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Bauwerke

Artikel 12

02. August 2014Ulf Meyer
Neue Zürcher Zeitung

Nicht nur für Reiche bauen

Er zählt zu den wichtigsten japanischen Architekten unserer Zeit: Shigeru Ban. Seine gerne als human und ökologisch gefeierten Hauptwerke hat er bis jetzt jedoch fast nur im Ausland realisieren können. Dieses Jahr ist sein vielseitiges Schaffen mit dem Pritzkerpreis für Architektur ausgezeichnet worden.

Er zählt zu den wichtigsten japanischen Architekten unserer Zeit: Shigeru Ban. Seine gerne als human und ökologisch gefeierten Hauptwerke hat er bis jetzt jedoch fast nur im Ausland realisieren können. Dieses Jahr ist sein vielseitiges Schaffen mit dem Pritzkerpreis für Architektur ausgezeichnet worden.

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25. März 2014Ulf Meyer
Neue Zürcher Zeitung

Karton und Holz

In der traditionellen japanischen Architektur bestehen die Wände aus Papier. Das Motiv der Shoji hat der japanische Architekt Shigeru Ban erfolgreich für...

In der traditionellen japanischen Architektur bestehen die Wände aus Papier. Das Motiv der Shoji hat der japanische Architekt Shigeru Ban erfolgreich für...

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10. März 2012Maik Novotny
Der Standard

„Helfen ist das Schwierigste!“

Architekt Shigeru Ban ist mit Leichtbaukonstruktionen aus Papier weltweit bekannt geworden. Wie er jetzt den Tsunami-Überlebenden hilft, erfuhr Maik Novotny.

Architekt Shigeru Ban ist mit Leichtbaukonstruktionen aus Papier weltweit bekannt geworden. Wie er jetzt den Tsunami-Überlebenden hilft, erfuhr Maik Novotny.

STANDARD: Was hat Sie als etablierten Architekten dazu bewogen, ein Netzwerk von freiwilligen Architekten zu gründen und sich der Katastrophenhilfe zu widmen?

Ban: Ich war von meinem Berufsbild als Architekt enttäuscht. Wir Architekten arbeiten fast immer für die Privilegierten. Sie haben Geld, Macht oder beides und beauftragen uns, ihnen Denkmäler zu bauen, die diese Macht symbolisieren. Das war schon immer so. Mein Büro tut das genauso - im Moment bauen wir zum Beispiel ein Museum. Aber ich möchte meine Erfahrung auch für die Allgemeinheit nutzen. Das ist unsere Verantwortung! Wenn eine Naturkatastrophe passiert und in kurzer Zeit Notunterkünfte benötigt werden, ist von den Architekten meistens weit und breit niemand zu sehen. Dabei könnten wir hier vieles verbessern, wenn wir helfen. Also sollten wir das tun.

STANDARD: Wo stehen Sie im Moment beim Wiederaufbau?

Ban: Wir haben zuerst über 1800 Notunterkünfte für die Evakuierten in Hallen an über 50 Orten im gesamten Gebiet errichtet, mit einem einfachen Stecksystem aus Papprohren, durch das man einfach Privatheit und Sichtschutz herstellen kann. Jetzt, in der zweiten Stufe, bauen wir temporäre Wohnungen in Onagawa in der Provinz Miyagi. Das Problem ist, dass die gesamte Küste sehr felsig ist und es kaum ebene Flächen gibt, auf denen man bauen kann. Die Regierung hatte nur eingeschoßige Bauten vorgesehen, die sehr viel Fläche benötigen. Ich habe daher mehrgeschoßige Bauten aus schnell stapelbaren Containern vorgeschlagen, das ist für solche Zwecke in Japan noch nie gemacht worden.

STANDARD: Benötigen die Menschen nicht mehr als nur Wohncontainer, wenn sie auf unbestimmte Zeit dort wohnen müssen?

Ban: Natürlich. Sie brauchen öffentliche Räume. Die Standardhäuser haben einen Abstand von nur 3 Metern, das ist viel zu wenig, um diese Räume zu schaffen. Wir haben Abstände von 11 Metern, die wir zum Beispiel für Büchereien oder überdachte Märkte nutzen. Zurzeit suchen wir Sponsoren für ein öffentliches Bad. Die Badezimmer in den Wohnungen sind in Japan traditionell sehr klein, und auch in den Containern ist nicht viel Platz.

STANDARD: Für welchen Zeitraum sind die Container ausgelegt?

Ban: Das weiß noch niemand. Die Provisorien können permanent werden, das kann man nicht ausschließen. Es hängt davon ab, wie schnell die neuen Städte fertig werden. Die Notunterkünfte nach dem Beben in Kobe 1995 waren für zwei Jahre geplant, aber selbst danach hatten viele Menschen noch kein neues Zuhause.

STANDARD: Wo finden Sie die Freiwilligen für Ihr Netzwerk?

Ban: Es gibt keine Dauermitglieder. Ich sammle die Freiwilligen vor Ort, manchmal auch aus ganz Japan. Helfer aus dem Ausland müssten wir einfliegen lassen, und das können wir uns leider nicht leisten.

STANDARD: Gibt es Unterschiede, wenn Sie in China, Japan oder woanders Notunterkünfte bauen? Brauchen Japaner mehr Privatheit als andere?

Ban: Es gibt klimatische und kulturelle Unterschiede, und unterschiedliche Baumaterialien. Die Privatheit ist aber nicht das Problem - eher die veralteten Gesetze und Normen, die in Japan temporäre Bauten regeln und die seit ewiger Zeit nicht verbessert wurden. Ich hoffe, dass wir hier einen neuen Standard setzen können.

STANDARD: Werden Sie auch weiterhin vor Ort sein, wenn die Containerdörfer fertig sind?

Ban: Ja. In Onagawa bin ich Teil des Teams für den Masterplan für den Wiederaufbau und plane auch neue Wohnbauten. Eine der größten Aufgaben wird es sein, die Infrastruktur wieder aufzubauen.

