Details

Adresse
Roncalliplatz 2, 50667 Köln, Deutschland
Architektur
Peter Zumthor
Mitarbeit Architektur
Rainer Weitschies (Projektleitung)
Bauherrschaft
Erzbistum Köln
Weitere Konsulent:innen
Heizung/Klima/Geothermie: Ingenieurbüro Gerhard Kahlert, Haltern-Hullern
Sanitär/Elektro: Ingenieurgesellschaft Friedrich Hilger, Aachen
Bauphysik: Ferdinand Stadlin Bautechnologie, Buchs (CH)
Brandschutz: Planungsgruppe Holzapfel, Bonn
Bodengutachter: Günther Coesfeld, Köln
Vermessungsbüro: MRD, Köln
Denkmalpflege: Rheinisches Amt für Denkmalpflege, Abtei Brauweiler, Pulheim, und Stadtkonservator, Köln
Archäologische Bodendenkmalpflege: Römisch-Germanisches-Museum, Köln
Wettbewerb
2007
Planung
1998
Fertigstellung
2006
Eröffnung
2007

Ausführende Firmen

Abbrucharbeiten: Gebr. Steeg, Köln/ Heinrich Strünker, Berg.-Gladb.
Baugrube Verbauarbeiten: Stump Spezialtiefbau, Langenfeld
Geothermische Bohrungen: Geopower, Neuss
Mauerwerkssanierung: Schürholz-Schäfer, Reichshof-Wenrath
Kernbohrungen: Franz Lutomsky, Warburg
Rohbau: E. Heitkamp GmbH, Köln
Kolumba-Stein: Petersen Ziegel, DK – Egernsund
Metallbau: MBM Konstruktionenen, Möckmühl
Elektro: Schmidt Elektro GmbH, Köln
Innenputz: Weck, Köln
Kunstlicht: Zumtobel Staff, Beratungszentrum Düsseldorf
Alarmsicherung: Bosch Sicherheitssysteme, Düsseldorf
Aufzugsanlage: Schmidt-Aufzüge, Medebach

Beteiligte Firmen (Quelle: db 3/08):
Kolumba-Stein: Petersen Tegl, Egernsund, DK, www.petersen-tegl.dk
Hintermauerziegel: Unipor Ziegel, München, www.unipor.de
Sichtbeton: Dyckerhoff AG, Wiesbaden, www.dyckerhoff.de
Lehmputz (innen): Claytec e.K., Viersen-Boisheim, www.claytec.com
Holzarbeiten: Schumann Möbelwerkstätte GmbH, Altenkirchen,
www.schumann-moebel.de
Beschläge: FSB – Franz Schneider Brakel GmbH Brakel, www.fsb.de
Kunstlicht (Downlights): Zumtobel Staff, www.zumtobel.com
Terrazzoarbeiten: R. Bayer GmbH, Blaubeuren, www.betonwerkstein.de
Klimatechnik: Berns Gebäudetechnik GmbH, Kleve, www.berns-kleve.de

Preise und Auszeichnungen

2009 DAM Preis für Architektur in Deutschland 2008
Brick Award 2008, Preisträger

Publikationen

Links

Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln
http://www.kolumba.de

Presseschau

02. März 2008Elisabeth Plessen
db

Vom Fügen und Feilen

Architekt: Peter Zumthor
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Jürg Buchli mit Ingenieurbüro Dr. Ottmar Schwab – Reiner Lemke
Fotos: Helene Binet, Walter Mair

Bauherr:...

»Vielleicht«, sagt Peter Zumthor über seine Architektur, »sollte man lieber nicht von Stil sprechen, sondern von einer bestimmten Herangehensweise, von...

»Vielleicht«, sagt Peter Zumthor über seine Architektur, »sollte man lieber nicht von Stil sprechen, sondern von einer bestimmten Herangehensweise, von einer spezifischen Gewissenhaftigkeit bei der Lösung der Aufgaben.« [1]. Mit dieser Gewissenhaftigkeit hat Zumthor 1997 den Wettbewerb für das Diözesanmuseum für sich entschieden. Dessen schwierige Aufgabe lautete, für die zu groß gewordene Sammlung des erzbischöflichen Kunstmuseums auf dem Ruinenfeld der ehemaligen Pfarrkirche St. Kolumba ein neues Haus zu errichten. Dabei stellten sowohl das geschichtsträchtige Grundstück als auch der Anspruch der Museumsleitung, mit dem Neubau auf der Grundlage eines erweiterten Kunstbegriffes eine zukünftige Form musealen Selbstverständnisses zu realisieren, eine Herausforderung dar.Die spätgotische Emporenbasilika St. Kolumba, einst größte Pfarrkirche Kölns, war im Krieg bis auf wenige Grundmauern zerstört worden. Inmitten der Trümmer hatte sich damals in einem Pfeiler eine spätgotische Madonna erhalten, die für die Kölner zum Symbol des Neubeginns wurde. Ihr erbaute Gottfried Böhm die 1950 geweihte Kapelle »Madonna in den Trümmern«, einen kleinen einschiffigen Bau, auf den ehemaligen Turmmauern, dem er einen lichtdurchfluteten oktogonalen Chor mit einem Zeltdach anschloss. Einige Jahre später ergänzte er sie um eine Sakramentskapelle. Bei archäologischen Grabungen um das Oktogon in den siebziger Jahren wurden dann neben römischen Siedlungsresten auch Fragmente eines aus karolingischer Zeit datierten, einschiffigen Vorgängerbaus, der in den folgenden Jahrhunderten mehrfach erweitert und schließlich durch die fünfschiffige Basilika ersetzt worden war, freigelegt.Die Kapelle, so die Wettbewerbsvorgabe, sollte erhalten und in den Neubau integriert werden, die Bodendenkmale des Grabungsfeldes mit einem Witterungsschutz versehen werden. Zumthor entwickelte das neue Gebäude konsequent auf den Mauerfundamenten der alten Pfarrkirche, übernahm deren Grundriss, überbaute damit auch die zur Kolumbastraße gehende Front der Böhmkapelle und schloss daran nahtlos im Winkel einen Nordflügel an. Lediglich die aufgehenden Mauern der alten Sakristei, in der die bei den Ausgrabungen zu Tage gekommenen Gebeine beigesetzt sind, ließ er unangetastet. In das Grabungsfeld stellte er 14 schlanke, zwölf Meter hohe Betonstützen ein, die den Verlauf des ehemaligen, leicht trapezförmig verschobenen Mittelschiffs nachzeichnen, und lagerte auf diesen sowie weiteren im alten Mauerwerk platzierten Stützen die die Kapelle und Ruinenstätte überfangende Mörteldecke auf. Darauf ordnete er den Großteil der Ausstellungsräume an. Im unterkellerten Nordflügel brachte er die Depots unter.

Blockhafte Kleinteiligkeit

Der Neubau beansprucht und dominiert den Stadtraum entlang der Kolumba- und Brückenstraße mit seinem Volumen, tritt aber gleichzeitig durch seine homogene Materialwahl in das Straßenbild zurück. Um Neues und Altes miteinander zu verbinden, entschied sich Zumthor für einen schmalen, hellen, eigens in Dänemark gefertigten Ziegel in einem warmen Weißgrauton, der mit breiten Lagerfugen gesetzt wurde und mit dem mittelalterlichen Bestand aus Ziegeln, Tuff und Basalten korrespondiert. Dieser erlaubte sowohl den behutsamen Anschluss an die Bestandsmauern als auch das großflächige, durchlässige, doppelschalige »Filtermauerwerk«, mit dem er das Grabungsfeld umfing, um dessen Außenklima zu erhalten. Glatt hochgemauert umhüllt der kleinteilige Stein das blockhafte dreigeschossige Gebäudevolumen, aus dem sich drei Türme erheben und das aus der Ferne ein wenig wie eine Trutzburg anmutet. Der flächigen Fassade wie vorgehängt, sind in den oberen Geschossen fünf große Fensteröffnungen angeordnet.

