Details

Adresse
Ebert-, Wilhelm- und Behrenstrasse, Berlin, Deutschland
Mitarbeit Architektur
Richard Rosson, Sebastian Mittendorfer (Projektleitung); Manfred Schasler, Axel Heintz, Andreas Schultze
Bauherrschaft
Republik Deutschland, Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Tragwerksplanung
Büro Happold
Landschaftsarchitektur
Olin Partnership
Weitere Konsulent:innen
Baudurchführung: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung des Landes Berlin, Abt VI
Kostenplanung und Bauleitung: Manfred Schasler
Prüfstatik: Franz-Josef Hilbers, Berlin
Vermessung: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Abt. III, des Landes Berlin
Bodengutachten: BBIG Berlin-Brandenburger Institut für Geotechnik GmbH, Berlin
Grundwasserüberwachung: Müller-Kirchenbauer und Partner GmbH Berat. Ing. für Erd- und Grundbau Spezialtiefbau, Berlin
Brandschutzgutachten: hhpberlin, Berlin
Betontechnologische Beratung: Bernd Hillemeier, Berlin
Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator: Technisches Büro Horst Stechel, Galenbeck
Funktion
Denkmäler
Wettbewerb
1977
Planung
1998
Ausführung
2001 - 2005
Grundstücksfläche
19.000 m²

Ausführende Firmen

Stahlbetonstelen und -fertigteile: Hermann Geithner Söhne GmbH & Co KG, Wilhelmshaven, Niederlassung Joachimsthal
Pflasterarbeiten Stelenfeld: REGIO Garten- und Landschaftsbau GmbH, Potsdam
Garten- und Landschaftsbau: Reinhold Fehmer GmbH, Falkensee

Ort der Information
Baugrube und Sohle: Bilfinger Berger AG, NL Spezialtiefbau, Berlin & MBN Berliner Bau GmbH, Berlin
Rohbau: BSS Beton-System-Schalungsbau GmbH, Berlin
Metallbauarbeiten: C. Puls Metallbau GmbH, Berlin
Trockenbau: Trockenbau GmbH Berlin, Berlin
Doppel- und Hohlbodenarbeiten: Lindner AG, Berlin
Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik: Johnson Controls GmbH, Berlin

Ausstellungsbau
Ausstellungsbauten: museumstechnik GmbH, Berlin
Hinterleuchtete Wand- und Bodenverglasungen: Ausstellungsmanufaktur Hertzer GmbH, Berlin

Preise und Auszeichnungen

2007 AIA Institute Honor Awards
Balthasar-Neumann-Preis 2006, Engere Wahl

Publikationen

Presseschau

02. Juni 2014Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Verletzlicher Beton

(SUBTITLE) Die Schäden am Berliner Holocaust-Mahnmal werden grösser

Immer mehr Stelen des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas weisen Risse und Spalten auf. Über vierzig sind bisher mit Metallgürteln gesichert worden.

Immer mehr Stelen des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas weisen Risse und Spalten auf. Über vierzig sind bisher mit Metallgürteln gesichert worden.

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09. Mai 2005Bert Rebhandl
Der Standard

Gedenken, nicht Geschäft

Am morgigen Dienstag wird das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Peter Eisenmans Stelenfeld, in Berlin offiziell eröffnet. Es gibt der Shoah ihre Singularität zurück, indem es jede Erzählbarkeit der Ereignisse verneint.

Am morgigen Dienstag wird das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Peter Eisenmans Stelenfeld, in Berlin offiziell eröffnet. Es gibt der Shoah ihre Singularität zurück, indem es jede Erzählbarkeit der Ereignisse verneint.

Gerhard Schröder wünschte sich „einen Ort, an den man gerne geht“. Nun hat er ihn bekommen. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas wird absehbarerweise ein Erfolg. In bester Berliner Lage - an der Touristenmeile zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz - liegt das Stelenfeld von Peter Eisenman, das am Dienstag feierlich der Öffentlichkeit übergeben wird. Von allen Seiten werden die Menschen künftig in dieses Labyrinth ohne Zentrum hineingehen können.

Sie können über die Oberfläche der Betonstelen streichen, die mit einer Substanz der Firma Degussa gegen Graffiti immunisiert wurde. Sie können Andacht üben oder den Ort als Abenteuerspielplatz nutzen. Und sie können sich am Ort der Information das Mindestwissen über die Shoah, den Genozid an den Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft, aneignen. Die meisten werden auch danach von einem Besuch des „Holocaust-Mahnmals“ sprechen, denn dieser Begriff hat sich eingebürgert, ungeachtet aller problematischen Konnotationen der Bezeichnung „Holocaust“.

Großes Zeichen

Das Denkmal wird ein Erfolg werden, weil es die vielen Schwierigkeiten, die ihm zugrunde liegen, nicht mehr erkennen lässt. Es hebt sie auf in ein großes Zeichen, von dem der Architekt jede inhaltliche Bestimmung fern zu halten versucht. Kein Gräberfeld möchte er sehen, keinen Wald, nur Stelen, deren Muster zugleich geometrisch und wellenförmig bestimmt ist.

Als die Journalistin Lea Rosh und der Historiker Eberhard Jäckel im Jahr 1988 begannen, sich für ein Denkmal stark zu machen, regierte Helmut Kohl in Bonn. Berlin war eine geteilte Stadt, und die offizielle DDR begriff sich als Staat gewordenes antifaschistisches Mahnmal. Die Bundesrepublik hatte gerade einen Historikerstreit hinter sich gebracht, in dem die Singularität der NS-Verbrechen als Eckstein ihres demokratischen Selbstverständnisses kodifiziert wurde.

