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17. Juni 2023Gabriele Kaiser
Der Standard

Lob der Beständigkeit

Wer es nicht wusste: Der 17. Juni ist International Apple Strudel Day. Wir nehmen dies zum Anlass, um dem Café am Heumarkt, schräg vis-à-vis vom Wiener Stadtpark gelegen, einen Besuch abzustatten. Eine Zeitreise.

Wer es nicht wusste: Der 17. Juni ist International Apple Strudel Day. Wir nehmen dies zum Anlass, um dem Café am Heumarkt, schräg vis-à-vis vom Wiener Stadtpark gelegen, einen Besuch abzustatten. Eine Zeitreise.

Wegen des Apfelstrudels allein kommt niemand ins Café am Heumarkt. Schon eher wegen der Kuchenvitrine, die prominent im Raum steht, ein Eigenleben führt wie ein Haustier und alle paar Minuten mit einem Knattern auf sich aufmerksam macht. Die Vitrine, deren Marotte längst zum Inventar gehört, stammt aus den 1960er-Jahren, als das Kaffeehaus das letzte Mal erneuert wurde. Seitdem hat sich so gut wie nichts an der Einrichtung verändert.

Beschädigtes geht in die Alltagsroutinen des Lokals über, alles wird aus ökonomischen Gründen benutzt, solange es geht, und Repariertes muss nicht zwangsweise aussehen wie neu. Die spärlichen Neuanschaffungen (schwarze Klappsessel, weiße Monoblocks) lassen keinen ausdrücklichen (oder ausdrücklich keinen) Gestaltungswillen erkennen. In diesem Milieu der legeren Beständigkeit scheint die „im Heumarkt“ verbrachte Zeit der Gäste die wesentliche, ja vielleicht sogar die einzige Gestaltungskraft zu sein.

Und so haben sich im Verlauf vieler Kaffeehausjahre die Spuren des geselligen oder solitären Verweilens sichtbar in die Einrichtung eingeschrieben. Die Kaffeehausmöbel sind gesättigt von lebhaften Gesprächen und ausgedehnten Eigenbröteleien – die durchgesessenen Kunstledersitzbänke ebenso wie die geflickten Tapeten und angeschlagenen Marmortischchen. Dabei läuft das Schäbige niemals Gefahr, „shabby chic“ zu verströmen. Ganz im Gegenteil, das langsame und verlässliche Mitleben des Lokals mit seinen Gästen hat es in den Rang einer Wiener Institution gehoben. Im Extrazimmer hat sich ein reges Vereins- und Kulturleben etabliert, bei illustren Gästen war und ist es als alltäglicher Treffpunkt beliebt.

Gewiss hat das Café am Heumarkt schon bessere Zeiten gesehen (wer nicht?) und einige Zeit gebraucht, um zu seiner Identität zu finden. Heute liebt man diesen Ort für die authentische Mischung aus guten und schlechten Zeiten, für seine Geräumigkeit, vor allem aber für die Gelassenheit, die es der unprätentiösen Gastlichkeit der langjährigen Betreiber verdankt.

Vom Mehl zum Kaffee

Dabei waren die Anfänge des Lokals am einstigen Landstraßer Glacis bauzeitlichen Presseberichten zufolge äußerst „prachtvoll“. Im Eckbau der viergeschoßigen Häusergruppe, die der Hofbaumeister Anton Ölzelt 1852 bis 1858 auf der Parzelle des ehemaligen Mehlaufschlagsamts* errichten ließ, überzeugte das Café Wilda das Publikum, weil bei seiner Gestaltung „eine Künstlerhand das Arrangement des Ganzen“ leitete. Vom Ur-Interieur des Architekten Julius Schrittwieser sind heute noch Spurenelemente vorhanden, etwa die geschwungenen Intarsienbeine der durchlaufenden Sitzbank im längeren Raumschenkel des Cafés. Doch auch die beiden erstklassigen (heute ramponierten) Billardtische stammen noch aus der Ära des Kaffeesieders Heinrich Ludwig Wilda, der damals auch Pächter des Salons am Stadtpark war.

So raffiniert die Innenausstattung auch gewesen sein mag, seit jeher ist eine bauliche Gegebenheit – die Steinsäule am Gelenkpunkt des L-förmigen Raums – das eigentliche Prunkstück des Lokals. Der kleine Salon hinter dieser Säule, an beiden offenen Seiten von kräftigen Gurtbögen gerahmt, ist eine räumliche Preziose, die den Blick auf sich zieht, sobald man das Café betritt. Die flache Kurve der Gewölbe, die beide Raumachsen und das Entree wie helle Tücher überspannen, bildet zur dicken, gedrungenen Säule einen reizvollen Kontrast.

War das immer so? Läuft ein Grat des Gewölbes schon seit jeher frivol mitten in einer Fensterachse aus? Stand auch der amerikanische Holzofen, Marke „American Heating“, immer schon an seinem Platz, so wie die runden und rechteckigen Marmortische mit den markanten gusseisernen Fußkreuzen? Die Logik der Servierwege lässt kaum sinnvolle Alternativen zu.

Welche kleinen Veränderungen aber durchlebte das Interieur in den unsteten Jahren, die dem prachtvollen Auftakt folgten? Welche Szenen blitzten in den großen Wandspiegeln auf, die das unverstellte Entree noch weitläufiger erscheinen lassen, als es ohnehin ist? Die vielen Namenwechsel bezeugen ein reges Kommen und Gehen: Aus dem Café Wilda wurde das Café Zauner, daraus das Café Roth, daraus das Café Hummelberger, daraus das Café Raimund, daraus das Café Karl – und aus diesem das Café Bauer.

Resopal und rotes Kunstleder

Um 1930 taucht dann erstmals der Name des Kaffeesieders Josef Kührer auf, dessen Nachfahren Michael und Alexander Tomoff das Lokal nun seit Jahrzehnten führen. „Kührer & Tomoff“ steht auf einer winzigen Plakette über dem Eingang. Dieser unauffällige Eingang samt Windfang datiert aus den 1960er-Jahren, als sich zur etablierten Nachbarschaft des Eislaufvereins, des Stadtgartenamts und des Konzerthauses die hohe Scheibe des Hotel Intercontinental dazugesellte.

Ob an der damaligen Erneuerung des Cafés eine Künstlerhand beteiligt war? Jedenfalls griff diese Hand zu den Materialien der Stunde: zu eloxiertem Aluminium (für das Türportal, den Windfang und die Fenster), zu Resopal (für die Lamperie) und zu rotem Kunstleder (für die Sitzbänke).

Als weitere Zutat sorgen lachsrosa Kurzvorhänge in Karniesen sowie Gardinen und Blumentöpfe in den Fenstern für den Charme einer Epoche, die nie darauf erpicht war, „prachtvoll“ zu sein.

Doch da sich die jüngere Zeitschicht nicht blickdicht über die ältere schob, sondern ohne besondere Kunstfertigkeit mit all dem Vorhandenen verwob, ist im Café am Heumarkt seine gesamte bisherige Zeit wie in einem Palimpsest ablesbar. In dieser Gleichzeitigkeit aller Zeitschichten inklusive aller Gebrauchsspuren der Gäste bleibt das Café am Heumarkt gegenwärtig und lebendig.

Derzeit klebt an der Wand ein Zettel mit dem mal zentrierten, mal linksbündigen Hinweis: „Trotz Renovierungsarbeit aufrechter Betrieb.“ Auf eine Schrecksekunde folgt die Erleichterung. Es werde nur die beschädigte Wandverkleidung repariert, sagt Herr Tomoff und trägt einen leeren Kuchenteller, vom Knattern der Vitrine begleitet, in die Küche zurück.

*Das über die Landstraße angelieferte Mehl wurde auf der sogenannten Mehlwaage gewogen, um die zu entrichtende staatliche Steuer zu ermitteln. Mit der Eingemeindung der Vorstädte 1850 entfiel diese Steuer, und das k. k. Mehlaufschlagsamt wurde obsolet.

Der Standard, Sa., 2023.06.17

02. Februar 2010Gudrun Hausegger
Gabriele Kaiser
Hintergrund

Six Answers on Albania by Vedran Mimica

Vedran Mimica, currently director of The Berlage Institute in Rotterdam, is an outstanding connoisseur of the Balkans. As he was serving as an advisor to Edi Rama, the charismatic mayor of Tirana, he is the right person to provide glowing reference on Albania, too. Questions by Gudrun Hausegger and Gabriele Kaiser.

Vedran Mimica, currently director of The Berlage Institute in Rotterdam, is an outstanding connoisseur of the Balkans. As he was serving as an advisor to Edi Rama, the charismatic mayor of Tirana, he is the right person to provide glowing reference on Albania, too. Questions by Gudrun Hausegger and Gabriele Kaiser.

Q: Which books would you recommend to read in order to get a deeper understanding of the Balkans?
VM: If it will be only one for the „beginners“, then I’d recommend Robert D. Kaplan’s „Balkan Ghosts. A Journey Through History“. Kaplan is an American journalist who travels through the Balkans during the „pre-large catastrophe“ in the late 80s and early 90s. His political travelogue fully deciphers the Balkans’ ancient passions and intractable hatreds for outsiders. The book is the most insightful and timely work on the relation between history and the contemporary madness found in the Balkans. For more advanced readers, I’d suggest the complete oeuvre of the Croatian writer Miroslav Krlezˇa. In his novels, dramas, essays, letters, speeches, and poems he covers the entire 19th and 20th century relations of the Austro-Hungarian Empire and the Balkan states, focusing on the two great wars. Krlezˇa is an erudite author who covers the entire cultural production of the region in the socio-political context of the time.

Q: As a Croatian architecture critic and currently the director of the Dutch Berlage Institute, how would you describe your relationship to Albania and its capital Tirana?
VM: Edi Rama, the mayor of the city, invited me to Tirana in 2004 – an invitation, based on the imagination of Elia Zenhgelis, who was a member of the international jury for the city center’s masterplan a year earlier. Zenghelis believed that the Berlage Institute could work with the municipality of Tirana on the „vision“ for the new European capital. Tirana is the young capital city of a twentieth-century state whose inhabitants rank amongst the oldest Europeans. Tirana was a small-scale city of serene beauty, grand infrastructure, and early modernism – where, after the Second World War, time stood still for nearly half a century. Since the collapse of the notorious and unique communist regime that had isolated the country from the rest of the world, the city underwent some 13 years of uncontrollable growth and thoughtlessly aggressive development, threatening its survival as both city and sustainable environment; during this short period, its population tripled and so did its size, reflecting the tremendous energy release that had accumulated during half a century of repression. Thanks to the city’s enlightened governance, this energy has turned into a drive that for architects (among others) constitutes the most ideal framework for the construction of a model, modern European state. Indeed, contrary to other Eastern European states that emerged after the collapse of communism, Albania eagerly anticipated its future with optimism and confidence. In this context of suspended animation, we were invited by the city to provide it with a vision that would rise to the level of its expectations.

Q: To what extent do former socialist structures in Albania still continue to have an impact on contemporary processes of architecture and city planning?
VM: I would add the impact on social production and civic life as well. We now know that Enver Hoxha’s regime was perhaps the most severe communist experiment in European history, with devastating consequences for Albanian culture, life, and development. From the late 40s until the mid 80s, Hoxha completely isolated Albania from the world by exercising utopian communist strategies that resulted in the erasure of everything outside his ideology. In the 90s, after the fall of the Berlin Wall, Albania underwent a transition – a radical liberation movement expressed in the extreme anarchistic behavior of the majority of population. Let me here bring a quote from my interview with Rama and his answer to the similar question: „After the fall of the Berlin Wall in 1989, two Western concepts were projected onto former socialist and Eastern European countries: parliamentary democracy and the free market. It seems that while parliamentary democracy was embraced, the free market was interpreted differently. Many theoreticians believe that neo-liberal Western Europe did not really develop in a positive direction and that the delay in the development of cities like Bucharest, Sofia and Tirana could work to their advantage. Do you believe that this delay could help Tirana to develop in a more fertile way?“ Rama would answer: „Within this discussion, the continuous radiation effect of communism on the cultural level has to be taken into account for the Albanian case. Our parliamentary democracy is still very young, and as a political system, it is not even part of our history. The current political situation is a direct result of a history in which both the concepts of political opposition and cultural alternatives were inconceivable. In the 70s, Albania was a country that put people in prison for liking the work of Vincent van Gogh, and that abolished the English horn from the orchestra because Albania didn’t have diplomatic relations with Great Britain. Twentieth-century culture was abolished. I couldn’t read Kafka or listen to the Beatles or to Stravinsky.
What would be the result if all of this brainwashing were overlooked by parliamentary democracy? A collection of political parties with different visions and programs, run by the people that served the former regime because there was no other choice. I’m convinced that this has nothing to do with a kind of specific sin in the culture of the Balkan people, but it has to do with the fact that our human resources have been totally contaminated. It will take a long time to create a new political class or a cultural elite. The anarchism that followed the collapse of the regime is linked to the nature of the Balkan people. They can be very individualistic, but are also keen to be absorbed by ideological dictatorship like Russian Matryoshkas: dictator after dictator, from the highest political level down to the family sphere. Regarding the necessity of a vision for the urban development of Tirana, I believe that it’s difficult to act academically in these circumstances; I never have the courage to talk about our work in Tirana as something that can be taken as a model. At the same time, I think that we cannot follow models used elsewhere, because our specific reality puts us in very different circumstances. What is happening in Tirana is the effect of the huge energy on the levels of the individual, the family, and the communities, spreading like a river with no predetermined direction. This energy neither can nor should be stopped by any academic or legal planning process. The planning process therefore has to include the energy of the citizens in the promotion of every idea. We try to work in both directions: planning and developing without really leaning towards one or the other extreme.“

Q: In the current situation of adjusting to the post-socialist system, how would you describe the role of the mayor of Tirana, Edi Rama?
VM: When, in 2000, Edi Rama became the mayor of Tirana, it was probably the worst possible job one could take. One may perhaps theorize, following Boris Groys’ discourse, about the „technical experience of Utopia“: if you only know how to get to Utopia, it’s un-operational, but if you know how to get in and then out again, it’s operational; it’s technical. This going in and coming out is a post-communist experience that should be understood as a completion of the communist experience. To forget Utopia means to forget technical knowledge. It is precisely this technical Utopian knowledge – political wisdom and tactical brilliance linking the aesthetic experience to real human conditions – that allowed Edi Rama to construct a miracle in Tirana in only a couple of years. Slovenian philosopher Slavoj Zizek’s concept of a „third way“ is a projection of a new way of dealing with capitalism after communism in Russia. He argues that late capitalism is equally as devastating to Russian society as was communism. Rama is creating an alternative, third way of development through his urban and social policies as real applications of „technical aspect of utopian knowledge“. He put enormous energy behind the process of redirecting and manipulating the strong currents of global and local capital flows into the creation of an authentic and specific architectural and civic culture, which he strongly believed should contribute to European cultural exchange. The invention of new realities was in a basis of the „mission impossible“ which Rama practiced the last nine years by governing Tirana. Rama recently faced a strong setback by narrowly failing to win the parliamentary elections as the leader of the opposition. He wanted to enlarge the scale, so to speak, and get rid of the old autocrats from the Democratic Party who ruled Albania in recent years, often complicating implementation of his strategies for the development of Tirana.

Q: How would you judge the potential of „external“ city planning projects in the Balkans (such as those by Winy Maas or Dominique Perrault) versus „internal“ initiatives (such as those by Co-PLAN or fordewind architecture)?
VM: Here we are talking about two very different approaches, if you would agree. One is perhaps „top down“, including big, powerful investments and creating the megacity projects. Another is the work on new forms of architectural initiatives where the work of NGO-like structures is juxtaposed with professional architectural deliveries. This approach is much more „bottom up“ orientated, trying to involve the civic society as a constitutive part of planning and development. The first approach is perhaps risky in terms of public or social benefits, which will be possibly achieved through the largescale operations in an environment without the „democratic control“. The second approach could suffer from a form of populist determinacy, usually not helpful for creation of advanced architecture.

Q: As for architecture and city planning, do you have a personal „vision“ for Tirana – do you have one for its political or socio-political future?
VM: I was serving as an adviser to Edi Rama and my views are clearly very congruent with his policies and procedures. More personally or perhaps more theoretically, I would hope that Tirana and Albania would build „third way“ policies, following Zizek’s term, in order to create a unique culture of „new forms of welfare“ for its citizens, after the shocking histories. If and perhaps the question is more when, Rama wins the next general election, there will be a real chance to construct a truly unique socio-political landscape in Albania. Albania should than enter the European Union as an example of what should have been done in the rest of the Eastern European countries during the transition from socialism to capitalism. This sounds mega-Utopian, but I can commit to it fully.

Hintergrund, Di., 2010.02.02



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15. September 2009Gabriele Kaiser
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Sinnhafte Oberflächen

Amerikanische Chefbüros, britische Clubzimmer, großbürgerliche Salons – der historische Assoziationsraum des Wortes »Wandvertäfelung« ist voller Metaphern...

Amerikanische Chefbüros, britische Clubzimmer, großbürgerliche Salons – der historische Assoziationsraum des Wortes »Wandvertäfelung« ist voller Metaphern...

Amerikanische Chefbüros, britische Clubzimmer, großbürgerliche Salons – der historische Assoziationsraum des Wortes »Wandvertäfelung« ist voller Metaphern des Gediegenen. Im Unterschied zu einer gespachtelten und weiß gestrichenen Wandfläche steht die holzvertäfelte Wand im 19. Jahrhundert für das doppelt gesicherte Innenleben im komfortabel ausgestatteten Interieur. Das lässt sich sogar in zahlreichen Wohnungseinrichtungen von Adolf Loos nachvollziehen, in denen holzvertäfelte Wände und Sitznischen die Intimität und Exklusivität des privaten Lebensraums erhöhen. Eine Wandverkleidung schützt nicht nur die Bewohner im übertragenen Sinn, sondern auch die Wand unmittelbar dahinter – oder in der Diktion Sempers: den konstruktiven Kern – und verrätselt ihn zugleich in der flächigen Präsenz ihrer eigenen Optik und Haptik. Die Maserungen des Holzes sind dabei allenfalls willkommenes, weil nicht entworfenes Ornament.

Walter Benjamin wählte im Zusammenhang mit seinem Aura-Konzept den Begriff »Futteral«, um die Gebettetheit des »Etui-Menschen« in seiner Wohnung zu versinnbildlichen. Unbehelligt von den Unwägbarkeiten einer als unwirtlich empfundenen Außenwelt steht das üppig ausstaffierte Interieur als Synonym für eine im Wohnlichen stabilisierte Existenz: »Die Urform allen Wohnens ist das Dasein nicht im Haus, sondern im Gehäuse. Dieses trägt den Abdruck seines Bewohners. Das neunzehnte Jahrhundert war wie kein anderes wohnsüchtig. Es begriff die Wohnung als Futteral des Menschen und bettete ihn mit all seinem Zubehör so tief in sie ein, daß man ans Innere eines Zirkelkastens denken könnte, wo das Instrument mit allen Ersatzteilen in tiefe, meistens violette Sammethöhlen gebettet, daliegt. Für was nicht alles das neunzehnte Jahrhundert Gehäuse erfunden hat: für Taschenuhren, Pantoffeln, Eierbecher, Thermometer, Spielkarten – und in Ermangelung von Gehäusen Schoner, Läufer, Decken und Überzüge.«

Ob nicht auch das 20. und das 21. Jahrhundert auf jeweils eigene Weise als »wohnsüchtig« zu bezeichnen sein werden? Auch wenn heutige Wohnräume mit den überladenen Interieurs des 19. Jahrhunderts auf den ersten Blick wenig gemein haben, weil sie meist einer in der Moderne wurzelnden reduktiven Ästhetik verpflichtet sind, hat die Metapher des Futterals auch in aktuellen Raumkonzepten ihre Bildkraft nicht eingebüßt. Im Gegenteil, die Analogie zum Stofflichen erscheint umso plausibler, je homogener die Auskleidung in der gegenwärtig geschätzten Monomaterialität (Wand = Decke = Boden) den Innenraum überzieht. Der Vergleich mit der Stofflichkeit eines Innenfutters greift selbst dann, wenn dieses nicht tapetendünn auf eine Trägerlattung aufgebracht wird, sondern aus übereinandergeschichteten Holzbalken besteht, wie z. B. beim Haus von Matten, einem alten Blockhaus im Freilichtmuseum Ballenberg (CH), das Patrick Thurston 2007 durch eine robuste Innenschale gehobenen Wohnstandards anpasste.

Die neue Innenhülle des Blockbaus besteht aus 10 cm dicken, mit Seife und Lauge behandelten Tannenbalken, die analog zum Bestand an den Ecken verstrickt sind. Dieser im Unterschied zu einer normalen Tafel-Verkleidung sichtlich tektonische Innenausbau verleiht den beiden neuen Stuben und Schlafkammern Plastizität und Sinnlichkeit, die es in puncto Heimeligkeit mit jeder traditionellen Zirbenstube aufnehmen kann. Durch das Blockhaus-im-Blockhaus-Konzept, das der Architekt selbst mit einer »kräftig leuchtenden Fütterung aus Seide in einem Mantel ...« verglich, blieb die alte Substanz unverletzt und auch statisch geschont, denn die Decken ruhen überall auf den neu eingestellten Wänden. Atmosphärisch zehrt das Haus von Matten vom Hell-dunkel-Kontrast zwischen altem und neuem Strickbau, vom Geruch, der Haptik und der Alterungsfähigkeit des Werkstoffs Holz ebenso wie von dessen Vermögen, als homogene Innenhülle einen abstrakten, zugleich natürlichen Hintergrund zu bilden.

Die stoffliche Wirkung eines Innenfutters ist besonders eindrücklich, wenn – wie oben angedeutet – Boden, Wand und Decke zur nahtlosen Einheit verschmelzen, wie etwa beim Haus A. von Dietrich|Untertrifaller in Davos (CH), wo ein rustikales Ferienhausensemble aus den 1960er Jahren komplett mit geölter Weißtanne ausgekleidet, ja geradezu »tapeziert« wurde. In den ursprünglich zweigeschossigen Baukörper wurden drei Ebenen millimetergenau eingepasst, Innenausbau und Möbel sind bis unter das Dach mit hoher handwerklicher Präzision zu einer makellosen Gesamtheit verbunden. »Um die Passgenauigkeit noch weiter zu erhöhen, wurde sogar das verwendete Massivholz auf die mittlere Luftfeuchtigkeit der Graubündner Gebirgsregion heruntergetrocknet«, schrieb Walter Zschokke über diesen Willen zur perfekten Passform.

Die bergende Wirkung einer homogenen Innenhülle lässt sich mit hochwertigen und präzise verarbeiteten Hölzern, aber auch mit vermeintlich grobschlächtigen Produkten wie z. B. osb-Platten erzielen, wie sie etwa in der Casa Yaya in Madrid (E) von Manuel Ocaña Wände und Decken zieren. Der semantisch aufgeladene Eichenparkettboden mit der intarsienhaft aufgemalten Vergrößerung eines weiblichen Porträts, dem Gesicht der Bewohnerin, steht zur industriell-strukturellen Anmutung der Raumhülle in größtmöglichem Kontrast. Fertigprodukt und kunsthandwerkliches Unikat gehen bei diesem Projekt innerhalb der Werkstofffamilie Holz eine geheimnisvolle Allianz ein, die sich erst über den persönlichen Hintergrund der Auftraggeber zur Gänze erschließt. Dass eine Wohnung »den Abdruck seines Bewohners« trägt, wie Benjamin konstatierte, findet hier eine fast wörtliche Übersetzung.

