Details

Adresse
Franz-Beckenbauer-Platz 5, 80939 München, Deutschland
Mitarbeit Architektur
Patrick Ambrosetti, Andreas Beier, Felix Beyreuther, Sven Bietau, Jean-Claude Cadalbert, Georgios Chaitidis, Gregor Dietrich, Alex Fhtenakis, Katja Fiebrandt, Eric Frisch, Martin Fröhlich, Hans Gruber, Markus Haberstroh, Niko Happ, Roman Harbaum, Claudia von Hessert, Robert Hösl, Tim Hupe, Uta Kamps, Philipp Kim, Sebastian Koch, Sebastian Massmann, Christoph Mauz, Gabi Mazza, Kai Merkert, Bea Noves Salto, Matthias Pektor, Jan-Frederik Peters, Catherine Preiswerk, Daniel Pokora, Daniel Reisch, Christoph Röttinger, Roland Rossmaier, Philipp Schaerer, Christoph Schuchardt, Christian Schühle, Beate Semprich, Elia Spandri, Daniel Tobler, Tobias Winkelmann, Christian Zerreis
Bauherrschaft
FC Bayern, TSV München 1860
Landschaftsarchitektur
Vogt Landschaftsarchitekten
Weitere Konsulent:innen
Generalplaner: HVB Immobilien AG, München
Fassadenplanung: R+R Fuchs, München
Gebäudetechnik: TGA Consulting, München
Verkehrsplanung: Kling Consult, Krumbach
Lichtplanung: Werning Tropp Schmidt, München
Maßnahme
Neubau
Wettbewerb
2001 - 2002
Planung
2002
Ausführung
2002 - 2005
Nutzfläche
171.000 m²
Bebaute Fläche
37.600 m²

Ausführende Firmen

Aufzug: Vestner Aufzüge GmbH & Co. KG, Dornach (D)
Generalunternehmer: Alpine bau Deutschland GmbH, München

Publikationen

Links

Presseschau

28. Mai 2005Hubertus Adam
Neue Zürcher Zeitung

Gralsburg und Hexenkessel

(SUBTITLE) Das perfekte Wahrzeichen der Basler Architekten Herzog & de Meuron

Mit Spielen des TSV München und des FC Bayern (gegen das deutsche Nationalteam) wird am kommenden Montag und Dienstag das neue Münchner Fussballstadion eröffnet. Die Basler Architekten Herzog & de Meuron haben das perfekte Gehäuse für den Sport gebaut: nach aussen ausstrahlend und zugleich konzentriert auf das Innere.

Mit Spielen des TSV München und des FC Bayern (gegen das deutsche Nationalteam) wird am kommenden Montag und Dienstag das neue Münchner Fussballstadion eröffnet. Die Basler Architekten Herzog & de Meuron haben das perfekte Gehäuse für den Sport gebaut: nach aussen ausstrahlend und zugleich konzentriert auf das Innere.

Weltoffen und friedlich wollte man sich 1972 in München präsentieren, die Olympischen Spiele sollten Deutschland aus dem Schatten von 1936 treten lassen, als die Nationalsozialisten die „Jugend der Welt“ nach Berlin gerufen hatten. Entsprechend geriet das Stadion, das Günter Behnisch in München realisierte, zur programmatischen Antithese des monumentalen Berliner Olympiastadions. Beschwingt und elegant wird die Arena von einer zeltartigen Struktur aus Stahlseilen und Acrylglasplatten überfangen, die sich organisch mit der Landschaft verbindet. Behnisch und dem Ingenieur Frei Otto war es nicht nur gelungen, die Bauaufgabe Stadion mit ihrer scheinbar schwerelosen Konstruktion neu zu formulieren, sie hatten überdies eine Inkunabel der Architektur des 20. Jahrhunderts geschaffen - es gibt kein anderes Bauwerk, in dem sich die demokratischen Ideale der Bundesrepublik so verkörpert hätten wie im Münchner Olympiastadion.