Steg zur Umkehr und gefangene Madonna

War das Foyer des im Nordflügel gelegenen Eingangs im Wettbewerbsentwurf noch als eine sich zur Straße öffnende Halle ausgewiesen, hat es sich im Laufe der vielen Überarbeitungen ins Gebäude zurückgezogen. Man betritt das Museum durch eine fast schaufensterartige Öffnung vor einer zurückgesetzten Wand, entlang der der Weg ins Innere führt und ist nach der Materialhomogenität des Äußeren fast ein wenig überwältigt von der Vielfalt der Innenausstattung; den großflächigen Muschelkalkplatten des Bodens, den unterschiedlichen Hölzern – ein Tresen aus Eukalyptusholz, Bücherregale in Roseneiche, eine in Birnbaum ausgekleidete Garderobe. Vom Foyer öffnet sich der Blick in den von einer rötlichen Stampfbetonwand eingefassten, mit Bäumen bepflanzten Gartenhof. Aus dem Foyer kann man durch einen schweren ledernen Vorhang in das Dämmerlicht des 900 Quadratmeter großen, hinter dem von außen rätselhaften Filtermauerwerk verborgenen Ausgrabungsbereich treten. Entlang eines gezackt über das Gelände gelegten roten Stegs aus Padoukholz wird der Besucher vorbei an den Ruinen und Böhms Kapelle durch die halbdunkle, von flirrend einfallendem Tageslicht und einigen Hängeleuchten erhellte Halle in die offene Sakristei geleitet, wo Richard Serras Skulptur »The Drowned and the Saved« über die Gebeine wacht. Der Weg führt zurück über den Steg – und vielleicht erst beim zweiten Durchqueren und aus dieser Perspektive erschließt sich der Raum ein wenig, erahnt man eine Ordnung in der Stellung der Betonstützen und erkennt den Aufbau des zweischaligen Mauerwerks mit seinen ausfachenden Stahlrahmen. Es scheint, als sei die Sogwirkung des intensiv roten Steges gezielt darauf angelegt, nach einem ersten, schnellen Durchqueren den Besucher zum Perspektivenwechsel aufzufordern. Dass mit dem Ruinen auch die Marienkapelle »eingehaust« wurde, hat nicht nur bei Böhm anfänglich Entrüstung hervorgerufen, sondern viele Kölner, die sie als einen Ruhepunkt im Einkaufserleben der nahe gelegenen Hohestraße sehen, in Unmut versetzt. Ihr Verschwinden aus dem Stadtbild schmerzt sie dabei ebenso wie die Erfahrung, dass die nun über einen tiefen Einschnitt in der Fassade von der Brückenstraße aus zugängliche Kapelle ihre lichte Leichtigkeit verloren hat, der Fensterzyklus der tanzenden Engel von Ludwig Gries künftig nur durch gleichmäßiges, nachträglich installiertes Licht aus der halbdunklen Halle angeleuchtet werden wird. Doch lässt sich dies als konsequente Umsetzung des Weiterbauens sehen. Ebenso wie die früheren Ausgrabungsstufen ist auch die Marienkapelle Zeitzeugnis einer anderen Epoche. So ist es folgerichtig, dass sie wie alle anderen Bauphasen auch, eingehüllt wird vom Mauerwerksverband.

Ausblicke, Kabinette, Türme und Dialoge

Die Ausstellungsräume für die sehr divergente Sammlung aus sakraler Kunst der Jahrhunderte und weltlicher beginnen kleinteilig im fensterlosen ersten Obergeschoss des Nordflügels, zu dem ein schmaler Treppenschacht hinaufführt. Der fugenlose helle Terrazzoboden ist gegen die mit einem warmen graubeigen Lehmputz versehenen Wände einen Spalt breit abgesetzt, die Mörteldecken korrespondieren mit ihnen in einem leicht gelblichen Grau. Rebecca Horns »Blindenstab«, Warhol und mittelalterlicher Schmerzensmann sollen hier – möglichst gemeinsam, so der Kuratorenwunsch – mit dem Betrachter in den Dialog treten. Erklärende Tafeln sucht man vergebens, ein kleines, am Eingang erhältliches Heftchen weist in allen Ausstellungsräumen die Kunstwerke aus. Gegen eine »Plakatierung« der Wände mit Informationen hatte sich Zumthor vehement ausgesprochen, man kann ihm nur zustimmen, denn von deren samtig-erdiger Glätte hätten sie sich zu prominent abgesetzt.Ein niedriges Kabinett, das um eine vier Zentimeter hohe Stufe versetzt, gleichsam aus der Wand ausgehöhlt zu sein scheint – so nahtlos und farblich angeglichen gehen Mörtelboden, Wand und Decke hier ineinander über – bildet eine Art Ouvertüre des im zweiten Obergeschoss bestimmenden Themas von Platz, »Kabinett-Häusern« und Türmen. Am Ende der Raumfolge, direkt über Böhms Kapellenhalle gelegen, verschließen schwere schwarze Samtportieren den Blick in das ebenfalls mit schwarzem Samt ausgekleidete Armarium, aus dessen Dunkel der fast aufdringlich angestrahlte Kirchenschatz sein Geheimnis preisgibt. Der Weg ins Licht des zweiten Obergeschosses führt über eine Himmelsleiter, über die der weißgraue Terrazzobelag, von den Wänden abgesetzt, fugenlos hinaufzugleiten scheint. An ihrem Ende öffnet sich erstmals ein raumhohes Fenster und gibt den Blick auf den Dom frei. Im eigentlichen Ausstellungsbereich über dem Gräberfeld zeichnet der Terrazzo platzartig den Verlauf des darunter liegenden Stützenrasters nach. An seinen abgesetzten Kanten gehen, einzelnen Häuserfluchten ähnlich, die Wände der Kabinette auf. Zwischen deren Fluchten öffnen sich zwei helle seitliche Plätze, die über breite, geschosshohe Fenster belichtet werden und – fast in Weiterführung des innen wahrnehmbaren Stadtthemas – Blicke auf Köln rahmen. Und an Bilderrahmen erinnern sie mit ihrer der Fassade vorgehängten Konstruktion auch von außen. Spätestens hier kann der Betrachter sich der fast aufdrängenden mehrschichtigen Lesbarkeit des Gebäudes nicht mehr entziehen. Im Verhältnis zur Raumhöhe sehr niedrige Einschnitte in die Wände führen in drei dunkel gehaltenene Eingangskabinette, an die sich helle, turmartige Räume anschließen. Hier fällt Licht aus hoch liegenden satinierten Seitenfenstern ein und unterstützt so die Sogwirkung des Raumes. Sucht man in diesem komplexen Gefüge nach Schwachpunkten, wird man im Lesesaal fündig, der vom Boden über die Wände bis hin zur Decke mit Mahagoni-Holzpaneelen in großflächiger Maserung ausgekleidet, und damit so dominant auf sich selbst und den geschosshoch gerahmten Blick auf die Stadt konzentriert ist, dass die von Zumthor speziell für diesen Raum entworfenen Sitzmöbel mit ihren fast expressionistischen Rundungen als das »Wenige zuviel« seine Ruhe stören.Inmitten dieser spannungsreichen, dabei in sich ruhenden Räumen tritt sakrale Kunst vieler Jahrhunderte mit moderner weltlicher Kunst in den Dialog und lädt den Besucher ein, daran teilzuhaben. Um diesem Platz zu geben, haben sich die Kuratoren auf zurückhaltend wenige Exponate ihrer Sammlung beschränkt und bauen darauf, dass ihr Konzept der Gegenüberstellung dem Besucher ein intensives Erleben ermöglicht und ihn wiederkommen lässt, um immer neue Gespräche in – so das Versprechen am Eröffnungstag – häufig wechselnden »Kunstgruppierungen« zu führen.Eine gelegentlich an Kolumba geäußerte Kritik lautet, Zumthor habe ein Gefäß geschaffen, in dem profane Kunst in ihrer Gegenüberstellung mit sakraler eine dieser immanente, höhere Bedeutungsebene erhalte. Damit stellt man aber eher die Mündigkeit der Besucher in Frage und überschätzt selbst die Fähigkeiten eines Peter Zumthor; deutet seine Errungenschaft in Scheitern um. Denn die Bauaufgabe lautete, einen Raum zu schaffen, der spirituelles Erleben erlaube; für den Rest ist der Betrachter verantwortlich.Fast zehn Jahre Planungs- und Bauzeit und runde 43 Millionen Euro statt der ursprünglich veranschlagten 36 Millionen hat diese gewissenhafte Lösung der Aufgabe gekostet, davon wurden fünf Millionen aus den Geldern der Denkmalpflege finanziert.