Der Kontrast zwischen grobem äußeren Erscheinungsbild und verfeinerter Innenwelt ist bei Konzeptionen »von innen her« häufig Programm. Beim Projekt Box Home in Oslo (N) von Rintala Eggertsson Architects spielt die Dualität zwischen harter Schale und weichem Kern eine dominante Rolle, wobei sich schon im Projektnamen das Bild einer wohnlichen Schmuckschatulle aufdrängt. Ziel des Projekts sei es gewesen, so Sami Rintala, »ein friedliches, kleines Heim zu schaffen, eine Art städtische Höhle, in die sich eine Person zurückziehen und – je nach Wunsch – für eine Weile die Intensität der umgebenden Stadt vergessen kann«. Die Tragstruktur dieses prototypischen Minimalhauses mit nur 19 m² Nutzfläche besteht aus Pinienholz, die Innenwände und der Boden sind aus Zypresse. Badezimmer und Küche sind auf der unteren, der Wohnraum sowie ein Schlafpodest auf der durch eine Leiter erreichbaren oberen Ebene situiert. »Das Projekt konzentriert sich auf die Qualität von Raum, Material sowie natürlichem Licht und versucht, unnötige Grundfläche zu reduzieren«, so Sami Rintala. »Das Resultat ist eine Wohnung, deren Preis nur ein Viertel dessen beträgt, was ein Apartment dieser Größe sonst kosten würde.« Diese an Raumökonomie kaum überbietbare urbane Höhle erhielt eine Außenhaut aus horizontal angeordneten Aluminiumblechen, die von kreuzförmig angeordneten Fenstern unterteilt wird. Diese »harte Schale« korrespondiert mit dem städtischen Umfeld und dient dazu, die intime Räumlichkeit des »weichen Kerns« wirkungsvoll zu maskieren.

Die Dialektik zwischen Maskieren und Freilegen, Einschließen und Entblättern tritt in Innenausbauten besonders deutlich zutage, die raumbegrenzend und raumschaffend zugleich sind, bei denen die Vertäfelung zugleich als Möbel und als Stauraum fungiert. Schon hinter einer einfachen Lamperie oder Wandvertäfelung lässt sich alles Mögliche verbergen – filigrane Wertgegenstände ebenso wie unschöne Kabelstränge –, und Wandschränke und Sitzbänke können sich als wahre Raumwunder erweisen. Ein Beispiel für eine mit raumökonomischem Geschick funktionalisierte Innenhülle ist der Dachausbau Allmeinde von Katia und Gerold Schneider beim Hotel Almhof Schneider in Lech am Arlberg (A).

Der im Obergeschoss eines ehemaligen Schuppens installierte multifunktionale Einbauschrank (Weißtanne furniert auf Paneelplatten) birgt sämtliche Infrastruktur. Die reduzierte Schrankwand bringt mal eine Küche, mal eine Bettstatt zum Vorschein und beschränkt sich ansonsten auf ihre Rolle als raumbildende Präsentationswand im gleichermaßen rustikalen wie verfeinerten Ambiente.

Derartige zum Möbel aufgewertete Innenwände strahlen, wenn sich ihr Mechanismus nicht auf den ersten Blick erschließt, eine funktionale Mehrdeutigkeit mit Tendenz zum Geheimnisvollen aus: »Wir glauben, dass Menschen gern eine geheime Stelle in ihrer Wohnung haben: eine Stelle, die auf ganz besondere Weise benutzt und nur zu ganz besonderen Anlässen enthüllt wird«, schreibt Christopher Alexander in »Eine Muster-Sprache« zum Pattern »Geheimfach«. »In einem Haus mit einer derartigen Stelle zu leben, ist eine ganz andere Erfahrung. Es regt einen dazu an, etwas Kostbares dort aufzubewahren, etwas zu verbergen, nur manche in das Geheimnis einzuweihen und andere nicht.

Es ermöglicht einem, etwas Wertvolles ganz für sich aufzuheben, so dass es nie jemand findet, bis man einmal zu einem Freund sagt: „Jetzt zeige ich Dir was ganz Besonderes“, und ihm die Geschichte, die dahintersteckt, erzählt.«

In einem direkten Verweis auf Gaston Bachelards Poetik des Raums spielt Christopher Alexander hier nicht nur auf den funktionalen, sondern vor allem auf den symbolischen und psychologischen Wert von Nischen und Wandfächern an. Nicht allein der praktische Nutzen solcher Fächer, die sich hinter Wandverkleidungen perfekt verbergen lassen, zählt, sondern vor allem der Reiz des Verbergens und exklusiven Enthüllens von »Gehäusen« im Gehäuse.

[ Gabriele Kaiser, geboren 1967. Architekturpublizistin und Redakteurin in Wien. Seit 2002 Redaktion der online-Baudatenbank des Architekturzentrum Wien, seit 2003 Mitarbeit am Band III/3 des Führers »Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert« von Friedrich Achleitner. ]

zuschnitt, Di., 2009.09.15



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16. Dezember 2008Gabriele Kaiser
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Virtuosität des Scheinbaren

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze...

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze...

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze an der Wiener Ringstraße errichtet – lenkt Georg Töpfer, der gemeinsam mit Alexander van der Donk 2004/05 die Restaurierungs- und Umbauarbeiten leitete, den Blick der Besucher gern nach oben zu den prächtigen Kassettendecken in Empfangsraum, Speisesaal und Spielzimmer und lässt sie die Anzahl der verwendeten Holzarten raten. Sind es drei, vier, gar fünf? Suchend wandert der Blick über die Deckenpracht. Gar kein Holz – die Antwort musste ja kommen. Was täuschend echt wie aufwändige Schnitzarbeit aussieht, ist lasierter Gipsstuck, kunstvoll auf Holzdecke getrimmt. Das gemalte Holz wirkt so echt, dass es von wirklichem Holz nicht zu unterscheiden ist und auch im unmittelbaren Zusammenspiel mit Furnieren und Massivhölzern im selben Raum überzeugt.

Die handwerkliche Präzision der Nachahmung stellte die Restauratoren, die sich mit der Qualität der Lasurtechnik aus nächster Nähe auseinandersetzten, vor handwerkliche Herausforderungen. »Die Perfektion der Imitation ging so weit, dass sogar die Gehrungsschnitte im Stuck nachgebildet sind«, berichtet Georg Töpfer. Mit den Scheinholzdecken, die aus vorgefertigten dünnen Gipsguss-Stuckteilen aufgebaut sind, ist das Stoffwechselprogramm des Palais Epstein jedoch längst nicht erschöpft. Eine spezialisierte Handwerkskultur ermöglichte es, dass sich nahezu alle Materialien in alle verwandeln konnten: Holz in Marmor, Gips in Holz, Metall in Marmor und Holz in Metall. Hansen legte seinem Entwurf ein differenziertes Farb- und Formenkonzept zugrunde, sodass die farbig gefassten Holzteile der Türrahmen und -verkleidungen vielfach die gleichen Marmorierungen wie die Stuckdecken oder die in Stuccolustro oder Stuckmarmor gearbeitete Wandausstattung zeigen. Stuckmarmor ist gestaltbarer als echter Marmor, gemaltes Holz gestaltbarer als echtes. Stuccolustro und Stuckmarmor (der das teurere Verfahren der Steinimitation darstellte) treffen im Palais Epstein als gleichwertige Fertigungstechniken aufeinander. »Sicher ging es dabei auch um das Ethos des Handwerks«, mutmaßt Töpfer, »man wollte einfach zeigen, was man kann und dass man es kann«.

So viel Aufwand für den Schein? Eine prunkvolle Bühne für die Virtuosen der Täuschung? Der Moralbegriff der Moderne und das Dogma der Materialehrlichkeit, das auch die Architekturauffassung der mit dem Umbau beauftragten Architekten prägte, wiegen sichtlich noch schwer. Georg Töpfer hatte bei Hans Puchhammer an der TU Wien studiert und im Zuge der großen Loos-Ausstellung in der Albertina 1989 Bauaufnahmen von Loos-Gebäuden gemacht. Bei der Arbeit im Palais Epstein musste er deshalb erst über seinen Loos-Schatten springen, als er sich in dem polychromen Gesamtkunstwerk mit einer heute nicht mehr fasslichen Oberflächenopulenz konfrontiert sah. Die Gestaltungsfreiheit im Sinne einer orchestrierten räumlichen Gesamtwirkung war wohl auch zentrales Motiv für die Imitation von Materialien, die – weil nicht Produkte der Natur, sondern des hoch spezialisierten Kunsthandwerks – ein viel höheres Maß an chromatischer Perfektion ermöglichten. Obwohl die Bauindustrie des 19. Jhs. in vielen Musterbüchern ornamentale Katalogware bereithielt (die Hansen eher bespielte, als dass er sich ihrer bedient hätte), ist angesichts der Finanzkraft des Bauherrn Gustav Epstein der Spargedanke allenfalls hinsichtlich der relativ kurzen Bauzeit ein Argument.

Für Hansen war die Stimmigkeit der Raumoberflächen entscheidend, zudem galt es, konkrete historische Referenzen in die Gesamtkomposition zu integrieren. Für den Plafond des Speisezimmers hatte z. B. die römische Basilika San Lorenzo fuori le Mura als Vorlage gedient, und die farbig gefasste Decke des Spielzimmers ist ein wörtliches Zitat der Decke der venezianischen Renaissancekirche Santa Maria dei Miracoli. Von dieser Decke hatte Hansen auf einer Italienreise detailgetreue Bauaufnahmen angefertigt und in der »Allgemeinen Bauzeitung« veröffentlicht. 1 Die Integration historischer Vorlagen ins Gesamtkonzept des Neuen erscheint im Palais Epstein ebenso »natürlich« wie das Ineinandergreifen von Nachahmung und Erfindung in dessen Umsetzung. So als ob sich gerade in der möglichst getreuen Nachahmung eines Materials (einer realen Gesteins- oder Holzart, man wollte ja keine Werkstoffe »fantasieren«) und in der Anverwandlung von kanonisierter Architektur vergangener Epochen die spielerische Lust an der Imitation erfindungsreich entfalten konnte. In dieser hohen Kunst des »Als-ob« verlieren die heute gängigen Kategorien des Echten und Falschen rasch ihren Sinn.

zuschnitt, Di., 2008.12.16



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20. November 2008Gabriele Kaiser
Sonja Pisarik
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Modellbau ist Dedektivarbeit

Franz Hnizdo unterrichtet seit 1985 Architekturmodellbau an der Universität für angewandte Kunst in Wien und arbeitet derzeit u.a. an einer Publikation über die Bedeutung des Modells von der Antike bis in die Gegenwart und den historischen Modellbautechniken. Gabriele Kaiser und Sonja Pisarik trafen Franz Hnizdo zum Gespräch.

Franz Hnizdo unterrichtet seit 1985 Architekturmodellbau an der Universität für angewandte Kunst in Wien und arbeitet derzeit u.a. an einer Publikation über die Bedeutung des Modells von der Antike bis in die Gegenwart und den historischen Modellbautechniken. Gabriele Kaiser und Sonja Pisarik trafen Franz Hnizdo zum Gespräch.

Ihr Spezialgebiet sind Modellrekonstruktionen von historischer Architektur, und in diesem Sinn ist der Modellbau eine Forschungsdisziplin.
Er ist wesentlicher und anerkannter Beitrag zur Bauforschung – hauptsächlich interuniversitär und interdisziplinär in Zusammenarbeit mit archäologischen Instituten, auch mit der Ägyptologie und vielen Museen. Manches rekonstruieren wir auch völlig alleine, aber bei archäologischen Projekten arbeiten wir natürlich immer eng mit den jeweiligen Fachleuten zusammen. Bei vielen archäologischen Grabungen gibt es sogenannte Grabungsarchitekten, auch Studierende, die alles, was aus dem Boden herauskommt, aufnehmen und zeichnen. Da sitzen sie oft Monate bei einer bestimmten Volute, einem Kapitell oder sonst was. D.h. es entstehen viele Detailpläne von Steinen, steingerechte Aufrisse – oft ganze Pakete von Zeichnungen. Aber in den wenigsten Fällen macht sich wirklich jemand Gedanken, wie das ganze Gebäude ausgesehen hat. Wenn allerdings eine größere Ausstellung bevorsteht, wo auch die aufgehende Architektur gezeigt werden sollte, nicht nur schnell virtuell, sondern real, dann wird es manchmal eng. Das ist der wunde Punkt – es fehlt oft an der räumlichen Vorstellung. Da springe ich ganz gern in die Bresche und versuche mit Vormodellen, Modellstudien gewisse Dinge 3D wachsen zu lassen, damit wir der Wahrheit näher kommen. Das muss natürlich in sich stimmig sein, denn Sie können bei einem Rekonstruktionsmodell natürlich nicht lügen. Es muss immer übers Eck stimmen. Sie können zwar einfach wo beginnen, aber irgendwo lässt es dann aus – da gibt es dann plötzlich Fragezeichen an jeder Ecke. Mit einer Perspektive können Sie – das war schon in meiner Studienzeit so – schummeln wie Sie wollen. Wenn es dann real wird, ob jetzt in einem kleineren Maßstab oder in einem größeren gebaut wird, können Sie eigentlich nicht lügen. Da müssen Sie sich zur Wahrheit durchkämpfen.

Also kann man sich vorstellen, dass diese Modelle, die Sie auch zwischendurch anfertigen, bei sehr schwacher Datenlage auch so etwas wie Arbeitshypothesen sind, die immer überprüft werden müssen mit dem konkreten Fund.

Richtig. Man muss sich genau einlesen in das spezielle Fachgebiet, um eine profunde Gesprächsbasis mit dem Archäologen zu haben. Zunächst sind das ja nur Arbeitsgrundlagen. Und dann steigert sich das. Das ist so wie eine umgekehrte Pyramide, da haben wir oft zunächst wirklich nur die Spitze, dann irgendwann kriegen wir die Basis, und letztlich können wir ein seriöses Repräsentationsmodell bauen.
Wenn man an jüngere Beispiele wie das „Kabarett Fledermaus“ oder das „Palais Stoclet“ denkt, da gab es doch zum Teil Fotos oder Pläne, die Sie für das Rekonstruktionsmodell zu Hilfe nehmen konnten, oder?
Ja, beim Palais Stoclet gibt es viele Fotos, die wir im Vorfeld gemacht haben. Für solche Sachen recherchieren wir wie die Detektive. Aber ins Palais Stoclet kommt man nicht so einfach hinein, da gab es damals die Madame Stoclet, die niemandem so ohne weiteres Zutritt gewährte. Das kam immer sehr auf ihre Stimmung an. Wir wollten uns nicht abschrecken lassen, haben einen Schulbus gemietet und sind mit einem Fotografenteam nach Brüssel hinaufgefahren, ohne dass wir uns vorher groß angemeldet hätten. Ich habe nur versucht, über den Schwiegersohn, den Dr. Haas-Stoclet, dessen Tochter selbst Fotografin war, einen Kontakt herzustellen und ihm zu sagen, dass wir kommen. Er hat gemeint, dass er es seiner Maman sagen wird. Und so sind wir hineingekommen und konnten immerhin eine Woche dort verbringen. Wir haben mit Messlatten eine komplette Bauaufnahme gemacht, wir sind sogar in der Hoffmann-Küche von der Madame mit Tee bewirtet worden. Am Abend mussten wir ihr die Fotos und die Skizzen, die wir untertags gemacht haben, immer zeigen. Um am dritten Tag hat sie uns plötzlich alle hinauskomplimentiert, es war aus. Was jetzt? Es hat sich herausgestellt, dass wir ein Foto vom Innenhof gemacht haben, auf dem auch zufällig ein zerbrochener Blumentopf zu sehen war, und das war fatal, denn Madame Stoclet war extrem darauf bedacht, dass dieser Bau in seinem Idealzustand festgehalten wird. Es war ein Akt der Bewahrung – sie hat dort wie eine Oberinspektorin gewacht, denn sie hat schon so viele schlechte Dinge erlebt, dass der Bau z.B. auf Zigarettenpackerln abgebildet war. Das besagte Foto haben wir ihr dann ausgehändigt, und dann ging es wieder weiter. Wir waren sogar am Dach und haben von dort wunderbare Aufnahmen machen können. Außerdem haben wir in die Familienbücher Einblick nehmen dürfen. Später haben wir dann im Maßstab 1:50 für die Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ das Modell gemacht. Als dann Madame Stoclet zur Verleihung eines Ehrenringes nach Wien kam, war sie von dem Modell – weil es ja wirklich den Erstbau abgebildet hat – zu Tränen gerührt.
Beim „Kabarett Fledermaus“ tauchte eine Plan von Le Corbusier auf. Oder vielmehr eine kleine Skizze, die das Kabarett Fledermaus gezeigt hat. Man ist im Zuge einer geplanten Ausstellung im Wiener Theatermuseum an mich herangetreten und hat gemeint, jetzt können wir das Kabarett Fledermaus bauen, jetzt haben wir ja die Skizze. Und dann hat sich im Laufe intensiver Recherchen herausgestellt – wir waren auch vor Ort und haben wieder alles vermessen – dass die Skizze überhaupt nicht gestimmt hat. Dass Le Corbusier das zwar gezeichnet hat, aber idealisierend! Zwei Jahre später hat er sich halt in einer Eisenbahn daran erinnert und das Lokal aus der Erinnerung skizziert, was natürlich in den Proportionen nicht gestimmt hat. Ich habe dann u.a. alte Feuerwehrpläne ausgehoben. Also das geht wirklich in die ganz strenge Recherche.

Wie lange dauert im Wesentlichen so eine Recherche?

Mindestens ein halbes Jahr lang wird nur geforscht. Der eigentliche Modellbau ist ja dann nur mehr eine Umsetzung. Da gibt es dann natürlich immer wieder kleine Rückschläge oder Probleme, da muss man dann wieder nachschauen und gewissenhaft weitersuchen. Es geht immer um den Erstbau. Auch beim Belvedere zum Beispiel. Das Belvedere im Modell nachzubauen war, was die Datenlage betraf, eher leicht, immerhin gab es die Pläne von Salomon Kleiner. Salomon Kleiner hat den Erstbau ja seinerzeit ganz genau gezeichnet, aber trotzdem waren Fehler drinnen. Man kann nicht immer aus der Ferne diagnostizieren, man muss also dort auch selbst mit dem Maßstab herumgehen und schauen, was ist verbaut worden, wo schaut noch was heraus?
Gibt es bzgl. der Materialität des Modells zwingende Gründe, warum etwas aus Gips oder Holz gemacht wird?
Gebäude, auch die der Antike, leben für mich irgendwie. Jetzt könnte man sagen, so einen Tempel kann man aus Gips bauen, das wäre auch irgendwie naheliegend, hat man ja auch früher gemacht – aber Gips ist ein totes Material, das strahlt keine Lebendigkeit aus. In der Antike waren ja viele Tempel zumindest teilweise bemalt. Es wird daher versucht, verschiedene Edelhölzer betont abstrakt und farbnuanciert zusammenzustellen. Ich komme ja ursprünglich vom Geigenbau und von der Kunsttischlerei und Bildhauerei her, also mir ist der Werkstoff Holz einfach am liebsten, er ist auch am Dauerhaftesten, dazu sind Holzmodelle heute eine ausgesprochene Rarität. Das Belvedere z.B. hat an die 200 Figuren auf dem Dach, jedes Fenster hat ein anderes Ornament. Das kann und will ich nicht mit Kitt herstellen, wie das die Italiener in der Renaissance gemacht haben. Das sind Miniaturschnitztechniken, die ich seinerzeit bei einem Griechen gelernt habe. Und ich möchte das so präsentieren. Deswegen kosten die Modelle auch entsprechend, weil man da eine Menge Zeit braucht. Die Figuren sind ja dann oft nur etwa 2–2,5 cm groß, und sie müssen in den Proportionen ziemlich stimmen. Da komme ich mit Holz am besten hin. Wenn Sie da mit Malerei anfangen, dann wird es schnell zum Zuckerbäcker-Modell.

Es besteht die Gefahr, dass ein Modell wie ein Kinderspielzeug aussieht.

Bei uns nicht, da predige ich immer die Drei-Finger-Regel: Maximal drei fein abgestufte Holzarten; oder bei der Mischtechnik höchstens drei zueinander passende Materialien – das kommt meistens hin.
Manchmal ist es aber auch ein Kinderspielzeug! Aus der Antike bzw. aus der Steinzeit gibt es richtig schöne Kinderarbeiten – Esel, Schafe, kleine Töpfe, Häuser. Das kann also auch einfach Spielzeug gewesen sein, man muss nicht immer gleich an wahnsinnige Architekturleistungen denken. Wir haben doch als Kinder alle gerne in der Sandkiste Dinge geformt, und wenn die Eltern aus Ton modelliert haben, Töpfe, Löffel bis zum Steinzeitschnuller, und das Kind steht daneben, will es ja auch was formen. Wir haben manchmal den Beweis, weil die Fingerabdrücke von Kindern teilweise noch sichtbar sind, 7.000 oder 8.000 Jahre alt.

Sie unterrichten seit 1985 an der Angewandten. Liegt Ihr Schwerpunkt auf „klassischen“ Modellbautechniken?

Heute wird natürlich auch bei uns sehr viel mit dem Computer entworfen. Aber es ist auch Teil meiner Lehre, dass ich auf bestimmte Gefahren hinweise. Wir machen schon noch beides. Wir entwerfen nicht nur am Computer und lassen es über den Plotter drucken, weil da der Entwerfer oft draufkommt, dass das dann doch anders ausschaut als gedacht. Also, diese Ambivalenz zu erklären ist mir wichtig im Unterricht. Man muss sich fragen, was kann das reale Modell, was kann das virtuelle Modell? Ich will keines von beiden verdammen, da muss man vorsichtig sein! Aber es sollte ein Dialog, eine Ergänzung zwischen beiden sein. Das, was ich aus dem Computer rausnehme, wird vielleicht händisch weiterbearbeitet. Dann wird es ausgeplottet, weil das halt am einfachsten geht, dann wird weiterentwickelt, man scannt es wieder ein, kann das im Computer wieder weiterverändern, nimmt es wieder heraus – also ein Vice-versa zwischen Computer und Modell. Die großen Architekten wie Rietveld oder Gaudí hatten auch keine Zeichenateliers, da wurde alles nur mit Arbeitsmodellen gemacht. Wenn Sie an die Sagrada Familia denken – das wäre ja anders gar nicht gegangen. Diese ganzen Knoten in der Kathedrale, man hat ja gar nicht gewusst, ob das statisch alles trägt. Heute sind die Statik-Rechenprogramme perfekt, man kann ganze Netze durchrechnen lassen.
Grundsätzlich kann man wohl sagen, Rekonstruktionsmodelle sind Hypothesen oder auch analytische Instrumente, aber auf dem anderen Ende des Spektrums befindet sich die freie Plastik. Das ist es ja auch immer in gewisser Weise, wenn man anerkennt, dass das Modell kein totales Abbild der Wirklichkeit sein kann.
Man weiß ja aus der Antike, z.B. aus der Zeit der der großen Pyramiden, später der Lykier, dass viele Bauplastiken im Vorfeld im Kleinmaßstab gebaut worden sind. Wenn ich ein schwieriges Material vor mir habe, ist es schon ratsam, es vorher auszuprobieren. Ein wesentlicher Aspekt ist ja der Materialwiderstand, der sich dem künstlerischen Prozess entgegenstellt. Es wird jetzt auch versucht, diesen mittels Computer zu simulieren. Na ja. Wenn Sie eine Idee im Kopf haben und Sie versuchen, diese Idee umzusetzen, und Sie haben einen Stein vor sich, Holz, Styropor, dann wird diese Idee drei verschiedene Ausformungen haben. Der Widerstand, der sich Ihnen beim Stemmen oder Formen von Styropor oder Gips bietet, ist jeweils ein ganz anderer. Das heißt, man versucht, diese Statuen schon im richtigen Material zu machen. Heute gibt es schon Programme, wo man – damit das realer wird – beim Führungsstift verschiedene Materialwiderstände einstellen kann. Das heißt, stelle ich Stein ein, dann muss ich mehr drücken, stelle ich Styropor ein, gibt er mir dann weniger Widerstand. Das ist schon kurios. Die Materialwahl, die Materialgerechtigkeit, die Materialspannungen – das geht in den Entwurfsprozess hinein, und das ist wahnsinnig wichtig und kann natürlich nie richtig am Computer simuliert werden. Wenn der Student das neutral und mit natürlichen Materialien bearbeiten will und ihm Holz zu schwer ist, soll er halt Ton nehmen. Ich mache mit ihnen auch immer Tonübungen, gehe mit ihnen in die Keramik-Abteilung hinunter und gebe ihnen ein Thema, wo sie aus Ton etwas formen sollen. Ganz am Anfang, im ersten Semester, das ist ein ganz wichtiges Semester. Das Arbeiten mit Naturmaterialien ist bei den Studierenden wieder sehr gefragt, es wird wieder gerne „begriffen“, wir sind eben doch noch die „Angewandte“ und kein reiner Geistestempel.

