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Bauwerke

Artikel 12

17. Juni 2019Wojciech Czaja
Der Standard

Wilhelm Holzbauer 1930–2019

Der Architekt prägte die 1970er- und 1980er-Jahre als wichtiger Visionär – von der Wiener U-Bahn bis zum Bankgebäude

Der Architekt prägte die 1970er- und 1980er-Jahre als wichtiger Visionär – von der Wiener U-Bahn bis zum Bankgebäude

Wir waren arme Schlucker, finanziell ist es uns am Anfang wirklich schlecht gegangen“, sagte er einmal über seine ersten Jahre als Architekt. „Doch jeder, der irgendwann einmal mit Architektur zu tun hat, weiß, dass am allerwichtigsten in diesem Job das Geldverdienen ist.“ Am Samstag ist Wilhelm Holzbauer, der sich selbst stets als Dienstleister und Geschäftsmann bezeichnet hat, im Alter von 88 Jahren in Wien gestorben.

Holzbauer wurde 1930 in Salzburg geboren. Er studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien sowie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Seine ersten Berufsjahre waren von Visionen und Tatendrang geprägt. In der „arbeitsgruppe 4“ forschte er an Weltraumschulen und anderen utopischen Projekten und realisierte bald einige– vor allem sakrale – Bauten wie etwa die Pfarrkirche in Salzburg-Parsch oder das Seelsorgezentrum Steyr-Ennsleiten. Die rund 120 Projektentwürfe der arbeitsgruppe 4 gelten bis heute als Meilensteine der österreichischen Architekturgeschichte.

1964 gründete Holzbauer sein eigenes Architekturbüro. In den Jahren 1970 bis 1973 entwickelte er im Rahmen der Architektengruppe U-Bahn das Design und das bis heute aktuelle Architekturleitbild für die Wiener U-Bahnen, das so konsequent und ikonisch war, dass es zehn Jahre später von der kanadischen Stadt Vancouver übernommen wurde.

Er plante die Fußgängerzone in der Kärntner Straße, das Landhaus Bregenz sowie das Rathaus und die Oper von Amsterdam. Von 1987 bis 1991 war Holzbauer Rektor der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Auf dem positiven Höhepunkt seines Schaffens leistete sich der Hedonist sogar ein eigenes Restaurant. Das von 1979 bis 1989 bestehende Mattes in der Schönlaterngasse im ersten Wiener Gemeindebezirk mit Reinhard Gerer am Herd war das erste Haubenrestaurant Wiens.

In den 1990er-Jahren entwarf Holzbauer lukrative Projekte wie etwa die Ringstraßengalerien, den Andromeda-Tower auf der Donauplatte sowie etliche Bankgebäude entlang der Lassallestraße – und wechselte schließlich von der hellen auf die dunkle Seite der Macht. Bei einigen Wettbewerben wie etwa dem für das Konzerthaus in Konstanz oder das 2006 eröffnete „Haus für Mozart“ in Salzburg entpuppte er sich als schlechter Verlierer. Mit List, Kalkül und politischer Verbandelung gelang es ihm immer wieder, die erstplatzierten Sieger vom Sockel zu stoßen und als Nachrückender entgegen der Juryentscheidung den einen oder anderen Auftrag an Land zu ziehen. „Man muss sich eben wehren können“, sagte er ungeniert in einem STANDARD-Interview. „Das ist ja alles ein abgekartetes Spiel. Ich baue auch dann, wenn ich nicht gewinne. Aber dieses Freispiel hat es immer schon gegeben.“

Im Jahr 2000 wurde er mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. Er füllte in seinem Leben das gesamte Spektrum des Bauens aus – von konstruktiven Visionen zu Beginn seiner Karriere bis hin zu destruktiven Machenschaften in den letzten Jahrzehnten. „Das ist kein Beruf, in dem Freundschaften geboren werden“, sagte er. „Und ich habe mir ziemlich viele Feinde gemacht.“ Wilhelm Holzbauer war der prägende kontroversielle Kopf einer Epoche, die sich langsam dem Ende zuneigt. Er wurde 88 Jahre alt.