Wiederholungen und Interpretationen

Eine eindeutige Einordnung des Gebäudes fällt schwer. Es ist im eigentlichen Sinne archaisch in seiner Wirkung. Mit einer fast archetypisch zu nennenden Bilder- und Erlebniswelt spricht es tief verwurzelte Wahrnehmungsebenen an, während es formal ureigentlich in der Moderne verwurzelt ist. Es »lebt« von der verfremdenden Wiederholung bekannter Motive (Höhle, Marktplatz, Turm, Schatzkammer, Himmelsleiter) ebenso wie von der gleich- und regelmäßigen Anordnung der Materialien. Dabei lädt es zu einem Spurenlesen nach Motiven früherer Zumthor-Bauten ein. Die Schichtung der Ziegel erinnert in ihrer kantigen Abgeschlossenheit an die Therme von Vals, wo die schmalen Natursteinplatten den Eindruck der Massivität hervorrufen. Genau wie dort wird diese Masse gerade dort erlebbar, wo Zumthor die Öffnungen in die Tiefe der Wand setzt, in Vals bei den Panoramafenstern, in Köln im Eingangsbereich und dem Foyer zum Gartenhof. Der fugenlose Terrazzoboden – im Kunsthaus Bregenz dunkel – verbindet die »öffentlichen« Bereiche der Ausstellung über die Geschosse hinweg. Das Treppenhaus selbst wirkt wie ein direktes Zitat des Bregenzer – und ist doch in der Wiederholung ganz anders. Heller Terrazzo und Lehmputz vermitteln eine weiche Klarheit des Raumes, dem im Bregenzer Treppenaufgang die puristisch-klare Scharfkantigkeit des Betons entgegensteht. Und noch ein – augenzwinkerndes (?) Zitat lässt sich ausmachen: Die halbhohe Stampfbetonwand des Hofes, die den Beton der Wachendorfer Bruder Klaus Kapelle »zitiert«, hier aber statt bergender Hülle zum trennenden farbigen Kontrastelement wird und sich dabei gleichzeitig auch als Zitat der frühen römischen Siedlungen an diesem Ort lesen lässt.Die »ahnungsschwingende« Mehrdeutbarkeit, verbunden mit einer sehr klaren Formensprache, macht die Qualität von Kolumba aus. In ihr zeigt sich der lange Entwurfsprozess, das Ringen um die Selbstverständlichkeit der Form. Damit lädt das Gebäude zu einer vielschichtigen Interpretierbarkeit ein. Und ein wenig liegt darin auch seine Gefahr. »Auratisch« ist eines der Attribute, das in diesem Zusammenhang häufig genannt wurde. Zumthor selbst hat es einmal anders ausgedrückt: »Von Bauwerken, die an ihrem Ort eine besondere Präsenz entwickeln, habe ich oft den Eindruck, sie stünden unter einer inneren Spannung, die über den Ort hinausweist. Sie begründen ihren konkreten Ort, indem sie von der Welt zeugen. Das aus der Welt kommende ist in ihnen eine Verbindung eingegangen mit dem Lokalen.« [2].

Tragwerk
Die Konstruktion des gesamten Gebäudes beruht auf einem Stahltragwerk in Verbindung mit massivem Mauerwerk. Die Sicherung der Ruine und die aufwendige Gründung im archäologischen Bestand sowie das Aufmauern auf den Mauerresten der fünfschiffigen Pfarrkirche stellten eine besondere Herausforderung dar. Die 14 das obere Ausstellungsgeschoss tragenden Stützen mussten im Grabungsfeld platziert werden, ohne die Grabungsbefunde zu gefährden. In die Strebepfeiler der ehemaligen Pfarrkirche konnten weitere Stützen eingebracht und im Erdreich verankert werden. Diese tragen durch ein Fächerwerk gleichzeitig das aufgehende Filtermauerwerk ab.


Mauerwerk
Das offene Filtermauerwerk über dem Grabungsfeld schützt die Ruinen vor direktem Außeneinfluss, ohne sie vom Außenklima abzuschirmen. So können sowohl sie als auch die Bodendenkmale in einem kontrollierten Umfeld konserviert werden. Das zweischalige Mauerwerk wurde in einem festen Verbund mit den Hintermauerziegeln ausgeführt. Die Vorsatzschale aus dem sogenannten Kolumba-Stein ist zwar selbsttragend, ihre Biegesteifigkeit erhält sie jedoch nur im Verbund.

Energiekonzept:
Die Klimatisierung des Gebäudes basiert auf einem Zusammenspiel von Bauteilaktivierung und einer Geothermieanlage. Die in Massivbauweise errichteten Ziegelwände mit einer Dicke von 60 Zentimetern sowie die Betondecken sind von einem Leitungssystem durchzogen, das ganzjährig Wasser mit einer durchschnittlichen Temperatur von 18 bis 20 Grad durch die Wände und Böden transportiert. Die träge Masse wird dadurch gleichmäßig temperiert, so dass der Energiebedarf für die Heizung und Kühlung aufgrund der gleichen Bauteil- und Raumtemperatur minimiert werden konnte. Dazu wurden 16 Bohrungen in eine Tiefe von 70 Metern ausgeführt, um die dort herrschende Wassertemperatur im Winter zu Beheizung, im Sommer zu Kühlung des Gebäudes heranzuziehen. Die Zuluft wird aus dem Raum des Grabungsfeldes angesaugt und strömt über die Leuchtenauslässe in der Mörteldecke herein, die Abluft wird über die Fuge im Bodenrand großflächig abgesaugt.

Literaturverzeichnis:
[1] Ausstellungskatalog Kunsthaus Bregenz: Peter Zumthor Bauten und Projekte 1986–2007, S. 3
[2] Peter Zumthor: Von den Leidenschaften zu den Dingen, in: Architektur Aktuell, 178/1995, S. 88–96



verknüpfte Zeitschriften
db 2008|03 Mono ohne -tonie

26. November 2007Rahel Hartmann Schweizer
TEC21

Echo und Aura

In Peter Zumthors Diözesanmuseum in Köln widerhallt die 2000-jährige Geschichte der Pfarrei St. Kolumba. Das Stein gewordene Echo umhüllt die Aura. «Und wo Echo nicht ist, kann es auch keine Schilderung von Raum oder von Liebe geben.»[2]

In Peter Zumthors Diözesanmuseum in Köln widerhallt die 2000-jährige Geschichte der Pfarrei St. Kolumba. Das Stein gewordene Echo umhüllt die Aura. «Und wo Echo nicht ist, kann es auch keine Schilderung von Raum oder von Liebe geben.»[2]

Echo
«Sie, die Verschmähte, birgt sich im Wald, mit Laub das verschämte / Antlitz deckend, und lebt fortan in entlegenen Höhlen. / Aber die Liebe verbleibt und wächst vom Schmerz der Verachtung. / Wachende Sorge verzehrt den kläglich vergehenden Körper; /´Siechtum macht einschrumpfen die Haut, und die Säfte des Leibes / Schwinden gesamt in die Luft. Nur Stimme ist übrig und Knochen. /
Stimme verbleibt; zu Gestein – so sagen sie – wurden die Knochen. / Seitdem birgt sie der Wald, und nie im Gebirge gesehen, / Wird sie von allen gehört. Als Schall nur lebt sie beständig.»[1]

Das neue Diözesanmuseum erhebt sich wie eine Burg zwischen Kolumba-, Brücken-, Ludwig- und Minoritenstrasse – eine Zitadelle, eine Kasbah? Aber wehrhaft ist es nicht. Das durchbrochene Mauerwerk erinnert an die kunstvoll ornamentierten Mashrabiya der arabischen Architektur. Es umfliesst den das Grabungsfeld fassenden, über trapezförmigem Grundriss errichteten Baukörper. Um die Ecken herumgeführt, weicht es die harten Kanten auf, lockert die Mauer, nimmt ihr die Schwere über den spätgotischen Rudimenten und Gottfried Böhms in den 1950er-Jahren erbauten Kirche (siehe «Trümmermadonna»). Der Oberfläche eignet eine stoffliche Plastizität, eine optische Weichheit, die sich – mit den Augen abgetastet – samten anfühlt. Hoch liegende, seitliche Oberlichter in den Türmen brechen das Mauerwerk auf – eine Referenz an die kriegsversehrte Kirche (Bilder 5, 6).

Mittelalter und Moderne

Auf den Tag genau sechs Jahre nachdem Peter Zumthor in Köln das überarbeitete Projekt für das Diözesanmuseum präsentiert hatte, war die Öffentlichkeit geladen, das vollendete Werk zu besichtigen. 1853 vom «Christlichen Kunstverein für das Erzbistum Köln» gegründet, ist das Diözesanmuseum neben dem Wallraf-Richartz-Museum die älteste öffentliche Kunstsammlung der Stadt. Schwerpunkte sind das frühe Christentum (koptische und syrische Gewebe), Malerei, Plastik, Goldschmiede- und Elfenbeinkunst des 11. bis 16. Jahrhunderts, textile Wandbehänge und Messgewänder, Pergamenthandschriften, einzelne barocke Bildwerke und auch eine der umfassendsten Sammlungen von Rosenkränzen. Aus dem 19. Jahrhundert stammen Handzeichnungen der Spätnazarener und religiöse Druckgrafik. Als 1989 das Erzbistum Köln die Trägerschaft übernahm, präzisierte und erweiterte sich der Fokus der Sammlungstätigkeit. Das Mittelalter wurde gestärkt und das 20. Jahrhundert anvisiert – mit drei Akzenten: Werke der Klassischen Moderne, die Avantgarde um 1970 sowie zeitgenössische Arbeiten von Louise Bourgeois bis Dario Villalba.
Seit 1972 «hauste» das Museum in einem Neubau am Roncalliplatz, den es sich mit Ladenlokalen, Büros und Privatwohnungen teilte, in Räumen, die der Sammlung in keiner Weise gerecht wurden. Schon damals trug sich das Haus mit Plänen für einen Neubau, konkret wurden die Pläne für das Kolumba-Museum aber erst 1994, als die Diözese das Grundstück der Kirche erwarb. Die Museumsleitung entwickelte ein Museumskonzept, und 1996 wurde die Ausschreibung des Architekturwettbewerbs beschlossen. Aus den 167 Entwürfen erkor die Jury am 12. Juni 1997 das Projekt von Peter Zumthor.

