Sommer fällt sie mit 65° ein, wie ein Ofen strahlt die Betonwand im Rücken Wärme ab. Noch im Spätherbst sind so bis in die Nacht Sonnenuntergänge, jagende Bussarde, Hasen und Rehe zu genießen. Im Winter weht ein starker Westwind beängstigende Schneemassen an, wie eine Zugbrücke kann man dann die Lärchenholzterrasse komplett hochklappen.

Im kontinuierlichen work in progress baute der Architekt im Norden einen Werkstattstadel zu, gerade wurde die freistehende Stahlkonstruktion der Sauna fertig. Dreiseitig von verzahnten Wänden aus geschichtetem Lärchenholz umgeben, öffnet sie sich mit Panoramaglas zur Landschaft. Das auskragende Flachdach schenkt der Sauna eine geschützte Terrasse mit Kühlbassin. Der heurige Winter in Brand-Laaben wird finnisch, dann kommen die Bonsais dran.

Der Standard, Sa., 2004.10.02



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Haus Oberlik

25. September 2004Isabella Marboe
Der Standard

Raffinierter Hausmonolith

Ein neues, urbanes Haus mit eloxierter Aluminiumhaut von MARTERERMOOSMANN setzt in der Kaasgrabener Villengegend einen delikaten, zeitgenössischen Akzent mit lichtdurchflutetem, weiträumigem Innenleben.

Ein neues, urbanes Haus mit eloxierter Aluminiumhaut von MARTERERMOOSMANN setzt in der Kaasgrabener Villengegend einen delikaten, zeitgenössischen Akzent mit lichtdurchflutetem, weiträumigem Innenleben.

Bauherren, die dezidiert innovative Architektur realisieren wollen, sind rar, doch es gibt sie. Dr. Alfred Strommer, ist so einer. Er schätzte und kannte das Oeuvre von MARTERERMOOSMANN und betraute sie mit Planung und Errichtung zweier Mietobjekte auf exquisitem Döblinger Boden, die Finanzierung wickelte die PSK Immobilienleasing GmbH ab. Der kaum 17 Meter schmale, tiefe, ca. 800 Quadradmeter Grund liegt in der locker durchgrünten Kaasgrabener Villengegend. An der nördlichen Schmalseite steigt sacht die Delugstrasse an, die sich zum Beserlpark weitet.

An der Westgrenze gab es ein altes Haus, das nordseitig in eine Garage überging. Vorgeschrieben war ursprünglich gekuppelte Bauweise, als im Jahr 2000 der Keller des Erstentwurfs ausgehoben wurde, kam es zum Baustopp, da eine Anrainerin von der Baupolizei nicht geladen worden war. Die Fundamente waren da, der Bestand im Westen teils abgerissen, die alte Widmung fiel.

MARTERERMOOSMANN machten aus der Not eine Tugend. Raffiniert meißelten sie aus der neuen, vierstöckigen, bauordnungsgemäßen Kubatur einen facettenreichen Hausmonolithen von kühler Eleganz. Fast stromlinienförmig glatt wirkt die hinterlüftete Außenhaut aus eloxiertem Aluminium mit weitläufigen Fensterbändern. Die Parapethöhen sitzen so, dass Metall und Glas an der Fassade zwei gleich hohe Streifen bilden. Eingeschnittene Loggien geben der Straßenfront plastische Tiefe, gartenseitig treten die Balkone mit vorderen Alu und seitlichen Glasbrüstungen als flächige Scheiben aus der Fassade.

Die zwei großzügigen, doppelstöckigen Maisonetten liegen übereinander, man betritt die untere ebenerdig, die obere über eine kaskadenartig ansteigende, einläufige Außentreppe im Westen. Einen Lift gibt es auch. Der Zugang wird zur subtil-sinnlichen Komposition aus raumbildenden Metallstrukturen. Schräge, verzinkte Stahlstreben als Gartenzaun, weitmaschige Drahtgitter über dem Garagenzugang. Silbern schillert die Alufassade, vornehm anthrazitgrau gleitet die Stiegenbrüstung aufwärts, durch gebogene Trittstufen aus gezogenem Alu fällt Licht. Als Kontrast dazu wirken Beton, Kies und Rasen. Als Grundthema zieht sich das Gegenspiel von warmen und kühlen Materialien durchs ganze Haus. Erdig blitzen als Ober- und Untersichten die Lärchenholzterrassen aus dem Alu-Glas-Monolith.

Innen kontrastiert die Metalltreppe mit der dynamischen transparenten Brüstung zum warmen Kalkstein am Boden und dem perlweißen Ton der Wände. Konsequent designten MARTERERMOOSMANN Einbauten wie Kästen, Badezimmergarnituren und Küche aus reduzierten Formen derselben Farbe, Nussholz bildet den Schlafzimmerbelag.

Vierseitig von Fensterbändern umgeben, herrscht in den Wohnungen mit über 2,70 Meter Höhe lichtdurchflutete Weite. Am Eingang ist komprimiert der Sanitärblock, Sanitärblock, die restliche Ebene dient im offenen Einraum mit weiter Nord- und Südterrasse dem Wohnen. Die mittige, transparente Innenstiege führt in die zweite Etage zu den Schlafräumen mit je einem Bad. Eingehaust von einer Nurglasfassade wurde die alte Garage mit begrüntem Flachdach zum japanisch anmutenden Gästehaus.

Dynamisch schließen Dachgaupen das Gebäude ab. Eine extreme Herausforderung an die technische Machbarkeit war deren Verglasung am Eck, wo drei polygonale Scheiben zum offenen Himmelsblick zusammentreffen. Das Haus ist ein Stahlbetonskelettbau mit vorfabrizierten Wandpaneelen aus Holz, bei den Fensterparapeten zeigt sich die Konstruktion in schlanken Stahlsäulen. Licht unter Mattglas lässt sie nachts zum entgrenzenden Leuchtband werden, indirekt bestrahlt wird auch der Gartenzaun, was dem Bau ein faszinierendes Nachtgesicht verleiht.

Der Standard, Sa., 2004.09.25



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Wohnbau Delugstrasse

11. September 2004Isabella Marboe
Der Standard

Veredelung der Wunderkammer

So stilsicher wie klug reagiert der Umbau von Architektin Sonja Ramusch und Designer Fritz Stiper auf ein schräges 70er-Jahre Haus. Seine zwei Baukörper zelebrieren das Dreieck, das Planerduo machte aus dem verwinkelten Kammerngewirr eine edle, lichtdurchflutete Bleibe.

So stilsicher wie klug reagiert der Umbau von Architektin Sonja Ramusch und Designer Fritz Stiper auf ein schräges 70er-Jahre Haus. Seine zwei Baukörper zelebrieren das Dreieck, das Planerduo machte aus dem verwinkelten Kammerngewirr eine edle, lichtdurchflutete Bleibe.

„Es war Liebe auf den ersten Blick“: das Bauherrenpaar war vom eigenwilligen 70er-Jahre - Bau auf der Hohen Straße am Linzer Pöstlingberg komplett begeistert. Beim Planen seines Eigenheims hatte sich Designer Prof. Horst Meru damals selbst verwirklicht: das ganze Haus ist auf dem gleichschenkeligen Dreieck aufgebaut.

Spitz ragt das Eingangsvordach an der Hohen Straße im Norden zwischen dem schrägen Schenkel des Dreiecksturms im Westen und der lärchenholzverkleideten eingeschossigen Wohnebene aus der Fassade. Schräg buchtet sie sich aus, mäandert scharfkantig ums Eck, um sich zum auskragenden Südterrassentrapez zu weiten. Ihr geknickter Verlauf bietet mit drei geraden und zwei Nord- und Südwest orientierten langen Fronten ein breitgefächertes Panorama. Die Donau plus Linzer Skyline mit Domspitz, Voest-Schloten, Puchenau und Urfahr liegen hier zu Füßen.

Wie ein Adlerhorst thront das Haus über dem Gelände, wie Riesenäste streben die auskragenden Stahlbetonträger aus dem überdeckten Vorplatz mit Pool vor dem südseitig offenen Keller, wo Meru sein Atelier hatte. Ein Plateau tiefer ist ein zweites größeres Becken, das Gartenplanerin Lisa Radler ruhig wie einen japanischen Teich gestaltete, darunter führt ein steingefasstes Wegnetz mit Treppen in paradiesisch grüne, üppige Wildnis.

So weitläufig die Terrassen, so verwinkelt war das Innere: ein unübersichtliches Gewirr kleiner Dreiecke, Trapeze, Gänge. Mit hochsensiblen Eingriffen glückte Architektin Sonja Ramusch und Designer Fritz Stiper hier lichtdurchflutete Weite. Schlitz und Glastür lassen durch die tragende Wandscheibe vor dem Wohnraum ins Grüne blicken. Alle Zwischenwände wurden entfernt, die klobigen Fensterrahmen und Parapete der Südfront durch raumhohes Glas ersetzt. Nun entfaltet sich das Panorama in cinemascopehafter Weite im fließenden Wohn-Ess- Kochraum. Ein Raumwunder ist die Küchenzeile, die als rundum umgehbares Möbel klare Orientierung schafft. Dem Bau gemäß schräg zugespitzt, bildet ihr stauraumbergendes Hinten den Gang von Vorraum zu Schlafbereich. Passend zum bestehenden hellen Laminatboden ist sie aus gebleichtem Ahorn von feiner, wellpappeartig gefräster Struktur. Ein Spiegel vorm Schalterkasten weitet den Gang, auch sein Pandomo- Wandanstrich hat eine zarte Oberfläche. Das Design nutzt jede Nische für mehr Lebensraum.

Mit Wandschlitz wird Duschen in ihrem Dreiecksbad zum Erlebnis, ein beidseitig bestückbarer Kasten zum Raumteiler in sein Bad, gemeinsam ist ihnen ein Schlitz mit Ablagefläche fürs Gel. Zwei Glastüren mit filigranen Griffen an einer Ahornscheibe führen zum Schlafraum, wo man vom Bett ins Grüne blickt. Als edle Nachtkastenvariante schweben lederüberzogene Aluplatten mit viel Ablagefläche an den Wänden.

Eine Schieferplatte mit Spülbecken vor hinterleuchteten Glasregalen bildet die Küchenzeile, die sich mit horizontalen Mattglasscheiben komplett schließen lässt. Zwei mit Holzfurnier ausgekleidete, schwebende Glasrohre verbreiten über dem freistehenden Herd Kerzenlichtatmosphäre, Ahornbord und Hocker machen Kochen auf der großen Schieferplatte zum geselligen Event. Entlang der traumhaften Aussicht strömt das von Wänden befreite Innen weiter zum Essen und Wohnen. Licht für alle Stimmungen verbreiten zwei Halotech- Stehlampen mit Farbeinsätzen, auf der Couchliegelandschaft schwebt man wie in einer Raumkapsel über Linz.

Die massive Holzdecke, sechseckige Stützen und grober Kies verbreiten auf der Terrasse den rauen Charme der 70er. Reizvoll bricht ihn das reduzierte Design mit einer japanisch anmutenden Steinplatte zum Essen im Freien. Diese Haltung zieht sich als roter Faden durch den Umbau, der so den Charakter des Alten betont und um neue Qualitäten mehrt. Besonders deutlich ist das im Untergeschoss. Im einheitlichen Bodenbelag aus Akazienholz gehen Innen und Außen ineinander über, auch die Dreiecksstützen zwischen den Glasscheiben der Bibliothek sind so verkleidet, die Regale aus demselben Holz. Die Spitzen verlieren ihre Schärfe, der Raum seine Grenzen, frei schweift das Denken ins Weite. Eine Glasschiebetür führt auf die gedeckte Terrasse mit Pool, wo eine in die Wand integrierte Miniküche für konstanten Erfrischungsnachschub sorgt.

Der Standard, Sa., 2004.09.11



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Umbau 70er-Jahre-Haus

04. September 2004Isabella Marboe
Der Standard

Raumschleife mit Innenleben

Gemeinsam mit Designer Fritz Stiper planten die „caramel-architekten“ einem aufgeschlossenen Bauherrn ein aufsehenserregendes Haus am Pöstlingberg. Hier gehen innen und außen, Raum und Möbel in ein Ganzes über.

Gemeinsam mit Designer Fritz Stiper planten die „caramel-architekten“ einem aufgeschlossenen Bauherrn ein aufsehenserregendes Haus am Pöstlingberg. Hier gehen innen und außen, Raum und Möbel in ein Ganzes über.

Wie ein UFO, verdreht, geknickt und dynamisch schwebt ein expressives Haus am Steilhang des Pöstlingbergs. Souverän gleitet es übers nachbarliche Einfamilienhausgemenge, weitet die Perspektiven auf Umgebung, Raum und das Wohnen überhaupt. Der Bauherr hat Mut zum Experiment, seine Werbeagentur hatten die „caramel- architekten“ und Designer Fritz Stiper mit Esprit gestaltet, auch beim Haus setzte er aufs bewährte Team. Formvollendet dem Ort erwachsen, schafft es optimalen Lebensraum.

Der Pöstlingberg ist Linzer Top- Lage, Grund rar und sehr teuer, dem Haus blieb low-budget. Der unregelmäßig trapezförmige 800 nach Süden sechs Meter ab. An drei Seiten umgibt ihn der Dannerweg, wo die Bauordnung fünf Meter Abstand vorschrieb. Im Visier der Nachbarn war keine Privatheit, ihnen zeigt die gebaute obere Raumschleife den braunen, mit elastischer Polyurethan-Folie überzogenen, von zwei Fensterbändern geschlitzten Rücken, aus dem halbkugelförmig Oberlichter ragen. Überm Garten öffnet sie sich mit schwebender, vollverglaster Südfront zum Linzpanorama.

Vom wertvollen Grün wollte die Familie mit drei Kindern möglichst viel nutzen. Als stiller, die Westgrenze flankierender Sockel ist die Schlafebene in die Erde gebettet. Ihre Decke wird zur Terrasse und Flur darunter. Nach Südost öffnen sich Elternschlafraum und drei Kinderzimmer mit großen Glasflächen zum Pool. Durch Schiebeelemente aus MAX-Exterior- Platten lässt sich die hinterlüftete Fassade komplett schließen: sie wird zum weißen, stillen, nachtdunklen Trakt.

Das Haus fußt auf nur 46 Quadratmeter Grund, in diesem verbindenden Knoten bündelt sich das Leben, von hier durchströmt es alle Ebenen. Im oberen Nordwesteck bei Zufahrt und Parkplatz betritt man die Raumschleife im Vorraum, ein Lichtstreifen an der Wand markiert die Treppenwende nach unten ins Private oder ins gesellige Oben. Die Mattglasscheibe davor lässt sich zur Trenntür drehen, zarte Stufen führen aufs erste schwebende Plateau: die Küche.

Vom kommunikativ freistehenden Bar-Spül-Block mit Granitplatte ist das transparente Kindereck zu übersehen, Mattglasschiebeelemente halten Spielzeug in Grenzen. Ein multifunktionales Raummöbel wächst als stauraumbergendes Sitzpodest aufs Wohnplateau, in der Küche weitet es sich zum Herd. Durch einen Glaskörper in der Arbeitsplatte folgt man dem Verlauf der V-Stütze, die in die Terrasse mündet. Vom „werkraum“, sehr zart dimensioniert, gibt sie der südlichen Nurglasfront zusätzlich Dynamik, mit einer Zugstrebe trägt sie den ganzen Baukörper. Er kragt 13,5 Meter weit aus und schafft so einen gedeckten Freiraum im Garten. Möbel, Raum, innen und außen werden zum Ganzen.

Noch einmal schwingt sich die Wohnschleife hoch in den obersten Bereich, die Rückzugszone, in der als Glasbox das Büro der Bauherrin steht. Ungestört hat man in dieser Schaltzentrale den totalen Überblick. Eichenparkett bedeckt durchgehend auch die schrägen Verbindungsrampen zwischen den Ebenen, leicht liegen darauf die Stufen, was den fließenden Charakter des facettenreichen Einraums verstärkt. Schwebend über Hang und Häusermeer, genießt man durchs Glas ein Linzpanorama in Breitleinwand- Qualität.

Dieses Haus holt den Umraum nach innen, außen mehrt es die differenzierten Freiräume. Sein Rücken schafft Distanz zur Straße, die auskragende Wohnschleife schenkt dem Garten einen gedeckten Platz, der Schlaftrakt bereichert das Eingangsniveau um eine offene Terrasse, dem Pool darunter schafft er ein geschütztes Umfeld, die Obstbäume am verwilderten Gartenende schirmen fremde Blicke ab.

Der Standard, Sa., 2004.09.04



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haus_h

28. August 2004Isabella Marboe
Der Standard

Ein Dach mit Charakter, Eckstein im Häusermeer

Zwischen zwei solitären Punkthausrelikten aus den 70ern und einem wachsenden Häusermeer aus pastellfarbenen Eigenheimen plante Architekt Wolfgang Hochmeister in Gänserndorf ein Niedrigenergiehaus mit fulminantem Luftraum, Licht, Luft und Rückgrat.

Zwischen zwei solitären Punkthausrelikten aus den 70ern und einem wachsenden Häusermeer aus pastellfarbenen Eigenheimen plante Architekt Wolfgang Hochmeister in Gänserndorf ein Niedrigenergiehaus mit fulminantem Luftraum, Licht, Luft und Rückgrat.

Am Papier hatte Architekt Wolfgang Hochmeister das Traumhaus für seine Jugendfreunde schon fix und fertig geplant: ein großes, bergendes Steildach auf einem Wiesengrund in Schönkirchen. Das traute Umfeld war dann doch zu ländlich, in Radfahrdistanz vom Zentrum und Friedhofsnähe fand das Paar einen Grund in Gänserndorf, wo sie arbeiten. Architekt und Thema blieben gleich: eine eigenwillige Interpretation vom Steildachmotiv gibt dem neuen Haus Charakter.

Im Schatten der Schnellbahntrasse drehen sich Windräder über weizengelben Feldern, davor verströmen zwei sechsstöckige Punkthäuser an der Marschallstrasse den Geist der Stadtentwicklungspolitik der 70er. Das Paar kaufte das erste 520 m² Eckgrundstück gegenüber, dahinter vergrößert sich ein pastellfarbenes Häusermeer mit roten Sattel-und Walmdächern. Das Budget war knapp, man wollte ein Niedrigenergiehaus und endlich viel Luft und Raum. Im Westen die markanten Solitäre, längsseitig im Norden die Zufahrt an der Quellengasse, im Süden ein Brunnenschutzgebiet, das nicht verbaut werden darf. Die Natur ist gleich vorm Fenster, rundherum Eigenheimwildwuchs. Als Bindeglied zwischen hoher und niedriger Bebauung hat das Haus eine Sonderposition, der es mit einer Firsthöhe von 10,30 Meter gerecht wird. Südseitig schafft die ausladende Dachfläche der Wohnebene mit Gartenpanorama einen fulminanten Luftraum unter der Schräge, während die extrem verkürzte Nordneigung das Satteldachklischee bricht. Ein subtiler Kommentar zur Nachbarschaft, der das Haus nüchterne Mauerfronten mit sparsam gesetzten Fensteröffnungen zeigt. „Stockzahn von Gänserndorf“ taufte es die Mutter der Baufrau, die Raumhöhe und Grünblick im Wohnraum sehr genießt. Sie könnte bei Bedarf auf Dauer ins wohlproportionierte Gästezimmer mit Westsonne einziehen.

Der kompakte, unterkellerte Baukörper von etwa 8 x 13 Meter ist klar nord-süd-orientiert. Durisol- Mantelbetonsteine mit diffusionsoffenen Stegen, eingelegter Wärme-und zusätzlicher Außendämmung bieten viel Speichermasse. Die Kombination mit großen Südfenster, Sonnenkollektoren am Dach, kontrollierter Wohnraumbe-und Entlüftung mit Wärmetauscher, der die Erdwärme nutzt, bringt eine sensationelle Energiebilanz. Die Kosten für 150 m² Wohnnutzfläche und 784 m³ umbautem Raum entsprechen einem 60 m² Appartement im Geschosswohnbau.

Wie der kleine, gemauerte Hausbruder wirkt die Garage im Osten an der Nachbargrundgrenze, ihr vorgezogenes Flachdach deckt den Vorplatz zum Eingang. So zugeknöpft das Äußere, so großzügig und lichtgeflutet ist das Innere. Die gartenseitige Haushälfte wird zum langgestreckten Einraum mit Naturpanorama, differenzierte Höhen schaffen unterschiedliche Atmosphären. 2,20 Meter hoch ist die Küche, im Kontrast dazu weitet sich der 9,3 Meter hohe Luftraum überm Essplatz, der von einem hochliegenden Südfenster zusätzlich erhellt wird. Im Wohnbereich dahinter schafft die niedere Holzdecke einen intimeren Raum, der sich zur blickdicht eingemauerten Frühstücksterrasse im Westen öffnet.

Als tragendes Rückgrat ragt die Mittelmauer zum First, trennt klar die geselligen Zonen von den dienenden im Norden. Beim zentralen Essplatz erlebt man sie in ganzer Höhe, im großen Wanddurchbruch setzt die einläufige Treppe nach oben an. Hier folgt der Bauherr von seiner Arbeitsgalerie dem Sonnenstand und das Darunter wie von einem Cockpit überblicken. Elegante Zehnder- Heizkörper dienen als Geländer, schmale Horizontalfenster belichten die Toilette, zwei große Fenster das offene Bad am Westende. Der Schlafraum unter der Südschräge bietet noch Raumreservoir für ein schönes Extrazimmer: eine Zwischenwand genügt.

Der Standard, Sa., 2004.08.28



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Niedrigenergiehaus

10. Juli 2004Isabella Marboe
Der Standard

Ambitioniertes Wohneck in Hernals

Auf einem Eck in der Antonigasse plante Architekt Leopold Dungl das neue Gesiba-Wohnhaus mit 27 Einheiten. Ein ambitionierter Versuch, Steildach, Gaube und Eckbau neu zu artikulieren.

Auf einem Eck in der Antonigasse plante Architekt Leopold Dungl das neue Gesiba-Wohnhaus mit 27 Einheiten. Ein ambitionierter Versuch, Steildach, Gaube und Eckbau neu zu artikulieren.

Eckgrundstücke stellen immer etwas besonderes dar. Zur Gründerzeit inszenierte man den Richtungswechsel im Haus mit Dachaufbauten, Erkern und ausladenden Eingängen. Heute pflegt man mit dem Eck distanzierteren Umgang und verzichtet bisweilen ganz auf spezielle Artikulation. Auch das neue Gesiba-Wohnhaus in Hernals steht am Eck. Im Westen steigt die Rosensteingasse an, vom Kreuzungspunkt mit der Antonigasse fällt das Gelände wieder ab. Für Architekt Leopold Dungl eine betonenswerte Stelle: sie markiert einerseits den höchsten Punkt, andererseits das Ende der geschlossenen Blockrandbebauung im Westen. Hausseitig herrscht gründerzeitliche Struktur, gegenüber sprengt das monumentale Postrechenzentrum aus den 70ern den Maßstab, das Gelände rundum ist mit Sportund Freiflächen locker durchgrünt.

Das viergeschossige Haus fügt sich mit Steildach und Gauben in die umgebende Dachlandschaft, ist aber trotzdem als Neubau zu erkennen. Zur Antonigasse gibt es sich flächig-karg, Fensterformate und Höhen gleichen sich den Nachbarn nicht an, auf den Westtrakt übergreifende, verglaste Balkone artikulieren das Eck deutlich, das Steildach ist durchgehend verzinkt, über die Gauben ragen ausladende Flugdächer, der Laubengangtrakt in der Rosensteingasse zeigt sich schuppig verglast. Der Niveauunterschied zwischen Neubaueck und Nachbarhaus beträgt 1,10 Meter, wodurch die Garage mit wenig Erdaushub auskommt. So blieb der große Baum im Hof erhalten, was Wohnungen und Loggien einen malerischen Ausblick schenkt. Wellblechschalung gibt dem Beton am Rosensteingassen-Sockel eine ansprechende Struktur, gegen den Nordtrakt sind die Ebenen um ein halbes Geschoss versetzt, was an Balkonen und Podesten ablesbar ist.

Die Straßen kreuzen sich nicht im rechtenWinkel, die zwei Hausteile mit 27 Wohnungen sind leicht verschränkt. Das führt zum verzogenen, offenen Eck mit dynamisch schrägen Balkonen. Auch die Trafik an der Antonigasse bekam so ein ansprechendes Entree, eine roteWand führt direkt in den Gang zum verglasten Stiegenhausturm mit Lift. Er erschließt die drei Tops pro Ebene im Nordtrakt und sitzt als richtungsausgleichendes Bindeglied vorm Laubengang im Westen. Die verschränkten Grundrisse sind ziemlich speziell. Eine Wohnung spannt sich über beide Trakte, was im Hofeck mit Loggia sowohl Süd- als auch Ostlicht bringt. Die Wohnküche – eine Raumfolge von Eß-Koch-und Wohnbereich ist in der zweiten Einheit durchgesteckt und von Norden und Süden belichtet. Die durch viele Einund Ausbuchtungen gegliederte Gangfläche hat hier System: Dungl wendet es strategisch als raumgliederndes Element und Stauraumreservoir im sozialen Wohnbau an.