16. Juni 2019Ute Woltron
Die Presse

Wilhelm Holzbauer - Der Fürst tritt ab

Wilhelm Holzbauer war wohl der mächtigste Architekt der österreichischen Nachkriegszeit. Er war pragmatisch und erfolgreich, charmant und gefürchtet, und ein Architekturlehrer, der eine ganze Planergeneration ge- und befördert hat.

Wilhelm Holzbauer war wohl der mächtigste Architekt der österreichischen Nachkriegszeit. Er war pragmatisch und erfolgreich, charmant und gefürchtet, und ein Architekturlehrer, der eine ganze Planergeneration ge- und befördert hat.

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04. September 2010Wojciech Czaja
Der Standard

Der alte Mann und seine Feinde

Gestern, Freitag, feierte Wilhelm Holzbauer seinen 80. Geburtstag. Architekt zu sein, sagt er, das ist nicht gerade ein Job, in dem man sich Freunde macht. Schon gar nicht, seitdem die Plebejer am Werk sind.

Gestern, Freitag, feierte Wilhelm Holzbauer seinen 80. Geburtstag. Architekt zu sein, sagt er, das ist nicht gerade ein Job, in dem man sich Freunde macht. Schon gar nicht, seitdem die Plebejer am Werk sind.

Standard: Wie feiert ein Architekt seinen Achtziger?

Holzbauer: Bei meinem Siebziger, da hat meine Frau in der Albertina eine große Party organisiert. Und beim Fünfundsiebziger auch. Das war dann im gläsernen Saal im Musikverein. Aber jetzt, wo ich 80 bin, ist mir nicht wirklich zum Feiern zumute. Ein nettes Abendessen mit meinen Freunden, das reicht mir vollkommen. Und zwar in einer kleinen und beschaulichen Runde. Plinius hat einmal gesagt, die perfekte Anzahl der Freunde am Tisch, das ist mehr als die drei Grazien und weniger als die neun Musen.

Standard: Andere sind in dem Alter schon seit 15 Jahren in Pension. Denken Sie manchmal daran, sich zur Ruhe zu setzen?

Holzbauer: Ich wüsste nicht, wie Ruhe aussehen soll. Selbst wenn ich nichts zu tun habe, erwische ich mich dabei, wie ich dann anfange, ein Buch zu schreiben. Ja, eigentlich habe ich in letzter Zeit vor allem geschrieben.

Standard: Worum geht es in Ihrem Buch?

Holzbauer: Über den Aufstieg und Fall der Moderne in der Architektur.

Standard: Die ist doch schon vor Jahrzehnten gefallen!

Holzbauer: Ja, aber die Thematik ist immer noch aktuell.

Standard: Seit dem großen Rambazamba rund um das Haus für Mozart haben sich die Wogen wieder geglättet. Es ist stiller geworden um Sie.

Holzbauer: Ja, das stimmt. Es ist stiller geworden. Ich mache nicht mehr so viel wie früher. Das liegt daran, dass ich in den letzten Jahren nicht mehr zu den Aufgaben gekommen bin, die mich wirklich interessieren. Das letzte große Projekt war ein Konzerthaus für Konstanz. Wir haben den Wettbewerb gewonnen, aber dann gab es eine Abstimmung. Die Bevölkerung hat das Projekt bei 63 Prozent Wahlbeteiligung und 67 Prozent Gegenstimmen abgewählt.

Standard: Woran arbeiten Sie zurzeit?

Holzbauer: Wir planen viele Bürobauten. Das hat sich in den letzten Jahren so ergeben. Aber das mache ich nicht mehr selber, weil mich das nicht so interessiert. Ich leite die Projekte direkt an meine Mitarbeiter weiter. Lieber würde ich Musik- und Theaterbauten planen. In letzter Zeit bin ich auch im Thermenbereich tätig. Ich habe etwa die St. Martins Lodge im Seewinkel im Burgenland gebaut, zusammen mit meinen jungen Partnern. Das ist ein ganz schönes Projekt geworden. Und nicht zu vergessen ist die U1. Im Rahmen der AGU, der Architektengruppe U-Bahn, machen wir jetzt die neuen U-Bahn-Stationen auf der Südstrecke Richtung Rothneusiedl. Es ist ganz lustig, nach über 40 Jahren an das eigene Projekt wieder anzuknüpfen. Der Wettbewerb damals war 1969!