Städtebauliches Kraftfeld

Die «Behausung» sollte der «Beheimatung» weichen. Die Kunstwerke sollten mit den römischen, den frühmittelalterlichen und den spätgotischen Rudimenten, der Verehrung der Kolumba und der Magie der «Trümmermadonna» zusammen wirken und das Museum zu einem Ort machen, an dem «Stadtgeschichte, Kirchengeschichte, Frömmigkeitsgeschichte, Sepulkralgeschichte und Kunstgeschichte» ablesbar werden.
Die Auslober waren sich bewusst, dass sie sich auf eine Gratwanderung zwischen der Respektierung der Ruinen und ihrer Ästhetisierung begaben. Delikat waren sowohl das spirituelle Vermächtnis, der mystische Charakter des Ortes, als auch die städtebauliche Situation. Kolumba liegt in einem Kraftfeld zwischen dem von Rudolf Schwarz (1955–1957) für das Wallraf-Richartz-Museum errichteten Bau, der heute das Museum für Angewandte Kunst beherbergt, den Kolpinghaus-Bauten von Dominikus (1929 / 1930) und Gottfried Böhm (1966–70), dem Opern- und Schauspielhaus am Offenbachplatz von Wilhelm Riphahn und Hans Menne (1954–57 und 1959–62) und schliesslich, jenseits der Brückenstrasse, dem Dischhaus. 1929 / 30 von Bruno Paul errichtet, dominiert es die Strassenkreuzung mit seiner imposanten Rundung und den Bandfenstern im Wechsel mit der Travertinverkleidung – unverkennbarer Einfluss von Erich Mendelssohns Stuttgarter und Chemnitzer Kaufhäuser Schocken. Architektonische Zeugnisse vergangener Jahrhunderte gibt es ausser der nahen gotischen Minoritenkirche kaum. Umso stärker wirkt die Präsenz der Domtürme, die im Hintergrund aufragen, als Magnetnadeln dieses Feldes.

Versöhnung statt Konfrontation

Zumthor orientierte sich analog zum Genius Loci, dessen 2000-jährige Geschichte sich in den Ruinen manifestiert, am Prinzip des Weiterbauens und überlagerte das Terrain mit einer weiteren Schicht – im Bestreben, Altes und Neues zu einer Einheit zu verschmelzen und nicht die beiden zueinander in Kontrast zu setzen. Das Alte wird mit dem Neuen amalgamiert, ohne die Eigenständigkeit zu verlieren, ohne zur blossen Staffage reduziert zu werden, zur nostalgisch verbrämten oder gar zur effektvoll inszenierten Ruine. Das Heterogene, Fragmentarische, das die Ruine auszeichnet, ihre historischen Narben werden zwar nicht geglättet, aber auch nicht aufgeladen, sondern in ein neues Ganzes eingebunden. «Versöhnlich» nannte Zumthor dieses Vorgehen vor sechs Jahren. Die Menschen sollen den Bau als einen einheitlichen Körper wahrnehmen und erst allmählich entdecken, dass er Brüche aufweist, alte und neue Glieder. Deshalb setzte Zumthor direkt an den bestehenden Mauerkronen an, mauerte sie auf und schützte sie gleichzeitig vor dem weiteren Verfall. Und er übernahm den trapezförmigen Grundriss, der der spätgotischen Kirche und ihrem nördlichen Annex geschuldet ist. Um die dreischiffige
romanische Kirche um zwei Schiffe zu erweitern und dennoch die ältere Strassenführung zu respektieren, kam es zu dieser Trapezform. Zumthor griff sie nicht nur im Gesamt-Layout auf, in der Umfassung seines Baus, sondern reagierte auch im Innern darauf: Die 14 im Grabungsfeld verankerten Stahlstützen, auf denen die Hauptdeckenkonstruktion aufgelagert ist, zeichnen den Verlauf der einstigen Kirche nach und markieren gleichzeitig den grössten Ausstellungssaal im 2. Obergeschoss. In diesem Saal widerhallt das einstige Hauptschiff der Kirche, in den von diesem Zentrum weggesprengten Kunstlichtkabinetten echoen ihre Seitenschiffe.

Ortspezifischer Stein

Als ortspezifisches Material hätte sich dunkelroter Backstein angeboten: «Er ist interessant für die Gegend, weil er hier traditionell häufig vorkommt, aus den Trümmern geborgen, beim Wiederaufbau eingesetzt und schliesslich auch in der Moderne – man denke an Rudolf Schwarz – auf ihn zurückgegriffen wurde. Aber, es wäre etwas platt gewesen, einfach einen normalen Backstein zu verwenden, es hätte keine Funken geschlagen», betonte Zumthor 2001. Daher liess er einen Backstein entwickeln, der von dem dänischen Ziegelwerk Petersen teilweise handgefertigt wurde. Der flache, graue Stein – das Format weist die Masse 54 × 21.5 × 4 cm auf – changiert zwischen Tönungen von Gelb, Rot, Grün, Blau und reflektiert die Materialisierung des Bestands: Ziegel, Tuff, Basalt und Onyx.
Die breiten, handbearbeiteten Lagerfugen verstärken den lehmigen, samtenen Touch der Wand, die im Bereich des Filtermauerwerks, wo sie auf das Grabungsfeld verweist, gar textil wirkt: «Pullovermauerwerk» nennen es denn auch die Ingenieure (siehe «Implantiert»). Es hat funktionale Bedeutung und ästhetische Wirkung. Da die Kirchenruine aus konservatorischen Gründen eines Aussenklimas bedarf, wird sie mittels dieses perforierten Mauerwerks belüftet. Ästhetisch ist es das Lichtspiel, das frappiert. Da der Abstand zwischen Aussen- und Innenschale einen Hohlraum bildet und die Perforierung der äusseren gegenüber derjenigen der inneren Mauer leicht versetzt ist, wird das Licht nicht nur gefiltert, sondern auch gestreut. Es streicht wie ein Windhauch über die Decke, rieselt in Sprengseln auf das Grabungsfeld, malt Lichtscheiben auf Boden und Wände: Ruinen, die nicht wie der Phoenix aus der Asche erstehen, sondern je nach Lichteinfall aus dem Halbdunkel auftauchen und wieder in die Vergessenheit zurücksinken. Zur Treue gegenüber dem Ort gesellt sich die Ehrlichkeit der Konstruktion (siehe «Implantiert»).

Wunderkammern statt «white cubes»

Von der Ecke Kolumba- / Brückenstrasse ist die Kirche, das Glasfenster in der Westwand des von Gottfried Böhm errichteten Baus Blickfang. Der Eingang zum Museum weiter nördlich in der Kolumbastrasse macht nicht viel Aufhebens, ist keine grosse Geste, führt über einen Windfang in das Foyer mit Kasse, Buchauslage und Garderobe. Diese wirkt ebenso wie die Bücherregale und die Theke aus Eukalyptusholz wie ein Möbel in den Raum gestellt. Vom Foyer öffnet sich nach Osten der Museumshof, der den ehemaligen Friedhof respektiert. Die «Grosse Liegende» des Bildhauers Hans Josephson ist das adäquate Ausstellungsstück für den Garten, der ausserdem mit elf Gleditschien (falscher Christusdorn) bepflanzt ist. Am Nordende des Foyers führt der Weg einerseits zum Ausgrabungsfeld, das auf einem Steg aus Padoukholz als Zickzackparcours – vorbei an Gottfried Böhms Oktogon – passiert werden kann, der in der ehemaligen Sakristei mit dem Werk von Richard Serra «Die Untergegangenen und die Geretteten» auf der Westseite endet. Andererseits sind von hier aus die Ausstellungsräume in den beiden Obergeschossen erschlossen.

Zumthor vermied es, die Säle in einer gleichförmigen Flucht aneinanderzureihen. Vielmehr konzipierte er einen fliessenden Raum, der im 1. Obergeschoss, das nur den westlichen Flügel besetzt, an zwei Wunderkammern – «Kabinett» und «Armarium» –, im 2. Obergeschoss am Lesezimmer vorbeimäandriert, ehe sich der Weg über dem Grabungsfeld zu jenem Raum öffnet, der den Grundriss der einstigen Kirche absteckt. Jeweils paarweise säumen Nordturm und -kabinett, Ostturm und -kabinett sowie Südturm und -kabinett diesen zentralen Kern. Durch seitliche Oberlichter fällt gedämpftes Licht.