Neubau statt Umbau

Nun hat die bayrische Hauptstadt ein neues Stadion erhalten, entworfen von dem in Basel ansässigen Architekturbüro Herzog & de Meuron. Gewiss: Wer nach drei Jahrzehnten in eine Idealkonkurrenz zu Behnischs Meisterwerk treten will, für den liegt die Messlatte hoch. Doch ohne Zweifel haben die Basler Architekten Herzog & de Meuron ein Stadion verwirklicht, das unvergleichlich ist, das Massstäbe setzt und dem künftig eine ähnliche Bedeutung beigemessen werden dürfte wie dem Bau von 1972. Seither allerdings haben sich die Rahmenbedingungen für den Sport und damit für den Stadionbau grundlegend geändert. Und ohne diese veränderten Bedingungen fände das Eröffnungsspiel der Fussball-Weltmeisterschaft am 9. Juni 2006 auch nicht in einem neuen Stadion statt.

Ausschlaggebend für den Neubau waren zunächst die von Fifa und Uefa nach dem Unglück im Brüsseler Heysel-Station vor zwanzig Jahren erlassenen Sicherheitsnormen, denen die heutigen Stadien genügen müssen. Dies hat im Vorfeld der WM in deutschen Stadien zu diversen Umbaumassnahmen geführt. Auch in München dachte man zunächst, zumindest seitens der Stadt, an eine Runderneuerung des Baus von 1972 - zumal Behnisch selber sein Einverständnis signalisiert und ein Konzept vorgelegt hatte. Es war dann eine massgeblich von der Architektenschaft unterstützte Bürgerinitiative, welche die Stimmung umschlagen liess und irreversible Eingriffe in den Bau verhinderte. Dem FC Bayern München, der die Diskussion um ein neues Stadion 1997 lanciert hatte, mochte das recht sein; eine neue Superarena war eher nach dem Geschmack der Edelkicker als Stückwerk.

Als der FC Bayern und der TSV 1860 sich im Januar 2001 zu einem Bündnis für einen Stadionneubau zusammentaten, begann die Suche nach einem alternativen Standort. Mehrere Optionen wurden evaluiert - ein relativ innerstädtischer Neubau in der Nähe des Olympiaparks scheiterte am Widerstand der Anwohner. Schliesslich fiel die Wahl auf Fröttmaning, das zwar am nördlichen Stadtrand liegt, aber durch die Linie 4 der U-Bahn und die nahe Autobahn relativ gut erschlossen ist. Im August 2001 wurden aufgrund von Bewerbungen vier deutsche und vier internationale Architektenteams dazu eingeladen, gemeinsam mit Bauträgern Entwürfe vorzulegen. Zunächst konnten sich Herzog & de Meuron sowie das Hamburger Kommerzbüro von Gerkan, Marg und Partner gegen die Konkurrenz von Peter Eisenman, Norman Foster, Helmut Jahn, Auer & Weber, Engel sowie KSP durchsetzen; im Februar 2002 fiel schliesslich der Entscheid zugunsten des Vorschlags der Basler.

Weil das Stadionprojekt inzwischen in einem Bürgerentscheid mit Zweidrittelmehrheit angenommen worden war, konnte Ende Oktober 2002 mit dem Bau des 286 Millionen Euro teuren Projekts begonnen werden. Die Finanzierung des Neubaus, der nun als „Allianz Arena“ firmiert, übernahmen die Vereine und ihre Sponsoren; dabei darf nicht unterschlagen werden, dass Stadt, Land und Bund eine fast so hohe Summe für die infrastrukturelle Erschliessung des Geländes bereitgestellt haben. Auf eine Mantelnutzung, wie sie anderenorts, etwa im Zürcher Hardturm, zur Querfinanzierung vorgesehen ist, wurde ebenso verzichtet wie auf die Möglichkeit, nach Vorbild der Amsterdamer Ajax-Arena, das Dach schliessen zu können. In der Allianz Arena treten keine Popstars auf, wird auch kein Motocross veranstaltet. Hier gibt es nichts als Fussball.