Standard: Wie hat sich der Beruf in den letzten Jahren verändert?

Holzbauer: Es ist schwieriger geworden. Allein der Umstand, dass Österreich die ganzen EU-Spielchen mitspielt, ist eine deutliche Verschlechterung der Branche.

Standard: Was meinen Sie damit?

Holzbauer: In Spanien etwa werden freihändig Opernhäuser und Museen vergeben. In Großbritannien auch. Nur bei uns sind die Politiker und Auftraggeber so unglaublich ängstlich und schreiben für jedes einzelne Kleinprojekt einen öffentlichen, EU-weiten Wettbewerb aus.

Standard: Wettbewerbe sind der Versuch, Architektur zu demokratisieren.

Holzbauer: Wenn ich mir meine Schüler anschaue, wie zum Beispiel Delugan Meissl oder BEHF, dann kann ich sagen: Ja, die können mit diesem System umgehen und beherrschen die Spielregeln perfekt. Die bauen einen Wettbewerb nach dem anderen. Da bin ich vielleicht ein bisschen unflexibel geworden.

Standard: Ach was! Sie kommen mit dem Modell Wettbewerb doch auch ganz gut zurecht. Im Gegensatz zu den anderen bauen Sie sogar dann, wenn Sie nicht gewonnen haben!

Holzbauer: (lacht) Sagen wir mal so, ich baue dann, wenn ich nicht ganz oben war. Aber man darf nicht vergessen: Dieses Freispiel hat es immer schon gegeben. Allein, wenn in Wien jedes Siegerprojekt realisiert worden wäre, glauben Sie mir, dann würde diese Stadt heute anders aussehen! Beispiele gibt es genug.

Standard: Ihr Argument führt das Prinzip Wettbewerb ad absurdum.

Holzbauer: Let's face it! Die ersten Preise sind nicht immer die besten. Man denke nur an das Kriegsministerium in Wien, wo sowohl Otto Wagner als auch Adolf Loos durchgefallen sind.

Standard: Mit dieser Aussage entziehen Sie den Jurys jede Kompetenz.

Holzbauer: Manchmal muss man sich eben wehren! Zum Beispiel das Haus für Mozart in Salzburg! Das war ja alles ein abgekartetes Spiel. Ich hatte den Auftrag praktisch schon in der Tasche. Und plötzlich gewinnen Hermann & Valentiny. Da war ich dann natürlich unglaublich verärgert. Trotzdem ist es in der weiteren Entwicklung zu einer hervorragenden Zusammenarbeit mit Valentiny gekommen. Schließlich war er ja einer meiner besten Schüler.

Standard: Sie waren heuer bei den Salzburger Festspielen. Wie geht es Ihnen, wenn Sie das Gebäude einige Jahre nach Fertigstellung sehen?

Holzbauer: Alles ganz wunderbar. Es können alle froh sein, dass es so gekommen ist, wie's ist. Das Haus ist offen, die Leute sind überall, die Stimmung bei den Festspielen ist großartig. Ich habe mit der Netrebko gesprochen. Die Künstler, sagt sie, finden das Haus und die Akustik ganz hervorragend.

Standard: War der Preis für dieses Projekt nicht hoch? Selbst Friedrich Kurrent, in Zeiten der „arbeitsgruppe 4“ noch Ihr Partner, hat sich von Ihnen distanziert. In einem Interview meinte er: „Die Freundschaft würde bestehen, wenn er das Salzburger Festspielhaus nicht verhaut hätte. Doch er hat sich das Projekt erstritten, und das ist schlimm.“

Holzbauer: Sie kennen doch den Kurrent! Der schreibt sogar Briefe an den Papst, dass er die Bernini-Kollonaden schließen soll. Und dieser Kurrent, der mir die Freundschaft gekündigt hat, der war letzte Woche bei mir, und wir hatten ein wunderbares Abendessen, zusammen mit Puchhammer, Achleitner und Gsteu. Wir haben uns prächtig unterhalten und gut gespeist. Die Freundschaft besteht nach wie vor, nur haben wir uns ausgemacht, dass wir über den Fall Salzburg nicht mehr reden. Vor fünf Jahren hat er mir eine Glückwunschkarte zum Geburtstag geschickt. Da hat er dann geschrieben: „Mit 75 hat der Holzmeister das große Festspielhaus gebaut, und mit 75 hast Du sein kleines ruiniert.“

Standard: Macht man sich in der Architektur mehr Freunde oder mehr Feinde?

