06. April 2010 - newroom
(Media Kit announcing the 2010 Pritzker architecture Prize Laureate)
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Seit Februar dieses Jahres ist das nach dem Hauptsponsor benannte Rolex Learning Center der Eidgenössischen Technischen Hochschulen auf dem Campus in Ecublens bei Lausanne in Betrieb. Die Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa (Sanaa) haben einen Bau realisiert, der in Bezug auf räumliche Innovation international seinesgleichen sucht. Das Publikum hat ihn mit grosser Selbstverständlichkeit angenommen.
Seit Februar dieses Jahres ist das nach dem Hauptsponsor benannte Rolex Learning Center der Eidgenössischen Technischen Hochschulen auf dem Campus in Ecublens bei Lausanne in Betrieb. Die Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa (Sanaa) haben einen Bau realisiert, der in Bezug auf räumliche Innovation international seinesgleichen sucht. Das Publikum hat ihn mit grosser Selbstverständlichkeit angenommen.
Das im Mai offiziell eingeweihte Learning Center der EPFL hat nicht nur eine gewellte Form, es schlägt seit dem 2004 durchgeführten internationalen Wettbewerb (vgl. TEC21 1-2/2005) auch sonst immer wieder Wellen. Nach Bekanntgabe des Siegerprojekts von Sanaa gab es Stimmen, die bedauerten, dass kein Schweizer Büro das Prestige-Objekt entwerfen solle. Als das Budget von 60 auf 110 Millionen Franken erhöht wurde – wobei Sponsoren aus der Privatwirtschaft die zusätzlichen Kosten übernahmen –, sprach man von Masslosigkeit und Amerikanisierung. Während der Realisierungsphase schliesslich sorgte die aufwendige Bauweise für Irritationen. Der Boden des 166.5 m × 121.5 m grossen, eingeschossigen Gebäudes wurde fugenlos betoniert, was ein kontinuierliches Giessen über zwei Wochen hinweg bedeutete. Er ist nicht eben, sondern wirft zwei grosse Blasen, die sich als flache Schalenkonstruktionen über den Baugrund erheben; die 70 vorgespannten Kabel, die zur Stabilisierung dieser Konstruktionen nötig sind, führen bei der Betondecke des Untergeschosses zu einer statischen Höhe bis zu 80 cm (vgl. «Bodenwellen» S. 23); trotz diesen Verstärkungen konnte auf zwei Stützen unter der grösseren Schale nicht verzichtet werden.
Weil der grossflächige Betonboden und die Stahl-Holz-Decke sich unter klimatischen Einflüssen ungleich bewegen, sind die raumhohen, teilweise gewölbten Glasfassaden unterschiedlichen Kräften ausgesetzt; daher musste jede Scheibe einzeln zugeschnitten werden und bewegt sich unabhängig von den anderen in einem gefugten Rahmen (vgl. S. 30).
Zahllose neue Details wurden entwickelt, um die architektonische Vision verwirklichen zu können. Der komplizierte Kräftefluss, der hohe Armierungsgrad des Betons und die vielen Speziallösungen lösen denn auch Diskussionen aus: Wie wird ein solcher Bau altern? Wie soll er unterhalten, saniert, bei Bedarf umgebaut werden? Hat sich der technische Kraftakt gelohnt?
Besteht man auf der Einheit des Werks als stringente Synthese seiner technischen, ökonomischen und kulturellen Aspekte, sind solche Fragen berechtigt. Doch Angesichts der wirklich ausserordentlichen räumlichen Qualitäten des Learning Center ist eine etwas angestrengte Tragstruktur durchaus zu rechtfertigen. Aus architektonischer Sicht – und, viel wichtiger, aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer – heiligt der Zweck in diesem Fall die Mittel.
Öffentlichkeit und informelle Treffpunkte
Auf Wunsch des Auftraggebers sollte das Learning Center zum Begegnungsort für die EPFL und die benachbarte Universität Lausanne werden. Aus diesem Grund entschieden sich Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa – als einzige unter den Architektenteams der Schlussrunde – für einen Bau, in dem alle Nutzungen auf der gleichen Ebene untergebracht sind. Ein weiteres wichtiges Anliegen war, unterschiedliche Nutzungen und verschiedene Grade an Öffentlichkeit zu ermöglichen. Der Bau dient nicht nur Angehörigen der beiden Hochschulen, sondern auch Ehemaligen und Interessierten; neben der Bibliothek mit 500 000 Bänden enthält er unter anderem auch Arbeitsplätze für 860 Studierende, eine Sammlung wertvoller Bücher, eine Café-Bar, ein Restaurant, Büros und einen Mehrzwecksaal mit 600 Sitzplätzen. All diese Bereiche galt es zu differenzieren, ohne den offenen Charakter des Gebäudes zu relativieren.Mit einer ähnlich komplexen Aufgabenstellung – einerseits klar definierte und teilweise sensible Nutzungen, andererseits die Möglichkeit zwangloser Begegnungen innerhalb des gleichen Gebäudes – waren Sanaa beim 2005 eröffneten 21st Century Museum of Contemporary Art in Kanazawa konfrontiert. In Japan wird der städtische Aussenraum traditionell nicht als Aufenthaltsort genutzt, Strassencafés gibt es nicht; öffentliche Räume im europäischen Sinn, wo man zwanglos länger bleiben kann, sind auch in modernen Städten kaum zu finden.
Entsprechend frequentiert sind halböffentliche Innenräume wie Malls, die sich am ehesten als informelle Treffpunkte anbieten. Die Schaffung von öffentlich zugänglichen Innenräumen mit hoher Aufenthaltsqualität ist deshalb ein wiederkehrendes Entwurfsthema von Sejima und Nishizawa, das sie im Museum in Kanazawa eindrücklich umgesetzt haben: Der kreisrunde, rundum verglaste und von Innenhöfen durchlöcherte Bau weist vielfältige Innenund Aussenbereiche auf, in denen sich nicht nur Museumsbesucher dankbar niederlassen. An der EPFL war die Situation insofern vergleichbar, als der bestehende Campus kaum attraktive Aufenthaltsräume bietet und das Learning Center dieses Manko kompensieren sollte. In Ecublens gingen die Architekten jedoch konzeptuell weiter als in Kanazawa. Während die allseitige Zugänglichkeit beim Museum durch vier periphere Eingänge gelöst wurde, hat das Learning Center einen einzigen, im Herzen des Gebäudes angeordneten Eingang, und auch die Idee eines offen fliessenden Raums konnte hier radikaler umgesetzt werden. Ermöglicht wurde dies durch das Wellen und partielle Anheben des Gebäudes: Unter den Schalen stösst man bis zum Eingang vor, im Inneren gliedert die künstliche Topografie den Raum und macht Wände weitgehend überflüssig.
Einladendes Raumkontinuum
Der im Modell spektakuläre Bau wirkt, wenn man sich ihm in der Realität nähert, eher zurückhaltend. Er ist deutlich niedriger als seine Nachbarbauten. Dass er sich teilweise vom Boden erhebt, erlebt man als Besucher nicht als ingenieurtechnische Parforceleistung, sondern als höfliches Ausweichen – als ob jemand den Eingang eines Zeltes hochheben und mit einladender Geste zurücktreten würde. Unter den Schalen öffnet sich ein gefasster Raum, der von allen Seiten zum Eingang führt. Es ist aber auch möglich, weiterzugehen und dasGebäude zu unterqueren; dies ist ein Grund, warum es trotz seiner beachtlichen Grundfläche nicht als Barriere in Erscheinung tritt.