Wie ist der internationale Stellenwert von solchen Rekonstruktionen? Gibt es da in Österreich eine Sonderstellung?

Ja ich glaube schon, das dürfte doch so eine kleine, leichte Einmaligkeit sein, und nicht nur in Österreich, da habe ich das Feedback von vielen namhaften Architekten und Archäologen. Wir hatten ja auch sehr berühmte Leute in Österreich, die zwar keine Rekonstruktionsmodelle bauten, sondern brav nach Plänen der Architekten vorgingen, z.B. aus dem Barock oder Rokoko, wie Matthias Steindl mit der Turmfassade von Zwettl. Das waren oft riesige Modelle, 15er, 25er, 30er. Der mathematische Turm von Kremsmünster ist aus Buchsbaum gebaut. Dieser Baum kann ein paar Hundert Jahre alt werden und ist kaum mehr zu bekommen. Er hat eine Härte fast wie Kalkstein, da kann man die kleinsten Details schnitzen. Antonio Selvas’ Modell für das Teatro la Fenice in Venedig fällt mir da noch ein und natürlich die Palladio-Modelle. Manche Ausführungen sind Riesenapparate, fast schon Möbel, da füllt ein Modell einen halben Raum.
Gab es quer durch die Jahrhunderte gesehen bestimmte Maßstabskonventionen?
Meistens wurden solche Modelle bei reicheren Leuten auf irgendwelchen Schlössern ausgestellt. Da gab es kein Platzproblem. Gemacht wurde das meist von Spezialschreinern. Michelangelo – das war die klassische Zeit der Modelle, oder Elias Holl. Es hat aber eine Zeit in Italien gegeben, wo Modelle wie Bücher gehandelt wurden. Wenn ich also ein Pseudogelehrter aus dem aufkommenden Bürgertum bin, dann richte ich mir eine Bibliothek ein. Ich umgebe mich also mit ernstzunehmender Literatur und Wissenschaft. So ca. 1775 hatten Antonio Chichi und Augusto Rosa einen Einfall, weil sie bemerkt haben, dass die Leute modellbegeistert sind und sich mit dem Altertum umgeben wollen. Sie haben eine Marktlücke entdeckt und Korkmodelle gebaut. Ruinenhafte Tempel, ein bisschen romantisch, ein bisschen künstlerisch. Sie hatten richtige Model, weil diese Korkmodelle weggegangen sind wie die warmen Semmeln. Richtige Korkpressen, um die Säulen schneller zu machen und die Voluten und Kapitelle. Denn die waren ja schwierig aus Kork zu schnitzen, und so hat man eine richtige kleine Industrie aufgebaut. Man hat die Königshöfe und das Bürgertum beliefert. In Wien gibt es noch ein paar dieser Korkmodelle im Technischen Museum, in Augsburg im Rathaus gibt es noch einige. Im John Soanes-Haus in London gibt es auch auf dem Dachboden sehr viele Chichi-Modelle. Augusto Rosa hat das dann noch weiterbetrieben bis zum Exzess. Da wurden die Modelle wie im Prater vor Publikum vorgeführt, und da hat sich was getan. Zum Beispiel wurde ein Modell vom Vesuv gebaut, und der ist dann plötzlich explodiert, da sind die Leute kohlrabenschwarz herausgekommen. Das war der Hit damals. Man hat Bauwerke zerkrachen lassen – ein Panoptikum.

Welchen Stellenwert haben in Ihrer Disziplin 1:1-Modelle?

1:1-Modelle sind nicht zu verachten. Eines der berühmtesten Beispiele ist das Belvedere. Anlässlich der Hochzeit von Marie Antoinette war der ganze Park geöffnet für das Publikum, es schwammen Kerzen auf den Teichen, das Volk war eingeladen. Aber Antoinette hat die Fassade vom Belvedere missfallen. Marie Theresia hat daher über die ganze Nordfassade eine Holzwand aufbauen lassen, also ein richtiges Gerüst mit Fenstern, und nach dem Stil der damaligen Zeit bemalen lassen. Fast das ganze Belvedere war nur sichtbar mit einer neuen Fassade, die ist zwei Meter vor der alten gestanden. Man musste durch die Kulisse durchgehen, wenn man hineinwollte. Also ein wunderbares Beispiel für ein 1:1-Modell. Oder denken Sie an Otto Wagners Museumsprojekt am Karlsplatz, oder an Plischkes Haus Gamerith, an Mies van der Rohe. Da wurde das Haus aus Holz und Segeltuch in wahrer Größe in die Landschaft hineingestellt, und der Bauherr konnte sich das anschauen. Und heute baut man aus rein pekuniären Gründen bei Hochhäusern auch schon einen Teil einer Etage im Voraus mit Teppich und allem, da kann der Professionist genau hochrechnen, was das insgesamt kosten wird. Das heißt, die Baukosten sind viel genauer. Aus reinen baukalkulatorischen Gründen wird das gemacht, aber auch für die Mieter natürlich, die noch was ändern wollen. Das kostet zwar, aber letztlich kann ich vorher schon verkaufen und weiß ganz genau, wo hab ich tragende Teile, wo kann ich bei den Zwischenwänden individuell variieren. Und jeder Professionist, ganz egal ob Maurer, Tischler oder Installateur, kann, sobald er wo unsicher ist, nachschauen, wo es z.B. Rohrverschneidungen etc. gibt. Denn wenn ein Professionist Unsicherheiten spürt, dann schlägt er das direkt auf die Kosten um. Große Bauwerke in der Antike haben eine sehr lange Bauzeit beansprucht. Im Normalfall hat irgendein Herrscher mit dem Mausoleum oder Palast, oder was auch immer, schon in seiner Jugend anfangen müssen. D.h. der Modellbauer hat auch den Stellenwert gehabt, dass man bereits vorher zeigen konnte, wie der Bau dann letztendlich einmal ausschauen wird.
Bei meinen eigenen Projekten kommt es natürlich auch vor, dass ich direkt am Grabungs-Campus eine sogenannte Architekturprobe 1:1 aus ergrabenen Blöcken zumindest teilweise aufbaue, dann mutiert eben das Studienmodell zu einem Stück Original.

Hintergrund, Do., 2008.11.20



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20. November 2008Gabriele Kaiser
Sonja Pisarik
Hintergrund

In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen ...

„In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf …“

Das 1973 eröffnete Verwaltungsgebäude der BMW München ist mit seinem kleeblattförmigen...

„In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf …“

Das 1973 eröffnete Verwaltungsgebäude der BMW München ist mit seinem kleeblattförmigen...

„In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf …“

Das 1973 eröffnete Verwaltungsgebäude der BMW München ist mit seinem kleeblattförmigen Grundriss wohl einer der signifikantesten Bauten von Karl Schwanzer. Dass der charismatische Architekt nicht nur im Entwurf und in der Hochschullehre, sondern auch in der Projektakquisition unkonventionelle Wege ging, wird in der Projektgenese des Vierzylinder-Turms deutlich. So ließ er im Dezember 1968 – nach einer Stippvisite bei sämtlichen BMW-Aufsichtsratsmitgliedern (mit Modellen und Projektunterlagen im Gepäck) – auf eigene Kosten in den Bavaria Filmstudios ein Funktionsmodell eines Etagensegments im Maßstab 1:1 nachbauen, um den noch zögerlichen Vorstand endgültig von seiner Projektidee zu überzeugen. Laurids Ortner, der zur Zeit des BMW-Wettbewerbs im Büro Schwanzer gearbeitet hat, erinnert sich an diese ungewöhnliche Überzeugungstat …

Ich kann mich an diese Pattstellung beim Wettbewerb erinnern. Die Entscheidung stagnierte irgendwie, und da hatte Schwanzer die Idee, das Ganze 1:1 in Geiselgasteig aufzubauen, in den Filmstudios der Bavaria. Ein volles Büro mit Blick auf München. Es sollte ein Geschoß ziemlich hoch oben sein. Man blickt hinaus über das künftige Olympiagelände, drinnen spielen die Leute Büro. Schwanzer meinte, ich soll diese 1:1-Geschichte übernehmen, aber ich konnte oder wollte – oder traute mich nicht. Eigene Projekte waren für mich schon wichtiger, Haus-Rucker-Co war im Entstehen. Ich hab abgesagt und war dann zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr bei ihm im Büro. Ich weiß aber noch, dass er sich diese Installation für damalige Verhältnisse ungeheure 400.000–500.000 Schilling kosten hat lassen. Das war eine Riesensumme. Und das noch vor Auftragsvergabe! Später hat mir Schwanzer dann einmal erzählt, dass der Vorstand in die Etage kam und vollkommen von den Socken war.

Waren das Schauspieler, die da mitgespielt haben?

Ja natürlich, bzw. Statisten, die auf Schreibmaschinen geklopft und irgendwelche Akten durchs Büro getragen haben. Alles vollkommen realistisch, eine perfekte Kulisse, auch die simulierte Aussicht. Der Vorstand kam herein und schaute quasi zu ebener Erd’ auf München hinunter und meinte dann, wenn das schon so weit gediehen ist, können wir das ja nur mehr bauen! Es war vollkommen überzeugend. Für Schwanzer war das eine ganz gerade, unternehmerische Angelegenheit. Schwanzer war wirklich der prägende Mann für meine Generation, auch in einem über die Architektur hinausgehenden Sinn, in seiner ganzen Art, an die Dinge heranzugehen. Schwanzers Büro war ein völlig anders organisierter Laden als die damaligen Architekturbüros. Bei ihm gab es einen gewissen Glamour, eine speziell aufgeladene Atmosphäre von großer Welt. Man hatte immer das Gefühl, am Drücker zu sein – jetzt passiert es. Eigentlich war er der erste Architekt – auch in dem Sinne, wie man ein Architekturbüro modern führt. Er meinte damals, in der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf …

Würden Sie sagen, dass ihm beim BMW-Projekt auch seine rhetorischen Fähigkeiten zugute kamen?

Absolut! Er hat Qualitäten gehabt, so ein bisserl wie der Qualtinger. Diese massigen Leute, die haben oft etwas unerhört Leichtfüßiges. Qualtinger hatte das, und Schwanzer hatte das auch. Er konnte blendend Leute und Situationen nachmachen. Ich hab ihn zwar nie als großen Redner erlebt, aber so im Gespräch mit anderen Leuten, da hast du alle fünf Sinne zusammennehmen müssen, dass er dich nicht plattgemacht hat.

Auf einer Website (www.7-forum.com) wird in einem Leserbrief eines ehemaligen BMW-Mitarbeiters behauptet, dass dieses 1:1-Modell lediglich als Musterraum für die künftige Möblierung des BMW Verwaltungsgebäudes installiert worden sei.

Blödsinn! Das ist vollkommener Plunder! Das ist als echtes Risikoprojekt dort gestanden. Und es war nicht irgendwo im halbfertigen Bau eine Bemusterung, das wäre ja nicht so unüblich gewesen. Dort ist wirklich eine Bühne aufgebaut worden. Es wurde sozusagen auf Erfolg gespielt. Das war der absolute Kick. Man muss sich vorstellen, allein die runden Formen, da kriegt doch jeder aus dem Vorstand Bauchweh, dass da alle möglichen Probleme auftauchen, auch mit der Möblierung. Dann waren diese Zylinder auch noch konstruktiv von oben abgehängt, das waren alles Probleme für einen Vorstand, der in der Regel, und damals erst recht, recht konservative Vorstellungen hat. Eigentlich waren die mit dem Projekt überfordert. Und wenn man ihnen nicht vorgeführt hätte, dass es nicht nur funktioniert, sondern auch noch unerhört attraktiv ausschaut, hätte das Projekt vielleicht gar keine Chance gehabt. Das 1:1-Modell, das war der Zug zum Tor!

Diese Geschichte mit dem Bau in den Filmstudios beweist ja auch einen sehr hohen Grad an Emotionalität, weil sonst würde man ja gar nicht so viel Geld in ein Projekt hineinstecken, um andere Leute davon zu überzeugen, dass das, was man macht, das Richtige ist.

Aber es ist auch so eine Art Jägerinstinkt. Da ist die größtmögliche Beute, der größte Fisch, den es überhaupt gibt. Also, den zu erlegen, das ist der Schuss fürs Leben. Und so war es dann ja auch. Dieser Auftritt in Deutschland hatte ja damals noch eine ganz andere Dimension. Man muss bedenken, Schwanzer hat das wichtigste und größte Bürogebäude für den besten Konzern realisiert, den es in Deutschland damals gab. Das war eine Riesengeschichte, erstmals konnte sich ein Gebäude mit derartiger Signifikanz durchsetzen und zu einem Markenzeichen werden. Wenn heute Leute wie Ben van Berkel oder Zaha Hadid für so etwas geholt werden, dann ist das vergleichsweise ein kleiner Fisch. Eigentlich hätte man sich denken müssen, da kriegen jetzt bestimmt auch ein paar andere Vorstandsvorsitzende Appetit – so wie sie jetzt alle Appetit haben, sich zu verwirklichen. Aber das war erstaunlicherweise damals nicht der Fall.

Auch in diesem Sinn ist das Schwanzer-Projekt eine singuläre Geschichte.

Ganz sicher. Aber ich habe gar nicht gewusst, dass das mit dem Modell wie ein Mythos durch die Zeiten geistert.
Es ist jedenfalls gut, wenn die Sache ausgegraben wird, weil sie natürlich ein Licht auf diverse Strategien wirft, die theoretisch nach wie vor möglich wären.
Der Zeitpunkt für eine Aufarbeitung von Schwanzers Tätigkeit ist jetzt schon überreif, bevor die nächsten wegsterben, die noch etwas erzählen könnten.


[Auszug aus einem längeren Gespräch über Karl Schwanzer, das Gabi Kaiser und Sonja Pisarik am 27. August 2008 mit Laurids Ortner geführt haben.]

Hintergrund, Do., 2008.11.20



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16. September 2008Gabriele Kaiser
zuschnitt

Hauszustellung nach Amerika

Im Gegensatz zu Buster Keaton, der in »One Week« (1920) kläglich daran scheitert, ein vorfabriziertes Eigenheim binnen einer Woche zusammenzuschrauben,...

Im Gegensatz zu Buster Keaton, der in »One Week« (1920) kläglich daran scheitert, ein vorfabriziertes Eigenheim binnen einer Woche zusammenzuschrauben,...

Im Gegensatz zu Buster Keaton, der in »One Week« (1920) kläglich daran scheitert, ein vorfabriziertes Eigenheim binnen einer Woche zusammenzuschrauben, hat die Aufbaucrew in Manhattan mit dem system3-Haus von Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf (Projektleitung: Jochen Specht) leichtes Spiel. An einem regnerischen Morgen im Juni 2008 werden zwei Überseecontainer auf dem West Lot des Museum of Modern Art in New York abgesetzt.

Um 9 Uhr kann nach Justierung der Auflager die »Serving Unit« (komplett mit Küche, Bad, Stiege, Installationen) aus dem Container gehoben, eine Stunde später mit der Fixierung der System-wände und des Daches des »Naked Space« begonnen werden.

Um 13.30 Uhr steht das in sämtlichen konstruktiven Teilen aus Brettsperrholz gefertigte system3-Haus samt Maß-Möblierung schlüsselfertig an seinem Platz. Als Exponat der Ausstellung »Home Delivery: Fabricating the Modern Dwelling« lotet es als einer von fünf internationalen Beiträgen im Maßstab 1:1 die konstruktiven Möglichkeiten der Vorfabrikation aus. Der MoMA-Kurator Barry Bergdoll knüpft damit an eine Tradition des Hauses an, denn im Skulpturengarten des Museums sind schon mehrmals Musterhäuser aufgestellt worden (1949 eines von Marcel Breuer), um den uniformen Trashhomes der amerikanischen Vorstädte eine architektonisch relevante Alternative entgegenzustellen. Dass Architekten wie Jean Prouvé, Le Corbusier, Walter Gropius, Buckminster Fuller, Richard Rogers etc. gegen den Mainstream der Fertighausindustrie schwer ankamen, zeigen auch die rund 80 ausgewählten Prefab-Systeme, die im historischen Teil von Home Delivery ausgestellt sind. Das Dilemma zwischen Fertigungsökonomie und individualisiertem Endprodukt machte vielen Konstrukteuren zu schaffen, erschwingliche Häuser vom Fließband, die sich mit den Qualitätsstandards der Autoindustrie messen könnten, blieben allzu häufig Projekt. Dass sich durch computergesteuerte Fertigungstechniken diesbezüglich neue Möglichkeiten eröffnen könnten, ist eine der Thesen des New Yorker Ausstellungsprojekts.

Das system3, das Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf auf Einladung des MoMA entwickelten, ist eine logische Fortsetzung der Modulbau-Fertigsysteme SU-SI und Fred bzw. des Open Architecture Systems oa.sys. Im Unterschied zu früheren, teilweise als Holzständerbauten ausgeführten Häusern besteht das system3 zur Gänze aus Brettsperrholz und ist als modulares Konzept angelegt, wobei alle aufwendigen Teile des Hauses in der Serving Unit zusammengefasst und in einem Stück auf die Baustelle angeliefert werden. Die Elemente des eigentlichen Wohnraums (Naked Space) werden hingegen vor Ort zusammengefügt.

Die 10cm dicken Massivplatten des 53 m² umfassenden MoMA-Prototyps – mit größeren Wandstärken kann problemlos Niedrig- oder Passivhausstandard erreicht werden – wurden außen mit einem Bootslack geschützt, innen sind die Oberflächen geölt. Dem richtungsneutralen Kräfteverhältnis der Massivholzplatte entsprechend können die Wände CNC-gesteuert an beliebiger Stelle perforiert, das »Schnittmuster« der Fenster und Öffnungen somit individuell programmiert werden. Die handwerkliche Ausführungsqualität (flächenbündige Materialanschlüsse, auf Gehrung geschnittene Kanten) des vorfabrizierten system3-Prototyps mag nicht nur New Yorker Ausstellungsbesucher erstaunen. Die Modularität des Systems erlaubt zudem eine etappenweise Erweiterung oder Veränderung, es darf nachträglich verkettet und gestapelt werden: »Ein zusätzliches Gästezimmer, zehn zusätzliche Hotelzimmer oder 200 zusätzliche Quadratmeter Bürofläche – alles ist möglich.«

Die im New Yorker Musterhaus installierten Präsentationsvideos verdeutlichen, dass es den Architekten nicht nur um einen Beitrag zum schöneren Wohnen, sondern vor allem um eine effiziente Systemverdichtung in größeren Siedlungszusammenhängen auf Basis ökologischer Bauweise geht. Im kleinen Maßstab ist die Nachfrage bereits groß: Kaum war das Vorarlberger Systemhaus in die New Yorker Baulücke gesetzt worden, wollte es ein Ausstellungsbesucher vom Fleck weg erwerben.

zuschnitt, Di., 2008.09.16



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30. Juni 2008Gabriele Kaiser
Hintergrund

Vergänglichkeit als Kulisse

Bei einem Besuch der Dekorationswerkstätten der Österreichischen Bundestheater kann man den Experten der Wunschpatina bei der Arbeit zusehen: nagelneue...

Bei einem Besuch der Dekorationswerkstätten der Österreichischen Bundestheater kann man den Experten der Wunschpatina bei der Arbeit zusehen: nagelneue...

Bei einem Besuch der Dekorationswerkstätten der Österreichischen Bundestheater kann man den Experten der Wunschpatina bei der Arbeit zusehen: nagelneue Türen und Kastenfenster mit aufgeplatztem und blätterndem Lack sehen aus, als hätten ihnen Wind und Wetter jahrzehntelang zugesetzt. Eine soeben zusammengeschraubte Straßenlaterne ist von Rost zerfressen, Polstermöbel mit abgewetzter Stoffbespannung erhalten den letzten Touch gewünschter Zerschlissenheit. Offensichtlich ist im Umkreis von Anton Cechovs Drei Schwestern der Glanz des Neuen nicht gefragt, alles soll möglichst abgewohnt und verbraucht aussehen, so als wären all diese Dinge Zeugnisse eines gelebten Lebens, von dem sie – als Requisiten eines Bühnenstücks – naturgemäß abgeschnitten sind.

Dem Phänomen der Pseudopatina begegnet man nicht nur am Theater, sondern tagtäglich, etwa beim Kauf einer Hose: Jeans werden mit bleichenden Substanzen behandelt und mit Steinen gewaschen, stonewashed, manchmal auch unverwüstlich verwüstet (mit Rissen veredelt) – damit sie möglichst abgetragen aussehen. Chemisch oder mechanisch vorpatinierte Produkte sind allgegenwärtig, die pseudoantiken, mit der berühmten Holzwurmlochmaschine bearbeiteten „Stilmöbel“ seien hier nur stellvertretend genannt. Laminate können in ihrer kalkulierten Unregelmäßigkeit einem ausgewaschenen Dielenboden zum Verwechseln ähnlich sehen, sofern man sie nicht berührt oder betritt. Der ästhetische Genuss an neuen, antik aussehenden Dingen ist merkantil offenbar so gut verwertbar, dass sich nicht nur die Imitation, sondern auch das künstliche Vorantreiben des Alterungsprozesses von Werkstoffen lohnt. Schon im Altertum wusste man Bronzefiguren mit entsprechender Behandlung pfleglich alt aussehen zu lassen. „Wollte man z. B. Kupfer färben, so mischte man den Ölen oder Harzen Bitumen bei, sodass man der Farbvielfalt gealterter Bronzeskulpturen nacheifern konnte. Seit alters her standen darüber hinaus Wachse und Öle zur Oberflächenveredelung zur Verfügung, die man für transparente, oberflächliche Lacke und Tönungen auf Metallen verwendete.“[1] Derartige Verfahren der forcierten Alterung von Materialoberflächen waren mit unterschiedlichen Konjunkturphasen in allen kulturgeschichtlichen Perioden gebräuchlich. Nachdem das Patinabewusstsein in der Klassischen Moderne mit ihrer Forderung nach Materialgerechtigkeit kurzfristig seine gesellschaftliche Akzeptanz eingebüßt hatte, erfreuen sich patinaanfällige oder entsprechend vorbehandelte Materialien in der zeitgenössischen Architektur wieder großer Beliebtheit.[2] Es ist, als ob man Bauwerke damit zusätzlich in der Wirklichkeit verankern könnte, als ob ein soeben fertig gestelltes Haus bloß eine zweifelhafte geisterhafte Erscheinung sei, die man mit einer Geste des Gebrauchtseins zu bannen hofft.

