Pläne

Details

Adresse
Guglgasse, 1110 Wien, Österreich
Bauherrschaft
GESIBA, WBV-GPA, SEG, GCE Gasometer Kino Center, GSE, Investconsult Gmbh
Fotografie
Gerald Zugmann
Maßnahme
Neubau
Planung
1995
Ausführung
1999 - 2001

Publikationen

Presseschau

10. Januar 2002Gert Walden
werk, bauen + wohnen

Wohnen im Gasometer

(SUBTITLE) Einbauten in die Ziegelzylinder der vier Wiener Gasometer

Architektur wird zum Event für die Kommunalpolitiker, Architektur wird zum Label für die Bewohner, Architektur wird zum Desaster für den Denkmalschutz. Schlagworte sicherlich, aber Politiker, Bewohner und Architekten können oder wollen sich zumindest in Wien derzeit dem Medialisierungsprozess nicht entziehen. Mit dem Umbau der vier spätgründerzeitlichen Gasometer (1893-99) im Stadtteil Simmering zu introvertierten Wohntürmen in denkmalgeschützter Verkleidung technischer Anlagen sollte ein neues Zentru entstehen, das in seiner Sogwirkung wirtschaftliche Investments anregen soll. Das Auseinanderfallen von weitgehend geschlossener Hülle und dem - auch massstäblich - autonomen Wohnungs-Infill stellte indes ein kaum zu lösendes Problem dar - mit Ausnahme des Gasometers A vielleicht, wo Jean Nouvel dank einer spezifischen Wohnungstypologie manche Nachteile des Wohnens in geschlossener Hülle wettzumachen verstand.

Architektur wird zum Event für die Kommunalpolitiker, Architektur wird zum Label für die Bewohner, Architektur wird zum Desaster für den Denkmalschutz. Schlagworte sicherlich, aber Politiker, Bewohner und Architekten können oder wollen sich zumindest in Wien derzeit dem Medialisierungsprozess nicht entziehen. Mit dem Umbau der vier spätgründerzeitlichen Gasometer (1893-99) im Stadtteil Simmering zu introvertierten Wohntürmen in denkmalgeschützter Verkleidung technischer Anlagen sollte ein neues Zentru entstehen, das in seiner Sogwirkung wirtschaftliche Investments anregen soll. Das Auseinanderfallen von weitgehend geschlossener Hülle und dem - auch massstäblich - autonomen Wohnungs-Infill stellte indes ein kaum zu lösendes Problem dar - mit Ausnahme des Gasometers A vielleicht, wo Jean Nouvel dank einer spezifischen Wohnungstypologie manche Nachteile des Wohnens in geschlossener Hülle wettzumachen verstand.

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verknüpfte Zeitschriften
werk, bauen + wohnen 2002-01/02 Nach innen

01. Dezember 2001Roderick Hönig
NZZ-Folio

Bilbao-Effekt in Wien

Angefangen hat alles 1997 in Bilbao. Dort stellte der amerikanische Stararchitekt Frank O. Gehry im Auftrag der baskischen Regierung für die Guggenheim-Stiftung eine phantastische Bauskulptur ans Nervión-Ufer.

Angefangen hat alles 1997 in Bilbao. Dort stellte der amerikanische Stararchitekt Frank O. Gehry im Auftrag der baskischen Regierung für die Guggenheim-Stiftung eine phantastische Bauskulptur ans Nervión-Ufer.

Angefangen hat alles 1997 in Bilbao. Dort stellte der amerikanische Stararchitekt Frank O. Gehry im Auftrag der baskischen Regierung für die Guggenheim-Stiftung eine phantastische Bauskulptur ans Nervión-Ufer. Der schon fast unheimliche Besucherrekord im heute weltberühmten Museum (3,5 Millionen in den ersten drei Jahren) und der wirtschaftliche Erfolg (bis 2000 flossen Zusatzerträge von 500 Millionen Dollar in die rezessionsgebeutelte baskische Hauptstadt) führten dazu, dass man bald weltweit vom «Bilbao-Effekt» sprach. Der Begriff steht für die wirtschaftlich-kulturelle Initialzündung in einem heruntergekommenen Stadtquartier, bei der die Architektur eine führende Rolle spielt.

Nun hat die Sage von Bilbao Wien erreicht. Nicht weit von der Donau entfernt, wurde eines der wuchtigsten Architekturmonumente der österreichischen Hauptstadt - die vier prunkvollen Gas-Silos aus dem Jahre 1899 - im unwirtlichen Niemandsland des 11. Bezirks wiederbelebt. Doch im Gegensatz zu Bilbao sollte nicht Kultur diese Initialzündung auslösen, sondern Kommerz und Wohnen. Die vier im Volksmund Gasometer genannten Backsteinhüllen sind diesen Sommer als schriller Wohn-, Freizeit- und Shoppingpark wiedereröffnet worden.

Die Stadtväter hatten 1996 einen Investorenwettbewerb durchgeführt mit dem Ziel, die denkmalgeschützten Bauten einer wirtschaftlich selbsttragenden Nutzung zuzuführen. Unter anderem mit der Bereitschaft, insgesamt 2,3 Milliarden Schilling zu investieren, entschieden drei grosse Wiener Wohnbaugesellschaften - SEG, Gesiba und GPA - die Konkurrenz für sich. Gleichzeitig suchte man in einem zweiten Wettbewerb international bekannte Architekten, die dem ausserordentlichen Bauvorhaben ihren gestalterischen Stempel, gewissermassen die Marke, aufdrücken sollten. Den Standortfaktor Architektur garantierten Architectures Jean Nouvel aus Paris und Coop Himmelb(l)au aus Wien sowie die vor allem in Österreich bekannten Baumeister Wilhelm Holzbauer und Manfred Wehdorn. Jeder Architekt gestaltete einen Gasometer.

Obwohl vier Gestalter am Werk waren, gab es bei den Gasometern mit heute 615 Wohnungen, 11 000 Quadratmetern Büros, 15 000 Quadratmetern Archivfläche und einer 22 000 Quadratmeter grossen Shoppingmall, mit Studentenheim, Kindergarten und Veranstaltungshalle nur zwei Bebauungsstrategien: die Ring- und die Mittenhinein-Variante. Denn die Knacknuss eines kreisrunden Baukörpers ist die Führung des Lichts: Wie bringt man möglichst viel Tageslicht in eine 65 Meter hohe Backsteintonne mit einem Durchmesser von 72 Metern? Jean Nouvel, Coop Himmelb(l)au und Manfred Wehdorn entschlossen sich zur Ringbebauung. Sie passten einen bis zu elfgeschossigen Wohn- und Büroring in die Tonne und formten so ein grosses kreisförmiges Atrium. Bei Nouvel hat der neue Innenraum einen Durchmesser von 34 Metern.