Auch im Inneren ist die Bewegungsfreiheit kaum eingeschränkt. Man spaziert über Hügel und Täler, nimmt bei Bedarf schräg fahrende Aufzugsplattformen und lässt sich nieder, wo es einem gefällt. Wände gibt es keine – einzig die Büros, Besprechungszimmer und Infrastrukturräume sind als geschlossene «Bubbles» ausgebildet. Weil Boden und Decke sich parallel heben und senken, entstehen mehr optische und akustische Schranken als in einer natürlichen Landschaft: Obwohl die durchgehenden Flächen das ungehinderte Fliessen des Raumes andeuten, sieht man zum Beispiel nicht von einem Hügel auf den nächsten und hört kaum, was in der Ebene vor sich geht. Dies trägt zusammen mit den 14 unterschiedlich grossen Patios, die für Orientierung und natürliches Licht sorgen, entscheidend dazu bei, verschiedenen Zonen die notwendige Abgeschiedenheit zu verschaffen. Um ein angenehmes Raumklima zu gewährleisten, kamen zusätzliche Massnahmen zum Einsatz. So fungiert die Decke im ganzen Gebäude als grossflächiges Akustikelement, an den höchsten Stellen über der Bibliothek und dem Restaurant wurde sie zusätzlich als Kühldecke ausgebildet (vgl. «Technik nach Mass» S. 28). Ansonsten wird der Bau, der den Minergiestandard erfüllt, natürlich belüftet und durch aussen liegende Rafflamellenstoren verschattet. Das funktioniert verblüffend gut: Die Bibliothek beispielsweise mag sich auf einem Hügel befinden, doch selbst mittags ist nichts von den Gerüchen und Gesprächen der unten befindlichen Café-Bar wahrnehmbar.
Wenige Wochen nach der Eröffnung haben die Menschen den Bau vollständig in Besitz genommen. Die künstliche Topografie, die das Raumkontinuum von der zweiten in die dritte Dimension hebt, ist ein architektonisches Ereignis – aber ein harmonisches, leise anregendes. Das sanfte Wogen generiert Räume, die weltweit einzigartig sind und jedoch ganz natürlich wirken. Genau so nehmen sie die Nutzerinnen und Nutzer wahr: Überall sitzen und liegen sie, an Tischen und auf Kissen, lesend, diskutierend, arbeitend, schlafend. Ein besseres Aushängeschild für eine erfolgreiche Schule kann es nicht geben.
Das Rolex Learning Center (RLC) in Lausanne besticht durch sein ungewöhnliches architektonisches Konzept. Das japanische Ingenieurbüro Sasaki and Partners aus Tokio entwickelte das Tragwerkskonzept dafür. Auf einem massiven, mit scheinbarer Leichtigkeit geschwungenen Betonboden steht die Dachkonstruktion aus Stahl und Holz. Vier verschiedene Schweizer Bauingenieurbüros verfeinerten dieses Konzept, berechneten die Tragkonstruktion und setzten sie in die Realität um.
Das Rolex Learning Center (RLC) in Lausanne besticht durch sein ungewöhnliches architektonisches Konzept. Das japanische Ingenieurbüro Sasaki and Partners aus Tokio entwickelte das Tragwerkskonzept dafür. Auf einem massiven, mit scheinbarer Leichtigkeit geschwungenen Betonboden steht die Dachkonstruktion aus Stahl und Holz. Vier verschiedene Schweizer Bauingenieurbüros verfeinerten dieses Konzept, berechneten die Tragkonstruktion und setzten sie in die Realität um.
Die architektonische Landschaft des RLC ist durch seine wellenförmige Gestaltung geprägt (vgl. «Nouvelle Vague», S. 18). Sie ist im Grundriss rechteckig mit Abmessungen von 121.5 m × 166.5 m und weist im Wesentlichen zwei organisch geschwungene Bereiche auf mit dazwischen liegenden flachen Zonen. Wo die Landschaft sich mit luftunterströmten Wellen vom Untergrund löst, überspannt das Tragwerk 85 m (grosse Schale) bzw. 40 m (kleine Schale). Das Gebäude ist mit Patios durchsetzt, die eine natürliche Belichtung und Belüftung ermöglichen. Unter dem Regelgeschoss ist eine eingeschossige Tiefgarage angeordnet, die zusätzlich Raum für Bibliothek, Haustechnik, Archive und sonstige Nebenräume bietet.
Massive Betonschale mit Bodenwellen
Das japanische Ingenieurbüro Sasaki und Partners (SAPS) sah für das Tragwerkskonzept dieser Landschaft einen massiven Betonboden vor, der von einer Leichtbaukonstruktion aus Stahl und Holz in gleichbleibendem Abstand überdacht wird. Der Betonboden wurde dort, wo er sich vom Untergrund abhebt, als Schale ausgebildet. Da anders als bei üblichen Schalenkonstruktionen diese nicht als Dach, sondern als Boden der Nutzfläche dient, wurden an ihre Geometrie besondere Anforderungen gestellt, die es im Rahmen der Formfindung zu berücksichtigen galt. Diese zusätzlichen Anforderungen, die sich aus der Nutzung und den architektonischen Gesichtspunkten ergaben, verlangten unter anderem die Einhaltung von begrenzten Steigungen, was wiederum geringe Stichmasse bei den Schalen hervorrief. Im Rahmen der Entwurfsplanung wurde für die flachen Schalen ein statisches System aus Bögen ausgebildet, die einen Grossteil der Lasten zu den Widerlagern abtragen. Diese wurden in ihrer Geometrie optimiert und weisen ein relativ hohes Krümmungsverhältnis auf, sodass die Membrantragwirkung überwiegt. Die zwischen diesen Krümmungen aufgespannten Plattenbereiche sind dagegen relativ flach, sodass hier hohe Biegebeanspruchungen auftreten.
Im Detail lässt sich die Geometrie der Betonschalen wie folgt beschreiben: Die kleine Schale mit einer Bauteildicke von 40 cm weist ein verhältnismässig grosses Stich- zu Spannweiten- Verhältnis 1/10 auf (h = 4 m, l = 40 m). Drei Patios schneiden in diese Schalenkonstruktion ein, sodass dazwischen vier lastabtragende Bögen (Abb. 3, A1 bis A4) ausgebildet sind. Die grosse Schale mit einer Spannweite bis zu 85 m und einem maximalen Stichmass von 4.85 m hat dagegen ein entsprechend kleineres Stich- zu Spannweiten-Verhältnis, etwa 1/17.5. Die Lage der Patios in dieser grossen Schale ermöglichte die Ausbildung von sieben lastabtragenden Bögen (Abb. 3, A5 bis A9), deren Bauteilhöhe 80 cm beträgt. In den dazwischen liegenden Schalenbereichen konnte zur Reduktion des Eigengewichts die Stärke auf 60 cm reduziert werden. Unter der grossen Schale wurden drei vertikale lastabtragende Elemente angeordnet, um die Stabilität zu gewährleisten: erstens ein Aufzugskern, der aufgrund der Nutzeranforderungen ohnehin erforderlich war; zweitens eine Wand, die im westlichen Bereich des südlichen Bogens angeordnet ist, sodass dieser mit einer Gegenkrümmung in den flachen Deckenbereich auslaufen kann; und drittens eine Stütze, die den diagonal verlaufenden Bogen nördlich des grössten Patios stabilisiert.
Den massgeblichen Anteil der Belastung der Betonschalen bilden die ständigen Lasten, die sich aus dem Eigengewicht und den ständigen Lasten inklusive des Eigengewichts des Stahldaches zu 22.5 kN/m² für die grosse Schale und zu 15 kN/m² für die kleine Schale ergeben. Die veränderliche Last spielt mit 5 kN/m² nur eine untergeordnete Rolle. Die Bodenschale ist auf ihrer Oberseite gedämmt. Der Beton liegt also im Aussenbereich und ist damit Temperaturschwankungen ausgesetzt, die im Rahmen der Nachweise auch zu berücksichtigen waren. Überdacht wird das Gebäude mit einem Stahl-Holz-Dach, das parallel zur Betonschale verläuft und auf Stützen liegt, die im Raster von 9 × 9 m angeordnet sind.