STANDARD: Werden die neuen Städte am selben Ort wieder entstehen?

Ban: Nein, die meisten müssen verlegt werden, das hat die Regierung beschlossen. Letztendlich hat aber jeder Ort seinen eigenen Plan zum Wiederaufbau.

STANDARD: Viele Japaner haben kritisiert, dass sich die Regierung aus PR-Gründen zu stark den nuklearen Schäden in Fukushima zuwendet und die Flutopfer vernachlässigt. Stimmen Sie zu?

Ban: Das ist nicht ganz falsch. Aber sehen Sie: Nach einer Katastrophe wird immer die Regierung kritisiert. Die Politik kann nie alles richtig machen. Also müssen wir ihr helfen. Und das kann ich Ihnen sagen: Das Helfen ist die schwierigste Aufgabe von allen.

STANDARD: Trotz aller Schwierigkeiten: Wo werden Sie als Nächstes helfen?

Ban: Das tun wir schon. Im Moment bauen wir die beim Erdbeben zerstörte Kathedrale von Christchurch in Neuseeland wieder auf. Natürlich aus Pappe!


verknüpfte Akteure
Shigeru Ban Architects

20. April 2007Hubertus Adam
Neue Zürcher Zeitung

Architektonisches Gipfeltreffen

Nachhaltigkeit und Ökologie gewinnen in der Architektur zusehends an Bedeutung. Damit rückt auch die organische Architektur von Alvar Aalto wieder verstärkt ins Rampenlicht. In der Londoner Barbican Art Gallery zeigt der Japaner Shigeru Ban seine Sicht des Werks von Aalto.

Nachhaltigkeit und Ökologie gewinnen in der Architektur zusehends an Bedeutung. Damit rückt auch die organische Architektur von Alvar Aalto wieder verstärkt ins Rampenlicht. In der Londoner Barbican Art Gallery zeigt der Japaner Shigeru Ban seine Sicht des Werks von Aalto.

Dem Grossvater von Camilla Parker, Philip Morton Shand, kommt das Verdienst zu, das britische Publikum mit dem Œuvre von Alvar Aalto vertraut gemacht zu haben. Shand, der als Kritiker, Wegbegleiter und Inspirator der modernen Architektur in England von erheblicher Bedeutung war, veröffentlichte nicht nur Meisterwerke des finnischen Meisterarchitekten wie das Sanatorium Paimio in der Zeitschrift «Architectural Review»; auf seine Initiative hin fand im Londoner Warenhaus Fortnum & Mason 1933 auch die erste Ausstellung mit Möbeln Aaltos statt. Vom nachhaltigen Erfolg zeugte nicht zuletzt die Tatsache, dass die von Aalto zur Vermarktung seiner Sperrholzmöbel 1935 gegründete Firma Artek im Vereinigten Königreich ihren wichtigsten Auslandmarkt fand - achtzig Prozent des Exports gingen im Jahr 1936 dorthin. Aaltos Möbel fanden sogar ihren Platz in Erich Mendelsohns De la Warr- Pavilion in Bexhill-on-Sea. Mit seiner organischen Architekturauffassung bot Aalto eine Orientierung in Zeiten, da die Orthodoxie des in England ohnehin verspätet eingetroffenen internationalen Stils an Bindungskraft verlor. Eine Reihe britischer Architekten wurden vom Finnen beeinflusst - von Colin St. John Wilson bis hin zum jungen James Stirling.

Aalto als Inspirationsquelle

Gleichwohl ist eine umfassende Präsentation von Aaltos Arbeiten erst jetzt in London zu sehen. Auch wenn mit Juhani Pallasmaa ein finnischer Aalto-Kenner beteiligt wurde, handelt es sich bei der Schau in der Barbican Art Gallery nicht um eine gewöhnliche Retrospektive. Dass der japanische Architekt Shigeru Ban für Auswahl und Konzept verantwortlich ist, soll zusätzliche Attraktivität schaffen. «Alvar Aalto through the eyes of Shigeru Ban» lautet der Titel. Spätestens seit dem Auftrag für die Dépendance des Centre Pompidou in Metz, die im kommenden Frühjahr eröffnet werden soll, gilt Ban als Star der internationalen Architekturszene - wobei ihm in seinem Heimatland bei weitem nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wird wie im Westen.

Ban kam mit Aalto erstmals in Berührung, nachdem er 1984 an der Cooper Union in New York sein Studium abgeschlossen und als Assistent des Fotografen und Gründers der Zeitschrift «GA» («Global Architecture»), Yukio Futagawa, in Finnland gearbeitet hatte. Zwei Jahre später richtete Ban eine Aalto-Ausstellung in der Axis Gallery in Tokio ein. Hier verwendete er erstmals «Paper Tubes», feste Röhren aus Karton: als Raumteiler, als Tragelemente und als Deckenverkleidung. Aalto, so erklärt der japanische Architekt, habe ihn inspiriert, sich von seinem Lehrer John Hejduk sowie von den Heroen Mies van der Rohe und Le Corbusier zu emanzipieren und seinen eigenen Weg zu gehen. Mit den Paper Tubes fand er das adäquate Baumaterial, mit dem sich eine organische Architektur in neuer Materialisierung realisieren liess.

Die jetzige Londoner Ausstellung greift gestalterisch auf die Tokioter Präsentation von 1984 zurück. Ondulierende Wände aus grossen Kartonröhren bilden inmitten der zweigeschossigen Halle einen abgetrennten Raum, in welchem einige Projekte von Ban anhand von Modellen und Fotos vorgestellt werden, darunter die aus Paper Tubes, aber auch anderen Materialien konstruierten Einfamilienhäuser, das als Parasit in die Tragwerkstruktur des Centre Pompidou integrierte Temporäre Atelier (2004) oder die aus Kartonröhren konstruierten Notunterkünfte, die Ban in verschiedenen Katastrophengebieten der Welt realisiert hat, zuletzt in den vom Tsunami heimgesuchten Regionen Sri Lankas.