Das ideale Fussballstadion

Es handelt sich bei der Allianz Arena um das ideale Fussballstadion schlechthin. Grösstmögliche Nähe aller 66 000 Sitze zum Spielfeld war die Vorgabe, die sich Herzog & de Meuron gestellt haben. Im St.-Jakob-Stadion in Basel, das in mancherlei Hinsicht als Vorstufe gelten kann, setzten sie erstmals die Idee der steilen Tribünen um. In München nun haben sie auf das Raffinierteste ausgereizt, wie Architektur Emotionen anheizen kann. 24 Grad misst der Steigungswinkel des unteren, 30 Grad der des mittleren, 34 gar der des oberen Rangs. Die Zeiten, in denen man die Spieler mit dem Fernglas verfolgen musste, sind vorbei. Hinzu kommt eine auf den Kontrast setzende Inszenierung der Wegführung innerhalb des Gebäudes: Weit ausschwingende Kaskadentreppen führen vom Eingangsniveau hinauf bis zum obersten Umgang, von wo aus man durch enge Durchgänge auf die oberste Tribüne gelangt.
Wer plötzlich im steilen Rund des Kraters steht, ist überwältigt. Das Spektakel beginnt hier so deutlich wie nirgends vor dem Anpfiff, geht es doch darum, wie Goethe angesichts der Arena von Verona im September 1786 festhielt, „dem Volk mit sich selbst zu imponieren“. Seine Bemerkung, ein Stadion sei „etwas Grosses und doch eigentlich nichts“, haben Herzog & de Meuron kongenial umgesetzt. In der Arena selbst lenkt nichts vom Spiel ab. Die von den Architekten entworfenen, organisch geformten Schalenklappsitze sind grau - grau wie der Sichtbeton, grau wie die Sonnensegel, die unter der ringsum die Tribünen überwölbenden Dachkonstruktion ausgefahren werden können. Farbakzente setzen nur der Rasen, die Spieler und vor allem die Fans.

In einer Zeit inflationärer Bildüberflutung hat das authentische Erlebnis eines Spiels im Fussballstadion an Bedeutung gewonnen, und dafür eignen sich die herkömmlichen Leichtathletikstadien (wie das Olympiastadion) mit ihrer grossen Distanz zum Spielfeld nicht mehr. Nur die Nähe zum Spiel lässt Emotionen kochen - es bedarf eines Hexenkessels wie der Allianz Arena. Zu den Anhängern, die den Krater füllen und Stimmung erzeugen, kommen in München die betuchten Gäste, die in 106 an Firmen vermieteten Logen zwischen mittlerem und oberem Rang oder in der Business-Lounge Platz finden. Ob die Fussballeuphorie der Münchner Gesellschaft ewig anhält, weiss man nicht; doch zurzeit garantieren die Logen- und Lounge-Bereiche den Vereinen satte Einnahmen. Von den Fans völlig getrennt, parken die VIP ihre Autos in den beiden Garagenebenen unter dem Stadion und gelangen über Lifts direkt in die ihnen vorbehaltenen Bereiche.

Leuchtende Landmarke

Das auf das Spiel einstimmende Erlebnis aber verheisst die Prozession der Zuschauer über die sechshundert Meter lange, vom Zürcher Büro Vogt Landschaftsarchitekten gestaltete Rampe, die über einem gigantischen Parkhaus mit 11 000 Plätzen auf das Stadion zuführt. Wie ein grosser Reifen thront die Arena über der Stadtrandlandschaft von Fröttmaning. Rund 2800 rautenförmige, mit Druckluft gefüllte Kissen bilden die äussere Haut der Arena. Sie bestehen aus nur 0,2 Millimeter starker ETFE- Folie (Ethylen-Tetrafluorethylen), einem neuen Werkstoff, der resistent gegenüber Hitze und Kälte, schwer entflammbar, robust und überdies extrem lichtdurchlässig ist. Durch Leuchtstoffröhren hinter der Fassade kann die Hülle weiss für Spiele der Nationalmannschaft, rot für die Bayern und blau für die Löwen beleuchtet werden - eine grandiose Lichtinszenierung, die das Stadion als Gralsburg des Sports zum neuen Wahrzeichen von München macht. Während Behnisch beim Olympiastadion die Verschmelzung von innen und aussen anstrebte, setzen Herzog & de Meuron auf die Trennung: Die leuchtende Haut strahlt als Landmarke in die Umgebung aus und verbirgt die dahinter befindliche Beton- und Stahlkonstruktion. Sitzt man einmal im Krater der Arena, existiert die Aussenwelt nur noch in Form der Öffnung im Dachoval.