Die Wunderkammern – nicht im Sinne des von Julius von Schlosser geprägten Terminus technicus verstanden, sondern ihrer Intimität und ihres kostbaren Inhalts wegen so bezeichnet – wirken, als schwebten sie im Baukörper, obwohl der ganze Bau fugenlos erstellt wurde: Dazu tragen der Lüftungsschlitz, der an den Rändern des Terrazzobodens verläuft, und eine 4 cm hohe Schwelle bei. Ausserdem differiert die Materialisierung: Im «Kabinett» weicht der Terrazzo einem Mörtelboden, im mit schwarzem Samt ausgeschlagenen «Arma­rium» einem schwarzen Terrazzo, und das Lesezimmer präsentiert sich als edles Mahagoni­holzkästchen.

«Flüchtige» Farben, «verschwindende» Technik

Die karge Materialisierung, die Reduktion der Farbenpalette, die Lichtführung und das Unsichtbarmachen der technischen Installationen machen die sakrale Stille in dem Museum aus. Das Energiekonzept, das auf Bauteilaktivierung und Geothermie beruht, machte es möglich, die Technik in Decken und Böden zu integrieren. Die Frischluft, die aus dem Raum über dem Grabungsfeld gewonnen wird, dringt über die Leuchtenauslässe der Mörteldecke ein und wird über die Bodenrandfuge abgesaugt.
Während ein Hauch vom Goldfarbton des Kolumbasteins der Wände, des Jurakalks des Bodens und der ocker getönten Stampfbetonumfriedung des Museumsgartens dem Foyer Feierlichkeit verleiht, verflüchtigen sich die Farben in den Obergeschossen und weichen einem mehrstimmigen Klang von Grautönen. Die Intonation dieses Kanons übernehmen die Materialien von Böden (Terrazzo), Wänden (Lehmputz), Decken (auf eine Schalung gegossener Mörtel) und halbtransparenten seidenen Vorhängen. Die Koloratur rührt von der sich wandelnden Lichtstimmung und den variierenden Raumdimensionen. Die Räume nehmen sich zurück, aber es sind keine «white cubes», welche die Kunstwerke unter Vakuum setzen. Zumthors Räume atmen – und sie sind verletzlich: Das fugenlose Bauen verur­sacht Haarrisse, welche Böden und Decken überziehen – ein Echo auf die Versehrtheit der Ruinen. Atmosphäre schafft der Architekt auch, indem er im 2. Obergeschoss die Stadtlandschaft mit raumhohen Fenstern einfängt und in den Kunstkontext einbezieht.

An der Präsentation des überarbeiteten Projekts vor sechs Jahren wurde Zumthor als «Architekt der Erinnerung» tituliert. Wenn Erinnerung auch die Wiedererfindung der Vergangenheit meint, ihr Echo als Stein und Stimme, dann wird aus «Eher, den Tod, als dass du mir nahtest in Liebe!» (Narziss) «Dass du mir nahtest in Liebe!» (Echo).

Anmerkung
[1] R.Suchier, E.Klussmann, A.Berg: Ovids Werke, deutsch in den Versweisen der Urschrift, Metamorphosen,
III. Buch, Berlin-Schöneberg, Langenscheidt, 1855–1919, Verse 393–399.
[2] Mark Z. Danielewski: Das Haus. Roman. Aus dem Englischen von Christa Schuenke unter Mitarbeit von Olaf Schenk. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2007, S. 67.



verknüpfte Zeitschriften
tec21 2007|48 Kolumba

26. November 2007Rahel Hartmann Schweizer
TEC21

Trümmermadonna

Auf dem Gelände der Kolumba-Kirche in Köln lagert eine 2000-jährige Baugeschichte. In den 1970er-Jahren wurden die Schichten frei gelegt. Sie zeugen vom Wechsel von Bauen, Erweitern und Abbrechen. Nie aber waren die Eingriffe so einschneidend wie im II. Weltkrieg.

Auf dem Gelände der Kolumba-Kirche in Köln lagert eine 2000-jährige Baugeschichte. In den 1970er-Jahren wurden die Schichten frei gelegt. Sie zeugen vom Wechsel von Bauen, Erweitern und Abbrechen. Nie aber waren die Eingriffe so einschneidend wie im II. Weltkrieg.

Zu Tage gefördert wurden die Schichten 1974–76 durch die von Sven Seiler geleitete Ausgrabung. Sie bezeugen erste Siedlungsspuren aus dem Jungneolithikum (4300–3500 v. Chr.) . Die mehr oder weniger kontinuierliche 2000-jährige Bautätigkeit gliedert sich in die römische Phase der Insula (Wohnblock) innerhalb des durch die ehemalige Bursgasse, Minoriten-, Kolumba- und Brückenstrasse gebildeten Rechtecks – Reste von Fussbodenheizungen, Wasserbassins und Wandputz legen Zeugnis über ein Wohnviertel vornehmer Römer ab – und in die christliche Periode des Sakralraums. Die frühesten römi­schen Funde stammen aus der 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Es handelt sich um Gruben, denen Lehm entnommen wurde. Die zweite Siedlungsphase entstand um 50 n. Chr., als Köln zur «Colonia» erhoben wurde . In der mittleren Kaiserzeit (2. / 3. Jh.) wurden Fussbodenheizungen (Hypokausta) , Ende 3. / Anfang 4. Jahrhundert Färberbecken in die Häuser eingebaut . Trotz der Frankeneinfälle wurde in spätrömischer Zeit (2. Hälfte 4.  / 1. Hälfte 5. Jh.) weitergebaut.

Zum Dreh- und Angelpunkt der späteren Bebauung wurde ein römisches Haus, das im 7. / 8. Jahrhundert mit einer Apsis versehen wurde: der erste christliche Kultbau . Im 8. oder 9. Jahrhundert errichtete man neben dem umgebauten Haus eine einschiffige Kirche mit eingezogener Ostapsis, die für die folgenden Kirchen richtungsweisend war . Diese Saalkirche wurde im 11. Jahrhundert durch eine dreischiffige Anlage ersetzt . Die beiden Seitenschiffe endeten in rechteckig ummantelten Konchen (halbrunde Nischen). Die Apsis des Langhauses ragte über diese hinaus. Man erweiterte diese Kirche durch eine Verlängerung der Seitenschiffe, die nun ebenfalls mit aussen sichtbaren Apsiden abschlossen . In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erhielt das Mittelschiff eine neue, längere Apsis . Damit hatte die querschifflose Kirche einen Staffelchor. Erst in dieser Bauphase scheint im Westen vor dem Mittelschiff eine Vorhalle errichtet worden zu sein.

Der folgende Neubau aus dem 12. / 13. Jahrhundert wurde als vierschiffige Anlage errich-tet – wobei das vierte südliche Seitenschiff wegen des Verlaufs der Brückenstrasse um zwei Joche kürzer war und nach Westen hin schmaler wurde. Die Vorhalle im Westen wurde durch einen ca. 25 m hohen Westturm ersetzt.

Der spätgotische Neubau datiert ins 16. Jahrhundert und war eine fünfschiffige Kirche mit hallenartigen Seitenschiffen. Im Osten der Seitenschiffe schlossen sich zwei Räume an, die durch je einen zentralen Pfeiler in vier Joche gegliedert waren. Diese beiden Räume wirkten wie ein Querhaus. Prägnant in Erscheinung trat die an das Seitenschiff angebaute, von Bürgermeister Godert von Wasservass gestiftete Georgskapelle (Taufkapelle). Wie beim Vorgängerbau führte die Grundstücksgrenze an der Brückenstrasse zu einem eigenwilligen Grundriss des südlichen Seitenschiffes. Das äussere Seitenschiff wurde nach Wes­ten hin schmaler, sodass unregelmässige Grundrisse entstanden.

Im Barock wurden der Haupt- und zwei Nebenaltäre eingebaut sowie die Hauptapsis erneuert. Nach den Zerstörungen des II. Weltkriegs baute Gottfried Böhm die Kapelle «Madonna in den Trümmern» (1950) und die Sakramentskapelle (1956).