Verformungen
Neben dem Nachweisen von Tragsicherheit und Stabilität war für die Wahl der Bewehrung die Analyse der Verformungen entscheidend. Die zulässigen Grenzwerte der Deformationen wurden hierbei in Bezug auf das auf den Schalen aufliegende Stahldach und die Fassaden festgelegt. Die maximale Verformung der grossen Schale unter Berücksichtigung von Kriechen und Schwinden beträgt rechnerisch 220 mm. Dieser Wert, der zunächst sehr hoch erscheint, liegt in Bezug auf die Spannweite von 80 m mit l/300 im Bereich der üblichen Verformungen von Stahlbetonkonstruktionen. Die im Rahmen der Ausführung durchgeführten Kontrollen weisen jedoch deutlich geringere Werte auf, die mit dem verwendeten Beton zu erklären sind, der bessere Kriech- und Schwindeigenschaften aufweist, als in der Berechnung angesetzt wurden.
UG-Decke mit Doppelfunktion
Die statischen und konstruktiven Anforderungen waren auch für die Decke über der Tiefgarage sehr hoch gesteckt, da diese zwei Hauptfunktionen übernimmt: Zum einen erfüllt sie die klassische Funktion einer Geschossdecke für das darunterliegende Untergeschoss und zum anderen nimmt sie die grossen Horizontalkräfte der darüberliegenden Schalentragwerke auf. Diese Zugbänder, bestehend aus im Verbund wirkenden Vorspannkabeln, überdrücken die horizontalen Auflagerkräfte aus den darüberliegenden Schalen. Sie befinden sich jeweils in der Flucht der Bögen der darüberliegenden Schalen. Zusätzlich zu den in den Zugbändern befindlichen Vorspannkabeln wurden aus Gleichgewichtsgründen und zur Aufnahme der Spreizkräfte in den Verankerungsbereichen Vorspannkabel angeordnet, die dem Verlauf der Schalenauflager folgen. Unter dem nördlichen Bogen der grossen Schale, an der Stelle mit der grössten Zugkraft, sind allein 14 Kabeleinheiten des Typs 31T15S (31 Litzen mit je 150 mm2)angeordnet. Dies entspricht einer Vorspannkraft Po von 14 × 6 173 kN = 86 422 kN! Die Stärke der Decke über der Tiefgarage variiert abhängig von ihren Beanspruchungen und den konstruktiven Bedürfnissen. Im Bereich der Schalenauflager beträgt sie zwischen 60 cm und 80 cm. In den restlichen Bereichen, in denen das Bauteil ausschliesslich die Funktion einer Decke übernimmt und die Nutzlasten von 5 kN/m2 bis 10 kN/m2 aufnehmen muss, beträgt die Deckenstärke 28 cm bis 35 cm, abhängig vom darunterliegenden Stützenraster, das zwischen 5.90 m und 9.00 m variiert.
Lastableitung im Untergeschoss
Unter den Auflagerlinien der Schalen sind im Untergeschoss Innenwände mit einer Stärke von 55 cm angeordnet, welche die vertikalen Lasten aus den Schalenauflagern direkt in die Fundamente weiterleiten. Unterbrüche in den Wänden unterhalb der Patios ermöglichen die für den Parkingbetrieb nötigen Fahrgassen. Die Stützen im Untergeschoss unterteilen sich in zwei funktionale Kategorien: Die Nachbarstützen der Innenwände müssen neben ihrer normalen Funktion des vertikalen Lastabtrags der Deckenlasten zusätzliche Reaktionen aus der Einleitung der Auflagermomente der Schalen mittragen. Ihre Dimensionen sind mit 30 × 60 cm entsprechend grösser als jene der Standardstützen mit 30 × 40 cm bzw. 40 × 40 cm in den restlichen Bereichen des Untergeschosses. Die Aussenwände mit einer Stärke von 25 cm bilden den peripheren Abschluss des Untergeschosses. Sie sind auf den anstehenden Erddruck und einen potenziell möglichen Wasserdruck bis auf 1 m über dem Wandfuss bemessen. Die minimal 25 cm starke Bodenplatte und die Aussenwände sind als «weisse Wanne» über eine Länge von 160 m fugenlos ausgebildet. Sie liegt auf einer sandigen, lehmigen Bodenschicht mit mässiger Tragfähigkeit, in der Hangwasser zirkuliert. In den Zonen unter den Innenwänden, in denen die grossen Vertikallasten an die Tiefengründung weitergeleitet werden, beträgt die Stärke der Bodenplatte deshalb bis zu 2 m.
Zur korrekten Krafteinleitung der vertikalen Lasten und zur Vermeidung von zu grossen differenziellen, vertikalen Deformationen wurde das gesamte Bauwerk auf Pfähle gegründet, welche die Kräfte hauptsächlich über Spitzendruck in die tiefer liegende Moräne einleiten. Dabei wurden insgesamt 650 Pfähle verwendet. Den Hauptanteil bilden Verdrängungspfähle mit Durchmessern zwischen 50 cm und 60 cm und Längen zwischen 14 m und 23 m. Weiter wurden unter den Schalenauflagern auch Grossbohrpfähle mit einem Durchmesser von 90 cm und einer Länge von 27 m ausgeführt. In einzelnen Bereichen, in denen die Erstellung der Verdrängungspfähle durch das Vorhandensein von Felsblöcken unmöglich war, wurden diese durch Mikropfähle ersetzt.
Bewehrung am Limit
Neben dem konstruktiven Entwurf und den statischen Berechnungen stellte auch die Ausführungsplanung für die Betonschalen und deren Auflagerbereiche in der Decke über dem Untergeschoss eine grosse Herausforderung dar (vgl. «TRACÉS 12/2008», S. 7). Zum einen musste die komplexe dreidimensionale Geometrie auf den Werkplänen so abgebildet werden, dass sie auf der Baustelle gelesen und ausgeführt werden konnte. Zum anderen mussten Bewehrungsdetails entwickelt werden, die den effektiven Einbau der erforderlichen hohen Bewehrungsmengen, die bei den Bögen der grossen Schale bis zu 470 kg/m³ betragen, ermöglichten.
Um die Ausführbarkeit der Bewehrungsführung zu gewährleisten, wurden zunächst für einige Details Prinziplösungen entwickelt, die in 1:1-Mock-ups hinsichtlich der Machbarkeit überprüft wurden. Zu diesen Standarddetails gehörte der Übergang zwischen Bögen und Plattenbereichen der grossen Schale, bei dem sowohl die Bauteilhöhe von 80 cm auf 60 cm verspringt als auch die Bewehrungsrichtung sich ändert. Das zweite Standarddetail war die radial bzw. tangential verlaufende Bewehrung der Patiorandträger mit anschliessendem Plattenbereich und schliesslich als Drittes das Detail der Auflagerbereiche der Schalen mit dem Übergang von Schalungs- und Deckenbewehrung und dem zu berücksichtigenden Betonierabschnitt. Um den hohen Bewehrungsgrad der Bögen zu ermöglichen und um gleichzeitig ausreichend Gassen für die Rüttler zur Verfügung zu stellen, wurde als Hauptbewehrung der Bögen Bewehrungseisen mit einem Durchmesser von 50 mm gewählt, die in den Hauptbögen im Abstand von 25 cm jeweils zweilagig oben und unten angeordnet sind. Die Entwicklung der Prinzipdetails ermöglichte eine Optimierung der Bewehrungsführung, sodass die Schalen zwei Monate vor dem ursprünglich vorgesehenen Termin betoniert werden konnten. Insgesamt wurden hierbei in beiden Schalen 2070 t Stahl und 5400 m³ Beton verbaut. Die Betonnage erfolgte für beide Schalen ohne Unterbrechung: 10 h für die kleine Schale und 55 h für die grosse.