28. Mai 2005Stephanie Lahrtz
Neue Zürcher Zeitung

Vor der Eröffnung des „schönsten Fussballstadions der Welt“

(SUBTITLE) Jahrelange Standortdebatten und eine Korruptionsaffäre um die Münchner Allianz Arena

Knapp acht Jahre hat es gedauert, bis der Wunsch der Münchner Fussballvereine nach einem fussballgerechteren Stadion verwirklicht werden konnte. Hitzige Debatten um Um- oder Neubau, Bürgerinitiativen gegen geplante Standorte sowie ein millionenschwerer Bestechungsskandal prägten diese Zeit.

Knapp acht Jahre hat es gedauert, bis der Wunsch der Münchner Fussballvereine nach einem fussballgerechteren Stadion verwirklicht werden konnte. Hitzige Debatten um Um- oder Neubau, Bürgerinitiativen gegen geplante Standorte sowie ein millionenschwerer Bestechungsskandal prägten diese Zeit.

In wenigen Tagen wird in München die neue Allianz Arena, das „modernste und schönste Fussballstadion der Welt“, wie FC-Bayern-Präsident Franz Beckenbauer schwärmt, mit zwei Fussballspielen und viel politischer und sportlicher Prominenz offiziell eröffnet. Damit endet eine fast achtjährige Planungs- und Bauzeit. Denn bereits im September 1997 hatte - für die Öffentlichkeit etwas überraschend - der Verwaltungsbeirat des FC Bayern München beschlossen, dass er ein neues Stadion, und zwar eine reine Fussballarena, haben müsse. Man wolle mehr Dramatik, eine dichtere Atmosphäre, engeren Kontakt zwischen Fans und Spielern, mit einem Wort: einen richtigen „Hexenkessel“. Dem ersten Augenschein im neuen Stadion gemäss eignet sich die neue Arena für diesen Zweck auch vorzüglich, doch noch wirke alles etwas kühl, sachlich und sehr modern, so der Tenor.
Einstige Debatten darüber, ob das Olympiastadion umgebaut und, wenn nicht, wo eine neue Arena hingestellt werden sollte, kosteten viel Zeit. Nach der Interessenbündelung durch die Grossvereine FC Bayern und TSV 1860 München rückte man dem Ziel erst nach kaum verhüllten Drohungen seitens des bayrischen Ministerpräsidenten Stoiber und Beckenbauers näher, München erhalte womöglich kein Spiel der WM 2006.

Bestechungsskandal begleitet Bauarbeiten

Während nun an der Autobahn zum Flughafen die Kräne und bald auch das Betonskelett des neuen Stadions in die Höhe wuchsen, beschäftigte sich bald darauf auch die Münchner Staatsanwaltschaft mit dem neuen Stadion. Am 9. März 2004 wurde der Geschäftsführer des TSV 1860 München und der Stadiongesellschaft, Karl-Heinz Wildmoser junior, verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, von der für das Stadion zuständigen österreichischen Baufirma Alpine 2,8 Millionen Euro als Bestechungsgeld und „Honorar“ für interne Informationen über die Stadionplanung erhalten zu haben. Zusammen mit ihm wurde auch sein Vater Karl-Heinz Wildmoser senior, der langjährige Präsident und Patriarch des TSV 1860, Grossgastronom und Freund der Münchner Bussi- Schickeria, zuerst ebenfalls verhaftet, nach drei Tagen jedoch wieder freigelassen. Weitere drei Tage später musste er nach heftigen Querelen sein Amt als TSV-Präsident abgeben.

