Am 23. Oktober wurden im Rahmen einer feierlichen Abendveranstaltung im Werkraum Bregenzerwald die diesjährigen GewinnerInnen des ZV-Bauherrenpreises ausgezeichnet. Aus insgesamt 74 Einreichungen wurden zuvor 24 Projekte für die Shortlist ausgewählt. Daraus ermittelte die Hauptjury bestehend aus Walter Angonese (Kaltern, Südtirol), Hemma Fasch (Wien) und Otto Kapfinger (Wien) nun sechs PreisträgerInnen des ZV-Bauherrenpreises 2015.
„Als diesmal spezifisch möchten wir Folgendes ansprechen: Es fällt auf, dass die Entwicklung des Schulbaus, des gebauten pädagogischen Raumes, der generellen Bildungsreform sichtlich voraus ist und dass der geförderte Wohnbau hervorragende Einzelbeispiele verzeichnet. Geförderter, sozialer Wohn- und Städtebau auf bestmöglichem Niveau muss im öffentlichen Interesse liegen! Darum sollten in dieser Sparte endlich garantierte Qualitäten für jedes Bauvorhaben obligatorisch sein. Es fällt außerdem auf, dass die besten Projekte öffentlicher wie auch privater Bauherrn aus Wettbewerben hervorgehen – aus einem qualitätssichernden Instrument, das international die Basis vieler herausragender Bauten ist, das national dem öffentlichen Auftraggeber im Vergabegesetz vorgegeben ist.“ (Statement der Hauptjury)
Teilnehmer
Presseschau
So muss Wohnzimmer
Gestern, Freitag, wurde der Bauherrenpreis 2015 vergeben. Unter den sechs Preisträgern findet sich auch eine alle Maßstäbe sprengende Wohnhausanlage im Wiener Sonnwendviertel. Da kann man glatt vor Neid erblassen
Gestern, Freitag, wurde der Bauherrenpreis 2015 vergeben. Unter den sechs Preisträgern findet sich auch eine alle Maßstäbe sprengende Wohnhausanlage im Wiener Sonnwendviertel. Da kann man glatt vor Neid erblassen
Darf ich Ihnen ein kleines Geheimnis anvertrauen? Aber schreiben Sie das dann auch so in die Zeitung?“, fragt Ishrat Zafar. „Ach, ist doch egal.“ Sie bleibt in der Wohnungstüre stehen. Es riecht nach Curry und indischen Gewürzen. „Ich bin jetzt 40 Jahre alt, aber ich habe mein ganzes Leben lang niemals schwimmen gelernt. Ich komme aus Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, und da gibt es kaum Bademöglichkeiten. Da muss ich erst nach Wien kommen, um endlich zu schwimmen anzufangen!“
Die Einladung zur sportlichen Ertüchtigung im Schwebezustand ist in der Tat mehr als verlockend. Auf Stiege 1 gibt es ein Kellerschwimmbad mit Sauna, Dampfbad und Fitnessraum. Eintritt vier Euro, natürliches Tageslicht von oben, zwei Automaten für Cola und Kaffee, und sogar eine Südseekulisse mit Palmenstrand und azurblauem Wasser ist da. Jeden Montag ist Frauentag. Vor allem von den muslimischen Bewohnerinnen und Anrainerinnen aus der Umgebung wird das Angebot rege genutzt. An manchen Tagen, sagt Fatima, die zehnjährige Tochter, die bereits ins Gymnasium geht, stehen die Frauen Schlange bis nach draußen. „Manchmal gehe ich mit. Ich finde das Frauenschwimmen voll cool.“
Gestern, Freitag, wurde das „Wohnzimmer Sonnwendviertel“, so der offizielle Name des Wohnbauprojekts im Hinterland des neuen Wiener Hauptbahnhofs, als eines von insgesamt sechs Gebäuden (siehe unten) mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2015 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand im Werkraum Bregenzerwald in Andelsbuch statt. Der Ort ist kein Zufall, schließlich ist Peter Zumthors Handwerkerhaus einer der Preisträger des letzten Jahres. „Üblicherweise gehen Architekturpreise an die Architektinnen und Architekten“, sagt Marta Schreieck, Präsidentin der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs (ZV). „Mit diesem Preis jedoch möchten wir all jene Menschen vor den Vorhang holen, die diese Leistungen überhaupt erst ermöglichen, ja sogar einfordern. Es ist eine Würdigung der offenen, qualitätsbewussten Bauherren und Auftraggeberinnen. Ohne diese wäre die Architektur in Österreich nicht da, wo sie heute ist.“
15 Meter lange Tafel
Drei lange Riegel, viel Beton, verzinkter Stahl an der Fassade und jede Menge durchgeometrisierte Architekturkomposition im Bereich der Loggien und Balkone. Aufgelockert wird die strenge Erscheinung der Wohnhausanlage von drei roten, achtgeschoßigen Skulpturen im Innenhof. Mittels gummientengelber Brücken, die im dritten und vierten Stock durch die Luft pfeifen, werden die insgesamt 427 Wohnungen zu einer zusammenhängenden Stadt in der Stadt verbunden.