Holzbauer: Ich habe mir ziemlich viele Feinde gemacht. Das kann man wohl so sagen. Das ist kein Beruf, in dem Freundschaften geboren werden. Aber interessanterweise sind meine Klienten durch die Bank sehr zufrieden mit dem, was ich ihnen hingestellt habe. Im Landtagsgebäude in Vorarlberg - das ist 1981 fertiggestellt worden - sieht es heute noch genauso aus wie am ersten Tag.

Standard: 1978 bis 1981 haben Sie das „Haus eines Kunstsammlers“ gebaut. So lautet zumindest der Titel auf Ihrer Homepage. Es ist das Haus des kürzlich verstorbenen „Krone“-Chefs. Welches Verhältnis hatten Sie zu Hans Dichand?

Holzbauer: Ganz ehrlich, die Zusammenarbeit war schwierig. Er hat damals einen Einflüsterer gehabt, und zwar den Architekten Peter Czernin. Der hat mir immer wieder hineingefunkt. Aber trotzdem ist das Haus so geworden, wie ich es wollte. Wir sind in Harmonie auseinandergegangen.

Standard: Sie haben in den letzten 55 Jahren rund 500 Projekte entworfen. Wie viele schlechte sind darunter?

Holzbauer: Das schlechteste Projekt war für mich die Fußgängerzone in der Kärntner Straße in Wien. Das Projekt hat nicht den Maßstab der Stadt getroffen. Das ist in die Hose gegangen.

Standard: Ein persönlicher Rückblick zum Achtziger: Welchen Stellenwert nimmt Wilhelm Holzbauer im österreichischen Architekturgeschehen ein?

Holzbauer: Diese Rolle ändert sich ständig. Zu Zeiten der Wiener U-Bahn und der großen Projekte in Salzburg und in Amsterdam, da war ich auf meinem absoluten Höhepunkt. Jede Zeit hat ihren Star. Damals war ich das, heute ist das der Prix. Doch bei den meisten Architekten, die heutzutage tätig sind, habe ich den Eindruck, frei nach Rousseau, dass wir den großen Einzug der Plebejer in die Architektur erleben.

03. Dezember 2005Ute Woltron
Der Standard

Ich bin mächtig und ungeliebt

Wilhelm Holzbauer im Gespräch mit Ute Woltron über den sonderbaren Beruf des Architekten, über die turbokapitalistische Globalisierung der Architektur und über das Perverse am Prinzip Wettbewerb.

Wilhelm Holzbauer im Gespräch mit Ute Woltron über den sonderbaren Beruf des Architekten, über die turbokapitalistische Globalisierung der Architektur und über das Perverse am Prinzip Wettbewerb.

Er wusste bereits als Volksschüler, dass er Architekt werden wollte - und was der Salzburger wirklich will, das setzt er durch. Holzbauer gilt heute als einer der bekanntesten Architekten Österreichs. Heuer wurde er 75 Jahre alt - Zeit also, um Lebenswerk und Autobiografie in ein Buch zu binden.

Standard: Sie haben in 50 Jahren rund 500 Projekte entworfen. Können Sie heute sagen, was Architektur ist - Kunst, Dienstleistung oder doch hauptsächlich Geldverdienen?
Wilhelm Holzbauer: Am allerwenigsten ist Architektur Geldverdienen. Das weiß jeder, der damit zu tun hat. Die Struktur der Tätigkeit ist nicht dazu angetan, Geld zu verdienen. Und nachdem ich meinen Pragmatismus in der Haltung zur Architektur immer wieder betont habe, bin ich nach wie vor der Meinung, dass sie in erster Linie Dienstleistung ist. Wenn die Architektur in die höheren Sphären der Kunst reichen will, werde ich skeptisch. Natürlich ist die Architektur eine eigenartige Branche: Der Architekt soll Geschäftsmann und PR-Profi sein, Rechnen soll er können und Zeichnen auch, er muss dazu in der Lage sein, Computer zu bedienen, und braucht einen analytischen Geist, um große Raumprogramme in Formen zu bringen. Der Architekt ist sozusagen ein Compositeur.