Während Wildmoser junior sowie Alpine noch bestritten, die Zahlungen seien illegal gewesen, packte ein Schulfreund, Helfersmann und Mitangeklagter von Wildmoser junior, in der Untersuchungshaft aus. Vor wenigen Tagen wurde nun Wildmoser junior zu vier Jahren und sechs Monaten Haft wegen Untreue und Bestechlichkeit verurteilt. Die Verteidiger haben jedoch sofort Revision angekündigt, und da bis zum Beginn des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof voraussichtlich Monate vergehen werden, bleibt der Verurteilte bis auf weiteres auf freiem Fuss. Weitere Verfahren gegen Alpine-Manager sind ebenso hängig wie jenes von Alpine gegen die Stadiongesellschaft, die 2,8 Millionen nicht von der Rechnung abzuziehen, und die Klage der Stadiongesellschaft gegen Wildmoser junior auf Zahlung eben jener 2,8 Millionen.

Erster Test ohne nennenswerte Pannen

Unbehelligt vom Prozess schritten die Bauarbeiten jedoch stetig voran, und so wurde im März das letzte Luftkissen der Aussenfassade montiert, im April der Rasen verlegt, Anfang Mai das Strassennetz und der neue U-Bahnhof fertiggestellt. Beim ersten Test am 19. Mai, einem Spiel zwischen den Traditionsmannschaften der beiden Vereine vor absichtlich nur halb gefülltem Stadion, traten keine grossen Pannen auf. Ein neuralgischer Punkt könnte jedoch das System mit den überall im Stadion gültigen neuen Chipkarten werden. Denn statt mit Geld müssen sowohl Eintritt als auch Verpflegung, Fanartikel und das Parkhaus mit den Karten bezahlt werden. Noch erkennen nicht alle Lesegeräte den Chip, vor den Aufladestationen bilden sich daher lange Warteschlangen, und zum Schluss müssen noch die fünf Euro Parkgebühr auf der Karte sein, damit das Parkhaus verlassen werden kann.

Das seien jedoch nur Anfangsschwierigkeiten, versicherten die Verantwortlichen. Deutlich mehr Kopfzerbrechen bereitet ihnen momentan die vollständige Finanzierung. Denn das Stadion hat die GmbH insgesamt 340 Millionen Euro gekostet. Das sind zwar nur gut ein Prozent mehr als veranschlagt, doch fehlen derzeit noch 40 Millionen. Verhandlungen mit Kreditinstituten laufen. Auch die anderen Millionen stammen aus Krediten, 225 Millionen gewährten diverse Banken, 75 Millionen der FC Bayern. Der Hauptsponsor Allianz zahlt über 15 Jahre bis zu 90 Millionen Euro und hat dafür auch die Namensrechte erhalten. Vom Spielbetrieb inklusive Logenvermietung für Businessveranstaltungen ausserhalb der Spiele erhofft sich die Stadiongesellschaft Einnahmen von 35 Millionen pro Saison. Zusätzlich zum Stadion selber haben der Bund, der Freistaat Bayern und die Stadt München für Infrastrukturmassnahmen insgesamt 288 Millionen gezahlt. Doch der Münchner Oberbürgermeister Ude betont in diesem Zusammenhang immer, dass erstens die neue Arena das einzige Stadion in Deutschland sei, für das die öffentliche Hand keine Baukosten habe übernehmen müssen, und dass zweitens ein Teil der Strassen- und U-Bahn-Bauten in jedem Fall notwendig gewesen seien.
Doch jetzt bilden nicht mehr Zahlen oder Korruption, sondern die neue Arena und ihre Architektur das Gesprächsthema unter Münchnern. Zum einen fragt man sich wehmütig, ob denn das „alte Oly“ ohne Fussball wird überleben können, doch andererseits fiebert zumindest Fussball-München den ersten Champions-League-Spielen in der neuen Arena entgegen, die manchmal spöttisch auch „Schwimmreifen“ genannt wird.

12. Mai 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Hier leuchten die Farben des Fussballs

München kann sich auf ein Fussballstadion freuen, wie es noch keines gibt. Die neue Arena von Herzog & de Meuron hat eine weiche Schale und einen harten Kern.