Nur Wilhelm Holzbauer entschied sich für die Mittenhinein-Bebauung und setzte einen sternförmigen Baukörper mitten in die Tonne, der den Innenraum in drei grosszügige Gärten unterteilt und die Gasometerwand nicht berührt. Eine spektakuläre Abweichung von der Ringbebauung erlaubten sich Coop Himmelb(l)au: sie bauten zusätzlich ein von weitem sichtbares, 18-geschossiges Schild an die Nordseite ihres Gasometers. In den oberen Stockwerken finden sich Wohnungen und Büros, die über eine grosszügige, jedoch nach Norden orientierte Glasfassade mit Loggien belichtet werden.

Eine grundsätzliche Antwort auf die Lichtfrage geben alle, indem sie den unteren Geschossen der Gasometer Funktionen zuordneten, die fast oder ganz ohne Tageslicht auskommen: 856 Parkplätze, die Veranstaltungshalle für rund 3000 Besucher und vier kreisrunde Shoppingmalls, die mit Fussgängerbrücken verbunden sind. Erst darüber befinden sich die drei Bürogeschosse bzw. - im Gasometer von Coop Himmelb(l)au - das Studentenheim. Die sechs bis acht Wohngeschosse pro Gasometer beginnen erst auf einer Höhe von 30 Metern.

Am interessantesten hat Jean Nouvel die Lichtfrage gelöst. Er zerschnitt seine Ringbebauung in neun Segmente. Durch die Schlitze fällt viel Sonne in den Hof und in die Wohnungen und der Blick der Bewohner nach aussen. Die Seitenwände sind mit spiegelndem Chromstahl verkleidet, was zusätzlich Licht nach innen lenkt.

Schwieriger gestaltete sich bei der Ringbebauung die Erschliessung: Ungemütliche, dunkle Laubengänge zwischen der bestehenden Aussenhaut und der neuen Innenhaut führen alle zwei Stockwerke zu den Wohnungen. Von dort aus geht es entweder direkt in die kreissegmentförmigen oder über eine schmale Treppe in die darüberliegenden Wohnungen. Wenig Licht und neugierige Blicke machen jedoch alle direkt hinter dem Laubengang liegenden Wohnräume fast unbrauchbar. Trost spenden der Blick auf den spektakulären Innenhof und - von den grösseren, teilweise zweigeschossigen Wohnungen in den oberen Geschossen - die Sicht über die Simmeringer Peripherie.

Dass alle 615 Wohnungen zwei Monate nach Fertigstellung verkauft oder vermietet waren, kann nicht an der Wohnqualität liegen. Eher am Bilbao-Effekt, der sich an der Donau eingestellt und das Shoppingcenter zum quirligen samstäglichen Ausflugsziel der Wiener gemacht hat. Erzeugt haben diesen Effekt das Charisma der reaktivierten hundertjährigen Architekturikone, der gelungene Mix der Nutzungen, die hervorragenden Verkehrsverbindungen (die verlängerte U-Bahn-Linie bringt einen in acht Minuten zum Stephansdom, die Schnellbahn in wenigen Minuten zum Flughafen und die neue Nord-Ost-Tangente ohne Stau ins Umland) und die tiefen Preise der Wohnungen: Eine 3-Zimmer-Wohnung von Jean Nouvel mit 73 Quadratmetern Wohnfläche etwa kostete freifinanziert umgerechnet 170 000 Franken.

Wie in Bilbao haben sich auch bereits Folgeinvestitionen eingestellt: Der Architekt Rüdiger Lainer konnte gleich neben den vier Gasometern ein riesiges Multiplexkino mit 15 Sälen verwirklichen, und in unmittelbarer Nachbarschaft entstand ein grosses Bürohaus. Wenn die Kettenreaktion in dieser Geschwindigkeit weitergeht, wird das Hoffnungsgebiet der Wiener Stadtplanung innert weniger Jahre zur autark funktionierenden Gasometercity.

30. August 2001Manfred Lechner
Der Standard

Zeitläufe: Neue Architektur mit Jahresringen

„An den Gasometern gefällt mir, dass das ,Denkmal' - unter Anführungszeichen gesprochen - vernichtet wurde, die Hüllen verwendet wurden und die Stadt weiter wächst“, meint Dietmar Steiner, Direktor des Architektur Zentrum Wien, über die Situation zwischen Alt und Neu in Wien.

„An den Gasometern gefällt mir, dass das ,Denkmal' - unter Anführungszeichen gesprochen - vernichtet wurde, die Hüllen verwendet wurden und die Stadt weiter wächst“, meint Dietmar Steiner, Direktor des Architektur Zentrum Wien, über die Situation zwischen Alt und Neu in Wien.

Standard: Wodurch unterscheidet sich das Projekt Gasometer von früheren Stadtentwicklungsprogrammen?

Dietmar Steiner: Im letzten Jahrzehnt hat sich die öffentliche Hand immer stärker aus solchen Projekten zurückgezogen, und es wurden verstärkt private Investoren eingeladen, daher sind die Gasometer in andere Strukturen als der Wohnungsbau etwa der Siebzigerjahre eingebettet und ein gutes Beispiel für Private-Public-Partnership. Die Öffentlichkeit stellt Infrastruktur und Fördermittel zur Verfügung, und private Investoren können eine erträgliche, aber nicht sonderlich ertragreiche Rendite erwirtschaften. Sowohl bei diesem Projekt wie auch bei der Donau- und Wienerberg-City handelt es sich um eine kommerzielle Infrastruktur mit Wohnanteilen.

STANDARD: Die Diskussion schloss die Aspekte des Denkmalschutzes mit ein. Sind Sie mit der jetzigen Lösung zu- frieden?

Steiner: Von wegen Alt und Neu und Industriedenkmal. Die Gasometer waren kein Industriedenkmal, denn der ursprüngliche Inhalt wurde schon bei ihrer Entstehung architektonisch kaschiert und domestiziert. Daher kann man nur von einem geringen kunst-oder kulturhistorischen Wert ausgehen. Da jetzt die Innenräume gefüllt wurden, bleibt nur die Frage: Was hätte man stattdessen machen können? Ich hätte es sinnvoll gefunden, einen der Türme im ursprünglichen Zustand zu belassen. Durch den Urbanisierungsschub, den das Brachland dort bekommen wird, hätte sich vielleicht in fünf Jahren eine andere Nutzung ergeben. Die Frage ist natürlich, ob sich das heute gerechnet hätte. Ein Leerstehen hätte jedoch die Stadtverwaltung nicht ertragen. Was nur psychologisch zu erklären ist. In solchen Fällen hört man immer wieder die gängige Baufloskel: „Das ziehen wir jetzt durch“.