Man kann Patina künstlich herbeiführen, ohne Zutun entstehen lassen und sich eine Weile daran erfreuen. Die Faszination an den harmlosen Verschleißerscheinungen eines Bauwerks ist dabei wohl immer nostalgischer Ausdruck einer Sehnsucht nach der Rückversicherung eines Werks in der Zeit. Ein Gebäude, das durch Bewitterung und Gebrauch schon ein wenig den Makel der Makellosigkeit losgeworden ist, zeugt von Reife, es kann auf eine Geschichte zurückblicken, es hat als Zeitmaschine schon Werte angehäuft, die in der Regel nicht planbar sind, aber die Bedeutung eines Bauwerks steigern können. Das Alter ist kein primärer, sondern ein sekundärer Aspekt, keine Qualität an sich. Alter vor Schönheit – in der Architektur erscheint diese Höflichkeit zweifelhaft. Schon Le Corbusier fasste Architektur als etwas auf, „das eine schöne Ruine zurücklässt“ (L'architecture c'est ce que donne une belle ruine) und sprach damit belangloseren Bauwerken gleichsam die Fähigkeit ab, in Würde zu altern.

Den Charme ausgetretener Treppenstufen oder bemooster Dachschindeln weiß jeder zu schätzen, doch so reizvoll Gebrauchsspuren und der Einfluss von Witterung und Atmosphäre auf die wahrnehmbaren Eigenschaften von Materialien auch sein mögen, die Grenzen zwischen akzeptierter Patina und Schadensfall sind unscharf. Zugunsten des Bauwerks arbeitet die Zeit nur bis zu einer bestimmten Dimension der Werkstoffveränderung, rasch kann sie in Zerstörung umschlagen, mit deren Konsequenzen sich später Eigentümer, Nutzer und Denkmalpfleger auseinandersetzen müssen.

Es ist die Spielverderberin Zeit, die es mit der Vergänglichkeit alles Physischen allzu ernst meint. Mit Materialien wie unbehandeltem Holz, Corten-Stahl oder vorpatinierten Kupferblechen lässt sich dieses Spiel mit der forcierten Alterung eines Gebäudes zumindest eine Weile treiben, ohne dessen physische Präsenz für einen bloß ästhetischen Reiz zu opfern. Die Alterserscheinungen eines Bauwerks werden künstlich vorangetrieben, als positive Veränderungen goutiert, solange sie an der Oberfläche bleiben und keinen Komfortverlust bedingen.
Mit besonders witterungsbeständigen Stahllegierungen hat Rost als Gestaltungselement Einzug in die Architektur gehalten. Die Oberfläche von Corten-Stählen ist mit einer dichten Eisenoxidschicht überzogen, die für die hohe Rostbeständigkeit verantwortlich ist: Sie fungiert als Sperrschicht, die einen Zutritt feuchter Umgebungsluft verhindert und damit einen weiteren Rostangriff vermindert. Es handelt sich dabei nicht um natürliche Rostschichten, die mit der Zeit das Eisengefüge auflösen, sondern um jene Art von Edelrost, der auf der Oberfläche von Eisen produziert werden kann, ohne die Eisenstruktur zu zerstören. Diese Adhoc-Patina lässt sich nicht mehr über das Alter definieren, sondern nur noch über die samtige Tönung einer Werkstoff-Oberfläche.
Eine ähnliche Art der Veredelung durch Vorpatinierung ist auch bei Kupfer- und Titanzinkblechen gebräuchlich. In einem speziell entwickelten mechanisch-chemisch-thermischen Verfahren werden dabei Kupfertafeln industriell einseitig grün patiniert. So wird eine Oxidschicht aus dem Kupfer heraus erzeugt – ein Prozess, wie er auch bei der Bildung der natürlichen Patina infolge atmosphärischer Einflüsse über lange Zeiträume abläuft. Allerdings lassen diese vorpatinierten Bleche jenes Maß an farblicher Inhomogenität vermissen, das man an alten Kupferdächern und an natürlicher Patina generell zu schätzen weiß.

Wer die Flucht nach vorn in die Verschleißformen eines Bauwerks antritt, kennt die Alterungsphasen eines Materials in der Regel genau. Unbehandelte Holzfassaden erreichen ihren optischen Idealzustand oft erst nach Jahren der Bewitterung und Vergrauung. Die Veränderung der äußeren Zellschicht wird dabei nicht nur als unvermeidlicher foto- und biochemischer Abbauprozess in Kauf genommen, sondern bereits im Entwurfsprozess antizipiert und bewusst angestrebt. „Unbehandelte Fassaden, die gleichmäßig bewittert werden, sind in jeder Phase schön. Da gibt es keine Fleckigkeit, es ist ein kontinuierlicher Prozess, in dem das Holz ganz gleichmäßig von Braun ins leicht Grauschimmernde, ins Hellgrau bis ins Dunkelgrau übergeht.“[3]

Der offensive Einsatz von vegetativen Elementen in der Fassadengestaltung lässt sich mit dem Phänomen der Wunschpatina ebenfalls in Beziehung setzen. In einer fassadenfüllenden Begrünung klingt nicht nur das Bildrepertoire einer nostalgischen Ruinenästhetik an, sondern auch der Wunsch, einem Gebäude in der zunehmenden Überwucherung eine zweite Wirklichkeit angedeihen zu lassen. Dass diese zweite Wirklichkeit die darunter liegende Struktur zumindest visuell temporär oder dauerhaft überlagert, scheint den kalkuliert-verwilderten Häusern ihren besonderen Reiz zu verleihen. Doch in der offensichtlichen Planmäßigkeit ihres Zuwucherns strahlt auch ein solches Bauwerk etwas Kulissenhaftes aus. Nicht als Manifestation verstrichener Zeit nimmt man es dann wahr, sondern als hübsches Requisit einer allenfalls geistreichen Inszenierung.

[1] Mila Schrader, Vom Reiz der Patina, Edition anderweit, Suderburg-Hösseringen 2003, S. 28.
[2] Weiterführende Informationen in: Hans Weidinger, Patina. Neue Ästhetik in der zeitgenössischen Architektur, DVA, München 2003.
[3] Hermann Kaufmann, Hineinwittern in die Landschaft, in: Zuschnitt 4, Wien 2001, S. 19.

Hintergrund, Mo., 2008.06.30



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Presseschau 12

17. Juni 2023Gabriele Kaiser
Der Standard

Lob der Beständigkeit

Wer es nicht wusste: Der 17. Juni ist International Apple Strudel Day. Wir nehmen dies zum Anlass, um dem Café am Heumarkt, schräg vis-à-vis vom Wiener Stadtpark gelegen, einen Besuch abzustatten. Eine Zeitreise.

Wer es nicht wusste: Der 17. Juni ist International Apple Strudel Day. Wir nehmen dies zum Anlass, um dem Café am Heumarkt, schräg vis-à-vis vom Wiener Stadtpark gelegen, einen Besuch abzustatten. Eine Zeitreise.

Wegen des Apfelstrudels allein kommt niemand ins Café am Heumarkt. Schon eher wegen der Kuchenvitrine, die prominent im Raum steht, ein Eigenleben führt wie ein Haustier und alle paar Minuten mit einem Knattern auf sich aufmerksam macht. Die Vitrine, deren Marotte längst zum Inventar gehört, stammt aus den 1960er-Jahren, als das Kaffeehaus das letzte Mal erneuert wurde. Seitdem hat sich so gut wie nichts an der Einrichtung verändert.

Beschädigtes geht in die Alltagsroutinen des Lokals über, alles wird aus ökonomischen Gründen benutzt, solange es geht, und Repariertes muss nicht zwangsweise aussehen wie neu. Die spärlichen Neuanschaffungen (schwarze Klappsessel, weiße Monoblocks) lassen keinen ausdrücklichen (oder ausdrücklich keinen) Gestaltungswillen erkennen. In diesem Milieu der legeren Beständigkeit scheint die „im Heumarkt“ verbrachte Zeit der Gäste die wesentliche, ja vielleicht sogar die einzige Gestaltungskraft zu sein.

Und so haben sich im Verlauf vieler Kaffeehausjahre die Spuren des geselligen oder solitären Verweilens sichtbar in die Einrichtung eingeschrieben. Die Kaffeehausmöbel sind gesättigt von lebhaften Gesprächen und ausgedehnten Eigenbröteleien – die durchgesessenen Kunstledersitzbänke ebenso wie die geflickten Tapeten und angeschlagenen Marmortischchen. Dabei läuft das Schäbige niemals Gefahr, „shabby chic“ zu verströmen. Ganz im Gegenteil, das langsame und verlässliche Mitleben des Lokals mit seinen Gästen hat es in den Rang einer Wiener Institution gehoben. Im Extrazimmer hat sich ein reges Vereins- und Kulturleben etabliert, bei illustren Gästen war und ist es als alltäglicher Treffpunkt beliebt.

Gewiss hat das Café am Heumarkt schon bessere Zeiten gesehen (wer nicht?) und einige Zeit gebraucht, um zu seiner Identität zu finden. Heute liebt man diesen Ort für die authentische Mischung aus guten und schlechten Zeiten, für seine Geräumigkeit, vor allem aber für die Gelassenheit, die es der unprätentiösen Gastlichkeit der langjährigen Betreiber verdankt.

Vom Mehl zum Kaffee

Dabei waren die Anfänge des Lokals am einstigen Landstraßer Glacis bauzeitlichen Presseberichten zufolge äußerst „prachtvoll“. Im Eckbau der viergeschoßigen Häusergruppe, die der Hofbaumeister Anton Ölzelt 1852 bis 1858 auf der Parzelle des ehemaligen Mehlaufschlagsamts* errichten ließ, überzeugte das Café Wilda das Publikum, weil bei seiner Gestaltung „eine Künstlerhand das Arrangement des Ganzen“ leitete. Vom Ur-Interieur des Architekten Julius Schrittwieser sind heute noch Spurenelemente vorhanden, etwa die geschwungenen Intarsienbeine der durchlaufenden Sitzbank im längeren Raumschenkel des Cafés. Doch auch die beiden erstklassigen (heute ramponierten) Billardtische stammen noch aus der Ära des Kaffeesieders Heinrich Ludwig Wilda, der damals auch Pächter des Salons am Stadtpark war.

So raffiniert die Innenausstattung auch gewesen sein mag, seit jeher ist eine bauliche Gegebenheit – die Steinsäule am Gelenkpunkt des L-förmigen Raums – das eigentliche Prunkstück des Lokals. Der kleine Salon hinter dieser Säule, an beiden offenen Seiten von kräftigen Gurtbögen gerahmt, ist eine räumliche Preziose, die den Blick auf sich zieht, sobald man das Café betritt. Die flache Kurve der Gewölbe, die beide Raumachsen und das Entree wie helle Tücher überspannen, bildet zur dicken, gedrungenen Säule einen reizvollen Kontrast.

War das immer so? Läuft ein Grat des Gewölbes schon seit jeher frivol mitten in einer Fensterachse aus? Stand auch der amerikanische Holzofen, Marke „American Heating“, immer schon an seinem Platz, so wie die runden und rechteckigen Marmortische mit den markanten gusseisernen Fußkreuzen? Die Logik der Servierwege lässt kaum sinnvolle Alternativen zu.

Welche kleinen Veränderungen aber durchlebte das Interieur in den unsteten Jahren, die dem prachtvollen Auftakt folgten? Welche Szenen blitzten in den großen Wandspiegeln auf, die das unverstellte Entree noch weitläufiger erscheinen lassen, als es ohnehin ist? Die vielen Namenwechsel bezeugen ein reges Kommen und Gehen: Aus dem Café Wilda wurde das Café Zauner, daraus das Café Roth, daraus das Café Hummelberger, daraus das Café Raimund, daraus das Café Karl – und aus diesem das Café Bauer.

Resopal und rotes Kunstleder

Um 1930 taucht dann erstmals der Name des Kaffeesieders Josef Kührer auf, dessen Nachfahren Michael und Alexander Tomoff das Lokal nun seit Jahrzehnten führen. „Kührer & Tomoff“ steht auf einer winzigen Plakette über dem Eingang. Dieser unauffällige Eingang samt Windfang datiert aus den 1960er-Jahren, als sich zur etablierten Nachbarschaft des Eislaufvereins, des Stadtgartenamts und des Konzerthauses die hohe Scheibe des Hotel Intercontinental dazugesellte.

Ob an der damaligen Erneuerung des Cafés eine Künstlerhand beteiligt war? Jedenfalls griff diese Hand zu den Materialien der Stunde: zu eloxiertem Aluminium (für das Türportal, den Windfang und die Fenster), zu Resopal (für die Lamperie) und zu rotem Kunstleder (für die Sitzbänke).

Als weitere Zutat sorgen lachsrosa Kurzvorhänge in Karniesen sowie Gardinen und Blumentöpfe in den Fenstern für den Charme einer Epoche, die nie darauf erpicht war, „prachtvoll“ zu sein.

Doch da sich die jüngere Zeitschicht nicht blickdicht über die ältere schob, sondern ohne besondere Kunstfertigkeit mit all dem Vorhandenen verwob, ist im Café am Heumarkt seine gesamte bisherige Zeit wie in einem Palimpsest ablesbar. In dieser Gleichzeitigkeit aller Zeitschichten inklusive aller Gebrauchsspuren der Gäste bleibt das Café am Heumarkt gegenwärtig und lebendig.

Derzeit klebt an der Wand ein Zettel mit dem mal zentrierten, mal linksbündigen Hinweis: „Trotz Renovierungsarbeit aufrechter Betrieb.“ Auf eine Schrecksekunde folgt die Erleichterung. Es werde nur die beschädigte Wandverkleidung repariert, sagt Herr Tomoff und trägt einen leeren Kuchenteller, vom Knattern der Vitrine begleitet, in die Küche zurück.

*Das über die Landstraße angelieferte Mehl wurde auf der sogenannten Mehlwaage gewogen, um die zu entrichtende staatliche Steuer zu ermitteln. Mit der Eingemeindung der Vorstädte 1850 entfiel diese Steuer, und das k. k. Mehlaufschlagsamt wurde obsolet.

Der Standard, Sa., 2023.06.17

02. Februar 2010Gudrun Hausegger
Gabriele Kaiser
Hintergrund

Six Answers on Albania by Vedran Mimica

Vedran Mimica, currently director of The Berlage Institute in Rotterdam, is an outstanding connoisseur of the Balkans. As he was serving as an advisor to Edi Rama, the charismatic mayor of Tirana, he is the right person to provide glowing reference on Albania, too. Questions by Gudrun Hausegger and Gabriele Kaiser.

Vedran Mimica, currently director of The Berlage Institute in Rotterdam, is an outstanding connoisseur of the Balkans. As he was serving as an advisor to Edi Rama, the charismatic mayor of Tirana, he is the right person to provide glowing reference on Albania, too. Questions by Gudrun Hausegger and Gabriele Kaiser.

Q: Which books would you recommend to read in order to get a deeper understanding of the Balkans?
VM: If it will be only one for the „beginners“, then I’d recommend Robert D. Kaplan’s „Balkan Ghosts. A Journey Through History“. Kaplan is an American journalist who travels through the Balkans during the „pre-large catastrophe“ in the late 80s and early 90s. His political travelogue fully deciphers the Balkans’ ancient passions and intractable hatreds for outsiders. The book is the most insightful and timely work on the relation between history and the contemporary madness found in the Balkans. For more advanced readers, I’d suggest the complete oeuvre of the Croatian writer Miroslav Krlezˇa. In his novels, dramas, essays, letters, speeches, and poems he covers the entire 19th and 20th century relations of the Austro-Hungarian Empire and the Balkan states, focusing on the two great wars. Krlezˇa is an erudite author who covers the entire cultural production of the region in the socio-political context of the time.

Q: As a Croatian architecture critic and currently the director of the Dutch Berlage Institute, how would you describe your relationship to Albania and its capital Tirana?
VM: Edi Rama, the mayor of the city, invited me to Tirana in 2004 – an invitation, based on the imagination of Elia Zenhgelis, who was a member of the international jury for the city center’s masterplan a year earlier. Zenghelis believed that the Berlage Institute could work with the municipality of Tirana on the „vision“ for the new European capital. Tirana is the young capital city of a twentieth-century state whose inhabitants rank amongst the oldest Europeans. Tirana was a small-scale city of serene beauty, grand infrastructure, and early modernism – where, after the Second World War, time stood still for nearly half a century. Since the collapse of the notorious and unique communist regime that had isolated the country from the rest of the world, the city underwent some 13 years of uncontrollable growth and thoughtlessly aggressive development, threatening its survival as both city and sustainable environment; during this short period, its population tripled and so did its size, reflecting the tremendous energy release that had accumulated during half a century of repression. Thanks to the city’s enlightened governance, this energy has turned into a drive that for architects (among others) constitutes the most ideal framework for the construction of a model, modern European state. Indeed, contrary to other Eastern European states that emerged after the collapse of communism, Albania eagerly anticipated its future with optimism and confidence. In this context of suspended animation, we were invited by the city to provide it with a vision that would rise to the level of its expectations.

Q: To what extent do former socialist structures in Albania still continue to have an impact on contemporary processes of architecture and city planning?
VM: I would add the impact on social production and civic life as well. We now know that Enver Hoxha’s regime was perhaps the most severe communist experiment in European history, with devastating consequences for Albanian culture, life, and development. From the late 40s until the mid 80s, Hoxha completely isolated Albania from the world by exercising utopian communist strategies that resulted in the erasure of everything outside his ideology. In the 90s, after the fall of the Berlin Wall, Albania underwent a transition – a radical liberation movement expressed in the extreme anarchistic behavior of the majority of population. Let me here bring a quote from my interview with Rama and his answer to the similar question: „After the fall of the Berlin Wall in 1989, two Western concepts were projected onto former socialist and Eastern European countries: parliamentary democracy and the free market. It seems that while parliamentary democracy was embraced, the free market was interpreted differently. Many theoreticians believe that neo-liberal Western Europe did not really develop in a positive direction and that the delay in the development of cities like Bucharest, Sofia and Tirana could work to their advantage. Do you believe that this delay could help Tirana to develop in a more fertile way?“ Rama would answer: „Within this discussion, the continuous radiation effect of communism on the cultural level has to be taken into account for the Albanian case. Our parliamentary democracy is still very young, and as a political system, it is not even part of our history. The current political situation is a direct result of a history in which both the concepts of political opposition and cultural alternatives were inconceivable. In the 70s, Albania was a country that put people in prison for liking the work of Vincent van Gogh, and that abolished the English horn from the orchestra because Albania didn’t have diplomatic relations with Great Britain. Twentieth-century culture was abolished. I couldn’t read Kafka or listen to the Beatles or to Stravinsky.
What would be the result if all of this brainwashing were overlooked by parliamentary democracy? A collection of political parties with different visions and programs, run by the people that served the former regime because there was no other choice. I’m convinced that this has nothing to do with a kind of specific sin in the culture of the Balkan people, but it has to do with the fact that our human resources have been totally contaminated. It will take a long time to create a new political class or a cultural elite. The anarchism that followed the collapse of the regime is linked to the nature of the Balkan people. They can be very individualistic, but are also keen to be absorbed by ideological dictatorship like Russian Matryoshkas: dictator after dictator, from the highest political level down to the family sphere. Regarding the necessity of a vision for the urban development of Tirana, I believe that it’s difficult to act academically in these circumstances; I never have the courage to talk about our work in Tirana as something that can be taken as a model. At the same time, I think that we cannot follow models used elsewhere, because our specific reality puts us in very different circumstances. What is happening in Tirana is the effect of the huge energy on the levels of the individual, the family, and the communities, spreading like a river with no predetermined direction. This energy neither can nor should be stopped by any academic or legal planning process. The planning process therefore has to include the energy of the citizens in the promotion of every idea. We try to work in both directions: planning and developing without really leaning towards one or the other extreme.“

Q: In the current situation of adjusting to the post-socialist system, how would you describe the role of the mayor of Tirana, Edi Rama?
VM: When, in 2000, Edi Rama became the mayor of Tirana, it was probably the worst possible job one could take. One may perhaps theorize, following Boris Groys’ discourse, about the „technical experience of Utopia“: if you only know how to get to Utopia, it’s un-operational, but if you know how to get in and then out again, it’s operational; it’s technical. This going in and coming out is a post-communist experience that should be understood as a completion of the communist experience. To forget Utopia means to forget technical knowledge. It is precisely this technical Utopian knowledge – political wisdom and tactical brilliance linking the aesthetic experience to real human conditions – that allowed Edi Rama to construct a miracle in Tirana in only a couple of years. Slovenian philosopher Slavoj Zizek’s concept of a „third way“ is a projection of a new way of dealing with capitalism after communism in Russia. He argues that late capitalism is equally as devastating to Russian society as was communism. Rama is creating an alternative, third way of development through his urban and social policies as real applications of „technical aspect of utopian knowledge“. He put enormous energy behind the process of redirecting and manipulating the strong currents of global and local capital flows into the creation of an authentic and specific architectural and civic culture, which he strongly believed should contribute to European cultural exchange. The invention of new realities was in a basis of the „mission impossible“ which Rama practiced the last nine years by governing Tirana. Rama recently faced a strong setback by narrowly failing to win the parliamentary elections as the leader of the opposition. He wanted to enlarge the scale, so to speak, and get rid of the old autocrats from the Democratic Party who ruled Albania in recent years, often complicating implementation of his strategies for the development of Tirana.

Q: How would you judge the potential of „external“ city planning projects in the Balkans (such as those by Winy Maas or Dominique Perrault) versus „internal“ initiatives (such as those by Co-PLAN or fordewind architecture)?
VM: Here we are talking about two very different approaches, if you would agree. One is perhaps „top down“, including big, powerful investments and creating the megacity projects. Another is the work on new forms of architectural initiatives where the work of NGO-like structures is juxtaposed with professional architectural deliveries. This approach is much more „bottom up“ orientated, trying to involve the civic society as a constitutive part of planning and development. The first approach is perhaps risky in terms of public or social benefits, which will be possibly achieved through the largescale operations in an environment without the „democratic control“. The second approach could suffer from a form of populist determinacy, usually not helpful for creation of advanced architecture.

Q: As for architecture and city planning, do you have a personal „vision“ for Tirana – do you have one for its political or socio-political future?
VM: I was serving as an adviser to Edi Rama and my views are clearly very congruent with his policies and procedures. More personally or perhaps more theoretically, I would hope that Tirana and Albania would build „third way“ policies, following Zizek’s term, in order to create a unique culture of „new forms of welfare“ for its citizens, after the shocking histories. If and perhaps the question is more when, Rama wins the next general election, there will be a real chance to construct a truly unique socio-political landscape in Albania. Albania should than enter the European Union as an example of what should have been done in the rest of the Eastern European countries during the transition from socialism to capitalism. This sounds mega-Utopian, but I can commit to it fully.

Hintergrund, Di., 2010.02.02



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15. September 2009Gabriele Kaiser
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Sinnhafte Oberflächen

Amerikanische Chefbüros, britische Clubzimmer, großbürgerliche Salons – der historische Assoziationsraum des Wortes »Wandvertäfelung« ist voller Metaphern...

Amerikanische Chefbüros, britische Clubzimmer, großbürgerliche Salons – der historische Assoziationsraum des Wortes »Wandvertäfelung« ist voller Metaphern...

Amerikanische Chefbüros, britische Clubzimmer, großbürgerliche Salons – der historische Assoziationsraum des Wortes »Wandvertäfelung« ist voller Metaphern des Gediegenen. Im Unterschied zu einer gespachtelten und weiß gestrichenen Wandfläche steht die holzvertäfelte Wand im 19. Jahrhundert für das doppelt gesicherte Innenleben im komfortabel ausgestatteten Interieur. Das lässt sich sogar in zahlreichen Wohnungseinrichtungen von Adolf Loos nachvollziehen, in denen holzvertäfelte Wände und Sitznischen die Intimität und Exklusivität des privaten Lebensraums erhöhen. Eine Wandverkleidung schützt nicht nur die Bewohner im übertragenen Sinn, sondern auch die Wand unmittelbar dahinter – oder in der Diktion Sempers: den konstruktiven Kern – und verrätselt ihn zugleich in der flächigen Präsenz ihrer eigenen Optik und Haptik. Die Maserungen des Holzes sind dabei allenfalls willkommenes, weil nicht entworfenes Ornament.

