Pläne

Details

Adresse
Platz der Deutschen Einheit 1-5, 20457 Hamburg, Deutschland
Tragwerksplanung / Ziegelfassaden
Jäger Ingenieure
Bauphysik / Raumakustik
Yasuhisa Toyota
Bauphysik
MF Dr. Flohrer, Taubert und Ruhe, Jäger Ingenieure, TU Dresden, GWT-TUD
Fassaden
R+R Fuchs
Weitere Konsulent:innen
Klimaberatung: Transsolar, Stuttgart, D
Signaletik: Integral Ruedi Baur, Zürich, CH
Beratung Szenografie: BAA Projektmanagement, Oberhausen, D; Ducs Sceno, Lyon, F; GCA Ingenieure, Unterhaching & Berlin, D
Licht: Ulrike Brandi Licht, Hamburg
Gebäudebewirtschaftung: Spie, Hamburg, D
Maßnahme
Neubau
Planung
2004 - 2014
Ausführung
2006 - 2016
Eröffnung
01/2017
Bruttogeschossfläche
120.000 m²
Umbauter Raum
485.600 m³
Baukosten
865,7 Mio EUR

Ausführende Firmen

Generalunternehmer: Hochtief Solutions, Essen, D

Publikationen

Links

Elbphilharmonie
www.elbphilharmonie.de

Archfoto

Genereller introtext zu Archfoto der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

30. April 2017Claas Gefroi
db

Ein verborgenes Kunststück

(SUBTITLE) das Ingenieurbauwerk Elbphilharmonie

Die Elbphilharmonie ist ein Raumkunstwerk, dessen ­unwiderstehliche Wirkung zahlreichen baukünstlerischen Setzungen zuzuschreiben ist. Weitgehend verborgen blieb der Öffentlichkeit, dass nur durch die enge ­Zusammenarbeit zwischen den Architekten Herzog & de Meuron und dem Ingenieurbüro Schnetzer Puskas ein einzigartiges Tragwerk geschaffen werden konnte, das die hohen gestalterischen Ansprüche und komplexen funktionalen Erfordernisse gleichermaßen bewältigt.

Die Elbphilharmonie ist ein Raumkunstwerk, dessen ­unwiderstehliche Wirkung zahlreichen baukünstlerischen Setzungen zuzuschreiben ist. Weitgehend verborgen blieb der Öffentlichkeit, dass nur durch die enge ­Zusammenarbeit zwischen den Architekten Herzog & de Meuron und dem Ingenieurbüro Schnetzer Puskas ein einzigartiges Tragwerk geschaffen werden konnte, das die hohen gestalterischen Ansprüche und komplexen funktionalen Erfordernisse gleichermaßen bewältigt.

Als die Architekten Herzog & de Meuron im Jahr 2003 erste Pläne für die Elbphilharmonie der Öffentlichkeit präsentierten, da war dies ein anderes Projekt als das Gebäude, das im Januar 2017 schlussendlich eröffnet wurde. Die Initiatoren, der Projektentwickler Alexander Gérard und seine Ehefrau, die Kunsthistorikerin Jana Marko, hatten eine klare, simple Idee: Das seit vielen Jahren leer stehende Lagerhaus Kaispeicher A, 1966 nach Plänen von Werner Kallmorgen fertiggestellt, sollte zu einem weithin leuchtenden Ort der Musikkultur werden.

Hierfür bildet der zum Parkhaus umgenutzte Speicher die ­Basis, auf dem ein hoher, gläserner Aufbau für ein Konzerthaus thront. Zur Finanzierung des Projekts sollte der Aufsatz mit kommerziellen Nutzungen wie einem Hotel und Wohnungen angereichert werden. Bei der ursprüng­lichen Planung galt, so Gérard, der Grundsatz, dass nur so viele neue Lasten auf den Kaispeicher aufgesattelt würden, wie vorher in ihm lagerten, um eine aufwendige und kostenträchtige Verstärkung des Tragwerks zu vermeiden und den Erhalt des Speichers zu gewährleisten. Doch die Stadt Hamburg, die die Investoren 2004 aus dem Architektenvertrag herauskaufte, um das Projekt in Eigenregie zu realisieren, vergrößerte aus kaufmännischen Erwägungen den kommerziellen Mantel erheblich. Laut Gérard hatte sich die zu bauende ­Fläche innerhalb kurzer Zeit um satte 43 % vergrößert.

Mit den Flächen wuchsen die Lasten. Nun war der Kaispeicher A, seiner traditionellen Backsteinummantelung zum Trotz, im Innern ein sehr effizienter Stahlbetonskelettbau, dessen Tragwerk für Lasten von immerhin 2 t/m² ausgelegt war. Doch er hätte nun das Doppelte – circa 200 000 t wiegt das verwirklichte Projekt – stemmen müssen, zu viel für den Nachkriegsbau. Weitere Gründe für die Entkernung: Um die von der Stadt gewünschten zusätzlichen Nutzflächen bei gleichbleibender Gebäudehöhe unterzubringen, mussten die Geschosshöhen im Speicher verringert werden. Die städtische Seite argumentiert anders: Es habe sich herausgestellt, dass das Stützenraster von 4 x 5,50 m zu eng für ein zeitgemäßes Parkhaus sei. Zudem sei der Hochwasserschutz bei Sturmfluten sowie der Anprallschutz bei Schiffshavarien nicht gewährleistet und hätte nur unter größten Anstrengungen nachgerüstet werden können.

Speicher wird Fassade

Was immer den Ausschlag gab: Der Speicher musste, wenngleich ein Denkmal, vollständig entkernt werden. Doch das Ingenieurbüro Schnetzer Puskas International aus Basel, das für die Planung des Tragwerks zuständig war, hat schon oft mit Herzog & de Meuron zusammengearbeitet und ist Herausforderungen gewohnt. Entscheidend für das Gelingen dieses im Verlauf der ­Planung immer üppiger werdenden Baus war, dass die Ingenieure von Beginn, also von den ersten Skizzen an, dabei waren und das Tragwerk so in enger Zusammenarbeit zwischen Architekten und Ingenieuren entstehen konnte. Für den radikalen Umbau des alten Kaispeichers wurden Rohwer ­Ingenieure hinzugezogen. Als erste Maßnahme wurden die Außenwände durch eine umlaufende Stahlkonstruktion gesichert, die aus Gerüsttürmen und daran angeschlossenen horizontalen Gurten bestand.