Zusammenspiel ermöglicht die Umsetzung
Die beeindruckenden Bilder des fertiggestellten Gebäudes zeigen, dass die ursprüngliche Idee der Architekten, eine architektonische Landschaft zu schaffen, umgesetzt werden konnte. Dies war nur durch die gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen allen Planern und Unternehmern möglich. Das Ergebnis kann kaum mit einem bereits existierenden Bauwerk, sei es aus architektonischer oder ingenieurtechnischer Sicht, verglichen werden. Es ist in vielen Belangen ein Unikat.
(SUBTITLE) Das Rolex Learning Center und seine Aussenanlagen sind das neue Eingangstor zur Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne.
Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Lausanne ist eine der innovativsten Institutionen der Welt. Ihre aktuelle Entwicklung ist spektakulär: Wissenschaftspark,...
Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Lausanne ist eine der innovativsten Institutionen der Welt. Ihre aktuelle Entwicklung ist spektakulär: Wissenschaftspark,...
Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Lausanne ist eine der innovativsten Institutionen der Welt. Ihre aktuelle Entwicklung ist spektakulär: Wissenschaftspark, Hotel, Wohnungen für Studierende, Kongresszentrum, Rolex Learning Center (RLC)… Die Idee hinter dem RLC ist der freie Zugang zur Information in all ihren Formen, in Gestalt eines öffentlichen Orts für den sozialen und den interdisziplinären Austausch.
Der Komplex erstreckt sich über drei Ebenen: Auf dem Dach der Tiefgarage liegt ein öffentlich zugänglicher, weiter und offener Raum. Er wird von der wellen- und wabenförmigen Betonschale des eingeschossigen Baus überspannt, den lichtdurchflutete, ovale Innenhöfe erhellen.
Die Integration des Learning Centers in den Campus
Ein Jahr vor der Einweihung des RLC am 27. Mai 2010 hat die Technische Hochschule einen weiteren Wettbewerb ausgeschrieben, um das RLC – das neue Herz des Campus – auch landschaftsarchitektonisch in den restlichen Standort zu integrieren. Der offene Wettbewerbsaufruf richtete sich an Generalunternehmen mit Architekten und Landschaftsarchitekten.
Die Wahl fiel auf einen kontextuellen Entwurf: Die ETH liegt auf dem Grund eines ehemaligen eiszeitlichen Sees, umgeben von organisch geformten Moränenrippen. Bevor hier die orthogonal angelegte Gebäudestruktur der Hochschule entstand, wurde die Ebene lange Zeit für den Gemüseanbau genutzt.
Das 166u122 Meter grosse Rechteck des Learning Centers fügt sich in den bestehenden Gebäudekontext ebenso ein, wie mit seinen Wellen und der Wabenstruktur in die natürliche Umgebung der hügeligen Moränenlandschaft des Genferseegebiets. Ausdruck findet dieser duale Kontext auch in den umliegenden Gärten: orthogonal angelegter Campus, freie Gestaltung der Wege und der Bepflanzung. Die ebene Topologie bleibt erhalten bis auf einen sanften, grasbewachsenen Hügel, der sich zum Picknick anbietet.
Das Gebäude wirkt auf dem dicht bebauten Campus zunächst ein wenig eingeengt. Diesem Eindruck wirkt eine weitläufige Rasenfläche mit nur wenigen Bäumen entgegen, die vor allem ein Gefühl von viel Raum vermittelt. Eingefasst wird sie von vier Baumfiltern, die mal weniger dicht den Blick auf entfernte Landschaften freigeben, mal dicht gepflanzt nahe gelegene Gebäude verbergen.
Ein zentraler Multifunktionsplatz
Die Verbindungen zwischen RLC und Campus sind ganz unterschiedlich gestaltet: Steinrampen, begrünte Strassen mit mal mehr, mal weniger Bäumen – und in der Mitte ein zentraler Platz, der weite Vorplatz des RCL, Knotenpunkt des Campus, Tag und Nacht bevorzugter Treffpunkt und Festplatz.
Dieser Platz besteht aus einer gewaltigen, einen Hektar grossen Hohlplatte mit einem orthogonalen Raster aus zweitausend runden Kammern mit einem Durchmesser von 30 bis 160 Zentimetern, die mit Kiesrasen gefüllt sind. Der Durchmesser der Kammern nimmt an den Wegen für Fussgänger, Fahrräder und Fahrzeuge ab. Das Design ist inspiriert von den gewaltigen durchbrochenen Anzeigetafeln der ETH Lausanne. Es ist zugleich eine Hommage an die Entwürfe des Landschaftsarchitekten Michel Desvigne für die Universitäten von Tokyo und Minneapolis.
Für 2013 ist in einer zweiten Phase unter anderem der Bau einer breiten Rampe geplant, als verbindender Übergang zwischen dem zentralen Platz als «Ebene 0» und der Esplanade als «Erster Etage» des bestehenden Campus. Die Rampe ist ein Element der Fussgängerverbindung zwischen dem Westen der Stadt und den Ufern des Genfer Sees. Ausstattung und Bepflanzung entsprechen der Rampe unter der Kantonalstrasse, die das sanfte Design des RLC widerspiegelt und den Campus mit seinem neuen Hotel verbindet.
So wird der Platz zur Kreuzung aller Wege zwischen Campus und Learning Center. Diese offene Gestaltung unterstreicht die Einzigartigkeit der Gebäudelandschaft.
Auf lange Sicht wird die Begrünung natürlich dichter werden. Nicht nur durch das Wachstum der vielen hundert in der ersten Phase gesetzten Bäume und Sträucher, sondern auch durch zukünftige Anpflanzungen, die allen Nutzern mehr Schatten bieten werden.
Ein Gebäude wie eine Dünenlandschaft, ein Innenraum, der nicht durch Wände gegliedert ist: das Rolex Learning Center in Lausanne. Eine Meisterleistung, in der die Benutzer zu Wanderern und Entdeckern werden.
Ein Gebäude wie eine Dünenlandschaft, ein Innenraum, der nicht durch Wände gegliedert ist: das Rolex Learning Center in Lausanne. Eine Meisterleistung, in der die Benutzer zu Wanderern und Entdeckern werden.
Als Kazuo Sejima, die Direktorin der heurigen Architekturbiennale in Venedig, im Jänner das Thema dieser architektonischen Großveranstaltung bekannt gab, war die Architekturszene einigermaßen verdutzt. „People meet in architecture“ – ist das nicht das banalste Motto, unter dem die Biennale je gestanden hat? Jedenfalls besaßen frühere Biennalen eindeutig mehr Zug ins Utopische: Aaron Betskys „Out there – Architecture beyond building“ 2008, Kurt W. Forsters „Metamorph“ 2004, Deyan Sudjic' „Next“ 2002, Hans Holleins „Sensing the Future – The Architect as Seismograph“ 1996. Immer ging es um die Zukunft, um die Überform, um den nächsten Trend.
Und jetzt plötzlich dieser Aussagesatz: „People meet in architecture.“ Auch die Erklärung, die Sejima in ihrem Pressestatement zu ihrem Konzept liefert, klingt nicht gerade weltbewegend: „Die Idee ist, Menschen zu helfen, eine Beziehung zur Architektur aufzubauen, der Architektur zu helfen, sich auf Menschen zu beziehen, und Menschen zu helfen, Beziehungen untereinander aufzubauen.“
Sejima ist die erste Frau als Direktorin der Biennale und – nach einer Reihe von Theoretikern und Kritikern – wieder eine praktizierende Architektin. Dass sie mit ihrem Thema eine gezielte Herausforderung der männlichen Seismografen und Trendsetter beabsichtigt, darf man mit einigem Recht vermuten, hat sie doch alle früheren Direktoren der Biennale eingeladen, für je einen „Architektursamstag“ zur Verfügung zu stehen. Bei Vorträgen und Diskussionen werden die Herren dabei gewissermaßen selbst zu Ausstellungsstücken.