Erst vor dem Hintergrund eines wiedervereinigten Landes und der „Berliner Republik“ bekam das geplante Denkmal eine neue kontroverse Qualität als „negatives“ Nationaldenkmal. Martin Walser sprach für die große Gruppe der Denkmalgegner, als er sich gegen eine „Monumentalisierung der Schande“ aussprach. Seine Rede in der Frankfurter Paulskirche 1998 galt spezifisch dem „fußballfeldgroßen Albtraum“ im Zentrum Berlins, allgemeiner aber der deutschen Geschichtspolitik als solcher, mit Auschwitz als „Drohroutine“.

Die unausgesprochene Pointe von Walsers Einlassung war, dass er das Mahnmal als Massenmedium begriff, als eine institutionalisierte, immer währende Kommunikation zur Erinnerung an Schuld, und damit als steinernes Hindernis auf dem Weg zur „Normalisierung“ des deutschen Verhältnisses zur eigenen Geschichte. Nun, da das Denkmal fertig und durch einen Ort der Information auch noch inhaltlich gegen seine eigene Abstraktionsleistung versichert ist, stellt sich heraus, dass das Gegenteil richtig sein wird.

Die Eröffnung zum Abschluss einer langen Bau- und Diskussionsgeschichte ist der letzte Schritt auf dem Weg einer Normalisierung, die die Massenmedien längst vollzogen haben. Einen Tag vor dem Staatsakt zeigt das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit dem Dokudrama Speer und er einen weiteren mit größter Aufmerksamkeit erwarteten Film über einen Protagonisten des Dritten Reichs.

Interesse an Tätern

Heinrich Breloers Dreiteiler, in dem Albert Speer, der vermeintliche „gute Nazi“, nicht nur des Mitwissens über die Judenvernichtung, sondern auch der direkten bürokratischen Beihilfe dazu überführt wird, ist das wichtigste gegenwärtige Indiz dafür, dass das Interesse sich zunehmend auf die Täter konzentriert. Von ihnen ist wesentlich mehr audiovisuelles Material überliefert, während das Wissen über die Opfer sich vorwiegend aus den Berichten von Überlebenden und aus der Sicht der Befreier ergibt. Auf diese indirekte Zeugenlage haben die Medien schon früh durch Fiktionalisierung reagiert. Fernsehserien wie Holocaust oder Spielfilme wie Schindlers Liste stehen kanonisch für die Opfergeschichte. Auf diesen Zusammenhang einer pädagogisch vereinfachenden Anschaulichkeit reagiert das Mahnmal wesentlich stärker als auf die „Schande“.

Eisenman gibt der Shoah ihre Singularität zurück, indem er das Ereignis der Erzählbarkeit wieder entzieht. Damit sanktioniert das Denkmal (das de facto übrigens viel narrativer ist, als der Urheber und die offizielle Rezeption es zugestehen wollen) alle Formen der Vermittlung, weil es selber das historische Geschehen als unvermittelte Setzung für die Dauer des Bestehens einer deutschen Demokratie symbolisch festhält.

Es sanktioniert aber auch die Ausbeutung des Nazimythos durch Filme wie Der Untergang, weil es als offizielles Denkmal den Unterschied zwischen Gedenken und Geschäft aufrichtet, den das „Histotainment“ so lange mit aufklärerischen Absichten verleugnen musste. Darin liegt eine „Normalisierung“, die von den Initiatoren nicht beabsichtigt sein konnte, aber für den Moment die eigentliche Leistung dieses Bauwerks darstellt.

07. Mai 2005Bert Rebhandl
Der Standard

Vier Räume der Erinnerung

Vier Tage vor der feierlichen Eröffnung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas („Holocaust-Mahnmal“) wurde am Freitag in Berlin zum ersten Mal der...

Vier Tage vor der feierlichen Eröffnung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas („Holocaust-Mahnmal“) wurde am Freitag in Berlin zum ersten Mal der...

Vier Tage vor der feierlichen Eröffnung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas („Holocaust-Mahnmal“) wurde am Freitag in Berlin zum ersten Mal der Ort der Information zugänglich gemacht. Diese Ergänzung zum Stelenfeld des Architekten Peter Eisenman war vom Deutschen Bundestag 1999 beschlossen worden. Auf knappem Raum in einem unterirdischen Komplex am Südostrand des Denkmalgeländes wird dort in Hinkunft eine stark verdichtete Dokumentation der Vernichtung der europäischen Juden während der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland zu sehen sein. Der Zugang erfolgt zwischen den Stelen, die am Rand - wo das Niveau des Denkmals höher ist als in der Mitte - noch relativ niedrig sind.

Sechs Großaufnahmen von jüdischen Opfern der Shoah stehen stellvertretend für die sechs Millionen, derer gedacht werden soll. Die vier Räume, die zusammen einen quadratischen Grundriss ergeben, reagieren auf den Grundriss des Stelenmusters. In den ersten „Raum der Dimensionen“ sind über den ganzen Boden hin Platten vom Umfang der Stelen eingelassen, auf denen kurze Textpassagen jeweils fragmentarische Berichte über Tötungen enthalten.