Nun konnten die alten Decken vorsichtig im Sägeverfahren bündig zur Innenwandoberfläche abgetrennt werden. Danach ging es an die Fundamente: Man fand 1 111 Ortbeton-Ramm­pfähle vor, 50 cm dick, zwischen 15 und 19 m lang. Sie besaßen eine 30-40 % höhere Tragfähigkeit als bei der Gründung. Das erstaun­liche Phänomen resultiert aus mehreren Gründen – der wichtigste war die durch die beständige Tidenströmung und das große Pfahlvolumen verursachte Verdichtung des Sandbodens. Dennoch wurden zusätzliche 620 Teilverdrängungspfähle gesetzt, die nun, gemeinsam mit den über ein halbes Jahrhundert alten Pfählen, die neue Lastenverteilplatte tragen. Die neuen Etagendecken im Bereich des Speichers wurden über Auflagertaschen an das Mauerwerk angeschlossen – nicht jedoch auf der Ostseite: Der dortige neue Haupteingang ins Gebäude wurde von Herzog & de Meuron als fast 60 m breiter horizontaler Schlitz geplant, der nicht durch Stützen unterbrochen werden sollte. Ein gestalterischer Einfall, der großen konstruktiven Aufwand nach sich zog: So wurden die Lasten der Backsteinfassade mittels einer konstruktiven Verdübelung in einen gewaltigen, 4,30 m hohen Abfangträger an der Innenseite der Außenwand geleitet. Ansonsten werden Nutz und Eigenlasten, die entlang der Bestandsfassaden anfallen, über neue Stahlbeton­stützen und über deckengleiche Unterzüge auf der Fassadeninnenseite abgeleitet. Da vom Denkmal Kaispeicher A nichts als seine Außenmauern blieb, war deren Sanierung und Erhaltung von essenzieller Bedeutung.

So wurde bereits 2007 in Untersuchungen der zweischaligen Konstruktion ermittelt, dass die Vormauerung keine ausreichende Schlagregendichtigkeit besaß. Zum Schutz gegen den Hamburg-typischen Schlagregen wurde das Mauerwerk deshalb hydrophob imprägniert.

Durch den Einsatz einer kapillar­aktiven Calciumsilikat-Innendämmung konnte ein großer Teil der über die Jahre eingedrungenen Feuchte im Mauerwerk zunächst verbleiben, um dann allmählich abzutrocknen.

Wie ein Schiff im Dock

Das große gestalterische, auch die Tragwerksplanung bestimmende Thema der Elbphilharmonie war, wie man einen komplizierten Nutzungsmix und v. a. einen großen Konzertsaal für 2 150 Zuhörer auf einer bedingt durch den Zuschnitt des alten Lagerhauses – relativ kleinen und trapezförmigen Grundfläche unterbringt. Die Elbphilharmonie ist mit einer Höhe von 79,10 – 110 m ein veritables Hochhaus, doch anders als im Hochhausbau üblich, konnte in großen Teilen der Konstruktion kein Tragwerk mit kurzen und regelmäßigen Stützenabständen für eine gleichmäßige Lastabtragung realisiert werden.

Stattdessen führten besonders die beiden Konzertsäle zu einer uneinheitlichen Lastverteilung im Gebäude. Können die horizontalen Lasten ganz konventionell überwiegend von den drei Treppenhauskernen aufgenommen werden, sind für die Abtragung der Vertikallasten neben regelmäßig platzierte Außenstützen auch unregelmäßig angeordnete Innenstützen erforderlich.

Trotz der ungleichen Lastverteilung musste sich das Stützenraster des Neubaus am weiterhin relevanten Raster des Speicherfundaments orientieren. Gerade jedoch der Große Saal für 2 150 Besucher negiert mit seinen Ausmaßen dieses Prinzip und wurde – auch zur akustischen Entkoppelung vom restlichen Gebäude – als eigenständiger Baukörper geplant: ein 12 500 t schweres »Ei«, das zwischen den Geschossdecken der Wohn- und Hotelnutzungen liegt und in Querrichtung zugleich bis an die Nord- und Südfassade ragt.

Seine Last wird zum überwiegenden Teil von acht großen, schräg gestellten Stützen abgeführt. Die Schrägstellung ist nicht, wie man vermuten könnte, architektonische Spielerei, sondern dient dem Zweck, die Lasten auf die vorgegebenen Fundamente hinzuführen. Die extreme räumliche Nähe des Konzertsaals zu Wohn- und Hotelräumen erforderte eine strikte akustische Trennung ­zwischen den Bereichen: So wurden die Wände des Konzertsaals doppelschalig als Box-in-Box-Konstruktion mit einem Zwischenraum ausgeführt – eine ­Lösung, die der hinzugezogene japanische Starakustiker Yasuhisa Toyota als unabdingbar erachtete. Die Raumgeometrie des Großen Saals ist dabei überaus diffizil und war eine Herausforderung nicht nur bei der Planung, sondern auch beim Bau: Obwohl sich in manchen Bereichen Außen- und Innenschale bis auf wenige Zentimeter nahe kommen, dürfen sie sich dennoch an keinem Punkt berühren, um die gefürchteten Schallübertragungen zu vermeiden. Die Saalhülle teilt sich dabei nicht nur in eine innere und äußere Schale auf, ihre beiden Schichten sind jeweils auch noch in einen »Topf« und ein darüber liegendes Dach aufgeteilt.

Die Tragwerksplaner haben für den Saal das anschauliche Bild eines Schiffs im Trockendock gefunden. Die Außenschale besteht aus einer 20 – 40 cm dicken Betonschale, dem Rumpf, an dessen Innenseite wie Spanten Betonrippen angebracht sind, die rechtwinklig zu den Längsfassaden ausgerichtet sind und sich unten im Kiel, der den Hauptträger der Schale bildet, treffen. An den kürzeren Querfassaden fächern sich die Rippen vom Kiel ausgehend strahlenförmig auf. In den Betonkessel wurde das stählerne, insgesamt 1 168 t wiegende Traggerüst der inneren Schale montiert. Man wählte Stahl zum einen, um in der weitgehend geschlossenen Betonschale überhaupt noch eine zweite Konstruktion einbringen zu können, und zum anderen, um das Gewicht nicht über Gebühr zu erhöhen: Die Fundamente, die bereits gelegt wurden, als der Philharmonie-Aufbau noch gar nicht fertig geplant war, setzten klare Grenzen. Um die akustische Trennung zu gewährleisten, wurde die innere mit der äußeren Schale über 342 Stahlfederpakete im Topf und 34 im Dach verbunden.

Doch der Vorteil der akustischen Abschirmung barg auch ­einen Nachteil: Der auf Federn ruhende Saal bildet ein Masse-Feder-System, das sich über die auskragenden Zuschauerbalkone leicht zum Schwingen anregen lässt. Mit einer Abstimmung der ­Federpakete auf eine optimierte Frequenz und der entsprechenden Steifigkeitsverteilung in der Stahlkonstruktion sowie zusätzlichen Schwingungs­tilgern im Bereich der Brüstungen konnte eine entsprechend optimale Konstruktion gefunden werden.