Als transparenter Schuppenpanzer zeigt sich der straßenseitige Laubengang im Westen. Über die Brüstungen ragen schräge Glasflächen, die vor Schneeverwehungen u.ä. schützen. Die eingeschossigen Tops dahinter bieten einen langgestreckten Esskochwohnraum mit Loggia zum Hof mit Baumblick im Osten, mittiger Küche, der Essplatz ist vom Laubengang belichtet. Davor liegt der nischenreiche Gangvorraum zu Bad, Toilette und Zimmer mit Loggiazugang. Die Maisonetten haben unter der Gaube mit Balkon einen durch zwei Stufen erhöhten Sitzplatz. Von hier genießt man ein beachtliches Panorama, die hoch ansetzende Dachschräge erzeugt Mansardgefühl, ohne viel Platz zu rauben. Der Laubengang mündet im Süden in eine weitere Wohnung, wodurch das Haus gemauert an den Nachbarn stößt. Das schuppige Glas setzt sich hier fort: mit Lochblech geschlossen, wird es zum staufreundlich ausgebuchteten Fensterelement.

Der Standard, Sa., 2004.07.10



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Wohnhaus Hernals

03. Juli 2004Isabella Marboe
Der Standard

Urbaner Pionier im Grünen

Im sehr ländlich anmutenden Grazer Stadtteil Ries setzte Architekt Michael Homann mit seinem Büro-und Wohnhaus in jeder Hinsicht neue Maßstäbe. Mit großen Terrassen, Glasflächen und Lichtschacht öffnet sich das Gebäude zur Natur.

Im sehr ländlich anmutenden Grazer Stadtteil Ries setzte Architekt Michael Homann mit seinem Büro-und Wohnhaus in jeder Hinsicht neue Maßstäbe. Mit großen Terrassen, Glasflächen und Lichtschacht öffnet sich das Gebäude zur Natur.

Am Hauptverkehrsstrang in die Oststeiermark, unweit des Landeskrankenhauses, entfaltet Graz im Stadtteil Ries kaum vier Kilometer vom Zentrum überraschend rurales Ambiente. Eine Bushaltestelle bindet die Gegend an der Stiftingtalstraße öffentlich an, ein würdig verfallendes Gasthaus legt noch Zeugnis von einst hoher Ausflüglerfrequenz ab, gegenüber säumt ein vereinsamtes Marterl tiefen Wiesengrund. Westlich der Bushaltestelle mündet der Posthofweg ein, der ins südliche, von Bauern beackerte und wenigen Einfamilienhäusern bebaute Hinterland führt. Hier hätte Michael Homann einem Bauherrn planen sollen, der Auftrag platzte, doch die reizvolle Gegend hatte es dem Architekten angetan.

Er suchte nach einem Büro in Graz, die familiäre Wohnsituation war nicht optimal, also warum nicht das eigene Haus entwerfen und bauen? Homann kaufte das idyllische Hinterende der Wiese, das eine vom Posthofweg abzweigende Sackgasse erschließt. Unmittelbar dahinter fließt ein Bächlein am Waldsaum, der östliche Nachbargrund ist unbebaut, dahinter lebt ein Vollerwerbsbauer. Die Zufahrt liegt an der ca. 18 Meter breiten Schmalseite des Grundes, der sich nach Nordwesten feldwärts erstreckt und am Wald zuspitzt, wo das Gelände fast 30 Grad ansteigt.

Der Keller ist in den Hang geschoben, aus dem heizungsbergenden Sockel erwächst straßenseitig mit Nurglasfassade vor Stahlstützen das mit Sichtbetonkern und versiegeltem Betonestrich hochreduzierte Büro. Es bildet mit eigenem Eingang eine vom Wohnen darüber getrennte, autonome Einheit. Eine mit dem Hang ansteigende, abgesetzte Sichtbetonwand schafft rund um den Ateliersockel im Westen einen, von der Terrasse darüber teils gedeckten Weg. Er spendet angenehm diffuse Helligkeit und weitet sich im Norden am meditativen Lichthof zum Himmel. Mild fällt die Sonne auf die rauen Oberflächen, verbreitet dahinter ruhigkonzentrierte Atmosphäre. Hier werden Modelle gebaut oder Besprechungen abgehalten, im vollverglasten Südwesten sind die Arbeitsplätze mit Blick auf Waldsaum und anfahrende Kunden. Hier ist unter der südlichen Wohnraumterrasse ein schöner, bekiester Vorplatz. Im mittigen Betonblock mit Teeküche und Sanitäreinheit führt eine Treppe mit dezentem Sichtkontakt ins Private.

Es beginnt ein Niveau darüber, was an der horizontalen Lärchenholzlattenverkleidung des klaren Baukörpers, der wunderbar mit der Natur harmoniert, ablesbar ist. Im Osten ist der Hang mit burgenländischen Serpentinsteinen aufgefüllt, Sichtbetonstufen führen in den einladend vorgesetzten Windfang mit eingeschobenem WC. Dahinter schwebt die einläufige, an zarten Stahlträgern rudimentär abgehängte Holztreppe an der nordseitigen Mattglaswand nach oben. Semitransparent trennt sie die Küche vom Wohnraum, man blickt durchs die komplett verglaste, gemeinsame Südwestfront über die zweite Westterrasse in Landschaft und Raum.

Sehr differenziert ist die Küche: von der Herd- und Spülzeile im Norden blickt man überm Lichtschacht aufs Feld, dahinter bildet ein Übereckfenster in der massiven Nordostwand eine Sitznische mit Ablagefläche. Von unten nach oben verdichtet sich das Private. In der zweiten Wohnebene sind im Norden der komplett mit OSB-Platten verkleidete Schlafraum mit Bad, die zwei Kinderzimmer teilen sich einen weiteren, vom schilfmattengedeckten Holzlattenrost beschatteten Südbalkon. Reizvoll lädt das oberste Treppenpodest unter den 45 Grad Solarzellen des versteckten Sonnendecks am Dach zum Träumen ein. Mit viel Glas und seiner Terrassenlandschaft öffnet sich dieses Haus zur Natur, als Lebensraum zum Wohnen und Arbeiten wird es im ländlichen Ries zum urbanen Pionier.

Der Standard, Sa., 2004.07.03



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Haus und Büro H.

26. Juni 2004Isabella Marboe
Der Standard

Hochkomplexe Raumgefüge

Frei nach dem Loos’schen Raumplan komponierte Architekt Ernst Beneder einem Paar auf wenig Fläche eine vielschichtige Wohnskulptur von lichtdurchfluteter Weite in ein steiles, schmales Hanggrundstück.

Frei nach dem Loos’schen Raumplan komponierte Architekt Ernst Beneder einem Paar auf wenig Fläche eine vielschichtige Wohnskulptur von lichtdurchfluteter Weite in ein steiles, schmales Hanggrundstück.

Wo Maurer Wald und Wotrubakirche grüne Schneisen in den Stadtrand schlagen, liegt die mit modernen 70er Jahre-Würfelhäusern bebaute Hugo-Krischgasse. Sie mündet in eine kleine Stichstraße, die zwei schmale Grundstreifen erschließt. Die Parzelle an der Zufahrt im Norden ist 14 Meter breit, nach Süden fällt der ca. 43,5 Meter tiefe Garten um 3,5 Meter ab, dahinter säumt der Wienerwald den Horizont. Die Bauordnung beschnitt mit drei Meter Abstand zum Nachbarn, höchstens 15 Meter Länge, max. 6,5 Meter Höhe, obligatem Parkplatz und dem Verbot, Wohnraum unter Terrain zu legen, den 609 Quadratmeter Grund stark. Er galt als unbebaubar und fand lang keine Käufer.

Das Bauherrnpaar war davon nicht abzuschrecken: den einschlägig versierten Architekten Ernst Beneder kannte man gut und vertraute ihm völlig. Nach Jahrzehnten in der Stadtwohnung wollte man ein energiesparendes Haus mit Keller, Wohnkochessraum und Gartenblick, viel Staufläche für liebgewordene Utensilien, je ein Studio für sie und ihn, ein Gästezimmer für eins der Kinder. Ein volles Programm für kaum 130 Quadratmeter, das Beneder in detailreicher Maßarbeit bravourös bewältigte. Frei nach Loos’schem Raumplan lotete er die Grenzen des Möglichen aus.

Als skulpturaler Baukörper mit Atelierkuben, eingeschnittenen Terrassen und auskragenden Vordächern ist das Haus ins zulässige Volumen komponiert. Vielschichtig spannungsreich greifen innen in unterschiedlichen Höhen gestaffelte Räume ineinander, erzeugen mit klugen Öffnungen nach außen lichtgeflutete Weite. Letzten Feinschliff geben dem komplex durchwirkten, in Mischbauweise aus Beton, Holz, Stahl und Glas konstruierten Hausgefüge die Möbel. Exakt nach Bauherrenbedarf, teils in die Tragstruktur integriert, definieren sie als stauraumbergende, von der Tischlerei Rimpler, Winklarn und der Zimmerei Glaser, Waidhofen, präzis gefertigte Skulpturen die Wohnzonen.

Der Keller sitzt als massiver Betonsockel und Wärmespeicher im Nordhang, aus ihm erwächst die untere Wohnebene mit zentralem Einraum und Wintergarten nach Süden ins Freie. Als transparentes Verbindungselement wirkt die innere Erschließungslandschaft, wo eine spalierbewachsene Betonmauer, die mild den Nachbarn verschleiert, mehr Licht ins Haus und einen Weg zum Garten bringt.

Durch die Stahlträger des Vordachs, das den Parkplatz beschattet, blitzt der Himmel, der Eingang ist auf der oberen Ebene im gläsernen Nordwesteck. Über die Westgalerie blickt man ins Grüne, eine helle Bank mit Schuhablage, die sich außen fortsetzt, säumt die Glasfront, ein Südfenster markiert das Hausende. Als begehbare Birkenholzskulptur ragt der Schrankraum mit Logennische in den Luftraum. Wie ein Baumhaus wächst er aus dem Herd-und Spülrückgrat der Küche darunter. In Corbusiers Modulor-Höhe von 2,28 Meter, eingefasst von Möbelelementen mit beidseitig öffenbaren Laden, Geschirrborden, Kochbuchregal, Telefon u. ä. wird das Herz des Hauses zum Raum im Raum. Die angrenzenden 4,50 Meter mit Gartenblick schaffen Weite, davor ist am energieeffizienten Wintergarten mit schattenspendendem Vordach der niedere Essplatz. Nordseitig bildet der gemauerte Kamin, der vom expressiven Schlot zur Sitzbank übergeht, die Zäsur zur Stiegenlandschaft.

Mit Luftraum und Galerie wird sie zur bezugsreich differenzierten Raumsequenz. Eine metallgefasste Treppe (Metallbau Mittermair, Amstetten) aus dunkler Akazie führt an einer Glaswand in die Schlafebene, wo das Bad als dezenter dunkler Glaskörper in den Wintergarten ragt. Sieben Stufen darüber bildet ihr Studio mit Terrasse und Schreibnische den ersten Kubus, als höheres Pendant krönt im Norden sein Atelier mit Übereckverglasung und Balkon das Haus.

Der Standard, Sa., 2004.06.26



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Haus Fuchsluger

12. Juni 2004Isabella Marboe
Der Standard

Weltentrückt mit Semmeringblick

Ein verstecktes Paradies in Küb am Semmering bereichterten die t-hoch-n-Architekten um einen sensiblen, blickgeschützten Zubau. Unterm schwebenden Dach bringt er Sonne, Rundumpanorama und verbessertes Raumklima in den Altbau, ohne seine Aura zu zerstören.

Ein verstecktes Paradies in Küb am Semmering bereichterten die t-hoch-n-Architekten um einen sensiblen, blickgeschützten Zubau. Unterm schwebenden Dach bringt er Sonne, Rundumpanorama und verbessertes Raumklima in den Altbau, ohne seine Aura zu zerstören.

Der weltentrückte Charme des finde-siecle liegt auf Küb am Semmering, einem winzigen Straßendorf, wo die Zeit still zu stehen scheint. Pittoresk thront das zur Jahrhundertwende von Attilio Rella geplante Castell Küb mit Ecktürmen, Holzveranda, Ballund Speisesaal über der im Südwesten ansteigenden Hauptstraße. Ein rauschendes Sturzbächlein säumt sie im Norden, zur Hochblüte des Semmering-Tourismus war Küb mondän. Rund ums Schloss siedelten sich damals Sommerfrischen mit ortstypischen Holzveranden an. Der Küber Hof im Norden, die alte Feuerwehr und der aus mehreren Bauten bestehende Komplex der„Dependance“ im Süden bilden einen kleinen Platz mit lauschigem Brunnen.

Dahinter führt ein schmaler Weg westlich der Straßenfront des Tförmigen, zentralen Pawlatschenhauses ins verborgene Hinterlandidyll der „Dependance“. Ein würdig gealteter Stall mit Parkplatz begrenzt hier das wild bewachsene, ansteigende Areal. Üppige Bauerngärten säumen den nord-süd-orientierten Längstrakt des Mittelbaus. Der breite Ostteil der Straßenfront und der abschließende Kopfbau im Norden sind zweigeschossig, sonst hat der unterkellerte Komplex nur einen Stock. Parallel dazu bildet im Osten ein weiteres Pawlatschenhaus einen tieferen zweiten Innenhof, der sich ums abschließende, schmale Gesindehaus bis zur Straße vorzieht.

Einträchtig teilen sich Einheimische mit temporär eingenisteten Wienern die „Dependance“. Seit 13 Jahren bewohnt der Bauherr den Kopfteil des Mitteltrakts, vor dem sich der weite, wilde Naturgarten im Panorama von Rax und Schneeberg verliert. Der Eingang ist an der gedeckten Veranda mit Stufen im Norden, dahinter die Küche, immer war es schattig. Ein von Parkplatznutzern blickgeschützter Zubau sollte als Wohnraumerweiterung Sonne und Ausblick ins Haus bringen.

Die einzige Chance dazu bot sich überm alten Mistplatz im Westen, der die 30 m² Fläche determinierte. Bravourös brachten die t-hoch-n-Architekten bei Minimalbudget Licht und Panorama in den Zubau, ohne Privatsphäre und Atmosphäre des einzigartigen Ortes zu stören. Die Westwand des Altbaus wurde durchbrochen und mit einem Unterzug unterfangen. Räumlich zeigt sich die Zäsur in einer erhöhten, nach Süden verglasten Pufferzone mit Mehrwert. Mediterran wirkt die öffenbare Lichtschneise mit gemauertem Kamin und Podest im Südwesteck unter der roten, lehmverputzten, lehmverputzten, oberen Wandzone, die die Sonne bis ans gegenüberliegende Küchenfenster lockt. Sie wirkt als Wärmespeicher und sorgt bei dauernder Luftzirkulation für gutes Raumklima. Der Zubau ist mit einer Sauna unterkellert, nahtlos geht der dunkelbraune Fichtenboden der Küche in den neuen Raum über.

Eine 2,10 m hohe, mit Föhren und Patina des Alten harmonierende Lärchenholzwand bietet im Osten und Süden Blickschutz, wo ein horizontales, als CD-Ablage genutztes Fenster noch mehr Sonne hereinzaubert. Darüber hebt ein umlaufendes Oberlichtband an, das ein entgrenzendes Rundpanorama in die Baumwipfel bietet. Tagsüber folgt man hier dem Sonnenstand, nachts den Lichtern der vorbeifahrenden Semmeringbahn. Selbst die Nachbarfamilie kann durch die günstige Fixverglasung, deren Rahmen hinter den Stützen verschwinden, noch auf die Berge sehen.

Das von Süden nach Norden ansteigende, auskragende Dach scheint überm Oberlichtband zu schweben, es weitet das Innen optisch nach außen, von der elegant gekanteten Regenrinne fließt Wasser in einen Brunnen im Bauerngarten ab. Eben schließt im Norden hinter der vorgezogenen Ostwand die Terrasse an die Veranda, die leicht auf zwei neuen, tiefen Fundamentstreifen ruht, Stufen führen in die Gartenwildnis dahinter.

Architekten:
t-hoch-n Architektur, (Gerhard Binder und Peter Wiesinger), Heumühlgasse 10, 1040 Wien,
Tel.: 01-798-79-80,
Fax: 01-798-79-80-40,
E-Mail: arch@t-hoch-n.com,
http: www.t-hoch-n.com

Der Standard, Sa., 2004.06.12



verknüpfte Bauwerke
Erweiterung Haus Moser

05. Juni 2004Isabella Marboe
Der Standard

Abstrakte Kubatur am Land

Mit einem kühl-reduzierten Neubau im verschlafenen Ortsteil Gleink zeigten die HERTL.ARCHITEKTEN aus Steyr, wie man dörfliche Hausformen zeitgemäß interpretieren kann. Ein städtebaulich prägnant gesetztes Beispiel moderner Architektur im ländlichen Raum.

Mit einem kühl-reduzierten Neubau im verschlafenen Ortsteil Gleink zeigten die HERTL.ARCHITEKTEN aus Steyr, wie man dörfliche Hausformen zeitgemäß interpretieren kann. Ein städtebaulich prägnant gesetztes Beispiel moderner Architektur im ländlichen Raum.

Im Norden von Steyr liegt Gleink, ein Stadtteil von ausgeprägt ruraler Atmosphäre. Knapp 2.550 Menschen leben hier im Schatten des ehemaligen, 1120 gegründeten Benediktinerstifts. Zweigeschossige, einfache Landhäuser säumen in locker durchgrünter Anordnung die Gleinker Haupstr. Sie verläuft etwa ost-westwärts, in sanftem Bogen führt von hier die Friedhofstrasse Richtung Nordosten. Gegenüber vom Klostergarten, mit Blick auf Stiftsgemäuer und Hauptstrasse, waren noch ca. 750 m² Baugrund unbebaut. Die Freifläche riss ein deutliches Loch in die geschlossene Struktur, das die HERTL.ARCHITEKTEN mit der prägnanten Neuinterpretation eines Dorfhauses überzeugend schlossen.

Der Bauherr ist aus Gleink, lebte lang bei seiner Familie und wollte auch im neuen Haus weiterhin nahen Kontakt pflegen können. Für ihn lag der exponierte Grund an der markanten Dorfkreuzung optimal: die Eltern wohnen nebenan im ehemaligen Streckhof mit Garten, der normal zur Haupstr. liegt. Er hatte konventionelle Wohnwünsche: Ziegelbauweise mit Steildach, Garage, Keller und ein auf familiäre Expansion ausgerichtetes Raumprogramm. Die in Steyr ansässigen Architekten haben diese Vorgaben städtebaulich überzeugend in zeitgemäßer Form umgesetzt. Hochpräzise zitiert die Kubatur des neuen Hauses prototypische Merkmale ländlicher Bauformen, ohne sich in geringster Weise anzubiedern.

Als geschlossener, zweistöckiger Baukörper von 8 m x 17,5 m mit integrierter Garage fasst der vertraute Haustyp in kühler Verfremdung den Straßenraum ein. Traufenlos, mit innenliegender Dachentwässerung wirkt er in seiner flächigen Struktur mit der grauen Ziegelsteindeckung wie ein Stück abstrakter Geometrie. Als raumhohe, plane Glasscheiben wurden die Fenster flächig eingeschnitten, auf ihre Funktion als beschattende Vordächer reduziert, kragen brüstungslos zwei fassadengraue Betonscheiben aus den Schmalseiten des Hauses. Balkone braucht es am Land keine, wer Natur will, geht in den Garten.

An der schmalen Südwestfront, wo die Friedhofsstraße in die Hauptstr. mündet, verleiht das Vordach überm durchgehend verglasten Erdgeschoss dem Haus städtisches Format. In feiner Eleganz erweist es seiner zentralen Lage am nahen Kloster und den oft passierenden Prozessionen seine Referenz. Vornehm zeigt es sich auch zur Friedhofsstr., wo je zwei übereinanderliegende Fensterglasflächen in zarten Aluminiumrahmen vertikale Einschnitte bilden. Sie geben der Fassade einen ruhigen Rhythmus und spiegeln großflächig Umgebung und Himmel.

Das Eintreten ist ein Raumerleben der Sonderklasse. Bis zum Dachfirst weitet sich das Innere hier in einem fulminanten Luftraum von 9 m Höhe, zwischen die lapidar gesetzten Flachstahlstufen der Innenstiege flutet Licht, man blickt durch die gartenseitige Glasfront zum elterlichen Altbau. Die Innensicht des raumbildenden Steildachs aus Ytongfertigteilelementen zwischen Stahlrahmen geht als eine Fläche in die Wand über.

Die Gangerschließung der oberen Räume ist als Brücke ausgebildet, wo man wieder den Blick auf Garten oder Stiftsmauer genießt. Das Luftraumgefühl setzt sich am Essplatz fort, man tafelt unter 9 m Firsthöhe, gegenüber ist straßenseitig die Küche, acht Stufen führen hinab in den dreiseitig belichteten Wohnraum hinter der südwestlichen Nurglasfront. Vom erhöhten Essplatz überblickt man das ganze Panorama, der Niveausprung trennt Funktionen, lässt sie aber zu einem großen Raum verschmelzen. Zum elterlichen Grund fällt das Gelände ab, so hat auch der Keller Licht. Kein Zaun trennt die Gärten, die fließend ineinander übergehen.

Der Standard, Sa., 2004.06.05



verknüpfte Bauwerke
Dorfhaus Gleink

27. Mai 2004Isabella Marboe
Der Standard

Wo Beispielhaftes Schule macht

Gebautes gibt es viel, gute Architektur ist wenig darunter. Den Unterschied spürt man sofort.

In Niederösterreich konzentrieren sich die Architekturtage...

Gebautes gibt es viel, gute Architektur ist wenig darunter. Den Unterschied spürt man sofort.

In Niederösterreich konzentrieren sich die Architekturtage...

Gebautes gibt es viel, gute Architektur ist wenig darunter. Den Unterschied spürt man sofort.

In Niederösterreich konzentrieren sich die Architekturtage auf zehn Orte, an denen in den letzten Jahren herausragende Architektur entstanden ist. Im ganzen Bundesland hingegen lassen Architekten ihre Türen offen stehen und laden dazu ein, sich den Beruf einmal von innen anzusehen.

Einer der Orte ist Wolkersdorf. Dort steht das neue, lichtdurchflutete Gymnasium der Architektur Consult ZT (Domenig, Eisenköck, Peyker).

Die malerische Kleinstadt entwickelte sich aus einem Straßendorf, dessen charakteristische Struktur den Entwurf der Schule prägte. Die Architekten nahmen sich die lang gestreckten Parzellen des Ortes zum Vorbild. Auch im Innern wirken die einzelnen Gebäudekörper der Schule wie Häuserzeilen.

Die Außenverkleidung mit rostfarbenen Keramikplatten fügt sich ins Braun der Weinviertler Umgebung. Der Kopf der Schule ist die Bibliothek. Fast 20 Meter ragt sie über den Vorplatz.


Tanzende Schatten

Am Kopf hängt ein gekrümmtes Rückgrat, das sich mit seiner faszinierenden Stahl-Glas-Konstruktion durch das ganze Gebäude zieht. Sie trägt Günther Domenigs dynamische Handschrift und überspannt spektakulär eine innere Erschließungslandschaft mit kaskadenartigen Treppen, über deren Brüstungen die Schatten der Zugstangen und Gelenke tanzen.

Eine Herausforderung war auch der acht Meter hohe Turnsaal, den 200 Zugpfähle in der Erde halten, um bei Hochwasser nicht aufzuschwimmen. Mit seinem abgetreppten Dach fügt er sich in die Landschaft ein, die in vielen Ein- und Ausblicken im ganzen Bau präsent ist.

Architektur macht auch andernorts Schule. Erich Brauns neue Volksschule im nahen Ulrichskirchen, in Amstetten Johannes Ziesers Sonnenschule und Polytechnikum.

Auf Architektur stoßen in St. Andrä-Wördern schon die Kleinsten in Anton Schweighofers Kindergarten. In Haag wird die Schulerweiterung von Schwalm-Theiss & Gressenbauer zu sehen sein. Dort steht, nein, besser: fliegt auch das temporäre Stadttheater der noncon:form-Architekten aus Wien.

Wie ein rotes, offenes Riesenmaul schwebt die Tribüne über den Parkettsitzen am Haager Hauptplatz. Vor Regen braucht man sich unter der dynamischen Dachhaut nicht zu fürchten. Die Tribüne besteht aus einer ausgetüftelten, mit Stahlseilen verspannten Holzkonstruktion, die jährlich auf-und abgebaut wird.

Der Standard, Do., 2004.05.27

22. Mai 2004Isabella Marboe
Der Standard

Filigraner Sonnenfänger

Mit einem kleinen, feinen Zubau auf schmalen Stützen schenkten die xarchitekten einem Linzer Einfamilienhaus viel Sonne im Inneren, zwei Balkone, eine Dachterrasse und einen gedeckten Eingang bei freier Garagenzufahrt.

Mit einem kleinen, feinen Zubau auf schmalen Stützen schenkten die xarchitekten einem Linzer Einfamilienhaus viel Sonne im Inneren, zwei Balkone, eine Dachterrasse und einen gedeckten Eingang bei freier Garagenzufahrt.

Wo die Einfahrtsschneise der Mühlkreisautobahn im Osten das Linzer Stadtgebiet klar von der Industriezeile am Hafen trennt, liegt eine schmucke Arbeitersiedlung der Nachkriegszeit. Einfache, zweigeschoßige Häuser mit steilen Dächern und Gärten reihen sich hier aneinander.Mit der Zeit verpassten ihnen die Nutzer mit frischen Anstrichen, Dachgaupen und Vorbauten einen neuen Stil, was der homogenen baulichen Grundstruktur einen patchworkartigen Charakter gibt. Hier teilen sich die Bauherrn die Nordhälfte eines Doppelhauses mit dem Cousin zu ebener Erde und der Tante im ausgebauten Dachgeschoß. Ca. 9,5 m im Quadrat bilden je ein Haus, der Grundriss gehorcht der kargen Ökonomie der Nachkriegszeit: Eine Holztreppe im NO-Eck, ein knapper Flur, ein kleines Fenster belichtet je zwei Räume in West und Ost, nordseitig reihen sich WC, Bad und eine 3 m²-Miniküche aneinander. Das Haus liegt auf ca. 20 m breitem, fast 40 m tiefem Grund, an der Schmalseite im Westen ist die Straße, im Norden der Eingang, es musste saniert werden.