Verehrung

Die Bombardements im II. Weltkrieg hatten Köln zu 90 Prozent zerstört und die Altstadt in ein Trümmerfeld verwandelt. Auch von der Kirche St. Kolumba standen nur noch Teile des Skeletts: Nord- und Südmauer, ein Turmstumpf und die Statue der stehenden Madonna mit Kind, die sich nahezu unversehrt aus Schutt und Asche erhob. Oberpfarrer Joseph Geller erkannte in ihr die Kraft des Gedenkens und verhinderte ihren Abtransport, damit «der mystische Gehalt dieses Geschehens (nicht) seines Inhalts beraubt würde».
Es herrschte Einmütigkeit, die Kirche nicht in rekonstruierender Weise wiederaufzubauen: «St. Kolumba besteht nur noch aus Mauerresten. Hier ist nur ein völliger Neubau unter Verwendung dieser Reste möglich», schrieb Dombaumeister Willy Weyres. Und Geller seinerseits war der Moderne verpflichtet, hatte er doch 1909 Peter Behrens mit dem Bau des Gesellenhauses in Neuss beauftragt. Er versuchte erst Rudolf Schwarz (1897–1961), dann Dominikus Böhm (1880–1955) zu gewinnen. Letzterer übergab die Sache seinem Sohn Gottfried. Noch nach der Grundsteinlegung am 8. Dezember 1949 modifizierte Böhm sein Projekt und gestaltete den kreisförmigen Chorabschluss in ein achtseitiges verglastes Polygon um – Ludwig Gies schuf dafür 1954 die farbigen Engelfenster. Man hat darin das Weiterwirken des Glashauses gesehen, das Bruno Taut für die Werkbundausstellung 1914 in Köln errichtete. Statt wie vorgesehen mit einem Faltdach, wurde das Oktogon mit einem Pyramidendach gedeckt. Trümmermaterial wurde gleichsam als Spolien intergriert. Böhms mystisch-dunkler Sakramentsraum, der sich nördlich an die Kapelle anschliesst, entstand 1956. Zu dessen Ausstattung entwarf Böhm einen Altar und vier raumhohe Kerzenbäume aus weiss-grau geädertem Marmor. Die Ostwand der Sakramentskapelle gestaltete der Gies-Schüler Rudolf Peer (geb. 1932) mit einem in die Basalt-Wand eingemeisselten Kreuzweg. Die seelsorgerische Betreuung der Kapelle obliegt den Franziskaner-
minoriten, deren Kloster 1956 in unmittelbarer Nachbarschaft errichtet worden war, nun aber dem Museum weichen musste. Die Mönche wurden an die Tunisstrasse umgesiedelt.



verknüpfte Zeitschriften
tec21 2007|48 Kolumba

25. November 2007Karin Tschavgova
Spectrum

Akribisch, auratisch, magisch

Er gilt als unbeirrbar und kompromisslos: Peter Zumthor. Sein jüngstes Werk, das Kolumba-Museum in Köln, ist ein überzeugender Bau fernab marktschreierischer Methoden.

Er gilt als unbeirrbar und kompromisslos: Peter Zumthor. Sein jüngstes Werk, das Kolumba-Museum in Köln, ist ein überzeugender Bau fernab marktschreierischer Methoden.

Er gilt als unbeirrbar, kompromisslos und schwierig. Wer sich auf Peter Zumthor einlässt, mit ihm bauen will, muss wissen, dass er es mit einem Architekten zu tun hat, der darauf besteht, eine Idee so lange und gründlich zu entwickeln, bis daraus ein bis ins kleinste Detail seinem Anspruch genügendes, „stimmiges“ Bauwerk wird. Mit solcher Akribie, in der Kritiker auch übertriebenen Perfektionismus sehen, ist der Architekt der Autonomie eines Komponisten oder Autors näher als der Haltung eines Architekten, der sich als Dienstleister versteht.

Die Ergebnisse Zumthor'scher Beharrlichkeit können sich sehen lassen: Die Therme Vals, das Kunsthaus Bregenz und nun auch das Kolumba in Köln, von dem hier die Rede ist, sind als auratische Gebilde, denen auf den ersten Blick vielleicht Sprödigkeit anhaftet, magisch anziehend, weil sie selbst dem ungeschulten Blick etwas verheißen.

Vor elf Jahren gewann Zumthor den Wettbewerb für ein neues Museum, in dem die Erzdiözese Köln ihre umfangreiche Kunstsammlung unterbringen wollte. Die Aufgabe war schwierig, weil der Bauplatz kein unbebautes Stück Grund war, sondern ein geschichtsträchtiges Areal, auf dem sich die Mauerreste der im Zweiten Weltkrieg zerstörten gotischen Kolumbakirche mit den 1970 freigelegten Mauern aus 2000 Jahren sakraler und profaner Stadtgeschichte überlagerten. Dazu kam eine beliebte Andachtskapelle von Gottfried Böhm, die 1950 auf dem Ruinenfeld errichtet wurde.

Zumthors Lösung ist ungewöhnlich. Er stellt Alt und Neu nicht als Gegensatzpaar nebeneinander, sondern folgt dem trapezförmigen Umriss der früheren Kirche und baut fugenlos auf den Resten des Mauerwerks auf – ganz so, als sollten die offenen Wunden nun endlich geschlossen werden. Auf Straßenniveau ist das Museum größtenteils ein Überbau, der das archäologische Feld ebenso wie die Kapelle in eine mächtig-hohe Halle einschließt, die Innen- und Außenraum zugleich ist. Ein von einem unregelmäßigen, doch vorgegebenen Lochmuster durchzogenes Filtermauerwerk aus einem eigens entwickelten Backstein umhüllt den Raum, belüftet ihn und erzeugt, je nach Tageszeit und Lichtintensität, feierliches Dämmerlicht oder fröhlich-bewegte Lichtpunkte an den Wänden. Über die Halle wird, absatzlos, nur durch den Wechsel von gelochtem zu massivem Mauerwerk zu erahnen, der eigentliche Ausstellungsbereich geschichtet.

Im Stadtraum präsentiert sich das Museum als hochaufragender, nahezu wehrhaft wirkender Monolith, dessen Gliederung sich auf unterschiedliche Höhen der Dachsaumkanten, auf einen einzigen Rücksprung und auf wenige großformatige Fenster beschränkt, die ohne von außen erkennbare Logik gesetzt wurden. Schon hier zeigt sich das Können des Architekten. Er treibt ein subtiles Wechselspiel zwischen Öffnen und Verbergen, das neugierig macht.

Während der Kapelle, ihrer Bedeutung gemäß, ein eigenes Entree zugestanden wird, ist die große Halle, die auf dem Zickzack eines roten, edlen Holzstegs durchquert wird, nur vom Museum aus zugänglich. Den Eingang dazu muss man erst einmal finden. Keine aufgebrochene Ecke, kein voll verglastes Foyer gibt Hinweise darauf. Der Museumszugang ist ein einfacher, wennauch überdimensionaler Glaseinschnitt in der Fassade, hinter den die Backsteinwand um Gangbreite zurücktritt. Der Besucher wird in einem intimen, von Holz dominierten Raum, der Kasse, Buchverkauf und Garderobe zugleich ist, persönlich empfangen. Danach, in der Ausstellung, ist er auf sich selbst gestellt, muss seiner Intuition und Urteilskraft vertrauen, weil ihm jegliche Erklärung verweigert wird. Die Kuratoren setzen auf die schöpferische Kraft und den ästhetischen Wert jedes Kunstwerks und stellen wie selbstverständlich alte Sakralkunst zeitgenössischen profanen Arbeiten gegenüber – etwa die Holzfigur eines Schmerzensmannes aus dem 16. Jahrhundert den Kreuzbildern von Andy Warhol.

Die 16 Ausstellungsräume im ersten und zweiten Obergeschoß sind stimmig, es gelingt Zumthor grandios, eine Atmosphäre zu erzeugen, die dem Betrachter ermöglicht, Kunst konzentriert und eingehend wahrzunehmen. Er setzt auf wenige übergroße Ausblicke in den Stadtraum, reduziert die Anzahl der Werkstoffe und Farben, vermeidet jegliches Dekor. Die Wirkung schlichter Materialität wird überhöht: Glatte graue Lehmputzwände, homogen gegossene Mörteldecken und feinkörniger Terrazzo bestechen durch perfekte Ausführung, sorgsamste Detailarbeit und feinste Farbnuancierung. Dass man nicht ermüdet, liegt am kontinuierlichen Wechsel von Lichtführung und Lichtdosierung und an der präzise komponierten Folge von Räumen mit unterschiedlichem Zuschnitt. Weihevoll hohe turmartige Räume, die Licht über seitliche Oberlichter erhalten, werden über künstlich belichtete Kabinette erschlossen, die sich um einen zentralen Saal gruppieren. Er endet in Seitenflügeln, die von raumhohen Verglasungen, waghalsig vor die Fassade gesetzt, bestimmt sind.

Kein Zweifel, mit diesem Kunsthaus ist dem Architekten ein Gegenentwurf zu jenen Häusern im gegenwärtigen internationalen Museumsbauboom gelungen, die sich einseitig an Marketingstrategien orientieren und einander im Wettstreit mit formaler Exzentrik zu überbieten suchen. Und dennoch: Wie die Therme Vals und die Bruder-Klaus-Kapelle wurde das Kolumba in kürzester Zeit zum Ziel unzähliger Kunstsinniger. Vielleicht, weil Zumthors Werk trotz seiner jede Beredsamkeit verweigernden Haltung, immer Achtsamkeit ausdrückt und Respekt vor dem Menschen und seinem Bedürfnis, in Räumen aufgehoben zu sein.

