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Bauwerke

Artikel 12

01. Juli 2003Jürgen Tietz
Neue Zürcher Zeitung

Vom „Local Hero“ zum „Global Player“

Das Architektenduo Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle

Das Architektenduo Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle

Das Vorarlberger Architektenduo Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle, kurz B & E, gilt als Vorreiter eines selbstbewusst modernen Regionalismus in der Alpenregion. Mit ihren Arbeiten sorgen sie seit Mitte der achtziger Jahre für Furore und haben dabei bleibende Spuren hinterlassen - in der Landschaft ebenso wie in den Diplomarbeiten zahlreicher junger Architekturstudenten, die sich gerne an der unkonventionellen Kreativität von B & E bedienen. Kein Wunder also, dass auch die Publikationen ihrer Arbeiten stets grosse Resonanz erfahren. Jetzt bietet Liesbeth Waechter-Böhm einen Überblick über die neuste Werkentwicklung. Einen einleitenden Essay hat dafür Kenneth Frampton geliefert; sein Inhalt bleibt jedoch seltsam uninspiriert.

Dabei waren die letzten fünf Jahre für B & E Jahre des Wandels, denn das Büro ist auf dem Sprung vom «Local Hero» zum architektonischen «Global Player». Doch vermögen B & E den Spagat eines «glocal» operierenden Teams zu bewältigen? Schliesslich sind es gerade die besonderen Lösungen für die kleinen, feinen Aufgaben, die das Büro auszeichnen. Jene Prise Phantasie, die die Schindelfassade bei einem Einfamilienhaus ebenso zum Erlebnis macht wie die Paraphrase des Themas Wolkenbügel von El Lissitzky beim Hafengebäude in Fussach (beide 2000) oder die Holzlamellenkonstruktion an der Fassade eines Betriebsgebäudes im Allgäu (1998). Diese bietet einen Rückbezug auf Landschaft und Tradition, ohne dabei je ins Folkloristische abzugleiten. Ohnehin das Material: Ob Glas, Beton oder Holz, das Vorarlberger Duo zeigt Mut zur Vielfalt. Das gilt nicht zuletzt für seine Wohnbauten - selbst wenn es in einen grösseren städtebaulichen Massstab geht, wie bei der Siedlung am Lohbach in Innsbruck (2000). Dort zeichnet der zusammenschiebbare Sonnenschutz an der umlaufenden Balkonzone ein abwechslungsreiches Fassadenmuster auf die würfelförmigen Häuser. Einen eher manierierten Eindruck hinterlässt dagegen die Wohnanlage in der Sebastianstrasse in Dornbirn (2001). Die weissen Glasscheiben der äusseren Fassadenhülle lassen sich - wie so oft bei B & E - übereinander schieben. Gleichwohl wirkt der Bau bei aller Eleganz keineswegs so selbstverständlich, wie man dies von anderen Projekten gewohnt ist.

Mit der Neugestaltung der Münchner Rückversicherung in München (2001) haben die Architekten die nächste Etappe in ihrem Werk erreicht: Die Waschbetonfassade des aus den siebziger Jahren stammenden Baus in Schwabing wurde aufgeschnitten und mit einer neuen Glashaut versehen. Auch im Inneren haben B & E für Raumkunst gesorgt und eine 55 Meter lange Halle vollständig mit hellem kanadischem Ahorn ausgekleidet. Arbeiten von Keith Sonnier und Olafur Eliasson komplettieren den kunstvoll anspruchsvollen Bau. Doch weit grössere Projekte stehen noch an: allen voran der neue Wiener Flughafen, aber auch das WHO/Unaids-Verwaltungsgebäude in Genf und die Erweiterung der Zürcher ETH. Der endgültige Sprung unter die Grossen der Architekturszene dürfte den Vorarlbergern aber mit der Mega Hall für Peking gelingen, zugleich der grösste Massstabsprung für das Büro: Sehen die Planungen doch drei Hochhäuser zwischen 80 und 100 Metern vor, die aus einer gemeinsamen Sockelzone emporwachsen. Dagegen wirkt das Hochhaus, das zurzeit an der Zürcher Hohlstrasse entsteht, mit seinen 60 Metern fast schon niedrig. Für jenen zeitgemässen Regionalismus, der den Ruf des Architekturbüros begründet hat, dürfte bei diesen Projekten nur noch schwerlich Raum bleiben.


[Liesbeth Waechter-Böhm: Baumschlager & Eberle. Bauten und Projekte 1996-2002. Dt./engl. Springer-Verlag, Wien 2003. 192 S., Fr. 80.-.]

Profil

Gegründet 1985 in Vorarlberg (Österreich), verfügen Baumschlager Eberle Architekten derzeit (2022) über elf unabhängige Dependancen in Europa und Asien sowie zwei asiatische Tochtergesellschaften. Die Bürogemeinschaften umfassen rund 260 Mitarbeitende aus 21 Nationen, die in 19 Sprachen kommunizieren.