STANDARD: Architekten müssen alles können?
Holzbauer: Hans Hollein sagt, alles ist Architektur. Und die Coops sagen, Architektur muss brennen.

STANDARD: Was sagen Sie?
Holzbauer: Das steht ohnehin im Buch. Ich zitiere Auguste Renoir, der meinte, er hätte sich immer dagegen gewehrt, ein Revolutionär zu sein.

STANDARD: Sie sind kein architektonischer Revolutionär, dafür aber einer der bekanntesten Architekten Österreichs. Führen Sie das auf die Qualität Ihrer Architektur oder auf Ihr Talent für Eigenmarketing zurück?
Holzbauer: Ich betrachte das so nicht. Ich wollte von Beginn an hauptsächlich bauen. Johannes Spalt, Friedrich Kurrent und ich haben gemeinsam nach dem Studium viele Ausstellungen organisiert. Aber ich habe immer gemeint, wir müssten auch für uns etwas machen und nicht immer nur archivarisch arbeiten. Das war einer der Gründe für meine Trennung von der „Arbeitsgruppe 4“. Ich habe daraufhin sehr viele Wettbewerbe gezeichnet. Die ersten Direktaufträge kamen erst spät.

STANDARD: Sie sind also als junger Architekt über Wettbewerbe ins Geschäft gekommen?
Holzbauer: Ausschließlich, mit einer Ausnahme, dem Bildungshaus Sankt Virgil.

STANDARD: Rudolf Burger tituliert Sie in seinem Vorwort als Architekten der Beständigkeit, der im Gegensatz zur heutigen Spektakelarchitektur stehe. Hat Beständigkeit noch Wert? Dreht sich die Großwetterlage in der Architektur wieder?
Holzbauer: Die wird sich immer wieder drehen, auch wenn man einmal draufkommt, dass eine Straße aus Häusern von Daniel Libeskind, Zaha Hadid, Frank Gehry ein reiner Horror wäre. Mir scheint, als ob die Moderne, die aus einer Übersättigung des Historismus gewachsen ist, jetzt in eine Rokoko-Phase einträte. Jeder Stil zeigt am Ende eine exorbitante Explosion von Räumen, Formen. Doch damit habe ich nichts zu tun. Ich bleibe bei dem, was ich glaube zu können. In 50 Jahren wird wieder alles anders sein.

STANDARD: Wie denn?
Holzbauer: Da wird alles vielleicht wieder sehr einfach werden. Selbstverständlich! Man wird nicht immer mit diesen Dingern leben wollen. Es wird eine unglaubliche Übersättigung geben, genau so wie mit dem Postmodernismus. Mit dem ging's schnell zu Ende, weil der noch weniger Basis hatte. Es wird sich alles totlaufen, und da bleibe ich lieber beständig.

STANDARD: In einer Zeit, in der sich große Städte große Architekten als Aufputz leisten, sind Sie eher lokal aktiv geblieben und nie an diese Weltspitze vorgedrungen. Warum?
Holzbauer: Ich würde keineswegs sagen, dass ich das aktiv vermieden hätte. Ich hätte nichts dagegen, wenn jeden Tag Anrufe mit Aufträgen aus aller Welt kämen. Aber ich würde es ehrlich gesagt nicht mehr machen wollen. In diesem Rad möchte ich nicht mitlaufen. Ich halte das generell für keine gute Entwicklung. Leute wie Rem Koolhaas oder Zaha Hadid sind Marken geworden wie Zara oder H&M.

STANDARD: Wo liegt der Auftrag der heutigen Architekten? Architekturmarkenartikel werden, oder sich doch sozial im Dienste der Benutzer zu engagieren?
Holzbauer: Das soziale Engagement war ein wesentliches Element des Beginns der Moderne, und das geht konstant verloren. In den 20er-Jahren gab es Ausstellungen wie etwa jene über das Haus für das Existenzminimum - da waren alle großen Leute dabei. Davon ist nichts übrig geblieben. Aber das ist die logische Folge von schrankenlosem Kapitalismus und Globalismus. Die Architektur koppelt sich davon überhaupt nicht ab und macht in dieser Globalisierungsmethodik genauso mit.