Dass man eine solche Einladung von Kazuo Sejima nicht ausschlagen kann, ist spätestens seit Ende März klar, als sie gemeinsam mit ihrem Partner Ryue Nishizawa, mit dem sie seit 1995 ein gemeinsames Büro unter dem Namen Sanaa (Sejima and Nishizawa and Associates) betreibt, den Pritzker-Preis zugesprochen bekam, quasi den Nobelpreis für Architektur. Die Jury begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, Sejima und Nishizawa seien „cerebral architects“, also Architekten mit Hirn. Das ist auf den ersten Blick etwas überraschend, gibt es doch von den beiden Architekten so gut wie keine theoretischen Äußerungen. Dennoch widerlegen Sanaa die verbreitete Meinung, gute Architektur sei eine Sache des Bauchgefühls. Ihre Projekte sind – wiederum ein Zitat aus der Jurybegründung – „das Ergebnis strenger Recherche und starker, klar ausformulierter Konzepte“. Dass diese Konzepte nicht als Text entwickelt werden, sondern in Dutzenden von Modellstudien und Varianten, macht sie nicht weniger „cerebral“, sie folgen aber ihrer eigenen, jeweils aufs Projekt zugeschnittenen Logik.
In ihrer bisherigen Entwicklung hat Sejimaeinige erstaunliche Wendungen genommen. Noch Anfang der 1990er-Jahre konstatierte ihr Mentor Toyo Ito angesichts eines ihrer Projekte, des Frauenwohnheims in Kumamoto, ihre Architektur sei „ein Diagramm des Lebensstils unserer modernen Zeiten“. Das Wohnheim inszeniert die Widersprüche dieses Lebensstils: Japanische Dichte und der Mangel an individuellem Freiraum im Grundriss des Wohngeschoßes werden in Kontrast gesetzt zu einem luftigen „Überbau“, großzügig in der Vertikalen und differenziert im Raumzuschnitt. In späteren Projekten, etwa ihrem 1994 entworfenen Wohnbau in Gifu, dem Projekt, mit dem Sejima internationale Bekanntheit erlangte, verschwinden alle Polaritäten in einer Großform, deren Feingliederung jedoch durch die raffinierte Zusammenschaltung identischer Grundelemente eine enorme Bandbreite an Wohnformen anbietet.
Heute lässt sich die Architektur von Sejimaund Nishizawa nicht mehr als Diagramm vonLebensstilen interpretieren. Sie ist zu einem Medium geworden, das vieles offen lässt unddamit zu Experimenten herausfordert, an deren Ende vielleicht geänderte Lebensstile stehen. Ein exemplarisches Projekt in dieser Hinsicht ist das Anfang des Jahres eröffnete Rolex Learning Center der École Polytechnique im Schweizerischen Lausanne, für das Sanaa 2004 den Wettbewerb gewannen. Sie setzten sich dabei gegen Rem Koolhaas, ZahaHadid und Herzog & De Meuron durch, derenBeiträge ausnahmslos als Wahrzeichen konzipiert waren, als weithin sichtbare Großskulpturen mit komplexen Innenwelten für das geforderte Raumprogramm: eine Bibliothek mit Arbeitsplätzen für knapp 900 Studierende, ein Auditorium für 600 Personen, Café und Restaurant, Seminarräume, eine Buchhandlung und ein Forschungszentrum für neue Medien in der Lehre.
Statt in die Vertikale zu gehen, haben Sanaa alle diese Funktionen auf einer einzigen Fläche untergebracht, die das gesamt Grundstück überdeckt, ein Rechteck im Ausmaß von 166 mal 122 Metern, so groß wie drei Fußballfelder, durchbrochen von runden Lichthöfen. Allerdings ist diese Fläche nicht eben, sondern wie eine leicht gewellte Hügellandschaft angelegt, wodurch der Eindruck eines fliegenden Teppichs entsteht, in und unter dem sich die Nutzer des Gebäudes frei bewegen können. Wo der Teppich vom Boden abhebt, entstehen Durchgänge zu den Lichthöfen, von denen aus das Gebäude betreten wird.
Der Innenraum wird nicht durch Wände gegliedert, sondern durch die Topografie mit ihren Hoch- und Tiefpunkten. Selbst das Auditorium ist ein Teil dieser Dünenlandschaft, kann allerdings mit einer mobilen Trennwand geschlossen werden. Technisch ist das Bauwerk eine Meisterleistung, die sich nicht zuletzt dadurch auszeichnet, was es alles nicht gibt: keine Rasterdecke mit Leuchtstoffröhren, keine Brandschutzwände, keine Sprinkleranlage. Die Benutzer werden in diesem Bau zu Wanderern und Entdeckern. Wo der Hügel zu steil wird, gibt es Aufstiegshilfen, die alle Bereiche auch barrierefrei erschließen.
Der Eindruck dieser offenen Lernlandschaft wirkt wie ein Kommentar zu Sejimas Biennale-Thema „People meet in architecture“. Dieser Raum ist ein Katalysator für Beziehungen, ohne sie zu erzwingen. Er schafft eine gemeinsame Welt, die aber nichtvereinheitlicht, sondern zur Differenzierung geradezu einlädt. Vielleicht muss man Sejimas Satz nur ein wenig anders lesen, damit er an Sprengkraft gewinnt: „Wo Menschen sich begegnen, dort ist Architektur“ Man wird bei der Biennale diskutieren können, ob man mit dieser Definition weiter kommt als mit der Anbetung der spektakulären Form. Wenn sich diese Definition durchsetzt, ist Sanaa mit dem Rolex Learning Center jedenfalls ein Meilenstein in der Architektur der 21. Jahrhunderts gelungen.
«Seht her!», ist die architektonische Mitteilung des EPFL-Learning Centers in Lausanne. Der Umgang mit dem neuen Raumerlebnis will noch erlernt sein.
«Seht her!», ist die architektonische Mitteilung des EPFL-Learning Centers in Lausanne. Der Umgang mit dem neuen Raumerlebnis will noch erlernt sein.
Der Raum des «Learning Centers» ist neu. Wir kennen keinen gleichartigen. Doch was wir zur Genüge kennen, sind die Mechanismen der «iconic buildings»: Der Auftraggeber bestellt bei einem «Stararchitekten» kein Gebäude, er bestellt globales Medieninteresse. Die gebauten Räume werden den visuellen Versprechungen, die schon zum Wettbewerb gemacht werden, nur selten gerecht. Patrick Aebischer, Neurologe und seit zehn Jahren Präsident der EPFL, macht aus seiner Strategie keinen Hehl. Spricht er vom Architekturwettbewerb, den er 2004 für das «Learning Center» initiierte, so fehlt ein Hinweis nie: dass sich unter den zwölf geladenen Architekturbüros fünf Pritzkerpreisträger befanden. Ein «Nobelpreis der Architektur» müsse her, da mit die EPFL internationale Forschergrössen nach Lausanne locken kann, die wiederum für den lang ersehnten «richtigen» Nobelpreis sorgen würden. Gewonnen haben den Wettbewerb die Japaner SANAA (Kazuyo Sejima und Ryue Nishi zawa) — keiner der Pritzkerpreisträger, aber ein Büro, das mit seinem Lausanner Werk diesem Preis einen grossen Schritt näher gekommen ist. So geht das Spiel namens «How to be a Star».