Die Bauherren schlafen gartenseitig im Osten bei offenem Fenster, wollten Frischluft und gleichzeitig Schallschutz vorm Autolärm. Dafür entwickelten die xarchitekten einen intelligenten, ästhetischen Prototyp. Das neue Schallschutzglas sitzt ca. 5 cm vor der Fassade, was Luftzug gewährt. Ein breites, die unteren Frequenzen filterndes Schallschutzschaumstoffband rahmt die Fensteröffnung dahinter. So dringen Motorengeräusche nicht ein, man hört nur noch Vogelgezwitscher. Die verschiebbaren Glasquadrate laufen an einer Aluschiene. Subtil variiert sie das nachbarliche Fensterfaschenthema, der Kellerzugang drunter hat ein neues, zartes Blechdach.

Der Altbau wurde außen gedämmt und vom First zum Boden durchgehend in Orange getaucht, bei geschlossenen Jalousien verschwinden die Fenster in der Farbe. Außerdem wollten die Bauherrn einen multifunktionalen Extraraum mit viel Platz, Licht, Luft, Sonne und Freiraum zumMusikhören, Essen und Entspannen. Die Zufahrt zur alten, nun orangefarbenen Garage im Nordosteck sollte bleiben. DieWidmung ließ nur eine Zubaumöglichkeit offen: in den beschatteten Fluchtlinien des Altbaus im Norden. Die xarchitekten entwarfen ein filigran gefaltetes, aus sechs Stahlrahmen konstruiertes Gebilde, das mit folienverkleideter Schneise ans Treppenpodest der Wohnung im zweiten Stock andockt. Mit unbehandeltem Aluwellblech verkleidet, sitzt es wie ein Baumhaus auf zarten I-Träger-Stelzen. Ungehindert geben sie Gartenblick und Durchgang frei, ihre Untersicht reflektiert das Licht, nachts beleuchten Scheinwerfer den Eingang, dessen dynamisches Flugdach die Variation anMetalloberflächen komplettiert.

Abstrakt verfremdet nimmt der Bauköper den ortsprägenden Haustyp auf. Seine Urform wurde wie eine Schachtel aufgeklappt, sodass sich das �Satteldach� zur Sonne öffnet. Es wirkt wie eine Parabolantenne als Lichtfänger, der Sonnenstrahlen über eine Glasfläche am Dach in den Raum lenkt. Von oben uneinsehbar, fallen sie durch den Luftraum zwischen den Stahlskelettträgern ins Innere, wo sie die schräge untere Wandfläche nach oben reflektiert. Eine Neonröhre an der Deckenkante setzt das Lichtspiel nachts fort. In Ost undWest öffnet sich die Zubaufaltung mit raumhohem Glas und Schiebetür zu zwei Balkonen, zarteMetallsteher mit rudimentären Netzen bilden das Geländer, man blickt durchs Blätterdach der schönen Magnolie an der Straße über die Siedlung. Am Dach hat die Tante auf einer Ebene mit ihrer Wohnung eine Terrasse mit weitem Linzpanorama.

Der Standard, Sa., 2004.05.22



verknüpfte Bauwerke
Zubau Haus K.

10. April 2004Isabella Marboe
Der Standard

Puristische Box

Für einen präzise denkenden Bauherrn realisierten HERTL.ARCHITEKTEN ein vielschichtiges Haus von seltener Konsequenz. Die introvertierte, puristische Low-Budget-Box in Münichholz punktet mit klarer Struktur, stringentem Farbkonzept und Traumblick auf Wäldchen und Enns.

Für einen präzise denkenden Bauherrn realisierten HERTL.ARCHITEKTEN ein vielschichtiges Haus von seltener Konsequenz. Die introvertierte, puristische Low-Budget-Box in Münichholz punktet mit klarer Struktur, stringentem Farbkonzept und Traumblick auf Wäldchen und Enns.

Zweistöckige Häuser mit Steildach, geschlossene Zeilen, die durchgrünte Stadträume bilden, Infrastruktur und viel Natur zur Steigerung der Volksgesundheit: als autonome Mustersiedlung wurde Münichholz, ein Stadtteil von Steyr, von den Nationalsozialisten angelegt. Vor allem von Arbeitern bewohnt, gilt es nicht als gute Wohngegend, Baugrund ist hier günstig.

Mit großer Ernsthaftigkeit ging das Bauherrnpaar den Hausbau an. Sie bestand auf dem knappen Minimalbudget von ca. 145.300 €, er suchte seinen Traumgrund und einen Architekten, dem er die kompromisslose räumliche Umsetzung seiner abstrakten Wohnideen zutraute.

Lang fand die 634 m² Parzelle am Forellenweg keine Käufer: laut Bebauungsplan musste ein 8 m Streifen an der Straße im Süden frei bleiben, im Westen ist ein großer Nussbaum, im Norden fällt das Gelände als bewaldete Böschung zur Enns ab. Der introvertierte Bauherr fotografiert, hat einen ausgeprägten Sinn für Lichtstimmungen und verliebte sich sofort in den laubverhangenen Ennsblick, als Planer wählte er Gernot Hertl. Räumliche Vorgaben gab es keine, dafür klare Prinzipien: das Haus sollte sich zum Fluss orientieren, zur Straße abschotten, funktional strikt getrennt, energiesparend und ökologisch abbaubar sein. Seine Lebensdauer ist auf eine Generation bemessen.

HERTL.ARCHITEKTEN setzten das radikale Konzept kongenial in Architektur um. Als puristische, mit natürlich alterndem Lärchenholz verkleidete, zweistöckige Holzbox mit markanten Einschnitten im Norden und Süden gibt sich der Bau außen hochgeschlossen. Mit bauordnungsgemäßen Sicherheitsabstand vom Forellenweg im Osten der Parzelle positioniert, bildet es mit dem roten Metallcontainer für Gartengerät schräg gegenüber ein reizvolles Pas de deux.

Mit einer roten, überdachten Terrasse öffnet sich die rudimentäre Holzbox naturnah zur Uferböschung. Die raumhohe kostengünstige Fixverglasung ist im Westen leicht übers Eck geführt, um den Blick auf den Nussbaum freizugeben. Sonst ist das ganze Erdgeschoss bis auf die Eingangstür am Ostrand komplett geschlossen. Vielschichtig wie eine Zwiebel, die sich zunehmend zu intimeren Räumen verdichtet, zeigt sich das bewohnbare Innere. Konsequenz und Gewohnheiten des Bauherrn gemäß wurden diverse Funktionen zur Box komprimiert frei in die umhüllende, innen weiße Hausbox gestellt.

Toilette, Garderobe und eine zweizeilige, beidseitig durchgängige Küche stehen als schwarze umgehbare Raumschachtel im erdgeschossigen Einraum, wo man hinterm dichten Laubschleier einen verklärten Blick auf Motorboothafen und Stadtsilhouette am Ennsufer genießt. Der Bauherr verzichtete auf Jalousien, um verschiedene Lichtsituationen unverfälscht spüren zu können, im Sommer geben die Bäume viel Schatten und schaffen ein angenehmes Raumklima.

Das gesamte Innere ist mit OSB-Platten verkleidet, die in Nebenräumen schwarz, am Boden rot und in Wohnzonen weiß gefärbt sind, die Beleuchtung besteht aus einem strengen Raster aus Neonröhren an der Holzdecke, alle Türen sind orange und lassen sich schieben. Der ganze, energetisch optimierte, reine low-budget Holzbau stand in drei Tagen, einige Ausbauarbeiten erbrachte der Bauherr selbst.

Oben ist die Straßenfront verglast, dahinter führt eine rote Stiege mit großem Luftraum als halböffentlicher Bereich mit lauschigem Sitzplatz am gläsernen Osteck hinauf. Als schwarz komprimierte Nebenraumbox am sparsam geradlinigen Erschließungsflur bilden Dunkelkammer, Schrankräume und Bad die erste Raumschicht, durch die man die angrenzenden westorientierten Kinderzimmer, Sauna und Elternschlafraum betritt: wieder schweift der Blick übers Wasser.

Der Standard, Sa., 2004.04.10



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Wohnhaus Steinwendtner

20. März 2004Isabella Marboe
Der Standard

Minimal Art in der Landschaft

Am Anfang war der Wunsch nach einem Haus, das sich respektvoll in die Natur fügt. Das Grazer Landschaftsplanerduo „ko a la“ (Kutscha/Oberwalder) träumten ihr Ideal nicht nur, sie bauten es auch - und leben nun drin.

Am Anfang war der Wunsch nach einem Haus, das sich respektvoll in die Natur fügt. Das Grazer Landschaftsplanerduo „ko a la“ (Kutscha/Oberwalder) träumten ihr Ideal nicht nur, sie bauten es auch - und leben nun drin.

Natur und Landschaft sind bei Robert Kutscha und Veronika Oberwalder nicht sentimentale Romantik, sondern Lebensprinzip. Sie führen das Landschaftsarchitekturbüro „ko a la“ und wollten auch privat mit viel Naturbezug leben. Ihr Haus sollte respektvoll und ressourcenschonend in den Landschaftsraum gebettet, ökonomisch und puristisch sein.

Weil sich dieser integrative, umfassende Ansatz bei konventionellen Bauten kaum findet, planten sie ihr Idealhaus selbst: ein Quader, 22 m lang, 8 m breit, 2,8 m hoch, umgeben von einer Mauer. Nach außen verschlossen, zur Natur offen, durchdacht, radikal und reduziert wie Minimal Art.

Der Entwurf war da, das erste Kind auch - man suchte ein Grundstück und fand es in einem kleinen steirischen Ort bei Kumberg. Kaum 200 Menschen leben hier, großteils Vollerwerbsbauern. Gasthaus, Schule, Kirche, alte Höfe und ein paar neue. Der Geruch von Stall, Mist, Dünger liegt in der Luft. Kühe brüllen. Nachts ist es zappenduster, vereinzelte Fenster leuchten vor den dunklen Bergsilhouetten. Hier ist noch tiefes Land - der ideale Ort also für ein ideales Haus.
Der 1100 m² große Grund liegt versteckt in der dritten Bebauungsreihe von der Straße landwärts, verläuft ca. 50 m von Nordost nach Südwest. Über vier Meter kragt die Sichtbetondecke aus, weitet das Innen zum Außen, beschattet Raum und Terrasse.

Man meint drinnen, im Freien zu sein, und kann bei Regen draußen sitzen. Keine Jalousie stört den Weitblick über den abfallenden, von den pflanzenkundigen Bauherrn mit einer so ausgewogenen wie malerischen Jahresmischung aus Sonnenblumen, Buchweizen, Raps und Kolbenhirse bepflanzten Wildacker zum Wald. Rehe und Hasen hoppeln an die Glasbox, am Horizont liegt Roseggers Waldheimat.
Eine schmale Feldstraße führt im Nordwesten zum Haus, das von einer archaischen Natursteinmauer eingefasst ist. Sie mäandert um den Nebenraumblock, fasst den nachts beleuchteten Birkengarten ein, umhüllt den introvertierten Südwesttrakt. Entlang unregelmäßiger, kantiger Basaltblöcke schreitet man auf einem Holzsteg über 20 Meter zur einzigen Öffnung, der Eingangstür.

Das Haus ist innen so klar wie außen. Die Bodenschieferplatten gehen nahtlos in die Terrasse über, die Fußbodenheizung darunter verströmt angenehme Wärme. Vier Stufen, zwei Schritte, und man ist im fulminanten Einraum mit dreiseitigem Naturpanorama. Es gibt keine Türen; einige wenige frei stehende Möbel und in warmem Weiß verspachtelte Betonscheiben differenzieren klar zwischen intimen und sozialen Zonen.

Im Zentrum ist der reduzierte Kaminquader, dahinter im Nordwesten der private Wohnbereich. An die andere Kaminseite schmiegt sich eine Eckbank: ein Gestell aus gekanteten Metallprofilen, textil bespannt - die puristische Variante des typischen Landmöbels. Die schöne Küchenbar steht frei vor einer schmalen Wandscheibe. Sie schafft einen meditativen Sitzplatz vorm Glaseck mit Blick aufs versteckte Holzdeck mit Hundehütte im Südosten.
Alle Rückzugszonen liegen an der Südwestmauer. Belichtet von einem Oberlichtband, reihen sich zwei Schlafzimmer, Schrank-, Arbeits-, Vor-und Wirtschaftsraum und das Bad aneinander. Alle sind mit drei mal drei Meter gleich groß. Als Kindheitsreminiszenz sind Schlaf- und Schrankraumwände mit Zebranoholz verkleidet, was einen schatullenartigen Rückzugscharakter ergibt.
In die Geländekante geschoben, vom Gründach mit Flechten und Moosen bedeckt, umrahmt von der archaischen Basaltmauer, duckt sich das Haus kaum merkbar in die Natur: nicht nur Minimal, auch Land Art.


„büro ko a la - kutscha ober-
walder archtektur & land-
schaft“, Franziskaner-
gasse 3, 8010 Graz,
Tel.: (0316) 81 52 23-0,
Fax: (0316) 81 52 23-19,
E-Mail: office@koala.at
www.koala.at

Der Standard, Sa., 2004.03.20



verknüpfte Bauwerke
Haus „own“

21. Februar 2004Isabella Marboe
Der Standard

Blutauffrischung in Wien-Favoriten

Die Architekten Ifsits Ganahl Larch planten die wegweisende Anlage AR/WO X. Die Option des heimnahen Arbeitsplatzes ist bis dato nicht voll ausgeschöpft, aber noch immer offen.

Die Architekten Ifsits Ganahl Larch planten die wegweisende Anlage AR/WO X. Die Option des heimnahen Arbeitsplatzes ist bis dato nicht voll ausgeschöpft, aber noch immer offen.

Dichter, gründerzeitlicher Blockraster, mehrheitlich geschlossen von schmucklosen Wohnbauten der Nachkriegsdekaden, keinerlei Grün, kaum Läden, vereinzelte Industriebauten: Das Grätzel um die Fernkorngasse in Favoriten hatte eine Blutauffrischung bitter nötig. Am Block eines früheren Fabriksgeländes gibt es sie nun in Form eines hoch innovativen Komplexes namens AR/WO X.

Städtebaulich brechen die vier reizvoll gegliederten, eleganten Baukörper mit offenem Gewerbe-Sockel den starren Blockraster. Je zwei voneinander abgesetzte Riegel mit durchlässigen Querdurchgängen säumen die Sonnleithnergasse im Osten und die Fernkorngasse im Westen. Als luftig grüne Schneise mit weitläufigen Treppenanlagen, Kinderspiel- und Sitzzonen verläuft mittig der lang gestreckte Hof von der Davidgasse im Norden zur Inzersdorfer Straße im Süden. Sie liegt fast vier Meter tiefer, was dezente Tiefgaragen- und Anlieferungszufahrt ermöglicht.

Angedacht war AR/WO X als Initialprojekt und Gründerzentrum für Jungunternehmer, an den Baukörpern ist das noch ablesbar: Zwei Wohntrakten ist hofseitig eine flexibel zumietbare, vollelektronisch ausgestattete Bürostruktur vorgelagert. Jede Einheit hat Sanitärblock und Teeküche und lässt sich theoretisch von der 35-m²-Minimalvariante bis zur Geschoßkapazität von ca. 500 m² erweitern. Luftbrücken weiten sich dynamisch zum Büroentree, führen auf die Wohnungslaubengänge, schaffen der komfortablen, heimnahen Workstation die nötige Distanz.

Mit sechsstöckigen Lufträumen, ausblickreich und witterungsresistent verglast, wird die Erschließungsmitte zum großzügigen inneren Gemeinschaftsraum. Die zwei vertikal durchmischt nutzbaren Riegel markieren als Pas de deux das Nordost- und Südwest-Eck des Blocks, wo der externe Stiegenhausturm und die vorgezogene Wohnseite ein attraktives urbanes Eck artikulieren. Hier wohnt man auf einer Ebene, während der artverwandte Bruder mit Maisonetten und Innentreppe punktet. Als diagonales Gegensatzpaar komplettieren zwei geschlossene Trakte mit durchgesteckten, räumlich offenen und großzügigen, West/Ost-belichteten Wohnungen das Baukörperquartett. Verglaste, von Metallbrüstungen ruhig gerahmte, durch ausgiebige Nutzung aufgelockerte Veranden erweitern als Puffer den Innenraum, ergeben eine so elegante wie lebendige Fassade zur Fernkorn- und Sonnleithnergasse. Oben aufliegende Lofts mit Terrassen schließen drei der Baukörper zum Himmel luftig ab, wie Arkaden weiten die Säulen vor der zurückgesetzten Sockelzone das Trottoir und lassen die Baukörper schmäler erscheinen. Die ganze Anlage weist mit Sonnenkollektoren auf extensiv begrünten Dächern, Erdkoffern im Hof, verglasten Loggien und Hallen Niedrigenergiestandard auf.

Mehrere Geschoße belegte die Post mit Sortierzentrum und Büros an der Sonnleithnergasse, zum Hof öffnet sich das Postamt, weiters sind Trafik, Friseur und zwei Großmärkte eingemietet. Bodennah funktioniert die Durchmischung, die Option des heimnahen Arbeitsplatzes in der Vertikalen wurde leider weit weniger ausgeschöpft. Prinzipiell könnten zehn Minibüros pro Geschoß betrieben werden, de facto haben sich 16 Unternehmer und sechs Lokale eingenistet.

Wohnbau ist sehr innovationsresistent - es spricht für die Qualität der architektonischen Struktur, dass die konzipierten Büroeinheiten mühelos als Wohnungen zu vergeben waren. Derzeit gibt es in der von Wiener Heim, Österreichischem Siedlungswerk und Mischek betriebenen Anlage 186 Wohnungen, was sich mit dem Einzug neuer Selbstständiger zugunsten der Büros rasch ändern kann.

Der Standard, Sa., 2004.02.21



verknüpfte Bauwerke
AR/WO X

07. Februar 2004Isabella Marboe
Der Standard

Eine Wetter- und eine Sonnenseite

Hoher Zeitdruck machte einer umweltbewussten Mutter mit zwei Kindern zu schaffen. Termingerecht plante ihr Andreas Lang in Gols ein doppelgesichtiges Passivhaus mit Fixpreisgarantie.

Hoher Zeitdruck machte einer umweltbewussten Mutter mit zwei Kindern zu schaffen. Termingerecht plante ihr Andreas Lang in Gols ein doppelgesichtiges Passivhaus mit Fixpreisgarantie.

Ökologische Nachhaltigkeit ist der Bauherrin wie auch dem Architekten sehr wichtig. Er ist auf Passivhäuser spezialisiert, schon vor sechs Jahren plante er der Familie in Gols ein Ökohaus. Inzwischen hat sich das Paar aber getrennt. Sie verkaufte ihren Hausanteil und verpflichtete sich vertraglich, binnen elf Monaten auszuziehen. Die neue Bleibe sollte wieder in Gols sein, um den Kindern ihre gewohnte Umgebung zu erhalten.

Der Zeitdruck für Grundstückskauf und Hausbau war also groß, kalkulierbare Fristen und Kosten unabdingbar. Die Neobauherrin entschied sich wieder für den bewährten Hausbaupartner Lang, der diesmal auch als Bauträger mit Fixpreisgarantie agierte. Der Planungsprozess dauerte keine zwei Monate, in einem halben Jahr stand das Haus. Es liegt etwa einen Kilometer östlich vom Golser Zentrum im neuen Aufschlussgebiet.

Der Wind peitscht über die schilfbewachsene Flachebene, eine bunte Einfamilienhausmischung aus dem Fertigteilsortiment säumt die Straße, wo die ökologiegeschulte Bauherrin einen Nord-Süd orientierten, 1050 m² großen Grund in Randlage kaufte. An der Gartengrenze beginnt das Naturschutzgebiet Seewinkel, der Blick in die unberührte Landschaft wird sich so bald nicht ändern. Die Zufahrt ist im Norden, wo der Regen fast horizontal auf die Fassade fällt und der Wind stark bläst.

Die Bebauungsbestimmungen schrieben ein Satteldach vor. Es steigt im Norden an, die abfallende Südseite nutzte der Architekt für Solarzellen, das gartenseitig anschließende Flachdach wurde bewilligt. Das Passivhaus ist im vorgefertigten Holzleichtbau konstruiert, der Rohbau stand in ein paar Tagen. 45 cm Klemmfilz und Isozell im doppelten Wandaufbau, Dreifachglas, Solarzellen, Erdkollektor, Kreuzwärmetauscher und kontrollierte Wohnraumbe-und -entlüftung garantieren Heizkosten von ca. 100 €/Jahr.

Damit das System funktioniert, muss es absolut luftdicht ausgeführt sein. Die Nordseite ist mit witterungsbeständigen Kupferplatten verkleidet und bis auf zwei schmale, horizontale Fenster geschlossen. Die Südseite dagegen ist sehr offen und mit Lärchenholz verschalt. Es gibt keinen Keller, dafür an der Betonscheibe im Osten einen Lagerraum. Sein Dach ist parallel zur Straße zum Haus vorgezogen, es überdeckt Carport und Eingang.

Der Grundwasserspiegel ist sehr hoch, das Haus steht auf einem Betonfundament, die Sockelzone ist spritzwasserfest ausgeführt.

Vier Treppen führen in den Vorraum, rechts ist die Gästetoilette, hinter deren Birkenholzschiebewand die Waschmaschine und die ganze Haustechnik Platz finden. Das untere Nordfensterband liegt in Höhe des Arbeitsplatzes der Bauherrin dahinter, die dicke, kupferverkleidete Wand wird innen zur praktischen Ablagefläche, im Sitzen hat man den besten Ausblick. Im Nordwest-Eck gibt es eine kleine Speis, das ganze übrige Erdgeschoß ist ein Riesenwohnraum mit frei stehender Küchenzeile. Die Granitarbeitsplatte mit Wasseranschluss nutzt die Bauherrin auch zum Malen, ein Kamin vor einem Ziegelwandstück im Osten schafft lauschige Atmosphäre. Zwei große Fenster und die doppelflügelige Glastür zur 30 m² großen Terrasse bieten viel Sonne und Ausblick.

Die einläufige Holztreppe an lichtdurchlässigen Flachstahlstäben vor der Arbeitszimmerwand führt nach oben. Unter der Norddachschräge liegen Schrankräume und Bad mit Aussicht, im flach gedeckten Süden zwei Kinderzimmer und das der Mutter mit Sanitäreinheit und Schrankraum. Diese drei Räume bilden als durchgehende Zeile eine abgeschlossene Wohneinheit.

Der Standard, Sa., 2004.02.07



verknüpfte Bauwerke
Haus Biricz

31. Januar 2004Isabella Marboe
Der Standard

Für alle Hochwasser gerüstet

Die sehr präzisen Wohnwünsche der Bauherrenfamilie bündelte Franz Schartner im innovativ hochwassersicher aufgerüsteten Hofhaus in Hundsheim.

Die sehr präzisen Wohnwünsche der Bauherrenfamilie bündelte Franz Schartner im innovativ hochwassersicher aufgerüsteten Hofhaus in Hundsheim.

Für Durchschnittsverdiener sind Grundstücke in Krems unerschwinglich. So erfreut sich die nahe Kleinstadt Mautern bei Familien mit Bauambitionen großer Beliebtheit. Südwestlich davon liegt das Straßendörfchen Hundsheim. Hier ist Grund noch günstig, große, mehrgeschoßige soziale Wohnbauten mit Steildach reihen sich aneinander.

Lang lebte die Bauherrenfamilie im Wohnhochhaus in der Kremser Mitterau. Vor sechs Jahren kaufte man dann den Hundsheimer Baugrund. Etwa 150 m Luftlinie vom rechten Donauufer grenzt er im Norden an den von Rad- lern hochfrequentierten Maupointweg. Gegenüber wird bald ein sozialer Wohnbau stehen, doch Weinreben und Obstbäume im Osten und Süden sind als Grünland gewidmet. Fast jedes Wochenende fuhr die Familie zum Picknick in ihren 1000-m²-Garten, der Entschluss zum Bau reifte langsam und war wohlüberlegt: Der Grund liegt im Überschwemmungsgebiet.

Die Wohnvorstellungen waren inzwischen zur Präzision gediehen. Man wollte ökologisch bauen, mit Keller, zwei großen Kinderzimmern, geräumiger Küche bei getrenntem Ess- und Wohnbereich. Bauherr und Baufrau sind Hobbytischler, brauchten Werkstatt und Garage. Ein mit dem NÖ-Holzbaupreis 2002 ausgezeichnetes Einfamilienhaus in Nitzing bei Tulln gefiel, und so wandte man sich an dessen Planer, Franz Schartner.