München kann sich auf ein Fussballstadion freuen, wie es noch keines gibt. Die neue Arena von Herzog & de Meuron hat eine weiche Schale und einen harten Kern.

Link zur Archiv Suche

07. Mai 2005Oliver Elser
Der Standard

Stadion aus 3000 Seifenblasen

Vor dem Eröffnungsspiel: Die Allianz Arena in München der Architekten Herzog & de Meuron

Vor dem Eröffnungsspiel: Die Allianz Arena in München der Architekten Herzog & de Meuron

Er wäre auch gerne Profi-Fußballer geworden, sagte vor gut zehn Jahren Jacques Herzog in einem Film-Interview. Es lag echtes Bedauern in seiner Stimme, und er fügte noch hinzu, dass es vieles gäbe, was interessanter sei als die Architektur: Gegenwartskunst, Naturwissenschaften oder eben ein Nachmittag auf dem Fußballplatz.

Zehn Jahre später haben Herzog & de Meuron, deren Büromannschaft bei Fußballturnieren innerhalb der Architektenszene immer wieder respektable Leistungen zeigt, ihr zweites Stadion gebaut und planen für die Olympischen Spiele in Peking im Jahr 2008 bereits ein noch größeres. Die nach dem Hauptsponsor benannte „Allianz Arena“ in München - die Versicherung zahlt für den Namen angeblich 110 Mio. Euro - wird Ende Mai offiziell eröffnet. Es ist nicht allein ein Bauwerk der technischen und logistischen Superlative, nicht allein eine Rieseninvestition mit Bestechungsaffäre, die zur Zeit noch vor Gericht verhandelt wird und dem österreichischen Baukonzern Alpine die Freude über die termingerechte Übergabe ein wenig trüben dürfte. Vor allem ist es ein Stadion von und für Fußballfans geworden, ein Kessel für Emotionen, der einem trotz seiner 66.000 Plätze selbst in den obersten Reihen der drei Ränge das Gefühl gibt, ganz nah am Ball zu sein.

Dass die Architekten die Architektur gar nicht so sehr interessiert, ist im Falle von Herzog & de Meuron keine kokette Tiefstapelei. Denn wie sonst wäre es möglich, ein Stadion zu bauen, das schillert wie tausend Seifenblasen? Nur der Import von Bildern und Metaphern aus der Welt jenseits der Architektur war die Gewähr dafür, nicht zur Unmenge nahezu identischer Stadien einfach ein weiteres hinzuzufügen.

Die Latte war in München allerdings auch hoch angesetzt. Nicht wegen der Architekturbegeisterung der Auftraggeber, der Fußballvereine FC Bayern München und TSV 1860. Deren Interessen ließen anfangs, ganz im Gegenteil, eher Schlimmes befürchten. Sondern weil München mit dem Stadiongelände, das von den Architekten Günther Behnisch und Frei Otto für die Olympischen Spiele im Jahr 1972 errichtet wurde, eine der wohl schönsten Sportanlagen besitzt, die jemals gebaut wurden. Auch damals konnte der unkonventionellste und „unarchitektonischste“ Entwurf sich durchsetzten. Doch das Olympiastadion, seinerzeit der bauliche Inbegriff des neuen, anderen und beschwingten Deutschlands, dieses Stadion der „heiteren Spiele“ war den knallhart kalkulierenden Managern der Fußballvereine lästig geworden. Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sollte es umgebaut werden: Mehr Plätze, vor allem aber so genannte VIP-Bereiche, Business-Seats und vermietbare Logen wünschte sich Deutschlands Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer, der Präsident des FC Bayern und Vorsitzender des Organisationskomitees der Fußball-WM. Es folgte eine quälende Debatte, ob und wie diese äußert lukrativen Einnahmequellen in die denkmalgeschützte Arena integriert werden könnten. Der Architekt Behnisch schien dazu bereit zu sein, zog aber in letzter Sekunde unter großem öffentlichen Druck zurück. Ein Umbau hätte der filigranen Anlage, die nie als reines Fußballstadion gedacht war, schweren Schaden zugefügt.