22. September 2007Hubertus Adam
Neue Zürcher Zeitung

Reduktion und Sinnlichkeit

(SUBTITLE) Peter Zumthors minimalistisch strenger Neubau des Kunstmuseums Kolumba in Köln

Am vergangenen Wochenende wurde das Kunstmuseum Kolumba des Erzbistums Köln eröffnet. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor setzt damit seine Auseinandersetzung mit dem Thema Museum fort – und fügt der historischen Stratigrafie der Stadt Köln eine Schicht hinzu.

Am vergangenen Wochenende wurde das Kunstmuseum Kolumba des Erzbistums Köln eröffnet. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor setzt damit seine Auseinandersetzung mit dem Thema Museum fort – und fügt der historischen Stratigrafie der Stadt Köln eine Schicht hinzu.

Museumsboom allerorten. Ende März veröffentlichte die «New York Times» eine Übersicht von 46 Museumsprojekten, die bis zum Jahr 2010 in den USA verwirklicht werden sollen. In Abu Dhabi versucht man, die touristische Zukunft des Emirats mit spektakulären Kulturbauten zu sichern; und mit dem Louvre-Ableger in Lens sowie der Centre-Pompidou-Dépendance in Metz gewinnen die prominentesten Ausstellungsinstitutionen Frankreichs demnächst neue Spielstätten. Auch dort setzt man auf prominente Architekten, nämlich von Sanaa und Shigeru Ban. Das Kunstmuseum, das der Churer Peter Zumthor im Auftrag der Erzdiözese Köln errichtet hat und das am vergangenen Wochenende eingeweiht wurde, trägt schlicht den Namen Kolumba. Auch Zumthor ist ein klingender Name im internationalen Architekturbetrieb, über Besucherzahlen wird das Museum nicht klagen müssen. Doch weder der Architekt noch die Auftraggeber wünschten sich ein Museum des Spektakels – Zurückhaltung ist das Prinzip: Man betritt das Vestibül durch eine verglaste Öffnung in der Front, ohne von aussen in das Foyer blicken zu können. Anstelle des Cafés findet sich ein Lesesaal; und die verwendeten Materialien und Oberflächen sind auf den Farbklang Grau-Ocker reduziert.

Alt und Neu

Das Diözesanmuseum, 1853 gegründet und nach dem Zweiten Weltkrieg 1972 am Roncalliplatz südlich des Doms wiedereröffnet, entschied sich in den neunziger Jahren zu einem Neubau. Dafür fand man mit dem Areal von St. Kolumba einen geeigneten Standort. Die 1945 zerstörte Kirche hatte aus einem immer wieder vergrösserten baulichen Konglomerat bestanden. Ein romanischer Ursprungsbau, der auf römischen Relikten wurzelte, war sukzessive zu einer fünfschiffigen gotischen Kirche mit einem ungewöhnlichen trapezoiden Grundriss geworden; am Ende des Zweiten Weltkriegs standen von dem Gotteshaus nur noch einige Umfassungsmauern.

Als ein populäres Hoffnungssymbol des zerstörten Köln galt eine Marienstatue am Choreingang, welche die Katastrophe unversehrt überstanden hatte. Nach einem Entwurf von Gottfried Böhm wurde 1950 in dem Ruinenfeld die Kapelle «Madonna in den Trümmern» errichtet, ein kleiner einschiffiger Bau mit einem lichtdurchfluteten Oktogon. Der mit leuchtenden Glasfenstern von Ludwig Gies ausgestaltete Sakralraum, der 1956 durch eine Sakramentskapelle ergänzt wurde, gilt in seinem zurückhaltenden und doch hoffnungsfrohen Gestus als Inkunabel der Wiederaufbauarchitektur in Deutschland.

Die Architekten, die 1997 am Wettbewerb für das neue Museum teilnahmen, hatten eine anspruchsvolle Aufgabe zu bewältigen: Sie mussten auf dem vergleichsweise begrenzten Terrain einerseits Ausstellungsräume errichten; andererseits galt es, die Kapelle einzubeziehen – sowie die archäologischen Ausgrabungen, die man auf der Ostseite um das Oktogon herum in den siebziger Jahren unternommen hatte. Zumthor vermochte die Jury mit einer Idee zu überzeugen, die auf dem Konzept des Weiterbauens beruhte und die bestehenden Strukturen, also das noch vorhandene Mauerwerk der Kirche, in den Neubau einbezog. Der Grundriss des Neubaus folgt exakt dem Volumen der früheren Kolumbakirche samt ihrem nördlichen Annex. Damit ergibt sich eine winkelförmige Struktur, die sich in einen nach Norden orientierten Flügel entlang der Kolumbastrasse sowie einen breiteren Bauteil entlang der Brückenstrasse gliedert. Im Winkel zwischen beiden Bauteilen liegt ein stiller Hof, der vom Foyer aus betreten werden kann.

Der helle Stein, der im wechselnden Licht unterschiedlich schimmert, setzt sich deutlich vom historischen Mauerwerk ab; Alt und Neu sind – im wahrsten Sinne des Wortes – überlagert. Nach Vorgaben des Architekten entwickelte ein dänischer Hersteller spezielle Backsteine von 54 Zentimetern Länge und lediglich 4 Zentimetern Höhe. Diese wurden verwendet, um die Öffnungen der Ruinen zu füllen und darüber die Mauern in die Höhe zu ziehen. Entlang der Südfront des Gebäudes sind Teile der Seitenschiffmauern von St. Kolumba im Neubau aufgehoben, an der Westseite ist die Stirn der Kapelle «Madonna in den Trümmern» in das Mauerwerk integriert.

Zumthors ingeniöser Umgang mit der historischen Substanz erweist sich auch an der archäologischen Ausgrabungszone hinter dem Oktogon. Die Grundmauern der Vorgängerbauten sind von einem grandiosen Hüllraum umgeben, der gewissermassen die Substruktion des darüber befindlichen Ausstellungsgeschosses darstellt. Die Wände werden hier aus einer gitterartigen Backsteinstruktur gebildet, welche wie ein Schleier fungiert und an arabische Architektur denken lässt – Zumthor spricht von «Filtermauerwerk» –, und selbstverständlich fühlt man sich an den hölzernen Pavillon an der Expo 2000 in Hannover erinnert. Das Mauerwerk lässt durch die Öffnungen Licht und Luft in die grandiose Halle dringen, die von der Kapelle aus gesehen als Aussenraum, von der Stadt aus indes als Binnenraum zu verstehen ist. Hier herrscht ein Dämmerzustand, gleichsam ein schwebendes Dazwischen: zwischen Innen und Aussen, Hell und Dunkel, Vergangenheit und Zukunft. Man betritt den Raum, den grössten des Museums, vom Foyer aus, durchquert ihn auf einem zackig geführten hölzernen Steg und verlässt ihn in der äussersten Südostecke.

Dialog mit Rudolf Schwarz

Stahlbetonstützen, teils unsichtbar in die Wände eingelassen, teils aus der archäologischen Zone emporragend, tragen die Stahlbetonplatte, auf der sich das Hauptausstellungsgeschoss erhebt. Die Konzeption des Gebäudes offenbart sich am deutlichsten beim Blick von Südosten; es ist auch die Seite, auf welche die aus Richtung Dom oder Bahnhof kommenden Besucher als Erstes treffen. Auf die inkorporierten historischen Mauern folgt die Zone des Filtermauerwerks und darüber der Bereich der Ausstellungsräume. Das blockhafte Volumen des Gebäudes, das beinahe fortifikatorisch anmutet, ist entsprechend der Raumstruktur zuoberst kubisch gegliedert; niedrige Partien wechseln mit hohen, welche beinahe wie Türme wirken. Diese Ausbildung des Volumens erinnert an eine 1958 angefertigte Entwurfsperspektive von Rudolf Schwarz für die Kirche Regina Martyrium in Berlin. Zumthor hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit Schwarz auseinandergesetzt, etwa bei der Deckenstruktur der Kapelle Sogn Benedetg in Sumvitg (1989). Dass Schwarz auch für Kolumba eine gewisse Rolle spielt, ist naheliegend und letztlich eine Reverenz vor dem grossen Baumeister, der in Köln eine Reihe von Bauten realisiert hat. In unmittelbarer Nachbarschaft des Kolumba-Museums befindet sich das heutige Museum für Angewandte Kunst, das Schwarz 1955 für das Wallraf-Richartz-Museum realisiert hat. Auch hier galt es, eine Kriegsruine, nämlich diejenige des einstigen Minoritenklosters, in den Neubau einzubeziehen.