Zu so einer Stadt gehören aber nicht nur private Wohnräume, sondern auch öffentliche und halböffentliche Einrichtungen. Und davon gibt es im Wohnzimmer Sonnwendviertel jede Menge: Schwimmbad, Wellness-Center, Fitnessraum, Jugend- und Musikzimmer, eine Ausstellungsgalerie, ein kleines Theater mit Bühne und öffenbarer Glasfassade, ein Mädchenzimmer, eine Kletterhalle, einen dreigeschoßigen Indoor-Spielplatz mit Rutschenlabyrinth (Selbstversuch, Tempo, Halleluja), eine Gemeinschaftsküche mit Speisesaal, einen Grillplatz mit einer 15 Meter langen Tafel, ja sogar einen fix eingebauten Open-Air-Marktstand, der samstags von 8 bis 15 Uhr mit Bioprodukten aus den Bundesländern bestückt wird, zählen zum Ausstattungskatalog dieses vielleicht ungewöhnlichsten Wohnhauses Wiens.
Das Highlight jedoch, das sagen viele, ist der Kinosaal, der wie eine windschiefe Box im Betonwirrwarr des Stiegenhauses zu hängen scheint. Im Online-Kalender ist unschwer zu erkennen, dass das Home-Cinema mit seinen zwölf Sitzplätzen die nächsten drei Monate mehr oder weniger restlos ausreserviert ist. Vor allem die UEFA Champions League hat es den Vätern und Ehemännern angetan. Insgesamt, heißt es, betragen die Gemeinschaftsflächen rund sieben Prozent der Gesamtwohnfläche. Kein Wunder, dass das Projekt in der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins brand eins (Schwerpunkt Immobilien) als „Luxusapartment-Anlage“ mit „Vollkommunikation“ bezeichnet wird.
„Ich habe noch nie zuvor so eine Wohnhausanlage betreut“, sagt Gerhard Weißkircher. Der 48-Jährige ist Geschäftsführer von IFSM und Facility-Manager vor Ort. Pardon, Concierge heißt es hier, wird man bei einer Führung durch die Räumlichkeiten korrigiert. „Jedenfalls war für mich von Anfang an klar, dass dieses Projekt einen, wenn nicht gleich mehrere Preise abkassieren wird. Es ist einfach perfekt.“
Auch Christoph Nimmrichter, seines Zeichens Gartengestalter, der mit seiner Familie eine 64 Quadratmeter große Wohnung mit 60 Quadratmeter (!) großer Terrasse bewohnt, ist vom Wohnzimmer vor dem Wohnzimmer mehr als angetan. „Ich habe das Gefühl, dass man die Nachbarn in diesem Projekt rascher kennenlernt als in anderen Wohnhausanlagen. Es hat fast eine Art Dorfcharakter. Und das sage ausgerechnet ich, der immer in Altbauten gelebt hat und dem Neubau so skeptisch gegenüberstand!“ Die Architekten hinter dem vor einem Jahr fertiggestellten Wohnzimmer Sonnwendviertel sind die drei Büros Klaus Kada, Studio Vlay mit Lena Streeruwitz und Riepl Kaufmann Bammer Architektur. Der hier wohlweislich ausgezeichnete Bauträger nennt sich win4wien, ein Zusammenschluss der vier Wohnbauträger Neues Leben, Neue Heimat, EBG und Mischek.
„Ich freue mich über den Preis, und ich hoffe, dass das Projekt in Zukunft viele Investoren und Bauträger inspirieren wird“, sagt Michaela Mischek-Lainer von win4wien. „Es war eine ziemliche Herausforderung, das alles unter einen Hut zu bringen, und wir mussten intelligent und effizient planen, aber es ist sich ausgegangen.“ Von den 55 Millionen Euro Gesamtbaukosten wurden von Anfang an 1,9 Millionen Euro fürs Schwimmbad und weitere 300.000 Euro für die Ausstattung der Gemeinschaftsflächen reserviert. „Dieses Budget war vom ersten Tag an sakrosankt“, so Mischek-Lainer. „In diesem Bereich durfte kein einziger Cent eingespart werden.“ So muss Wohnen.