Um diesen Nukleus herum zeigt Ban eine reiche Auswahl von Arbeiten Aaltos. Die Galerieebene bietet einen chronologische Tour d'Horizon durch das architektonische Werk. Er setzt ein mit dem Arbeiterklub von Jyväskylä (1924/25), der für Ban als Werk des Übergangs vom Neoklassizismus zu einer nordischen Spielart der Moderne den Beginn eines eigenständigen Weges des Architekten Aalto verkörpert. Das Sanatorium von Paimio und die Bibliothek von Viipuri stehen für die funktionalistische Phase Aaltos, die Villa Mairea, eines der Meisterwerke des 20. Jahrhunderts, markiert den Übergang zum organisch geprägten Schaffen der Reifezeit. Ziegelstein bestimmte die Werke der «roten Periode», so das Studentenwohnheim des MIT Campus in Cambridge, Massachusetts (1946-49), oder das Rathaus von Säynätsalo (1948-52), nordisches Weiss die späteren Bauten im Stadtzentrum von Seinäjoki oder die Finlandia-Halle in Helsinki. Auf der unteren Ausstellungsebene werden übergreifende Aspekte des Werks thematisiert - etwa die Standardisierung, der sich Aalto in den Jahren des Zweiten Weltkriegs mit zwei Systemen präfabrizierter Holzhäuser widmete, aber auch die Materialisierung. Muster von Hölzern, glasierten Keramiken und Backsteinverbünden tragen ebenso zu sinnlicher Anschaulichkeit bei wie eine Reihe von Beleuchtungskörpern, denen der Architekt stets besondere Aufmerksamkeit widmete, sowie eine Kollektion von Möbeln und weiteren Einrichtungsgegenständen.

Selbststilisierung

Eine grosse Zahl von Leihgaben der Institutionen, die sich in Finnland dem Schaffen Aaltos widmen, macht die Ausstellung zu einem Erlebnis. Präsentiert werden Zeichnungen, Pläne, Fotos und Originalmodelle. Einen Blick auf die Materialität der Bauten vermitteln Detailaufnahmen, die von der amerikanischen Künstlerin Judith Butler speziell für die Ausstellung angefertigt wurden. Die neuen Modelle schliesslich entstanden an Bans Lehrstuhl an der Keio-Universität. Sie offenbaren ein eher formalistisches Herangehen an Aaltos Architekturen; die soziale Dimension der Architektur, die Ban in seinen über die Ausstellung verstreuten Sentenzen stets behauptet, wird weder hier noch anderswo wirklich greifbar. Überhaupt wirkt die ständige Konfrontation von Zitaten Aaltos mit Aussagen Bans etwas allzu penetrant.

Mitunter bleiben die Vergleiche schlicht oberflächlich, vor allem aber zeugen sie - was das glaubhafte Interesse an Aalto allerdings nicht relativiert - von der aufdringlichen Selbststilisierung des Japaners. Erfolgreich ist seine Strategie ohne Zweifel, wie der von ihm anlässlich der soeben eröffneten Möbelmesse im Park vor dem Triennale-Palast in Mailand errichtete Pavillon für die seit 2004 von Tom Dixon neu positionierte Firma Artek beweist.

[ Bis 13. Mai. Katalog: Alvar Aalto through the eyes of Shigeru Ban. Hrsg. Juhani Pallasmaa und Tomoko Sato. Black Dog Publishing, London 2007. 272 S., £ 29.95. ]

07. März 2003Michael Hausenblas
Der Standard

Lichtzeichen

Architekturstudenten der TU-Wien zeigen leuchtende Ideen aus Papier in einer Ausstellung, die zu einem feinen, kleinen Lichtermeer ausufert

Architekturstudenten der TU-Wien zeigen leuchtende Ideen aus Papier in einer Ausstellung, die zu einem feinen, kleinen Lichtermeer ausufert

Auch wenn die Folgen des Denkansatzes recht unbequem erscheinen - theoretisch könnten wir ohne Tisch, Bett, Stuhl und Schrank auskommen. Ohne Sofa sowieso. Niemals aber ohne Licht. Allein dieses gar nicht gemütliche Szenario zeigt, welche Bedeutung dem oft so stiefmütterlich behandelten Gestaltungselement namens Beleuchtung zukommt.

Und genau das dachte man sich auch an der Technischen Universität Wien, wo 48 angehende Architekten im Rahmen einer Lehrveranstaltung gemeinsam mit dem Institut für Raumgestaltung und Entwerfen das Thema Beleuchtung ins Rampenlicht rückten. Damit aber nicht genug. Weiters sollte - inspiriert durch einen Gastvortrag des japanischen Architekten Shigeru Ban - im hauseigenen Raumexperimentierlabor herausgefunden werden, wie gut sich der Werkstoff Papier mit lichtspendenden Quellen aller Art verträgt. Es sei vorweggenommen: Die Studenten brauchen ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.

Den Beweis dafür, 48 Leuchten unterschiedlichster Machart, die auch käuflich zu erwerben sind, treten sie in einer Ausstellung im Institut Français de Vienne an, die von den Lehrbeauftragten am TU-Institut, Anton Kottbauer und Susanne Höhndorf, kuratiert wurde.