Lapidar und präzise erfüllte er alle Wünsche im klug abgewandelten Hofhaus. Zur Straße schottet sich das massive, weiß verputzte Erdgeschoß mit uneinsichtig hohem Fensterband ab, darauf liegt ein gerader Trakt aus vorgefertigten Holztafelelementen. Er stand in zwei Tagen, auch Decken und Dächer sind aus Holz. Das konstruktive Grundgerüst bilden Stahlstützen mit fünf Meter Abstand. Die zarten, 76-mm-Rundsäulen gliedern raumhohe Hofglasfronten, Fensterbänder und tragen Vordächer. Eine Eckstütze markiert den Carport, dahinter liegt normal zur Straße die Garage mit Werkstatt. Von Oberlicht erhellt, fasst sie den Hof im Westen.

Gewohnt wird introvertiert zu ebener Erde zum Hof. Der Eingang befindet sich unterm vorgezogenen Obergeschoß im Westen, die einläufige Innentreppe liegt an der Straße. Durch Fensterbänder, Glaswand, zwischen Holzstufen in Metallwangen fällt Licht, am Entree ist ein Arbeits- oder Gästeraum, darauf folgt der in l-förmiger Transparenz den Hof rahmende Wohnraum. Wandlos gliedert er die Zonen Essen-Kochen-Wohnen. Als zentraler Block mit Panoramablick sitzt die Küche im Eck: Beim Abwaschen schaut man durchs Ostfenster über Weinstöcke, vom Herd auf den Esstisch im Westen. Eine Mattglasschiebewand trennt vom Wohnbereich mit Südterrasse. Zu Silvester hat die Küche bei 18 Gästen ihre Bewährungsprobe bestanden.

Oben erschließt ein Gang die Zimmer von Eltern und Kindern. Sie orientieren sich vollverglast mit durchgehendem Südbalkon zum Garten. Straßenseitig angeordnet sind unterm leichten Pultdach Schrankraum, Bad und Toi- lette.


Gutes Klima

Drei Familienmitglieder sind Allergiker, kontrollierte Raumluft mit Wärmerück- gewinnung und Pollenfilter schafft gutes Raumklima und deckt kombiniert mit der Grundwasserwärmepumpe den Restwärmebedarf. Baukörperzonierung, hochwertige Dämmung und Südfenster nutzen Sonnenenergie passiv.

Als die Fundamente fast fertig waren, kam das Jahrhunderthochwasser. Nun ist nicht nur der Keller, sondern auch das Erdgeschoß bis zu einem Meter aus wasserundurchlässigem Beton, alle Fensterparapete setzen hier an. Die Betonbodenplatte im Hof ist 50 cm dick, um nicht aufzuschwimmen, die überdachte Südterrasse ummauert. Sie wirkt wie eine riesige, offene Loggia. Auch der Hof hat eine Mauer, ihr Gartendurchgang ist wie Haus und Garage mit Hochwasserschutzbarrieren abzuschotten. Im Ernstfall befördert die Dieselpumpe im Hof das Regenwasser in die Donau.

Der Standard, Sa., 2004.01.31



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Haus Steinschorn

17. Januar 2004Isabella Marboe
Der Standard

Viel Licht, Luft und Raum

Die Bauherren waren offen für neue Architektur, hatten viele Bücher und ökologisches Bewusstsein. Christoph Mayrhofer plante ihnen einen faszinierenden Holzbau, der in Mautern neue Maßstäbe setzt.

Die Bauherren waren offen für neue Architektur, hatten viele Bücher und ökologisches Bewusstsein. Christoph Mayrhofer plante ihnen einen faszinierenden Holzbau, der in Mautern neue Maßstäbe setzt.

Lang lebten Bauherr und Baufrau autonom als Singles in getrennten Wohnungen in Mautern. Beide sind Lehrer in Krems, ihre Beziehung erwies sich als tragfähig, so wollte man ein gemeinsames Haus. In guter Lage fand sich kein Altbau, Fertighaustouren nach Graz und München überzeugten nicht, die Entscheidung zum Architektenneubau fiel.

Mautern ist eine 3000-Seelen-Stadt in unmittelbarer Nähe von Krems, die aus dem historischen Kern führende Ausfallstraße eine Architekturzeitreise. Auf Siedlerhäuser aus den Dreißigern folgen Wohnblöcke der Nachkriegsjahrzehnte, der neue Einfamilienhaustrend zeigt sich auf einer ehemaligen Obstplantage. Sie wurde zum Bauland in offener Bauweise umgewidmet, erste Klischeevillen mit ausladenden Dächern und Eingängen stehen schon, bald wird alles verbaut sein.
Hier plante Architekt Christoph Mayrhofer, der Bruder einer Studienfreundin, auf zwei Parzellen das neue Haus mit Sauna. Es sollte sich von der Umgebung distanzieren, aus Holz, keinesfalls rustikal, energieeffizient und ökologisch sein. Man wollte viel Licht, Luft und Raum. Der Bauherr ist Altphilologe, Geistesmensch und Bücherwurm. Seine alte Wohnung war de facto zum Depot mutiert, er brauchte eine Bibliothek, sie einen Arbeitsraum.

Schräg, schön...

Mayrhofers präziser skulpturaler Baukörper setzt in Mautern neue Maßstäbe, bietet vom Keller bis zum Obergeschoß weites, durchlässiges Raumerleben mit stupenden Perspektiven und guter Akustik. Die dynamisch auskragende, geknickte Form mit eingeschnittenem und vorspringendem Balkon resultiert aus dem Innen. Die braune Außenverkleidung aus harzgebundenen, unbeschichteten Max-Platten wechselt bei jedem Wetter den Farbton, „Chamäleon“ nennt die Baufrau liebevoll ihr lebendiges Haus.
Ein Sichtbetonsockel im Erdgeschoß bildet an der Zufahrt im Süden eine klare Grenze. Zwischen der Garage im Osten und dem straßenseitig geschlossenen Arbeitsquader der Baufrau im Westen befindet sich der transparente Eingangskubus. Durch mattes Oberlicht schimmert der Himmel, man sieht durch ein gläsernes Eck ins Freie und in den anschließenden, sechs Meter breiten, schrägen, zweigeschoßigen Holzbau, der etwa 18 m in den Garten ragt.
Im Westen die gerade Treppe zum Keller mit Sauna, der mit eingegrabener Terrasse zum hellen Wohnraum wird. Im Osten Garagentür, Blick und Zugang ins Freie. An Nassraum und Speis vorbei gleitet man zwei Stufen empor in den verlockend lichten, großen Wohnraum. In der Mitte der Nordseite ein reduzierter Kaminkubus mit hochragendem Metallrohr, die Front entlang verläuft eine breite, frisch grüne Bank, lädt am hohen, schrägen Westfenster zum liegenden Lesen mit Ausblick. Das Glas scheint in die Natur zu kippen, darüber steigt die Decke auf über sieben Meter an. Wo sie wieder fällt, ragt die Schlafzimmergalerie herein, darunter steht die offene, designte Küche mit Herd-naher Frühstücksbar.

...und sparsam

Oben liegen der Schlafraum mit ins Dach geschnittenem Balkon, Nebenräume, an der Stiege die zweite Terrasse und das Bibliotheksherzstück, das über den Sockel auf die Straße ragt. Das ansteigende Vordach gibt dem Raum dynamische Weite, die vorgezogenen Schrägwände dem hohen Südglas Sonnenschutz.

Für die Bücher entwarf der Architekt dreiseitig Regale aus rauen MDF-Platten, die auch die abgehängten Decken, Garderobe und Nebenräume prägen.
Das Niedrigenergiehaus ist mit dem Recyclingmaterial Isozell am Dach und Steinwolle an den Wänden gedämmt. Die Energie der Fußbodenheizung kommt nach Wärmetauscherprinzip aus dem Grundwasser, das hier stabile Temperatur und Wasserspiegel sowie niedrige Nitratwerte hat. So genügt als Heizsystem die Wasser-Wasser-Pumpe mit Wärmerückgewinnungsanlage: schräg, schön und sparsam.

Der Standard, Sa., 2004.01.17



verknüpfte Bauwerke
Einfamilienhaus M/S

13. Dezember 2003Isabella Marboe
Der Standard

Vielschichtiges Edelbaumhaus

Umsichtig und respektvoll gestalteten die Architekten Frank und Erschen ein altes Haus in Mauer um und bekrönten es mit einem raffinierten, vielschichtigen Aufbau.

Umsichtig und respektvoll gestalteten die Architekten Frank und Erschen ein altes Haus in Mauer um und bekrönten es mit einem raffinierten, vielschichtigen Aufbau.

Bescheidene Einfamilienhäuser auf kleinen Grundstücken hinter Zäunen, dazwischen üppiges Grün: Moderat dimensioniert, verbreitet die Rosenhügelgegend den stillen Charme der Nachkriegszeit. Früher stand auch auf der Eckparzelle Bertegasse/Deissenhofergasse ein Haus Baujahr 1950. Die alte Dame aus Dresden, die es geerbt hatte, pflegte es vorbildlich. Als Garten und Haus ihr dann zu beschwerlich wurden, suchte sie nach würdigen Nachbesitzern. Und fand sie in Eva und Helmut Grabler. Das Paar überließ Stadtwohnung samt Mobiliar den Kindern, um ohne Ballast in offenen, hellen Räumen einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

Als Dauerwohnsitz war das alte Haus im Grünen aber zu klein und zu finster, so wurden die Architekten Frank und Erschen mit Umbau, Erweiterung und Interieur betraut. Sie reagierten sehr umsichtig und behutsam auf die Situation. Der Keller blieb erhalten, klug wurde die kleinteilige Raumorganisation im Erdgeschoß aufgelöst, ohne das Äußere zu sprengen.

Früher wohnte und kochte man hier sehr beengt, heute sind da Schlafen, Bad und Sauna. Die „lebendige“ Zone ist im neuen, lichten Aufbau am alten Sockel. Der elegant auskragende Baukörper weitet sich trichterförmig zum Riesensüdpanoramafenster. Bis auf die Glasflächen mit salbeifarbenem Eternit gedeckt, wirkt er wie ein edles Baumhaus. Dezent vornehmes Graugrün auf weißem Mauerwerk, umringt von lebenden Baumkronen. Respektvoll erweist das Neue dem Alten Reverenz, fügt sich in die Umgebung und bietet innen ungeahnte Weite.
Der kaum 500 m² kleine Grund ist von unregelmäßig trapezförmigem Zuschnitt. An der Deissenhofergasse im Norden sehr schmal, weitet er sich zwischen östlicher Berte- und westlicher Fleischhackergasse zum tiefer gelegenen, breiten Gartenfiletstück im Süden. Vorm Eingang im Norden ist ein neuer Windfang mit Garderobe. Durchs Glasdach sieht man windgebeutelte Föhrenwipfel, dahinter den Himmel.

Ein raumweitender Spiegel macht den Übergang von außen nach innen intensiv spürbar. Alle Zwischenzonen sind vielschichtig gestaltet. Im Süden ist ebenerdig der Schlafraum mit Wäscheschacht zum Keller, das einbruchsichere Alugitter wirkt wie eine Sprossenwand, der zum minttürkisen Boden passende Vorhang wie ein semitransparenter Schleier zum Garten. Das Bett ist wie die meisten Möbel aus hellem Ahorn. Indirekt beleuchtet, mit integrierten Nachtkästen, Schublade, Buchablage und Leselampe lässt es nichts zu wünschen übrig. Der offene Schrankraum leitet zur Sauna. Davor wurde im Geländegefälle ein Plateau gebildet, das in einem Tauchbecken mündet. Gegenüber der Sauna ist das ebenfalls minttürkis verkachelte Bad mit Ostsonne, Wanne, zwei Waschbecken und Duschen. Die angrenzende Toilette schließt ans Entree mit gewendelter Stiege aus gedämpfter Akazie im Nordwesteck. Am Austritt ist ein Arbeitsplatz mit Föhrenblick, zentral am Kamin sitzt ein dunkelroter Block. Er birgt die schmale, steile Rauchfangkehrerstiege zur Dachterrasse, ein mit Spiegel und roten Wänden als Abschlussraum gestaltetes WC und Küchenkästen. Unterm Glasband im Osten steht mit Ausblick und Ablagefläche die helle Kochzeile aus robusten Max-Dekorplatten.

Fulminantes Raumerlebnis bietet der trichterförmige Wohnraum. Aus dem fast zwölf Meter langen Südfenster schweift der Blick über Baumkronen von Lärche, Birke und Zwetschke zum Anninger am Horizont. Die raumhohe Glasfront besteht aus drei 3,5 m breiten Scheiben. Zwei davon kann man öffnen, der Raum wird zur Riesenloggia, man sitzt unterm Blätterdach, Jalousien und Lichtband lassen den Übergang zur Natur differenziert gestalten.

Der Standard, Sa., 2003.12.13



verknüpfte Bauwerke
Haus G.

29. November 2003Isabella Marboe
Der Standard

Ein Statement in der Dachzone

Auf ein Eckhaus der Gründerzeit setzte Architekt Heinz Lutter ein markantes Zeichen in die Wiener Dachlandschaft: einen blauen, organisch geformten Aufbau.

Auf ein Eckhaus der Gründerzeit setzte Architekt Heinz Lutter ein markantes Zeichen in die Wiener Dachlandschaft: einen blauen, organisch geformten Aufbau.

Der neue, hellblaue, unkonventionelle Dachaufbau auf dem Eckhaus Spitalgasse/Gießergasse im neunten Bezirk ist nicht zu übersehen. Wie ein Signal markiert eine rote Linie, wo das alte Gründerzeithaus endet und das neue beginnt. Früher war hier die Traufe, nun bildet die blaue Balkonbrüstung in kühner Schräglage ein neues Gesims. Von unten nicht sichtbar, liegt dahinter eine Terrasse für die Bewohner. Dynamisch wölben sich zwei organisch geformte, blaue Baukörper mit horizontalen Fenstereinschnitten gegen den Himmel.


Mal was ganz anderes

Architekt Heinz Lutter hatte genug von konventionellen Lösungen, er wollte ein Statement setzen und was ganz anderes machen. Bezugspunkt für das neue Objekt war nicht das Gründerzeithaus, sondern die Dachsilhouette des Straßenzuges. Schräg wie die Balkonbrüstung ragen das dreigeschoßige Objekt in der Spitalgasse und sein zweigeschoßiges Pendant an der Gießergasse in die Höhe.

Die neue Form erfordert eine neue Bauweise. Hochprofessionell und passgenau fertigte die Osttiroler Firma Unterluggauer Holzfertigteilelemente, in zehn Tagen stand die gedämmte, innen mit Gipskartonplatten verkleidete Sandwichkonstruktion auf der Stahlbetondecke. Als wetterfeste Außenabdichtung wurde das Holz mit dem dauerelastischen Flüssigkunststoff Kemperol überzogen und blau gestrichen. Ein Experiment mit temporär-leichtem, südlichem Flair.
Der historische Eckbau liegt in exponierter Lage. In der Spitalgasse erlaubt die Bauordnung einen dreistöckigen Aufbau, gegenüber befindet sich der Arne-Carlsson-Park. Von hier aus ist der neue Aufbau mit dem organisch geformten, zweigeschoßigen Fenster deutlich zu sehen. Umgekehrt hat man aus der spektakulären Eckmaisonette einen weiten Blick über die Stadt.


Ein Ufo ist gelandet

Die Maisonette beginnt im zweiten Dachgeschoß, Licht flutet durchs markante Südfenster in die 40 m² große Wohnküche, eine futuristische Metallstiege führt am Glas entlang hinauf. Dort befinden sich zwei Terrassen, eine davon landet wie ein Ufo am blauen Gießergassendach. Die schlanken Metallschlote, die hoch in den Himmel ragen, lassen an ein Schiff denken und bieten auch vom Innenhof einen fulminanten Ausblick. Der andere Teil der Terrasse gehört zur Nebenmaisonette, die zwei weiteren haben einen Hofbalkon.

Darunter liegen eingeschoßige Wohnungen, dynamisch wie das neue Balkongesims steigen die Wände. Alle Einheiten sind Ostwest zur Spitalgasse und zum ruhigen Hof orientiert, zweiseitig belichtet und haben Zugang ins Freie. Die bestehenden Kamine wurden so geschickt in die klaren, offenen Grundrisse integriert, dass sie nicht stören. Die drei Trakte des Aufbaus sind als eigenständige Hauszeilen mit zwölf Wohnungen von 50 bis 110 m² um den Innenhof mit Baum gruppiert.

Der neue Bauteil an der Gießergasse besteht aus lauter Maisonetten, innovativ zeigen sich auch die einläufigen Holzstiegen. Die Wangen wurden in schmale Scheiben zerlegt, die Treppe wird zur leichten, gitterartigen Skulptur. Straßenseitig strömt vom Süden Licht herein, Erschließung, Sanitär und Schlafen liegen zum ruhigen Hof. Blaues Steingranulat bedeckt den erschließenden Laubengang, Holzlatten die gedeckten Privatbalkone, metallene Gitter bilden das Geländer. Die ungewöhnliche, Schwimmbad-blaue Form der straßenseitigen Aufbauten, die vielen Freiflächen, auskragende Terrassen und der Blick auf Kamine, Schlote, Balkone und die umgebende Dachlandschaft erzeugen mediterranes Feriengefühl.

Im dritten, westlichen Innentrakt wurde die alte Konstruktion ausgebaut. Statisch verstärkt, neu gedeckt und mit Gaupen versehen ist dieser Teil eine Wohnoption für weniger Mutige. Ein Kontrast, der die Dachvielfalt im Hof mehrt.

Der Standard, Sa., 2003.11.29



verknüpfte Bauwerke
Wohnen am Dach

17. November 2003Isabella Marboe
Der Standard

Mit italienischer Grandezza

Glasvorbau und Dachgeschoß machten ein Jahrhundertwende- Sommerhaus in Baden zu dem, was es immer sein wollte: zu einer Villa.

Glasvorbau und Dachgeschoß machten ein Jahrhundertwende- Sommerhaus in Baden zu dem, was es immer sein wollte: zu einer Villa.

Auf der Suche nach einem Urlaubsdomizil fiel der Blick von Kaiser Franz I. wohlwollend aufs nahe Baden, das er sich mit Gefolge zur Sommerresidenz erkor. Und alles, was Rang und Namen hatte, von der Hocharistokratie bis zur mondänen Kunstwelt, folgte. Als dann auch noch die Südbahn kam, avancierte Baden zum Nobelkurort. Ein repräsentativer Sommersitz gehörte damals zum guten Ton, prächtige Villen entstanden.

Gleich beim Strandbad ließ sich der Urgroßonkel des Bauherrn 1894 von Stadtbaumeister Hugo Zimmermann die „Villa Altmann“ in der Helenenstraße bauen. Im losen Baumbestand der Gärten reiht sich hier ein Prachtbau an den nächsten. Doch der Junggeselle, der mit „Charlotte Wolter, der größten Tragödin der Welt“ Umgang pflegte, konnte sich den geplanten Palazzo nicht ganz leisten: Rustika-Sockel, Mittelrisalit mit Tempelfassade und Pilaster können nicht kaschieren, dass ein Geschoß fehlt. Und so wirkte die Villa neben den noblen Nachbarn etwas unbeholfen.

1992 erbte der Bauherr das Haus. Das erste Kind war da, die Villa desolat. Der Keller war schimmlig, die Veranda morsch, Bad, Heizung und Elektroinstallationen fehlten. Trotzdem zog man ein, legte das Haus trocken und baute eine Nasszelle. 1999, das dritte Kind war unterwegs, lernte der Bauherr Alois und Elena Neururer kennen. Er bat sie, sich die Veranda anzusehen. Doch nicht nur sie, auch das Dach war ein Sanierungsfall. Die Architekten schlugen vor, neu aufzustocken, um der Villa endlich die Proportion zu geben, die sie zum Palazzo adelt. Zur Minderung der Finanzlast wurde die Stiege durch Glaswände abgetrennt. So ist das Dachgeschoß separat vermietbar, ein gartenseitig vorgesetzter Balkon und das transparente Entree lassen Helligkeit aus dem Innern ins Treppenhaus fluten.

Der raffinierte Aufbau verleiht der Villa italienische Grandezza. In der geforderten acht Meter Traufhöhe schwebt er leicht als umlaufendes Glasband überm historistischen Gesims. Zart kragt das neue Blechdach ein Meter aus, der denkmalpflegebedingte Anstieg dahinter ist nicht zu sehen.


Panoramablick

Die neue Konstruktion durfte nicht mehr wiegen als das alte Walmdach. Zwölf schmale Stahlsäulen auf der Außenmauer tragen die flache Innendecke, die - indirekt vom Rand beleuchtet - zu schweben scheint. Die Heizung wurde ins Parapet integriert, nichts stört den Panoramablick über Baden.

Als reizvoller Kontrast wirkt der massive Risalit-Aufbau, in dem die Küche sitzt. Im Südosten liegt der große Wohnraum mit Zugang auf den neuen Balkon, gegenüber sind Bad und zwei Zimmer mit Abendsonne angeordnet.

Man betritt die Villa gartenseitig im Mittelrisalit oder über die Außentreppe durch den neuen Glaszubau: Er wird zur nahtlosen Erweiterung der Küche ins Grüne. Das Herz des Hauses, wo gekocht wird und alle sitzen, war früher nur übers Nordost-Seitenfenster belichtet, die alte, kalte Veranda verkam zum Windfang. Das neue raumhohe Übereck-Panoramafenster verwandelt die Küche zum hellsten Raum. Man fühlt sich wie mitten im Garten, so elegant und praktisch lassen sich zwei Fenster zum Rauslehnen und Lüften öffnen. Im schmalen Raum neben der Stiege sind geschickt WC und Bad eingefügt. Das neue Fenster lässt ins Freie blicken, die Wand hinter der Wanne ist schräg. Sie gibt dem Bett im Elternschlafzimmer dahinter ein Rückgrat, eine neue Nische in der tragenden, massiven Mittelwand schenkt dem Kasten Raum. Statt auf schwerem Rustika-Stein thront der transparente Küchenzubau auf einem Sichtbetonsockel mit Tür zum Keller.

Der Standard, Mo., 2003.11.17



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Einfamilienhaus H. - Umbau

08. November 2003Isabella Marboe
Der Standard

Seerosen im Lattenrost

Die Zahl hochwertiger Bauten im klassischen Arbeiterbezirk Favoriten steigt. Architektin Patricia Zacek und die Genossenschaft Neues Leben setzten einen neuen, feinen Stadt-Wohnbaustein ins dicht verbaute Viertel.

Die Zahl hochwertiger Bauten im klassischen Arbeiterbezirk Favoriten steigt. Architektin Patricia Zacek und die Genossenschaft Neues Leben setzten einen neuen, feinen Stadt-Wohnbaustein ins dicht verbaute Viertel.

Wohnen ist eine essenzielle Notwendigkeit, mit dem Bau des Hauses begann die Geschichte der Architektur. Sozialen Wohnbau zu fördern zählt zur grundsätzlichen Infrastrukturleistung einer Stadt. Der Kostendruck ist enorm, die Basisanforderungen von Zimmern, Küche und Bad rasch erfüllt, früher oder später findet jede Wohnung ihren Abnehmer. Starstatus erringen Architekten mit dieser unspektakulären Bauaufgabe nicht. Reich und berühmt wird mit sozialem Wohnbau keiner. Die Versuchung, der Routine zu erliegen, ist groß. Umso erfreulicher ist es, wenn Architekten dieser Aufgabe mit Verantwortungsbewusstsein und Engagement begegnen.

Die neue Anlage in der Siccardsburggasse in Favoriten, die Patricia Zacek für die Genossenschaft Neues Leben plante, ist so ein Fall. Sie beweist, dass sehr viel Lebensqualität im sozialen Wohnbau möglich ist und erfüllt weit mehr als das Grundbedürfnis Wohnen. Die Auseinandersetzung mit urbanen Lebensformen, Angsträumen, Zwischenzonen und die hingebungsvolle Detailarbeit bilden die solide Basis dieser umsichtigen Planung. Das beginnt beim Städtebau und endet im Fahrradabstellraum, wo es eine zusätzliche Fenstertür gibt, damit Dreiräder und Ähnliches ohne Umweg über den Gang direkt auf den Spielplatz im Hof gehoben werden können.

Das Haus endet für Zacek nicht an der Baulinie, die Wohnung nicht an der Tür: Von Anfang an plante sie großzügige Gemeinschafts- und Freiräume, Erschließungszonen und viele Details mit ein. Die lieferte sie als Vertragsgrundlage mit, so waren die Kosten für den Bauträger Neues Leben kalkulierbar. Er ließ sich vom Mehrwert der Ausführungsqualität, kommunikationsfördernden Raumangeboten und Hofgestaltung als innere Regenerationszone überzeugen. „Man nimmt Bauvolumen aus der Stadt, ich möchte ihr dafür etwas zurückzugeben“, sagt Zacek. „Ich wollte einen Baustein fürs Grätzel setzen.“

Kleine Gewerbehöfe, gräuliche Gründerzeitfassaden, Nachkriegsbauten, staubige Autos und Bäume prägen die dicht verbaute Nachbarschaft, der neue Baustein sitzt am Eckgrundstück Siccardsburggasse/Hardtmuthgasse. Er besteht aus zwei Trakten mit unterschied- lichem Charakter, die den Innenhof umschließen.