Vom Mut, das Lebendige zu wählen
„Im innovatorischen Charakter vorbildlich“ sollen sie sein und „einen positiven Beitrag zur Verbesserung unseres Lebensumfeldes leisten“: jene Bauten, die alljährlich mit den Bauherrenpreisen geehrt werden. Die Preisträger der Saison: ein Überblick.
„Im innovatorischen Charakter vorbildlich“ sollen sie sein und „einen positiven Beitrag zur Verbesserung unseres Lebensumfeldes leisten“: jene Bauten, die alljährlich mit den Bauherrenpreisen geehrt werden. Die Preisträger der Saison: ein Überblick.
Um den seit 1967 von der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten ausgelobten Bauherrenpreis zu bekommen,reicht es nicht, ansehnliche Gebäude hinzustellen. „Im innovatorischen Charakter vorbildlich“ sollen die preisgekrönten Bauten sein und „einen positiven Beitrag zur Verbesserung unseres Lebensumfeldes leisten“. Eugen Wörle, unter dessen ZV-Präsidentschaft der Preis ins Leben gerufen wurde, verlangte nach einem Bauherrn, „der seine Aktivität nicht auf den wirtschaftlichen Bereich beschränkt und im Architekten nur einen Vollzugsgehilfen sieht“. Ein Bauherr müsse von sozialer Verantwortung sein und „den Mut haben, Lebendiges, Positives und Zukunftsweisendes zu wählen anstatt Bequemes, Steriles oder Mode-Schönes“.
Betrachten wir also die heurigen Preisträger, die vergangenen Freitagabend im Werkraumhaus in Andelsbuch geehrt wurden, nach diesen Gesichtspunkten. Sechs an der Zahl hat die Jury, bestehend aus dem Südtiroler Architekten Walter Angonese, Architektin Hemma Fasch und Architekturkritiker Otto Kapfinger, ausgewählt.
Bei der Wohnhausanlage „Wohnzimmer Sonnwendviertel“ beim Wiener Hauptbahnhof hat sich das Bauträgerkonsortium „win4win“, vor allem in Person von Michaela Mischek-Lainer, von Anfang an die Latte hoch gelegt. Drei Architektenteams – Klaus Kada, Bernd Vlay mit Karoline Streeruwitz und Riepl Kaufmann Bammer – wurden zusammengespannt, um innerhalb eines Gebietes mit drei Bauplätzen kooperativ ein stadträumliches Ganzes mit 450 Wohnungen zu planen. Um das Einsparen individueller Wohnfläche zu kompensieren, wurden großzügigst gemeinschaftliche Einrichtungen wie Indoor-Spielplätze, Musikraum, Kinosaal, Gemeinschaftsküche, Fahrradwerkstatt und sogar ein auch von externen Besuchern nutzbares Schwimmbad errichtet. Die im Masterplan vorgesehene Blockrandbebauung wurde zwecks besserer Vernetzung mit dem Umfeld aufgebrochen, die interne Freifläche blieb von trennenden Maschendrahtzäunen verschont. Städtebaulich und sozialräumlich modellhaft und absolut weiter verfolgenswert befand die Jury die hier formulierten Ansätze für zeitgemäße urbane Wohnquartiere.
Geehrt wurden auch die Stadt Innsbruck, der Bauträger Innsbrucker Stadtbau und die sozialen Dienste für das Wohn- und Pflegeheim im Olympischen Dorf von Artec Architekten. Am Ufer des Inns überspannt es in fünf bis acht Meter Höhe einen Park und schafft für die Öffentlichkeit neue Angebote, wie attraktive überdachte Flächen zum Aufenthalt im Freien, die durch die entsprechende Lage von Café, Mehrzweckraum und Kapelle mit der Heimsphäre verbunden sind. Obwohl an einem nebeligen Morgen vor Ort, konnte die Jury ein „lebhaftes Ineinander aller Ebenen, ein anregenden Spiel von Innen und Außen, von Raum und Bau und einmaliger Landschaft“ erleben. – Die Tiroler Wasserkraft AG unterliegt nicht den Vergaberichtlinien öffentlicher Auftraggeber, zeigte aber dennoch baukulturelle Verantwortung und führte zur Projektfindung für die neue Leitstelle in Silz ein EU-weites Bewerbungsverfahren durch. Bechter Zaffignani Architekten positionierten den Bau als „wohlgerüsteten Wächter“ gegenüber der bestehenden Turbinenhalle und überzeugten mit der strikten Klarheit des kraftvollen Monolithen aus Sichtbeton, der auf den Kontext der Umgebung Bezug nimmt und zudem auch in energetischer Hinsicht sparsam ist.