An der Wand werden nach der „Nationalitätenstruktur der Opfer“ die Zahlen aufgelistet. Polen hatte mit über drei Millionen jüdischen Toten den größten Verlust zu beklagen. Ein „Raum der Familien“ schließt an den „Raum der Dimensionen“ an. Hier haben die befassten Historiker jüdische Familienchroniken erstellt, die jeweils von einem Gruppenbild ausgehen. Der Verbleib der einzelnen Familienmitglieder während und nach des Kriegs wird rekonstruiert, wodurch die Vernichtung eine lebensweltliche Dimension jenseits der bloßen Zahlen bekommt. Im dritten „Raum der Namen“ werden kurze Biografien von Opfern akustisch vorgetragen, im vierten „Raum der Orte“ bekommt die Vernichtungspolitik eine Topographie.

Reduktion, Abstraktion

„Wir wollen nicht mit Yad Vashem in Konkurrenz treten“, sagte Hans-Erhard Haverkampf, der Geschäftsführer der Denkmal-Stiftung in Anspielung auf die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem. Der Ort der Information in Berlin funktioniert, wie das Denkmal selbst, durch Reduktion und Abstraktion.

Am Dienstag wird es in Berlin durch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse feierlich eröffnet werden.

18. Dezember 2004Ute Woltron
Der Standard

Betonsteinerner Hain

Kein Denkmal, sondern ein Ort, der jeden auf sich selbst zurückwirft: Peter Eisenmans Mahnmal in Berlin.

Kein Denkmal, sondern ein Ort, der jeden auf sich selbst zurückwirft: Peter Eisenmans Mahnmal in Berlin.

Die völlig naive, nachgerade dumme Frage, ob man sich in diesem riesigen, verwirrenden „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin nicht allzu verloren fühlen könne, beantwortet der amerikanische Architekt Peter Eisenman, 72, nach einem Moment nachsichtiger Stille mit einer Geschichte. Eine ältere Frau hatte sie ihm erzählt:

Ein fünfjähriges Mädchen wird mit seiner Mutter in einen Zug gesteckt und nach Auschwitz deportiert. Der Zug hält. Die Insassen steigen aus. Gleich auf dem Bahnsteig bricht die Hölle los, wird die Mutter von KZ-Wärtern in die eine Richtung gezerrt, das Mädchen in die andere. Verwirrung, turmhohe fremde Menschen rundherum, das Mädchen kann die Stimme seiner Mutter zwar noch von irgendwo hören, aber es sieht sie nicht mehr. Es wird sie nie wieder sehen.

Dieser Moment des Verlorenseins, Alleinseins in einer Menschenmasse, die Verwirrung und Verzweiflung - dieser Moment wird nie vergehen, wird nie Vergangenheit sein, wird immer da sein für die Frau, die einmal dieses Mädchen war.

Berlin und die dazugehörige Nation Deutschland wird über sechs Jahrzehnte später, am 10. Mai kommenden Jahres, das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ der Öffentlichkeit übergeben. „Einweihung“ oder „Eröffnung“ wären für diesen anderen Moment in der deutschen Geschichte die wohl falschen Begriffe, so wie auch „Mahnmal“ oder „Denkmal“ angesichts dieses Ortes irgendwie unpassend erscheinen.

Überhaupt: Alles Offizielle, Feierliche, Zeremonielle, Kollektive passt nicht hierher in diese eigenartige Szenerie, die Peter Eisenman entworfen und in den vergangenen Jahren umrahmt von vielen Debatten, anfangs lauten und mit Fortschreiten der Arbeit immer leiser werdenden Misstönen aufgebaut hat. Jetzt, da das Denkmal fast fertig ist, hat es kaum noch Gegner, dafür ist die Neugier darauf enorm. Auf dem kleinen Aussichtplateau am Rande der Szenerie drängen sich täglich zu jeder Uhrzeit die Menschen - Berliner wie Touristen.

Im Mai, wenn man das Gelände dann erstmals offiziell betreten darf, werden zwar viele mehr oder weniger gescheite Reden geschwungen und wichtige Menschen gesehen werden. Es wird auf die schwierige und langwierige Genese des Projektes verwiesen und auf die allgemeine gegenseitige Befriedung angestoßen werden. Doch egal, wie viele Leute auch anwesend sein werden, um das Resultat dieses enormen kollektiven, höchst politischen und sehr spät doch noch gemeisterten Kraftaktes zu würdigen - im Gewirr der Stelen werden alle irgendwie verloren gehen, jeder wird für sich allein sein, und jeder wird mit diesem Gefühl für sich umgehen müssen. Ganz allein.

Das ist die wichtigste Leistung dieses Ortes mitten im Zentrum der großen und an guter Architektur so reichen Stadt Berlin: Er wirft diejenigen, die ihn betreten, die sich in die Tiefen dieses Betonstelengewirrs wagen, gnadenlos auf sich selbst zurück.

Hier wird nichts Konkretes betrachtet oder Dargestelltes studiert. Hier sind keine Inschriften zu finden. Hier wird nicht in Bildern serviert, wie schrecklich damals war, was nie wieder passieren darf.

Man versinkt vielmehr in einem Meer von 2751 scharfkantigen Betonstelen, die in sanften Wellen ihre Höhe ändern, sodass der Himmel manchmal greifbar, manchmal unendlich weit entfernt scheint. Die Wege zwischen den Stelen entwickeln sich von sanften Pfaden rasch zu tiefen Schluchten, sie folgen strengen rechtwinkeligen Geometrien, doch ganz zarte Schrägstellungen und Kippungen der Stelen sorgen für verwirrende, verunsichernde Effekte, die vor allem bei scharfem Sonnenschein für das entsprechend irritierende Licht-Schatten-Spiel sorgen. Denn vor allem die Schlagschatten, die die Stelen einander quasi stumm zuwerfen, überhöhen und verzerren die leichten Schrägen der Betonklötze zu einem surrealen Licht-Schatten-Grau-Geflirre.