Walter Benjamin wählte im Zusammenhang mit seinem Aura-Konzept den Begriff »Futteral«, um die Gebettetheit des »Etui-Menschen« in seiner Wohnung zu versinnbildlichen. Unbehelligt von den Unwägbarkeiten einer als unwirtlich empfundenen Außenwelt steht das üppig ausstaffierte Interieur als Synonym für eine im Wohnlichen stabilisierte Existenz: »Die Urform allen Wohnens ist das Dasein nicht im Haus, sondern im Gehäuse. Dieses trägt den Abdruck seines Bewohners. Das neunzehnte Jahrhundert war wie kein anderes wohnsüchtig. Es begriff die Wohnung als Futteral des Menschen und bettete ihn mit all seinem Zubehör so tief in sie ein, daß man ans Innere eines Zirkelkastens denken könnte, wo das Instrument mit allen Ersatzteilen in tiefe, meistens violette Sammethöhlen gebettet, daliegt. Für was nicht alles das neunzehnte Jahrhundert Gehäuse erfunden hat: für Taschenuhren, Pantoffeln, Eierbecher, Thermometer, Spielkarten – und in Ermangelung von Gehäusen Schoner, Läufer, Decken und Überzüge.«

Ob nicht auch das 20. und das 21. Jahrhundert auf jeweils eigene Weise als »wohnsüchtig« zu bezeichnen sein werden? Auch wenn heutige Wohnräume mit den überladenen Interieurs des 19. Jahrhunderts auf den ersten Blick wenig gemein haben, weil sie meist einer in der Moderne wurzelnden reduktiven Ästhetik verpflichtet sind, hat die Metapher des Futterals auch in aktuellen Raumkonzepten ihre Bildkraft nicht eingebüßt. Im Gegenteil, die Analogie zum Stofflichen erscheint umso plausibler, je homogener die Auskleidung in der gegenwärtig geschätzten Monomaterialität (Wand = Decke = Boden) den Innenraum überzieht. Der Vergleich mit der Stofflichkeit eines Innenfutters greift selbst dann, wenn dieses nicht tapetendünn auf eine Trägerlattung aufgebracht wird, sondern aus übereinandergeschichteten Holzbalken besteht, wie z. B. beim Haus von Matten, einem alten Blockhaus im Freilichtmuseum Ballenberg (CH), das Patrick Thurston 2007 durch eine robuste Innenschale gehobenen Wohnstandards anpasste.

Die neue Innenhülle des Blockbaus besteht aus 10 cm dicken, mit Seife und Lauge behandelten Tannenbalken, die analog zum Bestand an den Ecken verstrickt sind. Dieser im Unterschied zu einer normalen Tafel-Verkleidung sichtlich tektonische Innenausbau verleiht den beiden neuen Stuben und Schlafkammern Plastizität und Sinnlichkeit, die es in puncto Heimeligkeit mit jeder traditionellen Zirbenstube aufnehmen kann. Durch das Blockhaus-im-Blockhaus-Konzept, das der Architekt selbst mit einer »kräftig leuchtenden Fütterung aus Seide in einem Mantel ...« verglich, blieb die alte Substanz unverletzt und auch statisch geschont, denn die Decken ruhen überall auf den neu eingestellten Wänden. Atmosphärisch zehrt das Haus von Matten vom Hell-dunkel-Kontrast zwischen altem und neuem Strickbau, vom Geruch, der Haptik und der Alterungsfähigkeit des Werkstoffs Holz ebenso wie von dessen Vermögen, als homogene Innenhülle einen abstrakten, zugleich natürlichen Hintergrund zu bilden.

Die stoffliche Wirkung eines Innenfutters ist besonders eindrücklich, wenn – wie oben angedeutet – Boden, Wand und Decke zur nahtlosen Einheit verschmelzen, wie etwa beim Haus A. von Dietrich|Untertrifaller in Davos (CH), wo ein rustikales Ferienhausensemble aus den 1960er Jahren komplett mit geölter Weißtanne ausgekleidet, ja geradezu »tapeziert« wurde. In den ursprünglich zweigeschossigen Baukörper wurden drei Ebenen millimetergenau eingepasst, Innenausbau und Möbel sind bis unter das Dach mit hoher handwerklicher Präzision zu einer makellosen Gesamtheit verbunden. »Um die Passgenauigkeit noch weiter zu erhöhen, wurde sogar das verwendete Massivholz auf die mittlere Luftfeuchtigkeit der Graubündner Gebirgsregion heruntergetrocknet«, schrieb Walter Zschokke über diesen Willen zur perfekten Passform.

Die bergende Wirkung einer homogenen Innenhülle lässt sich mit hochwertigen und präzise verarbeiteten Hölzern, aber auch mit vermeintlich grobschlächtigen Produkten wie z. B. osb-Platten erzielen, wie sie etwa in der Casa Yaya in Madrid (E) von Manuel Ocaña Wände und Decken zieren. Der semantisch aufgeladene Eichenparkettboden mit der intarsienhaft aufgemalten Vergrößerung eines weiblichen Porträts, dem Gesicht der Bewohnerin, steht zur industriell-strukturellen Anmutung der Raumhülle in größtmöglichem Kontrast. Fertigprodukt und kunsthandwerkliches Unikat gehen bei diesem Projekt innerhalb der Werkstofffamilie Holz eine geheimnisvolle Allianz ein, die sich erst über den persönlichen Hintergrund der Auftraggeber zur Gänze erschließt. Dass eine Wohnung »den Abdruck seines Bewohners« trägt, wie Benjamin konstatierte, findet hier eine fast wörtliche Übersetzung.

Der Kontrast zwischen grobem äußeren Erscheinungsbild und verfeinerter Innenwelt ist bei Konzeptionen »von innen her« häufig Programm. Beim Projekt Box Home in Oslo (N) von Rintala Eggertsson Architects spielt die Dualität zwischen harter Schale und weichem Kern eine dominante Rolle, wobei sich schon im Projektnamen das Bild einer wohnlichen Schmuckschatulle aufdrängt. Ziel des Projekts sei es gewesen, so Sami Rintala, »ein friedliches, kleines Heim zu schaffen, eine Art städtische Höhle, in die sich eine Person zurückziehen und – je nach Wunsch – für eine Weile die Intensität der umgebenden Stadt vergessen kann«. Die Tragstruktur dieses prototypischen Minimalhauses mit nur 19 m² Nutzfläche besteht aus Pinienholz, die Innenwände und der Boden sind aus Zypresse. Badezimmer und Küche sind auf der unteren, der Wohnraum sowie ein Schlafpodest auf der durch eine Leiter erreichbaren oberen Ebene situiert. »Das Projekt konzentriert sich auf die Qualität von Raum, Material sowie natürlichem Licht und versucht, unnötige Grundfläche zu reduzieren«, so Sami Rintala. »Das Resultat ist eine Wohnung, deren Preis nur ein Viertel dessen beträgt, was ein Apartment dieser Größe sonst kosten würde.« Diese an Raumökonomie kaum überbietbare urbane Höhle erhielt eine Außenhaut aus horizontal angeordneten Aluminiumblechen, die von kreuzförmig angeordneten Fenstern unterteilt wird. Diese »harte Schale« korrespondiert mit dem städtischen Umfeld und dient dazu, die intime Räumlichkeit des »weichen Kerns« wirkungsvoll zu maskieren.

Die Dialektik zwischen Maskieren und Freilegen, Einschließen und Entblättern tritt in Innenausbauten besonders deutlich zutage, die raumbegrenzend und raumschaffend zugleich sind, bei denen die Vertäfelung zugleich als Möbel und als Stauraum fungiert. Schon hinter einer einfachen Lamperie oder Wandvertäfelung lässt sich alles Mögliche verbergen – filigrane Wertgegenstände ebenso wie unschöne Kabelstränge –, und Wandschränke und Sitzbänke können sich als wahre Raumwunder erweisen. Ein Beispiel für eine mit raumökonomischem Geschick funktionalisierte Innenhülle ist der Dachausbau Allmeinde von Katia und Gerold Schneider beim Hotel Almhof Schneider in Lech am Arlberg (A).

Der im Obergeschoss eines ehemaligen Schuppens installierte multifunktionale Einbauschrank (Weißtanne furniert auf Paneelplatten) birgt sämtliche Infrastruktur. Die reduzierte Schrankwand bringt mal eine Küche, mal eine Bettstatt zum Vorschein und beschränkt sich ansonsten auf ihre Rolle als raumbildende Präsentationswand im gleichermaßen rustikalen wie verfeinerten Ambiente.

Derartige zum Möbel aufgewertete Innenwände strahlen, wenn sich ihr Mechanismus nicht auf den ersten Blick erschließt, eine funktionale Mehrdeutigkeit mit Tendenz zum Geheimnisvollen aus: »Wir glauben, dass Menschen gern eine geheime Stelle in ihrer Wohnung haben: eine Stelle, die auf ganz besondere Weise benutzt und nur zu ganz besonderen Anlässen enthüllt wird«, schreibt Christopher Alexander in »Eine Muster-Sprache« zum Pattern »Geheimfach«. »In einem Haus mit einer derartigen Stelle zu leben, ist eine ganz andere Erfahrung. Es regt einen dazu an, etwas Kostbares dort aufzubewahren, etwas zu verbergen, nur manche in das Geheimnis einzuweihen und andere nicht.

Es ermöglicht einem, etwas Wertvolles ganz für sich aufzuheben, so dass es nie jemand findet, bis man einmal zu einem Freund sagt: „Jetzt zeige ich Dir was ganz Besonderes“, und ihm die Geschichte, die dahintersteckt, erzählt.«

In einem direkten Verweis auf Gaston Bachelards Poetik des Raums spielt Christopher Alexander hier nicht nur auf den funktionalen, sondern vor allem auf den symbolischen und psychologischen Wert von Nischen und Wandfächern an. Nicht allein der praktische Nutzen solcher Fächer, die sich hinter Wandverkleidungen perfekt verbergen lassen, zählt, sondern vor allem der Reiz des Verbergens und exklusiven Enthüllens von »Gehäusen« im Gehäuse.

[ Gabriele Kaiser, geboren 1967. Architekturpublizistin und Redakteurin in Wien. Seit 2002 Redaktion der online-Baudatenbank des Architekturzentrum Wien, seit 2003 Mitarbeit am Band III/3 des Führers »Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert« von Friedrich Achleitner. ]

zuschnitt, Di., 2009.09.15



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16. Dezember 2008Gabriele Kaiser
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Virtuosität des Scheinbaren

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze...

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze...

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze an der Wiener Ringstraße errichtet – lenkt Georg Töpfer, der gemeinsam mit Alexander van der Donk 2004/05 die Restaurierungs- und Umbauarbeiten leitete, den Blick der Besucher gern nach oben zu den prächtigen Kassettendecken in Empfangsraum, Speisesaal und Spielzimmer und lässt sie die Anzahl der verwendeten Holzarten raten. Sind es drei, vier, gar fünf? Suchend wandert der Blick über die Deckenpracht. Gar kein Holz – die Antwort musste ja kommen. Was täuschend echt wie aufwändige Schnitzarbeit aussieht, ist lasierter Gipsstuck, kunstvoll auf Holzdecke getrimmt. Das gemalte Holz wirkt so echt, dass es von wirklichem Holz nicht zu unterscheiden ist und auch im unmittelbaren Zusammenspiel mit Furnieren und Massivhölzern im selben Raum überzeugt.

Die handwerkliche Präzision der Nachahmung stellte die Restauratoren, die sich mit der Qualität der Lasurtechnik aus nächster Nähe auseinandersetzten, vor handwerkliche Herausforderungen. »Die Perfektion der Imitation ging so weit, dass sogar die Gehrungsschnitte im Stuck nachgebildet sind«, berichtet Georg Töpfer. Mit den Scheinholzdecken, die aus vorgefertigten dünnen Gipsguss-Stuckteilen aufgebaut sind, ist das Stoffwechselprogramm des Palais Epstein jedoch längst nicht erschöpft. Eine spezialisierte Handwerkskultur ermöglichte es, dass sich nahezu alle Materialien in alle verwandeln konnten: Holz in Marmor, Gips in Holz, Metall in Marmor und Holz in Metall. Hansen legte seinem Entwurf ein differenziertes Farb- und Formenkonzept zugrunde, sodass die farbig gefassten Holzteile der Türrahmen und -verkleidungen vielfach die gleichen Marmorierungen wie die Stuckdecken oder die in Stuccolustro oder Stuckmarmor gearbeitete Wandausstattung zeigen. Stuckmarmor ist gestaltbarer als echter Marmor, gemaltes Holz gestaltbarer als echtes. Stuccolustro und Stuckmarmor (der das teurere Verfahren der Steinimitation darstellte) treffen im Palais Epstein als gleichwertige Fertigungstechniken aufeinander. »Sicher ging es dabei auch um das Ethos des Handwerks«, mutmaßt Töpfer, »man wollte einfach zeigen, was man kann und dass man es kann«.

So viel Aufwand für den Schein? Eine prunkvolle Bühne für die Virtuosen der Täuschung? Der Moralbegriff der Moderne und das Dogma der Materialehrlichkeit, das auch die Architekturauffassung der mit dem Umbau beauftragten Architekten prägte, wiegen sichtlich noch schwer. Georg Töpfer hatte bei Hans Puchhammer an der TU Wien studiert und im Zuge der großen Loos-Ausstellung in der Albertina 1989 Bauaufnahmen von Loos-Gebäuden gemacht. Bei der Arbeit im Palais Epstein musste er deshalb erst über seinen Loos-Schatten springen, als er sich in dem polychromen Gesamtkunstwerk mit einer heute nicht mehr fasslichen Oberflächenopulenz konfrontiert sah. Die Gestaltungsfreiheit im Sinne einer orchestrierten räumlichen Gesamtwirkung war wohl auch zentrales Motiv für die Imitation von Materialien, die – weil nicht Produkte der Natur, sondern des hoch spezialisierten Kunsthandwerks – ein viel höheres Maß an chromatischer Perfektion ermöglichten. Obwohl die Bauindustrie des 19. Jhs. in vielen Musterbüchern ornamentale Katalogware bereithielt (die Hansen eher bespielte, als dass er sich ihrer bedient hätte), ist angesichts der Finanzkraft des Bauherrn Gustav Epstein der Spargedanke allenfalls hinsichtlich der relativ kurzen Bauzeit ein Argument.

Für Hansen war die Stimmigkeit der Raumoberflächen entscheidend, zudem galt es, konkrete historische Referenzen in die Gesamtkomposition zu integrieren. Für den Plafond des Speisezimmers hatte z. B. die römische Basilika San Lorenzo fuori le Mura als Vorlage gedient, und die farbig gefasste Decke des Spielzimmers ist ein wörtliches Zitat der Decke der venezianischen Renaissancekirche Santa Maria dei Miracoli. Von dieser Decke hatte Hansen auf einer Italienreise detailgetreue Bauaufnahmen angefertigt und in der »Allgemeinen Bauzeitung« veröffentlicht. 1 Die Integration historischer Vorlagen ins Gesamtkonzept des Neuen erscheint im Palais Epstein ebenso »natürlich« wie das Ineinandergreifen von Nachahmung und Erfindung in dessen Umsetzung. So als ob sich gerade in der möglichst getreuen Nachahmung eines Materials (einer realen Gesteins- oder Holzart, man wollte ja keine Werkstoffe »fantasieren«) und in der Anverwandlung von kanonisierter Architektur vergangener Epochen die spielerische Lust an der Imitation erfindungsreich entfalten konnte. In dieser hohen Kunst des »Als-ob« verlieren die heute gängigen Kategorien des Echten und Falschen rasch ihren Sinn.

zuschnitt, Di., 2008.12.16



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20. November 2008Gabriele Kaiser
Sonja Pisarik
Hintergrund

Modellbau ist Dedektivarbeit

Franz Hnizdo unterrichtet seit 1985 Architekturmodellbau an der Universität für angewandte Kunst in Wien und arbeitet derzeit u.a. an einer Publikation über die Bedeutung des Modells von der Antike bis in die Gegenwart und den historischen Modellbautechniken. Gabriele Kaiser und Sonja Pisarik trafen Franz Hnizdo zum Gespräch.

Franz Hnizdo unterrichtet seit 1985 Architekturmodellbau an der Universität für angewandte Kunst in Wien und arbeitet derzeit u.a. an einer Publikation über die Bedeutung des Modells von der Antike bis in die Gegenwart und den historischen Modellbautechniken. Gabriele Kaiser und Sonja Pisarik trafen Franz Hnizdo zum Gespräch.

Ihr Spezialgebiet sind Modellrekonstruktionen von historischer Architektur, und in diesem Sinn ist der Modellbau eine Forschungsdisziplin.
Er ist wesentlicher und anerkannter Beitrag zur Bauforschung – hauptsächlich interuniversitär und interdisziplinär in Zusammenarbeit mit archäologischen Instituten, auch mit der Ägyptologie und vielen Museen. Manches rekonstruieren wir auch völlig alleine, aber bei archäologischen Projekten arbeiten wir natürlich immer eng mit den jeweiligen Fachleuten zusammen. Bei vielen archäologischen Grabungen gibt es sogenannte Grabungsarchitekten, auch Studierende, die alles, was aus dem Boden herauskommt, aufnehmen und zeichnen. Da sitzen sie oft Monate bei einer bestimmten Volute, einem Kapitell oder sonst was. D.h. es entstehen viele Detailpläne von Steinen, steingerechte Aufrisse – oft ganze Pakete von Zeichnungen. Aber in den wenigsten Fällen macht sich wirklich jemand Gedanken, wie das ganze Gebäude ausgesehen hat. Wenn allerdings eine größere Ausstellung bevorsteht, wo auch die aufgehende Architektur gezeigt werden sollte, nicht nur schnell virtuell, sondern real, dann wird es manchmal eng. Das ist der wunde Punkt – es fehlt oft an der räumlichen Vorstellung. Da springe ich ganz gern in die Bresche und versuche mit Vormodellen, Modellstudien gewisse Dinge 3D wachsen zu lassen, damit wir der Wahrheit näher kommen. Das muss natürlich in sich stimmig sein, denn Sie können bei einem Rekonstruktionsmodell natürlich nicht lügen. Es muss immer übers Eck stimmen. Sie können zwar einfach wo beginnen, aber irgendwo lässt es dann aus – da gibt es dann plötzlich Fragezeichen an jeder Ecke. Mit einer Perspektive können Sie – das war schon in meiner Studienzeit so – schummeln wie Sie wollen. Wenn es dann real wird, ob jetzt in einem kleineren Maßstab oder in einem größeren gebaut wird, können Sie eigentlich nicht lügen. Da müssen Sie sich zur Wahrheit durchkämpfen.

Also kann man sich vorstellen, dass diese Modelle, die Sie auch zwischendurch anfertigen, bei sehr schwacher Datenlage auch so etwas wie Arbeitshypothesen sind, die immer überprüft werden müssen mit dem konkreten Fund.

Richtig. Man muss sich genau einlesen in das spezielle Fachgebiet, um eine profunde Gesprächsbasis mit dem Archäologen zu haben. Zunächst sind das ja nur Arbeitsgrundlagen. Und dann steigert sich das. Das ist so wie eine umgekehrte Pyramide, da haben wir oft zunächst wirklich nur die Spitze, dann irgendwann kriegen wir die Basis, und letztlich können wir ein seriöses Repräsentationsmodell bauen.
Wenn man an jüngere Beispiele wie das „Kabarett Fledermaus“ oder das „Palais Stoclet“ denkt, da gab es doch zum Teil Fotos oder Pläne, die Sie für das Rekonstruktionsmodell zu Hilfe nehmen konnten, oder?
Ja, beim Palais Stoclet gibt es viele Fotos, die wir im Vorfeld gemacht haben. Für solche Sachen recherchieren wir wie die Detektive. Aber ins Palais Stoclet kommt man nicht so einfach hinein, da gab es damals die Madame Stoclet, die niemandem so ohne weiteres Zutritt gewährte. Das kam immer sehr auf ihre Stimmung an. Wir wollten uns nicht abschrecken lassen, haben einen Schulbus gemietet und sind mit einem Fotografenteam nach Brüssel hinaufgefahren, ohne dass wir uns vorher groß angemeldet hätten. Ich habe nur versucht, über den Schwiegersohn, den Dr. Haas-Stoclet, dessen Tochter selbst Fotografin war, einen Kontakt herzustellen und ihm zu sagen, dass wir kommen. Er hat gemeint, dass er es seiner Maman sagen wird. Und so sind wir hineingekommen und konnten immerhin eine Woche dort verbringen. Wir haben mit Messlatten eine komplette Bauaufnahme gemacht, wir sind sogar in der Hoffmann-Küche von der Madame mit Tee bewirtet worden. Am Abend mussten wir ihr die Fotos und die Skizzen, die wir untertags gemacht haben, immer zeigen. Um am dritten Tag hat sie uns plötzlich alle hinauskomplimentiert, es war aus. Was jetzt? Es hat sich herausgestellt, dass wir ein Foto vom Innenhof gemacht haben, auf dem auch zufällig ein zerbrochener Blumentopf zu sehen war, und das war fatal, denn Madame Stoclet war extrem darauf bedacht, dass dieser Bau in seinem Idealzustand festgehalten wird. Es war ein Akt der Bewahrung – sie hat dort wie eine Oberinspektorin gewacht, denn sie hat schon so viele schlechte Dinge erlebt, dass der Bau z.B. auf Zigarettenpackerln abgebildet war. Das besagte Foto haben wir ihr dann ausgehändigt, und dann ging es wieder weiter. Wir waren sogar am Dach und haben von dort wunderbare Aufnahmen machen können. Außerdem haben wir in die Familienbücher Einblick nehmen dürfen. Später haben wir dann im Maßstab 1:50 für die Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ das Modell gemacht. Als dann Madame Stoclet zur Verleihung eines Ehrenringes nach Wien kam, war sie von dem Modell – weil es ja wirklich den Erstbau abgebildet hat – zu Tränen gerührt.
Beim „Kabarett Fledermaus“ tauchte eine Plan von Le Corbusier auf. Oder vielmehr eine kleine Skizze, die das Kabarett Fledermaus gezeigt hat. Man ist im Zuge einer geplanten Ausstellung im Wiener Theatermuseum an mich herangetreten und hat gemeint, jetzt können wir das Kabarett Fledermaus bauen, jetzt haben wir ja die Skizze. Und dann hat sich im Laufe intensiver Recherchen herausgestellt – wir waren auch vor Ort und haben wieder alles vermessen – dass die Skizze überhaupt nicht gestimmt hat. Dass Le Corbusier das zwar gezeichnet hat, aber idealisierend! Zwei Jahre später hat er sich halt in einer Eisenbahn daran erinnert und das Lokal aus der Erinnerung skizziert, was natürlich in den Proportionen nicht gestimmt hat. Ich habe dann u.a. alte Feuerwehrpläne ausgehoben. Also das geht wirklich in die ganz strenge Recherche.

Wie lange dauert im Wesentlichen so eine Recherche?