STANDARD: Welche Stadtgebiete sehen Sie in den nächsten Jahren dafür prädestiniert, dass Bauaufgaben „durchgezogen“ werden?

Steiner: Irgendwann wird die Frage anstehen, welcher Nutzung man das Neugebäude in Simmering zuführen soll. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von innerstädtischen Industriebrachen wie etwa das Gelände der Ottakringer und das der Schwechater Brauerei, die Mautner-Markhof-Gründe und den Nordbahnhof, die auf den Markt kommen werden.

STANDARD: Die Situation des Neugebäudes ist vergleichbar mit der der Gasometer vor dem Umbau. Für diese existierten ebenso wie für das Neugebäude unzählige Projektentwürfe. Wie sehen Sie die Zukunft des Neugebäudes?

Steiner: Der Erdberger Mais ist so was von niedergeplant worden - und ähnlich verhält es sich auch mit dem Neugebäude. Was mir an den Gasometern gefällt, ist, dass das ,Denkmal' - jetzt unter Anführungszeichen gesprochen - vernichtet wurde, die Hüllen verwendet wurden und die Stadt einfach weitergebaut wurde. Vergleichbar der Situation in Dubrovnik, das sich in den römischen Ruinen eingenistet hat. Dort wie auch bei den Gasometern ist das Vergangene vorhanden, aber mit einer neuen Schicht versehen. Ein ähnliches Vorgehen würde mir beim Neugebäude ebenfalls gefallen. Was ich mir unter keinen Umständen wünsche, ist eine Totalrekonstruktion, denn dann würden wir einen Renaissanceneubau des 21. Jahrhunderts bekommen. So eine Aufgabe wäre in Las Vegas auf jeden Fall leichter als in Wien zu lösen, weil die dortigen Architekten das ganz einfach besser können.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Wohnqualität in den Gasometern?

Steiner: Was den gesamten Wiener Wohnungsbau betrifft, spielen die 600 Wohnungen dort rein quantitativ eine untergeordnete Rolle. Sie befinden sich alle in den letzten vier Stockwerken, wodurch die Frage nach Licht und Sonne hinreichend beantwortet ist, trotz der fürchterlichen Zuschnitte, welche aber öfters auch in Altbauten gewünscht werden, möchte ich hinzufügen. Zum anderen ist festzustellen, dass sich das Wohnverhalten in den letzten fünf Jahren stark geändert hat, was sich auf die größere Mobilität zurückführen lässt. Die Menschen, die dort einziehen, gehen wahrscheinlich nicht davon aus, die nächsten 50 Jahre dort zu verbringen. Was mir bei diesem Projekt aber besonders am Herzen liegt, ist der Umstand, dass im Gegensatz zu Beispielen aus dem Ausland die Wohnungen stark gefördert und daher leistbar sind, denn nur durch das Engagement der öffentlichen Hand können Spekulationsspitzen abgefangen werden. Wobei die Stadt durch die Übernahme eines nicht unerheblichen Teils der Kubatur, in dem das Historische Archiv untergebracht ist, diesem Projekt eine zusätzliche Unterstützung angedeihen ließ. Denn hier stellt sich auf jeden Fall die Frage, ob dieser Teil auch kommerziell verwertbar gewesen wäre.

27. August 2001Ines Mitterer
ORF.at

Zerstörtes Architektur-Denkmal?

Vom Ausland wird es gelobt, von der heimischen Architektur-Kritik getadelt: das neue Zentrum in den Gasometern.

Vom Ausland wird es gelobt, von der heimischen Architektur-Kritik getadelt: das neue Zentrum in den Gasometern.

Mit einem spektakulären Volksfest eröffnet Freitag dieser Woche die G-Town - das neue Stadtviertel, das in Wiens historischen Gasometern entstanden ist. Vier angesehene Architekturbüros, Jean Nouvel, Coop Himmelblau, Manfred Wehdorn und Wilhelm Holzbauer haben in die historische Hülle der vier Gasometer Wohnungen, Büros und Geschäftsräume eingebaut.

Obwohl Architekten, Bauträger, neue Mieter und sogar der Denkmalschutz mit dem Resultat hoch zufrieden sind, gibt es lautstarken Protest von Seiten der Architekturkritiker. Sie sehen ein großzügiges Denkmal der Industriearchitektur für immer zerstört.


Internationale Architekten

Die Gasometer - das sind vier beeindruckende Giganten der Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts, die jahrzehntelang funktionslos die Skyline des 11. Wiener Gemeindebezirkes verschönerten. Als der historische Ziegelbau zu zerfallen drohte, suchte man nach einer Lösung. Denn die vier ehemaligen Gasbehälter bloß als solche zu erhalten, war aus finanziellen Gründen nicht möglich. Bekannte Architekten aus dem In- und Ausland wurden eingeladen, die Gasometer mit Einbauten zu versorgen.


600 Wohnungen, Büros, ein Einkaufszentrum sowie eine Veranstaltungshalle machen schon jetzt aus dem teuren
Prestigeprojekt ein lebendiges neues Stadtzentrum, wie es sich auch Wolf Prix vom Architekturbüro Coop Himmelblau gewünscht hat: „Ich finde dieses Projekt aus drei Gründen ein wichtiges Projekt: Erstens, weil es sich mit Wohnbau auseinandersetzt, zweitens, weil es sich mit Denkmälern auseinandersetzt und der dritte Grund ist ein städtebaulicher Grund. Ich denke, dass Wien unbedingt neue Zentren braucht.“


Kritik an der Architektur

Die ersten Mieter sind schon eingezogen, die Wohnungen waren schnell vergeben: attraktive Preise, ein schräges Projekt und die U-Bahnstation vor der Haustüre haben viele junge Leute, Singles oder Paare nach Simmering gelockt. Die Bauträger sind zufrieden, die Mieter auch. Aber - wie immer bei Bauprojekten dieser Größenordnung - regte sich auch in diesem Fall schnell der Protest. Diesmal kommt er von Seiten der Architekturliebhaber und der Architekturkritiker.