Drei Fußballfelder groß ist das Stelenfeld, es ist gleich neben dem Brandenburger Tor und dem Reichstag gelegen und nur ein paar Blöcke entfernt von den sich allmonatlich verschlimmernden Architekturgräueln des Potsdamer Platzes, den man getrost als einen der unmenschlichsten und hässlichsten Orte des gesamten Erdenrundes bezeichnen kann. Doch sobald man Eisenmans betonsteinernen Hain betritt, wirkt der Verkehrslärm gedämpft. Und ist man einmal mittendrin, so hört man die Stadt nur noch leise von ferne murmeln, der Takt der eigenen Schritte und der Widerhall geben jetzt den Ton an.

Vergangenen Mittwoch wurde unter regem medialen Interesse nun die letzte der insgesamt 2751 Betonstelen versetzt. (DER STANDARD hat berichtet.) An den Betonpflasterungen der inneren Wege wird noch gearbeitet, auch an den reduzierten, im Boden versenkten Leuchten und an dem Gedenkzentrum, das unter dem Areal liegt.

Das Betreten der Noch-Baustelle war aus diesem Grund strikt verboten, selbst Peter Eisenman musste verhandlerisches Geschick an den Tag legen, um zwei Medienvertreter - unter anderem den STANDARD - in das betonene Meer schmuggeln zu können. Alle, inklusive Eisenman, gingen schon nach wenigen Schritten verloren, erst nach vielen Viertelstunden und nach Wiedererreichen der Ufer fand man einander wieder.

Wer den inneren Weg durch diese vielen Pfade und Schneisen aufsuchen will, braucht vor allem Zeit. Erst nach einer Weile beginnen der Rhythmus, das Spiel mit unterschiedlichen Höhen und Grauschattierungen und die akustischen Effekte zu wirken.

Ob er sich nicht vor Vandalismus und Sprayern fürchte? Eisenman verneint und meint, das Denkmal sei für sich stark genug, es müsse dergleichen wohl aushalten können. Es würde ihn auch nicht stören, wenn Skater die gewellten Pfade auf ihren Boards für sich entdecken sollten. Wie Berlin mit dergleichen Aktivitäten umgehen will, wird sich weisen. Die Stelen sind jedenfalls sicherheitshalber mit farbabweisenden Substanzen ausgestattet.

In der Eisenman-Ausstellung „Barfuß auf weiß glühenden Mauern“ - derzeit zu sehen im MAK-Wien und gekonnt kuratiert von Tulag Beyerle - kann man übrigens einen Mikro-Ausschnitt des Berliner Denkmals betreten und den Hauch eines Eindrucks davon gewinnen. Doch nur einen Hauch.

18. Dezember 2004Claudia Schwartz
Neue Zürcher Zeitung

Aus dem Lot

(SUBTITLE) Peter Eisenmans Holocaust-Mahnmal in Berlin

Der Beginn der Bauarbeiten an dem umstrittenen «Denkmal für die ermordeten Juden Europas» in Berlin liegt über ein Jahr zurück. Wann immer man im Laufe...

Der Beginn der Bauarbeiten an dem umstrittenen «Denkmal für die ermordeten Juden Europas» in Berlin liegt über ein Jahr zurück. Wann immer man im Laufe...

Der Beginn der Bauarbeiten an dem umstrittenen «Denkmal für die ermordeten Juden Europas» in Berlin liegt über ein Jahr zurück. Wann immer man im Laufe der Zeit das Gelände nahe dem Brandenburger Tor aufsuchte und der Wirkung nachspürte, die der Anblick der wachsenden Zahl von Stelen auslösen würde, stellte sich Ratlosigkeit ein. Vergeblich suchte man nach der angekündigten Wellenbewegung, die sich in der Gruppierung ergeben sollte, und nicht die geringste Andeutung eines Sinnbildes war zu erkennen. Man glaubte den Grund im Unfertigen des Ganzen zu finden. Die Gegend wirkte wie ein Depot im Berliner Sand, in dem riesige Betonklötze auf ihre Weiterverarbeitung warten.

Mittlerweile haben sich die Säulen zu einem Bild gefügt, zu einem Feld geordnet: Dicht an dicht stehen sie in unterschiedlichen Höhen und Neigungswinkeln und ergeben ein kühles kubistisches Zusammenspiel in Helldunkel. Als graue Steinmasse bildet das Gelände einen rauen Kontrast zu den umliegenden bunten Häuserfassaden. Von der Reichstagskuppel aus gesehen mutet das Bauwerk an wie ein grosser, mitten in die Stadt hinein gepflasterter, unsinniger Flecken, der sich nicht in seine Umgebung einpasst. Von hier oben ist mit etwas gutem Willen und bei guten Lichtverhältnissen auch so etwas wie eine Wellenbewegung zu erkennen. Als Stein des Anstosses schiebt sich das Betonmosaik immer wieder in den Blick im Stadtbild des neuen Berlin zwischen Reichstagskuppel und Potsdamer Platz. Das hauptstädtische Postkartenidyll ist nur noch unter Anstrengung zu bekommen. Seit die wenigen Bäume zwischen die Säulen gepflanzt sind, fällt auf, wie leblos der Beton wirkt. Dagegen scheinen sich die unterschiedlich geneigten Stelen leicht zu bewegen, als würde der Wind darüber ziehen.