STANDARD: Sie sind ein mächtiger Architekt . . .
Holzbauer: Bin ich nicht!

STANDARD: Doch!
Holzbauer: Das hat der Alfred Worm einmal gesagt. Aber gerade eben - ein Gegenbeispiel - bin ich wieder aus dem Bauherrenpreis rausgeflogen. Ich bin vielleicht mächtig, aber ich bin auch in höchstem Maße ungeliebt.

STANDARD: Warum?
Holzbauer: Vielleicht weil man denkt: Jetzt ist er eh schon so alt, jetzt soll er eine Ruhe geben. Das ist eine österreichische Tendenz - und, ehrlich gesagt, wir haben das auch nicht anders gemacht, als wir jung waren. Das war genau dasselbe. Ich erinnere mich, wie wir gesagt haben: Der Haertl und all die Alten, die haben schon so viel gebaut, jetzt kommen wir dran. Aber ich bin all dem mit meinen drei Juniorpartnern sowieso entkommen. Mit ihnen beginnt eine neue Phase.

STANDARD: Heißt das, Sie ziehen sich aus dem Geschäft zurück?
Holzbauer: Nein, gar nicht, ich arbeite auf einer anderen Basis natürlich weiter, aber ich muss nicht mehr persönlich zu allen Besprechungen gehen.

STANDARD: Sie sind ein einflussreicher Mann, man hört in den höchsten Kreisen der Macht auf Sie. Haben Sie immer nur in eigener Sache agiert oder Ihren Einfluss auch in den Dienst der Architektur gestellt?
Holzbauer: Natürlich. Auch das ist in den Medien weitestgehend untergegangen. Aber ich war wesentlich an der Gründung des Salzburger Gestaltungsbeirates beteiligt und war neun Jahre im Fachbeirat. Ich habe damals schon versucht, in die Breite zu wirken.

STANDARD: Sie sind Schüler von Clemens Holzmeister, haben lange selbst unterrichtet und eine ganze Reihe namhafter Architekten hervorgebracht. Kann man Architektur überhaupt lehren?
Holzbauer: Ich glaube schon. Ich wollte aus den Studenten g'standene Architekten machen, die wissen, wie das Handwerk funktioniert. Ich habe sie ab und zu auch utopische Projekte entwerfen lassen, aber im Wesentlichen habe ich sehr realistische Aufgaben gestellt. Ich habe, wie schon Holzmeister, nie jemandem meinen Stempel aufgedrückt, sondern versucht, herauszukristallisieren, was die Leute eigentlich wollen, und sie dann in dieser Richtung unterstützt.

STANDARD: Der Wettbewerbskampf unter den Architekten ist enorm, der Honorardruck fiaskös - wie geht es der Branche?
Holzbauer: Die Honorare sind tatsächlich eine Katastrophe. Dieses Nichtbezahlenwollen von Leistung ist eine unglaubliche Dummheit, und es wird immer ärger. In Kenntnis der Situation heute weiß ich nicht, ob ich noch einmal Architekt werden wollte. Es war auch für uns nicht leicht in der Nachkriegszeit, aber heute ist es noch viel schwieriger geworden. Die generelle Architektursituation ist nicht erfreulich.

STANDARD: Sie, als einflussreicher Architekt . . .
Holzbauer: Ich bin nicht einflussreich, Sie reiten dauernd darauf herum.

STANDARD: Gut - wären Sie ein einflussreicher Architekt: An welchen Hebeln müsste man drehen, um das den Auftraggebern klar zu machen?
Holzbauer: Ein Beispiel: Festspielhaus Salzburg. Wir dürfen dort die Baukosten von 23 Millionen um keinen Euro überschreiten. Ich kann noch so appellieren und versuchen begreiflich zu machen, dass wir überall an Materialien sparen und das Billigste verwenden müssen. Aber das rührt die nicht. Fünf Millionen mehr, und wir könnten das Haus mit Anstand fertig machen. Dem gegenüber steht allerdings ein Festspielbudget 2006 von 51 Millionen Euro. Das ist pervers. So viel dazu, ich wäre einflussreich.