Den beiden Projektleitern ging es jedoch nicht nur um eine theoretische Auseinandersetzung mit Licht, sondern auch um ein sehr praktisches Handanlegen in Sachen Lichtmachen. Für Susanne Höhndorf vom Architekturbüro „Rataplan“ sind vor allem die Maßstabsprünge spannend, denen die Studenten bei dieser Geschichte ausgesetzt sind: „Es ist ein Unterschied, ob man an einem Brückenkopf arbeitet oder am filigranen drahtigen Gelenk für eine Leuchtstoffhalterung.“

Das Objekt im Sinne einer Annäherung ans Skulpturale sollte ebenso eine Rolle spielen wie die Beeinflussung bzw. die Gestaltung des Raumes durch den Lichtschein selbst. Als besonders spannender Faktor stellte sich dabei die Wechselwirkung zwischen Leuchte und Raum heraus. Schnell fanden die Gestalter heraus, dass das eine nicht ohne das andere funktioniert. Wie gut beides im Einzelnen zusammengefügt wurde, wollen die beiden Architekten aber nicht allein beurteilen. Alle Besucher der Ausstellung sind eingeladen, ihr Voting für den einen oder anderen Lichtbildner abzugeben. Leuchtender Abschluss wird die Verleihung eines Publikumspreises sein.

Neben ästhetischen Überlegungen waren vor allem auch materialtechnische Prozesse und in deren Vorfeld gründliche Recherche vonnöten, schließlich kann so eine Glühbirne - wie der Name schon sagt - ganz schön heiß werden. Ein zur Ausstellung erscheinender Katalog dokumentiert diese Ausflüge in wahrlich entlegene Winkel der Welt von Technik und Design.

Und noch eine Hürde, wenn auch eine sehr amüsante, hatten die Studenten im Rahmen dieses Unterrichtsmoduls namens „Produkt- und Industriedesign“ zu nehmen. Ein frei zu wählendes Literaturzitat sollte den Ausgangspunkt der Inspiration bilden. Christian Morgenstern, Heinrich Harrer oder Hermann Hesse wurden ebenso als Stimmungsmacher herangezogen wie Ingrid Noll oder Martin Amanshauser. Die Musenküsse bewirkten unterschiedlichste Herangehensweisen, und den Studenten sind mitunter sehr gelungene Lichter aufgegangen. Papier wurde geklebt, geschnitten, gefaltet, gebogen, gesteckt, gesammelt und sogar gestrickt.

Das Licht der papierenen Leuchtkörper aus unterschiedlichsten Papiersorten und -stärken scheint, strahlt, schillert, blinkt, funkelt und glitzert. Stimmungen von Morgenröte über grellen Fabrikshallenschein bis hin zur Dämmerung sind im kleinen Lichtermeer zu finden. Wohl kaum waren diese Leuchtfeuerchen in all den spür- und sichtbaren Facetten so präzise planbar, und so spielte auch der Überraschungseffekt eine willkommene und glänzende Rolle im abwechslungsreichen Spiel mit dem Licht. Und auch das zeigt, dass das Gestaltungselement Licht in Sachen gestalterisches Entwicklungspotenzial eine oftmals unterschätzte und doch so schillernde Rolle spielen kann.


[„p&l papier & licht“, Ausstellung im Institut Français de Vienne, Palais Clam-Gallas, Währinger Straße 30, 1090 Wien,
Mo bis Fr, 9 bis 20 Uhr. Bis 27. März 2003
24. März, 19 Uhr: Vortrag des französischen Lichtkünstlers Laurent Fachard und Verleihung des Publikumspreises
Infos: Tel. 01 / 588 01-25601]


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Shigeru Ban Architects

06. Februar 2003Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Akzeptabler Entscheid

Zwei Architekturbüros in der Endrunde für das neue WTC in New York

Zwei Architekturbüros in der Endrunde für das neue WTC in New York

Nun haben sie in Sachen Neubau des World Trade Center einmal mehr entschieden, die Lower Manhattan Development Corporation (LMDC) und die Port Authority von New York und New Jersey - und zwar geradezu salomonisch. Laviert ihr Urteilsspruch doch zwischen dem exzentrischen Design von United Architects und der Banalität von Peterson Littenberg. Gekürt wurden aus den neun im Dezember vorgelegten Entwürfen die Projekte von Daniel Libeskind und der Architektengruppe Think um den Wahl-New-Yorker Rafael Viñoly und den Japaner Shigeru Ban. Bei beiden handelt es sich um ebenso akzeptable wie durchdachte Arbeiten. Doch könnten sie gegensätzlicher nicht sein, der dekonstruktivistisch um ein 530 Meter hoch in den Himmel stechendes Mahnmal wirbelnde Gebäudekomplex von Libeskind, der nicht ganz frei ist von Sentimentalitäten, und die kühle Doppelhelix der als rund 500 Meter hohes Raumgitter ausgebildeten Zwillingstürme von Think.

Erfreulich ist vor allem, dass die Bauherrschaft nicht - wie ursprünglich befürchtet - auf einen verwässerten Mix aus mehreren Vorschlägen setzte, sondern zwei valable Projekte zur Weiterbearbeitung empfiehlt. Ende Februar soll nun einer der beiden Entwürfe samt zugehörigem Masterplan gekürt werden, teilte die LMDC mit, deren Präsident Louis R. Tomson stolz festhielt, es sei im Rückblick auf die im letzten Jahr durchdiskutierten Vorschläge bemerkenswert, «how much progress we've made». Der siegreiche Entwurf soll dem Publikum vorgelegt und anschliessend weiter verfeinert werden. Zu hoffen ist, dass daraus ein würdiger Nachfolgebau für Minoru Yamasakis Zwillingstürme resultiert, der zum Wahrzeichen und zur neuen Identifikationsfigur für Lower Manhattan werden kann.


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Shigeru Ban Architects

07. Dezember 2002Marion Kuzmany
Spectrum

Badewanne mit Ausblick

Zwei Ausstellungen in Wien, zweimal junge Architektur, einmal aus Japan, einmal aus Österreich: von Papier, Kartonröhren, Wohnraum auf Autoabstellplätzen - und was einem hierzulande mitunter japanisch vorkommen kann.

Zwei Ausstellungen in Wien, zweimal junge Architektur, einmal aus Japan, einmal aus Österreich: von Papier, Kartonröhren, Wohnraum auf Autoabstellplätzen - und was einem hierzulande mitunter japanisch vorkommen kann.