Der letzte der 2751 Steinquader wurde in dieser Woche gesetzt. Der anfängliche Eindruck des Unbestimmten bleibt. Man muss dem New Yorker Architekten Peter Eisenman ein Kompliment machen dafür, dass sein Werk sich der Suggestion und einem falschen Gefühlsausdruck verweigert, der den Schrecken der Vergangenheit beschwören will. Es ist erstaunlich, wie wenig monumental das Bauwerk wirkt trotz seinem riesigen Ausmass von vier Fussballfeldern. Es scheint leicht in den Boden abzusinken und erhebt sich jedenfalls nicht im Schuldstolz. Ähnlich wie Norman Foster die Würdeformel der Reichstagskuppel unterlief, indem er diese öffentlich begehbar machte, enthebt Eisenman das Denkmal einem eindeutigen Erinnerungshabitus. Es bringt historische Verantwortung zum Ausdruck, aber es bereitet keiner symbolpolitischen Selbstentsühnung den Weg.

Man wandelt hier über unebene, gepflasterte Wege zwischen den Betonwänden. Manchmal kippt eine Stele aus dem Lot und neigt sich einem leicht entgegen oder weicht nach hinten zurück. Vom Potsdamer Platz herüber weht der Würstchenduft vom Weihnachtsmarkt. Die Stelen wachsen in der Mitte des Feldes auf bis zu fünf Meter an, während der Weg zwischen ihnen steigt und fällt, im Zentrum droht das ganze Feld mit einem in den Boden zu versinken. Die Stadt rundherum verschwindet manchmal hinter den Säulen, der eindringende Lärm der vielbefahrenen Strasse zwischen dem Regierungsviertel und dem Potsdamer Platz wirkt zunehmend störend. Die Immissionen der Grossstadt lassen sich nicht ausblenden, so sehr man sich auch anstrengt. Man findet hier keine Ruhe und ist doch auf sich selbst zurückgeworfen. Eisenman schickt einen in eine körperliche Erfahrung mit vagem Ausgang.

Hier beginnt das Unwohlsein mit diesem Denkmal, das Missverständnissen nicht entgegenwirkt. Zum Beispiel jener Annahme, wonach hier eine physische Beklemmung vermittelt werde, die der Erfahrung der im Nationalsozialismus Verfolgten ähnlich sei. Unwohlsein darüber, dass die historische Katastrophe nicht ausgesprochen (und also in gewissem Sinne beschwiegen) wird, dass die Fakten in einem angegliederten, unterirdischen «Ort der Information» nachgereicht werden müssen.

Das Berliner Mahnmal gibt keine Antwort auf die Frage, wie die Deutschen zu ihrer Geschichte stehen sollen, ausser jener vielleicht, dass die Haltung, die man zur Vergangenheit einnimmt, nirgendwo anders als im eigenen Kopf entstehen kann. Eisenman hat einen rationalen «place of no meaning» geschaffen und eine Absage an die Vergegenwärtigung des Grauens mit ästhetischen Mitteln. Gäbe es ein Bild für das Bilderverbot, so fände man es am ehesten hier.

Als Schlussstrich unter die Debatte um die deutsche Vergangenheit, wie von den Kritikern des Mahnmals befürchtet, eignet sich dieses Denkmal kaum. Die Steine reden nicht, es liegt an den gegenwärtigen und zukünftigen Generationen, ob sie ihnen eine Stimme verleihen. Eisenman hat auf einem offenen Mahnmal bestanden. Passanten werden sich auf den kleineren Blöcken niederlassen, vielleicht zum Picknick oder um sich fotografieren zu lassen. Noch wohnt dem Denkmal Bedachtsamkeit, Würde und Sachlichkeit inne. Ob dies so bleibt, wenn der Zaun nach der Eröffnung im kommenden Mai entfernt sein wird und die Menschen das Stelenfeld begehen werden, wird sich weisen müssen.

16. Dezember 2004Bert Rebhandl
Der Standard

Das Schweigen des Mahnmals

Lange und heftig wurden Form und Ort des Berliner Holocaust-Mahnmals diskutiert: Am Mittwoch wurde die letzte Stele der von Peter Eisenman konzipierten Gedächtnisstätte, die erst im Mai vollends fertig gebaut sein wird, gesetzt.

Lange und heftig wurden Form und Ort des Berliner Holocaust-Mahnmals diskutiert: Am Mittwoch wurde die letzte Stele der von Peter Eisenman konzipierten Gedächtnisstätte, die erst im Mai vollends fertig gebaut sein wird, gesetzt.

Er möchte „die Psyche des Menschen für das Unbewusste und Verdrängte öffnen“, hat der Architekt Peter Eisenman kürzlich in einem Interview gesagt. Am Mittwoch wurde in Berlin die letzte Stele für das Holocaust-Mahnmal gesetzt, das Eisenman entworfen hat. Die Gedenkstätte ist damit nicht fertig, an dem unterirdischen Dokumentationszentrum wird noch gebaut, erst im Mai 2005 soll der ganze Komplex seiner Bestimmung überantwortet werden.