STANDARD: Stichwort Festspielhaus: Warum wollten Sie dieses Projekt mit allen Mitteln an sich reißen?
Holzbauer: Weil es mehrmals kurz vor einer Beauftragung gestanden ist und mir eine Herzensangelegenheit war und weil die Bedingungen des Wettbewerbs äußerst problematisch waren. Das ausschlaggebende Stichwort war dann dieses verächtliche „Mozart in den Keller“. Das kam von Valentiny, clever wie er ist - und Schüler von mir.

STANDARD: Da sind Sie böse geworden.
Holzbauer: Sagen wir einmal so. Da bin ich stur geworden. Ich bin ein emotioneller Mensch, und ich habe beschlossen herauszufinden, ob ich mich durchsetzen kann.

STANDARD: Sie konnten. Wollen Sie immer noch behaupten, Sie wären kein mächtiger Mann?
Holzbauer: Natürlich. Gewonnen hat ja mein Anwalt. Der war gut. Er hat mich auch viel Geld gekostet.

STANDARD: Verstehen Sie sich mit François Valentiny wieder, mit dem Sie das Projekt nun gemeinsam abwickeln?
Holzbauer: Na sicher. Wir lieben uns.

STANDARD: Was sagen Sie zu den Vorwürfen, Sie und Gustav Peichl würden sich gegenseitig bei Wettbewerben bevorzugen?
Holzbauer: Mit Hand aufs Herz: Da ist nichts dran. Wir konnten uns in der Holzmeister-Schule gar nicht ausstehen. Später gab es keinen Kontakt, der kam erst nach und nach wieder. Ich weiß schon, dass man das im Falle der Nationalbank behauptet hat, aber angesichts der anderen Projekte: Meines war wirklich das beste.

STANDARD: Glauben Sie an das Prinzip Wettbewerb, wie es momentan gehandhabt wird?
Holzbauer: Nein, und das liegt an der EU. Unglaubliche Dinge passieren: Wie ist es möglich, dass etwa Norman Foster mit dem Bau des Wembley Stadions oder Santiago Calatrava mit einem Opernhaus in Valencia direkt beauftragt werden? Alles wird mit EU-Geldern und ohne Wettbewerb gebaut. Die scheren sich einen Dreck darum. Wir, wir scheißen uns an. Für alles muss ein Wettbewerb her. Auch die Verhandlungsverfahren sind eine Willkür sondergleichen - eine perverse Geschichte.

STANDARD: Zurück zu Ihren eigenen Projekten: Welche waren Ihre wichtigsten?
Holzbauer: Das hängt immer mit der Beziehung zum Bauherrn zusammen, ich hatte das Glück, ein paar zu haben, die fantastisch waren. Im Falle des Landhauses Bregenz etwa oder der Universität Salzburg.

STANDARD: In letzterem Fall hatten Sie allerdings auch nur den zweiten Wettbewerbsplatz gewonnen.
Holzbauer: Ich gebe es zu.

STANDARD: Wie kommt es, dass doch Sie gebaut haben?
Holzbauer: Weil ich das wollte. Stimmt. Da war ich vielleicht doch mächtig.


verknüpfte Publikationen
Wilhelm Holzbauer - Holzbauer und Partner / Holzbauer und Irresberger

09. November 2001ORF.at

Wilhelm, der Erbauer

Wilhelm Holzbauers Werkverzeichnis umfasst mittlerweile mehr als 400 Einträge.

Wilhelm Holzbauers Werkverzeichnis umfasst mittlerweile mehr als 400 Einträge.

Es gibt Architekten, denen ist die theoretische Bewältigung und gedankliche Durchdringung von Bauaufgaben wichtiger als ihre Realisierung. Und es gibt Architekten, für die totaler Einsatz bei der Akquisition von Aufträgen ebenso selbstverständlich ist wie der verständnisvolle Umgang mit Bauherrenwünschen. Weil sie bauen wollen. Wilhelm Holzbauer zählt sicher zu letzteren.

„Ich bekenne mich zu einer Architektur, deren Wurzeln in einer pragmatischen Grundhaltung liegen und nicht in einer ideologischen“, hat „Wilhelm, der Erbauer“, wie er manchmal scherzhaft genannt wird, einmal geschrieben.