Fünfundvierzig unter 45": Im Ausstellungszentrum im Wiener Ringturm werden derzeit 45 junge japanische Architekten und Architektenteams vorgestellt, deren Werdegang Vielversprechendes erkennen läßt. Darunter auch einige etablierte Größen - wie Kazuyo Sejima, ehemalige Mitarbeiterin bei Toyo Ito und bekannt durch ihre überaus feine Glasarchitektur, oder Shigeru Ban, der seine Lehrjahre bei Arata Isozaki absolviert hat und dessen innovative Konstruktionen aus Papier international renommiert sind.

Der Gesamteindruck der Schau spiegelt durch die Mannigfaltigkeit ihrer Projekte in vielerlei Hinsicht japanische Werte und Gegebenheiten wider: Tradition, Materialverbundenheit, Vergänglichkeit und Ästhetik stehen im Kontext zur gegenwärtigen urbanen Situation.

Traditionelle Bau- und Lebensweisen sind am besten bei Masatoshi Yashimas Kindergarten spürbar: „Fantasia 1, 2 und 3“ sind einfache, auf die Aktivitäten und den Maßstab der Kinder angepaßte Holzgebäude mit weit auskragenden Dächern, niedrig situierten Fenstern und großzügig offenen Holzterrassen. Das Leben und Schlafen spielt sich nach herkömmlichem Brauch auf dem Boden ab.

Die japanische Tradition des Papiers ist an mehreren Projekten in unterschiedlicher Weise zu finden. Shigeru Ban etwa setzt Papier konstruktiv in Form von Kartonröhren in seinen Bauwerken ein. Der japanische Pavillon für die Expo Hannover 2000, die „Paper Gallery“ für Issey Miyake in Tokio und die „Paper Church“ in Kobe zählen dazu. Der Umstand, daß in Ballungsgebieten wie Tokio und Umgebung Grundstückspreise oft über den Baukosten liegen, und das Bewußtsein für die in der Geschichte immer wiederkehrenden, alles zerstörenden Erdbeben sind neben der buddhistischen Philosophie Gründe für die temporäre asiatische Architekturauffassung im Gegensatz zur europäischen. Daher gibt es auch keine Tradition der Restaurierung.

Formal herausragend sind nicht nur Kazuyo Sejimas Entwürfe, sondern auch die graphische Darstellung ihrer Grundrisse und die Komposition ihrer Projektphotos, die per se schon als Kunstobjekte betrachtet werden können. Der Stellenwert, den das Photo hier im Vergleich zum realen Projekt und im täglichen Leben gegenüber tatsächlichen Situationen einnimmt, ist in Japan generell auffällig hoch.

Fast kindlich wiederum mutet die 1997 von Satoshi Okada für einen Videokünstler geplante Villa „man-bow“ an, die aus zwei voneinander unabhängigen Baukörpern, einem ellipsoidischen und einem quaderförmigen, besteht. Wie ein soeben gelandetes Ufo aus einem Comicstrip ragen die schwarze Schachtel und das mit bräunlich schimmernden Kupferplatten überzogene Ei auf je sechs dünnen weißen Stützen aus den Baumwipfeln des steilen Grundstücks in seiner dörflicher Umgebung südlich von Tokio.

Unter den 13 nicht ausgeführten Projekten finden sich einige experimentelle Ansätze, die aus der gegebenen Stadtsituation resultieren. Kenichi Inamura, ein Mitarbeiter der Shimizu Corporation, präsentiert ein virtuelles Büro der Zukunft, den „Tunable Club“. Dreidimensionale Diagramme von Abläufen der „workspaces“, „workstyles“ und „collaboration units“ beschreiben hier eigentlich Zustände, die in einer Stadt wie Tokio bereits zu finden sind. Analysen komplexer Funktionsabläufe sind im Prinzip nichts anderes als Versuche, den vorhandenen Organismus „Metropole“ aus Verkehr, Menschen, Aktivitäten, Gebäuden, Bildwänden, Reklameschildern, Zügen und Lautsprechern abzubilden, den permanenten Informationsfluß und Datenaustausch rationell zu fassen und daraus Architektur zu generieren.

Visionäre Projekte sind immer mit kollektiver Rationalisierung unter Zusammenfassung gemeinschaftlicher Aktivitäten verbunden. Sei es durch parasitäre Formen, die sich der bestehenden Struktur mit der Zielsetzung, diese zu verbessern, unterordnen oder durch radikale Satellitenstädte.

„Polyphonic City“ ist hier ein Beispiel der radikalen Variante: Die für New York visionierte vertikale „Stadt in der Stadt“ besteht aus einem Konglomerat von miteinander vernetzten Hochhäusern, das durch inhärente städtische Funktionen autark sein kann.

Im Gegensatz dazu stehen zwei hier gezeigte, individuelle Projekte, die sich am Ist-Zustand orientieren und sofortige Lösungen für stadträumliche Problemzonen anbieten. Rikuo Nishimori etwa hatte die raffinierte Idee, containerartige Boxen in die als Autoabstellflächen vorgesehenen, zurückgesetzten Erdgeschoßflächen einzuschieben. Die Container sind als einfache Rahmen konstruiert und wahrscheinlich auf diese Weise auch nur in Japan möglich, wo man bauphysikalischen Fragen weniger Bedeutung beimißt.

Ein Stadtbild, das alle jene Freiräume unter den ersten Geschoßen auf diese Weise füllt, ist durchaus vorstellbar, allerdings wohl nur unter der Voraussetzung, daß die Bewohner auf ihr Auto zugunsten des neugewonnenen Raums verzichten. Kisho Kurokawa, der bereits 1970 den legendären Nakagin Kapselturm, ein austausch- und additierbares System von Minimal-Raumzellen um einen Versorgungsschacht, in Tokio realisierte, meint, daß in 200 Jahren die Stadt nur noch aus derartigen Bauwerken besteht. Vielleicht auch schon früher.