Rolex zahlt Mehrwert
Die globale Medienaufmerksamkeit gehörte also zum Programm und die Rechnung des EPFLPräsidenten ging auf: Das filigrane Modell des Siegerentwurfs betörte nicht nur die Jury, sondern auch die Chefetage von Rolex. Zusammen mit weiteren Sponsoren steuerte die Uhrenfirma 50 Millionen der 110 Millionen Franken Baukosten bei, weshalb der Bau nun offiziell den Namen «Rolex Learning Center» (RLC) trägt. Der Bund, als Betreiber der EPFL, bezahlte mit 60 Millionen ungefähr so viel, wie ein konventioneller Bau kosten würde.
Den üppigen Raum und die aufwendige Konstruktion zahlen also die Sponsoren, und somit trägt sich die mediale Aufmerksamkeit selbst. Das RLC ist jedoch nicht nur das neue mediale Gesicht der EPFL. Es ist auch eine wissenschaftliche Bibliothek mit 500 000 Bänden (ein Viertel davon im Hauptgeschoss, der Rest im Untergeschoss zugänglich) und 700 Arbeitsplätzen, mit Büros und Archiven, mit Räumen des Hochschulverlags und von Craft, einem Labor, das neue Lerntechnologien erforscht und zukünftig direkt im RLC testen will.
Neben dem Auditorium locken ein Restaurant, Cafés und eine Buchhandlung mit Kiosk auch Auswärtige auf den Campus. Das Haus will nicht nur die kreative Zusammenarbeit der Disziplinen fördern, sondern es soll auch der Ort sein, an dem die Hochschule ihre Gäste empfängt. Ineinanderfliessende Räume des Austauschs und des Treffens, von sieben Uhr früh bis Mitternacht geöffnet. Kann die gebaute Realität diesen Erwartungen überhaupt gerecht werden? Und ihrem medialen Bild?
Schwächen und Stärken
Der erste Plan des Campus ist von Zweifel, Strickler und Partner und stammt aus den Siebzigerjahren. Der rund 170 auf 120 Meter grosse, flache Neubau breitet sich südlich seiner strukturalistischen Vorgänger aus. Dort beansprucht der eingeschossige Solitär einen Grossteil der Landreserve der Hochschule siehe HP 4 / 07. Von der Metrostation im Norden müssen sich Ortsunkundige ihren Weg durch das ineinandergreifende Flickwerk der bisherigen drei Bauetappen bahnen. Das Haus, über das momentan die Welt spricht, erscheint zunächst überraschend plump. Der Schwung, mit dem sich das einzige Geschoss noch im Wettbewerbsmodell hoch und nieder wölbte, ist, um den Faktor 500 vergrössert, weitaus weniger betörend. Der reizvolle Blick von weit oben, der schon einige Beschreibende zu Käseanalogien verführt hat, bleibt Hobbyfliegern vorbehalten. Die Stärken des RLC zeigen sich auf dem Weg zum Eingang, der überraschenderweise im Zentrum des Gebäudes liegt.
Der Besucher schreitet durch weite Gewölbe aus speckig glänzendem Beton, deren Leichtigkeit vergessen macht, dass man sich unter dem Gebäude befindet. Der Kraftakt, der notwendig war, solch stützenfreie Räume zu schaffen, löst sich auf in Wohlgefallen. Dass die Hügellandschaft aus Beton eigentlich eine aus Stahl ist und ihre Errichtung eine komplexe Ingenieurleistung, berichtete Hochparterre bereits bei einem Baustellenbesuch vor bald zwei Jahren siehe HP 10 / 08: Fünf Zentimeter dicke Zugstangen in der Kellerdecke hindern die Betonschalen daran, nachzugeben. Der Stahlanteil im Beton ist fünfmal höher als üblich. Im Innern wellt sich der eine grosse Raum in weiten Bögen. Bei einer lichten Höhe von bis zu 4,5 Metern steigt er, sinkt wieder, um sich erneut in voller Breite hinaufzuwölben. Elf unterschiedlich grosse Patios durchstanzen Dach und Boden und teilen die Raumlandschaft in helle und dunklere Zonen. Die Höfe ermöglichen den Blick durch und über das Dach, vom «Hügel» am einen Ende des Raumes bis zum «Tal» am anderen. Aber auch hinaus: in die ruhigen Kieshöfe, hinüber zu den alten Hochschulbauten, bis auf die schneebedeckten Alpengipfel jenseits des Lac Léman.
Gestraffte Ausführung
Ein Blick auf den Grundriss zeigt, was sich zwischen Wettbewerbsentwurf und Bau verändert hat. Der Plan wirkt straffer, aufgeräumter, ohne an exotischer Wunderlichkeit verloren zu haben.
Manche Zeichenkürzel müssen selbst erfahrene Planleserinnen erst deuten. Die Patios, an Luftblasen unter einer Eisfläche erinnernd, sind jedoch generell kleiner geworden — die Armierungseisen brauchten Platz. Viele kleine Höfe wurden gestrichen. Weitere blasenartige Formen umschreiben als raumhohe Glaswände Besprechungszellen oder als nach oben offene Gipskartonboxen-Büroräume. Die «Hügellandschaft» ist folgerichtig mit Höhenlinien dargestellt. Im Wettbewerbsplan waren auf den «Hängen» noch Tische und Stühle verteilt, die finden sich nun konzentrierter auf Zonen in den «Talböden» oder liegen erhöht auf Podesten, die hier und da eine «Kuppe» vergrössern. Waren einst die nach oben führenden Wege mit Strichelchen nur zart angedeutet, verbinden sie nun, als markante und raumbestimmende Rampen, im Zickzack die wichtigsten Orte miteinander, unterstützt von drei Schrägliften. Die von SANAA bevorzugte Farbpalette bestimmt auch ihr Werk in Lausanne: weisser Akustikputz an der Decke, weiss gestrichene Einbauten aus Gips und ein durchgehender hellgrauer Nadelfilzteppich am Boden. Materialsinnlichkeit ist nicht ihr Thema.
Es gäbe viele Einsparungswunden, in die ein Kritiker seine Finger legen könnte. Zum Beispiel die groben Rafflamellen des Sonnenschutzes oder die facettierten Glaskurven der Besprechungszellen. Dagegen zeigen die gerundeten Scheiben beim Eingang der Lounge der Credit Suisse — ein weiterer Sponsor —, wie es geht, wenn man Geld hat.
Dass das RLC für Behinderte nicht nutzbar sei, bewegte die Gemüter schon früh. Gegen das Baugesuch reichten Behindertenverbände Einsprache ein und forderten, das öffentlichste Gebäude einer Hochschule müsse in der heutigen Zeit behindertengerecht gebaut werden. Die EPFL und die Verbände setzten eine Vereinbarung auf und passten das Projekt an. Die wichtigen Orte sind nun sämtlich über horizontale oder flach geneigte Ebenen erreichbar. Neben den Rampen und Aufzügen für Mobilitätsbehinderte zerschneiden Leitlinien für Sehbehinderte die Nadelfilzfläche.
Raumerlebnis nicht für alle
Ein Eingriff ist aber grundlegend: In der Vereinbarung verpflichtet sich die Hochschule, die schrägen Flächen, die für Rollstuhlfahrer zu steil sind, unzugänglich zu machen. Hierfür seien Elemente in der Formensprache des Projekts vorzusehen, genannt werden zum Beispiel Trennwände oder Pflanzen. Bei der Inbetriebnahme am 22. Februar standen sie noch nicht. Sie sich vorzustellen, fällt schwer, sind es doch gerade die fliessende Offenheit des Raums, die überraschenden Wege, von denen das Haus lebt. EPFLSprecher Nicholas Henchoz bestätigt, dass man über geeignete Abtrennungen nachdenke, um eine Gleichberechtigung herzustellen. Die an der Hochschule beschäftigten Gehbehinderten fühlten sich ausgeschlossen, weil sie bestimmte Wege nicht nutzen könnten.