Höchstmass an Komplexität

Die Dachkonstruktion des Konzertsaals musste eine Weite von 50 m stützenfrei überwinden. Die Dach-Außenschale besteht aus einem 600 t wiegenden, sich von 72,5 m auf bis zu 91,5 m Höhe aufschwingenden Stahlverbund-Raumfachwerk, dessen Höhe zwischen zwei und neun Metern schwankt, und einer darauf aufgelagerten 20 cm dicken Betonschale. Diese gewaltige Konstruktion muss immense Lasten aufnehmen: nicht nur die der inneren Dachschale, die auf ihrer Oberseite fünf Schichten Spritzbeton aufweist und über Hänger und Federpakete mitsamt der sogenannten Weißen Haut darunter daran aufgehängt wurde, sondern auch die der zwischen Saal- und Gebäudedach angeordneten Technikebene. Letztere allein wiegt mit 8 000 t so viel wie 14 A380-Flugzeuge.

Dimensionierung und Lage der völlig unterschiedlichen Dach­segmente von innerer und äußerer Schale wurden mittels komplexer 3D-­Modelle der Architekten sowie der Tragwerksplaner bestimmt. Weil die Montagekräne maximal 12 t heben konnten, die Stahlträger des äußeren Schalendachs jedoch bis zu 40 t wiegen, mussten sie in zwei oder drei Montage­abschnitte unterteilt werden.

Auch die weiteren Bereiche des Dachs, das aus insgesamt acht ineinander geschnittenen Kugelteilflächen besteht, wurden als Stahltragwerk ausgeführt. Schnetzer Puskas planten hierfür ursprünglich eine Stahlrohr-Konstruktion, doch die für den Stahlbau engagierte Firma Spannverbund hielt dies für nicht realisierbar, weshalb man sich auf eine Träger-Lösung einigte. Jeder der insgesamt 1 000 geschweißten Doppel-T-Blechträger ist aufgrund der notwendigen komplizierten Geometrien und zahlloser unterschiedlicher Krümmungen ein Unikat, und nirgendwo half ein ordnendes Raster bei der Montage. Besonders die Dachrandträger sind an Komplexität nicht mehr zu überbieten: einer bringt es auf über 1 000 Stahlbaupositionen, dokumentiert auf fünf DIN A0-Plänen. In diesem Zusammenhang singen die Schweizer Ingenieure auch ein Loblied auf die deutsche Bauverwaltung: Nur weil der Prüfingenieur und das Bauamt Vorschriften nicht dogmatisch gesehen, sondern pragmatisch und mit Augenmaß auslegten, habe die Elbphilharmonie letztlich überhaupt realisiert werden können.

Kraftfluss über Umwege

Eine der zentralen gestalterischen Maximen für die Außenwirkung der Elbphilharmonie ist die klare Trennung zwischen dem steinernen alten Sockelbau und dem gläsernen neuen Aufbau, der gleichsam zu schweben scheint. Auf der einstigen Dachebene des Kaispeichers, in 38 m Höhe, befindet sich heute die jedermann offenstehende Plaza mit ihrer umlaufenden Galerie. Sie sollte als durchgehende Fuge in Erscheinung treten, die nicht durch äußere Stützen unterbrochen wird. Obwohl das Gewicht der riesigen Glaselemente des Aufbaus immens ist, wurde also auf eine außenliegende Stützenreihe auf der Plaza-Ebene verzichtet, was bedeutete, dass die Vertikalkräfte einen Umweg ins Innere nehmen mussten.

Sie werden über drei Stockwerke hinweg mittels schräger Stahlverbundstützen von der Fassadenebene in die nächste Stützenreihe hinter der Fassade geleitet. Die Deckenränder dieser drei Stockwerke wiederum sind von oben abgehängt. Um den größeren stützenfreien Eckbereich an der sich 110 m hoch auftürmenden Westseite zu ermöglichen, wurde hier noch zusätzlich zu dieser Konstruktion ein um die Gebäudeecke geführter geschosshoher Fachwerkträger in der Fassadenebene der Etage über der Plaza-Ebene eingebaut. Skulptural ausgeformte Räume, schräggestellte Stützen, elegant sich aufwärts schraubende Treppenanlagen, eine durchlaufende Plaza-Fuge und die kühne Dachlandschaft schlugen als komplexe Konstruktionen in den Kosten zu Buche. Doch dies, wie verschiedentlich geschehen, zu kritisieren heißt, das Projekt Elbphilharmonie insgesamt infrage zu stellen. Gewiss, nicht bei jedem Bauwerk sind solche Maßnahmen gerechtfertigt. Aber hier, bei diesem für die Stadt Hamburg so eminent wichtigen Haus, ist der Einsatz angemessen.

Ganz richtig sagte Jacques Herzog in einem Interview, dass die Verführungskraft und Schönheit von Architektur wichtig bleibe, weil die Poesie den Menschen offen macht, freier zu denken und wahrzunehmen. Die Schönheit der Elbphilharmonie entspringt nicht dem Einfachen, Klaren, Eindeutigen, sondern dem Komplexen, Uneindeutigen, Unsichtbaren: Wie schon bei früheren Projekten von Herzog & de Meuron wie dem »Vogelnest« oder der Allianz-Arena wird auch die Konstruktion der Elbphilharmonie verunklärt oder verborgen und wird dadurch umso präsenter. Man spürt eine physische ­Präsenz, ohne sie unmittelbar sehen zu können. Das Unmerkliche ist oftmals eindrücklicher als das Offensichtliche. Dazu befragt, vergleicht Heinrich Schnetzer von Schnetzer Puskas International dies mit dem Konzept des ­»sotto voce« in Musik und Literatur – also einer Betonung gerade nicht durch Auftrumpfen und große Lautstärke, sondern durch Dämpfung, Zurückhaltung, Flüstern. Es ist kein Wunder, dass Herzog & de Meuron bei der ­Elbphilharmonie mit Schnetzer Puskas International zusammengearbeitet ­haben: Ohne Tragwerksplaner mit solch feinem ästhetischen Gespür wäre die Elbphilharmonie nicht zu dem Meisterwerk geworden, das sie heute ­unzweifelhaft ist.



verknüpfte Zeitschriften
db 2017|05 Ingenieur Baukunst

01. März 2017Claas Gefroi
db

Viele Farben weiß

(SUBTITLE) Die Elbphilharmonie in Hamburg

Viel, fast zu viel ist bereits über die Elbphilharmonie geschrieben worden. Nun, da der immense Strom von Metaphern, Hymnen und Superlative langsam abebbt, ist die Zeit gekommen, sich eingehender und differenzierter mit diesem »Jahrhundertbauwerk« zu beschäftigen. Natürlich: Dieser für Hamburg so bedeutende Bau lädt mit seinem Reichtum an Formen und Materialien, seinen Rauminszenierungen und seiner Melange aus Alt und Neu zu Interpretationen und Assoziationen ein wie kaum ein anderes Gebäude unserer Zeit. Doch spannender als die Klärung der Frage, ob die Elbphilharmonie nun ein Wellenmeer, ein Segelschiff oder ein Eisberg sei, ist es, zu ergründen, mit welchen Mitteln die ­Architekten die besondere Wirkung des Bauwerks erzeugten.