Im Spannungsfeld Technik und Landschaft gelang Marte.Marte Architekten mit Bauingenieur Josef Galehr im Auftrag der Stadt Dornbirn ein Beispiel für Ingenieurbaukunst vom Feinsten. Gerade bei Infrastrukturbauten gehen die Ansprüche über das Notwendigste, das Bequeme und Sterile selten hinaus. Die neue Schaufelschluchtbrücke an der spektakulär über Abgründe und durch Naturtunnel führenden Straße in den entlegenen Ort Ebnit schmiegt sich wie ein skulpturales Passstück in die Natur. Eine kongeniale Zusammenarbeit zwischen Architekten und Ingenieuren und ein Musterbeispiel für einen kommunalen Bauherren, der Wert auf gestalterische Qualität legt!
Das Wettrüsten kommerzieller Interessen, gepaart mit der ästhetischen Inkompetenz zahlreicher im öffentlichen Raum agierender Behörden, die ihre Verkehrsflächen, Hinweistafeln, Blumentröge, Fahrradständer oder Mistkübel eher nach den Prämissen der (eigenen) Bequemlichkeit als jenen der Schönheit platzieren, beeinträchtigt Stadtbild und Aufenthaltsqualität. In der Salzburger Altstadt haben sich Anrainer, allen voran Franz Modrian, Bauträger und Hauseigentümer – auch mit erklecklicher finanzieller Beteiligung –, gemeinsam mit den Architekten Eduard Widmann und Erich Wagner für eine formale und funktionale Verbesserung in der rechten Altstadt eingesetzt. Die Vorschläge der engagierten Gruppierung wurden seitens der Stadt unterstützt; die gestalterischen Mittel sind wohlüberlegt und bleiben im Hintergrund. Als erfrischende Draufgabe bereichern die mit ausgetüftelter Technik in der Tradition der Salzburger Wasserkunst installierten Wasserspiele den städtischen Alltag.
Wo Steuergelder investiert werden, sollten höchstmögliche soziale und gestalterische Kriterien selbstverständlich sein und von der Bevölkerung auch eingefordert werden. Allgemeine Praxis ist in unserem angeblich für das Schöne begnadeten Volk weder das eine noch das andere. Umso mehr stechen private Unternehmen hervor, die Bauen auf sehr umfassende Weise als soziale Verantwortung verstehen. Der Firma Omicron, Weltmarktführer in der elektrischen Prüftechnik, ging es bei der Erweiterung ihres Hauptsitzes in Klaus, Vorarlberg, nicht nur darum, weitere 200 Arbeitsplätze und zusätzliche Lager- und Laborflächen in einer ansehnlichen Firmenarchitektur gut zu organisieren. Als fordernder Bauherr im besten Sinne war man Dietrich Untertrifaller Architekten ein kongenialer Sparringpartner, vertraute auf die „Kraft des Teams statt auf das Genie des Einzelnen“, agierte sozial und lupenrein ökologisch.
Das von Mitarbeitern getragene Solidaritätsprojekt „Crossing Borders“ zur Verbesserung der Ausbildung von Kindern in Schwellenländern wird in Materialien und Techniken aus dem Umfeld dieser Initiativen sichtbar. So ist einer der geschoßübergreifenden Rekreations- und Denkräume von Anna Heringer und Martin Rauch mit einem textilumspannten Zeppelin und einem Schicht für Schicht von Hand geformten Kuppelbau ausgestattet. Die flache Unternehmenshierarchie findet ihren Widerhall in – vom Reinigungspersonal bis zur Chefetage – gleichen Bürozellen mit sensuell und klimatisch wohltuenden, sägerauen Eichenböden und Wänden aus Weißtanne. Von den öffentlich zugänglichen Innenhöfen bis auf das Dach fördert eine naturnahe Freiraumgestaltung nicht nur die Entfaltung der Menschen, sondern auch jene der regionalen Flora und Kleinfauna. Man hat an alle und alles gedacht. Eugen Wörles Bauherrenideal ist nicht besser zu verkörpern.