Aber, so betont Henchoz, es brauche Zeit, um den Umgang mit diesem neuartigen Raum zu erlernen, das betreffe auch die Behinderten. Die offizielle Eröffnungsveranstaltung habe man auch daher erst für Ende Mai geplant.
Raum braucht Beinkraft
Die Studenten und die Mitarbeiter der Hochschule haben ihr neues Haus in Besitz genommen. Der Ansturm an den ersten Tagen war ebenso gross wie die Neugierde. Die Studierenden werden sich kaum an irgendwelche Absperrungen halten. Zu reizvoll ist der Gang über die Hügel, das Erlebnis, diese ungewohnte Indoor-Landschaft zu erkunden. Der Raum — und das ist die grosse Überraschung — funktioniert im Gebrauch besser als auf den Fotos. Die Raumlandschaft ist physisch, sie verlangt vom Nutzer körperlichen Einsatz. Man spürt seine Waden, wenn man länger auf einer der schrägen Flächen steht — zur Unterhaltung setzt man sich einfach auf den Boden oder lehnt zurück und geniesst die Übersicht. Es ist schade, dass Menschen im Rollstuhl diese Erfahrungen nicht machen können. Schaut man jedoch auf die enorme Kraft und Neuartigkeit dieses Raumes, kommen einem kaum Restriktionen in den Sinn, sondern Möglichkeiten: Die junge Generation nimmt die «Hügel» in Besitz, erfindet im grossen offenen Raum, in dem nichts im Verborgenen geschieht, neue Formen der Begegnung, der Bewegung, der Solidarität. Und bezieht Behinderte dabei selbstverständlich mit ein. Hoffentlich bleibt das kein blosses Bild.
«Das Gebäude erzeugt Behinderungen»
Für die Schweizer Behindertenverbände ist das Learning Center diskriminierend. Sie reichten Ein Sprache ein und setzten zahlreiche Anpassungen durch. Hochparterre sprach mit Joe Manser, dem Geschäftsführer der Fachstelle für Behindertengerechtes Bauen.
Wie beurteilen Sie das neue Learning Center der EPFL?
Das Gebäude ist nicht nachhaltig, weder in ökologischer, ökonomischer, noch in sozialer Hinsicht. Das Raumprogramm hätte man mit der Hälfte des Volumens und Geldes bauen können. Für Menschen mit einer Seh- oder Gehbehinderung ist das Gebäude schwer nutzbar. Die steilen Schrägen und weiten Distanzen sowie die komplexe Orientierung erzeugen Behinderungen bei der Nutzung.
Während dem Bewilligungsverfahren hat die Fach stelle mit anderen Behindertenorganisationen Einsprache eingereicht. Mit welchem Ergebnis?
Der Bau ist ein Flickwerk, wie wir es von einem bestehenden Gebäude kennen, nicht von einem Neubau. Die mäandrierenden Rampen und langsamen Schräglifte werden Mobilitätsbehinderten keine gleichwertige Nutzung ermöglichen. Sie brauchen täglich mehr Kraft und Zeit, um beispielsweise ins Café zu kommen.
Hat die EPFL neben diesen baulichen Anpassungen auch mit veränderten Nutzungen auf Ihre Einwände reagiert?
Der Entwurf sieht eine Hügellandschaft vor, über die man kreuz und quer gehen kann — was für einen «Modulor-Menschen » auch stimmt. Auf den Vorwurf der Diskriminierung sagte die EPFL: Die wichtigen Verbindungswege sind auch für Behinderte möglich, mit Lift oder Rampe, der Rest, also alle anderen Schrägen, sei sowieso nicht begehbar. Die Frage, mit welchen Mitteln das umgesetzt wird, blieb offen.
Wenn diese Absperrungen nun den Charakter des Raums zerstören, was sagen Sie dann?
Ich sage: Der Vorschlag kam nicht von uns.
Ist die Einschränkung aller besser als die Benachteiligung weniger?
Das ist eine grundsätzliche Frage: Dürfen Diskriminierungen aus rein gestalterischen Gründen legitimiert werden? Ich hatte den Eindruck, schon die Jury ging mit dem Thema Behindertengerechtigkeit nachlässig um. Es ist Mode geworden, dass man sich in einem Gebäude nicht nur horizontal bewegt. Das mag für eine Expo oder ein Museum in Ordnung sein, aber hier geht es um das tägliche Leben, um die für behinderte Menschen besonders wichtige Ausbildung. Gerade für eine Ausbildungsstätte wird hier ein völlig falsches Zeichen gesetzt.
Wie viel Prozent der EPFL-Studenten und Mitarbeiter sind behindert
Das ist irrelevant. Menschenrechtlich gesehen ist egal, ob Sie einen Menschen diskriminieren oder viele.
[Joe A. Manser, Architekt, Geschäftsführer Schweizerische Fachstelle für Behindertengerechtes Bauen.]
Im Rolex Learning Center in Lausanne sind kräftige Wadeln gefragt. Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa vom japanischen Architekturbüro SANAA wurden diese Woche mit dem Pritzker-Preis 2010 ausgezeichnet.
Im Rolex Learning Center in Lausanne sind kräftige Wadeln gefragt. Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa vom japanischen Architekturbüro SANAA wurden diese Woche mit dem Pritzker-Preis 2010 ausgezeichnet.
Eine Gruppe von Studenten hopst den Hügel auf und ab. Im Ohr die üblichen weißen Stöpsel, unterm Arm den Apple, im Mund ein Ricola. Andernorts sitzen zwei grau melierte Professoren auf einem zerknautschten Sitzsack aus Styroporgranulat und blättern eifrig im Terminkalender. Hier wird telefoniert, da wird geschlafen, hoch oben im letzten Eck der Aula - auch das ist Alltag auf diesem Campus - wird mit peitschendem Zungenschlag geschmust und geknutscht.
Wenn man es mit den eigenen Augen nicht gesehen hat, dann glaubt man es kaum. Aber nein, wir befinden uns hier nicht etwa auf einem Rummelplatz der ewig Junggebliebenen, sondern mitten im neuen Rolex Learning Center der EPFL, der École Polytechnique Fédérale in Lausanne.
Der freizeitliche Geist, der diesen heiligen Hallen des Forschens und Wissens innewohnt, scheint zu beflügeln. Laut dem Shanghai Academic Ranking of World Universities liegt die EPFL - gemeinsam mit dem britischen Cambridge - auf Platz 1 der europäischen Universitäten mit Schwerpunkt Ingenieurwesen, Technologie und Computerwissenschaft.
„Wir wollten darüber nachdenken, wie ein moderner und zeitgemäßer Universitätscampus des 21. Jahrhunderts aussehen kann und ob man die traditionellen Denkschemata von Bildungseinrichtungen aufbrechen und überdenken kann“, sagt Kazuyo Sejima vom Tokioter Architekturbüro SANAA. Man kann. Und wie man kann.
Nachdem Sejima und ihr Partner Ryue Nishizawa ihr Talent in den letzten Jahren nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder unter Beweis gestellt hatten, wurde das Büro SANAA Anfang der Woche mit dem diesjährigen Pritzker-Preis für Baukultur ausgezeichnet. Mit 100.000 US-Dollar Preisgeld handelt es sich dabei um die weltweit höchst dotierte Auszeichnung für Architekten (der Standard berichtete). Das Learning Center in Lausanne, vor einem Monat fertiggestellt, ist der jüngste Wurf der beiden.