Viel, fast zu viel ist bereits über die Elbphilharmonie geschrieben worden. Nun, da der immense Strom von Metaphern, Hymnen und Superlative langsam abebbt, ist die Zeit gekommen, sich eingehender und differenzierter mit diesem »Jahrhundertbauwerk« zu beschäftigen. Natürlich: Dieser für Hamburg so bedeutende Bau lädt mit seinem Reichtum an Formen und Materialien, seinen Rauminszenierungen und seiner Melange aus Alt und Neu zu Interpretationen und Assoziationen ein wie kaum ein anderes Gebäude unserer Zeit. Doch spannender als die Klärung der Frage, ob die Elbphilharmonie nun ein Wellenmeer, ein Segelschiff oder ein Eisberg sei, ist es, zu ergründen, mit welchen Mitteln die ­Architekten die besondere Wirkung des Bauwerks erzeugten.

Die enorme Kraft und suggestive Wirkung, die die Elbphilharmonie erzeugt, steht in einem interessanten Kontrast zu einem sich stetig verändernden Äußeren: Je nach Standpunkt, Tageszeit und Wetter erscheint der gläserne Körper über den alten Backsteinwänden des einstigen Kaispeichers A weiß, grau oder blau und schließlich, wenn die Abendsonne ihn bescheint, goldglänzend. Mal wirken die enormen Glaswände stumpf und matt, dann wieder spiegelnd und glitzernd. Und schließlich sind die großen Flächen auch noch differenziert in hell erscheinende Flächen, in denen, wie Fettaugen in einer Brühe, rundliche dunkle Flecken schwimmen. Diese Wirkung ist der speziellen Herstellung der Scheiben zu verdanken: Jedes der insgesamt 1 089 einschaligen, jeweils fünf Zentimeter dicken Fassadenelemente besitzt eine individuelle Bedruckung aus grauen Punkten für den Sonnenschutz und silbernen Chrompunkten für einen Spiegeleffekt an der Außenseite. Und schließlich sind da noch die Wölbungen der Gläser. Für seitlich angebrachte Lüftungsöffnungen sowie für Balkonbrüstungen stülpen sich zahlreiche Gläser nach außen wie die Kiemen eines Fischs. Diese gebogenen Bereiche reflektieren den Himmel und setzen so weiß strahlende Akzente.

Jeder Besucher der Elbphilharmonie, ob Konzertbesucher, Tourist oder ­Hotelgast, fährt auf einer 82 m langen Rolltreppe zunächst auf eine kleine Zwischenebene und von dort mit einer weiteren, kürzeren Rolltreppe schließlich auf die Plaza, der ehemaligen Dachebene des Speichers, die heute als Aussichtsplattform und Verteiler in die einzelnen Gebäudebereiche dient. Die rund zweieinhalb Minuten lange Fahrt ist ein Ereignis: Die Rolltreppe steigt nicht gleichmäßig an, sondern beschreibt einen Bogen, dessen Neigungsgrad von 26,5 ° an der Basis zu 8 ° am Ende abnimmt. Durch diesen Kunstgriff wird die Spannung gesteigert, denn der Besucher kann am Anfang der Fahrt noch nicht sehen, wohin ihn die Rolltreppe bringt. Der »Tube« genannte Tunnel ist matt weiß verputzt. In den Putz sind 8 000 runde glänzende, weißliche, zart irisierende Glasfliesen eingelassen. Die Verteilung dieser »Pailletten« erscheint zunächst unregelmäßig, dann doch strukturiert, wie Noten auf einem Blatt Papier. Die Atmosphäre in diesem Raum ist so eigen wie einzigartig. Die indirekte Beleuchtung von unten taucht alles in ein mystisches, diffuses Licht. Es ist ein seltsames Bild, wie das aufwendig in edle Abendgarderobe gekleidete Publikum in diesem kargen, nüchternen, hellen Raum emporfährt – so surreal wie der Anblick von Astronaut Bowman im weißen Zimmer am Ende von Kubricks »2001«.

Dieser Auftakt ist ein Zeichen. Die Elbphilharmonie ist kein repräsentativer Musentempel für die bürgerliche Elite, sondern ein Haus für Jedermann, gebaut, um Musik zu hören, zu erleben, zu verstehen. Die enormen Raumskulpturen im Innern, schon zu erahnen auf der Plaza, wirklich zu erleben aber erst in den vielen Aufgängen, Foyers und natürlich im Großen Saal selbst, zeugen von dem Willen, die Musik zu ihrem Recht kommen zu lassen – losgelöst von Konvention, Repräsentation, Elitarismus. Hier gibt es keine samtroten Vorhänge, keine holzvertäfelten Wände (außer im Kleinen Saal, wo das Eichenholz jedoch entgegen allen Traditionen für die Akustik lebhaft auf und ab schwingt) und keine goldenen Türknaufe. Der wunderbar glatte weiße Putz zeigt die mannigfaltig geknickten und gerundeten Wände und Decken als pure Formen, eine wunderbare Reduktion von Architektur auf Körper im Spiel von Licht und Schatten. Jedes Fleckchen Farbe, jedes Stückchen Verkleidung wäre hier fehl am Platze. Entsprechend zurückgenommen ist auch das Mobiliar der Foyers, aber auch in den dem Publikum verborgenen Aufenthaltsräumen für Dirigenten und Musiker: Die vom jungen Hamburger Büro Besau Marguerre zusammen mit Architekt Daniel Schöning entworfenen Stehtische und Sitzbänke sind wundervoll zarte, minimalistische Objekte mit leichten Anleihen ans Art Déco und Bauhaus, ebenfalls in Weiß gehalten. Die Designer sprechen vom Weiß nicht als Farbe, sondern davon, die Möbel »entfärbt« zu haben für einen gleichsam umgekehrten »White Cube«, in dem sich die Möbel zugunsten der Musik und der Architektur zurücknehmen. Das gelingt. Die Möbel sind präsent und ordnen sich doch jederzeit dem Raum unter. Dabei ist weiß nicht gleich weiß: Es gibt zahlreiche Nuancen von reinem Weiß bis zu Beigetönen, so wie die Stoffbezüge von grob bis fein reichen. Wie die Architekten Herzog & de Meuron mit ihren Räumen, wollen die Designer mit ihren Gebrauchsobjekten den Seh- und Tastsinn stimulieren und die Wahrnehmung schärfen – als Einstimmung auf das große akustische Erlebnis in den Konzertsälen.