In der Hardtmuthgasse öffnet sich das Haus mit einer eleganten Glasfassade zur Stadt, spiegelt nicht nur die gegenüberliegende Straßenfront, sondern eine Haltung prinzipieller Wertschätzung, die auf die Umgebung rückwirkt. Die tragenden Scheiben im Erdgeschoß sind in Stützen auflösbar, theoretisch könnte sich hier ein Büro einmieten. Ein Rahmen mit weißen, steuerbaren Sonnensegeln wirkt wie eine schützende Haut, verschiedene Höhen, Rollos, Vorhänge und Pflanzen hinter den Fenstern lassen das Leben dahinter erahnen. Die Fassade liegt südseitig, Sonnenlicht durchflutet die Wohnungen zur Gänze. Sie sind für urbane Singles oder Paare konzipiert, deren Blick sich auf die Stadt richtet. 58 m² lassen keinen Platz für eine Loggia. Das Gefühl, fast im Freien zu sitzen, kann sich trotzdem einstellen: Die raumhohe Verglasung ist in drei horizontale Bänder unterteilt, das Mittlere enthält zwei Schiebefenster. Ohne Raumverlust lassen sie sich öffnen, Frischluft strömt herein, man kann sich hinauslehnen.

Innen bieten die Zweiraumwohnungen viel Bewegungsfreiheit. Der Raum am „Schaufenster“ zur Stadt lässt sich durch eine Schiebewand teilen, dahinter bilden Bad und WC mit der Küchenzeile an der Rückwand einen umgehbaren Sanitärblock. Man betritt die Wohnungen im Norden über den zum Innenhof offenen Laubengang. Elegant mit anthrazitgrauem Eternit verkleidet, vermitteln gelbgrün gestrichene Untersichten und gleichfarbige Elemente neben den Eingangstüren fast südliches Flair, beugen Isolation und Anonymität vor. Der Blick auf den schön gestalteten Garten verführt dazu, sich an die Brüstung zu lehnen, zu beobachten, was sich dort tut, seine Mitbewohner kennen zu lernen.

Weiß verputzt, mit horizontalen Fenstereinschnitten, verglaster Erdgeschoßzone und zwei Eingängen präsentiert sich das Haus auf der Siccardsburggasse als Stadtbaustein mit hohem Wiedererkennungswert. An zwei Stiegenhäusern liegen hier durchgesteckte, ost-west orientierte, familientaugliche Wohnungen. Küche und Sanitäreinheiten sind in der Mitte, straßenseitig gibt es zwei Zimmer, der großzügige Wohnraum erweitert sich hofseitig zur Loggia. Von dort können besorgte Mütter ab und zu einen Blick auf ihre Kinder werfen.

Wo der Singletrakt endet, markiert ein vier Geschosse hoher Schlitz als Schnittstelle zwischen Haus und Stadt den Haupteingang. Leicht zurückgesetzt sitzt der mit pulverbeschichtetem Blech verkleidete Lift wie eine Skulptur in dieser schluchtartigen Passage, sechs Stufen locken hinauf auf die erste Laubengangebene, hell strahlt der Hof nach außen. Rechts davor die Stiege als fußläufige Erschließung. Neonröhren beleuchten die Untersichten, geschoßweise versetzte Ebenen ragen in den Luftraum, bandartig umlaufende Brüstungen aus Metall lassen sie sehr dynamisch wirken. Die Stiege ist leicht von der Wand abgesetzt, was nicht nur Wohnungstüren einen Hauch Gangfläche schenkt, den Fußabstreifer brauchen, sondern auch einen fulminanten Blick von oben nach unten bietet. Im fünften Geschoß befinden sich in beiden Trakten Maisonettewohnungen; sie bilden die horizontale Klammer über dem Eingangsschlitz. Wie ein Helm sitzt die schräge Zinkverblechung auf der Hardtmuthgasse, setzt sich geradlinig mit Terrasse und Flachdach auf der Siccardsburggasse fort, fügt sich so in die patchworkartige Dachlandschaft der Umgebung.

Zwischen den zwei Stiegenhäusern liegt straßenseitig ein voll verglastes Foyer mit Postfächern und blauen Rundstützen, in der Mitte führt eine einläufige Stiege in den Keller. Zwei gebogene Plexiglaselemente mit gelben Tupfen hängen frech von der Decke, umrahmen kreisförmig den Kinderwagenabstellplatz. Von außen kann man das Kommen und Gehen der Bewohner beobachten, von innen das Treiben auf der Straße. Hinterm Foyer liegt der Gemeinschaftsraum, ein raumhohes Fenster mit Tür öffnet ihn zum Hof. Scheinwerfer an der Decke, Minikühlschrank und Waschbecken warten auf das erste Fest.

Gedämpft dringen die Rufe ausgelassener Jugendlicher als lebendige Geräuschkulisse vom nahen Paltramplatz in den Hof. Eingefasst von Lärchenholzlatten, wirkt er wie ein japanischer Garten, meditativ und still. Sonnenstrahlen tanzen über das schmale Wasserband mit den Seerosen im Lattenrost, eine Sitzstufe lädt zum Blick auf die in geometrischen Mustern mit Kies und Bodendeckern gestaltete Grünfläche in der Mitte. Eine kleine Sandkiste ist auch da. Noch spielt hier kein Kind, doch in den Loggien haben die ersten Bewohner schon Rankgerüste und Blumen aufgestellt.

„Ich möchte einmal ein Haus für jemand bauen, der mir eine Geschichte erzählt“, sagt Patricia Zacek. Die Geschichten derer, die hier in 32 Wohnungen einziehen, kannte sie nicht. Sie hat ihnen ein Stadthaus entworfen, in dem sie sich entfalten können.

Der Standard, Sa., 2003.11.08



verknüpfte Bauwerke
Wohnbau Siccardsburggasse

08. November 2003Isabella Marboe
Der Standard

Kuben mit Zylinder

Wie ein Raumschiff sitzt das Haus G. von Architekt Martin Wakonig auf Klosterneuburger Gelände, wie eine Kommandozentrale ragt ein runder Turm aus den beiden Gebäudeflügeln.

Wie ein Raumschiff sitzt das Haus G. von Architekt Martin Wakonig auf Klosterneuburger Gelände, wie eine Kommandozentrale ragt ein runder Turm aus den beiden Gebäudeflügeln.

Die malerischen Hügel Klosterneuburgs stehen derzeit beim gehobenen Mittelstand hoch im Kurs. Grundstücke sind hier wohlfeiler zu haben als in Wien, die Anbindung ist gut, Ruhe und Kahlenbergblick wiegen die Distanz zur Bundeshauptstadt mehrfach auf. Fertigteilhäuser, Holzbauten, Architektenplanungen, postmoderne Villen und puristische Kuben präsentieren sich als bunter Querschnitt über die Haustrends der letzten Jahrzehnte.
Wie ein Raumschiff, das gerade andockt und seine Brücken ausfährt, setzte Architekt Martin Wakonig das Privathaus G. ins Gelände. Am liebsten hätte er einen Kubus entworfen, doch Herzenswunsch des Bauherrn war ein Turm. In der schmalen, hohen Reinform lässt sich das im Einfamilienhausbau nicht realisieren, und so kombinierte Wakonig den Zylinder als herausragendes Gelenk mit der klaren Geometrie zweier gerader Trakte. Wie eine Kommandozentrale ragt der Rundturm aus dem Kreuzungspunkt der beiden Gebäudeflügel, die im schrägen Winkel aufeinander zulaufen. Das Haus beginnt eingeschoßig, treppt sich zum Zylinder, um im Südosten in einer dynamisch auskragenden Terrasse aufzusetzen.
Das Grundstück besteht aus zwei zusammengelegten Parzellen, eine davon diente als Parkplatz, bevor das Haus gebaut wurde. Dadurch gab es eine deutliche Kante in der Mitte des Geländes, abrupt fällt das Niveau zwischen Norden und Süden um etwa ein Geschoß. So konnte Wakonig einen weiteren Bauherrenwunsch erfüllen: sowohl vom Wohnraum als auch vom Hallenbad aus in den Garten gehen zu können.

Das Haus nutzt die Topographie: Eben gelangt man übers Nordeck der Terrasse vom Wohnzimmer im Erdgeschoß ins Freie, darunter öffnet sich im Süden die Glasfront des Kellers mit Whirlpool, Wellnesslandschaft und Schwimmbecken zum tiefer gelegenen Gartenteil.
Unabdingbare Voraussetzung zur komfortabel flexiblen Lebensführung zwischen Wien und Klosterneuburg ist ein Auto, die Zufahrtsstraße verläuft an der schmalen, oberen Westseite. Die Garage gräbt sich hier nicht verschämt in den Keller, sondern bildet den ersten Raum im Erdgeschoß des West-Ost orientierten Riegels. Durch ein ovales Fenster blickt man zum Garten, gelangt auf einer geländemodellierenden Terrasse überdacht zu Küche und Essraum, darüber steigt der Baukörper mit einem weiteren Stock zum zentralen Turm an, um im zweiten, Süd-Ost orientierten Flügel in der Terrasse am Gelände auszulaufen.
Besucher, die auf der Straße parken, gehen draußen am ersten Trakt vorbei, um im Turm einzutreten: Der Ausgangspunkt des Entwurfs wird zum Ausgangspunkt der Erschließung. Im großzügigen, runden Foyer werden Eintreten und Ankommen zelebriert, von diesem zentralen Punkt lässt sich die Logik des Hauses sofort begreifen. Zur Rechten blickt man ins große Wohnzimmer, durch die raumhohe Verglasung übers Südosteck in den Garten bis hin zum Wienerwald. Links ist der Essraum, durch eine Glasfläche sieht man in die anschließende Küche. An der runden hinteren Wand des Foyers sitzt die geschwungene Treppe.
Im ersten Stock fügte Wakonig ein Gästezimmer in den Zylinder. Die konkave Krümmung der Wand gibt ihm eine eigene Atmosphäre, während sie sich im Kinderzimmer dahinter konvex auswölbt. Der Südosttrakt gehört den Eltern, Schlafzimmer und Badewanne grenzen an den Balkon. Ganz oben im Turm wirkt das Rund unverfälscht, ein umlaufendes Glasband gibt einen Panoramablick frei. Das Kommando hat hier nicht nur der Papa: Alle nutzen den Raum. Der Bauherr ist wunschlos glücklich: Er hat den Turm und kann täglich schwimmen.

Der Standard, Sa., 2003.11.08



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Haus G.

01. November 2003Isabella Marboe
Der Standard

Klein, fein und hochwassersicher

Auch in einer Badehütte kann Raumqualität Platz finden: MAX35 am Klosterneuburger Donaunebenarm ist eine moderne Stelzenhaus-Variante.

Auch in einer Badehütte kann Raumqualität Platz finden: MAX35 am Klosterneuburger Donaunebenarm ist eine moderne Stelzenhaus-Variante.

Die Badehäuschen um das Klosterneuburger Strandbad prägen im Stil der frühen Moderne das Ambiente, die jährlich aus den Ufern tretende Donau führte zu einem eigenen, reizvollen Bautyp: Fast alle Hütten stehen hier auf Stelzen, teils wurden später Keller zugebaut. Der Fluss lässt Erde, Schlamm und Schotter zurück, das Bodenniveau stieg seit Siedlungsgründung stark, viele Häuser wirken heute sehr nieder.
Der Grund am Nebenarm der Donau gehört dem Stift. Hier das Pachtrecht zu besitzen, ist ein Privileg, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Seit 1926 verbringt die Bauherrenfamilie die Ferien am Ufer, das Jahrhunderthochwasser des letzten Sommers aber überstand das alte Haus nicht. So entschloss man sich zum Neubau, Andreas und Michaela Dreer entwarfen die kleine, feine Kubatur MAX35. Sie wurde aus vorgefertigten Holzelementen in zwei Monaten aufgestellt, da im Sommer striktes Bauverbot herrscht.
Die Auflagen sind streng. Ganzjährig hier zu wohnen, ist verboten, die bebaute Fläche darf maximal 35 m² oder 15 Prozent der Grundgröße betragen, die Höhe ist mit 4,70 m, die Unterkante des Stelzengeschoßes mit 2,50 m festgesetzt. Am 15. August 2002 war die Donau auf 2,30 m angestiegen, also konnten die Architekten DREER 2 eine lichte Höhe von 2,55 m durchsetzen.

Das Grundstück liegt idyllisch, doch sehr exponiert mit Blick auf die so genannte „Liebesinsel“ am Ufer, als „Eisbrecher“ wurde vor 20 Jahren eine Pappel gepflanzt. Die Angst vor der Flut sitzt tief, ihr standzuhalten, prägt den Entwurf. Eine Kerbe im Beton markiert den traumatischen Wasserstand.
Der neue Wohnkubus ist mit auskragendem Flugdach, vorspringendem Obergeschoß und Terrasse skulptural gestaltet und höher als ältere Nachbarbauten, doch die moderne, hochwassersichere Stelzenhaus-Variante fügt sich wunderbar ein. Statt auf Stützen sitzt sie auf einem wasserundurchlässigen, wärmegedämmten Betonkern, Passanten können daran vorbei aufs Wasser schauen.

Im Westen an der Straße ist vorm Haus ein Parkplatz, eine Metallstiege führt auf die Terrasse. Die tragende Betonscheibe schützt vor neugierigen Blicken - die sportliche Familie hängt daran ihre Boote auf. Stahlseile bei Handlauf und Geländer erinnern an Schiffe, raumökonomisch wie Kojen ist das Innere.

Die erste Wohnebene liegt auf Terrassenniveau, von Küche und Essplatz schweift der Blick über Bootsstege, Wasser und Liebesinsel. Drei Stufen führen ins Minibad. Hier führt eine Klapptür zur Treppe in den Betonkern mit Fundament, von wo aus ein Brunnenrohr sechs Meter in die Erde ragt.
Über eine platzsparend viertelgewendelte Stiege gelangt man auf die oberen Galerieebenen. Im Westen bildet die leicht auskragende Fassade ein Eckfenster, das ein Panorama über die Straße bis hin zum Leopoldsberg öffnet. Von zwei Stufen subtil räumlich differenziert, erstreckt sich nach Osten die Koje der Kinder, eine kleine Brücke führt auf die Südgalerie. Hier schlafen die Eltern bei Morgen- und Abendsonne, von der Brüstung schweift der Blick über den Essplatz hin zur Donau.
Kaffeebraune Edelholzplatten und grünes Blech am Dach und der schrägen Südseite, wo das Wasser wunderbar abfließen kann, bilden die Außenverkleidung. Beide Farben nehmen das Kolorit der alten Holzhäuser auf.

Der Standard, Sa., 2003.11.01



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Haus MAX35

01. November 2003Isabella Marboe
Der Standard

Raffiniertes Understatement

Gute Architektur entsteht erst, wenn der Bauherr sie zulässt. Seit kurzem füllt das „k47“ von Henke/Schreieck die Lücke des alten Kai- palais. Ein rarer Glücksfall für die Wiener Innenstadt.

Gute Architektur entsteht erst, wenn der Bauherr sie zulässt. Seit kurzem füllt das „k47“ von Henke/Schreieck die Lücke des alten Kai- palais. Ein rarer Glücksfall für die Wiener Innenstadt.

Bauen im gewachsenen Gefüge ist immer schwierig, besonders prekär ist die Lage in der Schutzzone Innere Stadt, wo die Auflagen strenger und Baulücken rar sind. Seit kurzem ist sie um einen präzisen, modernen Stadtbaustein reicher. Dieter Henke und Marta Schreieck planten das exquisit-elegante Büro-und Geschäftshaus „k47“ am Franz-Josefs-Kai, das kürzlich eröffnet wurde.

Seit der Realisierung von Hans Holleins heftig debattiertem Haas-Haus ist es der erste Neubau in der Schutzzone. So prominent wie der Stephansplatz ist die Adresse am Kai nicht, dafür legte der historische Vorgänger die Latte sehr hoch. Der Architekt Ignaz Nathan Reiser (er plante unter anderem den Stadttempel in der Pazmanitengasse, die Mödlinger Synagoge, die Zeremonienhalle am Tor IV des Zentralfriedhofs) hatte das „Kaipalais“ entworfen: ein späthistoristisches, repräsentatives Haus mit prägnantem Eckaufbau an der Schwelle zur frühen Moderne, 1912 hochinnovativ als einer der ersten Stahlbetonbauten Wiens konstruiert.

1930 erwarb die Zürich Kosmos Versicherungs-AG die Immobilie, 1997 begann man mit der Sanierung, ein Jahr später traten eklatante Schäden zutage. Ein Brand im Jahr 1945 hatte die scheinbar intakten Stahlbetonteile der Primärstruktur stark in Mitleidenschaft gezogen, ein Gutachten attestierte bis zu 50 Prozent verminderte Tragfähigkeit. Das Haus musste evakuiert werden, eine Initiative aus Wissenschaftern, Denkmalschützern und Prominenten (u.a. Herbert Fux, Josef Mikl, Walter Berry, Otto Schenk) formierte sich vergeblich zum Erhalt des Kaipalastes. 1999 hob das Bundesdenkmalamt die Unterschutzstellung auf, im Februar 2001 wurde die Abbruchbewilligung erteilt.

Bauherr Zürich-Kosmos veranstaltete einen geladenen Wettbewerb, wobei auf einengende Vorgaben, Raum- und Funktionsprogramme verzichtet wurde. Gefordert war einzig die Bereitstellung wirtschaftlich vermietbarer Flächen. Das Siegerprojekt von Henke/Schreieck besticht durch die auf den spezifischen Ort und die Bauaufgabe zugeschnittene Umsetzung einer Grundhaltung, die all ihre Arbeiten auszeichnet. Nicht vordergründige Flächeneffizienz, sondern ein Maximum an räumlicher Qualität und Großzügigkeit zählen. Diesem Prinzip blieben die beiden auch am äußerst kostspieligen Innenstadtpflaster treu; Zürich-Kosmos gewährte der Qualität Preis und Raum. Gute Architektur braucht gute Bauherren, das „k47“ ist ein Glücksfall für die Schutzzone. Es steigert nicht nur das Lebensgefühl derer, die zukünftig hier arbeiten, es putzt auch das Textilviertel auf, ohne die alten Bauten protzig-penetrant an die Wand zu spielen.

Vor Planungsbeginn sahen sich Henke/ Schreieck mit ihren Statikern den alten Kaipalast noch einmal an, um zu prüfen, ob er nicht doch zu retten wäre. Dann konzipierten sie einen Neubau, der auf höchstem konstruktivem, formalem und konzeptionellem Niveau würdig sein Erbe antritt. Vornehm schließt er das Eckgrundstück Franz-Josefs-Kai und Heinrichstraße, selbst die Garageneinfahrt tritt hier nur dezent in Erscheinung, Platz sparend schraubt sich die Zufahrtsrampe mit geneigten 51 Parkplätzen in die Kellertiefen, ohne die klare Grundrisskonzeption zu stören. Wie sein Vorgänger ist das „k47“ ein innovativer Stahlbetonbau. Bis auf wenige Stützen an den Randzonen kamen die Statiker Gmeiner und Haferl stützenlos aus, weit ragt ein Erker in der Feuermauerschlucht. Innen bieten die frei überspannten Räume größte Flexibilität der Nutzung, eine Anforderung, die auch das Klimasystem im Doppelboden erfüllt.

Außen zeigt sich das Haus fast als monolithischer Block mit einer ausgetüftelten Fassade aus satinierten Mattglaselementen. Keine aalglatt spiegelnde Haut, sondern raffiniertes Understatement. Die nicht reflektierende Hülle aus geschoßhohen, transluzenten Lamellen nimmt den Dialog mit der Plastizität der umgebenden Gründerzeitfassaden auf, jedes dritte Element lässt sich individuell steuern.

Noch schläft das „k47“. Wenn es bezogen ist, werden die Nutzer der Fassade eine lebendig gefaltete, körperhafte Struktur geben. Die Lamellen wurden als 1:1-Modelle gebaut und in ihrer Lichtwirkung genau geprüft, bevor sie aufs Gebäude durften. Mit 21 m Höhe passt sich das Gebäude den Nachbarn an, die von der Bauordnung gegebene Möglichkeit, das Dachgeschoß im Bereich der 45°-Neigung aufzustocken, wurde nicht genutzt. Stattdessen artikuliert eine transparent und leicht über dem Gebäude schwebende, rundum verglaste Skybox das markante Eck. Ein Signal, das Prägnanz verleiht, Anrainern mit Dachgärten kein Licht raubt, nach außen wie nach innen wirkt. Von hier aus genießt man einen einzigartigen Panorama-Rundblick über die neue Skyline am Kai und die reiche, kleinteilige Dachlandschaft der Schutzzone aus Kirchtürmen, Kuppeln, Aufbauten, Gärten und Terrassen. Innen wirkt die Skybox wie eine Verlängerung des skulptural ausgeschnittenen Hofraums, der sich mit auskragenden Erkern, tiefen Einschnitten, überbrückten großzügigen Lufträumen zu Stadt und Himmel weitet.

Diszipliniert mit einer idealen Schaufenstersockelzone fasst das „k47“ das Eck, eindeutig markiert ein Einschnitt den Eingang im Erdgeschoß. Auch kleine Details, die den ersten Eindruck prägen, wurden bedacht. Das Firmenpräsentationsschild mit runden Gläsern am Entree und das grafische Leitsystem gestaltete Ingeborg Kumpfmüller, ein Lichtbild von Hans Weigand setzt einen Blickpunkt ans Ende des schmalen Foyers. Vor hellem Grund ist schemenhaft ein Mensch in Bewegung hinter horizontalen Linien zu sehen - mit der Betrachterdistanz verändert sich die gerasterte Arbeit. Zentral liegt der Erschließungs- und Sanitärkern gegenüber der Portierloge aus hellem Birkenholz, ein Blick genügt zur Orientierung. Das erste Geschoß ist ganz vermietet, im Bereich der Feuermauern sind Oberlichten, durch die man bis zur Skybox sieht. Neonröhren an blauen Untersichten im Stiegenhaus ziehen hinauf, zum Hof hin ist es verglast, bietet reiche Perspektiven ins Atrium.

Der fulminante, glasgedeckte Hofraum beginnt im zweiten Stock und ist die wahre Attraktion des „k47“. Viel Augenmerk legten Henke/Schreieck auf die skulpturale Ausformung des Baukörpers; der Monolith entpuppt sich als durchlässig. Präzise wurde ein mehrgeschoßiger, komplex nach Himmelsrichtung, Lichteinfall und Perspektiven ausgerichteter „Leerraum“ aus dem Volumen modelliert. Außen zeichnet er sich in einem fast zehn Meter hohen Einschnitt an der Kaifassade und einem zweigeschoßigen Schlitz zum Nebenhaus in der Heinrichstraße ab. Innen öffnet er sich fünf Geschoße hoch bis zur Verglasung, die immer für Wintergartenklima sorgt. Der „Leerraum“ verweigert sich banaler Regelgeschoßlogik, löst die Hierarchie zwischen attraktiven Straßenfronten und benachteiligten Hinterhofzonen komplett auf. Aus vorspringenden Erkern lässt sich über die ganze Trakttiefe das Treiben am Kai beobachten, und man kann in den Hof und die Glasfronten der anderen vor- und rückspringenden Büros blicken. Bald werden sich auch auf Luftbrücken, Balkonen und hinter den Innenhoffassaden Menschen tummeln.

Mit dem „k47“ haben Henke/Schreieck die gewachsene Schönheit der Altstadt um ein zeitgenössisches Juwel bereichert. Seit die Innenstadt zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, gelten auch jenseits der Schutzzone strengere Maßstäbe. Beim Ortner-&-Ortner-Projekt Wien-Mitte führten lange mediale Debatten zum Baustopp und zum städtebaulichen Wettbewerb der Bahnhofsüberbauung. Auch an diesem neuralgischen Punkt in der Stadt fanden Henke/Schreieck die überzeugendste Lösung. Ihr Siegesprojekt lässt Hoffnung in verzwickter Lage keimen. Dezent fügt sich eine 30 m hohe, U-förmige Randbebauung mit zweigeschoßig durchlässiger Sockelzone in die Struktur der Landstraßer Hauptstraße. Sie umschließt ein gedecktes Atrium, aus dem präzis gesetzte, leicht geschwungene Baukörper ragen. Sie nutzen das mit dem Weltkulturerbe kompatible 60-m-Limit nicht ganz, orientieren sich am Hilton-Hotel und leiten elegant zum bestehenden City-Tower-Rumpf über. Man kann nur hoffen, dass der Bauherr das zulässt.

Der Standard, Sa., 2003.11.01



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Büro- und Geschäftshaus k47

25. Oktober 2003Isabella Marboe
Der Standard

Maßarbeit im Niemandsland

Die Stadtrandgebiete der Ballungsräume bestechen weltweit mit baulichem Chaos und spröder Unwirtlichkeit. Nun macht sich jedoch die Architektur daran, dieses vernachlässigte Territorium zu erobern. Die Lichtblicke an den Verkehrsadern und Peripherien mehren sich.

Die Stadtrandgebiete der Ballungsräume bestechen weltweit mit baulichem Chaos und spröder Unwirtlichkeit. Nun macht sich jedoch die Architektur daran, dieses vernachlässigte Territorium zu erobern. Die Lichtblicke an den Verkehrsadern und Peripherien mehren sich.

Autobahnknoten, Hinweistafeln, Lärmschutzwände: Das Niemandsland der Peripherien, wo täglich der Schwerverkehr vorbeibraust, Emissionen und Lärm Spitzenwerte erreichen, war lang auch Terra incognita für gute Architektur. Austauschbare Zweckbauten und gesichtslose Lagerhallen von der Stange mit grellen Firmenschildern dominieren die unwirtlichen Stadtrandzonen. Langsam aber dringt die Erkenntnis vom Mehrwert profunder Planung auch in Industrie und Gewerbe vor.