Neben dem Schwerpunkt Wohnungs- und Bürobau sind Baumschlager Eberle Architekten in den Bereichen Bildung und Kultur, Gesundheit und Sport, Transport und Verkehr tätig. Besondere Bedeutung wird Städtebau und Nachhaltigkeit beigemessen. Auch Projekte der Innen- und Landschaftsarchitektur werden betreut. Das Gesamtwerk umfasst rund 500 realisierte Projekte in 20 Ländern auf drei Kontinenten.

Das Büro setzt Bauprojekte nach einer eigens entwickelten Prozessmethodik um. Wesentliches Element ist das Projektbuch: Es dokumentiert alle Projektschritte, erlaubt, Wünsche der Auftraggeber jederzeit zu überprüfen und abzugleichen und unterstützt die Qualitätssicherung.

Ausgefeilte Planungsmethoden, die Analyse des städtebaulichen Zusammenhanges und die Ökonomie der Primärstrukturen tragen zusammen mit der Optimierung von Fassaden und Haustechnik zur Nachhaltigkeit des Gebauten bei. Der Anspruch der Nachhaltigkeit inkludiert für Baumschlager Eberle Architekten auch wesentliche ästhetische und soziale Aspekte, die in die Planung einfließen.

Mission Statement: „Für uns trägt Architektur dazu bei, regionale Identitäten fortzuschreiben oder neue zu finden. Geometrie, Materialität und Licht sind die wesentlichen Mittel, um diese Botschaften zu formulieren. Ein Wohnhaus in Paris wird anders aussehen als ein Wohnhaus in Wien und das ist gut so. Es werden damit Handlungsspielräume eröffnet, die letztendlich von unseren ästhetischen Visionen getragen werden.“

Publikationen

2022 Marc Sauterau (Hg.), Philippe Trétiack: Hors-Série #52, Archistorm Baumschlager Eberle Architekten, Verlag Archistorm, Paris
2020 Dietmar Eberle, Eberhard Tröger (Hg.): Baumschlager Eberle Architekten 2010-2020, Birkhäuser, Basel
2020 Karina Dana: VIEW Baumschlager Eberle Architekten, archibooks, Paris
2019 Luis Fernández-Galiano (Hg.): AV Monografias 215 Baumschlager Eberle Architekten, Verlag Arquitectura Viva, Madrid
2019 Baumschlager Eberle Architekten, SCAPE Architecture (Hg.), Jean-Philippe Hugron: Office in Wood, Verlag AAM éditions, Paris-Brüssel
2018 Dietmar Eberle, Florian Aicher (Hg.): 9x9. Eine Methode des Entwerfens: Von der Stadt zum Haus weitergedacht, Birkhäuser, Basel
2015 Dietmar Eberle (Hg.), Eberhard Tröger: Dichte Atmosphäre. Über die bauliche Dichte und ihre Bedingungen in der mitteleuropäischen Stadt, Birkhäuser, Basel
2015 Dietmar Eberle, Florian Aicher (Hg.): be 2226. Die Temperatur der Architektur, Birkhäuser, Basel
2012 Gert Walden (Ed.): Annäherungen, Springer Verlag Wien New York
2007 Dietmar Eberle, Pia Simmendinger (Hg.): Von der Stadt zum Haus. Eine Entwurfslehre, gta Verlag, Zürich
2007 Winfried Nerdinger (Ed): Baumschlager Eberle. Architektur, Menschen und Ressourcen, Springer Verlag Wien New York

In nextroom dokumentiert:
Baumschlager Eberle Architekten, Eberhard Tröger, Dietmar Eberle, Birkhäuser Verlag
Baumschlager Eberle Annäherungen | Approaches, Gert Walden, SpringerWienNewYork
Baumschlager & Eberle, , SpringerWienNewYork