Zu dicht, zu banal, zu wenig visionär und zu wenig großzügig: so lautete das überwiegende Urteil in der österreichischen Presse. Zu lesen war von „Möchtegern-City“, von unübertrefflicher Banalität und von pervertiertem Kitsch. Ein Eindruck, den Architektur-Journalistin Ute Woltron von der Tageszeitung „Der Standard“ teilt: „So, wie sie jetzt dastehen, sind sie, wie ein Kritiker gemeint hat, Hühner, in die man einen Pferdedarm hinein gestopft hat. Sie sind teilweise so atemberaubend dicht, dass mir das Grauen kommt. Die weniger dichten, wie der Turm den Jean Nouvel, sind deshalb weniger dicht, weil man das Herausgenommene anderswo, also zum Beispiel im Himmelblau-Turm hineingestopft hat.“


Kühner Himmelblau-Bau

Jean Nouvell, Coop Himmelblau und Manfred Wehdorn haben in ihren Gasometern einen runden Innenhof unverbaut gelassen, Wilhelm Holzbauer stellt sein Gebäude in Form eines Mercedes-Sterns in die Mitte und erreicht daher kleine Höfe am Rand. Dem Coop-Himmelblau-Gasometer ist ein kühnes Schild angelehnt. Es ist der einzige neue Baukörper, den man von außen sehen kann und der die Vorbeifahrenden auf der Flughafenautobahn in Staunen versetzt. Und das alles im Dienste der Dichte: „Ich sehe, wenn es Kritik am Gasometer-Projekt gibt, nicht die Kritik an der Behandlung eines Denkmals, sondern als Kritik an der Dichte. Aber gerade Dichte ist, was das Projekt urban macht. Ohne Dichte gibt es keine Stadt. Es wäre undenkbar für Europäer, Los Angeles zu reproduzieren“, stellt Prix fest.


Lob aus dem Ausland

Ausländische Architektur-Kritiker teilen die Meinung von Wolf Prix und feiern das erstaunliche Architekturprojekt hymnisch - so etwa in der renommierten New York Times.


Geschichte der Gasometer

Die Gemeinde Wien schrieb 1892 einen Wettbewerb zum Bau eigener Gaswerke aus, weil die bis dahin in Wien vorherrschende englische Gasgesellschaft „Imperial Continental Gas Association“ mit ihr zerstritten war. Die Genehmigung zum Bau des Gaswerks in Simmering erfolgte am 27. Oktober 1896. Das Gaswerk war auf eine tägliche Gaserzeugung von 432.000 Kubikmeter ausgerichtet und erforderte die Herstellung eines über 700 Kilometer langen Straßenrohrnetzes. Das Werk musste in 3 Jahren betriebsfertig sein. Man war also unter großem Zeitdruck.


Fertigstellung 1898

Die erste Gruppe der Behälter war am 10. Mai 1898, die zweite Gruppe am 1. Juli 1898 fertiggestellt. Der Bau der Gasometer erforderte folgende, auszugsweise wiedergegebene Arbeiten und Materialausmaße: 75.000 Kubikmeter Erdaushub, 17.500 Kubikmeter Beton sowie 13 Millionen Stück Ziegel. Die Kosten für alle vier Gasbehälter wurden mit 4.400.000 Gulden - nach heutigem Wert wären das etwa 600 Millionen Schilling - veranschlagt. Durchgeführt wurden die Arbeiten von der Union-Baugesellschaft Wien. Sie weigerte sich bei diesem Auftrag allerdings, jegliche Haftung für die Dichtheit der Bassins zu übernehmen.

31. Juli 2001Silvia Höner
TagesAnzeiger

Schöner wohnen in der Gasometer-City

Für die einen sind sie ein Gesamtkunstwerk und Wiens neuste Topadresse, für die anderen Kitsch und künftige Schlafstadt: die vier Gasometer, die in diesen Wochen von ihren Bewohnern bezogen werden.

Für die einen sind sie ein Gesamtkunstwerk und Wiens neuste Topadresse, für die anderen Kitsch und künftige Schlafstadt: die vier Gasometer, die in diesen Wochen von ihren Bewohnern bezogen werden.

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25. Juli 2001Gert Walden
Neue Zürcher Zeitung

Wohnungen aus vier Zylindern

Der Umbau der Gasometer in Wien-Simmering

Der Umbau der Gasometer in Wien-Simmering

«Wenn der Architekt nichts weiss, dann macht er einen Kreis.» Diese Binsenweisheit hat sich bei der Sanierung der Gasometer in Wien-Simmering ins Gegenteil umgekehrt. Hier waren es nicht die Architekten, die ihre Kreise zogen, sondern die vier ehemaligen Gasbehälter aus dem späten 19. Jahrhundert haben die zylindrische Form vorgegeben. Nach einem Bauträgerwettbewerb im Jahr 1995, bei dem die Errichtergesellschaften auch den Architekten beistellen, erhielten Jean Nouvel, Coop Himmelblau, Manfred Wehdorn und Wilhelm Holzbauer die Planungsaufträge. Rund 620 Wohnungen, Büroflächen, eine Rockhalle sowie eine durchgehende Einkaufsstrasse waren gefordert, um mit den vier brachial ausgehöhlten Denkmälern der Industriebaukunst ein lebensfähiges Stadtviertel zu konstituieren.

Hinter den Fassaden ist nicht viel übrig geblieben von den rund 75 Meter hohen Gasometern. Immerhin bilden sie eine kreisrunde, weithin sichtbare Kulisse am Südostrand von Wien, die von den Architekten zu füllen war. Doch damit nicht genug der urbanen Lebenszeichen: Coop Himmelblau haben zusätzlich noch an der Nordseite eines Gasometers ihre geknickte und gewölbte Wohn- und Bürowand angedockt, die reichlich pathetisch verkündet, dass sich die Architektur nicht nur den Zwängen eines der europaweit grössten Sanierungsfälle unterwirft. Diese Zwänge sind beachtlich, wenn man sich den Umgang der Architekten mit der Kreisform anschaut. Insgesamt darf man den Bewohnern, vor allem in den unteren Etagen, möglichst viele Sonnentage wünschen, denn die Belichtung reicht bei trübem Wetter schlichtweg nicht aus.

Jean Nouvel hat in seinem Gasometer das zentrale Belichtungsproblem zu lösen versucht, indem er den betonierten Wohnungskranz ganz stringent in Segmente aufteilt. Ihre mit Blech verkleideten Trennwände lassen Raum frei und verstärken den Lichteinfall ein wenig. Coop Himmelblau führt einen trompetenförmigen Trichter in den Innenhof des Gasometers ein, damit die Wohnungen nicht ganz im Dunkeln bleiben. Manfred Wehdorn versucht mit Terrassen den Anschein mediterraner Grosszügigkeit zu erzeugen. Wilhelm Holzbauer schliesslich ordnet die Wohnungen windmühlenartig um einen Erschliessungskern an, so dass die Bewohner Aussicht auf die denkmalgeschützte Gasometerfassade haben. Die Architekten hatten eigentlich wenig Chancen, Wohnwerte aus den Zylindern zu zaubern. Die Ergebnisse sind unbefriedigend, die Wohnungsgrundrisse streckenweise skurril, und vom Raumerlebnis der Innenhöfe kann im besten Fall noch bei Jean Nouvel gesprochen werden. Eine Kongruenz zwischen der Gliederung der Gasometerfassaden und den Wohnungen wurde nicht hergestellt. Zusammen gesehen stellen die alten Gasometer und die neue Architektur allerdings ein bildwirksames Ensemble dar. Ein «Wahrzeichen» für den desolaten Bezirk Simmering also, das - besonders von der Stadtautobahn aus betrachtet - wieder an die autistischen Avantgarde-Skizzen der sechziger Jahre erinnert.