Der Große Saal atmet diesen Geist: Trotz seiner enormen Höhe und der kühn geschwungenen Formen spielt er sich nirgendwo in den Vordergrund, sondern bleibt immer Diener seines Herrn: der Musik. Die berühmte weiße Haut ist dafür ein Symbol: Wände und Brüstungen sind hier weit mehr als Raumbegrenzungen – sie werden zu Trägern, ja, Erzeugern des Klangs. Die 10 000 weißen, massiven, immer unterschiedlich gefrästen Gipsfaserplatten zeugen einerseits von Individualität und Einzigartigkeit und ordnen sich doch einem großen Ganzen unter – so wie die Waben in einem Bienenstock. Auch im Saal wird auf markante Farben verzichtet: Neben dem Braun der Eichenböden und dem Grau der Sitzbezüge gibt es nur noch abgetöntes Weiß. Die zurückhaltende Farbigkeit in Verbindung mit dem warmen, sorgsam gesetzten Licht (Konzept: Ulrike Brandi) geben dem dynamischen, spannungsreichen Saal Ruhe und Konzentration, der Fokus liegt auf der Mitte mit dem Orchesterpodium und damit letztlich auf der Musik.

Wer das Glück hat, eine der nicht öffentlichen Dachterrassen zu betreten, wird schließlich auch noch die fünfte Fassade aus der Nähe betrachten können. Das Dach besteht aus insgesamt acht ineinander geschnittenen Beton-Kugelteilflächen, die von 1 000 unterschiedlich gekrümmten stählernen Dachträgern gehalten werden. Sie sind bekleidet mit über 8 000 eloxierten, weiß pulverbeschichteten, gelochten Aluminiumtellern, die das Paillettenmotiv der Tube fortführen – hier allerdings eng und gleichmäßig gesetzt wie auf einem Kleid. Wie die Glasfliesen besitzen auch diese Elemente keine Funktion außer der, dem Dach ein besonderes Gepräge zu verleihen. Das ist wichtig, denn Teile der Dachfläche sind infolge der starken Krümmungen auch von der Straßenebene aus zu sehen. Dieser Gebäudeabschluss zeigt eindrucksvoll eine weitere Nuance der Farbe: Dieses Weiß ist nicht mehr die neutrale, nüchterne Oberfläche von Körpern, sondern in seiner gleißenden Helligkeit ganz eigenständig, entmaterialisiert, dem Himmel auf eine fast metaphysische Weise nahe. So wie Musik in ihrer berückendsten Form.



verknüpfte Zeitschriften
db 2017|03 Weiß

01. Februar 2017Marcus Stäbler
Neue Zürcher Zeitung

Könnern verzeiht sie alles

(SUBTITLE) Elbphilharmonie – Eröffnungsfestival

Wie steht es denn nun wirklich um die kontrovers beurteilte Akustik in der Hamburger Elbphilharmonie? Die ersten Konzerte des laufenden Eröffnungsfestivals ermöglichten aufschlussreiche Beobachtungen.

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16. Januar 2017Christian Wildhagen
Neue Zürcher Zeitung

Nagt an Noahs Rettungskahn ein Wurm?

(SUBTITLE) Uraufführung in der Elbphilharmonie

Bei Jörg Widmanns Oratorium «Arche» musste sich die nach der Eröffnung kontrovers beurteilte Akustik der Elbphilharmonie erstmals in einer raumgreifenden Uraufführung bewähren.

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13. Januar 2017Peer Teuwsen
Neue Zürcher Zeitung

Das Schiff legt ab

(SUBTITLE) Mit den Architekten in der Elbphilharmonie

Die Basler Architekten Herzog & de Meuron hörten am Montag, zwei Tage vor der offiziellen Eröffnung, zum ersten Mal das Herz ihrer Elbphilharmonie schlagen. Bericht von einem exklusiven Abend.

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12. Januar 2017Susanne Kübler
TagesAnzeiger

Elphi, mia bella!

Die Elbphilharmonie ist eingeweiht. Alles, was sie über das Wunderwerk wissen müssen – unsere Klassik-Expertin vor Ort erzählt.

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12. Januar 2017Susanne Kübler
TagesAnzeiger

Mit Chorgeschmetter in die Zukunft

Mit einem eigenwilligen Konzert und viel Prominenz wurde gestern der Jahrhundertbau Elbphilharmonie eingeweiht.

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11. Januar 2017Christian Wildhagen
Neue Zürcher Zeitung

«Zum Raum wird hier die Zeit»

(SUBTITLE) Eröffnungskonzert in der Elbphilharmonie

Die Elbphilharmonie ist eröffnet. In einem feierlichen Festakt erklangen am Mittwochabend im Hamburger Konzertsaal die ersten Töne.

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07. Januar 2017Marcus Stäbler
Neue Zürcher Zeitung

Ein Weinberg in der Elbe

Von dem Japaner Yasuhisa Toyota hängt der Erfolg der Elbphilharmonie ab: Er kümmert sich um ihren Klang.

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Toyota Yasuhisa

07. Januar 2017Joachim Mischke
Neue Zürcher Zeitung

Wie alles begann

(SUBTITLE) Elbphilharmonie – Chronik

Hamburg verdankt die Elbphilharmonie zwei Privatleuten – und einer Reihe von Zufällen

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07. Januar 2017Wojciech Czaja
Der Standard

Der schöne Klang der Elbdisharmonie

Kommenden Mittwoch wird nach fast zehn Jahren Bauzeit und einer Vervielfachung der Kosten die Hamburger Elbphilharmonie eröffnet. Eine Geschichte voller Stolz und Skandale.

Kommenden Mittwoch wird nach fast zehn Jahren Bauzeit und einer Vervielfachung der Kosten die Hamburger Elbphilharmonie eröffnet. Eine Geschichte voller Stolz und Skandale.

Schon die erste Minute hat es in sich. Auf der 80 Meter langen Rolltreppe, die erst steil ansteigt, um in einer sanften Kurve nach und nach zu verflachen, ehe sie am Ende fast schon einem stufenlosen Förderband gleicht, zeigt sich bereits die kompositorische Anstrengung und Außergewöhnlichkeit des ganzen Hauses. Die Höhenüberwindung könnte dramatischer nicht sein. Denn während der Winkel der elektrisch dahingleitenden Treppe immer flacher und flacher wird, offenbaren sich im groben Putz an den Tunnelwänden runde, eingelassene Glasscheiben. Immer wieder klopfen die Fahrgäste mit den Fingerknöcheln dagegen. Die Fahrt lässt sie ehrfürchtig um sich blicken und verstummen.

Ehrfurchtsgebietend ist nicht nur die architektonische Wirkung des Bauwerks, sondern auch seine skandaldurchtränkte Entstehungsgeschichte. Einst hätte die Elbphilharmonie, Hamburgs jüngstes und stolzestes Wahrzeichen, 77 Millionen Euro kosten sollen. Die Bauzeit war damals für vier Jahre anberaumt. Heute steht fest, dass das in den Himmel ragende Konzerthaus der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron nach zehn Jahren Bauzeit und einem zwischenzeitlich verhängten Baustopp samt gerichtlicher Vertragsaufkündigung mit 866 Millionen Euro zu Buche schlägt. 789 Millionen Euro davon trägt die öffentliche Hand, weitere 77 Millionen Euro lukrieren sich aus Privatinvestitionen und Spenden.