Die eigentlichen Ausstellungsräume in Kolumba befinden sich auf zwei Ebenen. Ein steiler Treppenschacht, der an Zumthors Treppenlösung für das Kunsthaus Bregenz erinnert, führt vom Foyer aus empor in das erste Obergeschoss, das lediglich den Westflügel einnimmt. Hier befinden sich die Kunstlichträume. Die Hauptsäle liegen im Geschoss darüber und gliedern sich als blockartige Volumina um eine fliessende Kernzone. Die drei Saalblöcke bestehen aus jeweils zwei aneinander anschliessenden Räumen: Der erste ist in normaler Höhe ausgebildet, der zweite überhoch wie das Innere eines Turms. Oberlichter an jeweils einer Seite, von Turm zu Turm anders ausgerichtet, lassen gefiltertes Licht aus der Höhe einfallen. Als einzige natürliche Lichtquellen kommen hierzu Fenster, die von der Kernzone aus Ausblicke auf die Umgebung erlauben.

Bezug zum Schweizer Museumsbau

Das Spiel mit der Modulation des Lichts und die Organisation der Räume sind ohne die Schweizer Museumsbauten der vergangenen 15 Jahre nicht zu erklären. Waren neue Museen im Deutschland der siebziger und achtziger Jahre zur publizitätsträchtigsten Bauaufgabe avanciert, so verhielt es sich in der Schweiz anders. Die Museen, die zu Beginn der neunziger Jahre entstanden – das Kirchner-Museum von Gigon/Guyer in Davos (1992) und die Stiftung La Congiunta von Peter Märkli in Giornico (1992) –, reagierten formal kaum auf die postmodernen Ausstellungsinstitute im nördlichen Nachbarland. Vielmehr knüpften sie an die zurückhaltende Nachkriegsmoderne eines Hans Leuzinger an, wie sie 1952 im Kunsthaus Glarus zum Ausdruck gekommen war. Leuzinger hatte zwei im rechten Winkel zueinander stehende, mit Satteldächern gedeckte Backsteinkuben errichtet, die stereometrische Säle bergen – zwei davon mit Oberlicht versehen, der dritte mit seitlicher Belichtung.

In Antithese zur bildkräftigen Architektur der Postmoderne, welche die Exponate zu übertrumpfen drohte, beruhten die neuen Schweizer Bauten auf dem Postulat klarer Stereometrie und neutraler Räume. Dabei wurde ein Vortrag, den Rémy Zaugg 1986 zum 50. Jahrestag des Basler Kunstmuseums gehalten hatte, zum wichtigen Anknüpfungspunkt für einen Rappel à l'Ordre. «Das Kunstmuseum, das ich mir erträume, oder: Der Ort des Werkes und des Menschen» betitelte der Künstler seine Überlegungen, wie sich ideale Rahmenbedingungen zur Betrachtung von Kunstwerken schaffen liessen. In einer Zeit, da Museen im Ausland sich gegenseitig durch formale Opulenz zu überbieten suchten, postulierte Zaugg die Rückkehr zu einem zurückhaltenden, dienenden Ambiente, das den Ausstellungsstücken den Vortritt lasse. Der körperlichen und geistigen Auseinandersetzung des Menschen mit dem Werk entspreche «der Saal mit flachem Boden und flacher Decke, dessen vier vertikale, ebene und weisse Mauern miteinander rechte Winkel bilden». Wenn Zaugg forderte, das Museum solle weder «an ein Mausoleum noch an einen Tempel, eine Raffinerie oder ein Disneyland erinnern», verwarf er das postmoderne Schatzkästlein ebenso wie die Ausstellungsfabrik und überdies auch den hehren Galerietypus des 19. Jahrhunderts. Entsprechend schroff ist seine Kritik an der Präsentation von Kunstwerken in zu Enfiladen vereinten Räumen. In der chronologischen Raumflucht sei das Werk «Gefangener der historischen Perspektive, zu deren Konstruktion es benutzt worden ist». Die Streuung der Säle in einem umgebenden Raumkontinuum wird zur Alternative; aus Gründen der Übersichtlichkeit könnte eine jeweils kleine Anzahl von Sälen zu einer Einheit akkumuliert werden.

Dass diese programmatische Intervention nicht ungehört verhallte, beweist das Kirchner-Museum in Davos, in dem eine Reihe der Ideen Zauggs umgesetzt wurde: die deutliche Trennung von Ausstellungssälen und Verkehrsflächen; die Erschliessung der Säle mit Durchgängen, die sich weder in der Mitte der Wand noch in der Ecke befinden; und schliesslich die Öffnung der Erschliessungsbereiche zur Umgebung. Das Museum befinde sich in der Alltäglichkeit der Menschen, dort, wo Bäckerei und Metzgerei ihren Platz haben. Rémy Zauggs Forderungen indes erweisen sich keineswegs als voraussetzungslos, sondern knüpfen an Überlegungen an, die bereits von kulturreformerischen Kreisen um 1900 vorgebracht worden waren. In Opposition zum repräsentativen Museumstypus des 19. Jahrhunderts hatte Alfred Lichtwark, Leiter der Hamburger Kunsthalle, für einfache und zweckdienliche Räume plädiert, für Museen also, bei denen die «Fassade nichts», das «Innere alles» sei. Postulate wie diese fanden durchaus ihren Niederschlag – ob in Hermann Billings Kunsthalle in Baden-Baden oder in Karl Mosers Zürcher Kunsthaus.

Abkehr vom White Cube

Es sollte mehr als ein halbes Jahrhundert dauern, bis derartige Postulate im Gefolge des Siegeszugs der Minimal Art erneut an Aktualität gewannen. Museen seien zu einem «übertriebenen, verzerrten und leeren Ausdruck ihrer Architekten» geworden, konstatierte Donald Judd. Und während Peter Eisenman anlässlich der Fertigstellung des Wexner Center for the Visual Arts in Columbus, Ohio, erklärte, Architektur müsse der Kunst nicht dienen, sondern diese herausfordern, forderten Künstler wie Dan Graham, Richard Serra oder Georg Baselitz seit den siebziger Jahren zurückhaltende und neutrale Ausstellungssäle. Baselitz definierte 1977 das Museum als «Bewahrort von Kunstwerken, in dem die Betrachtung derselben in einfacher, vollständiger, ungehinderter und unprätentiöser Weise möglich sein muss». Seine Konkretisierungen sind mit denen von Zaugg durchaus vergleichbar: «Das beste Licht kommt von oben, der beste Raum für diesen Zweck hat geschlossene hohe Wände, wenig Türen, keine Seitenfenster, Oberlicht, keine Sockel, keine Paneele, keine reflektierenden Fussböden und schliesslich auch keine Farben.»

Peter Zumthor hat mit dem Kunsthaus Bregenz einen der radikalsten Beiträge zur zeitgenössischen Museumsarchitektur geschaffen: Wände wie Böden bestehen aus Beton, mattierte Glasdecken bilden den oberen Abschluss dieser Raumgefässe und lassen natürliches Licht einfallen. Die Farbigkeit des grauen Sichtbetons, aber auch das wechselnde Licht beweisen, dass der Architekt vom Prinzip des «white cube» abgerückt war; entstanden ist in Bregenz ein puristisches Museum, das sich gleichwohl vom Dogma des ästhetischen Neutralraums entfernt hat.

Vergleichbar ist Zumthor nun in Köln vorgegangen, in einem Bau, der sich kleinteiliger organisiert und vielgestaltiger zeigt. Der neutrale rechteckige Raum, wie ihn Zaugg gefordert hatte, bildet auch hier den Ausgangspunkt, doch schafft der Architekt durch den permanenten Wechsel der Proportionen sowie der Beleuchtung und Belichtung räumliche Spannung und Vielfalt. Heller Terrazzo sowie lichtgrauer Lehmputz und der Mörtel der Decken lassen einen vereinheitlichenden Farbklang entstehen, der durch das wechselnde Licht lebendig wird. Ständig verändern die Räume ihren Ausdruck, wirken einmal fahl, einmal feierlich. Anders aber als in Bregenz erlaubt Zumthor in Köln durch Fenster Blicke auf die Stadt. So gerät das benachbarte Dischhaus in den Blick, ein an Mendelssohn orientiertes Gebäude von Bruno Paul aus dem Jahr 1929. Nach Westen sieht man zum Opernhaus von Wilhelm Riphahn, das vor wenigen Jahren noch vom Abriss bedroht war. Und schliesslich blickt man auch auf die Domtürme. Aber vor allem fasziniert all jene Banalität und Alltäglichkeit des Gebauten, aus welcher auch Köln besteht und die das Leben eher spiegelt als die Preziosen der Architektur.

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