Aus dem daraufhin ausgeschriebenen Wettbewerb für einen Neubau auf Kosten der Vereine gingen Herzog & de Meuron im Februar 2002 klar als Sieger hervor. Die Befürchtungen, in Münchens Norden könnte eine triste Kommerzarena entstehen, waren mit einem Mal verflogen. Mehr noch: Die Allianz Arena ist sogar ein würdiger Nachfolger des Olympia-Stadions, das künftig nur noch für Leichtathletik-Wettkämpfe verwendet wird. Die Oberfläche aus insgesamt 2784 luftgefüllten Membran-Kissen verwandelt den eigentlich äußerst massiven Stahl-und Betonbau in ein fragiles, bei bestimmten Wetterlagen fast unsichtbares Gebilde, das ebenso leicht und heiter erscheint wie die Kunststoffsegel der bisherigen Spielstätte. Am Abend können die nur 0,2 Millimeter starken Rauten in den Farben des jeweils spielenden Vereins beleuchtet werden - rot für den FC, blau für den TSV, weiß bei der Weltmeisterschaft. Oder im blau-weißen Rautenmuster der bayrischen Landesflagge.

Es war jedoch nicht allein ein Stadion gefordert, sondern auch die Lösung eines riesigen Parkplatz- und Verkehrsproblems. So faszinierend die Bilder auch sein mögen, die dieser Tage von der Außenhaut des Stadions durch die Welt ziehen - die Bewältigung der Autos durch eine Parklandschaft, im doppelten Wortsinn und in gigantischen Ausmaßen, ist eine nicht weniger große Leistung.

Die Mehrzahl der Besucher aber erreicht die Arena über einen fast ein Kilometer langen Fußweg von der nächsten S-Bahn-Station. Er führt über das leicht gekrümmte Dach des 9000 Plätze fassenden Parkhauses. Es duckt sich in die karge Landschaft der Fröttmaninger Heide hinein und bildet ein künstliches Hochplateau, auf dem am äußersten Ende das Stadion wie ein Ballon zu schweben scheint.

Die Kontrolle der Eintrittskarten findet bereits vor Erreichen des Stadions statt. Das Gebäude hat keine Türen oder Schleusen, sondern ist auf der Eingangsebene rundum geöffnet. Nicht nur zum Außenraum, sondern auch zur Spielfläche. Durch einen umlaufenden Luft-Schlitz zwischen dem ersten und zweiten Rang sieht man sofort nach dem Hindurchtauchen unter der Membranhaut auf den Rasen. Das heilige Gras wird dadurch gut belüftet, und die Fans können sich erst einmal über die Stimmungslage informieren, bevor sie sich auf den Weg machen, ihren Sitzplatz zu finden.

Wer privilegiert ist, gelangt aus dem eigentlichen Erdgeschoss, sechs Meter unter der Eingangsebene für den Massenandrang, direkt hinauf. In eine der 106 Logen, die zwischen dem zweiten und dritten Rang untergebracht sind und für bis 240.000 Euro pro Jahr vermietet werden. Oder in die Business-Lounge, die Herzog & de Meuron wunderbar kitschig mit einer güldenen Ornamentdecke ausgestattet haben.

Farblich ist das Stadion ansonsten sehr zurückhaltend. Die eigens entworfene Bestuhlung schimmert silbrig, ebenso die Wände in den umlaufenden Verteilerebenen, wo auch die obligatorischen Wurstbuden untergebracht sind. Wer Herzog & de Meuron bisher mit exquisiten Details in Verbindung gebracht hat, der wird vielleicht ein wenig enttäuscht sein. Aber das ist in dieser Größenordnung trotz der Bausumme von etwa 286 Mio. Euro weder möglich, noch wäre es wünschenswert. Die Architektur hat ihren großen Auftritt auf der Außenseite. Im Innern regiert König Fußball, niemand sonst. Es wird atemberaubend sein, ihm dabei zuzusehen.

19. Februar 2005Norbert Mayr
Salzburger Nachrichten

„Münchner Schwimmreifen“

Zum Olympiastadion er-hält München ein weiteres Wahrzeichen moderner Architektur: Die "Allianz-Arena"der Architekten Herzog & de Meuron.