Mindestens ein halbes Jahr lang wird nur geforscht. Der eigentliche Modellbau ist ja dann nur mehr eine Umsetzung. Da gibt es dann natürlich immer wieder kleine Rückschläge oder Probleme, da muss man dann wieder nachschauen und gewissenhaft weitersuchen. Es geht immer um den Erstbau. Auch beim Belvedere zum Beispiel. Das Belvedere im Modell nachzubauen war, was die Datenlage betraf, eher leicht, immerhin gab es die Pläne von Salomon Kleiner. Salomon Kleiner hat den Erstbau ja seinerzeit ganz genau gezeichnet, aber trotzdem waren Fehler drinnen. Man kann nicht immer aus der Ferne diagnostizieren, man muss also dort auch selbst mit dem Maßstab herumgehen und schauen, was ist verbaut worden, wo schaut noch was heraus?
Gibt es bzgl. der Materialität des Modells zwingende Gründe, warum etwas aus Gips oder Holz gemacht wird?
Gebäude, auch die der Antike, leben für mich irgendwie. Jetzt könnte man sagen, so einen Tempel kann man aus Gips bauen, das wäre auch irgendwie naheliegend, hat man ja auch früher gemacht – aber Gips ist ein totes Material, das strahlt keine Lebendigkeit aus. In der Antike waren ja viele Tempel zumindest teilweise bemalt. Es wird daher versucht, verschiedene Edelhölzer betont abstrakt und farbnuanciert zusammenzustellen. Ich komme ja ursprünglich vom Geigenbau und von der Kunsttischlerei und Bildhauerei her, also mir ist der Werkstoff Holz einfach am liebsten, er ist auch am Dauerhaftesten, dazu sind Holzmodelle heute eine ausgesprochene Rarität. Das Belvedere z.B. hat an die 200 Figuren auf dem Dach, jedes Fenster hat ein anderes Ornament. Das kann und will ich nicht mit Kitt herstellen, wie das die Italiener in der Renaissance gemacht haben. Das sind Miniaturschnitztechniken, die ich seinerzeit bei einem Griechen gelernt habe. Und ich möchte das so präsentieren. Deswegen kosten die Modelle auch entsprechend, weil man da eine Menge Zeit braucht. Die Figuren sind ja dann oft nur etwa 2–2,5 cm groß, und sie müssen in den Proportionen ziemlich stimmen. Da komme ich mit Holz am besten hin. Wenn Sie da mit Malerei anfangen, dann wird es schnell zum Zuckerbäcker-Modell.

Es besteht die Gefahr, dass ein Modell wie ein Kinderspielzeug aussieht.

Bei uns nicht, da predige ich immer die Drei-Finger-Regel: Maximal drei fein abgestufte Holzarten; oder bei der Mischtechnik höchstens drei zueinander passende Materialien – das kommt meistens hin.
Manchmal ist es aber auch ein Kinderspielzeug! Aus der Antike bzw. aus der Steinzeit gibt es richtig schöne Kinderarbeiten – Esel, Schafe, kleine Töpfe, Häuser. Das kann also auch einfach Spielzeug gewesen sein, man muss nicht immer gleich an wahnsinnige Architekturleistungen denken. Wir haben doch als Kinder alle gerne in der Sandkiste Dinge geformt, und wenn die Eltern aus Ton modelliert haben, Töpfe, Löffel bis zum Steinzeitschnuller, und das Kind steht daneben, will es ja auch was formen. Wir haben manchmal den Beweis, weil die Fingerabdrücke von Kindern teilweise noch sichtbar sind, 7.000 oder 8.000 Jahre alt.

Sie unterrichten seit 1985 an der Angewandten. Liegt Ihr Schwerpunkt auf „klassischen“ Modellbautechniken?

Heute wird natürlich auch bei uns sehr viel mit dem Computer entworfen. Aber es ist auch Teil meiner Lehre, dass ich auf bestimmte Gefahren hinweise. Wir machen schon noch beides. Wir entwerfen nicht nur am Computer und lassen es über den Plotter drucken, weil da der Entwerfer oft draufkommt, dass das dann doch anders ausschaut als gedacht. Also, diese Ambivalenz zu erklären ist mir wichtig im Unterricht. Man muss sich fragen, was kann das reale Modell, was kann das virtuelle Modell? Ich will keines von beiden verdammen, da muss man vorsichtig sein! Aber es sollte ein Dialog, eine Ergänzung zwischen beiden sein. Das, was ich aus dem Computer rausnehme, wird vielleicht händisch weiterbearbeitet. Dann wird es ausgeplottet, weil das halt am einfachsten geht, dann wird weiterentwickelt, man scannt es wieder ein, kann das im Computer wieder weiterverändern, nimmt es wieder heraus – also ein Vice-versa zwischen Computer und Modell. Die großen Architekten wie Rietveld oder Gaudí hatten auch keine Zeichenateliers, da wurde alles nur mit Arbeitsmodellen gemacht. Wenn Sie an die Sagrada Familia denken – das wäre ja anders gar nicht gegangen. Diese ganzen Knoten in der Kathedrale, man hat ja gar nicht gewusst, ob das statisch alles trägt. Heute sind die Statik-Rechenprogramme perfekt, man kann ganze Netze durchrechnen lassen.
Grundsätzlich kann man wohl sagen, Rekonstruktionsmodelle sind Hypothesen oder auch analytische Instrumente, aber auf dem anderen Ende des Spektrums befindet sich die freie Plastik. Das ist es ja auch immer in gewisser Weise, wenn man anerkennt, dass das Modell kein totales Abbild der Wirklichkeit sein kann.
Man weiß ja aus der Antike, z.B. aus der Zeit der der großen Pyramiden, später der Lykier, dass viele Bauplastiken im Vorfeld im Kleinmaßstab gebaut worden sind. Wenn ich ein schwieriges Material vor mir habe, ist es schon ratsam, es vorher auszuprobieren. Ein wesentlicher Aspekt ist ja der Materialwiderstand, der sich dem künstlerischen Prozess entgegenstellt. Es wird jetzt auch versucht, diesen mittels Computer zu simulieren. Na ja. Wenn Sie eine Idee im Kopf haben und Sie versuchen, diese Idee umzusetzen, und Sie haben einen Stein vor sich, Holz, Styropor, dann wird diese Idee drei verschiedene Ausformungen haben. Der Widerstand, der sich Ihnen beim Stemmen oder Formen von Styropor oder Gips bietet, ist jeweils ein ganz anderer. Das heißt, man versucht, diese Statuen schon im richtigen Material zu machen. Heute gibt es schon Programme, wo man – damit das realer wird – beim Führungsstift verschiedene Materialwiderstände einstellen kann. Das heißt, stelle ich Stein ein, dann muss ich mehr drücken, stelle ich Styropor ein, gibt er mir dann weniger Widerstand. Das ist schon kurios. Die Materialwahl, die Materialgerechtigkeit, die Materialspannungen – das geht in den Entwurfsprozess hinein, und das ist wahnsinnig wichtig und kann natürlich nie richtig am Computer simuliert werden. Wenn der Student das neutral und mit natürlichen Materialien bearbeiten will und ihm Holz zu schwer ist, soll er halt Ton nehmen. Ich mache mit ihnen auch immer Tonübungen, gehe mit ihnen in die Keramik-Abteilung hinunter und gebe ihnen ein Thema, wo sie aus Ton etwas formen sollen. Ganz am Anfang, im ersten Semester, das ist ein ganz wichtiges Semester. Das Arbeiten mit Naturmaterialien ist bei den Studierenden wieder sehr gefragt, es wird wieder gerne „begriffen“, wir sind eben doch noch die „Angewandte“ und kein reiner Geistestempel.

Wie ist der internationale Stellenwert von solchen Rekonstruktionen? Gibt es da in Österreich eine Sonderstellung?

Ja ich glaube schon, das dürfte doch so eine kleine, leichte Einmaligkeit sein, und nicht nur in Österreich, da habe ich das Feedback von vielen namhaften Architekten und Archäologen. Wir hatten ja auch sehr berühmte Leute in Österreich, die zwar keine Rekonstruktionsmodelle bauten, sondern brav nach Plänen der Architekten vorgingen, z.B. aus dem Barock oder Rokoko, wie Matthias Steindl mit der Turmfassade von Zwettl. Das waren oft riesige Modelle, 15er, 25er, 30er. Der mathematische Turm von Kremsmünster ist aus Buchsbaum gebaut. Dieser Baum kann ein paar Hundert Jahre alt werden und ist kaum mehr zu bekommen. Er hat eine Härte fast wie Kalkstein, da kann man die kleinsten Details schnitzen. Antonio Selvas’ Modell für das Teatro la Fenice in Venedig fällt mir da noch ein und natürlich die Palladio-Modelle. Manche Ausführungen sind Riesenapparate, fast schon Möbel, da füllt ein Modell einen halben Raum.
Gab es quer durch die Jahrhunderte gesehen bestimmte Maßstabskonventionen?
Meistens wurden solche Modelle bei reicheren Leuten auf irgendwelchen Schlössern ausgestellt. Da gab es kein Platzproblem. Gemacht wurde das meist von Spezialschreinern. Michelangelo – das war die klassische Zeit der Modelle, oder Elias Holl. Es hat aber eine Zeit in Italien gegeben, wo Modelle wie Bücher gehandelt wurden. Wenn ich also ein Pseudogelehrter aus dem aufkommenden Bürgertum bin, dann richte ich mir eine Bibliothek ein. Ich umgebe mich also mit ernstzunehmender Literatur und Wissenschaft. So ca. 1775 hatten Antonio Chichi und Augusto Rosa einen Einfall, weil sie bemerkt haben, dass die Leute modellbegeistert sind und sich mit dem Altertum umgeben wollen. Sie haben eine Marktlücke entdeckt und Korkmodelle gebaut. Ruinenhafte Tempel, ein bisschen romantisch, ein bisschen künstlerisch. Sie hatten richtige Model, weil diese Korkmodelle weggegangen sind wie die warmen Semmeln. Richtige Korkpressen, um die Säulen schneller zu machen und die Voluten und Kapitelle. Denn die waren ja schwierig aus Kork zu schnitzen, und so hat man eine richtige kleine Industrie aufgebaut. Man hat die Königshöfe und das Bürgertum beliefert. In Wien gibt es noch ein paar dieser Korkmodelle im Technischen Museum, in Augsburg im Rathaus gibt es noch einige. Im John Soanes-Haus in London gibt es auch auf dem Dachboden sehr viele Chichi-Modelle. Augusto Rosa hat das dann noch weiterbetrieben bis zum Exzess. Da wurden die Modelle wie im Prater vor Publikum vorgeführt, und da hat sich was getan. Zum Beispiel wurde ein Modell vom Vesuv gebaut, und der ist dann plötzlich explodiert, da sind die Leute kohlrabenschwarz herausgekommen. Das war der Hit damals. Man hat Bauwerke zerkrachen lassen – ein Panoptikum.

Welchen Stellenwert haben in Ihrer Disziplin 1:1-Modelle?

1:1-Modelle sind nicht zu verachten. Eines der berühmtesten Beispiele ist das Belvedere. Anlässlich der Hochzeit von Marie Antoinette war der ganze Park geöffnet für das Publikum, es schwammen Kerzen auf den Teichen, das Volk war eingeladen. Aber Antoinette hat die Fassade vom Belvedere missfallen. Marie Theresia hat daher über die ganze Nordfassade eine Holzwand aufbauen lassen, also ein richtiges Gerüst mit Fenstern, und nach dem Stil der damaligen Zeit bemalen lassen. Fast das ganze Belvedere war nur sichtbar mit einer neuen Fassade, die ist zwei Meter vor der alten gestanden. Man musste durch die Kulisse durchgehen, wenn man hineinwollte. Also ein wunderbares Beispiel für ein 1:1-Modell. Oder denken Sie an Otto Wagners Museumsprojekt am Karlsplatz, oder an Plischkes Haus Gamerith, an Mies van der Rohe. Da wurde das Haus aus Holz und Segeltuch in wahrer Größe in die Landschaft hineingestellt, und der Bauherr konnte sich das anschauen. Und heute baut man aus rein pekuniären Gründen bei Hochhäusern auch schon einen Teil einer Etage im Voraus mit Teppich und allem, da kann der Professionist genau hochrechnen, was das insgesamt kosten wird. Das heißt, die Baukosten sind viel genauer. Aus reinen baukalkulatorischen Gründen wird das gemacht, aber auch für die Mieter natürlich, die noch was ändern wollen. Das kostet zwar, aber letztlich kann ich vorher schon verkaufen und weiß ganz genau, wo hab ich tragende Teile, wo kann ich bei den Zwischenwänden individuell variieren. Und jeder Professionist, ganz egal ob Maurer, Tischler oder Installateur, kann, sobald er wo unsicher ist, nachschauen, wo es z.B. Rohrverschneidungen etc. gibt. Denn wenn ein Professionist Unsicherheiten spürt, dann schlägt er das direkt auf die Kosten um. Große Bauwerke in der Antike haben eine sehr lange Bauzeit beansprucht. Im Normalfall hat irgendein Herrscher mit dem Mausoleum oder Palast, oder was auch immer, schon in seiner Jugend anfangen müssen. D.h. der Modellbauer hat auch den Stellenwert gehabt, dass man bereits vorher zeigen konnte, wie der Bau dann letztendlich einmal ausschauen wird.
Bei meinen eigenen Projekten kommt es natürlich auch vor, dass ich direkt am Grabungs-Campus eine sogenannte Architekturprobe 1:1 aus ergrabenen Blöcken zumindest teilweise aufbaue, dann mutiert eben das Studienmodell zu einem Stück Original.

Hintergrund, Do., 2008.11.20



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20. November 2008Gabriele Kaiser
Sonja Pisarik
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In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen ...

„In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf …“

Das 1973 eröffnete Verwaltungsgebäude der BMW München ist mit seinem kleeblattförmigen...

„In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf …“

Das 1973 eröffnete Verwaltungsgebäude der BMW München ist mit seinem kleeblattförmigen...

„In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf …“

Das 1973 eröffnete Verwaltungsgebäude der BMW München ist mit seinem kleeblattförmigen Grundriss wohl einer der signifikantesten Bauten von Karl Schwanzer. Dass der charismatische Architekt nicht nur im Entwurf und in der Hochschullehre, sondern auch in der Projektakquisition unkonventionelle Wege ging, wird in der Projektgenese des Vierzylinder-Turms deutlich. So ließ er im Dezember 1968 – nach einer Stippvisite bei sämtlichen BMW-Aufsichtsratsmitgliedern (mit Modellen und Projektunterlagen im Gepäck) – auf eigene Kosten in den Bavaria Filmstudios ein Funktionsmodell eines Etagensegments im Maßstab 1:1 nachbauen, um den noch zögerlichen Vorstand endgültig von seiner Projektidee zu überzeugen. Laurids Ortner, der zur Zeit des BMW-Wettbewerbs im Büro Schwanzer gearbeitet hat, erinnert sich an diese ungewöhnliche Überzeugungstat …

Ich kann mich an diese Pattstellung beim Wettbewerb erinnern. Die Entscheidung stagnierte irgendwie, und da hatte Schwanzer die Idee, das Ganze 1:1 in Geiselgasteig aufzubauen, in den Filmstudios der Bavaria. Ein volles Büro mit Blick auf München. Es sollte ein Geschoß ziemlich hoch oben sein. Man blickt hinaus über das künftige Olympiagelände, drinnen spielen die Leute Büro. Schwanzer meinte, ich soll diese 1:1-Geschichte übernehmen, aber ich konnte oder wollte – oder traute mich nicht. Eigene Projekte waren für mich schon wichtiger, Haus-Rucker-Co war im Entstehen. Ich hab abgesagt und war dann zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr bei ihm im Büro. Ich weiß aber noch, dass er sich diese Installation für damalige Verhältnisse ungeheure 400.000–500.000 Schilling kosten hat lassen. Das war eine Riesensumme. Und das noch vor Auftragsvergabe! Später hat mir Schwanzer dann einmal erzählt, dass der Vorstand in die Etage kam und vollkommen von den Socken war.

Waren das Schauspieler, die da mitgespielt haben?

Ja natürlich, bzw. Statisten, die auf Schreibmaschinen geklopft und irgendwelche Akten durchs Büro getragen haben. Alles vollkommen realistisch, eine perfekte Kulisse, auch die simulierte Aussicht. Der Vorstand kam herein und schaute quasi zu ebener Erd’ auf München hinunter und meinte dann, wenn das schon so weit gediehen ist, können wir das ja nur mehr bauen! Es war vollkommen überzeugend. Für Schwanzer war das eine ganz gerade, unternehmerische Angelegenheit. Schwanzer war wirklich der prägende Mann für meine Generation, auch in einem über die Architektur hinausgehenden Sinn, in seiner ganzen Art, an die Dinge heranzugehen. Schwanzers Büro war ein völlig anders organisierter Laden als die damaligen Architekturbüros. Bei ihm gab es einen gewissen Glamour, eine speziell aufgeladene Atmosphäre von großer Welt. Man hatte immer das Gefühl, am Drücker zu sein – jetzt passiert es. Eigentlich war er der erste Architekt – auch in dem Sinne, wie man ein Architekturbüro modern führt. Er meinte damals, in der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf …

Würden Sie sagen, dass ihm beim BMW-Projekt auch seine rhetorischen Fähigkeiten zugute kamen?

Absolut! Er hat Qualitäten gehabt, so ein bisserl wie der Qualtinger. Diese massigen Leute, die haben oft etwas unerhört Leichtfüßiges. Qualtinger hatte das, und Schwanzer hatte das auch. Er konnte blendend Leute und Situationen nachmachen. Ich hab ihn zwar nie als großen Redner erlebt, aber so im Gespräch mit anderen Leuten, da hast du alle fünf Sinne zusammennehmen müssen, dass er dich nicht plattgemacht hat.

Auf einer Website (www.7-forum.com) wird in einem Leserbrief eines ehemaligen BMW-Mitarbeiters behauptet, dass dieses 1:1-Modell lediglich als Musterraum für die künftige Möblierung des BMW Verwaltungsgebäudes installiert worden sei.

Blödsinn! Das ist vollkommener Plunder! Das ist als echtes Risikoprojekt dort gestanden. Und es war nicht irgendwo im halbfertigen Bau eine Bemusterung, das wäre ja nicht so unüblich gewesen. Dort ist wirklich eine Bühne aufgebaut worden. Es wurde sozusagen auf Erfolg gespielt. Das war der absolute Kick. Man muss sich vorstellen, allein die runden Formen, da kriegt doch jeder aus dem Vorstand Bauchweh, dass da alle möglichen Probleme auftauchen, auch mit der Möblierung. Dann waren diese Zylinder auch noch konstruktiv von oben abgehängt, das waren alles Probleme für einen Vorstand, der in der Regel, und damals erst recht, recht konservative Vorstellungen hat. Eigentlich waren die mit dem Projekt überfordert. Und wenn man ihnen nicht vorgeführt hätte, dass es nicht nur funktioniert, sondern auch noch unerhört attraktiv ausschaut, hätte das Projekt vielleicht gar keine Chance gehabt. Das 1:1-Modell, das war der Zug zum Tor!

Diese Geschichte mit dem Bau in den Filmstudios beweist ja auch einen sehr hohen Grad an Emotionalität, weil sonst würde man ja gar nicht so viel Geld in ein Projekt hineinstecken, um andere Leute davon zu überzeugen, dass das, was man macht, das Richtige ist.

Aber es ist auch so eine Art Jägerinstinkt. Da ist die größtmögliche Beute, der größte Fisch, den es überhaupt gibt. Also, den zu erlegen, das ist der Schuss fürs Leben. Und so war es dann ja auch. Dieser Auftritt in Deutschland hatte ja damals noch eine ganz andere Dimension. Man muss bedenken, Schwanzer hat das wichtigste und größte Bürogebäude für den besten Konzern realisiert, den es in Deutschland damals gab. Das war eine Riesengeschichte, erstmals konnte sich ein Gebäude mit derartiger Signifikanz durchsetzen und zu einem Markenzeichen werden. Wenn heute Leute wie Ben van Berkel oder Zaha Hadid für so etwas geholt werden, dann ist das vergleichsweise ein kleiner Fisch. Eigentlich hätte man sich denken müssen, da kriegen jetzt bestimmt auch ein paar andere Vorstandsvorsitzende Appetit – so wie sie jetzt alle Appetit haben, sich zu verwirklichen. Aber das war erstaunlicherweise damals nicht der Fall.

Auch in diesem Sinn ist das Schwanzer-Projekt eine singuläre Geschichte.

Ganz sicher. Aber ich habe gar nicht gewusst, dass das mit dem Modell wie ein Mythos durch die Zeiten geistert.
Es ist jedenfalls gut, wenn die Sache ausgegraben wird, weil sie natürlich ein Licht auf diverse Strategien wirft, die theoretisch nach wie vor möglich wären.
Der Zeitpunkt für eine Aufarbeitung von Schwanzers Tätigkeit ist jetzt schon überreif, bevor die nächsten wegsterben, die noch etwas erzählen könnten.


[Auszug aus einem längeren Gespräch über Karl Schwanzer, das Gabi Kaiser und Sonja Pisarik am 27. August 2008 mit Laurids Ortner geführt haben.]

Hintergrund, Do., 2008.11.20



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16. September 2008Gabriele Kaiser
zuschnitt

Hauszustellung nach Amerika

Im Gegensatz zu Buster Keaton, der in »One Week« (1920) kläglich daran scheitert, ein vorfabriziertes Eigenheim binnen einer Woche zusammenzuschrauben,...

Im Gegensatz zu Buster Keaton, der in »One Week« (1920) kläglich daran scheitert, ein vorfabriziertes Eigenheim binnen einer Woche zusammenzuschrauben,...

Im Gegensatz zu Buster Keaton, der in »One Week« (1920) kläglich daran scheitert, ein vorfabriziertes Eigenheim binnen einer Woche zusammenzuschrauben, hat die Aufbaucrew in Manhattan mit dem system3-Haus von Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf (Projektleitung: Jochen Specht) leichtes Spiel. An einem regnerischen Morgen im Juni 2008 werden zwei Überseecontainer auf dem West Lot des Museum of Modern Art in New York abgesetzt.

Um 9 Uhr kann nach Justierung der Auflager die »Serving Unit« (komplett mit Küche, Bad, Stiege, Installationen) aus dem Container gehoben, eine Stunde später mit der Fixierung der System-wände und des Daches des »Naked Space« begonnen werden.

Um 13.30 Uhr steht das in sämtlichen konstruktiven Teilen aus Brettsperrholz gefertigte system3-Haus samt Maß-Möblierung schlüsselfertig an seinem Platz. Als Exponat der Ausstellung »Home Delivery: Fabricating the Modern Dwelling« lotet es als einer von fünf internationalen Beiträgen im Maßstab 1:1 die konstruktiven Möglichkeiten der Vorfabrikation aus. Der MoMA-Kurator Barry Bergdoll knüpft damit an eine Tradition des Hauses an, denn im Skulpturengarten des Museums sind schon mehrmals Musterhäuser aufgestellt worden (1949 eines von Marcel Breuer), um den uniformen Trashhomes der amerikanischen Vorstädte eine architektonisch relevante Alternative entgegenzustellen. Dass Architekten wie Jean Prouvé, Le Corbusier, Walter Gropius, Buckminster Fuller, Richard Rogers etc. gegen den Mainstream der Fertighausindustrie schwer ankamen, zeigen auch die rund 80 ausgewählten Prefab-Systeme, die im historischen Teil von Home Delivery ausgestellt sind. Das Dilemma zwischen Fertigungsökonomie und individualisiertem Endprodukt machte vielen Konstrukteuren zu schaffen, erschwingliche Häuser vom Fließband, die sich mit den Qualitätsstandards der Autoindustrie messen könnten, blieben allzu häufig Projekt. Dass sich durch computergesteuerte Fertigungstechniken diesbezüglich neue Möglichkeiten eröffnen könnten, ist eine der Thesen des New Yorker Ausstellungsprojekts.

Das system3, das Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf auf Einladung des MoMA entwickelten, ist eine logische Fortsetzung der Modulbau-Fertigsysteme SU-SI und Fred bzw. des Open Architecture Systems oa.sys. Im Unterschied zu früheren, teilweise als Holzständerbauten ausgeführten Häusern besteht das system3 zur Gänze aus Brettsperrholz und ist als modulares Konzept angelegt, wobei alle aufwendigen Teile des Hauses in der Serving Unit zusammengefasst und in einem Stück auf die Baustelle angeliefert werden. Die Elemente des eigentlichen Wohnraums (Naked Space) werden hingegen vor Ort zusammengefügt.