Die ersten Anzeichen, dass sich Architektur neues Terrain erobert, mehren sich. Mit dem MegaBauMax in Schwechat setzten Marta Schreieck und Dieter Henke 1998 einen einprägsamen, dynamischen architektonischen Markstein an die Peripherie. Einen maß- geschneiderten Spar-Markt mit gläsernem Eckturm und transluzenter Fassade planten RieplRiepl 2002 im Linzer Stadtteil Ebelsberg, brachten souverän die Zusatzparkplätze fürs Volkshaus auf dem Dach unter. Auch im Vorfeld der Bahnhöfe sorgt die Architektur von Peter und Gabriele Riepl für Lichtblicke. Elegant kleideten sie die Stellwerke in Linz und Wien in eine Haut aus beschichtetem Aluminium, ihre abgerundeten Kanten und flächenbündig in der Fassade sitzenden Glasscheiben reflektieren sowohl die Technologie als auch das Umfeld der Wagons, in dem sie sich befinden. Selten finden die enormen funktionellen Anforderungen von Elektronik und Haustechnik mit den einhergehenden Kabelkilometern, Schaltkreisen, Lüftungsrohren, Klimaanlagen usw. eine so präzise Gestalt.

Und seit kurzem zieht die neue Asfinag-Verkehrsmanagement-und Informationszentrale (VMIZ) in Inzersdorf die Blicke Tausender Autofahrer auf sich. „Die modernste Verkehrsmanagementzentrale Europas darf keine Schuhschachtel werden. Eine hochspezialisierte EDV-Technik erfordert hohes Know-how bei der Planung“, sagt Norbert Deweis von der Asfinag (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft). Europaweit ist Inzersdorf die erste Anlage, in der bis 2006 alle verkehrsrelevanten Daten aus dem ganzen Bundesgebiet zentral gesammelt und ausgewertet werden sollen. Das technologische Konzept stand fest, der räumliche Überbau dazu musste erst entworfen werden, einen Prototyp für die künftige Nutzung gab es nicht. 2001 wurde ein zweistufiger geladener Architektenwettbewerb ausgeschrieben, den Adolf Krischanitz gewonnen hat.

„Das gegebene Grundstück hinter der Autobahnmeisterei ist ein unmöglicher Ort, die Funktion war absolutes Neuland“, sagt Krischanitz. „Ich wollte kein rein technisches Bauwerk entwerfen, es musste metaphorischen Charakter haben.“ Umtost vom Schwerverkehr, eingeklemmt im grünen Keil zwischen A2 und Südosttangente, liegt der 9 m hohe Baukörper wie eine grüne Oase im Auge des Taifuns zwischen drei Autobahnknoten. Präzis sitzt er im Gelände, setzt in disziplinierter Ruhe einen Kontrapunkt gegen das bauliche Chaos rundherum. Zwischen mächtigen Straßentrassen, Emissionen und Lärm leistet das skulpturale Gebäude in stiller Poesie Widerstand gegen die Lieblosigkeit der Peripherie, indem es den Grünraum zelebriert. An der Fassade sind Gitter angebracht, die ersten Efeu-und Weinpflänzchen ranken sich tapfer zum schützenden Schleier hoch. Die Begrünung setzt sich am Flachdach und am Gelände fort. Mittig läuft der Südspitz des bepflanzten Zaunes auf die Sockelzone zu, zwei Reihen Birken im dichten Spalier säumen die Zufahrt, die in der Gebäudeflucht parallel zur Basis des Grundstücks verläuft.

Vorbei an einem Blutahorn fährt man geradlinig direkt ins Erdgeschoß der neuen VMIZ. Rechts und links Parkplätze, durch den Grünschleier schimmert Licht, in der Mitte der Eingang, dahinter die Serverzentrale. Sie ist vom Operatorraum darüber getrennt, um dessen Vollbetrieb nicht durch Wartungsdienste zu stören. Kaskadenartig führt eine imposante, seitlich von oben belichtete, einläufige Treppe Besucher hinauf ins „Observatorium.“ Gläsern scheint das auskragende Geschoß mit dem markanten Schriftzug über den beiden anderen zu schweben. Dynamisch nach Süden versetzt, ragt es zur A2, bietet einen Panoramablick auf den Verkehr, die Wienerberg-Sykline mit den Twin-Towers und die Silhouette von Alt-Erlaa. Im krönenden, repräsentativen Stock sind ein transparenter Konferenz- und ein Besprechungsraum, die trennende Glaswand ist bei Bedarf verschiebbar. Auch innen gewährt das „Observatorium“ Einblick: von der umgebenden Aussichtsgalerie sieht man ins Herz des Gebäudes, den 170 m großen Operatorraum.

Im Mittelgeschoß mit horizontalem Fensterband und Foamglasfassade sind die wesentlichen Funktionen gebündelt. Die dunkle Wandverkleidung ist zugleich außen liegende Wärmedämmung, sie soll später zugewachsen sein. Im Süden liegt der Operatorraum, in dem bis zu 18 Personen rund um die Uhr an PCs und einer 32 m großen Monitorwand die Straßen überwachen. Bis 2006 sollen bundesweit ca. 1400 Kameras, 800 digitale Querschnitte, Überkopfportale und sieben Verkehrsbeeinflussungsanlagen in den Zentren ausgebaut sein. Auf Basis aller Daten werden in Inzersdorf Szenarien errechnet, das Gesamtnetz mit Frühwarnungen vor Staus und anderen Präventivmaßnahmen beschickt. Fast 50 km Kabel sind verlegt. Die geschliffenen Schieferplatten im Operatorraum sind abnehmbar, im Doppelboden darunter pro Platz fünf Steckdosen und zehn PC-Anschlüsse. Das Fensterband, Oberlicht der Galerie und eine dimmbare Lichtfoliendecke geben das gleichmäßige Licht, das die Arbeit an Monitoren braucht. Sorgfältig ist die Regenerationszone vorm Operatorraum gestaltet. Ein kompaktes Möbel teilt den Raum, eine Seite birgt die Küchenzeile, an der Rückwand verbreitet ein elegant gefasstes Ledersofa mit Spiegel Kaffeehausatmosphäre, blaue Fauteuils und Tische formieren sich zur Lounge, Büros im Westen und Osten komplettieren das Raumangebot. Auch an den unmöglichsten Orten lässt es sich angenehm arbeiten.

Im Niemandsland der Floridsdorfer Peripherie schließlich planten die Architekten PPAG die Hülle für ein Glanzstück innovativer Hochtechnologie. Die silberne Fassade vermittelt Dynamik, im fensterlosen Baukörper steckt der mit 100 m Länge weltweit größte Klimawindkanal, in Auftrag gegeben von der RTR Rail Test & Research GesmbH. Schnee, Regen, Hagel, Windstärken von 10 bis 250 km/h, Temperaturen zwischen -50 und +60C°: Auf zwei Teststrecken (31 bzw. 100 m) lassen sich alle erdenklichen Witterungsextreme simulieren. Jede neue Zug- oder Busgarnitur muss diesen „Elchtest“ zur Standardisierung bestehen. Zu Planungsbeginn wusste niemand, welche Dimensionen Kühlgebäude, Gebläseturbinen, Trafostationen, Hunderte Kabelmeter beanspruchen würden. Im permanenten Austausch mit über 30 Experten organisierten und strukturierten PPAG das Gebäude. Der Windkanal bewegt sich in der Länge um 26 cm, Fugen und in Segmente unterteilte Rohre gleichen Schwankungen aus, massive PU-Schaum-Dämmung garantiert die richtige Temperatur. PPAG gaben der komplexen Logistik eine einheitliche, übergeordnete Hülle. Im Inneren findet Funktion ihren Raum: Sichtfenster lassen von der Messwarte aus das Testspektakel beobachten, in den Gängen kann man dank Schalldämmung ohne Ohrenschutz gehen.

Gute Architektur kümmert sich eben nicht nur um reibungslose Abläufe, sie denkt über die Bedürfnisse der Technik hinaus. Die Menschen, die an ihr arbeiten, spüren den Unterschied täglich.

Der Standard, Sa., 2003.10.25



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Verkehrsmanagement- und Verkehrsinformationszentrale VMIZ

25. Oktober 2003Isabella Marboe
Der Standard

Der Himmel über Wien

Höchst innovativ nutzten die „pool“-Architekten eine Staffelgeschoß-Widmung am Dach eines Gründerzeithauses für einen Dachbodenausbau, der durch eine üppige Terrassenlandschaft über zwei Ebenen und Weite im Inneren besticht.

Höchst innovativ nutzten die „pool“-Architekten eine Staffelgeschoß-Widmung am Dach eines Gründerzeithauses für einen Dachbodenausbau, der durch eine üppige Terrassenlandschaft über zwei Ebenen und Weite im Inneren besticht.

Rege Bautätigkeit herrscht auf den Dächern des vierten Bezirks, im dicht verbauten Stadtgebiet wird eifrig aufgestockt. Das lauschige Wohnen unterm Gebälk hat aber auch seine Tücken: Meist setzen die Sparren bei ca. 1,20 m an, bestehende Kamine grenzen zusätzlich ein, an nutzbarer Fläche bleibt da nicht mehr viel. Gute Planung ist also Trumpf.

Ein Rohdachboden zweier zusammengelegter Gründerzeithäuser in der Mommsengasse in Wien Wieden stand zum maßgeschneiderten Ausbau an. Erwünscht waren eine Wohnung für den Eigenbedarf und eine als Kapitalanlage. Von einem ersten Planungsvorschlag nicht restlos überzeugt, suchte das Bauherrenpaar beim geographisch nächstliegenden Büro Rat. Und die „pool“-Architektur ZT GmbH entpuppte sich als Glücksgriff.

Die bestehende fertige Einreichung sah den Abriss des alten Dachstuhls und die Widmung als so genanntes Staffelgeschoß vor. Diese Regelung erlaubt, von der Traufe einzurücken und zwei neue Stockwerke aufzusetzen. Die Architekten haben das sehr innovativ genutzt. Großzügige 270 m² Wohnfläche wurden auf die erste Dachebene gelegt. Davor und darüber entfaltet sich in der zulässigen Kubatur über 170 m² eine zweigeschoßig abgetreppte, spannende Terrassenlandschaft, in der Außen und Innen miteinander verschmelzen. Unter dynamisch ansteigenden Schrägen entwickeln sich um bestehende Kamine und Schächte lichtdurchflutete, perspektivenreiche Wohnungen, die ein Gefühl von räumlichem Luxus aufkommen lassen. Mit durchgehender Glasfront im Westen, ansteigendem Dach, offener Grundrisskonzeption und vielen Sicht- und Gehbezügen nach außen holten „pool“ die Weite des Himmels in ihren Dachausbau „mom“.

In luftiger Höhe betritt man das Dachgeschoß über die erste Terrassenebene im Osten. Links vom Austritt der bestehenden Stiege liegt der Eingang zur kleineren Einheit, die schon einen Käufer fand. Ein als Garderobe nutzbarer Gang führt geradlinig in den westseitig verglasten Wohnraum, im südlichen Raumteil liegt eine zweizeilige offene Küche, dahinter das Bad mit Tür auf die Terrasse, gegenüber ein im Osten verglaster, schräg geschnittener Raum. Weitere drei Zimmer befinden sich an der südlichen Hausbegrenzungsmauer. Geschickt liegt eine Innentreppe auf die zweite Terrassenebene über dem alten Stiegenkern, hinterm Schacht fand ein WC Platz.

Die Bauherrenwohnung schließt an die erste an. Rechts beim Eingang sitzt die Küche als quadratischer Block, der Blick schweift zwischen Spüle und Oberkastenzeile in den beidseitig verglasten offenen, hellen Wohnraum dahinter. Als einzig raumtrennende Elemente ragen die verputzten Kamine wie Pfeiler in die Decke, die auf fünf Meter ansteigt. Eine spektakuläre, schräg geschnittene Innenstiege führt an der offenen Glaswand im Westen auf die Terrasse. Bei freiem Blick über Wiens Fassaden kann man parallel zur Außentreppe auf die zweite Dachebene gehen oder dort Platz nehmen, um das Panorama zu genießen. Im Norden ist noch ein Zimmer mit Oberlicht. Gegenüber der Küche reihen sich an der verglasten Westseite Kinder- und Elternschlafzimmer aneinander, alle mit Türen ins Freie, im Osten liegen Abstell- und Schrankraum, WC und Bad mit Terrassenzugang.

Die neue Dachlandschaft ist ein Erlebnis für sich. Mit Sitzstufen, wie Skulpturen herausragenden Nebenräumen für Griller, Liegestühle und alles andere, was den Aufenthalt unterm weiten Himmel zum Luxus macht, ist sie abwechslungsreich über zwei Terrassenebenen gestaltet. Mit jedem Höhenmeter gewinnt der Ausblick, ganz oben weitet er sich auf die Karlskirchenkuppel und ein Panorama aus Gaupen, Einschnitten, Ziegel und Flachdächern.

Der Standard, Sa., 2003.10.25



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mom - Dachbodenausbau Mommsengasse

18. Oktober 2003Isabella Marboe
Der Standard

Eine Villa für jede Jahreszeit

Die Architektengruppe „noncon:form“ bringt einen reduzierten Holzquader mit klar strukturiertem Innenleben zum Blühen.

Die Architektengruppe „noncon:form“ bringt einen reduzierten Holzquader mit klar strukturiertem Innenleben zum Blühen.

Die Bauherrin lebte in einer hellen, komfortablen Wohnung in Hietzing, im November 2001 kaufte sie sich ein traumhaftes Grundstück in einer nahen Kleingartensiedlung am Rand des Lainzer Tiergartens. Und beschloss, ihre Bleibe aufzugeben, um sich dort ein neues Haus planen zu lassen.

Sie bat „noncon:form“, die dem viele Ressourcen beanspruchenden Einfamilienhaus skeptisch gegenüberstehen, um einen Entwurf. Puristisch, hell, flexibel und geräumig sollte es sein. Ein Anforderungsprofil, das im rigorosen Korsett der Bauordnung fürs Wohnen im Kleingarten schwer zu erfüllen ist: Die Durchschnittshöhe aller Fassaden darf maximal 5,5 m, die bebaute Fläche 50 m², der Keller dank Terrasse um 33 m² größer sein. Diesen engen Rahmen auszuloten, reizte die Architekten. So sagten sie, als sie den von mächtigen Kiefern und Fichten umgebenen Grund sahen, zu.

„noncon:form“ konzipierten das Haus wie einen tiefwurzelnden Baum: Die Kubatur unter der Erde ist so groß wie die darüber. Denn die Kellertiefe gibt die Bauordnung nicht vor. Unkonventionell und geschickt wurde diese Nische genutzt. Der geradlinige, zweigeschoßige Kubus mit Flachdach ist formal so puristisch wie erwünscht, Innenleben und Fassade aber sind facettenreich. Ein hölzernes, begrüntes Rankgerüst umgibt ihn wie eine zweite Haut.

30 cm Abstand garantieren, dass die Eternitverkleidung nicht leidet. Mit den Gartenarchitekten neubert & fuchs oeg (plan2) wurden Pflanzen gewählt, die das Haus das ganze Jahr erblühen lassen. Im Frühling werden Blauregen und weiße Glyzinien Akzente setzen, im Sommer Jasmintrompeten und Kletterrosen orange und rot sprießen, im Herbst rankt rotlaubiger Wein die Ecken hoch. Im Winter zeigt sich das Haus ohne Pflanzenkleid Eternitgrau mit hellen Fenstern.
Die Straßenfront blickt nach Süden, wo die Sonne in lichtarmen Jahreszeiten mit 23 Grad einfällt. Um sie maximal zu nutzen und tief in den Keller zu lenken, wurden die zwei schmalen, Gebäude-hohen Fenster am Gartenboden weitergeführt. 2,70 m wurzeln diese „Lichtfinger“ in der Erde, ragen sechs Meter ins Gras, bringen tagsüber Sonne herein und strahlen nachts von innen hinaus. Der Eingang liegt im Westen, ein Flugdach beschirmt den Vorbereich mit Abstellraum im Freien.

Die Villa Pia misst fünf mal zehn Meter und folgt einer klaren Ordnung. Im Norden sind auf 1,70 m Sanitärräume, Küche und Stiege mit integriertem Möbel komprimiert, die übrigen 3,30 m dienen dem Wohnen. Schiebewände verwandeln den Großraum auf jeder Ebene in zwei Zimmer. Um dem Stau-Bedarf der Frau von Welt für Kleidung und Accessoires raumschonend gerecht zu werden, wurde die Inneneinrichtung passgenau mitgeplant und von der Kärntner Firma Holzbau Themessl umgesetzt.
Links neben dem Eingang ist die durchdesignte Garderobe, gegenüber ein WC, dahinter die Küche mit Ausblick. Geruchsneutral abtrennbar, birgt die Küchenzeile eine leicht gängige Schiebewand. Sie schließt bündig ans Wohnzimmerregal. Dahinter sitzt an der Nordwand die mit Oberlicht und eingeschobenen Holzstufen lichtdurchlässige, einläufige Treppe. Sie mündet oben vor der blickdichten Pressglastür zum Bad mit tollem Ost- und Nordblick. Im Süden erstreckt sich über zehn Meter der Schlafraum, ein Raum-hohes Fenster weitet sich zum fulminanten Wien-Panorama. Eine Schiebewand gibt potenziellen Gästen und der Hausherrin Autonomie.
Genauso funktioniert das helle Wohngeschoß im Keller, unter der Terrasse liegt der Arbeitsraum mit Bibliothek im Nordwandrücken. Vier mal zwei Laufmeter Schiebekastenbox schenken hier der Villa genug Raum für alle Saisonen, Lebens- und Stimmungslagen.

Architekten: noncon:form (Roland Gruber, Dietmar Gulle, Peter Nageler, Caren Ohrhallinger), 1080 Wien, Laudongasse 18/17, Tel: 01/92 94 058;
office@nonconform.at
www.nonconform.at

Der Standard, Sa., 2003.10.18



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Villa Pia

13. Oktober 2003Isabella Marboe
Der Standard

Uneingeschränkte Ausblicke

Die besten Absolventen der TU Wien zeigen mit der archdiploma 2003 ihre Arbeiten im project space am Karlsplatz. Die Leistungsschau der größten Architektenschmiede Österreichs lässt zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Die besten Absolventen der TU Wien zeigen mit der archdiploma 2003 ihre Arbeiten im project space am Karlsplatz. Die Leistungsschau der größten Architektenschmiede Österreichs lässt zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Moskitos als KommunikationsoOrgane im urbanen Brachland, eine schwimmende Skateboardhalle oder gleich ein neues Universitätsgebäude, das sich als dynamische Großform über den Karlsplatz schlängelt: In den Architektur-Diplomarbeiten der TU Wien ist noch alles möglich. Uneingeschränkt von der Realität technischer Umsetzbarkeit, dem Korsett der Finanzierung, Behördenwege, Bauherrnwünsche bündelt sich im Diplom das konzentrierte Wissen eines Studiums zur persönlichen Utopie.

Die dritte archdiploma 2003 verlässt erstmals das ehrwürdige Stammhaus am Resslpark, um im verglasten project space der Kunsthalle stärker in die öffentliche Wahrnehmung zu treten. Aus 160 besten Abschlussarbeiten der Jahre 2001-03 wurden 26 Architekturprojekte und 13 theoretische Arbeiten ausgewählt. Handverlesen von zwei hochkarätig besetzten Jurys (u.a. Peter Cook, Schöpfer des Kunsthauses Graz, Adolf Krischanitz, Kunsthallendirektor Gerald Matt, Jan Tabor) zeigt sich die archdiploma 2003 auf inhaltlich wie darstellerisch hohem Niveau. Die thematische Bandbreite reicht von überzeugenden Lösungen „klassischer“ architektonischer Problemstellungen über futuristische Formexperimente, virtuell generierte Bauten, nachhaltige globale und theoretische Studien bis hin in die Grenzbereiche aus Öffentlichkeit, Kunst und architektonischer Intervention.

Fünf Arbeiten wurden prämiert, drei teilen sich den ersten Platz. Am Gaudenzdorfer Knoten, einem neuralgischen, verkehrsumtosten Punkt im Stadtgefüge, entwarf Daniel von Chamier Glisczinski ein Festspielhaus. In großer städtebaulicher Geste verlegte er den Gaudenzdorfer Gürtel an den Wienfluss, um dem schalenförmigen, verglasten Foyer ein entsprechendes, nach Süden terrassiertes Vorfeld zu geben. Die Dachkonstruktion über der Tribüne bildet einen spannenden Stützenwald, die enorme Bühnenmaschinerie wurde in einem Block untergebracht, der die Gründerzeitstruktur aufnimmt. Ein glamouröser Musik-Theater-Kristall als Impuls für die Stadt, der die Blicke aller U-Bahn- und Autofahrer auf sich zöge. Ähnlich utopisch und formal sehr spektakulär ist Christian Wittmeirs „Magnet Mitte Berlin“. Ein Gebäude, das sich wie ein Rieseninsekt auf schmalen Beinstützen an der Mühlendammbrücke über die Spree wölbt. Das futuristische, mit einer Membran überzogene Gebilde zapft diverse Vekehrsströme an, viele Ebenen, Rampen, Galerien und Nutzungen wie Café/Bar, Lounges, „Ship-in-Kino“ machen den Raum über dem Wasser zu einer Zone verdichteter Aktivität.

Das Problemfeld Südbahnhof bearbeitet Alexandra Wattie. Ihr Projekt „From Passage to Performance“ befasst sich intensiv mit der Befindlichkeit des Reisenden, der Fluss der Bewegung vieler Transportsysteme wird mehrgeschoßig strukturiert und gebündelt. Berührungspunkte dieser Netzwerke sind als Schnittstelle von Zeit und Raum mit Durchbrüchen und Zwischenzonen inszeniert. Diverse Verkehrsadern und Wegenetze werden so durchlässig und porös, charakterlose Unorte zu Passagen, die nicht passiv durchmessen, sondern aktiv erkundet sein wollen. Am Knotenpunkt Praterstern entwickelte Klaus Rösel ein Hochhaus, das den vierten Platz bekam.

Überwältigt von der Qualität, regte die Jury bei der Softwarefirma A-Null einen Sonderpreis an. Der ging an Christoph Falkner und Thomas Grasl. Im Projekt „LAUT.02“ entwickelten sie die zwei entwurfsunterstützenden Tools „mover“ und „ve.loc.i.ty“. Ersterer produziert einen dreidimensionalen Raumfilm, der als Fassadenkonstruktion oder in Kombination mit „ve.loc.i.ty“ als raumgenerierendes Programm angewandt werden kann. Ausgangspunkt ist die Simulation einer Fläche, die mit beliebig vielen autonomen Agenten beschickt wird. Ihre Bewegung erzeugt eine digitale Spur im virtuellen Raum, deren Daten über den „mover“ als Basis einer neuen Form ins 3-D-Studioprogramm exportiert werden. Dort können Anwender begrenzende Parameter wie Höhe oder Maßstab wählen, der Computer generiert daraus Raum. Am Institut für Gebäudelehre steht seit ca. einem Jahr ein „Dimension 3-D-Plotter“. Das Hightechgerät wurde für Motorenindustrie und Maschinenbau entwickelt, es erzeugte das „LAUT.02“-Modell. 50 Agenten schickten Falkner und Grasl dafür über eine fiktive Fläche von 20 x 30 Metern, das Raumresultat sind zwei hügelige Ebenen auf schrägen Stützen.

Als tragfähig für die Zukunft erweisen sich auch weniger spektakuläre Projekte, die zwar keinen Preis bekamen, sich aber durch sehr ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten auszeichnen. So erarbeitete Franziska Orso in „Learning from Alex“ ein städtebaulich typologisches Entwicklungsmodell für Low-Cost Housing in Südafrika. Basierend auf genauer Bestandsaufnahme und Analyse des schwarzen Townships Alexandra in Johannesburg, konzipierte sie eine Grundstruktur, die Bewohnern genug Spielraum zur Gestaltung ihrer Parzellen lässt. Architektur, die mit viel Respekt und Vertrauen ins menschliche Selbstorganisationstalent realistische Rahmen zur Entfaltung schafft.

Gerhard Rohringers Entwurf eines Thermalbads in der Oststeiermark besticht durch präzise, klare Architektur: Die Umsetzung wäre eine bereichernd stilvolle Ausnahme in der steirischen Thermenregion. Eine kleine, exklusive Stadtnische füllt das Minimalhotel am Mölkersteig von Roland Mikolics, eine mediale Nische „On Air“, die mobile Bühne für einen Privatsender von Sylvia Sauermann-Boesch.

An der Schnittstelle von Stadtraum und Mensch, dort, wo Füße am Trottoir auftreten, agiert „assocreation“. Ihr Interesse gilt nicht der Form, sondern unmittelbar sinnlichem Erleben. Das erfolgt automatisch, sobald vermeintlich sicherer Boden in Bewegung gerät. „assocreation“ setzten bei „mega-manifeste der Anmaßung“ im Künstlerhaus ein Stück Boden in Schwingung, ihre Diplomarbeit besteht aus pinken Fußabdrücken, ist eine dokumentierte Momentaufnahme der Bewegung. Alle, die am 3. Mai 2002 zwischen 14:00 und 18:30 das Trottoir vorm Künstlerhaus querten - vom Fahrradfahrer über die Schrittchoreografien diverser Passanten -, finden sich so zwischen zwei Buchdeckeln auf Papier. „COMMONGROUND bodenlos“ bekam den Preis der Kunsthalle Wien. „assocreation“ setzt gerade ein Stück Gehweg an der Mariahilfer Straße und damit Menschen in Schwingung: Wer ein „bump“-Brett niedertritt, hebt in Brighton eines hoch. Was sich in Wien erhebt, wird dort gerade betreten.