„Die in den Medien kolportierten Kosten sind verzerrend und ärgerlich“, korrigiert Ascan Mergenthaler, Partner bei Herzog & de Meuron, im Gespräch mit dem Standard . „Tatsache ist, dass die Stadt Hamburg die erste Kostenschätzung gegen unseren Rat viel zu früh veröffentlicht hat. Unsere erste Ausschreibung hat ergeben, dass mit Baukosten in der Höhe von mindestens 240 Millionen Euro zu rechnen sei. Heute liegen wir bei 576 Millionen Euro, also durchaus im Bereich internationaler Konzerthäuser.“

Die restlichen 190 Millionen Euro, die die Differenz auf die so oft veröffentliche Horrorsumme ausmachen, entfallen auf Hotel und Gastronomie, auf Wohnungen und Garage, auf die gesamten Planungs- und Entwicklungskosten sowie auf einen Facility-Management-Vertrag für die nächsten 20 Jahre. Nun hat die ausgiebig ausgetragene Zahlen- und Ziffernschlacht, die die Hamburger Bevölkerung längst schon in euphorische Musikliebhaber und enttäuschte Wutbürger gespalten hat, ein Ende. Kommenden Mittwoch, den 11. Jänner, wird die Hamburger Elbphilharmonie mit einem bislang unter Verschluss gehaltenen Konzertprogramm feierlich eröffnet.

„Das Außergewöhnliche an diesem Gebäude“, sagt Mergenthaler, „ist seine Öffnung zur Stadt. Das ist kein elitäres Haus für Klassik, keine hermetische Schmuckschatulle mit samtbezogenen Sitzen, sondern eine Bühne für jeden Geschmack.“ Einerseits plant Intendant Christoph Lieben-Seutter, vormals zuständig fürs Wiener Konzerthaus und Opernhaus Zürich, eine Bandbreite von Jazz über World Music bis hin zu experimentellen Klängen. Andererseits richtet sich das Haus auch an konzertfremde Besucher. Die Aussichtsplattform in 37 Meter Höhe ist öffentlich zugänglich.

„Das Plateau, das wir auf dem Dach des alten Kaispeichers errichtet haben, ist ein Stückchen Stadt mit Treppen, Gassen, Plätzen, gläsernen Vorhängen und rundumlaufender Empore“, so Mergenthaler. Mit Stolz verweist man auf die dramatisch inszenierten Blickbeziehungen zur Nikolaikirche und zum Hamburger Michel, die sich in der 20.000 Quadratmeter großen, raffiniert gebauchten und spielerisch gepunkteten Glasfassade spiegeln. Die schwersten Glaselemente wiegen 1,2 Tonnen und kosteten bis zu 20.000 Euro pro Stück.

110 Meter misst das Haus an seiner höchsten und zugleich geografisch exponiertesten Stelle. Als würden sich die Wogen hier oben zu einer gefährlichen Brandung aufschaukeln, markiert die Elbphilharmonie unmissverständlich den Auftakt zur dahinterliegenden, Unesco-geschützten Speicherstadt. Die charakteristische wellenartige Kontur ist kein Zufall. Nicht von ungefähr erinnert die Linie an die 1963 eröffnete Philharmonie in Berlin, die seinerzeit einen radikalen Umbruch in der Konzerthausarchitektur markierte.

Eine Haut wie Krokoleder

„In der Berliner Philharmonie von Hans Scharoun wurden die Zuschauertribünen erstmals in der Geschichte rund um die Bühne gruppiert“, erzählt Ascan Mergenthaler. „Diese sogenannte Weinbergarchitektur haben auch wir uns zunutze gemacht.“ Und tatsächlich: Als hätte jemand Weinterrassen in den Beton geschlagen, steigt der Große Saal, der bis zu 2100 Menschen fasst, rund um die Bühne in asymmetrisch angeordneten Tribünen hoch.

Trotz der schier riesigen Größe wirkt der 25 Meter hohe Saal warm und gemütlich. Das liegt auch an seiner ausgetüftelten Akustik. „Wir wollten den Menschen möglichst nah an den Musiker bringen“, sagt der japanische Akustiker Yasuhisa Toyota, der den Saal rundum in eine, wie er sagt, „weiße Haut“ hüllte. Die hochverdichteten Gipsfaserpaneele, 10.000 Stück an der Zahl, weisen zig Millionen Mulden auf. Die ersten Tests erfolgten noch mit Luftballons, die in flüssigen Zement gedrückt wurden. Später dann generierte der Computer einen sogenannten Voronoi-Algorithmus. Die Struktur, die an einen Krokoleder-Negativabdruck erinnert, lässt den Schall ähnlich brechen wie in einem stark ornamentierten Barocksaal.

Symphonie mit Hartgummi

Um Brahms und Mendelssohn Bartholdy gegen vorbeischippernde Schiffshörner abzuschotten, wurde die gesamte Betonstruktur vom Rest des Gebäudes schalltechnisch komplett entkoppelt. Der Musikgenuss ruht und schwingt nun auf 60 Zentimeter großen Feder- und Hartgummi-Paketen. Allein dafür schon musste der in den Sechzigerjahren errichtete Backsteinbau, in dem einst Tee, Tabak und Kakao gelagert wurden, mit 600 Pfählen statisch ertüchtigt werden.

Die Initiative zum Bau der Hamburger Elbphilharmonie geht auf den New Yorker Projektentwickler Alexander Gérard und die Linzer Kunsthistorikerin Jana Marko zurück. Es war ihre Idee, Herzog & de Meuron zu einer Studie einzuladen und den alten, ungenutzten Kaispeicher zwischen Sandtorhafen und Grasbrookhafen – ohne internationalen Wettbewerb, wohlgemerkt – mit einem Konzerthaus aufzustocken.

Die eine Wahrheit ist: Die Elbphilharmonie ist ein Skandalprojekt mit Direktvergabe, Kostenexplosionen und unzähligen Bauverzögerungen. Die andere Wahrheit ist: Hinter dem kolossalen Jahrhundertbau standen jahrelang starke Frauen und Männer, die den medialen und politischen Angriffen mit beachtlichem Rückgrat Widerstand leisteten. Oder, wie Hamburgs Bürgermeister meint: „Zur großen Welle der Zustimmung, die das Projekt heute trägt, gehört, dass wir das schlingernde Schiff wieder auf Kurs gebracht haben.“ Und das ist der eklatante Unterschied zu anderen deutschen Baublamagen wie Stuttgart 21 und Flughafen Berlin.

