Am 8. November wurden im ArchitekturHaus Kärnten die diesjährigen GewinnerInnen des ZV-Bauherrenpreises ausgezeichnet. Aus insgesamt 132 Einreichungen wurden zuvor 24 Projekte nominiert. Daraus ermittelte die Hauptjury, bestehend aus Andreas Cukrowicz (Architekt, Bregenz), Donatella Fioretti (Architektin, Berlin) und Albert Kirchengast (Architekturpublizist, Wien), die sechs PreisträgerInnen des ZV-Bauherrenpreises 2019.
Alle eingereichten Projekte werden von 11. bis 29. November 2019 im Rahmen einer Ausstellung im ArchitekturHaus Kärnten zu sehen sein. Ebenso werden die Preisträger:innen und Nominierten in der Reihe „Architektur im Ringturm“ am Schottenring 30, 1010 Wien ab 4. Dezember 2019 präsentiert.
Teilnehmer
Presseschau
Ein Haus für Pegasus und Josephine
Gestern, Freitag, wurde der Österreichische Bauherrenpreis 2019 vergeben. Gewürdigt wurden dabei der Mut und die Bestellqualität der Auftraggeber. Einer der Preise ging an einen Wagyu-Stall im Hausruck.
Gestern, Freitag, wurde der Österreichische Bauherrenpreis 2019 vergeben. Gewürdigt wurden dabei der Mut und die Bestellqualität der Auftraggeber. Einer der Preise ging an einen Wagyu-Stall im Hausruck.
Pegasus, freches G’schau, sechs Monate alt, jüngster Überflieger in der Kolonie, spaziert gemütlich durch die matschige Wiese, die Hügelkuppe ist seit den frühen Morgenstunden in eine feuchte Nebelsuppe getaucht, ändert nach ein paar Schritten seine Richtung, steuert schließlich schnurstracks auf seinen Bauern zu, auf den Reindl-Hubert, wie alle im Ort sagen, und auf den Journalisten, der mit Diktiergerät gewappnet direkt neben ihm steht, um dann, plötzlich, wie einen dritten Flügel seine neugierige Zunge durchs Gatter zu strecken und genüsslich das technische Gerät abzuschlecken. Wagyu-Rinder, erste Lektion an diesem Morgen, haben eine ewig lange, anthrazitgraue Zunge.
„Das ist eine der Besonderheiten dieser Rasse“, sagt Hubert Huemer. „Denn Wagyu-Rinder sind eine sehr alte Rasse, die in Japan über viele Jahrhunderte hinweg kaum gekreuzt wurden. Aus diesem Grund konnten sich einige physische Eigenschaften wie der schlanke Körperbau und das schwarze, flauschig glatte Fell erhalten.“ Vor allem aber ist das Japanische Schwarzrind, so der offizielle Name dieser Unterrasse, für sein fettes, reichlich marmoriertes Fleisch bekannt. In Japan werden die Filetsteaks der Kobe-Luxusrinder um bis zu 600 Euro pro Kilo gehandelt.
„Davon sind wir weit entfernt“, sagt der Nebenerwerbsbauer, der den Hof gemeinsam mit seiner Frau Diana und seinen sieben Kindern bewirtschaftet, „aber mit einem Kilogrammpreis von 229 Euro ab Hof ist das Filet auch bei uns kein Schnäppchen. Jedenfalls, wenn wir schon so ein hochwertiges Produkt halten und verkaufen, dann muss auch das Drumherum stimmen – und zwar nicht nur für die Kunden, die uns hier in Atzbach besuchen, sondern auch für uns selbst und nicht zuletzt für die Kühe.“ Eine goldrichtige Entscheidung. Gestern, Freitag, wurde der außergewöhnliche Stall als eines von insgesamt sechs Projekten im Architekturhaus Kärnten, Klagenfurt, mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2019 ausgezeichnet.
2010 kam mit Josephine, heute zehn Jahre alt, die erste Wagyu-Kuh auf den Hof. In der Zwischenzeit ist die japanische Rindertruppe auf gut 40 Stück angewachsen. Für genau diese Anzahl entwarf der Wiener Architekt Herbert Schrattenecker, eine Empfehlung von Freunden aus dem Hausruck-Kreis, letztes Jahr einen Stall, der dem noblen Vieh alle Ehre erweisen sollte. Schratteneckers Antwort auf die Bauaufgabe ist ein rund 25 mal 15 Meter großes und acht Meter hohes Stabwerk aus massiver Fichte, das in seiner außergewöhnlichen Konstruktionsweise die Charakteristika von japanischem Holzbau und historischen Dachstühlen aus dem Sakralbau, wie sie in Oberösterreich immer wieder zu finden sind, in sich vereint.