Die Architektengruppe Mikan andererseits beschäftigt sich mit einer für flexible städtische Anwendungen hervorragend geeigneten Problemlösung, und zwar mit transportfähiger Architektur. Das Projekt KH-2 ist ein mobiles Café, das auf einem Modulsystem aus zylindrischen Elementen und abnehmbaren Verbindungsteilen besteht, die in beliebiger Anzahl zu einer sowohl komplett offenen als auch geschlossenen Gesamtform kombiniert werden können.

Gleichzeitig mit „45 unter 45“ ist der dritte Teil von Otto Kapfingers „emerging“-Reihe im Architekturzentrum Wien zu sehen, die ganz im Zeichen der jungen heimischen Architekturszene steht. Trotz des grundverschiedenen kulturellen Ursprungs, der unterschiedlichen Größe der Länder und Anzahl der Menschen, der daraus resultierenden Probleme und daher divergierenden urbanen Situation sind in der Architektur zahlreiche Parallelen auf gestalterischer Ebene zu bemerken. Viele Formen der traditionellen japanischen Bauweise finden sich auch in der neuen österreichischen Architektursprache: geradlinige und reduzierte Formen, Bezüge zwischen Innen- und Außenraum, flexible Raumnutzung, Schiebeelemente als raumhohe Türen und Fenster.

Die Zwischenraumzone „Engawa“ etwa, eine dem Wohnbereich mit beidseitigen Schiebewänden vorgelagerte Art von Veranda, ist in neuinterprätierter Ausformung sowohl in der zeitgenössischen japanischen als auch in der zeitgenössischen österreichischen Architektur oftmals präsent.

Das 1997 fertiggestellte „Haus C.“ in Graz der Architekten Feyferlik/Fritzer gibt dafür ein gutes Beispiel: aufschiebbare Glaselemente öffnen sich Richtung Garten und gewähren auch der Badewanne direkten Bezug zum Außenraum. Das Gesamtbild des Hauses und seine Positionierung in die Landschaft erinnern an japanische Konzepte.

Daigo Ishiis „Landhaus C“ wurde für die schneereichste Region Japans geplant. Verbüffend ähnlich wirken die um 2000 geplante Reihenhausanlage und Wohnbox der Architektengruppe Holz Box Tirol. Hier sind klimatische Parallelen und die formal reduzierte Anwendung des Werkstoffes Holz wohl für die formale Assoziation ausschlaggebend. Die räumlich raffiniert ausgeklügelte „Minibox“ gleichnamiger Tiroler Architekten thront auf einem Innsbrucker Dach und wäre in dieser Form durchaus in Japan vorstellbar.

Auch das Projekt „turnOn“ der Architektengruppe AllesWirdGut ist nicht frei von Anmutungen ans japanische Formenrepertoire. Das an ein Hamsterrad erinnernde Objekt enthält sämtliche Möbel aus einem Guß, die durch das Weitergehen innerhalb des Rads benützbar werden. „turnOn“ wäre eine Antwort auf die vorgefertigten japanischen Plastikboxen als Badezimmer und Konsequenz der extrem beengten Wohnverhältnisse. Es hätte zum Beispiel im „Mini Haus“ von Yoshiharu Tsukamoto und Momoyo Kajima Platz, dessen Breite sich auf die Länge des davor geparkten Autos „Mini“ beschränkt!

[ Die Ausstellung „45 unter 45 - Junge Architektur aus Japan“ ist noch bis 31. Jänner im Ausstellungszentrum im Ringturm (Wien I, Schottenring 30) Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr zu sehen, „emerging architecture 3“ noch bis 10. März im Architekturzentrum Wien (Wien VII, Museumsplatz 1) täglich 10 bis 19 Uhr. ]


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Shigeru Ban Architects

14. Juni 2002Ute Woltron
Der Standard

Architektur als Verantwortung

Shigeru Ban erfand das Papierhaus auf Bierkisten und bescherte damit Tausenden Flüchtlingen menschenwürdige temporäre Unterkünfte. Warum er unzufrieden wäre, würde er nur für die reiche Klientel bauen, erklärte er im Gespräch mit Ute Woltron.

Shigeru Ban erfand das Papierhaus auf Bierkisten und bescherte damit Tausenden Flüchtlingen menschenwürdige temporäre Unterkünfte. Warum er unzufrieden wäre, würde er nur für die reiche Klientel bauen, erklärte er im Gespräch mit Ute Woltron.

Im Universum der internationalen Spitzenarchitekten nimmt der Japaner Shigeru Ban eine Sonderstellung ein. Erstens ist der Mann aus Tokio mit 45 Jahren vergleichsweise immer noch ein Architekturjüngling, zweitens ist er trotz kometenhaften Aufstiegs auf erfrischende Weise bodenständig geblieben. Diverse Sozialprojekte wie rasch und preiswert produzierte Flüchtlings-und Notunterkünfte für Ruanda 1994 und Kobe nach dem Erdbeben 1995 sowie der unkonventionelle Einsatz von Billigmaterialien wie Papier als Konstruktionsstoff und Bierkisten als temporäres Fundament haben den Japaner sehr rasch international bekannt gemacht.

Aufsehen erregte Shigeru Ban zuletzt mit dem japanischen Pavillon für die Expo in Hannover, für den er Papierrohre zu einem elegant-gewagten riesigen Hallenkonstrukt verband. Für betuchte japanische Klienten baute er in den letzten Jahren klare, unverwechselbare und stets mit Details und Konstruktion überraschende Villen. Derzeit arbeitet der Architekt an so unterschiedlichen Aufgaben wie einer Schule für die Unicef im Süden des Sudan, einer Parkanlage in St. Louis, Missouri, oder einem Museum im französischen Dijon.