Auszeichnungen

2022
- MIPIM Awards (Projekt Montagne du Parc, Brüssel)
2021
- Schweizer Preis für Putz und Farbe (Projekt Haus Holdergasse, Vaduz)
2020
- Awards für Standort BE Southeast Asia, Hanoi: BCI Asia Awards, Top Ten Architects Award
- MIPIM Award (Projekt l1ve - Grande Armée, Paris)
- Fiabci Prix d'Excellence Austria (Projekt 2226 Lingenau)
- Prix Versailles und Golden Trezzini Award (Projekt Stenna Zentrum, Flims)
- SIATI 2020 (Projekt Cité Universelle, Paris)
- German Design Award und Trophée Séquence Bois (Projekt Green Office Enjoy, Paris)
2019
- Pyramides d'Argent (Projekt Maison de la Francophonie, Paris)
- S. ARCH 2019 (Projekt Incity Wuhan)
- Austria Green Planet Building und Prix de la Construction en bois (Projekt Green Office Enjoy, Paris)
-Fiabci World Excellence Award (Projekt UpTown Houses, Hamburg)
- BCI Asia Awards (Projekt Eastin Luxury Hotel, Hanoi)
2018
- BIM Award Gold 2018 (Projekt Montagne du Parc, Brüssel)
- BCI Asia Awards (Projekt Ocean Gate Hotel, Nha Trang)
- Palmarès de l‘Architecture et de l‘Aménagement (Projekt Neuer Justizpalast, Caen)
- SIATI 2018 (Projekt Green Office Enjoy, Paris)
- BDA Hamburg Architekturpreis und Fiabci Prix d'excellence Germany (Projekt UpTown Houses Finkenau, Hamburg)
- Dot Property Vietnam Awards (Projekt Imperia Sky Garden, Hanoi)
- Vietnam Property Awards 2018 (div. Hotelprojekte Vietnam)
2017
- Clé de Bronze de l’entreprise générale 2017 (Projekt Neuer Justizpalast, Caen)
- Dot Property Southeast Asia Best of the Best 2017 (Projekt Möwenpick Hotel & Resort, Phu Quoc)
2016
- Bauhärepräis (Projekt Maison du Savoir, Esch-sur-Alzette)
- Antonio Petrini Preis der Stadt Würzburg (Projekt Novum, Würzburg)
- Architekturpreis der Stadt Nürnberg (Easy Credit Haus, Nürnberg)
- Wienerberger Brick Award (Projekt 2226 Lustenau)
2015
- Mies van der Rohe Award, Nominierung (Projekt Krzysztof Penderecki Europ. Zentrum f. Musik, Lusławice)
- Mies van der Rohe Award, Nominierung (Projekt Maison du Savoir, Esch-sur-Alzette)
- German Design Award, Energy Globe und Mies van der Rohe Award, Shortlist (Projekt 2226 Lustenau)
2014
- Małopolska Voivodeship Award 2014 (Projekt Krzysztof Penderecki Europ. Zentrum f. Musik, Lusławice)
- Certification LEED (Projekt Ardeko, Boulogne-Billancourt)
2013
- Deutscher Natursteinpreis (Projekt ETH e-Science Lab, Zürich)
- Blue Stone Award (Krankenhaus AZ Groeninge Kortrijk, Brüssel)
- BDA Hamburg Architekturpreis (Projekt Centurion Commercial Center 01, Hamburg)
- Zertifikat in Gold der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (Projekt Killesberghöhe, Stuttgart)
2012
- SARP Award (Projekt Krzysztof Penderecki Europ. Zentrum f. Musik, Lusławice)
- AIT Award, Hamburg (Projekt Campus Diakonie, Düsseldorf)
- Zertifikat in Gold der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (Projekt Centurion Commercial Center 01, Hamburg)
2011
- AIT Healthcare Application Award (Projekt Krankenhaus AZ Groeninge Kortrijk, Belgien)
2010
- Österreichischer Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit (Projekt ETH e-Science Lab, Zürich)
- Auszeichnung guter Bauten 2010, Düsseldorf (Projekt Campus Diakonie, Düsseldorf)
- BTV Bauherrenpreis für Tirol und Vorarlberg, Anerkennung (Projekt Nordwesthaus, Fußach)
2009
- International Architecture Award, Chicago, USA (Projekt ETH e-Science Lab, Zürich)
- Deutsches Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in Gold (Projekt Commercial Center HafenCity, Hamburg)
- Deutsches Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen in Silber (Projekt TownTown CB03, Wien)
- Wiener Wohnbaupreis, Auszeichnung, Wien, A (Projekt StudentInnenwohnheim Molkereistraße, Wien)
- Austrian Brick & Roof Award, 2. Platz, Wien, A (Projekt Villa Menti Plaza, Feldkirch)
2008
- Aluminium-Architektur-Preis, Wien, Österreich (Projekt Attemsgasse, Wien)
- Architektur in Hamburg, Beste Projekte 1998 – 2008, Auszeichnung, Hamburg, D (Projekt Lehmweg, Hamburg)
2007
- Otto Wagner Städtebaupreis, Würdigung, Wien, A (Projekt Lohbach, Innsbruck)
2006
- Minergie-P Solarpreis, Zürich, CH (Projekt Eichgut Winterthur, Schweiz)
- Energy Globe, Wien, A (Projekt StudentInnenwohnheim Molkereistraße, Wien)
2005
- BDA Hamburg Architektur Preis, Hamburg, D
- Chinesischer Architekturpreis, Peking, China

In nextroom dokumentiert:
Vorarlberger Holzbaupreis 2023, Anerkennung, Peterhof, Alpe Furx
ZV-Bauherrenpreis 2022, Nominierung, Peterhof, Alpe Furx
ZV-Bauherrenpreis 2014, Nominierung, Haus 2226
6. Vorarlberger Hypo-Bauherrenpreis 2010, Preisträger, Nordwesthaus
Staatspreis Architektur & Nachhaltigkeit 2010, Sonderpreis, e-science Lab ETHZ
BTV-Bauherrenpreis für Tirol und Vorarlberg 2010, Anerkennung, Nordwesthaus
Aluminium-Architektur-Preis 2008, Preisträger, Wohnbau Attemsgasse
Staatspreis Architektur & Nachhaltigkeit 2006, Nominierung, Student:innenwohnheim Molkereistraße
ZV-Bauherrenpreis 2000, Preisträger, Wohnen am Lohbach

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