Den Körperdisziplinierungsapparat Schulbank analysierte Sonja Hnilica, Massenpanik in Gebäuden Nathalie Waldau, beide erhielten den Theoriepreis. Die archdiploma 2003 bietet ebenso einen repräsentativen Querschnitt über das breite Spektrum der TU Wien wie über ein Berufsbild im Dauerwandel. Neue Technologien und Medien, die Vernetzung von realem und virtuellem Raum, der potenzielle Arbeitsmarkt EU, territoriale und gesellschaftliche Veränderung stecken das weite Feld ab, in dem sich zukünftige Architekten behaupten müssen. Die Podiumsdiskussion „ArchitektIn sein in Europa“ am 6. Oktober suchte die Konsequenzen für Beruf und Ausbildung zu ermessen. Aus der Dichte an Themen und Meinungen kristallisierte sich klar heraus: Eine ungewisse (EU-)Zukunft ist nur mit Qualität und Flexibilität zu bewältigen. Um die jungen archdiploma-2003-Absolventen aus dem Kreativlabor TU muss man sich also keine Sorgen machen. Zukunft und EU können kommen.


[archdiploma 2003, project space am Karlsplatz,Treitlstr. 2, 1040 Wien, tägl. 13-19 Uhr
Fr, 10. 10., ab 17 Uhr Vorträge der Absolventen
Sa, 11. 10., 18 Uhr Finissage]

Der Standard, Mo., 2003.10.13

11. Oktober 2003Isabella Marboe
Der Standard

Luxuriöse Schatulle

Mit Grandezza setzten drei junge Architekten zwei schillernde Kuben an einen Pool in Korneuburg: ein Stück Weltoffenheit zwischen Häusern aus dem Fertigteilkatalog.

Mit Grandezza setzten drei junge Architekten zwei schillernde Kuben an einen Pool in Korneuburg: ein Stück Weltoffenheit zwischen Häusern aus dem Fertigteilkatalog.

Wiesen, Felder, Grünland, so weit das Auge reichte: Lange lag das Erbgrundstück brach. 1980 baute der Besitzer dann Stück für Stück eine winzige alte Weinhauerhütte aus der Au auf einem Fundament im Garten auf. Damals trübte noch kein Haus den flachen Horizont, heute reihen sich zweistöckige Fertigteilhäuser mit Walmdach dicht aneinander. Aus den Wiesen wurden umzäunte Gärten, die Gegend bietet einen Querschnitt durch die Bestseller aus dem Blaue-Lagune-Sortiment.

Seit fünf Jahren spielt Otto N. mit dem Gedanken, sich ein komfortables Haus zu bauen. Der erste Weg führte in die Blaue Lagune, dann beauftragte er das junge Büro „synn“. Die Architekten Michael Neumann, Bettina Krauk und Barbara Urban entwarfen aus zwei ineinander geschobenen Quadern ein Feriendomizil, das nun weltoffene Grandezza im bodenständigen Umfeld verbreitet. In zwei Tagen war der Holzbau nach Maß aus geschreinerten Fertigteilen aufgestellt. Weiße MAX-Exterior-Platten lassen das streng komponierte Haus in der Sonne schillern, nach Süden öffnet es sich mit zwei großen Glasflächen. Ein edler Baukörper: Niedriger und kleiner als der Rest, zieht er Aufmerksamkeit auf sich.

Die Bauherren brachten es nicht übers Herz, das erinnerungsträchtige Weinhüterhaus abzureißen. Die Architekten setzten es als reduzierten Kontrapunkt ans südwestliche Grundstückseck.

Die Umgebung bietet keinen attraktiven Anblick, das Haus orientiert sich zum Garten, fasst wie ein schützender Haken L-förmig die große Terrasse ein, die elegant den anschließenden Pool rahmt. Kein einziger, liebevoll gehegter Apfel-, Birnen-, Zwetschken- oder Nussbaum musste fallen. Nur der mächtige Ahorn wurde verpflanzt, bietet einen schönen Ausblick und schützt (Sonnen-)Badende vor neugierigen Blicken.

Straßenseitig im Norden zeigt sich die Längsfront verschlossen, bündig sitzen die Fenster von Küche und Bad in der Fassade. Dahinter steht das Auto, ohne die offene Südseite zum Garten zu stören. Wie eine Schatulle fasst das vorgezogene Dach des weißen, über 13 m langen Baukörpers ein Stück Terrasse vor der Wohnküche, bildet eine Nische, in der man windgeschützt sitzt. Darunter schiebt sich plastisch der zweite, etwas niedrigere Quader in den Garten vor. Hinter raumhoher, im unteren Bereich mattierter Verglasung liegen ein Schlaf-und ein Gästezimmer. In der Ostwand ist in 75 cm Brüstungshöhe bündig ein Fenster eingeschnitten, wodurch innen eine aquariumartige Nische mit Blick auf den Pool entsteht, von der Grundgrenze grüßt das alte Holzhäuschen.

Der Eingang ist im Westen, durch eine Glastür schweift das Auge über den offenen Wohnraum durch ein Ostfenster in den Garten. Licht flutet zur verglasten Südseite herein, Sonnenstrahlen tanzen auf der blauen Wasserfläche, reflektiert von der schimmernden Untersicht über der Terrasse. Von der Decke schwebt ein durchdesigntes Ablagebord über der frei im Raum stehenden Küchenzeile, der helle Steinbelag vermittelt Weite, das Fenster im Osten holt noch ein Stück Garten herein. In der Glaswand zwischen Vorraum und Küche sitzen gläserne Abstellflächen, durch die man zur Stiege in den Keller blickt. Sie ist mit Glasbrüstung und frei in die Wand gestemmten Stufen transparent gestaltet. Obwohl das Haus nah am Boden sitzt, sind Gäste- und Hobbyraum im Untergeschoß durch ein Fensterband unter der Decke natürlich belichtet.

Das Gelände wurde in Höhe der Sockelzone abgegraben. Zwei Stützwände aus groben Steinen, von einem Gitter in präzise Geometrie gefasst, lassen die lichtspendende Maßnahme im Garten elegant in Erscheinung treten.

Der Standard, Sa., 2003.10.11



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house n

04. Oktober 2003Isabella Marboe
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Japan am Heuberg

Für einen Kleingarten entwarfen die Architekten Joerg und Miyako Nairz ein japanisch anmutendes Minihaus, das Eltern samt vier Kindern nicht zu eng wird.

Für einen Kleingarten entwarfen die Architekten Joerg und Miyako Nairz ein japanisch anmutendes Minihaus, das Eltern samt vier Kindern nicht zu eng wird.

Martin Zehetmayer ist Augenarzt am Wiener AKH und lebt mit seiner Familie in einer Altbauwohnung. Aber der Bewegungsdrang der vier Sprösslinge war bald nicht mehr zu stillen, und so erwarb man ein Traumgrundstück, einen Kleingarten am nahen Heuberg: Autofrei am Fußweg liegt einem hier in Gehdistanz zu Wienerwald und Neuwaldeggerbad die Stadt zu Füßen. Leider beschränkte sich das Idyll auf Sommerwochenenden, denn zu sechst auf knapp 20 m² im alten Gartenhaus übernachten war kaum zumutbar.

Im Jahr 2000 hat sich die Bauordnung geändert, seitdem darf man im Kleingarten ganzjährig wohnen. Der Arzt wurde Bauherr und lernte auf einem Kongress in Japan die dortige hohe, raumökonomische Baukultur kennen. Ihm schwebte ein Gartenpavillon mit geschwungenem Dach vor. Ein Anruf auf der japanischen Botschaft führte zu den Architekten Joerg und Miyako Nairz, die eine aufrechte japanische Befugnis haben.

Das Haus, das sie planten, hat optisch zwar mit einem Pavillon nichts zu tun, doch seine Haltung ist durch und durch japanisch. Jeder Zentimeter wird genutzt, die abgetreppten Kuben des Baukörpers entwickeln sich von innen und aus dem geschickt modellierten, West-Ost abfallenden Hang.

Die räumlichen Grenzen fürs Wohnen im Kleingarten sind vom Gesetz sehr eng und eindeutig definiert: Der Keller darf maximal 70 m², das Erdgeschoß 50 m², die Kubatur 250 m³ haben. Der Gartenweg ließ nur einen Kleinlader fürs Betonieren zu, bis auf den Keller ist das Haus eine Holz-Riegel-Konstruktion. Alle Bauteile waren leicht zu transportieren, vieles wurde geschleppt.

Die wohldurchdachte Maßarbeit beginnt im Garten. Man betritt das Haus im Keller, der Weg wurde abgegraben und mit einer weißen Mauer gefasst, dahinter liegt in Brüstungshöhe der beiden Fenster ein großes Stück ebener Rasen. Rote Klinker an der Fassade markieren außen das vorstehende, halb eingegrabene Geschoß. Im dunklen Teil liegt der Heizraum, der Stiegenvorplatz ist groß genug für ein Doppelstockbett - gartenseitig leben die Kinder mit Blick aufs Grün und natürlichem Licht von Osten.

In der Mitte ist die von oben belichtete Stiege angeordnet. Ihre Holzstufen sind einfach zwischen die Mauern eingeschoben und lassen viel Licht durch, jedes weitere Podest erschließt, leicht höhenversetzt, wechselseitig nach Ost und West neuen Lebensraum: Die neun ersten Stufen führen in die extrovertierte Essküche, ein Stück vom vorspringenden Kellerdach darunter dient als großzügige, ums Eck gehende Terrasse mit zwei Türen und fulminantem Ausblick. Helle MAX-Platten bilden die Außenverkleidung, Schmutzfinger-Spuren lassen sich leicht abwischen. Fünf weitere Stufen führen ins Wohnzimmer, dem die Hanglage eine kleine Terrasse mit Abendsonne schenkt, dahinter liegt ein exquisites Stück Privatgarten.

Das oberste, in Lärchenholz verkleidete Stockwerk gehört den Eltern, hier sind die japanischen Wurzeln am augenscheinlichsten. Im Osten hat der Arzt einen Arbeitsraum mit Eckbalkon. Das Bad ist aus Holz, ein horizontales Fenster sorgt für die Verbindung mit der Natur. Und setzt auch außen Akzente: Um Raum zu sparen, kragt es expressiv auf einer dynamischen V-Stütze aus und beschirmt das Terrassenstück darunter. Im Westen liegt der ruhig-krönende Abschluss: ein Tatamizimmer in Originalformat, wo die Eltern auf Matratzen am Reisschilfboden schlafen. „Das Haus ist ein Raumwunder,“ sagt der Bauherr.

Der Standard, Sa., 2003.10.04



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Kleingartenhaus

27. September 2003Isabella Marboe
Der Standard

Der Trick mit dem Dachknick

Durch einen geometrischen Kunstgriff erzeugt das Architekturbüro holodeck.at in Wien-Währing ein neues, fließendes Raumgefühl in einem Altbau.

Durch einen geometrischen Kunstgriff erzeugt das Architekturbüro holodeck.at in Wien-Währing ein neues, fließendes Raumgefühl in einem Altbau.

Der Hinterhof des zweistöckigen Biedermeierhauses Wallrissstraße 41 entpuppt sich als paradiesische Oase der Stille. Eine Großfamilie bewohnt ein Baujuwel, das holodeck.at mit ihrem unkonventionell schrägen Dachausbau so elegant wie filigran bekrönten: Ein Junggeselle hat nun ein Domizil mit atemberaubenden Perspektiven.
Wie ein Querschnitt durch Architektur und Generationen liest sich die Fassade: Der historische Bestand zu ebener Erde mit Garten gehört allen, im ersten Stock wohnt die Oma. Anfang der 70er-Jahre wurde um ein Geschoß aufgestockt, wo jetzt die Mama lebt. Damals betonierte man die Decke als neue Unterkonstruktion für einen weiteren Ausbau.

Die Fundamente waren ausgelastet, die neue Konstruktion musste leicht sein. Ein Fachwerk zwischen den Feuermauern mit zwei Auflagepunkten an den Kaminen entlastet die Mittelmauer. Die 28-Grad-Neigung des alten Dachstuhls wurde in den Grundriss projiziert und zur bestimmenden Richtlinie für alle neuen Ein- und Aufbauten. Kaum merkbar gedreht, gibt die Eingangstür die Orientierungsachse vor, die ein abwechslungsreiches Raumkontinuum aus Schnittlinien, Kanten, Aus- und Einblicken erzeugt: Vorbei am „sleep unit“ gleitet der Blick über das offen im Raum stehende „cook unit“ und fliegt durch die schrägen Fensterflächen hinaus. Keine Kästen behindern das Auge, alle Stauflächen wurden in Brüstungen und Zwickel integriert. Weil es zu teuer gewesen wäre, die historischen Dachsparren zu erhalten, finden sie sich in Stahl wieder, die schräge Kante der Wand setzt sich im Fensterglas fort.

Eleganz bis ins Detail prägt den außergewöhnlichen Dachraum: Das helle Birnenholz am Boden findet sich auch auf den Ablageflächen, selbst der alte quadratische Kaminaufsatz wurde schräg gedreht. Gläsern transparent ist das „bath unit“. Sein ziegelroter Cottaboden weitet sich auf die eingeschobene Terrasse ins Freie. Die Badewanne lässt sich hinausschieben. „Wir wollten das Grün vom Hof in den Dachboden bringen“, sagt Marlies Breuss.
Straßenseitig wurde das Dach mit aufbewahrten Originalziegeln gedeckt, das Neue bildet sich hier in einer vorspringenden Gaupe und einem trapezförmigen Nordfenster ab. Darunter liegt das „sleep unit“, ein quadratisches Bett mit abgehängten Schiebeelementen von japanischer Leichtigkeit.

Der Standard, Sa., 2003.09.27



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rooftop 02

22. September 2003Isabella Marboe
Der Standard

Kompakt gewürfelt

Energiesparen, ökologisches Bewusstsein, eine kluge städtebauliche Lösung und Anklänge an den Loos'schen Raumplan fügen sich in Wien-Mauer zum kompakten Holzwürfel.

Energiesparen, ökologisches Bewusstsein, eine kluge städtebauliche Lösung und Anklänge an den Loos'schen Raumplan fügen sich in Wien-Mauer zum kompakten Holzwürfel.

Viel Verkehr, Hecken, Zäune, Garagen, verputzte Einfamilienhäuser mit Pultdach prägen das Bild der Rodaunerstraße, gegenüber reißt der Parkplatz vom neuen Spar am Eck ein Loch in die Verbauung: Es gibt schönere Grundstücke für ein neues Haus. Doch Familie P. hatte die Nase voll vom Leben im Geschoßwohnbau, eine Tochter war schon auf Staub und Kunstfasern allergisch, der Bauherrenwunsch klar: ein umweltverträgliches Haus mit angenehmem Raumklima und Garten, das nicht mehr als 188.900 Euro (2,6 Mio. S) kostet.

Niedrigenergiekonzepte souverän umzusetzen, zählt zum Standardrepertoire der Architekten Georg und Marta Reinberg. Den besonderen Mehrwert dieses kompakten Holzhauses bildet nicht nur die zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Warmwasser- und Erdkollektoren, sondern die sehr kluge städtebauliche und räumliche Konzeption.

Das Ostwest orientierte Grundstück liegt fast drei Meter unter Straßenniveau, ist nur 535 m² groß und im Süden vom Nachbarhaus beschattet. Um möglichst wenig Lärm und ein Maximum an Licht aus allen Himmelsrichtungen eindringen zu lassen, haben die Architekten den Baukörper von Straße und Grundstücksgrenzen abgerückt. Und damit der Familie viel vom Garten bleibt, wurde die Fläche des Hauses auf 92 m² komprimiert. Dafür erstreckt es sich über drei Geschoße.
Ein Fenster belichtet den Vorraum, der zu Bad, Toilette, ins Refugium der älteren Tochter und zur Stiege führt. Kompakt wie das Haus selbst sitzt sie, platzsparend gewendelt, als statisch tragender Erschließungskern in der Mitte. Von den Zwischenpodesten aus erschließen sich je halb- geschoßig versetzt die Räume, so hat jeder sein eigenes, kleines Reich: Das erste obere Podest teilen sich Elternschlafzimmer und die zweite Tochter, die durch ein Fenster auf die Stiege durchschauen kann.
Jeder Raum ist zweiseitig belichtet, ganz oben befindet sich die Kommandozentrale des Vaters, wo nun alle durchs Teleskop den Mars bestaunen. Der Raum hat vier Fenster, Dachterrasse und einen Luftraum, der das Stiegenhaus zusätzlich belichtet, zur Wärmeregulierung gibt es eine Glastür. Der Bauherr ist Elektrotechniker, verlegte alle Leitungen selbst, machte den Innenausbau und betoniert gerade am unterkellerten Parkplatz auf Straßenniveau.
Geplant wurde nach dem Raumplan-Prinzip von Adolf Loos mit variablen Höhen: Schlafräume und Atelier sind 2,60 m hoch, Eingangszone und Sanitäreinheiten 2,50 m, Küche und Nebenräume 2,20 m, der Wohnraum punktet mit 3,08 m.

Innen ist es angenehm still, von den Autos merkt man nichts. Das gemeinschaftliche Familienleben entfaltet sich auf Gartenebene. Eine Schiebetür zwischen Wohnraum und Küche schafft Kontakt oder Trennung, die Hausfrau kocht mit Blick ins Grüne, auch der Nebenraum dahinter hat ein Fenster mit Aussicht. Das Wohnzimmer ist l-förmig angelegt, gliedert sich straßenseitig in eine dunklere, intimere Zone mit Kamin. Von Süden und Osten fällt Licht in den der Küche zugewandten Teil, man kann direkt in den Garten gehen.
Starken Naturbezug zeigt auch die Fassade: Das horizontal verlegte, unbehandelte Lärchenholz altert mit Würde, es wird grau.

Aus Kostengründen wurden die Sonnenkollektoren nicht am oberen Fassadenstreifen angebracht, sie ragen schräg aus dem Flachdach, was die klare Geometrie des kubischen Baukörpers stört. Auch das geplante Extrazimmer für die Mutter fiel dem Budget zum Opfer, ihr Glück kann das allerdings nicht trüben: „Es macht Freude, nach Hause zu kommen, und fällt schwer, wegzugehen.“

Der Standard, Mo., 2003.09.22



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Einfamilienhaus Rodaun

30. August 2003Isabella Marboe
Der Standard

Ein Hauch von Toscanità

Seit Jahrhunderten ist die Toskana ein fruchtbarer Nährboden für Kunst, Kultur, Wein und kulinarische Genüsse. Eine Ausstellung im Ringturm erweitert nun die Perspektive: der liebliche Landstrich hat auch eine eigenwillige, regional geprägte moderne Architektur zu bieten.

Seit Jahrhunderten ist die Toskana ein fruchtbarer Nährboden für Kunst, Kultur, Wein und kulinarische Genüsse. Eine Ausstellung im Ringturm erweitert nun die Perspektive: der liebliche Landstrich hat auch eine eigenwillige, regional geprägte moderne Architektur zu bieten.

Hügelige Weinberge, Oliven und Zypressenhaine, römisch-antike Ruinen, Schlösser und Castelli: In südlichem Sonnenlicht verschmelzen Landschaft und Kultur der Toskana gleichsam zum italienischen Arkadien, wo Chianti und Brunello fließen. Ihre Hochblüte erlebte sie in der Renaissance. Unter der mächtigen Dynastie der Medici wurde Florenz zur bedeutenden Metropole, die Palazzi der Patrizierfamilien mit Sockelzonen aus schwerem Rustika-Mauerwerk und kunstvollen Rundbogenfenstern darüber wurden zum stilbildenden Bautyp einer Epoche. In den Uffizien entsteigt Botticellis Venus der Muschel, Bramante, Palladio, Alberti und Michelangelo drückten der Architektur ihre Stempel auf. Der Geist dieser Genies weht über der Toskana, gibt den hohen Maßstab vor, an dem sich Neues messen muss. Ein schwieriges Terrain für die Bauten des zwanzigsten Jahrhunderts.

In fünf Jahren Forschung dokumentierte die Fondazione Michelucci 500 nun Beispiele moderner Architektur aus der Region, ein Großteil ist in der Fotoausstellung im Ringturm zu sehen. Ein Hauch von „Toscanità“ umweht auch das neue Bauen: Zeitgenössische Architektur artikuliert sich hier inhomogen, von Einzelpersönlichkeiten geprägt. Undogmatisch, poetisch und kreativ, bewegt sie sich im Spannungsfeld von alt und neu. Internationale Tendenzen werden spielerisch aufgenommen, um Regionalbezüge bereichert in ihr Umfeld integriert. Die Moderne der Toskana ist nie ortlos, bleibt verwurzelt in Kultur, Bautradition und Landschaft. Ihr Spektrum reicht von außergewöhnlichen individuellen, skulpturalen Positionen bis zu angepasstem, oft postmodernem Mittelmaß.

Erste zaghafte Vorboten des Neuen finden sich im Jugendstil, danach manifestierte sich der Fascismo im Gegensatz zu deutschnationaler Gigantomanie in der renaissancegeprägten Toskana klassisch modern. Die Ära Mussolini bescherte ihr einige herausragende Bauten des italienischen Razionalismo. Weltberühmt ist das Stadion „Artemio Franchi“ von Pier Luigi Nervi und Giuntoli Alessandro in Florenz (1932). Wegweisend war auch der neue Hauptbahnhof (1933), den die „Gruppo Toscano“ (Baroni, Berardi, Gamberini, Guarnieri, Lusanna) unter Leitung von Giovanni Michelucci plante. Sorgfältig in die Stadt gebettet, besticht seine klare Architektur mit der kaskadenartig über Eck in die Vertikale geführten Glasdecke. Das einzigartige Stellwerk (1932-34) entwarf Angiolo Mazzoni: ein raffiniert plastisch gestalteter, rot verputzter Baukörper aus Kuben, Schloten und Treppen mit markantem Rundturm.

Große Einzelpersönlichkeiten prägten die „Toskanische Schule“. Giovanni Michelucci, Gründer der Stiftung, der „Fondazione“, erlebte Weltkriege und Katastrophen mit. Als Sohn eines Kunstschmieds 1891 geboren, starb er zwei Tage vor seinem 100. Geburtstag. Sein Gespür für Material und Detail zeigt sich u.a. am elegant geschwungenen Stiegenhandlauf aus Marmor in der Palazzina Reale (1934-35) in Florenz. Mit der Malerin Eloisa Pacini verheiratet, kunstsinnig, weltoffen und sozial engagiert, verstand er Architektur als „progetto continuo“, nahm immer Bezug zu Mensch und Umgebung auf. Als seine Handelsbörse von Pistoia in die Jahre kam, plante er sie ohne Zögern um. 1945/46 hatte sein bahnbrechender Beitrag zum Wiederaufbau der Gegend um den Ponte Vecchio gegen die starken bewahrenden Kräfte keine Chance. Michelucci verließ Florenz im Streit, um fortan als Dozent an der TH in Bologna zu lehren.

Als unübersehbare Landmark sitzt seine Chiesa di San Giovanni Battista (1961-64) in Campi Bisenzio. Rund geschwungene Natursteinmauern, wie ein Mantel breitet sich ein Blechdach über die eigenwilligen Formen: ein organischer moderner Sakralbau, der im Material eine regionale Tradition aufnimmt, ohne seine Gegenwart zu leugnen. Als Sohn der Toskana wusste Michelucci um die antiken Wurzeln, suchte nach neuen Anknüpfungspunkten, befasste sich mit dem Haus als Hütte und Turm, dem uneingeschränkt begehbaren Raum, der veränderbaren Stadt. Einige Bauten wurden erst nach seinem Tod fertig. Als Leitstern der „Gruppo Toscano“, Vordenker und Lehrer prägte er in seiner offenen Haltung die Folgegeneration.

Seine Schüler Edoardo Detti, Leonardo Ricci und Leonardo Savioli führten die „Toskanische Schule“ fort. Detti (1913-84) wirkte vor allem als Stadtplaner. Mit Carlo Scarpa plante er u.a. die Kirche von Firenzuola (1957), gestaltete ein Appartementhaus in Marina di Carrara konsequent als Betonkubus mit eingeschnittenen Terrassen und Fenstern. Ricci (1918-94) und Savioli (1917-1982) verband nicht nur der Vorname, sondern auch eine lebenslange, brüderliche Freundschaft und ausgeprägte Liebe zur Malerei. Beide planten die eigenen Häuser selbst, Lichteinfall und Kunstwerke im Innern vermitteln Atelieratmosphäre. Sie entsprechen dem Typ des Künstlerarchitekten, was sich auch an der expressiven Plastizität ihrer Bauten zeigt.

Ricci führte eine Künstlerwerkstatt in Moterinaldi als Ort der Begegnung. Hier trafen sich u.a. Marino Marini, Albert Camus, Savioli, Lionello Venturi, Bruno Zevi und Elisabeth Mann Borgese, deren Villa Ricci baute. Er orientierte sich an der Avantgarde, beschäftigte sich mit Wright, Corbusier, Aalto. Seine Konzeption des sozialen Wohnbaus als organisch gewachsene, flexible Makrostruktur aus Sichtstahlbeton war wegweisend, wurde aber oft nur fragmentarisch realisiert. Mit Savioli plante er die „Case popolari di Sorgane“ (1963-80), eine mit mächtigen Betonstützen, auskragenden Flugdächern, Loggien und Balkonen eindrucksvolle Großform.