Von Salzburg bis Amsterdam

In den Stadtbildern von Salzburg, wo Holzbauer geboren wurde, und Wien, wo er arbeitet und die U-Bahn mitgestaltet hat, hat er die meisten Spuren hinterlassen. In der Bundeshauptstadt hat der Architekt, der immer mehr Baumeister als Baukünstler sein wollte, in den letzten Jahren gewaltige Bürobauten an der Lasallestraße, einen Einkaufskomplex am Kärntner Ring, das neue Geldzentrum der Nationalbank sowie den Andromeda-Tower auf der Donau-Platte realisiert.

In Salzburg, wo seine wichtigsten frühen Bauten stehen - etwa die Kirche in Parsch oder das Bildungshaus St. Virgil - hat er u.a. mehrere Bürogebäude realisiert und die Naturwissenschaftliche Fakultät gebaut. Aber auch in Bregenz, wo er 1981 das Landhaus baute, in Amsterdam, wo er 1986 einen Opernneubau realisierte, oder in Baden-Baden, wo er kürzlich ein mächtiges Festspielhaus an einen alten Bahnhof andockte, stehen prestigeträchtige Holzbauer-Arbeiten.

Überschaubare Konzepte

Gemeinsam ist ihnen, dass sie - von der Gewaltigkeit der Baumassen wie von der Wucht der Architektursprache - kaum zu übersehen sind. Gestalterische Zurückhaltung ist Holzbauers Sache nicht. „Er hat die Gabe, komplizierte Funktions- und Raumprogramme in Computerschnelle in räumliche, einfach überschaubare Konzepte zu übersetzen“, urteilte einmal Architektur-Kritiker Friedrich Achleitner.

Mehr als 400 Projekte

Weit mehr als 400 Projekte umfasst sein Werkverzeichnis, Entwürfe für Opernhäuser und Theater in Sidney, Paris und Tokio sind ebenso darunter wie U-Bahnen für Ankara, Bilbao und Bonn oder Parlamente für Berlin, Straßburg oder Den Haag. Kaum ein großer internationaler Wettbewerb, bei dem Holzbauer nicht eingereicht hätte. Jüngste Aufsehen erregende Projekte Wilhelm Holzbauers sind der Gasometer D in Wien-Simmering sowie der entstehende Vilar-Saal im Wiener Musikverein.

Aus dem Wettbewerb für die Neugestaltung der Fassade der Volksoper Wien ging Holzbauers Entwurf ex aequo mit jenem einer Berliner Architektengruppe hervor. Bei der jüngst anlässlich des bevorstehenden Kulturabkommens zwischen China und Wien eröffneten Schau „Austrian Contemporary Art, Architecture and Design“ im Shanghai Art Museum ist Holzbauer mit seinem Projekt des „Andromeda-Tower“, den er in der Wiener Donaucity errichtet hat, vertreten.

03. September 1990Otto Kapfinger
Die Presse

Clemens Holzmeisters Erbe

Er ist ein Prototyp des „Künstlerarchitekten“, ein begabter, genialischer Egomane und zugleich ein kumpelhafter, großzügiger Bonvivant- gerade progressiv...

Er ist ein Prototyp des „Künstlerarchitekten“, ein begabter, genialischer Egomane und zugleich ein kumpelhafter, großzügiger Bonvivant- gerade progressiv...

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Profil

1950 – 1953 Schüler von Clemens Holzmeister an der Wiener Akademie der bildenden Künste und 1956-57 am M.I.T. in Cambridge; 1957-59 Gastprofessor in Kanada und USA; bis 1964 Mitglied der Arbeitsgruppe 4, ab 1964 selbständiges Büro in Wien, 1977-98 Professor an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien; zahlreiche internationale Auszeichnungen.

Publikationen

1990 Wilhelm Holzbauer, Bauten und Projekte 1985-90
1985 Wilhelm Holzbauer, Bauten und Projekte 1953-89
1984 August Sarnitz, Drei Wiener Architekten. Wilhelm Holzbauer. Gustav Peichl. Roland Rainer. Wien

In nextroom dokumentiert:
arbeitsgruppe 4, , Müry Salzmann Verlag
Wilhelm Holzbauer, Liesbeth Waechter-Böhm, SpringerWienNewYork

Auszeichnungen

Holzbaupreis Niederösterreich 2006, Preisträger, Hangar 5

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