„Ich habe schon einige historische Kirchen in der Gegend saniert und habe mittlerweile eine große Expertise in dieser Holzbauweise“, sagt der Architekt. „Außerdem war mir wichtig, in Anlehnung an die Herkunft der Tiere, die japanische Holzbautradition in das Gebäude einfließen zu lassen.“ Aus diesem Grund besteht das Erdgeschoß wie in Japan aus vertikalen Stützen mit horizontalen Zangen ohne aussteifende Diagonalbalken, während die Heu- und Strohbühne im Obergeschoß in Dreiecke und aufgeklappte Vordächer aufgelöst ist und somit die europäische Holzbaukultur abbildet.
„Im Gegensatz zu den meisten Holzkonstruktionen, die heute aus industriellen Leimbindern gefertigt werden, haben wir hier bis zu neun Meter lange Vollholzbalken verwendet“, so Schrattenecker. Bis auf wenige ingenieurmäßige Knoten, wo besonders große Kräfte zusammenkommen, handelt es sich bei den meisten Verbindungen um zimmermannsmäßige Zapfen, Zangen, Stirn- und Fersenversatze und klassische Falzüberblattungen. Rundherum ist die offene Konstruktion, an der man sich nicht sattsehen kann, mit Schiebeläden verkleidet, die im Hochsommer zur Querlüftung komplett zur Seite geschoben werden können.
„Für den heurigen Bauherrenpreis wurden etliche Holzbauten nominiert“, erklärt Albert Kirchengast, Vorsitzender der Bauherrenpreis-Jury. „Bei diesem Projekt jedoch gehen Baustoff, Handwerk und die Liebe zum Tier eine besondere Symbiose ein. Das ist eine archaische Wohlfühlarchitektur, in der die hohe Bestellqualität der Bauherrenfamilie deutlich zu spüren ist.“ Der Bauherrenpreis wurde 1967 von der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs (ZV) ins Leben gerufen und wird seitdem jährlich vergeben.
Beauty beim Bauen!
Schön, im Einklang mit der Umgebung und ihren Nutzern, nachhaltig in mehrfacher Hinsicht und ein Vorbild für andere Bauherren: Das sind die Sieger des Bauherrenpreises 2019.
Schön, im Einklang mit der Umgebung und ihren Nutzern, nachhaltig in mehrfacher Hinsicht und ein Vorbild für andere Bauherren: Das sind die Sieger des Bauherrenpreises 2019.
Einfamilienhaussiedlungen, die wie unheilbare Geschwüre aus den Siedlungskörpern der Dörfer herauswachsen, vom Immobilienrausch überformte Dachlandschaften in den Städten, mit hilflos kreativen Färbelungen unterteilte styroporverpackte Fassaden, vom Wettrüsten der Skigebiete verschandelte Landschaften, der Wildwuchs an Werbeflächen und Stadtmobiliar, außerhalb der Geschäftszeiten brachliegende Parkplätze der Gewerbeparks, die Kaufkraft und Leben aus den Ortszentren abziehen: Haben wir uns schon daran gewöhnt? Fragen wir uns noch, wer das verantwortet? Ist uns bewusst, dass diese Hässlichkeiten ökologische und ökonomische Auswirkungen haben?
2342 Kilometer war die Jury – Donatella Fioretti, Andreas Cukrowicz und Albert Kirchengast – des von der Zentralvereinigung der Architekten ausgelobten Bauherrenpreises durch Österreich unterwegs. Im Vergleich mit der Masse der Bausünden und baukulturellen Problemfälle schnitten wohl alle der zu beurteilenden Bauten gut ab. Besser als gewohnt ist nicht zwangsläufig gut. Architektonisch vorbildliche, innovative Projekte waren gefragt, die einen Beitrag zur Verbesserung des Lebensumfeldes leisten, und selbstverständlich ist das hohe Engagement der namensgebenden Bauherren eine Bedingung für die Zuerkennung des Preises. Da fällt das Anlegen der Maßstäbe nicht immer leicht. In kleinen Gemeinden stehen selten kommunale Bauaufgaben an; entsprechend ungeübt sind die Verantwortlichen. Wenn es gelingt, im neuen Kindergarten die Raumsituation für Pädagoginnen und Kinder eklatant zu verbessern, den Energiebedarf zu senken und mit möglichst unbedenklichen Materialien zu bauen, ist es oft schon eine große Leistung. Soll man hier also weniger streng sein als bei routinierten Auftraggebern? Nein! Sonst würde man das Mittelmaß als Vorbild etablieren.