Wenn diese Bestimmung auch niemals eindeutig definiert wurde, so ist sie nun doch nicht mehr zu übersehen: Die Berliner Republik bekommt mit dem Holocaust-Mahnmal ihr gedächtnispolitisches Zentrum. Die räumliche Nähe zum Reichstag und zum Brandenburger Tor stellt nicht nur historische Kontinuität her, sie sorgt auch dafür, dass die Touristen um das fußballfeldgroße Areal nicht herumkommen. So entsteht im Idealfall jener Effekt der Öffnung, den Peter Eisenman sich erhofft.

Er setzt dazu auf eine abstrakte Raumerfahrung, die der von Daniel Libeskinds Jüdischem Museum verwandt ist: Von außen sieht das Holocaust-Mahnmal in erster Linie skulptural aus, ein starkes Zeichen ohne Deutung. In der Begehung erst ermöglicht es jene Kontemplation, die der Erinnerung an die Ermordung der europäischen Juden gerecht werden kann.

In dem Interview mit der Zeit hat Eisenman das Schweigen des Mahnmals mit dem Schweigen eines Psychoanalytikers verglichen, ohne näher darauf einzugehen, welche komplizierten Prozesse er damit insinuiert: Denn in erster Linie werden es Passanten sein, die an der Gedenkstätte vorbeikommen. Viele der „analytischen“ Situationen, die Eisenman sich erhofft, werden zufällig entstehen. Menschen aus vielen Ländern stehen dann eigentlich einem Staat gegenüber, der sich in dem Holocaust-Mahnmal mit einer Vorgeschichte identifiziert, von der er sich damit gleichzeitig absetzt.

Es kann dabei nicht mehr um deutsche Schuld und Verantwortung der Nachgeborenen allein gehen. Das Mahnmal bekommt unweigerlich eine menschheitliche Dimension. Die architektonische Form hält dabei die Balance zwischen diesen beiden Formen des Gedenkens: dem persönlichen und dem allgemeinen, das die Republik in Form des Mahnmals gewissermaßen repräsentativ leistet.

Die Stelen, die in unterschiedlicher Höhe, aber mit gleich bleibendem Abstand von 95 Zentimetern zueinander angebracht sind, sind die Sprache des Mahnmals. Es spricht nach außen und schweigt nach innen. Die Entstehungsgeschichte, die bis in die 80er zurückreicht und das wiedervereinigte Deutschland zu einigen Grundsatzdebatten zwang, gehört zu diesem Ort unabdingbar dazu.

07. Mai 2004Der Standard

Berliner Holocaust-Mahnmal nimmt Gestalt an

Gut ein Drittel der Beton-Stelen steht bereits

Gut ein Drittel der Beton-Stelen steht bereits

Ein Jahr vor seiner Eröffnung nimmt das Berliner Holocaust-Mahnmal Gestalt an. Etwa 1.000 der geplanten 2.751 Betonstelen seien bereits auf dem Gelände zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz errichtet worden, sagte der Geschäftsführer der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Hans-Erhard Haverkampf, am Donnerstag. Ende des Jahres sollen alle Blöcke stehen. Offen sei noch, ob das Mahnmal zum 60. Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8. Mai 2005 oder einen Tag später eingeweiht wird.

Mit dem Mahnmal nach dem Entwurf des amerikanischen Architekten Peter Eisenman entsteht auch ein „Ort der Information“: In unteridischen Räumen am Rande des Mahnmalgeländes sollen die wichtigsten Stätten zur Ermordung der Juden sowie Einzelschicksale dargestellt werden. Die Arbeiten lägen auch hier im Zeitplan, sagte Haverkampf. Das Zentrum wird die Namen von 3,5 Millionen ermordeter Juden dokumentieren.

Um das vom Bund mit 27,5 Millionen Euro finanzierte Mahnmal hatte es wiederholt Streit gegeben. Weil die Stelen mit Graffitischutz der Firma Degussa behandelt werden sollen, wurden die Arbeiten im Oktober 2003 für mehrere Wochen gestoppt. Eine Degussa-Tochterfirma hatte in der NS-Zeit das Giftgas Zyklon B hergestellt, mit dem Millionen Juden in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Anfang 2004 löste eine von Kritikern als geschmacklos empfundene Bemerkung Eisenmans auf einer Sitzung der Stiftung für Aufregung. Vertreter der jüdischen Gemeinde hatten die Ablösung des Architekten gefordert.

18. August 2003Salzburger Nachrichten

Bau des Berliner Holocaust-Mahnmals begonnen

Nach 15-jähriger Planungsphase sind am Samstag in Berlin die ersten Stelen für das Holocaust-Mahnmal errichtet worden. Mit dem Mahnmal soll an die die sechs Millionen Juden erinnert werden, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten getötet worden sind.

Nach 15-jähriger Planungsphase sind am Samstag in Berlin die ersten Stelen für das Holocaust-Mahnmal errichtet worden. Mit dem Mahnmal soll an die die sechs Millionen Juden erinnert werden, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten getötet worden sind.

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16. August 2003Die Presse

„Einsam, wie die Menschen in Auschwitz“

In Berlin nimmt das „wogende Steinfeld“ konkrete Formen an. Architekt Eisenman stellte die ersten zehn Betonstelen vor.

In Berlin nimmt das „wogende Steinfeld“ konkrete Formen an. Architekt Eisenman stellte die ersten zehn Betonstelen vor.

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09. Februar 2002Claudia Schwartz
Neue Zürcher Zeitung

Beton statt Schiefer

An der letzten Sitzung des Kuratoriums für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat sich Peter Eisenman nun definitiv für Beton als Material...