Am Dienstag war der international gefragte Bauvirtuose zu Gast am Institut für Raumgestaltung der TU Wien, um einen Vortrag zu halten. Zuvor traf DER STANDARD Shigeru Ban zu einem Gespräch.
STANDARD: Sie sind unter den so genannten Architektur- stars derzeit einer der Jüngsten. Wie konnten Sie dermaßen rasch international reüssieren?
Shigeru Ban: Ich arbeite ja immerhin schon seit 17 Jahren als Architekt. Ich denke aber, dass ich vor allem durch meine Flüchtlingsunterkünfte aus Papier Einfluss bekommen habe, denn erstens war die Wahl des Materials ungewöhnlich, zweitens zeichnen sich Architekten nicht oft durch humanitäre Arbeit aus.

STANDARD: Während Ihre schillernden Zeitgenossen für reiche Auftraggeber Einzelobjekte schmieden, haben Sie unaufgefordert für mittellose Massen gebaut und wurden erst später von Klienten für Projekte engagiert. Welche Art zu arbeiten ist Ihnen retrospektiv sympathischer?
Ban: Architekten haben immer schon fast ausschließlich für Privilegierte, Reiche, Könige und große Unternehmen gearbeitet. Das ist auch heute noch so. Ich denke aber, wir Architekten sollten darüber hinaus eine Verantwortung wahrnehmen und unser Wissen und unsere Erfahrung auch an die Gesellschaft weitergeben, also an diejenigen, die sich eine solche Architektur eigentlich nicht leisten können. Ich fand dieses Einzelauftraggebertum immer unbefriedigend und habe einen Weg gesucht, um gesellschaftlich aktiv zu werden.

STANDARD: Sie haben für Ruanda Notunterkünfte aus Papierrollen gebaut, das Fundament stellten Bierkisten dar. Diese Häuser waren billig, funktional, sauber, haltbar. Solche Ideen haben zwar andere auch, aber wie konnten Sie Ihre Vision realisieren?
Ban: Die Leute haben damals Bäume gefällt, als Unterkonstruktion verwendet und mit Plastikplanen Hütten gebaut. Das war ökologisch natürlich eine Katastrophe und auch sonst unbefriedigend. Ich bin nach Genf gefahren und habe meine Pläne dem UN-Commissioner for Refugees vorgelegt, und tatsächlich war mein Vorschlag genau das, was man gesucht hatte: Papier gibt es überall, Bierkisten auch, das Assemblieren ging rasch, alles war sehr billig. Im Jahr darauf passierte das Erdbeben in Kobe, wo ähnliche Unterkünfte verwendet wurden.

STANDARD: Japan hat dankbar Ihre Erfindung aufgegriffen?
Ban: Aber nein, ich habe die Mittel selbst aufgebracht, indem ich in Radio und TV auftrat und um Spenden bat. Die Leute haben damals wieder unter Plastikplanen in Parks gelebt, weil die Notunterkünfte am Stadtrand lagen und sie von dort aus ihrer Arbeit im Zentrum nicht hätten nachgehen können. Teilweise waren die Papierhäuser bis zu zwei Jahre lang bewohnt.

STANDARD: Sie haben in den USA studiert, warum sind Sie nach Japan zurückgegangen?
Ban: Zufall. Meine Mutter brauchte ein kleines Haus - mein erster Auftrag. Als das fertig war, kamen die nächsten, und ich konnte gar nicht mehr weg. Rückblickend sehe ich das als ein großes Glück an, denn in den USA ist zwar die Ausbildung vorzüglich, doch es gibt im Gegensatz zu Japan kaum Möglichkeiten für junge Architekten. Hier ist es selbstverständlich, dass auch die Mittelschicht Architekten für ihre Häuser anheuert, während das etwa in Europa nur die Reichen tun, und die wollen zumeist nur Konventionelles.

STANDARD: Die neuen japanischen Wohnhäuser haben auch hier Berühmtheit erlangt. Dabei ist der Beruf des Architekten in Japan eigentlich neu.
Ban: Genau. Es gibt keine Geschichte der Architektur in Japan, doch der Lebensstil ändert sich rasant, was neue Häuser erfordert und dem neuen, hier vielleicht hundert Jahre alten Beruf des Architekten viele Aufträge beschert. Meine Großeltern lebten noch in einem traditionell japanischen Haus mit Tatami-Matten. Meine Generation will das nicht mehr. Außerdem entstehen laufend neue, immer kleinere Grundstücke, da die Erbschaftssteuer so hoch ist, dass meist die Hälfte des geerbten Grundstücks verkauft und neu verbaut wird.

STANDARD: Sie selbst haben neben den Billigunterkünften einige sehr elegante und auch teure Häuser gebaut. Worauf kommt es Ihnen in Ihrer Architektur eigentlich an?
Ban: Formales Design interessiert mich nicht. Ich will Materialien überraschend einsetzen, ich will neue Konstruktionen finden und gemeinsam mit dem Material ein neues Vokabular entwickeln. Derzeit arbeite ich etwa mit kunstharzverstärktem Bambus, dessen Tragkraft zwischen der von Holz und Stahl liegt. Ich versuche gerade eine Schule für die Unicef im Sudan so zu konstruieren, wende dasselbe Material aber auch in China an, wo neben der Großen Mauer ein exklusives Villenviertel entsteht.

STANDARD: Wie gehen Sie im Stararchitektenzirkus mit Ihrer Popularität um?
Ban: Viele Leute werden arrogant und produzieren nur noch Mist. Ich versuche sehr sorgfältig, das zu vermeiden. Ich will auch für kleine Projekte enthusiastisch bleiben.


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Shigeru Ban Architects

01. Februar 2002Hubertus Adam
Neue Zürcher Zeitung

Die Leichtigkeit des Materiellen

Neue japanische Bauten von Shigeru Ban

Neue japanische Bauten von Shigeru Ban

Der Tokioter Architekt Shigeru Ban hat Pappe als Werkstoff in die zeitgenössische Architektur eingeführt. Mit dem japanischen Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover sorgte er im vergangenen Jahr für Aufsehen. Obwohl Ban in Japan weniger bekannt ist als in Europa, entstanden dort weitere wichtige Werke, darunter ein Kindermuseum.