Zum Olympiastadion er-hält München ein weiteres Wahrzeichen moderner Architektur: Die "Allianz-Arena"der Architekten Herzog & de Meuron.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Salzburger Nachrichten“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

01. März 2002Oliver Herwig
Neue Zürcher Zeitung

Fussballspielen im «Schwimmreifen»

(SUBTITLE) Ein neues Stadion von Herzog & de Meuron für München

Seinen Spitznamen hat es schon: Schwimmreifen heisst das neue Münchner Fussballstadion im Volksmund. Das stört den Wettbewerbssieger Pierre de Meuron «überhaupt...

Seinen Spitznamen hat es schon: Schwimmreifen heisst das neue Münchner Fussballstadion im Volksmund. Das stört den Wettbewerbssieger Pierre de Meuron «überhaupt...

Seinen Spitznamen hat es schon: Schwimmreifen heisst das neue Münchner Fussballstadion im Volksmund. Das stört den Wettbewerbssieger Pierre de Meuron «überhaupt nicht». Mit der Entscheidung für das Basler Büro Herzog & de Meuron setzen die beiden Münchner Bundesligavereine auf Innovation. Nach den endlosen Querelen um den Ausbau des ehemaligen Olympiastadions zum Fussball-Hexenkessel, einem Bürgerentscheid und einer ersten Wettbewerbsrunde für ein völlig neues Stadion standen im letzten Herbst zwei vorläufige Sieger fest: von Gerkan, Marg und Partner aus Hamburg sowie Herzog & de Meuron.

Beide Teams sollten ihre Entwürfe nochmals überarbeiten, vor allem aber die Kosten in den Griff bekommen. Schon lange deutete alles auf einen Sieg der Basler hin, deren Entwurf mit einer transluzenten Hülle aufwartet, die sich farbig illuminieren lässt. Beeindruckt von der «magischen Poesie» dieser Arena entschied sich nun eine 15-köpfige Jury für Herzog & de Meuron. Eigentlich gibt es nur Gewinner: Die Stadt erhält ein herausragendes Stadion, und Günter Behnischs Olympiastadion bleibt als Architektur-Ikone erhalten. Das hielt den Verlierer Volkwin Marg nicht von einer Kritik ab. Er beanstandete die Tendenz, «die Hülle vor den Inhalt zu stellen» und «mit Effekten zu spielen». Gerade diese «Inszenierungsarchitektur» (Marg) aber bietet den sinnvollen Gegenpol zu herkömmlichen Ingenieurbauten, die auf Ausstrahlung gänzlich verzichten.

Die Zukunft des Münchner Fussballs wird nun nach der Vorstellung von Herzog & de Meuron in den Farben der Vereine rot und blau leuchten. Das Stadion, für das der TSV 1860 und der FC Bayern nun 280 Millionen Euro aufbringen müssen, wird auf drei Rängen 66 000 Zuschauer fassen und einige nicht unumstrittene VIP-Logen besitzen. Beflügelt von der avantgardistischen Architektur, hat sich ein Versicherungskonzern zum Sponsor und Namensgeber des künftigen Hexenkessels aufgeschwungen und ihm seinen Namen verpasst: «Allianz Arena». Baubeginn ist noch in diesem Jahr. Denn schliesslich soll in dem Stadion im Jahr 2006 das Auftaktspiel der Fussball-WM stattfinden. Dann darf München auch sportlich wieder leuchten.

11. Februar 2002TagesAnzeiger

Herzog & de Meuron bauen Münchner „Allianz-Arena“

Die Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron dürfen das neue Fussballstadion in München bauen. Die Arena für 66’000 Zuschauer soll ein Jahr vor der WM 2006 fertig sein. Bauherren sind der FC Bayern und der TSV München 1860.

Die Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron dürfen das neue Fussballstadion in München bauen. Die Arena für 66’000 Zuschauer soll ein Jahr vor der WM 2006 fertig sein. Bauherren sind der FC Bayern und der TSV München 1860.

Link zur Archiv Suche

Produkte

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1