Nun ja, Wien ist eben anders, und die Überlagerung verschiedener Schichten von Vergangenheit lässt sich hier besonders gut vermarkten. Auch wenn die alten Ziegelsteinkreise mit ihren Betonfüllungen nur bescheidenen Wohnwert bieten, sind sie bereits nahezu vollständig verkauft oder vermietet. Die Ausblicke der Wohnungen auf die Innenhöfe können wohl kaum der Grund für die Nachfrage sein. Viel eher ist es der immaterielle Mehrwert, den sich die Bewohner erkauft haben. Prestige, Chic, Label und Individualität werden mit den «City-Klassikern» (so der Werbeprospekt) am Stadtrand assoziiert. Und damit können die Gasometer punkten, während gewöhnliche Wohnungen an der Peripherie zum Teil leer stehen. Die Gasometer sind aber mehr als nur aufgemotzte Stadtrandbehausungen. Erstmals haben private Bauträger und die öffentliche Hand annähernd zeitgleich die Infrastrukturen für ein neues Stadtviertel bereitgestellt. Bei dieser Leistung darf man nach vergeblichen zehn Jahren «Wohnbauoffensive» allerdings nicht ausser acht lassen, dass die Gasometer schon bald von einer dichten Packung Bürobauten umgeben sein werden und dass die Investoren mit ihrem Verwertungsdenken Überhand gewonnen haben. Es werden also wieder Stadtspiele an der Peripherie aufgeführt, nur diesmal ergänzt durch einen hohen Anteil an Entertainment.

30. Juni 2001Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Genau das nennt man Kitsch

Miserable Wohnungen. Büros, die sich durch nichts auszeichnen, was gerade diesen Standort empfehlen würde. Eine Geschäftszone, die jeder Beschreibung spottet. Aber riesiger Aufwand rundherum. Wiens Gasometer-Projekt oder: Wie man um viel Geld ein Denkmal ruiniert.

Miserable Wohnungen. Büros, die sich durch nichts auszeichnen, was gerade diesen Standort empfehlen würde. Eine Geschäftszone, die jeder Beschreibung spottet. Aber riesiger Aufwand rundherum. Wiens Gasometer-Projekt oder: Wie man um viel Geld ein Denkmal ruiniert.

Es heißt, sie seien Wiens Top-Adresse des Jahres 2001. Und wer „top“ wohnen möchte, ziehe dort ein. In die Wohnungen im Gasometer. Tatsächlich wird den künftigen Bewohnern einiges geboten: Von der U-Bahn-Station, die selbst noch vom entferntesten der vier ehemaligen Gasbehälter trockenen Fußes erreichbar ist, bis zum riesigen Entertainment-Center (Architekt: Rüdiger Lainer) gleich nebenan, vom vielbeschworenen urbanen Nutzungsmix aus Arbeiten, Wohnen und Freizeit - Büros, Geschäfte, Studentenheim, begrünte Freiflächen, reichlich Garagenplätze - bis zur großen Veranstaltungshalle in den Tiefen von Gasometer B (Architekten: Coop Himmelb(l)au), dies alles vereint unter den - nicht mehr vorhandenen - Kuppeln der vier denkmalgeschützten Zylinder. Und dies alles zu Wohnungspreisen, die schon mehr als attraktiv sind. Laut den Verkaufsunterlagen für Gasometer A (Architekt: Jean Nouvel) zum Beispiel kostet die teuerste Wohnung frei finanziert nicht einmal zwei Millionen Schilling (keine 150.000 Euro), wobei dieser Kaufpreis durch einen nicht rückzuzahlenden Zuschuß von knapp 400.000 Schilling (rund 30.000 Euro) gestützt wird und bei einer Monatsrate von rund 4000 Schilling (290 Euro) eine Barleistung von 660.000 Schilling (knapp 48.000 Euro) erforderlich ist. Dieser Wohnungstyp - wie auch eine ganze Reihe anderer Typen im Gasometer A - ist übrigens längst ausverkauft. Ebenso ausverkauft sind alle Wohnungen im Gasometer C (Architekt: Manfred Wehdorn). Die drei Bauträger, die sich das Unternehmen teilen, pochen nicht zu Unrecht auf ein Erfolgsergebnis: Fast 85 Prozent der Wohnungen sind vergeben.

Im Werbematerial für die vier Sichtziegel-Solitäre heißt es auch, sie seien ein europaweit einzigartiges Gesamtkunstwerk. Anders formuliert könnte man sagen, es geht um eine Stadtentwicklungsspritze in den Simmeringer „Outskirts of Vienna“. Allerdings muß man hinzufügen: Der finanzielle Einsatz, den diese Entwicklungsspritze zur Voraussetzung hatte, der kann nur jenseits des Üblichen angesiedelt sein, weit jenseits. Und die Bemerkung, die anläßlich einer Führung für die Österreichische Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) gefallen ist, daß sich die günstigen Wohnungspreise durch entsprechend hohe Geschäfts- und Büromieten in bezug auf die Gesamtkosten letztlich doch rechnen, die kommt selbst dem ganz Unbedarften wie eine seltsame Art von Arithmetik vor: undurchschaubar, verwirrend, nicht glaubwürdig.

Aber der Architekturkritiker schert sich um solche Fakten - mehr oder weniger legitim - in der Regel ohnehin nicht. Dem geht es um architektonische Konzepte und ihre Umsetzung, dem geht es in einem solchen Fall um den Umgang mit der historischen Substanz und auch um die formale Lösung. Der Architekturkritiker betrachtet die gebauten Tatbestände insofern aus einer verengten Optik.

Nun habe ich mich schon im Vorfeld des Projekts sehr weit und sehr kritisch „aus dem Fenster gelehnt“. Ich war immer - und meiner Ansicht nach mit guten Gründen - dagegen. Massiv dagegen. Denn von den Gasometern, von der räumlichen Qualität der Gasometer, konnte einfach nichts übrigbleiben, wenn man sie vollbaut. Substantiell besteht diese Qualität in gigantischem leerem Raum. Man hätte eine Rollerskate-Bahn hineinbauen können - es wäre die attraktivste der Welt gewesen. Aber man kann sicher nicht nach dem Haus-im-Haus-Prinzip verfahren. Das bringt sowieso selten etwas. Beispiel: das Architekturmuseum in Frankfurt von Ungers - ein architektonisches Debakel. Weil das Haus im Haus steht, laufen die Treppen außen, also dort, wo das Tageslicht ist - und das übrigens in einer Ausführung, die man im Wiener Gemeindebau nicht akzeptieren würde. Haus im Haus ist immer problematisch. Und die Gasometer in ihrer historischen Substanz, in ihrer historischen Integrität und Einzigartigkeit, die gibt es jetzt einfach nicht mehr.