Die 10cm dicken Massivplatten des 53 m² umfassenden MoMA-Prototyps – mit größeren Wandstärken kann problemlos Niedrig- oder Passivhausstandard erreicht werden – wurden außen mit einem Bootslack geschützt, innen sind die Oberflächen geölt. Dem richtungsneutralen Kräfteverhältnis der Massivholzplatte entsprechend können die Wände CNC-gesteuert an beliebiger Stelle perforiert, das »Schnittmuster« der Fenster und Öffnungen somit individuell programmiert werden. Die handwerkliche Ausführungsqualität (flächenbündige Materialanschlüsse, auf Gehrung geschnittene Kanten) des vorfabrizierten system3-Prototyps mag nicht nur New Yorker Ausstellungsbesucher erstaunen. Die Modularität des Systems erlaubt zudem eine etappenweise Erweiterung oder Veränderung, es darf nachträglich verkettet und gestapelt werden: »Ein zusätzliches Gästezimmer, zehn zusätzliche Hotelzimmer oder 200 zusätzliche Quadratmeter Bürofläche – alles ist möglich.«

Die im New Yorker Musterhaus installierten Präsentationsvideos verdeutlichen, dass es den Architekten nicht nur um einen Beitrag zum schöneren Wohnen, sondern vor allem um eine effiziente Systemverdichtung in größeren Siedlungszusammenhängen auf Basis ökologischer Bauweise geht. Im kleinen Maßstab ist die Nachfrage bereits groß: Kaum war das Vorarlberger Systemhaus in die New Yorker Baulücke gesetzt worden, wollte es ein Ausstellungsbesucher vom Fleck weg erwerben.

zuschnitt, Di., 2008.09.16



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30. Juni 2008Gabriele Kaiser
Hintergrund

Vergänglichkeit als Kulisse

Bei einem Besuch der Dekorationswerkstätten der Österreichischen Bundestheater kann man den Experten der Wunschpatina bei der Arbeit zusehen: nagelneue...

Bei einem Besuch der Dekorationswerkstätten der Österreichischen Bundestheater kann man den Experten der Wunschpatina bei der Arbeit zusehen: nagelneue...

Bei einem Besuch der Dekorationswerkstätten der Österreichischen Bundestheater kann man den Experten der Wunschpatina bei der Arbeit zusehen: nagelneue Türen und Kastenfenster mit aufgeplatztem und blätterndem Lack sehen aus, als hätten ihnen Wind und Wetter jahrzehntelang zugesetzt. Eine soeben zusammengeschraubte Straßenlaterne ist von Rost zerfressen, Polstermöbel mit abgewetzter Stoffbespannung erhalten den letzten Touch gewünschter Zerschlissenheit. Offensichtlich ist im Umkreis von Anton Cechovs Drei Schwestern der Glanz des Neuen nicht gefragt, alles soll möglichst abgewohnt und verbraucht aussehen, so als wären all diese Dinge Zeugnisse eines gelebten Lebens, von dem sie – als Requisiten eines Bühnenstücks – naturgemäß abgeschnitten sind.

Dem Phänomen der Pseudopatina begegnet man nicht nur am Theater, sondern tagtäglich, etwa beim Kauf einer Hose: Jeans werden mit bleichenden Substanzen behandelt und mit Steinen gewaschen, stonewashed, manchmal auch unverwüstlich verwüstet (mit Rissen veredelt) – damit sie möglichst abgetragen aussehen. Chemisch oder mechanisch vorpatinierte Produkte sind allgegenwärtig, die pseudoantiken, mit der berühmten Holzwurmlochmaschine bearbeiteten „Stilmöbel“ seien hier nur stellvertretend genannt. Laminate können in ihrer kalkulierten Unregelmäßigkeit einem ausgewaschenen Dielenboden zum Verwechseln ähnlich sehen, sofern man sie nicht berührt oder betritt. Der ästhetische Genuss an neuen, antik aussehenden Dingen ist merkantil offenbar so gut verwertbar, dass sich nicht nur die Imitation, sondern auch das künstliche Vorantreiben des Alterungsprozesses von Werkstoffen lohnt. Schon im Altertum wusste man Bronzefiguren mit entsprechender Behandlung pfleglich alt aussehen zu lassen. „Wollte man z. B. Kupfer färben, so mischte man den Ölen oder Harzen Bitumen bei, sodass man der Farbvielfalt gealterter Bronzeskulpturen nacheifern konnte. Seit alters her standen darüber hinaus Wachse und Öle zur Oberflächenveredelung zur Verfügung, die man für transparente, oberflächliche Lacke und Tönungen auf Metallen verwendete.“[1] Derartige Verfahren der forcierten Alterung von Materialoberflächen waren mit unterschiedlichen Konjunkturphasen in allen kulturgeschichtlichen Perioden gebräuchlich. Nachdem das Patinabewusstsein in der Klassischen Moderne mit ihrer Forderung nach Materialgerechtigkeit kurzfristig seine gesellschaftliche Akzeptanz eingebüßt hatte, erfreuen sich patinaanfällige oder entsprechend vorbehandelte Materialien in der zeitgenössischen Architektur wieder großer Beliebtheit.[2] Es ist, als ob man Bauwerke damit zusätzlich in der Wirklichkeit verankern könnte, als ob ein soeben fertig gestelltes Haus bloß eine zweifelhafte geisterhafte Erscheinung sei, die man mit einer Geste des Gebrauchtseins zu bannen hofft.

Man kann Patina künstlich herbeiführen, ohne Zutun entstehen lassen und sich eine Weile daran erfreuen. Die Faszination an den harmlosen Verschleißerscheinungen eines Bauwerks ist dabei wohl immer nostalgischer Ausdruck einer Sehnsucht nach der Rückversicherung eines Werks in der Zeit. Ein Gebäude, das durch Bewitterung und Gebrauch schon ein wenig den Makel der Makellosigkeit losgeworden ist, zeugt von Reife, es kann auf eine Geschichte zurückblicken, es hat als Zeitmaschine schon Werte angehäuft, die in der Regel nicht planbar sind, aber die Bedeutung eines Bauwerks steigern können. Das Alter ist kein primärer, sondern ein sekundärer Aspekt, keine Qualität an sich. Alter vor Schönheit – in der Architektur erscheint diese Höflichkeit zweifelhaft. Schon Le Corbusier fasste Architektur als etwas auf, „das eine schöne Ruine zurücklässt“ (L'architecture c'est ce que donne une belle ruine) und sprach damit belangloseren Bauwerken gleichsam die Fähigkeit ab, in Würde zu altern.

Den Charme ausgetretener Treppenstufen oder bemooster Dachschindeln weiß jeder zu schätzen, doch so reizvoll Gebrauchsspuren und der Einfluss von Witterung und Atmosphäre auf die wahrnehmbaren Eigenschaften von Materialien auch sein mögen, die Grenzen zwischen akzeptierter Patina und Schadensfall sind unscharf. Zugunsten des Bauwerks arbeitet die Zeit nur bis zu einer bestimmten Dimension der Werkstoffveränderung, rasch kann sie in Zerstörung umschlagen, mit deren Konsequenzen sich später Eigentümer, Nutzer und Denkmalpfleger auseinandersetzen müssen.

Es ist die Spielverderberin Zeit, die es mit der Vergänglichkeit alles Physischen allzu ernst meint. Mit Materialien wie unbehandeltem Holz, Corten-Stahl oder vorpatinierten Kupferblechen lässt sich dieses Spiel mit der forcierten Alterung eines Gebäudes zumindest eine Weile treiben, ohne dessen physische Präsenz für einen bloß ästhetischen Reiz zu opfern. Die Alterserscheinungen eines Bauwerks werden künstlich vorangetrieben, als positive Veränderungen goutiert, solange sie an der Oberfläche bleiben und keinen Komfortverlust bedingen.
Mit besonders witterungsbeständigen Stahllegierungen hat Rost als Gestaltungselement Einzug in die Architektur gehalten. Die Oberfläche von Corten-Stählen ist mit einer dichten Eisenoxidschicht überzogen, die für die hohe Rostbeständigkeit verantwortlich ist: Sie fungiert als Sperrschicht, die einen Zutritt feuchter Umgebungsluft verhindert und damit einen weiteren Rostangriff vermindert. Es handelt sich dabei nicht um natürliche Rostschichten, die mit der Zeit das Eisengefüge auflösen, sondern um jene Art von Edelrost, der auf der Oberfläche von Eisen produziert werden kann, ohne die Eisenstruktur zu zerstören. Diese Adhoc-Patina lässt sich nicht mehr über das Alter definieren, sondern nur noch über die samtige Tönung einer Werkstoff-Oberfläche.
Eine ähnliche Art der Veredelung durch Vorpatinierung ist auch bei Kupfer- und Titanzinkblechen gebräuchlich. In einem speziell entwickelten mechanisch-chemisch-thermischen Verfahren werden dabei Kupfertafeln industriell einseitig grün patiniert. So wird eine Oxidschicht aus dem Kupfer heraus erzeugt – ein Prozess, wie er auch bei der Bildung der natürlichen Patina infolge atmosphärischer Einflüsse über lange Zeiträume abläuft. Allerdings lassen diese vorpatinierten Bleche jenes Maß an farblicher Inhomogenität vermissen, das man an alten Kupferdächern und an natürlicher Patina generell zu schätzen weiß.

Wer die Flucht nach vorn in die Verschleißformen eines Bauwerks antritt, kennt die Alterungsphasen eines Materials in der Regel genau. Unbehandelte Holzfassaden erreichen ihren optischen Idealzustand oft erst nach Jahren der Bewitterung und Vergrauung. Die Veränderung der äußeren Zellschicht wird dabei nicht nur als unvermeidlicher foto- und biochemischer Abbauprozess in Kauf genommen, sondern bereits im Entwurfsprozess antizipiert und bewusst angestrebt. „Unbehandelte Fassaden, die gleichmäßig bewittert werden, sind in jeder Phase schön. Da gibt es keine Fleckigkeit, es ist ein kontinuierlicher Prozess, in dem das Holz ganz gleichmäßig von Braun ins leicht Grauschimmernde, ins Hellgrau bis ins Dunkelgrau übergeht.“[3]

Der offensive Einsatz von vegetativen Elementen in der Fassadengestaltung lässt sich mit dem Phänomen der Wunschpatina ebenfalls in Beziehung setzen. In einer fassadenfüllenden Begrünung klingt nicht nur das Bildrepertoire einer nostalgischen Ruinenästhetik an, sondern auch der Wunsch, einem Gebäude in der zunehmenden Überwucherung eine zweite Wirklichkeit angedeihen zu lassen. Dass diese zweite Wirklichkeit die darunter liegende Struktur zumindest visuell temporär oder dauerhaft überlagert, scheint den kalkuliert-verwilderten Häusern ihren besonderen Reiz zu verleihen. Doch in der offensichtlichen Planmäßigkeit ihres Zuwucherns strahlt auch ein solches Bauwerk etwas Kulissenhaftes aus. Nicht als Manifestation verstrichener Zeit nimmt man es dann wahr, sondern als hübsches Requisit einer allenfalls geistreichen Inszenierung.

[1] Mila Schrader, Vom Reiz der Patina, Edition anderweit, Suderburg-Hösseringen 2003, S. 28.
[2] Weiterführende Informationen in: Hans Weidinger, Patina. Neue Ästhetik in der zeitgenössischen Architektur, DVA, München 2003.
[3] Hermann Kaufmann, Hineinwittern in die Landschaft, in: Zuschnitt 4, Wien 2001, S. 19.

Hintergrund, Mo., 2008.06.30



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Hintergrund 39

08. Mai 2008Gabriele Kaiser
Der Standard

Architekturfrühling mit Sommerfrische

Oberösterreich steht während der Architekturtage ganz im Zeichen des Wassers. In den Hauptrollen: eine Feuerwehrstation, Bücher und Städte, die langsam ans Wasser heranrücken.

Oberösterreich steht während der Architekturtage ganz im Zeichen des Wassers. In den Hauptrollen: eine Feuerwehrstation, Bücher und Städte, die langsam ans Wasser heranrücken.

Linz - Von den fieberhaften Vorbereitungen für das Kulturhauptstadtjahr 2009 zeigt sich das diesjährige Architekturtage-Programm Oberösterreich ungerührt. Wie schön es sein kann, in Linz bzw. mit Blick auf Linz zu wohnen, ist Leitmotiv der geführten Touren. Ein Bummelzug macht bei aktuellen Bauten von Riepl Riepl Architekten Station.

Beim Fest am neu gestalteten Vorplatz des „architekturforum oberösterreich“ können die künstlerisch-kulinarischen Besonderheiten der „kitchen of trash and paradise“ genossen werden, während Timo Novotny und die Band Sofa Surfers das Filmrohmaterial von Glawoggers Megacities zu einem Stimmungsbild über die Schattenseiten des städtischen Lebens vermengen.

Den Erbaulichkeiten des Landlebens widmen sich Orte im Salzkammergut. In der Bootswerft Frauscher in Gmunden wird der Buchband Sommerfrische - Beispiele neuer Architektur im Salzkammergut (Pustet Verlag) vorgestellt, in der Kaethe Zwach Galerie in Schörfling kann man sich in Moderne Architektur im Salzkammergut: Region Traunsee-Attersee (Bibliothek der Provinz) vertiefen. Auch die dritte druckfrische Publikation Der Attersee. Die Kultur der Sommerfrische (Brandstätter Verlag) liefert zur bau- und kulturgeschichtlichen Erkundung des Salzkammerguts einen Beitrag.

Hochwasser als Impuls

Mit weniger idyllischen Kräften des Wassers beschäftigt man sich in Grein, wo bei einer Fährenfahrt auf der Donau aktuelle Pläne des Hochwasserschutzverbands Donau-Machland diskutiert werden. Im Machland, das immer wieder von großflächigen Überflutungen heimgesucht wird, haben sich sieben Gemeinden zusammengeschlossen, um das Hochwasserrisiko mit Kaianlagen und anderen Baumaßnahmen zu minimieren.

Obwohl der Mühlbach in Wels kaum Schaden anrichten dürfte, ist er an beiden Ufern mit Seilen abgezäunt. Thomas Müssauer und Wolfgang Bretter haben ein urbanistisches Projekt initiiert, das 2006 mit einer Intervention an einem Welser Stadtbrunnen startete und heuer mit einer Entfesselungsaktion des Mühlbachs fortsetzt. „Die von uns veränderten Stadträume fordern eine Auseinandersetzung mit vertrauten Plätzen in der gewohnten Umgebung“, sagt Müssauer. Bis zur Landesgartenschau 2015 soll Wels wieder näher an seine Wasserwege heranrücken.

In Haslach an der Mühl feiert man bereits zum elften Mal den Mühlviertler Architekturfrühling. Initiator Josef Schütz vom Architekturbüro Arkade darf sich heuer die Glockenstube eine Nacht lang mit einem Turmfalken teilen.

Beim sogenannten Turmfrühstück am nächsten Morgen können die nächtlichen Eindrücke dann in geselliger Runde verarbeitet werden.

Der Standard, Do., 2008.05.08

16. Juni 2007Gabriele Kaiser
zuschnitt

Von der Hand in den Kopf und im Blick das Ganze

Möglicherweise ist der Bregenzerwald die einzige Region in Österreich, in der Architektur, Handwerk und Industrie in eng aufeinander bezogenen Strukturen...

Möglicherweise ist der Bregenzerwald die einzige Region in Österreich, in der Architektur, Handwerk und Industrie in eng aufeinander bezogenen Strukturen...

Möglicherweise ist der Bregenzerwald die einzige Region in Österreich, in der Architektur, Handwerk und Industrie in eng aufeinander bezogenen Strukturen sowohl qualitativ als auch in ökonomischer Hinsicht florieren. Viele der hier arbeitenden Architekten haben einen handwerklichen Hintergrund, man weiß nicht nur theoretisch, »wie es geht«, sondern ist auch von früher Jugend an gewöhnt, im elterlichen Betrieb, in der Werkstatt des Onkels oder eines entfernten Verwandten Hand anzulegen. Umgekehrt ist es für viele der hier ansässigen Handwerker selbstverständlich, mit Architekten zusammenzuarbeiten, um traditionelle und avancierte Fertigungstechniken zu erproben oder weiterzutreiben. Nicht zuletzt gibt es eine ebenfalls im handwerklichen Kontext sozialisierte Bauherrenschaft, die auf ein qualitatives Lebensumfeld Wert legt und bereit ist, sich auf Neues bzw. auf unkonventionelle Anverwandlungen traditioneller Bauformen einzulassen. Für diese sehr spezielle Kompetenzverdichtung ist im Bereich des konstruktiven Holzbaus die Familie K. ein exemplarisches Beispiel. Die für die vorliegende Ausgabe des Zuschnitt geführten Gespräche mit vier Mitgliedern dieser weitverzweigten Familie haben gezeigt, dass man im Bregenzerwald mit Recht und ohne Sentimentalität von einer »Kultur des Handwerks« spricht. Natürlich hat auch diese Kultur Stagnations- wie Wachstumsphasen zu verzeichnen, doch scheint sie wegen des intensiven Austauschs zwischen als gleichwertig angesehen Berufssparten und aufgrund eines gesunden »Binnenwettbewerbs« kaum Gefahr zu laufen, in einmal erworbenen Mustern zu verharren.

Mit unkonventionellen, »aus der Zimmermannstechnik weiterentwickelten Holzbaukonzepten« (Otto Kapfinger) hat der Architekt Leopold K. (geb. 1932) schon früh und unabhängig vom damaligen kulturellen Establishment Position bezogen. Die Erweiterung der Pfarrkirche in Brand etwa (gemeinsam mit Helmut Eisentle und Bernhard Haeckel, 1961) zählt zu jenen aus dem Handwerk gedachten Bauleistungen, die von Moden unberührt überdauern. Als erfahrener Konstrukteur erweist er sich auch im Gespräch in seinem Atelier in Dornbirn (in welchem auch sein Sohn Oskar Leo, geb. 1969, ein eigenes Architekturbüro führt), indem er immer wieder zum Bleistift greift, um Gesagtes mit angedeuteten Konstruktionsskizzen – vom Brettelbinder bis zum Strickbau – zu verdeutlichen. Leopold K. ist gelernter Zimmerer, hat an der Technischen Hochschule in Graz Architektur studiert, währenddessen und dazwischen immer im Betrieb seines Onkels Josef K. (geb. 1913) gearbeitet, der 1952 in Reuthe eine Zimmerei samt Hobelwerk gegründet hatte. Dieser Onkel genießt in der Familie K. den Ruf eines visionären Draufgängers, der nicht nur sein Handwerk gut verstanden, sondern sich auch nicht gescheut habe, Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren. Zu diesem Schaffensdrang dürfte auch die Gabe gezählt haben, sich zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Leuten an einen Tisch zu setzen. So ist etwa in den 1960er Jahren in einer Zusammenarbeit zwischen dem SOS-Kinderdorf-Gründer, Hermann Gmeiner, dem Architekten Willi Ramersdorfer und dem Zimmerer Josef K. ein ganzes Kinderdorf für Saigon im heimischen Werk vorgefertigt und schließlich in Vietnam aufgestellt worden – welches nach Auskunft des SOS-Kinderdorf Sozialwerks heute noch in Betrieb ist.

Leopold K. hat das Zimmermannshandwerk noch in seiner maschinenlosen Zeit erlernt und ausgeübt, wo vieles von Hand in mühsamer Arbeit auf der Baustelle zugerichtet und zusammengefügt werden musste. Aber er hat auch den Aufschwung erlebt, als die Bandsägen und Kreissägen langsam in den Werkstätten Einzug hielten. Aus der Schilderung der Vorzüge dieser Arbeitserleichterung durch Maschinen und bessere Werkzeuge ist dennoch herauszuhören, dass er von einigen Standards heutiger Holzbearbeitung, etwa dem Abfasen der Kanten, wenig hält. Auch würde die Arbeit des Zimmerers heute bisweilen auf die eines Monteurs beschränkt sein, der fertige Wandelemente zusammenschraubt. Im Rückblick auf die eigenen Realisierungen im konstruktiven Holzbau stelle er sich heute und durchaus selbstkritisch die Frage, worin die Innovationen denn eigentlich wirklich bestünden. »Konstruktiv hat sich nicht so viel verändert«, sagt er. Auf die Frage, was er selbst dem Werkstoff Holz gern entlocken würde, gibt er eine entwaffnende Antwort: »Holz schweißen können.« Dann nimmt er ein Überblickswerk aus dem Regal, schlägt eine Seite auf, auf der ein teilweise diagonal verschaltes Haus von Marcel Breuer in New Canaan aus dem Jahr 1948 abgebildet ist. Er verweist auf die schlüssige konstruktive Lösung, die stimmige Proportion des Gebäudes. Von solchen Beispielen könne man immer noch lernen.

Ob es Leopold K. bewusst ist, dass er von der ihm nachfolgenden Generation selbst als Lehrmeister angesehen wird? Etwa von seinem Neffen Hermann (geb. 1955), der an der TU in Innsbruck (u.a. bei Othmar Barth) Architektur studiert, schließlich an der TU Wien bei Prof. Hiesmayr das Diplom gemacht hat. Im Büro seines Onkels Leopold hat er oft in den Ferien gearbeitet, seine erste Anstellung hatte er bei Ernst Hiesmayr in Wien. 1983 gründete Hermann K. eine Arbeitsgemeinschaft mit Christian Lenz in Schwarzach, heute hat er 16 Mitarbeiter. Die Liste der realisierten Bauten ist inzwischen beachtlich, »wobei sich der Holzbau wie ein roter Faden durch die Bürogeschichte zieht«. Mit einem seiner Brüder – Johannes K. (geb. 1967) – hat er kürzlich eine mehrgeschossige Wohnhausanlagen in Wien-Floridsdorf realisiert, seit 2004 lehrt er als Professor für Holzbau an der Architekturfakultät der TU München. Die handwerklichen Kenntnisse eines Zimmerers sieht er angesichts heutiger Fertigungstechniken nicht schwinden. »Ein Zimmerer muss heute viel mehr wissen als früher«, sagt er, »die Anforderungen an ihn steigen mehr und mehr.« Viele Hilfstätigkeiten können von der Maschine übernommen werden, aber der Blick fürs konstruktive Ganze dürfe dem Handwerker nicht abhanden kommen. Die Komplexität der Konstruktionen, ihre Diversität, die zahlreichen bauphysikalischen Anforderungen – all dies erfordere ein höheres Allgemeinwissen, über das der Zimmerer heute verfügen müsse, um am Puls der Entwicklung zu bleiben. Das Problem bestünde sogar eher darin, dass es in dieser Zunft schon zu viele »Erfinder« gebe. Im Unterschied zum Bereich Brettschichtholz (BSH), wo sich inzwischen überschaubare Standards abzeichnen, ist das Spektrum möglicher Wand- oder Deckenaufbauten im Holzbau heute kaum mehr überblickbar. Allein die Datenbank www.dataholz.com führt derzeit rund 1.500 Konstruktionsdatenblätter an, ergänzt durch unzählige Anschlussdetails und Dämmstoffvarianten, Abdichtungsfolien etc. Ein im Holzbau wenig erfahrener Architekt könne heute Schwierigkeiten haben, sich in der Vielfalt der angebotenen Systeme zurechtzufinden.