Wie ein weiches Gebilde aus Glas und Beton liegt das Gebäude in der Wiese am südlichen Rand des EPFL-Campus, nur wenige Schritte vom Genfer See entfernt. Mit Ausmaßen von 160 mal 120 Metern, ein Riesending das Ganze, würde man unter normalen Umständen wohl das Fürchten bekommen.
Das Gegenteil ist der Fall: Als säße die Muse der Wissenschaft hoch im Himmel und zöge an ein paar unsichtbaren Schnüren nach oben, macht das Haus an manchen Stellen einen Katzenbuckel, steigt um fünf Meter an und zeigt der Schwerkraft, allen physikalischen Gesetzen zum Trotz, die kalte Schulter. Wem danach ist, der kann es unterwandern, kann unter dem entwurzelten Fundament feierlich hindurchflanieren.
Hügel statt Wände
Um das Gebäude mit Tageslicht zu versorgen, ist es von kleineren und größeren Atrien durchdrungen. Runder und geschmeidiger als hier kann ein Innenhof nicht sein. Übrig bleibt eine Art fliegender Teppich mit 20.000 Quadratmetern Nutzfläche - durchlöchert und zerbissen von anspruchsvollen Motten mit einem Sinn für Ästhetik.
„Wir wollten einen einzigen offenen Raum auf einer Etage schaffen“, sagt Sejima, „das ermöglicht eine ganz andere, hierarchielosere Kommunikation als etwa ein Gebäude mit voneinander getrennten Stockwerken, mit ganz normalen Gängen und Zimmern.“ Durch die Belebung der Topografie, durch das Auf- und Abwiegen der 3,50 Meter hohen Innenräume sieht man selbst aus dem Zentrum des Gebäudes auf den See hinaus. An schönen Tagen reicht der Blick bis zum schneebedeckten Alpenkamm.
„Ich finde das Learning Center schlichtweg genial, es ist beachtlich, dass ein Projekt mit einer derartigen Konsequenz realisiert werden kann“, erzählt eine angehende Neurobiologin, die gerade in der Ecke lümmelt. „Der einzige Nachteil hier drin ist, dass man ohne Navigationssystem bisweilen die Orientierung verliert.“
Geschätzt werde der Bau vor allem für seine Offenheit und Transparenz. „Man trifft ständig auf Freunde und Mitstudentinnen. Eigentlich ist man zum Lernen und Lesen hier, schon findet man sich mitten in einer hitzigen Diskussion wieder.“ Alles beabsichtigt und gewollt. „Coffee-Effect“ nennt sich das im Fachjargon der EPFL.
Bemerkenswert ist das Bauwerk auch in technischer Hinsicht. Der gesamte Innenraum - und dazu gehören Bibliothek, Buchhandlung, Lernbereich, Restaurant, Kantine, Café, Media and Science Lab, Verlagsbüros und Portier - kommt ohne Wände und ohne räumliche Trennung aus. Einzig und allein die Sanitärgruppen und anmietbaren Besprechungszimmer sind in runden Bubbles aus Glas und Gipskarton untergebracht. Doch wirklich laut wird's hier nirgendwo. Kaum hat man einen Hügel erklommen, eine Talsohle erreicht, eine Kurve gekratzt, verstummt der eben noch gehörte Lärm zu einem dumpfen Nichts.
„Mit der Akustik haben wir uns sehr lange beschäftigt“, sagt Manfred Grohmann vom Wiener Ziviltechnikerbüro Bollinger Grohmann Schneider. „Die gute Schalldämmung liegt zwar auch an den absorbierenden Oberflächen, die hier eingesetzt wurden, vor allem aber an der speziellen Gebäudegeometrie.“ An den gewölbten Böden und Decken bricht sich der Schall so oft, dass vom lautstarken Mittagessen in der Kantine 50 Meter weiter nichts mehr zu hören ist. In der Bibliothek ist es ... mucksmäuschenstill.
Ökologischste Uni Europas
„Für mich als Techniker ist das ein absolutes Once-in-a-Lifetime-Projekt“, sagt Grohmann, „so was kommt nicht wieder.“ Hunderte weitere Dinge gäbe es zu sagen: von der Betonkernaktivierung mit dem Wasser aus dem Genfer See über die riesigen Spannglieder im Boden, die die flachen Kuppelbögen aus Stahlbeton zusammenhalten, bis hin zu der überaus erfolgreichen Zusammenarbeit mit Schweizer Blinden- und Behindertenverbänden. Das ganze Haus ist von Rampen und Rollstuhlliften durchzogen und sogar mit einem Blindenleitsystem ausgestattet. Am Ende erfüllt das neue Learning Center alle Kriterien für den nationalen Minergie-Award und gilt laut Fachleuten als das umweltfreundlichste und energieeffizienteste Universitätsgebäude Europas.
Mit einem Wort: ein Traum in Weiß. Doch wie ist all das möglich? Die Baukosten von insgesamt 110 Millionen Fränkli (rund 77 Millionen Euro) teilen sich EPFL und private Investoren. Ein klassisches PPP-Modell also. „50 Millionen Franken, fast die Hälfte des Budgets, kommt von Unternehmen, die in der Schweiz ansässig oder zumindest hier tätig sind“, sagt Michael Mitchell, internationaler Pressesprecher der École. Mit an Bord sind Nestlé, Novartis, Logitech, SICPA, Bouygues Construction, Credit Suisse - und zum größten Teil natürlich der Namensgeber Rolex.
„Das Besondere an diesem Public Private Partnership ist, dass die Firmen die riesigen beigesteuerten Geldmengen nicht als Sponsoring, Spende oder reine Beteiligung auf Basis eines Contracting-Modells sehen, sondern dass sie ganz genau wissen, wie sehr sie von dem Know-how dieser Schule, von dem dichten Think-Tank, der hier herrscht, profitieren können - und natürlich umgekehrt!“
Wie man sieht, trägt die langjährige Zusammenarbeit von Universität, Forschung und Wirtschaft pralle, schmackhafte, ja wahrlich exotische Früchte. Man muss sie nur früh genug säen. In Österreich hingegen sind die PPP-Projekte, sofern sie überhaupt zustande kommen, ein absolutes Trauerspiel. Der neue Campus der WU Wien, universitäres Aushängeschild der Nation, wird ohne PPP realisiert.
In der Schweiz ticken die Uhren eben anders. „Das Rolex Learning Center entspricht unserer Vorstellung einer Universität der Zukunft“, sagt Patrick Aebischer, Präsident der ETH Lausanne, „einer Universität, die keine Schranken zwischen den Disziplinen kennt und die durch wissenschaftliche Arbeit zum Fortschritt der Gesellschaft beitragen kann.“
Das Rolex Learning Center ist von sieben Uhr in der Früh bis Mitternacht geöffnet. Sieben Tage die Woche. Für alle.
Das Rolex Learning Center von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa, SANAA, bildet den neuen Mittelpunkt der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne. Der Präsident...
Das Rolex Learning Center von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa, SANAA, bildet den neuen Mittelpunkt der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne. Der Präsident der Hochschule schwärmt von der „neuen Art des Lernens“. Vollständigen Artikel anssehen
(SUBTITLE) In Lausanne wird das Rolex Learning Center eröffnet
Als Bibliothek der Zukunft preist sich das Rolex Learning Center des japanischen Architekturbüros Sanaa auf dem ETH-Campus in Lausanne an. Das von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa wie eine Landschaft konzipierte Bauwerk dürfte die Westschweizer Hochschule zu einem architektonischen Wallfahrtsort machen.
Als Bibliothek der Zukunft preist sich das Rolex Learning Center des japanischen Architekturbüros Sanaa auf dem ETH-Campus in Lausanne an. Das von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa wie eine Landschaft konzipierte Bauwerk dürfte die Westschweizer Hochschule zu einem architektonischen Wallfahrtsort machen.
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