Das Denkmalamt ist in einer äußerst prekären Situation. Es hat einen riesigen historischen Fundus zu betreuen und keine auch nur annähernd entsprechenden finanziellen Mittel. Daher ist es auf Kompromisse angewiesen. Nur: In diesem Fall hat der Kompromiß zur Zerstörung der Denkmäler geführt. Alles, was es an historischer Substanz gibt und was irgendwann irgendeinen Sinn hatte, das hat jetzt keinen mehr. Es ist pervertiert. Es ist Staffage, Kulisse. Und genau so etwas nennt man üblicherweise Kitsch. Wenn ich auf einer Rodel ein Blumenarrangement präsentiere, dann ist das Kitsch, weil der Sinn des einen durch den Sinn des anderen ad absurdum geführt wird. Bei den Gasometern ist es genauso. Das mag einem Jean Nouvel, einer Coop Himmelb(l)au, einem Holzbauer wehtun (die Rolle von Manfred Wehdorn, von Amts wegen Denkmalschützer der Nation und zugleich beteiligter Architekt, kommt mir so suspekt vor, daß man sich besser jedes Wort dazu spart): Insgesamt ist jedenfalls kaum daran zu rütteln, daß sich alle Beteiligten mit den Gasometer-Bauten auf das Niveau der sogenannten „Künstler-Häuser“ à la Zilk begeben haben. Nur die formale Sprache unterscheidet sich teilweise - Wehdorns, Holzbauers Architektur ist in Wahrheit von unübertrefflicher Banalität -, alles andere deckt sich vollständig.

Es sind reine Alibi-Gesten, wenn mehrstöckige, verglaste Malls den Grund der Gasometer füllen, aber noch irgend etwas von dem gewaltigen Raum freilassen, der die Substanz dieser Ziegelhüllen ausmacht. Wobei ein Holzbauer selbst auf diese Geste verzichtet hat: Bei ihm ist die Haupterschließung in der Mitte und die Bebauung als eine Art überdimensionaler Mercedes-Stern angelegt. Vom inneren Raumvolumen der historischen Hülle bleibt so wirklich gar nichts mehr, dafür sind außen Höfe eingeschnitten, die allerdings für die Wohnungen zumindest an Belichtung etwas bringen dürften. Am photogensten von innen ist Jean Nouvel: Durch seine spiegelglatten Metallfassaden hat er zumindest erreicht, daß das einfallende Licht vielfach gebrochen den ganzen Innenraum, selbst die engen Einschnitte zwischen den Wohntürmen erhellt. Am photogensten von außen ist das Projekt von Coop Himmelb(l)au. Der ganz, ganz eng außen angestellte Baukörper mit Wohnungen - sinnigerweise „Schild“ genannt -, der ist nach formalen Kriterien sicher attraktiv. Wenn man drinnen ist, speziell im Teil des Studentenheims, und den Schild vor sich hat, dann erlebt man allerdings die Katastrophe: Er verstellt nicht nur die Aussicht, er verstellt auch das Tageslicht. Überhaupt muß man sagen: Die miesesten Wohnungen sind im Coop-Himmelb(l)au-Teil. Und das Studentenheim? Jedem Studenten ein unbewohnbarer, schmaler Schlauch, und in der Mitte ein finsterer, unangenehmer Gemeinschaftsbereich. Ja, ja, unsere himmelblauen Pseudorevoluzzer haben sich ihren sonnigen Platz im Establishment erkämpft, den verteidigt man nachhaltig, da bleibt für inhaltliche Reminiszenzen anscheinend kein Platz.

Wenn man nicht blindwütig losschlagen möchte, dann muß man sich mit solchen Anmerkungen bescheiden. Miserable Wohnungen. Büros, die sich durch nichts auszeichnen, was gerade diesen Standort nahelegen würde. Eine Geschäftszone, die jeder Beschreibung spottet. Aber viel, viel Aufwand drumherum, der doch nicht ausreicht, die Nachteile der Haus-im-Haus-Konzeption wettzumachen. Und das alles um sehr viel Geld. Viel mehr Geld, als für jeden konventionellen Wohn- oder Bürobau zur Verfügung steht. Und was das wirklich Ausschlaggebende ist: All das um den Preis der endgültigen Zerstörung der Gasometer.

Die Probleme des Denkmalamts in allen Ehren: Aber man muß doch wissen, wie weit man gehen darf. Natürlich gibt es gesetzliche Regelungen, aber die bedürfen ja immer der Interpretation, sie sind Auslegungsfrage. Im Fall der Gasometer hat das Denkmalamt versagt. Gröblichst versagt. Sie zeigen, wie bedenkenlos sich herumfuhrwerken läßt, wenn nur alle Beteiligten - allen voran die Politiker - mitspielen.

Reden wir gar nicht vom Geld. Reden wir nicht davon, was es gekostet hat, dieses „europaweit einzigartige Gesamtkunstwerk“ zu realisieren. Obwohl: Welches Gesamtkunstwerk wäre um denselben Betrag wohl auf der grünen Wiese möglich gewesen? Das ist ja immer die Frage: Was wäre gewesen, wenn . . . Nur tritt dieser „Wenn“-Fall komischerweise nie ein. Man braucht den Vorwand, die Gasometer zu ruinieren, um sich zu einem Bauvorhaben aufzuraffen, das nur jenseits herkömmlicher Normen durchzuführen ist. Wie man ja auch die Namen zweifelhafter Künstler braucht, um Wohnbauten umzusetzen, die der Wiener kommunalen Praxis zuwiderlaufen. Das ist ziemlich ärgerlich. Und wir dürfen uns nicht damit abfinden.

Wir müssen dagegen die Stimme erheben. Je lauter, je deutlicher, umso besser. Es werden nicht die Architekten sein, die diese Diskussion führen. Die wollen bauen, und je mehr Freiraum sie haben, desto lieber ist es ihnen. Sie sind sich selbst die nächsten. Es müssen die anderen sein, diejenigen, die das örtliche Baugeschehen reflektierend begleiten, die sich Gehör verschaffen. Nur so lassen sich Stilblüten wie die Gasometer verhindern. Und nur so läßt sich eine absolut gekonnte Marketing-Strategie knacken, die künftigen Bewohnern eine Top-Adresse verheißt, wo man in Wahrheit in einer Art charakterlosem Neubausumpf versackt.