An der letzten Sitzung des Kuratoriums für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat sich Peter Eisenman nun definitiv für Beton als Material...

An der letzten Sitzung des Kuratoriums für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat sich Peter Eisenman nun definitiv für Beton als Material für die zu errichtenden Stelen ausgesprochen. Die Erwägung des Architekten, eventuell Schiefer statt Beton zu verwenden, hatte zuvor für Aufregung gesorgt, weil damit Kosten- wie Zeitplan für das Mahnmalprojekt in Berlin gefährdet gewesen wären (NZZ 23. 1. 02). Die Geschäftsführerin Sibylle Quack rechnet damit, dass im Frühsommer die Bauarbeiten für den dem Denkmal angegliederten unterirdischen «Ort der Information» beginnen.

23. Januar 2002Claudia Schwartz
Neue Zürcher Zeitung

Schiefer statt Beton?

Peter Eisenmann irritiert mit neuen Ideen für das Holocaust-Mahnmal

Peter Eisenmann irritiert mit neuen Ideen für das Holocaust-Mahnmal

Man mag es kaum mehr als einen Zufall bezeichnen, dass just zu diesem Zeitpunkt erneut ein Streit um das Denkmal für die ermordeten Juden Europas auszubrechen droht. Noch nie stand die Realisierung des umstrittenen Projektes so konkret bevor; selbst die geschmacklose Werbekampagne des Fördervereins mit dem in eine photographierte Alpenlandschaft eingeblendeten Satz «Den Holocaust hat es nie gegeben» war schon fast wieder vergessen, und die Musealisierung des Plakates im Rahmen der derzeitigen Holocaust-Ausstellung in Berlin (NZZ 21. 01. 02) erschien als Beleg für die erfolgreiche Wende des langjährigen Vorhabens zum Guten: In diesem Frühjahr soll das mit 2700 Stelen an einen jüdischen Friedhof erinnernde Denkmal in den Bau gehen. Seit einigen Monaten stehen auf dem Mahnmalsgelände zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz Stelen in verschiedenen Grössen und Farbschattierungen zur Probe.

Zu Steinen des Anstosses wurden nun hellgraue Blöcke aus Schiefer, wo als Material ursprünglich Beton geplant war. Der Architekt Peter Eisenman, so ist zu vernehmen, lasse diese Materialproben durchführen, weil er offenbar Befürchtungen hat, dass bei schlechter Verarbeitung die Oberfläche nicht die gewünschte Qualität aufweisen könnte. Die Gerüchte verursachten umgehend grosse Aufregung in Berlin, wo solche Einwände an den fatalen Streit um den Neubau von Peter Zumthor für die Gedenkstätte Topographie des Terrors erinnern. Hier hatte nicht zuletzt der Wunsch des Architekten nach möglichst weissem Beton das Projekt in zeitliche und finanzielle Bedrängnis gebracht, so dass bis zum heutigen Tag, an dem eigentlich schon längst alles fertig sein sollte, auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände nichts als zwei einsame Treppenhäuser stehen.

Die Geschäftsleiterin der Stiftung für das Denkmal, Sibylle Quack, zeigt Verständnis für die Sensibilität in der Öffentlichkeit, erklärt aber den Schiefertest als ein legitimes Gedankenspiel des Architekten, der sein Projekt bis zuletzt zu optimieren versuche - in rein materialtechnischem Sinne. Dies mutet seltsam an bei einem erfahrenen Architekten wie Eisenman und in Anbetracht der symbolischen Tragweite des Mahnmalsprojektes, zumal Beton, beschichtet oder unbeschichtet, kein neues, gewissermassen bis zur letzten Minute unberechenbares Material darstellt. Die Verwendung von Schiefer würde den Charakter des Denkmals verändern, nicht nur auf Grund der ausgeprägten Oberflächenstruktur des Gesteins, sondern vor allem, weil die hohen Stelen aus Teilen zusammengefügt werden müssten - und so keine Monolithe mehr wären.

Peter Eisenman, heisst es, habe in Anbetracht der Aufregung gegenüber der Stiftung am Montagabend bereits versichert, die Idee mit dem Schiefer nicht weiter zu verfolgen, da sie den geplanten Kosten- wie Zeitrahmen gefährden würde. Die Bauarbeiten sollen also planmässig im Frühjahr beginnen. Noch ist jedoch die Bauausschreibung gestoppt wegen «technischer Optimierungsvorschläge im Hinblick auf die Oberflächenbehandlung der Betonstelen».

10. Juli 2000Claudia Schwartz
Neue Zürcher Zeitung

Entschieden

(SUBTITLE) Unterirdischer «Ort» für das Holocaust-Mahnmal

In Berlin hat man sich auf Form und Inhalt des «Ortes der Information» geeinigt, der nach einem Beschluss des Deutschen Bundestags das zentrale Denkmal für die ermordeten Juden Europas ergänzen soll. Bundestagspräsident und Stiftungsvorsitzender Wolfgang Thierse sprach vor der Presse von einer «wegweisenden Entscheidung».

In Berlin hat man sich auf Form und Inhalt des «Ortes der Information» geeinigt, der nach einem Beschluss des Deutschen Bundestags das zentrale Denkmal für die ermordeten Juden Europas ergänzen soll. Bundestagspräsident und Stiftungsvorsitzender Wolfgang Thierse sprach vor der Presse von einer «wegweisenden Entscheidung».