Diese Vorbilder braucht es besonders im ländlichen Raum. Dort, wo zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung wohnen und zugleich Ortskerne veröden, ist Baukultur oft noch ein Fremdwort und werden Planer, die sich kritisch mit örtlichen Problemfeldern befassen, als Quertreiber wahrgenommen. Umso wichtiger ist es also, jene Bauherren im ländlichen Raum vor den Vorhang zu bitten, deren Leistungen exemplarisch wirken können. So wie Hubert und Diana Huemer, die im Hausruck Wagyu-Rinder züchten und sich für die Tiere einen Stall in traditioneller Holzbauweise wünschten, in dem der japanische Ursprung der Rasse anklingt. Architekt Herbert Schrattenecker, für den der Stallbau Neuland war, orientierte sein architektonisches Konzept an den Stallbewohnern: wie das Wagyu-Rind selbst sicher auf dem Hang stehend, etwas geduckt, mit starkem Körper auf festen Beinen und dennoch weich und beweglich. Das Holz stammt von Fichten und Tannen aus der Region, wurde kernfrei geschnitten, um Rissbildungen vorzubeugen, und so eingesetzt, dass die Konstruktion traditionelles Zimmermannswissen und die Möglichkeiten des Materials ausschöpft. Bis zu neun Meter lang sind die Balken, die zu einer schützenden Behausung gefügt wurden. Die statische Aussteifung erfolgt über das Dach und das obere Tragwerk, um den Rindern maximalen Bewegungsraum und dem Traktor die Durchfahrt zu gestatten. Voneinander abgesetzte, überlappende Dachflächen sorgen für Durchlüftung, die Verglasung des Firstes und der Giebel mit echtem klarem Glas statt mit transluzentem Kunststoff lässt das Tageslicht ungetrübt über die ganze Länge einfallen. Die Bauherren rühmen die „Erfahrung, Besonnenheit und aufrichtige Art“ des Architekten, der somit seine Zunft für Bauaufgaben empfiehlt, die schon längst Katalogware geworden sind. Mit viel Eigenleistung und dem Mut, Außergewöhnliches zu wagen, ermöglichte die Bauernfamilie eine Architektur, die den Ansprüchen einer modernen, nachhaltigen Landwirtschaft vortrefflich gerecht wird.
Lokale Denk- und Bauweisen übernehmen und etwas Neues schaffen, das mit unserer modernen globalisierten Welt im Einklang steht, das gelang auch bei den zwei weiteren Preisträgern in ländlicher Umgebung. Im burgenländischen Weingraben war auf dem Hof der Großmutter vom Ehemann der Enkelin schon länger Schnaps gebrannt worden, und so reifte bei Elisabeth und Claus Schneider der Wunsch, auf dem Grundstück ein Domizil für die eigene Familie zu errichten. Mit Architekt Jury Troy, Vorarlberger wie der Bauherr, aber schon lange in Wien ansässig und mit den Bautraditionen Ostösterreichs vertraut, wurde der Streckhof weitergebaut. Hinter der Scheune, die zur Schnapsbrennerei umfunktioniert wurde, entstand das neue Haus neben dem Nachbarstadel. Zwischen halbmeterdicken seitlichen Ziegelwänden ein Holzbau, verputzt mit ungefärbtem Kalkzementputz, schlicht und unprätentiös in der Sprache der Region. Raumhohe breite Fenster mit vorgelagerten Loggien sorgen für viel Bezug zum Freien, im ungenutzten Zustand machen Faltschiebeläden aus Holz das Haus blickdicht. Mit naturbelassenen Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen hinterlässt der Neubau einen mindestens so geringen ökologischen Fußabdruck wie jene Bauten, die das Bild der Gegend über Jahrhunderte prägten und heute – sofern noch vorhanden – vom Verschwinden bedroht sind.
Alt und Neu in Einklang gebracht wurden auch beim „Haus obd'r Lech“, obwohl ein erfahrener Zimmermann aus technischen und wirtschaftlichen Gründen bereits zum Abbruch des Walserhauses aus dem 14. Jahrhundert geraten hatte. Bauherr Clemens Schmölz entschied sich dennoch für den Erhalt, beauftragte eine exakte Untersuchung der Substanz und gab mit den Architekten Gernot Thurner und Matthias Hein und einer Schar von erfahrenen Handwerkern dem Haus eine neue Zukunft.
Die andere Hälfte der Preise geht in Städte, zweimal nach Wien: zum einen an die Bauherren des Stadtelefanten, errichtet und genutzt von Architekturbüros und architekturaffinen Unternehmern, geplant von Franz & Sue – ein Impulsgeber im Sonnwendviertel und ein Beweis, dass mit knappen Mitteln Schönes und Gutes gelingen kann. Zum anderen an die Bundesimmobiliengesellschaft für die an dieser Stelle („Spectrum“, 13. 10. 2018) besprochene Generalsanierung der Universität für angewandte Kunst mit den Architekten Riepl Kaufmann Bammer, wo, so die Jury, Architektur dem Prinzip Dialog mit den Nutzern und der Bausubstanz folge. An die Stadt Bregenz ging ein weiterer Preis für einen Bildungsbau, die Schule Schendlingen von Studio Bär, Bernd Riegger und Querformat: reformierte Pädagogik in großzügigen Raum aus Beton und viel Holz im Inneren gegossen.
Im September hat der Nationalrat den „Climate Emergency“ ausgerufen, das klingt schicker und weniger bedrohlich als Klimanotstand. Von den Taten, die nun den Worten folgen müssen, haben ganz viele mit dem Bauen zu tun. Also bitte „more Beauty“ und weniger sinnlos Hässliches!