[ Eröffnungsfestival am 11. und 12. Jänner 2017. Die Reise erfolgte auf Einladung von Hamburg Marketing. ]

07. Januar 2017Paul Andreas
Neue Zürcher Zeitung

Metamorphosen des Wassers

Mit dem Umbau und der phänomenalen Aufstockung des Kaispeichers im Hamburger Hafen ist Herzog & de Meuron ein Meisterwerk gelungen. Eine Betrachtung

Mit dem Umbau und der phänomenalen Aufstockung des Kaispeichers im Hamburger Hafen ist Herzog & de Meuron ein Meisterwerk gelungen. Eine Betrachtung

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07. Januar 2017Peter Kraut
Neue Zürcher Zeitung

Mit dem Klang bauen

Architektur ist gebaute Umwelt, die unterschiedlich tönt, nicht nur in Konzertsälen

Architektur ist gebaute Umwelt, die unterschiedlich tönt, nicht nur in Konzertsälen

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05. November 2016Dominique Eigenmann
TagesAnzeiger

Ein funkelndes Juwel auf rotem Sockel

Hamburg eröffnet heute den frei zugänglichen Teil der Elbphilharmonie. Das architektonische Wunderwerk von Herzog & de Meuron ist weit mehr als ein Konzerthaus.

Hamburg eröffnet heute den frei zugänglichen Teil der Elbphilharmonie. Das architektonische Wunderwerk von Herzog & de Meuron ist weit mehr als ein Konzerthaus.

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05. November 2016Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Mit geblähten Segeln

Die soeben vollendete Hamburger Elbphilharmonie setzt dem Schaffen von Herzog & de Meuron die Krone auf. Sie lässt vielschichtige Bezüge zu anderen Werken der Basler Architekten herstellen.

Die soeben vollendete Hamburger Elbphilharmonie setzt dem Schaffen von Herzog & de Meuron die Krone auf. Sie lässt vielschichtige Bezüge zu anderen Werken der Basler Architekten herstellen.

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13. Januar 2016Michael Hierner
Der Standard

Hohe Wellen am Dach der Elbphilharmonie

Die Hamburger Elbphilharmonie soll in einem Jahr eröffnet werden. Zahlreiche Fehlkalkulationen machen den Prestigebau zu einer der teuersten Baustellen Deutschlands.

Die Hamburger Elbphilharmonie soll in einem Jahr eröffnet werden. Zahlreiche Fehlkalkulationen machen den Prestigebau zu einer der teuersten Baustellen Deutschlands.

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08. Juni 2015Marcus Stäbler
Neue Zürcher Zeitung

Musikstadt im Aufwind

(SUBTITLE) Wie die Elbphilharmonie Hamburgs Kulturszene verändert

Die Aussicht auf die Eröffnung der Elbphilharmonie 2017 bringt schon jetzt frischen Wind ins Hamburger Musikleben. Kleinkrämerische Konkurrenzkämpfe sind passé, das Klima hat sich gewandelt.

Die Aussicht auf die Eröffnung der Elbphilharmonie 2017 bringt schon jetzt frischen Wind ins Hamburger Musikleben. Kleinkrämerische Konkurrenzkämpfe sind passé, das Klima hat sich gewandelt.

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24. November 2011Linus Schöpfer
TagesAnzeiger

«Wursteln ist erfolgreicher»

Die Schweizer Architekturstars Herzog & de Meuron sind wegen des Debakels um die Hamburger Elbphilharmonie heftig in die Kritik geraten. Architektur-Experte Benedikt Loderer über die Hintergründe.

Die Schweizer Architekturstars Herzog & de Meuron sind wegen des Debakels um die Hamburger Elbphilharmonie heftig in die Kritik geraten. Architektur-Experte Benedikt Loderer über die Hintergründe.

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28. Mai 2010David Nauer
TagesAnzeiger

Herzog & de Meurons Albtraum

Ein kleines Weltwunder sollen die Architekten Herzog & de Meuron in Hamburg bauen. Doch die Kosten sind explodiert, die Arbeiten stocken. Heute findet wenigstens das Richtfest statt.

Ein kleines Weltwunder sollen die Architekten Herzog & de Meuron in Hamburg bauen. Doch die Kosten sind explodiert, die Arbeiten stocken. Heute findet wenigstens das Richtfest statt.

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07. April 2010Carola Grosse-Wilde
TagesAnzeiger

Streit um Herzog & de Meurons Prestigebau landet vor Gericht

Im Streit um die Elbphilharmonie schieben sich die involvierten Parteien den schwarzen Peter zu. Nun hat die Stadt Hamburg juristische Schritte eingeleitet.

Im Streit um die Elbphilharmonie schieben sich die involvierten Parteien den schwarzen Peter zu. Nun hat die Stadt Hamburg juristische Schritte eingeleitet.

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20. September 2008Wojciech Czaja
Der Standard

Spinnen irren nicht

Die HafenCity Hamburg ist die größte Baustelle Europas. 15 lange Jahre werden Bagger und Kräne noch ihre Runden drehen, doch schon jetzt geht die Retortenstadt an der Elbe mit Beispiel voran.

Die HafenCity Hamburg ist die größte Baustelle Europas. 15 lange Jahre werden Bagger und Kräne noch ihre Runden drehen, doch schon jetzt geht die Retortenstadt an der Elbe mit Beispiel voran.

Wenn es dunkel wird, macht sich Anja Nioduschewski auf den Weg. Gummihandschuhe, Einmachglas und Pinzette gehören zur Grundausstattung der gelernten Biologin. Lange muss sie nicht suchen. Nach wenigen Schritten beugt sie sich zum Brückengeländer, stülpt das Glas übers Spinnennetz und fängt den fetten Achtbeiner ein. „Das ist aber ein großes Weibchen“, stellt Nioduschewski mit Begeisterung fest - und ab ins Labor.

Die Brückenspinne, lateinisch Larinioides sclopetarius, ist wahrscheinlich das Allerletzte, an das die Projektentwickler und Investoren der HafenCity in Hamburg gedacht haben. Doch mittlerweile ist das neue Stadtviertel an der Elbe von Abermillionen Arachniden bevölkert, ja regelrecht in Besitz genommen. Sie wohnen zwischen Geländerstäben, in Mauernischen und Lüftungsrohren oder lauern in bester Lage im direkten Lichtkegel der Laternen.

Im Auftrag der Investoren sucht Nioduschewski nun nach physikalischen, chemischen und baulichen Maßnahmen, um die Spinnenplage einzudämmen. Ziel ihrer Untersuchungen ist es, einem möglichen Wertverlust der Grundstücke frühzeitig entgegenzuwirken. Aussichtsreichste Bekämpfungsstrategie ist der großflächige Einsatz von Natriumdampf-Lampen, deren warmes, gelboranges Licht sämtlichen Insekten und Spinnentieren ein Gräuel ist.