Hermanns zweiter Bruder Michael (geb. 1957) ist Zimmerer und führt den mittelständischen Betrieb in Reuthe in der nunmehr dritten Generation. Ihr Vater Ernst hatte einst mit zufällig gleichem Nachnamen in die Familie K. eingeheiratet, und zwar in jene Zimmerei, die Hermann K. Sen. (1899–1966), der ältere Bruder von Josef K. 1932 in Reuthe aufgebaut hatte. Michael K. lebt mit seiner Familie in dem inzwischen renovierten und durchlichteten Wälderhaus, an das die Werkstatt direkt anschließt. 1993 hat er den Zimmermannsbetrieb um eine Tischlerei erweitert, in der, wie er heute sagt, irrigen Annahme, dass sich zwischen den beiden Handwerkszweigen unmittelbare Synergien in der Arbeit ergeben. »Dass sich daraus so etwas wie verfeinerte Zimmerer entwickeln würden.« Tatsächlich laufen die beiden Sparten zwar hervorragend unter einem Dach, aber strikt getrennt, mit unterschiedlichen Werkzeugen, Aufgaben und Anforderungen.

Ein Niedergang des Handwerks habe in den 1960er Jahren stattgefunden, da seien die Zimmerer aufs Aufstellen von Dachsparren beschränkt gewesen, es gab eine gewisse Abwehr gegen das Bregenzerwälderhaus – »das ewige Knarren« –, man habe im Massivbau fast Gegenposition beziehen wollen. Der Wendepunkt sei mit den Pionieren der Vorarlberger Bauschule, endgültig aber Anfang der 1990er Jahre gekommen, als man auf breiter Basis wieder anfing, sich ernsthaft und in zeitgemäßer Formensprache mit dem Thema konstruktiver Holzbau auseinanderzusetzen. Damit seien die Zimmerer wieder aufgewertet worden, »sie sind nun nicht mehr nur für das Dach, sondern wieder für das gesamte Haus zuständig«. Die frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Architekt, Holzstatiker und Handwerker sei im Bregenzerwald ja von jeher die große Stärke jeder qualitätsorientierten Produktentwicklung gewesen.

In der Werkstatt von Michael K. stehen viele Maschinen, aber eine CNC-Fräse wird man vergeblich suchen. Es ist eine bewusste Entscheidung, den Betrieb in überschaubaren Dimensionen zu halten (bei Michael K. arbeiten 16 Zimmerer und fünf Tischler), sich nicht allzu tief in den Bereich der industriellen Fertigung hineinzuarbeiten. Seine Mitarbeiter und Lehrlinge stammen alle aus der Umgebung, bei ihm werden auch Fachleute ausgebildet, die dann später z.B. im Betrieb seines Großcousins Anton K. (geb. 1949) in Vorderreuthe einen Arbeitsplatz finden.

In der Werkstatt von Michael K. wird zwar mit einigem Erfolg die Wohnbox SU-SI produziert, aber um wirtschaftlich lohnenswert zu sein, sei das Produkt nach wie vor zu individuell. »Jedes Mal läuft es wieder auf eine Spezialanfertigung hinaus.« Der Entwurf dafür stammt von Michaels und Hermanns Bruder Johannes sowie von Leopolds Sohn Oskar Leo; Bauherrin des Prototyps war dessen Schwester Susanne, die in der nun 5. Generation das Hotel Post in Bezau betreibt und Mitte der 1990er Jahre ein kostengünstiges »Übergangswohnhaus« in Auftrag gegeben hatte. Das inzwischen 10-jährige, kürzlich nach Hamburg verkaufte Urmodell von Su-Si war zum Zeitpunkt unseres Gesprächs mit Michael K. wieder in dessen Werkstatt gelandet, um den Erfordernissen des künftigen Standorts angepasst zu werden. Erstaunlich wenig Renovierungsarbeiten waren vonnöten, die Box hat das Hochwasser von 2005 schadlos überstanden, nur ein Wasserschaden im Haus selbst hat den Brettern der Bodenplatte zugesetzt. Mit Oskar Leo K. denke man aber über eine Weiterentwicklung des Containerkonzepts nach, das in modularer Form auch schon im Hotelbau Anwendung gefunden hat. Michael K. ist auch Mitglied der »Fixhaus«-Plattform, zu der sich einige Holzbaubetriebe der Region zusammengeschlossen haben, um nach Entwürfen von Vorarlberger Architekten Fertighäuser auf hohem gestalterischem Niveau und zu vertretbaren Preisen anbieten zu können. In der Tischlerei von Michael K. werden zudem in Zusammenarbeit mit dem werkraum bregenzerwald sowie zahlreichen Vorarlberger Architekten hochwertige Möbel und Gebrauchsgegenstände hergestellt, das Repertoire umfasst sogar Holzsandalen, die in Kooperation mit einer Schusterwerkstatt in Bezau erzeugt werden. Da viele Zimmermannsbetriebe des Bregenzerwalds heute – im Unterschied zu früher – eine eigene Abbundhalle neben der Werkstatt stehen haben, tritt bei größeren, die eigenen Kapazitäten übersteigenden Projekten eine Art betriebliche Nachbarschaftshilfe in Kraft und man stützt sich durch temporäre Kooperation. Ein kluger unternehmerischer Ansatz; man kann punktuell im großen Maßstab agieren, das Qualitätsniveau halten und als Unternehmen dennoch flexibel bleiben. Michael K. schätzt die Produktvielfalt in seinem Betrieb, doch in Hinblick auf seinen wirtschaftlichen Kernbereich, den hochwertigen vorgefertigten Holzbau, bezeichnet er wie sein Bruder Hermann die steigende Systemvielfalt als problematisch. »Jedes Mal muss man den Wand- und Deckenaufbau von neuem hinterfragen.« Gleichzeitig wäre eine Vereinheitlichung auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen fatal: »Wenn jeder das Gleiche anbietet, wäre der Preiskampf noch härter.«

Anton K., Geschäftsführer der Firma K. Holzbausysteme, mit selbem Standort wie sein inzwischen mehrheitlich verkaufter holzverarbeitender Betrieb, der größte der gesamten Region, bringt die Normierungsfrage auf den Punkt: »Systematisierung und Normung kommen in erster Linie der Holzindustrie zugute.« Vor dem Hintergrund der mitteleuropäischen Handwerkstradition wären derartige Normungen, wie sie sich etwa in den USA durchgesetzt haben, jedoch ohnehin zum Scheitern verurteilt. »Wer wollte denn hierzulande in Häusern wohnen, wo eines wie das andere aussieht?«

Die gewaltige Dimension des Werks in Vorderreuthe lässt sich auch an der Anzahl und Art der eingesetzten Maschinen ermessen. Vor zehn Jahren wurde die erste, vor kurzem die dritte CNC-Fräse aufgestellt, sodass für einen internationalen Markt präzise Systemkomponenten in großen Stückzahlen produziert werden können. Im Unternehmen von Anton K. arbeiten CNC-geschulte Zimmerer, Absolventen von Fachhochschulen, Maschinenbauer, angelernte Arbeiter. Als Industriekonzern agiert er als reiner Zulieferer, hält den Industrie- und Projektbereich konsequent auseinander. Zum Projektbereich gehört z.B. ein Hochregallager aus Holz, das sich gerade in korrisionsgefährdeten Funktionszusammenhängen (Stichwort Salzlager, mehrgeschossige Bootsgarage) gegen den Stahlbau auch ökonomisch behaupten kann. Und eben diese klar getrennte Koexistenz von industrieller Fertigung europaweit vertriebener Komponenten und dem Projektbereich erweist sich als richtig, wenn es um den vielbeschworenen Blick auf das konstruktive Ganze geht. Denn auf diesen kommt es in einer hochdifferenzierten »Kultur des Handwerks« letztlich an. Nur wenn selbst in der Anonymität der fragmentierten Fertigung das Verständnis für den konstruktiven Gesamtzusammenhang präsent bleibt, kann der CNC-geschulte Zimmerer sein Werkzeug bewusst einsetzen, anstatt es in entfremdeter Perfektion einfach nur zu bedienen.

zuschnitt, Sa., 2007.06.16



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zuschnitt 26 Handwerk

16. Juni 2007Gabriele Kaiser
zuschnitt

Werkstück statt Stückwerk

Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Fürsprecher der Dinge die Dinge selbst sind: Das bekanntlich hohe Niveau der Handwerkskultur im Bregenzerwald...

Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Fürsprecher der Dinge die Dinge selbst sind: Das bekanntlich hohe Niveau der Handwerkskultur im Bregenzerwald...

Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Fürsprecher der Dinge die Dinge selbst sind: Das bekanntlich hohe Niveau der Handwerkskultur im Bregenzerwald lässt sich vielleicht auch daran ermessen, dass man sich hier vor allem über qualitative Erzeugnisse und nicht so sehr über ideologische Abgrenzung gegenüber dem Feindbild »anonyme Massenproduktion« definiert. Auf die Gefahr hin, aus »östlicher« Perspektive das kollaborative Produktionsmilieu im Bregenzerwald zu beschönigen: Das Zusammenspiel zwischen Architektur und Handwerk, Konzeption, Konstruktion und Umsetzung scheint in dieser Region (noch oder wieder) auf Basis eines profunden Werk- und Materialverständnisses auf beiden Seiten zu funktionieren. Was anderswo die Ausnahme ist, kann dann als Regelfall gelten: Weder müssen sich Handwerker mit werkstoffwidrigen Phantasien von Architekten oder Designern herumschlagen, noch die Architekten mit schlecht ausgebildeten, schematisch agierenden Handwerkern. Dieser kooperative und zugleich eigenverantwortliche Umgang mit dem herzustellenden Produkt ist Teil einer Handwerkskultur, die es gilt, mit anderen Fertigkeiten der Profession an die nächste Generation weiterzugeben. Die Förderung des Nachwuchses in handwerklichen Lehrberufen zählt daher auch zu den zentralen Anliegen des werkraum bregenzerwald, einer 1999 gegründeten, derzeit rund 80 Mitglieder umfassenden Branchenplattform für das Neue Handwerk, die mit überregional rezipierten Aktivitäten (Ausstellungen, Wettbewerben, Publikationen) auf die Produktivität der Region hinweist. Noch vor wenigen Jahren waren Jugendliche scharenweise ins Rheintal abgewandert, wo die Berufsaussichten günstiger schienen, doch inzwischen können viele Betriebe im Bregenzerwald wieder ein auch für den lernleistungsstarken Nachwuchs interessantes Betätigungsfeld bieten. Auch wenn man angesichts von jährlich sinkenden Lehrstellen eine Krise des Handwerks konstatieren kann (siehe Interview mit Egon Blum), haben sich viele Sparten im Bregenzerwald – allen voran die holzverarbeitenden Betriebe – ein breites Kompetenzspektrum zwischen Low- und Hightech erarbeitet, das ohne hochqualifizierte Fachkräfte nicht zukunftsfähig wäre.

Unter dem Titel »handwerk im unterricht« hat der werkraum bregenzerwald 2004 daher ein Workshopprogramm gestartet, im Zuge dessen Jugendliche der 3. und 4. Klasse Hauptschule in lokalen Handwerksbetrieben eigenhändig Werkstücke (Stifteboxen, Kerzenständer, Weinregale, Sitzsäcke, Klapphocker, Nussknacker, Stelzen, Wanduhren, Holzböcke etc.) herstellen können. Kern dieses Vermittlungsprogramms ist die Güte und Brauchbarkeit der Werkstücke, die kostengünstig und im definierten Zeitrahmen herstellbar sein, aber auch ein hohes gestalterisches und handwerkliches Niveau aufweisen sollen.

Für die konzeptuelle Vorbereitung von »handwerk im unterricht« erweist sich auch hier das vernetzte Know-how von Handwerksbetrieben und Architekten als solide Basis. Schülerinnen und Schüler nehmen das Angebot mit Begeisterung auf: Sie können in einer Art Schnupperlehre praktische Erfahrungen in einem bestimmten Berufszweig sammeln, in die spezifische Atmosphäre eines Betriebs eintauchen, dessen Struktur kennenlernen und eigene Fertigkeiten unter den kundigen Augen eines »Meisters« erproben. Und sie nehmen schließlich einen eigenhändig hergestellten Gebrauchsgegenstand mit nach Hause, mit dem sie sich in hohem Maße identifizieren.

Diese positive Erfahrung kann nicht nur ausschlaggebend sein für die Berufsentscheidung der Jugendlichen, sondern auch von Nutzen für den Handwerksbetrieb, da Lehrlingsausbildner in der direkten Arbeit am Werkstück mit motivierten Talenten Kontakt knüpfen. Dass diese Workshops wichtige Impulse setzen, beweist die hohe Nachfrage – mit rund 60 Veranstaltungen bilanzierte der werkraum bregenzerwald allein im ersten Jahr. Und nicht selten hört man einen Schüler, eine Schülerin am Ende eines Workshops sagen: »Das war super. Da möchte ich die Lehre machen.«

Mit großem Eifer gingen im Frühjahr 2007 auch Schülerinnen der Hauptschule Alberschwende ans Werk, als sie in der Tischlerwerkstatt Raimund Dür in Alberschwende (sowie in drei anderen Betrieben der Region) einen Hocker bzw. Beistelltisch fertigten, unterstützt von ihrer engagierten Lehrerin (die Schnupperlehre fand in diesem Fall im Rahmen des Religionsunterrichts statt), der Architektin Heike Schlauch/raumhochrosen und nicht zuletzt vom werkstückbetreuenden Tischler. Die Grundform des Hockers/Tischchens ist einem Blütenblatt nachempfunden, das als Einzelstück ebenso funktioniert wie als »Blume« im Klassenverband. Art des Holzes und Details der Konstruktion bzw. der Ausschmückung konnten die Mädchen selbst bestimmen, und so nahmen die »artverwandten« Einzelstücke nach und nach Gestalt an. Das Ergebnis kann sich sehen lassen – hier wurde nicht gebastelt, sondern in richtiger Handwerkstechnik gefertigt. Es wurde zugeschnitten, geschliffen, geleimt, geölt. Und in der prüfend über die gehobelte Oberfläche streichenden Hand blitzte hier und dort das Geschick einer werdenden Tischlerin auf.

Für den jüngeren Nachwuchs, für Kinder von fünf bis zwölf Jahren, wo es naturgemäß noch nicht um Hilfestellung bei der Berufsentscheidung, sondern um den spielerischen Umgang mit den Werkstoffen Erde, Holz, Metall, Wasser und Farben geht, bietet der werkraum bregenzerwald zudem die von Heike Schlauch konzipierte »kinderbaustelle« an. Auch diese Element-Werkstätten schöpfen spielend/spielerisch aus der profunden Handwerkskultur des Bregenzerwaldes. Beleg dafür sind nicht zuletzt die soliden, den jeweiligen Werkstätten beigestellten Holzkisten, die sämtliches Werkzeug und die wiederverwendbaren Materialien enthalten. Der Umgang mit dem richtigen Werkzeug am richtigen Material kann schließlich gar nicht früh genug erprobt werden.

zuschnitt, Sa., 2007.06.16



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zuschnitt 26 Handwerk

Profil

1995 – 2000 Redakteurin bei Architektur Aktuell, Springer Wien NewYork
2000 – 2010 Redakteurin und Kuratorin im Architekturzentrum Wien
2000 – 2003 Lehrbeauftragte an der Universität für angewandte Kunst in Wien
2003 – 2010 Forschungsmitarbeiterin bei Friedrich Achleitner
2010 – 2016 Leiterin des afo architekturforum oberösterreich

Lehrtätigkeit

2019 – 2023 Lektorin am Mozarteum in Salzburg
seit 2009 Lehrbeauftragte an der Kunstuniversität Linz
seit 2022 Lehraufträge mit Prof. Wolfram Pichler an der Universität Wien

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
2016 – 2024 Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Architektur

Publikationen

2011
„Gelassene Eleganz“, in: Österreichische Architektur der Fünfziger Jahre, fotografiert von Stefan Olah, Anton Pustet Verlag, Salzburg 2011, S.160–165.
„Weißtanne und Lichteinfälle, Seelsorgezentrum Lichtenberg“, in: kunst und kirche Nr. 03/2011 (Neue Orte für die Toten), S.50f.
„Höhenrausch 2 – Brücken, Treibgut und Nebelschwaden“, in: Zuschnitt 42, Wien 2011, S. 30.
„Licht gestalten“, in: profil (Extra Wohnen und Design), Nr. 23, 42. Jg., 6. Juni 2011, S.112–118.
„Baumaterial Zeit“, in: SUE Architekten (Hg.): Amthaus Ottensheim. Vom politischen Konzept zur offenen Architektur, Residenz Verlag, Salzburg 2011, S.66–69.
„Der Achleitner-Kasten“, in: Bauwelt 14.11, Berlin 2011, S.14–19.
„Knochenarbeit und Vergnügen“, in: konstruktiv 281/März, Wien 2011, S. 42.
„ORTE – Architektur in Niederösterreich 2002–2010“, Band 3, hrsg. von Eva Guttmann, Gabriele Kaiser, Franziska Leeb, Springer Verlag WienNew York 2011 (296 Seiten), S. 49–50.

2010
„Bauernkapelle Nonsbach“, in: Zuschnitt 40, Wien 2010, S. 30.
„Kurrent ruft“, Vorwort in: Friedrich Kurrent, Aufrufe, Zurufe, Nachrufe, Ausgewählt und eingeleitet von Gabriele Kaiser, Müry Salzmann, salzburg 2010, 7–9.
„Fassadensicht. Assoziationen zum Erscheinungsbild von Gebäuden“, in: proHolz, Holzforschung Austria (Hrsg.), Fassaden aus Holz, Wien 2010, S. 6–7.
„Internal Groth“, Katalogbeitrag in: In favour of Public Space Prize. Ten Years of the European Prize for Urban Public Space, Barcelona 2010, S. 94–97.
„Alte Schule, neue Wege. Joseph Maria Olbrichs Lehrjahre im Historismus“, Katalogbeitrag in: Ralf Beil, Regina Stephan (Hgs.), Joseph Maria Olbrich. 1867–1908. Architekt und Gestalter der frühen Moderne, Mathildenhöhe Darmstadt, Hatje Cantz, Ostfildern 2010, S. 81–92.
„Karteikartenbeschreibung“, in Hintergrund, Nr. 46/47. Friedrich Achleitner 80, Wien 2010, S. 68–73.
„Wendepunkte im Bauen“, Randbemerkung in: Architektur & BauFORUM,
Nr. 06, Wien 2010, S. 6.
„Bilanzen mit Ausblick – Die Ausstellungen der arbeitsgruppe 4“,
Katalogbeitrag in: Architekturzentrum Wien (Hg.), arbeitsgruppe 4. Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Johannes Spalt 1950–1970, Müry Salzmann Verlag, Salzburg 2010.

2009
„Consequent and Restrained“, in: ORIS 60, Zagreb 2009, S. 68–77.
„Sinnhafte Oberflächen. Assoziationen zum Innenausbau“, in: Zuschnitt 35,
S. 8–11.
„Junya Ishigami“, in: 91°. More than Architecture, Issue 4, Wien, August 2009, S. 44.
„Social Housing Thürnlhof West“, in: DOMUS Nr. 927, July August 2009,
S. 12–16.
„Funktionslosigkeit als Zweck“, Kommentar in: Architektur & BauFORUM,
Nr. 14, Wien 2009, S. 3.
„Namenlose Architektur“, Randbemerkung in: Architektur & BauFORUM, Nr. 07, Wien 2009, S. 6.
„Jean Prouvé: Mann der Fabrik“, in: Architektur & BauFORUM,
Nr. 06, Wien 2009, S. 3.
„Elite-Bildung“, in: profil (extra architektur), Nr. 13, 30. März 2009, Wien, S. 52–58.
„Herzog & de Meuron 1997–2001“, Buchbesprechung in: Hintergrund,
Nr. 42, Wien, März 2009.
„Multiple City“, Randbemerkung in: Architektur & BauFORUM, Nr. 03, Wien 2009, S. 6.
„Einige Monografien österreichischer Architekten 2008“, in: Hintergrund Nr. 41, Januar 2009, Wien S. 76–79.
„Dezente Polychromie“, in: db (Deutsche Bauzeitung), Januar 2009, Stuttgart, S. 52–57.

2008
„Funkelnde Farbbögen“, Kommentar in: Architektur & BauFORUM, Nr. 22, Wien 2008, S. 2.
„Virtuosität des Scheinbaren im Palais Epstein von Theophil Hansen“,
in: Zuschnitt 32, Wien 2008, S. 32–34.
„Volles Haus in Zagreb“, Kommentar in: Architektur & BauFORUM, Nr. 21, 2008, S. 2.
„Gegliederte Aussicht”, in: 91°. More than Architecture, Issue 3, Winter 2008, Wien 2008, S. 38–41.
„Kein Adler rettet den Raum“, Kommentar in: Architektur & BauFORUM, Nr. 19, Wien 2008, S. 2.
„Modellbau ist Detektivarbeit“, Gespräch mit Franz Hnizdo, in: Hintergrund Nr. 40, Oktober 2008, Wien S. 17–26.
„In der Schule wird mit Platzpatronen geschossen, im Büro aber scharf ...“, Gespräch mit Laurids Ortner, in: Hintergrund Nr. 40, Oktober 2008, Wien, S. 27–30.
„Das Zwei-Generationen-Haus“, in: Baumeister B 10, Oktober 2008, München, S.72–77.
„Ungezwungener Lebensraum“, in: db (Deutsche Bauzeitung), Oktober 2008, Stuttgart, S. 56–62.
„Alter Meister. Andrea Palladio 500 Anni“, in: profil (extra architektur),
Nr. 40, 29. September 2008, Wien, S. 82–88.
„Ockham ist schärfer als Mies“, Text über ARTEC Architekten in der gleichnamigen Ausstellung in der Architektur Galerie Berlin werkraum,
(16.10.2008–15.11.2008).
„Die fetten Jahre sind vorbei“, Kommentar in: Architektur & BauFORUM, Nr. 17, Wien 2008, S. 2.
„Hauszustellung nach Amerika: System 3 von Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf“, in: Zuschnitt Nr. 31, Wien 2008, S. 24–25.
„Nachlese zur Sommerfrische“, Randbemerkung in: Architektur & BauFORUM, Nr. 16, Wien 2008, S. 2.
„Abrissbirne, Samthandschuh”, Kommentar in: Architektur & BauFORUM, Nr. 14, Wien 08.08.2008, S. 2.
„Conversion of the Urbanihaus“ Interview mit Hermann Czech, in: Architecture Today, Nr. 189, London 2008, S. 24–31.
„Shanghai-Küche am Gürtel“, in: tec21, Nr. 26, (23. Juni 2008), Zürich 2008, S. 11.
„Ratio mit Überraschungsmoment. 5 Arbeiten von Josef Lackner“, Katalogbeitrag in: Bettina Götz (Hg.), Before Architecture. Vor der Architektur, Katalog zur 11. Biennale di Venezia 2008, Springer Verlag, Wien New York 2008, S. 10–17.
„Vergänglichkeit als Kulisse. Architektur und Pseudopatina“, in: Hintergrund, Nr. 39, Wien, Juli 2008, S. 52–57.
„Kleine Blessuren am harten Bau“, in: 91°. More than Architecture, Issue 2, Wien, Mai 2008.
„Nester für Menschen, Häuser für Vögel“, in: 91°. More than Architecture, Issue 2, Wien, Mai 2008.
„Ort für sich” in: Luger Maul. Home Architecture, Beitrag für den Ausstellungskatalog (Eigenverlag), Linz 2008.
„Architekturfrühling mit Sommerfrische“, in: Der Standard vom 10.05.2008, Wien 2008.
„Belebte Mitte: fasch & fuchs: Sonderschule in Schwechat“, in: ORIS 50, Zagreb 2008, S. 104–111.
„Klang-Landschaft-Wolkenturm“, in: ARCH, Bratislava 2008.
„Sinai Hotels“, in: Hintergrund, Nr. 38, Wien, März 2008, S. 66–71.

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