22. Juni 2001Ernst Eichinger
Der Standard

Geförderte Harmonie von Alt und Neu

Manfred Wehdorn, Architekt des Turmes C der Wiener Gasometer beweist, dass große Projekte auch mit Wohnbauförderung zu realisieren sind. Die Limitierung der Baukosten gefährde allerdings die Qualität des Baus.

Manfred Wehdorn, Architekt des Turmes C der Wiener Gasometer beweist, dass große Projekte auch mit Wohnbauförderung zu realisieren sind. Die Limitierung der Baukosten gefährde allerdings die Qualität des Baus.

„Wenn ich was zu reden hätt', ich schaffert alles ab“, meinte der Wiener Architekt Manfred Wehdorn frei nach dam österreichischen Dichter Josef Weinheber.

Dass abschaffen aber nicht mit abreißen gleichzusetzen ist, zeigt Wehdorn, Architekt des C-Turmes der Wiener Gasometer, der jeweils zur Hälfte der Gesiba und der SEG gehört, in seiner Begeisterung für das Projekt. Die Revitalisierung der Gasometer, nur knapp der Abrissbirne entgangen, ist mittlerweile zum Aushängeschild für das perfekte Zusammenspiel von Alt und Neu geworden. „Alle haben mich für verrückt erklärt, als ich gesagt habe, dass man dieses Projekt auch mit der Wohnbauförderung verwirklichen kann“, so Wehdorn. „Egal wo ich im Ausland bin, werde ich nicht über das Schloss Schönbrunn oder die Hofburg gefragt, sondern über die Gasometer“, sagt Wehdorn.


Qualität zählt

Wichtig sei aber in jedem Fall, die Qualität sicherzustellen, und in direkter Verbindung damit, eine ökologische Bauweise zu ermöglichen. Das wäre aber nur zu schaffen, wenn auch die notwendigen finanziellen Voraussetzungen gegeben wären. Aus diesem Grund ist die Limitierung der Baukosten für ein bestimmtes Projekt „vollkommener Unsinn“, so Wehdorn. Es könne nicht sein, dass man zum Schluss Billigfenster einbauen müsse, um die Förderungen nicht zu gefährden. „Obwohl mein Gasometer der billigste ist, steht er noch“, freut sich Wehdorn, auch mit weniger Geld das Auslangen gefunden zu haben.

Der ökologische Aspekt habe auch bei der Planung des Gasometers C eine wichtige Rolle gespielt. Der Bau sei auf den Standard eines Niedrigenergiehauses ausgelegt. Außerdem wurde ein Trennsystem für die Verwendung des Regenwassers installiert.

Bei dem Bau des Gasometer-Turmes wären aber seitens der Politik auch in der Frage der Bauordnung einige Freiheiten eingeräumt worden. „Alle haben an einem Strang gezogen und sich an Problemlösungen beteiligt“, verteidigt Wehdorn die Wiener Beamten. Gleichzeitig räumt der Architekt aber ein, dass sich diese Freiheiten bei einem Projekt in einer kleineren Dimensionen eher reduzierten.


Deregulierung

Daher könne nur gelten: „So wenig regulieren wie möglich und nur so viel kontrollieren wie unbedingt notwendig“, fordert Wehdorn. Jedes durchschnittliche Architekturbüro wäre nicht in der Lage, die unterschiedlichen Förderungen der einzelnen Bundesländer zu durchschauen.

Erschütternd, so Wehdorn, auch die Tatsache, dass von den 788.000 Wohnungen in Wien noch rund elf Prozent in die Kategorie D fielen. In Wien ist daher dringend Geld für die thermische Gebäudesanierung notwendig. Gerade bei den alten Häusern müsste der Anstoß seitens der Förderungspolitik kommen, damit etwas bewegt werde.

„Mit jedem Schilling, der in die Sanierung eines Altbaus investiert wird, erzielt der Finanzminister ein Vielfaches an Rückflüssen“, sagt Wehdorn.

23. Oktober 2000Reinhard Seiß
ORF.at

Paradies für „Folks“ und „Dinks“

An der Frage ob das Gasometer-Projekt Urban Development oder Urban Entertainment bedeutet, scheiden sich die Geister.

An der Frage ob das Gasometer-Projekt Urban Development oder Urban Entertainment bedeutet, scheiden sich die Geister.

Die imposante Architektur der ehemaligen Gasbehälter stammt aus dem 19. Jahrhundert. Mitte der 80er Jahre verloren die 72 Meter hohen Backsteinbauten ihre eigentliche Funktion und wurden wegen ihres kulturhistorischen Werts unter Schutz gestellt. Heute stehen sie im Mittelpunkt der Stadtentwicklung: aus den periphären Industridenkmälern entsteht ein pulsierendes, multifunktionelles Zentrum.Riesenprojekt

Bis zum Frühjahr 2001 entstehen innerhalb der historischen Fragmente 600 modernste Wohnungen, ein Studentenheim, ein städtisches Archiv, zahlreiche Büros, eine Veranstaltungshalle für 4.000 Personen, 900 Tiefgaragenplätze sowie ein mehrgeschossiges Einkaufszentrum, das alle vier Gasometer verbindet.


Große Namen

Für die Stadt Wien und die beteiligten Bauträger ist es ein Prestigeprojekt, das über die Grenzen Österreichs hinaus strahlen - und natürlich auch Käufer und Mieter anziehen soll. Quasi als Garanten für den Erfolg wurden vier renomierte Architekturbüros mit dem Umbau je eines Gasometers beauftragt: Jean Nouvel, das Team Coop Himmelb(l)au, Manfred Wehdorn und Wilhelm Holzbauer. „Also ich glaube, dass die Wohnbedürfnisse bei Neubauten viel einfacher zu decken sind“, zeigt sich Holzbauer überzeugt, aber „Gasometer ist halt ein Begriff. Das hat einfach damit zu tun, dass Leute, die dort wohnen wollen, sich wünschen, in einem Gebäudekomplex zu wohnen, der einmalig ist.“


Entertainment inklusive

Der ausgelöste Boom setzt sich im Umfeld der Gasometer fort. Gleich vis-a-vis entsteht ein 9-geschoßiger Bürokomplex. Und direkt mit den vier Gastürmen verbunden - ein Entertainment Center samt weiteren 850 Parkplätzen. Dieser sogenannte „Pleasure Dome“ enthält künftig Unterhaltungs-, Gastronomie- und Einkaufseinrichtungen sowie - mit 12 Sälen - Österreichs zweitgrößtes Kinozentrum.

Mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 2,4 Milliarden Schilling werden binnen zwei Jahren insgesamt 220.000 qm Fläche verbaut. Das Gasometer-Projekt ist damit die größte Baustelle Mitteleuropas in diesen Jahren, noch vor dem Potsdamer Platz in Berlin. Der Architekt des „Pleasure Dome“, Rüdiger Lainer, sieht von dieser dynamischen Stadtentwicklung Impulse für ganz Wien ausgehen: „Dieses ganze Gasometer-Umfeld kann höchst wahrscheinlich einer der spannendsten Orte jetzt in Wien werden.“
Die imposante Architektur der ehemaligen Gasbehälter stammt aus dem 19. Jahrhundert. Mitte der 80er Jahre verloren die 72 Meter hohen Backsteinbauten ihre eigentliche Funktion und wurden wegen ihres kulturhistorischen Werts unter Schutz gestellt. Heute stehen sie im Mittelpunkt der Stadtentwicklung: aus den periphären Industridenkmälern entsteht ein pulsierendes, multifunktionelles Zentrum.


Riesenprojekt

Bis zum Frühjahr 2001 entstehen innerhalb der historischen Fragmente 600 modernste Wohnungen, ein Studentenheim, ein städtisches Archiv, zahlreiche Büros, eine Veranstaltungshalle für 4.000 Personen, 900 Tiefgaragenplätze sowie ein mehrgeschossiges Einkaufszentrum, das alle vier Gasometer verbindet.


Große Namen

Für die Stadt Wien und die beteiligten Bauträger ist es ein Prestigeprojekt, das über die Grenzen Österreichs hinaus strahlen - und natürlich auch Käufer und Mieter anziehen soll. Quasi als Garanten für den Erfolg wurden vier renomierte Architekturbüros mit dem Umbau je eines Gasometers beauftragt: Jean Nouvel, das Team Coop Himmelb(l)au, Manfred Wehdorn und Wilhelm Holzbauer. „Also ich glaube, dass die Wohnbedürfnisse bei Neubauten viel einfacher zu decken sind“, zeigt sich Holzbauer überzeugt, aber „Gasometer ist halt ein Begriff. Das hat einfach damit zu tun, dass Leute, die dort wohnen wollen, sich wünschen, in einem Gebäudekomplex zu wohnen, der einmalig ist.“


Entertainment inklusive

Der ausgelöste Boom setzt sich im Umfeld der Gasometer fort. Gleich vis-a-vis entsteht ein 9-geschoßiger Bürokomplex. Und direkt mit den vier Gastürmen verbunden - ein Entertainment Center samt weiteren 850 Parkplätzen. Dieser sogenannte „Pleasure Dome“ enthält künftig Unterhaltungs-, Gastronomie- und Einkaufseinrichtungen sowie - mit 12 Sälen - Österreichs zweitgrößtes Kinozentrum.

Mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 2,4 Milliarden Schilling werden binnen zwei Jahren insgesamt 220.000 qm Fläche verbaut. Das Gasometer-Projekt ist damit die größte Baustelle Mitteleuropas in diesen Jahren, noch vor dem Potsdamer Platz in Berlin. Der Architekt des „Pleasure Dome“, Rüdiger Lainer, sieht von dieser dynamischen Stadtentwicklung Impulse für ganz Wien ausgehen: „Dieses ganze Gasometer-Umfeld kann höchst wahrscheinlich einer der spannendsten Orte jetzt in Wien werden.“


Nichts für Kleinfamilien

Die teils nordseitig orientierten Wohnungen in den Gasometern werden ebenso wenig Sonnenlicht erhalten, wie viele innenliegende, an den Lichthöfen situierte Räume. Grün- und Erholungsflächen sind inmitten des Industrie- und Gewerbegebiets Mangelware. Und der Verkehrslärm von den nahen Stadtautobahnen ist 24 Stunden am Tag wahrzunehmen. Dementsprechend besteht das Zielpublikum für „Wohnen im Gasometer“ nicht aus klassischen Familien mit Kindern, sondern aus modernen, urbanen Singles mit flexiblem Freizeit- und Arbeitsrhythmus. „Unsere Zielgruppe definiert sich als die sogenannten Folks“, bestätigt Immobilien-Manager Erich Helm. „Das sind junge Menschen jeden Alters, und hier ist es besonders die Gruppe zwischen 15 und 35, die wir ganz bewusst ansprechen möchten.“


Erfolgreiches Marketing

Bereits ein halbes Jahr vor Fertigstellung ist das Einkauszentrum von attraktiven Handelsketten ausgebucht und die meisten Wohnungen vergeben. Anstelle herkömmlicher Inserate auf den Immobilienseiten der Tageszeitungen oder der Vermittlung durch Maklerbüros trat ein modernes Vermarktungskonzept, das insbesondere die Hauptzielgruppe der Young Urban People ansprach - Online-Marketing in-klusive.


Bewohnbares Disneyland?

Kritiker sehen im Gasometer-Projekt ein städtebauliches Disneyland, dessen Existenz auf permanentem Konsum und sofortiger Bedürfnisbefriedigung basiert. Eine künstliche Stadt, deren sogenannter „öffentliche Raum“ auch nicht mehr allen Menschen offensteht: Obdachlose, Bettler oder auffällige Jugendliche können jederzeit aus dieser Welt ausgeschlossen werden.

Die Architekturkritikerin Liesbeth Waechter-Böhm bemängelt am Gasometer-Umbau nicht nur fehlenden Respekt und Kreativität im Umgang mit den historischen Baudenkmälern - sie steht auch den gesellschaftlichen und soziokulturellen Aspekten skeptisch gegenüber: „Für mich ist es das Gegenteil von Urbanisierung, weil wir ja im Grunde genommen autarke Inseln damit bauen.“


Zukunftsmodell?

Nimmt das Gasometer-Projekt die künftige Stadtentwicklung Wiens vorweg? Kommt es nach dem Vorbild der Gasometer bald verstärkt zur Herausbildung hochgezüchteter Stadtinseln? Und was wären die Folgen für die gewachsene Stadtstruktur?

Der Architekturpublizist Friedrich Achleitner relativiert die Strahlkraft des Projekts: „Wien ist ja eigentlich eine Großstadt, die aus lauter Inseln, ehemaligen Dörfern oder ehemaligen Stadtteilen, zusammengesetzt ist. Diese Grätzelstruktur ist etwas typisch Wienerisches; Und insofern glaube ich, schaffen solche Anlagen, wie der Karl-Marx-Hof oder die Wohntürme in Alt-Erlaa, oder die Gasometer, eine gesellschaftliche Identifikation mit so einem Punkt mit sich bringen. Das Leben, das dort entsteht, hat etwas sehr Verortetes, sehr Spezifisches. In Wirklichkeit ist es ein Grätzel.“

Ensemble

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1