Savioli war ein charismatischer Lehrer. Baute er, gingen Kunst, Poesie und Architektur eine innige Verbindung ein. Ständig zeichnend, intensiv mit Malerei und Skulptur beschäftigt, fand er zu pulsierend dynamischer Räumlichkeit. Ins Bildgedächtnis gräbt sich sein „Edificio Il Triangolo“ (1982-86) in Pistoia, ein auf schmalen Stützen schwebendes, gigantisches Dreieck. Architektur, die als monumentale, bewohnte Skulptur in der Stadtlandschaft steht. Mit Danilo Santi und Silvano Fabbri plante er die Villa Taddei (1964-66), plastisch artikuliert sie den Kontrast von leicht und schwer, Beton und Glas. Über horizontalem Fensterband wirkt das massive Flachdach schwebend, darauf hauchdünn ein Geländer. Savioli und Santi setzten Material gekonnt ein: In der Überdachung des Gemüsemarkts von Pescia (1970-71) kommt die Leichtigkeit des Stahls zum Tragen. Als Saviolis bestes Werk gilt die Erweiterung des Friedhofs Montecatini.

In den 60ern formierte sich die Utopisten-Avantgarde in Gruppen wie Archizoom, Superstudio. Heute bauen die „Exradikalen“ sehr konventionell. Aus aktuellen Projekten ragt einzig die reduzierte, klare Architektur von Massimo Carmassi heraus. Trotz gewaltiger Dimension wirkt sein nüchterner Wohnblock in Cisanello (1985-88) nicht eintönig: Ziegelmauerwerk gibt ihm kleinteilige Struktur, Rundbögen zitieren abstrahiert ein Viadukt. Carmassis starke, strenge Großformen entfalten ihren eigenen Reiz durch gliedernde Elemente im Spiel von Licht und Schatten und das erdige Baumaterial. Fotos, wie sie im Ringturm zu sehen sind, vermitteln einen Eindruck, die gebaute Realität dahinter lässt sich nur erahnen. Eine Entdeckungsreise zur modernen Architektur in die Toskana dürfte sich lohnen.


[Toskana: Architektur der Moderne. Bis 3. Oktober 2003. Wiener Städtische Versicherung, Ausstellungszentrum im Ringturm, Schottenring 30, 1010 Wien. Mo-Fr 9-18 Uhr, Do 9-19.30 Uhr, freier Eintritt.]

Der Standard, Sa., 2003.08.30

02. August 2003Isabella Marboe
Der Standard

Branding Architecture

Architektur als Marketingfaktor: Ein internationaler Trend prägt zunehmend hiesige Skylines. Mit „5.000.000 m³ Wien. Die neuen Großprojekte“ wagt das Architekturzentrum Wien einen Blick in die Zukunft. Eine Schau, die Fragen aufwirft, ohne sie zu beantworten.

Architektur als Marketingfaktor: Ein internationaler Trend prägt zunehmend hiesige Skylines. Mit „5.000.000 m³ Wien. Die neuen Großprojekte“ wagt das Architekturzentrum Wien einen Blick in die Zukunft. Eine Schau, die Fragen aufwirft, ohne sie zu beantworten.

Baukräne drehen sich in luftiger Höhe, Tieflader kurven durch die künftige Garage, wie Ameisen wimmeln behelmte Arbeiter über den Rohbau, es lärmt und staubt: Das T-Center in St. Marx ist heftig „under construction“. Dynamisch knickt die „Rennwegkante“, der Sockel besticht mit einem Netz aus Unterzügen, Betonrippen und schrägen Gabelstützen. Schon jetzt ist die Durchlässigkeit spürbar, die der Architektur Consult (Domenig-Eisenköck-Peyker) bei ihrer „liegenden Skulptur“ vorschwebte. Bald wird sich mit großer Geste Domenigs „Flügel“ am Rennweg aufschwingen, um überm Schlachthofareal abzuheben, wo niedrigere „drei Finger“ kleinteilige Höfe bilden. Die räumlich differenzierten Baukörper mit Luftgeschoßen, Blickverbindungen, durchgängigen Ebenen und Wegen könnten im 470.000-m³-Megaprojekt lebendigen „urbanen Raum“ (Eisenköck) werden lassen.

Über kleinteilige, flexible Strukturen zur Neunutzung der alten Rinderhalle St. Marx zerbrechen sich die Niederländer MVRDV (Winy Maas), Architektur Consult, Hoffmann & Janz den Kopf, Manfred Wehdorn wacht über die Denkmalpflege. Sind Vorverwertung und Investor gesichert, wird die Umsetzung entschieden.

St. Marx ist nur ein Areal, wo neue Projekte Wachstumsschübe initiieren sollen, in der Fülle akuter Planungen verliert sich der Überblick. Das Architekturzentrum Wien bemüht sich um Abhilfe und füllt das Sommerloch mit der Schau 5.000.000 m³ Wien. Die neuen Großprojekte. Gezeigt werden 16 Bauvorhaben mit massiver städtebaulicher Auswirkung.

Ein runder, zylinderförmiger Bürorumpf mit abgetreppter Dachzone, bekrönt von zartem Stahlgeflecht mit leuchtender Spitze: Unverkennbar stammt der neue Messeturm im Prater aus Gustav Peichls Feder. Die Zeit drängte, Ende August werden ca. 25.000 Gäste hier zum Kardiologenkongress stürmen, in freier Vergabe wurden Generalplaner Fritsch, Chiari & Partner die Architekten Peichl & Partner zugestellt. Die alten Hallen sind saniert, zügig schreitet der Ausbau von Mall und Foyer West voran. Der Termin hält, der Kongress kann kommen, 2004 läuft die „Messe Wien Neu“ im Vollbetrieb. Um den Sinkflug Wiens als Messestandort zu stoppen, herrschte akut Handlungsbedarf, der Kratzer in der Vergabeoptik bleibt.

Nach jahrzehntelanger Skepsis macht sich Höhe breit: Neue Skylines formieren sich am Horizont. Die Türme, die unter Bedachtnahme aufs Weltkulturerbe in Wien-Mitte nicht ungehindert wachsen dürfen, wuchern üppig anderswo. „Monte Laa“ (Albert Wimmer, Hans Hollein) harrt des Spatenstichs, der „Saturn Tower“ auf der Donau-City (Hans Hollein, Heinz Neumann) ist in Bau, Ende 2004 werden die verschränkten Türme mit Spiegelglasfassade, Flugdach, Skylobbies fast 90 m gen Himmel ragen. Von Dominique Perrault ist der neue „Masterplan ViennaDC“. Auf einer horizontalen Ebene entwickelt er mit schlanker singulärer Vertikale urbanes Inselszenario. Von Stararchitekten geplant, zeigen sich die Großprojekte auf Schaubildern im visualisierten Glanzlicht: Architektur als Eckstein im Marketing.

Gigantische Bauvorhaben pflastern den Weg vom Zentrum zum Flughafen, eine Stadtentwicklungszone, die vor grenzüberschreitenden Perspektiven „Vienna Region“ getauft wurde. Norman Foster erstellte den Masterplan, der die Aspanggründe ins „Eurogate“ zum Arbeiten, Shoppen, Wohnen, Relaxen verwandeln soll.

Kurz vorm Baustart ist das „Gate 2“, ein markanter Bürokomplex von Hans Hollein, Neumann & Partner, Hermann & Valentiny als repräsentatives Entree der Gasometer. In Erdberg wächst die „Town Town“ (Coop Himmelb(l)au, Peichl & Partner), in Schwechat ein Office Park (Wilhelm Holzbauer) und ein futuristischer Flugsicherungskontrollturm (Zechner & Zechner-Lorenz). Die städtebauliche Umstrukturierung zur Airport-Erweiterung mit sichelförmigem Zubau (Arge Itten+Brechbühl AG/ Baumschlager-Eberle GmbH) soll im Jahre 2008 fertig sein.

Auf Wiens Geleisen kommt die ÖBB-Bahnhofsoffensive jetzt ins Rollen. Noch ist Wien-Nord in der faszinierenden Mischung aus Verwahrlosung, Kleinhändlertum und Menschengewimmel die temporäre Heimat diverser Randexistenzen, im Zuge der U2-Verlängerung wird der Bahnhof erneuert. Das Atelier Albert Wimmer versieht ihn mit einer großen, transparenten Dachstruktur, die komfortabel vor Witterung schützt. Klare Wegführung garantiert gute Orientierung, neue, saubere Geschäfte dürften die Rentabilität sichern. Die Platzgestaltung übernimmt Boris Podrecca. Seine Kuppel aus pneumatischen Folien überm Praterstern kam zu Architekturbiennale-Ehren, aber nicht zum Bau. Dem Westbahnhof wird das Team Neumann & Steiner ein neues Outfit und Hinterland verpassen. „Wir müssen betriebswirtschaftlich agieren. Der Bahnhof als öffentlicher Ort hat sich stark verändert. Die ÖBB ist nicht dazu da, soziale Probleme zu lösen. Wir sind vor allem Fahrgästen verpflichtet“, so Pressesprecher Gary Pippan. Die Problematik wird sich verlagern, verschwunden ist sie damit nicht.

Masse ist nicht gleich Klasse. Die architektonischen Filetstücke unter den „5.000.000 m³“ fußen fest im Stadtgebiet, wo sie subtil auf ihr Umfeld reagieren. Denkbar schwierig waren die Rahmenbedingungen zur Erweiterung von Roland Rainers Stadthalle. Als Ersatz der Kurhalle Oberlaa und um Kapazitäten besser zu nutzen, war ein Zubau nötig, der zwölf Meter Höhe nicht überragen durfte. Der elegante Baukörper der Architekten Dietrich/Untertrifaller schwebt überm Boden, nimmt gemeinsame Kartenbüros, die neue, multifunktionale Halle mit Balkon, Foyer, Probebühne, Lager, Technik, Gastronomie etc. ebenso auf wie die Formensprache Rainers, ohne seiner Stadthalle Konkurrenz zu machen. Mit einem Vorplatz zum Gürtel schafft die Planung Mehrwert fürs Umfeld.

Neue Lebensqualität bringt auch das von BUSarchitektur geplante „Forum Schönbrunn“ ins dicht verbaute Gebiet. Als Stadtbalkon für alle bietet eine urbane Platte Aussicht aufs Schloss, durchgängige Passagen, Grünräume, Höfe auf verschiedenen Ebenen lassen Viersternehotel, Business-Center und Stadtvillen zur vielfältigen städtischen Landschaft werden. „Urbanität entsteht nicht nur durch Konsum“, sagt Architektin Laura Spinadel. „Es soll keine monofunktionale Indoor-City werden.“ Im stetigen Dialog mit Projektentwickler BAI, Stadt und Anrainern leistet sie Überzeugungsarbeit für den Mehrwert durchlässiger Räume, die aufs Grätzel positiv wirken. Nutzungsszenarien werden erstellt, Kompromisse gesucht.

Viele Projekte initiierten die Developer zur Hochkonjunktur mit Blick auf die EU-Osterweiterung, um internationale Konzerne nach Wien zu locken. Bei weltweiter Rezession, Leerständen in bestehenden Büroflächen und gedrosseltem Zuzug scheinen fünf Millionen Kubikmeter krass überdimensioniert. Bei der Podiumsrunde am 23. Juli korrigierte Wiens Planungsstadtrat Rudolf Schicker die sagenhafte Zahl hinauf und rechnet mit der Realisierung von 70-80 Prozent. „Umgerechnet halten wir eine Stadt wie Salzburg in Reserve. Wir sind gerüstet, 100.000 Arbeitsplätze zu schaffen, die Projekte sind in Teilen gestaltbar“, reagiert er auf die ungewissen Entwicklungsszenarien einer globalisierten Welt. Ob das richtig war, wird sich erst zeigen.


[5.000.000 m³ Wien. Die neuen Großprojekte.
Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1 im MQ, tägl. 10-19 Uhr, Mi 10-21 Uhr, Bis 1. 9.

„sommer tours“ zum Thema: So, 3. 8., 14 Uhr,
So 13. 8., 14 Uhr: Im Nordosten: Praterstern, Vienna DC, Messe Wien Neu. So, 10. 8., 14 Uhr, So 20. 8.,
14 Uhr: An der Tangente: Monte Laa, Eurogate, T-Center, Town Town.]

Der Standard, Sa., 2003.08.02

19. Juli 2003Isabella Marboe
Der Standard

Meister des Unwägbaren

Die französischen Architekten Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal verweigern spektakuläre Bauten. Nicht das Außen, das Innen zählt. Das Architektur- zentrum Wien widmet dem radikal stillen Duo eine Personale.

Die französischen Architekten Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal verweigern spektakuläre Bauten. Nicht das Außen, das Innen zählt. Das Architektur- zentrum Wien widmet dem radikal stillen Duo eine Personale.

Patentrezepte für gute Architektur gibt es nicht. Um Räume zu schaffen, in denen sich Menschen gern aufhalten, braucht es mehr als Funktion, Form und Material. Rasch und instinktiv erspüren alle Sinne die Atmosphäre, die Lebendigkeit zulässt. Sie entsteht aus schwer messbaren Größen. Im Umgang damit sind Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal wahre Meister. Ihre intuitive, poetische Architektur nimmt die spezifischen Schwingungen eines Ortes auf, um sie um eine neue Facette zu bereichern.

Mit „Lacaton & Vassal. Jenseits der Form“ zeigt das Architekturzentrum Wien eine Personale des französischen Duos. Ihre Lehr-und Wanderjahre verbrachten die zwei in Afrika. Präzise und bedürfnisorientiert lernten sie dort, aus einem Minimum an Ressourcen ein Maximum an schattigem Wohnkomfort zu schaffen. Sechs Monate suchten sie den passenden Ort für eine Strohhütte in Niamey, Westafrika. Auf einer Sanddüne, die von den kühlen Böen am Niger profitierte, wurde das Haus mit Umfriedung in zwei Tagen aufgebaut. Das war 1982. Der Wind zerstörte die Hütte, die sich dem Kreislauf der Natur fügte und hochökonomisch zu Sand wurde. Der früheste Bau der beiden, seinem Grundprinzip blieben sie treu: „Dass man mit fast nichts so viel machen kann, ist der Gedanke, der uns immer leitet.“

Die Planungsweise der Architekten entspricht ihrer Haltung. Sie verzichten auf Skizzen, Pläne, Modelle und Computeranimationen, verschwenden keine Energie an formale Spielereien und spektakuläre Bilder. Stattdessen verbringen sie viel Zeit vor Ort, beobachten dortige Verhaltensweisen genau, lassen alles auf sich wirken. In präziser Analyse und intensiven Recherchen werden Nutzerbedürfnisse umfassend registriert. Gemeinsam mit Professionisten diverser Sparten forscht man nach der besten Lösung. Wesentlich ist der Prozess, kontinuierlicher Austausch führt zu innovativer Materialanwendung. Die Essenz der vielschichtigen Kommunikation fließt in den letzten, maßgeblichen Plan. Er bleibt das einzige Dokument, das gebaute Resultat spricht für sich. Lacaton & Vassal schrecken auch vor konsequenter Enthaltsamkeit nicht zurück. Entzückt von der stillen, gewachsenen Harmonie der Place Léon Aucoc in Bordeaux, wollten sie den Ort so belassen, wie er war. Die Projektentwicklungszeit investierten sie in eine schlüssige Argumentation, um auch den Bürgermeister von ihrer unauffälligen Lösung zu überzeugen. Kleine Sanierungs- und Verkehrsmaßnahmen waren alles, was es brauchte.

Die beiden denken nicht in den eingefahrenen Bahnen ihrer Profession. Pflanzen, Stoffe, Gewächshäuser, Aquarien zählen ebenso zu ihren Baumaterialien wie Beton, Glas und Stahl. Mit dem Haus Latapie in Floirac stießen sie 1993 an den Wahrnehmungshorizont der interessierten Fachwelt vor, die seither ihr Werk neugierig verfolgt. Knapp 55.000 Euro kostete das zweigeschoßige Einfamilienhaus am Rand von Bordeaux. Es besteht aus einem Holzkubus mit Sanitär- und Stiegenkern. Die Längsseiten lassen sich durch Schiebe- und Falttüren völlig öffnen oder schließen. Als zugeknöpfte Wellblechkiste oder einladend freundlich zeigt sich das Haus zur Straße, gartenseitig ist ein beheiz- und belüftbares Glashaus mit transparenter Polycarbonatverkleidung vorgeschaltet. Es schafft angenehmes Wohnklima, bietet eine hohe, morgensonnenlichtdurchflutete Zusatzzone mit Luftraum und Gartenblick. Luxus zum Low Budget.

Die Universität für Kunst und Humanwissenschaften in Grenoble hat auch eine Polycarbonatplattenfassade, dahinter Pflanzentröge. Bei gutem Raumklima haben alle, die hier mit rauchenden Köpfen lernen, die Option auf den Blick in die blühende Pracht. Sechs Gärten mit verschiedenfarbigen Rosenbüschen bereichern die Architekturschule in Compiègne, einen geradlinigen, zweigeschoßigen Riegel mit großzügiger, kommunikationsfördernder Mittelzone.

Natur ist bei Lacaton & Vassal viel mehr als ein Schlagwort. Um den dichten Pinienhain einer traumhaften Bucht am Atlantischen Ozean nicht zu dezimieren, wurde ein Haus in Lège auf Stelzen überm Boden gebaut, die sechs Bäume am Grundriss wachsen einfach weiter durch Wohnraum, Oberlichten und Terrasse durch. Liebevoll wurden die Stämme eingefasst, Dach- und Bodenabdichtungen drumherum geführt. Das Haus in Coutras besteht aus zwei vorgefertigten, je 150 m großen Glashäusern: eine Holzkonstruktion verwandelt eins zum Wohnhaus, das zweite bleibt Wintergarten. Schatten spenden textile Elemente, ein intelligentes Heiz- und Belüftungssystem garantiert optimales Raumklima. Eine extrem billige, innovative Form des Wohnens. Bei den „Maisons à Mulhouse“ soll das Prinzip seriell zur Anwendung kommen. „Architektur ist wie Kleidung auf der Haut: Ein Haus besteht aus Schichten, die das Leben bekleiden, das sich unter seinem Dach ereignet!“, lautet die Maxime von Lacaton & Vassal.

Ihre radikale Architektur stiller Innerlichkeit verweigert sich spektakulären Bildern und signifikanten Baukörpern. Trotzdem sind die beiden in den Focus der internationalen Debatte vorgedrungen: Am 28. Mai wurde der Preis der Europäischen Kommission für zeitgenössische Architektur an Zaha Hadid vergeben. Im Rennen war aber auch der Umbau des „Palais de Tokyo“ in Paris zum Zentrum für zeitgenössische Kunst von Lacaton & Vassal. Ursprünglich sollte das „Palais“ ein Kino werden, doch als die Kosten explodierten, kam es zum Baustopp. Dekor und Zwischenwände waren weg, der Beton der Substanz von 1937 lag frei, dafür kam das Raumvolumen ungeteilt und unverfälscht zur Geltung. Das installationsartige Industriehallenambiente befand das Duo als ideal für moderne Kunst, im Prinzip wurde das Baustellenflair beibehalten. Das „Palais“ ist heute eine lebendige Flaniermeile für alle.

„Die ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen: militärisch, streng, hart, autoritär. Selbst der Himmel ist in den Höfen eingerahmt, diszipliniert“, so charakterisierten die zwei Franzosen das Wiener Museumsquartier, wo sie die Cafeteria Una planten. Kacheln mit Blumengirlanden und Arabesken überziehen nun die alten Gewölbe, zaubern einen Hauch von orientalischem Müßiggang und Laissez-faire ins Lokal. Lang dauerte die Suche nach dem Design, die Muster sind nach alter Vorlage von Asiye Kolbai Kafalier entworfen. Im Siebdruck gefertigt, handbemalt, mit Unregelmäßigkeiten behaftet, wirken die türkischen Kacheln, als wären sie immer da gewesen. Assoziationen an die Genesis hiesiger Kaffeekultur nisten unter diesem Baldachin. Angeregtes Stimmengewirr, die Augen wandern in den Hof, aufs Gewölbe. Lange Kabel schwingen sich empor, an einem Ende die Lampe, das andere mündet in einen Stecker. Erfrischend unkomplizierte Lösungen wie diese, verschiedene Sitz - und Stehzonen verleihen dem Una seinen Charme. An der Wand ein Satz von Lacaton & Vassal: „Es ist die Lösung im Inneren, die das Äußere bestimmt.“ []


[„Lacaton & Vassal: Jenseits der Form.“ Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1, 1070 Wien, tägl. 10-19 Uhr. Bis 6. 10. 2003, Tel.: (01) 522 31 15 ]

Der Standard, Sa., 2003.07.19

27. Dezember 2002Isabella Marboe
Die Presse

Stahl im Hochhausbau, Stil im China-Restaurant

Helmut Richter wirkt schon elf Jahre lang als Professor am Institut für Hochbau II. der TU Wien. Über Lehre, Innovationen, Hochhäuser und Baukultur.

Helmut Richter wirkt schon elf Jahre lang als Professor am Institut für Hochbau II. der TU Wien. Über Lehre, Innovationen, Hochhäuser und Baukultur.

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13. Dezember 2002Isabella Marboe
Die Presse

Bauen mit himmelblauen Flammenflügeln

Wolf D. Prix, Architekt, Professor an der Wiener Angewandten, mit Coop Himmelb(l)au weltweit erfolgreich, wurde sechzig.

Wolf D. Prix, Architekt, Professor an der Wiener Angewandten, mit Coop Himmelb(l)au weltweit erfolgreich, wurde sechzig.

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04. Dezember 2002Isabella Marboe
Die Presse

Architektur voll Lebensfreude

„Emerging architects 3“ : im Architekturzentrum Wien beweist die reiche Vielfalt neuer Baukultur.

„Emerging architects 3“ : im Architekturzentrum Wien beweist die reiche Vielfalt neuer Baukultur.

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30. Oktober 2002Isabella Marboe
Die Presse

Keine Kuppel mehr überm Praterstern

Ein billiger Kompromiß für Wien-Nord. Ein transparenter Bahnhof von Sieger Albert Wimmer - Boris Podrecca soll den Platz planen.

Ein billiger Kompromiß für Wien-Nord. Ein transparenter Bahnhof von Sieger Albert Wimmer - Boris Podrecca soll den Platz planen.

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verknüpfte Bauwerke
Bahnhof Wien-Nord Praterstern

17. September 2002Isabella Marboe
Die Presse

Wohnbeton in Hütteldorf am Mauerbach

Das Architekturzentrum Wien zeigt „9=12 - Neues Wohnen in Wien.“ Eine wirkliche Neuerung im Wohnbau bringt das präsentierte Modell nicht.

Das Architekturzentrum Wien zeigt „9=12 - Neues Wohnen in Wien.“ Eine wirkliche Neuerung im Wohnbau bringt das präsentierte Modell nicht.

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verknüpfte Bauwerke
Mustersiedlung 9=12

14. September 2002Isabella Marboe
Die Presse

Räume verschwinden in Gegenräumen

Die Grenzen ihrer Disziplin sprengt junge Architektur in der Wiener Secession. Die Ausstellung „trespassing - Konturen räumlichen Handelns“ zeigt neue Strategien.

Die Grenzen ihrer Disziplin sprengt junge Architektur in der Wiener Secession. Die Ausstellung „trespassing - Konturen räumlichen Handelns“ zeigt neue Strategien.

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04. Mai 2002Isabella Marboe
Die Presse

Am Ende? Der Shop!

Genaugenommen würde ein Blick in die Flughafentrafik reichen, um hinlänglich für den Small talk daheim informiert zu sein. Wie Barcelona den 150. Geburtstag Antoni Gaudís feiert: ein Lokalaugenschein.

Genaugenommen würde ein Blick in die Flughafentrafik reichen, um hinlänglich für den Small talk daheim informiert zu sein. Wie Barcelona den 150. Geburtstag Antoni Gaudís feiert: ein Lokalaugenschein.

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Profil

Isabella Marboe lebt und arbeitet als Architekturjournalistin in Wien. Die Architekturjournalistin studierte an der TU Wien und der Bezalel University in Jerusalem Architektur, nach ihrem Diplom absolvierte sie die katholische Medienakadamie und den Lehrgang Magazinjournalismus vom „Profil“. Weil Architekturmedien immer rarer und Journalismus immer schnellebiger wird, gründete sie ihr eigenes online medium www.genau.im
Newsletterabonemments und Mitgliedschaften willkommen!
Isabella Marboe schreibt regelmäßig für diverse Qualitätsmedien wie das „spectrum“ der Tageszeitung „die Presse“, die deutsche ,Detail', die DBZ, Piranesi, die renommierte Wochenzeitung ,die Furche', das niederösterreichische Kulturmagazin ,morgen’, verfasst Beiträge für die vom vai kuratierte Architektur-Beilage „Leben & Wohnen“ der Vorarlberger Nachrichten, sowie das niederösterreichische Magazin „gestalten.“
Sie war jahrelang leidende Redakteurin von architektur.aktuell und hatte in einer Co- Chefredaktion mit Dr. Sandra Hofmeister die deutsche Ausgabe von „domus“ konzipiert und geleitet.

Lehrtätigkeit

Lehrveranstaltung ,PR für Architekten' am Institut für Raumgestaltung und Entwerfen der TU Wien.

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
ögfa, ORTE Architekturnetzwerk, Presseclub Concordia

Publikationen

„Spectrum“ die Presse, „die Furche“, detail, dbz, „Leben & Wohnen“ in den VN, „der Plan“, „morgen“
„Bauen für die Gemeinschaft in Wien“, detail Verlag, Beiträge für Best of Austria

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