Innerhalb der japanischen Architektenszene gilt der 1957 geborene Shigeru Ban, der 1985 sein eigenes Büro in Tokio eröffnete und besonders durch die Rehabilitierung des Werkstoffs Pappe bekannt wurde, eher als Aussenseiter, und vielleicht wird ihm in Europa derzeit mehr Aufmerksamkeit zuteil als im ostasiatischen Inselstaat. Nach der Realisierung des japanischen Pavillons für die Expo in Hannover ist Ban derzeit in Frankreich tätig: Ein Bootshaus und ein Museum für das Centre Interpretation Canal de Bourgogne in Pouilly-en-Auxois sollen zu Beginn des kommenden Jahres fertig gestellt sein.

Von seinem Expo-Pavillon und einem in drei Varianten vorliegenden Entwurf für eine temporäre Guggenheim-Dépendance in Tokio abgesehen, ist Ban bislang vor allem als Meister der kleinen Form in Erscheinung getreten. Eine seiner schönsten und überdies öffentlich zugänglichen Bauten entstand im vergangenen Jahr in der Nähe von Kakegawa, einem Shinkansen-Halt auf halbem Weg zwischen Tokio und Osaka. Zwanzig Minuten benötigt das Taxi, dann hält es inmitten üppigster Vegetation vor dem Children's Art Museum von Nemunoki. Fern der städtischen Zivilisation befindet sich hier, umgeben von Teefeldern, dicht bewachsenen Hängen und Blumenwiesen, das Kinderdorf Nemunoki Gakuen. Das einsam auf dem Hügel gelegene Ausstellungsgebäude, in dem Zeichnungen der geistig und körperlich behinderten Dorfbewohner gezeigt werden, ist ein dreieckiger, ringsum verglaster Pavillon, der sich durch Stellwände flexibel unterteilen lässt. 15 runde Stützen tragen die aus einem Dreiecksraster bestehende Dachkonstruktion. Eine helle transluzente Plasticfolie dient als Wetterschutz, ermöglicht aber zugleich die Belichtung des Innenraums, bei dem auf elektrische Beleuchtung verzichtet wurde: Der Ausstellungsraum ist jeweils nur bis zum Anbruch der Dunkelheit geöffnet. Rot und gelb lackierte Metallboxen bergen die nötigen haustechnischen und sanitären Installationen; Eingang und Kassenzone mit einem Tresen aus Papprohren befinden sich an der einen Spitze des gleichseitigen Dreiecks.

Die Deckenkonstruktion wurde speziell für diesen Bau entwickelt, kurz danach aber in vertikaler Anordnung für die Stirnseiten des Japanischen Pavillons in Hannover adaptiert. Ban entwickelte einen Raster aus durch Wabenstrukturen versteiften Karton-Verbundplatten. Wie schon in seinen «Paper Tube Structures» sowie den experimentellen «Case Study Houses» verbinden sich innovative Konstruktion und eine reduktionistische Ästhetik auch beim Kindermuseum auf das Überzeugendste.

Leicht, hell und freundlich, wie für Shigeru Bans Bauten charakteristisch, wirkt auch «Ivy Structure 2» im Stadtviertel Minato-ku in Tokio. Das eigentliche Gebäude wird hier durch eine gerüstartige, efeuberankte Metallstruktur umgeben und ist mit dieser konstruktiv verbunden. Dass das Tragwerk sich nicht auf das Haus selbst beschränkt, sondern Inneres und Äusseres verzahnt, ist ein Gedanke, den Ban schon mehrfach in seinen Projekten thematisierte. Ein weiterer Neubau in der Innenstadt von Osaka knüpft an die Erfahrungen an, die Ban mit den «Ivy Structures» gewonnen hatte: Eine Kaskade von fünf holzbeplankten Plattformen dient dem orthogonalen Volumen als (seitliche) sekundäre Erschliessung, als Fluchttreppe und verschafft den Angestellten auf den verschiedenen Niveaus überdies Aussensitzbereiche, an denen es im dicht bebauten zentralen Bereich der zweitgrössten Stadt Japans sonst mangelt.

Das jüngste Material in Bans Palette ist Sperrholz. Gemeinhin für die Herstellung von Möbeln eingesetzt - erinnert sei hier an Charles Eames und Arne Jacobsen -, nutzt der Japaner den leichten und verformbaren Baustoff nun im grossen Massstab. So besteht die im Mai fertig gestellte Kindertagesstätte des Imai-Hospitals von Odate aus einer tunnelähnlichen, im Querschnitt kreisrunden Konstruktion von LVL (laminated veneer lumber) genannten, streifenförmigen Holzleimbindern. Eine Weiterentwicklung stellt die in diesen Tagen vollendete Sporthalle der gleichen Institution dar: Streifen von LVL wurden zu einem gitterförmigen Netzwerk zusammengefügt, das einen Raum von 20×28 Metern stützenfrei überspannt. Aufs Neue zeigt sich, wie preiswerte herkömmliche Baustoffe Eingang in innovative Konstruktionen finden. Wo andere Architekten mit elaborierten High-Tech-Materialien operieren, verwendet Ban - hierin ganz der japanischen Tradition verhaftet - das Naheliegende, um ihm eine eigene Poesie zu entlocken.


verknüpfte Akteure
Shigeru Ban Architects

Profil

Studium am Southern California Institute of Architecture und an der New Yorker Cooper Union
Seit 1985 eigenes Büro in Tokio

Verwendung von Kartonröhren als Baustoff Furore machte. In seinen Bauten verbindet sich ein Sinn für einfache Herstellungsverfahren mit der baumeisterlichen Kenntnis der Moderne. Seine Sensibilität für Materialien erinnert an Alvar Aalto, sein Raumverständnis an Mies van der Rohe. Gerhard Mack, NZZ vom 15.09.2002

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