„Die Brückenspinnen sind ein marginales Thema“, beruhigt Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, Spinnen habe es in der Hafengegend immer schon gegeben. „Natürlich versuchen wir, das Aufkommen der Tiere ein wenig einzudämmen, doch als Problem würde ich das nicht bezeichnen. Die einzige Herausforderung besteht darin, dass die Bewohner ihre Fenster wahrscheinlich öfter putzen müssen, als sie es anderswo gewohnt waren.“

Schon heute zählt die HafenCity Hamburg 1500 Einwohner. Nach Fertigstellung des neuen Stadtteils in den Jahren zwischen 2020 und 2025 wird es hier rund 5500 Wohnungen geben. Hinzu kommen 40.000 Arbeitsplätze, ein Schiffsterminal, zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten und diverse Kultureinrichtungen wie das Science Center von Rem Koolhaas oder die Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron (siehe BIld).

Damit ist die HafenCity die größte Baustelle Europas, geplant und ausgetüftelt von Städteplanern, Architekten, Soziologen, Designern und Immobilienmaklern. Die Gesamtinvestition beläuft sich, über Jahrzehnte verteilt, auf 5,5 Milliarden Euro.

Öffentliche Verantwortung

Eine völlig neue Stadt in der Stadt? Wer schon mal in Brasília oder in einer Retortenstadt heutiger Tage gestanden hat, der weiß, dass der Neubau ganzer Städte nichts Gutes zu verheißen mag. Schauderhafte Leere macht sich breit, der Mensch wird zum Handlanger der Utopisten, von städtischer Lebendigkeit keine Spur.

„Natürlich besteht wie in jedem neu gebauten Stadtviertel die Gefahr, dass eine sterile Urbanität entsteht“, erklärt Bruns-Berentelg auf Anfrage des Standard, „doch genau aus diesem Grund haben wir diesem Umstand auf breiter Basis vorgebeugt.“ Anders als in einer künstlichen Retorte schafft man hier einen Stadtteil, der an die bestehende Innenstadt angeknüpft ist. Zwei Stationen mit der neuen U-Bahn-Linie U4, an der gerade gebuddelt wird, und schon ist man mitten im Zentrum.

Die wichtigste Errungenschaft ist jedoch die Tatsache, dass Hamburg seiner ureigentlichen Aufgabe als Stadt in bester Manier nachgekommen ist. Sowohl Stadtregierung als auch die HafenCity Hamburg GmbH ließen bei den öffentlichen Gemeinschaftsplätzen und beim Gesamtbild der neuen Hafenstadt nicht locker. Projektentwickler und Investoren wurden vertraglich dazu verpflichtet, für jedes einzelne Gebäude einen eigenen Wettbewerb auszuschreiben.

Zeitgemäße Energiekonzepte dürfen dabei ebenso wenig fehlen wie hieb- und stichfeste Nutzungsvorschläge für die Erdgeschoßzone. „Wir haben darauf geachtet, dass im Erdgeschoß gemischte Nutzungen vorgesehen werden, die nicht nur dem Einzelhandel dienen“, so der HafenCity-Geschäftsführer. „Wir wollen keine Monostrukturen und auch keine Indoor-Shoppingflächen ohne jeden Bezug zum Außenraum.“

Damit die „Gentrification“, also die künstliche Aufwertung und Preissteigerung des Viertels, nicht schon beginnt, bevor die HafenCity überhaupt fertiggestellt ist, wird ein Teil des Mietwohnbaus für bestimmte Zeit eingefroren. Damit ist die Leistbarkeit mittelfristig sichergestellt.

„Wir bieten im Wohnsegment ein großes Spektrum und möchten damit unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ansprechen“, sagt Jörn Walter von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Natürlich seien die Vorgaben für Investoren sehr spekulativ. Sollte die Vermietung zu wünschen übrig lassen, werde die Stadtregierung in die Bresche springen und selbst Büroflächen anmieten. Das ist der Deal.

Die Resonanz auf die HafenCity ist zum großen Teil positiv. Der Spiegel und Die Welt, Arte und 3sat berichten regelmäßig von der Baustelle an der Elbe. Kritik bleibt freilich nicht aus. Zu teuer, zu leblos, zu durchkomponiert. Und dann auch noch die Spinnen.

Jürgen Brus-Berentelg bleibt gelassen: „Ein erstes repräsentatives Bild wird man sich erst im Sommer 2010 machen können, wenn der erste Bauteil fertig sein wird. Aber Sie brauchen nur an einem Wochenende durch die HafenCity spazieren gehen, und Sie werden sehen, was für ein Brückenschlag hier gelungen ist.“

Menschen sitzen auf den Stufen, tanzen argentinischen Tango und brettern mit Skateboards über die Brüstungen. Für ein Areal, über das sich noch für lange Zeit täglich neuer Baustellenstaub legen wird, ist das ein verblüffend gutes Zeugnis.

Zu verdanken ist das nicht zuletzt den sogenannten „weichen Faktoren“. Denn nicht nur an Häusern wird hier emsig gebaut, sondern auch an einer regen Nachbarschaft. Den Bewohnern wurde der Aufbau sozialer Organisationen angeboten. Mittlerweile gibt es in der Elb-Retorte Sportvereine, Kulturforen und Spielverbände. Die Grundschule, die kommendes Jahr eröffnet, wird in den Abendstunden als Community-Center dienen.

Lernen aus alten Fehlern

Gibt es Ängste, dass man eines fernen Tages über das Hamburger Projekt ähnlich denken wird wie heute über Astana, Brasília und Chandigarh? „Dass man in 50 oder 60 Jahren durch die HafenCity geht und mit Entsetzen an den Bau dieser Stadt zurückdenkt, schließe ich kategorisch aus. Wir sind auf einem völlig anderen Wissensstand als damals und sind sehr behutsam und interdisziplinär an die Bauaufgabe herangegangen.“

Eine Stadt kann niemals perfekt sein. Schon gar nicht, wenn sie innerhalb kürzester Zeit nach Plan wachsen muss. Mit großer Gewissheit kann man davon ausgehen, dass trotz allen Wissensfortschritts auch heute noch massive Fehler begangen werden. Erkennen wird man sie erst in Jahrzehnten.

Aber eines kann man jetzt schon sagen: Das Schlimmste wurde abgewehrt. Denn die Vorgehensweise der Stadtregierung und der Projektentwickler ist weltweit einzigartig. Viele Städte könnten sich daran ein Beispiel nehmen. So schlecht kann das Leben in der neuen HafenCity nicht sein. Der Großteil der Bevölkerung hängt schon längst in ihren Netzen und will nicht fort von hier.

Eine Baustelle erwacht zum Leben. Die neue HafenCity Hamburg ist zwar erst in Teilen besiedelt und bewohnt, doch ein netter Sonntagsspaziergang und eine argentinische Milonga sind schon drin. Fotos: HafenCity Hamburg GmbH, Elbe & Flut

Gibt es Ängste, dass man eines fernen Tages über das Hamburger Projekt ähnlich denken wird wie über Astana, Brasília oder Chandigarh? - Nein, das schließe ich kategorisch aus.

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