Das Kuratorium hat am Ende überraschend schnell und einstimmig die Realisierung des seit einiger Zeit kontrovers debattierten unterirdischen Projektes des Architekten Peter Eisenman beschlossen, das die didaktische Erweiterung zu Eisenmans Mahnmalsentwurf bilden soll (vgl. NZZ, 10. 6. 00). Mit der unterirdischen Variante wählte man jene Lösung, welche die künstlerische Aussage des mit 2700 Betonstelen bestückten Erinnerungsortes nicht relativiert: das Mahnmal als Ort der Kontemplation wird in seiner Erscheinung nicht beeinträchtigt, wie das bei einem oberirdischen Gebäude der Fall gewesen wäre. Damit ist das Informationszentrum klar dem Denkmal untergeordnet, nachdem die geplante Infothek in der Diskussion inzwischen zu einem nationalen Holocaust-Museum angewachsen war.

Das eine Fläche von 800 Quadratmetern umfassende Informationszentrum soll an der südöstlichen Ecke des Mahnmalsgeländes liegen, so dass von Reichstag und Brandenburger Tor her kommende Besucher erst das Stelenfeld durchqueren müssen, um dann über eine Treppe dort hinabzusteigen. Eisenmans Projekt schafft eine Verbindung von Denkmal und Infozentrum, indem einzelne Stelen die Decke der unterirdischen Halle durchbrechen. Noch nicht sehr differenziert präsentiert sich hingegen das inhaltliche Konzept. Zum «Ort der Information» sollen vier Räume gehören: ein «Raum der Stille» mit Grundinformationen über die nationalsozialistischen Verbrechen; weiter sollen ein «Raum der Schicksale», ein «Raum der Namen» und ein «Raum der Orte» einzelne Biographien, alle bisher bekannt gewordenen Namen der Opfer sowie die europäische Topographie der Vernichtung dokumentieren. Zudem will man hier eine Art Portal schaffen zur Berliner Erinnerungslandschaft mit dem Hinweis auf weitere Gedenkstätten und authentische Orte wie die Topographie des Terrors, das Haus der Wannseekonferenz oder das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen.

Für den Ergänzungsbau sollen maximal 20 Millionen Mark aufgewendet werden, während die Kosten für das ursprünglich auf 15 Millionen Mark veranschlagte Mahnmal weiterhin unklar sind. Der Bund habe dafür die Verantwortung übernommen, und dabei bleibe es, erklärte Thierse. Damit sollte dem für 2001 geplanten Baubeginn nichts im Wege stehen, wenngleich Thierse keine Prognosen bezüglich der zeitlichen Fertigstellung machen wollte.

08. Juli 2000Alexandra Föderl-Schmid
Der Standard

Infozentrum nun unter dem Holocaust-Mahnmal

Ein weiterer Streitpunkt beim geplanten Holocaust-Mahnmal in Berlin ist ausgeräumt. Das Kuratorium der Stiftung für das Mahnmal hat sich mehrheitlich darauf verständigt, das Informationszentrum, das das Feld von 2700 Stelen ergänzen soll, unterirdisch zu bauen. US-Architekt Peter Eisenman, der bereits den Auftrag für das Mahnmal erhalten hatte, legte dazu eine Machbarkeitsstudie vor.

Ein weiterer Streitpunkt beim geplanten Holocaust-Mahnmal in Berlin ist ausgeräumt. Das Kuratorium der Stiftung für das Mahnmal hat sich mehrheitlich darauf verständigt, das Informationszentrum, das das Feld von 2700 Stelen ergänzen soll, unterirdisch zu bauen. US-Architekt Peter Eisenman, der bereits den Auftrag für das Mahnmal erhalten hatte, legte dazu eine Machbarkeitsstudie vor.

Der Ort der Information soll in unmittelbarer Nähe zum Mahnmal entstehen. Geplant sind vier thematische Schwer-punkträume: ein Raum der Stille, ein Raum der Schicksale, ein Raum der Namen und ein Raum der Orte.

Nach Schätzungen Eisenmans und des Berliner Senats betragen die Kosten für diesen Ort der Information umgerechnet 140 Millionen Schilling. Bisher war dafür lediglich ein Kostenrahmen von 35 Millionen vorgesehen. Der Entwurf für die unterirdische Lösung war wegen der befürchteten Kostensteigerungen umstritten gewesen. Die Entscheidung im Kuratorium war deshalb auch nicht einstimmig, sondern nur mit „großer Mehrheit“, so Lea Rosh vom Förderkreis für das Denkmal, erfolgt.

Ein Kostenvoranschlag für das gesamte Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa ist deshalb nach Angaben von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Bisher wurden die Baukosten allein für das Stelenfeld mit umgerechnet rund 105 Millionen Schilling angegeben. Damit ist auch der Zeitplan für die Errichtung wieder völlig offen. Ursprünglich sollte zu Jahresbeginn mit dem Bau begonnen werden.

28. Januar 2000Verena Mayer
Der Standard

Symbolischer Baubeginn für Holocaust-Mahnmal

(SUBTITLE) Berlin: Diepgen blieb Zeremonie fern

„Zehn Jahre Reden sind genug“, steht auf einem Plakat, das jemand an den Zaun vor ein fußballfeldergroßes Stück Berliner Ödland geklebt hat. Am Donnerstag...

„Zehn Jahre Reden sind genug“, steht auf einem Plakat, das jemand an den Zaun vor ein fußballfeldergroßes Stück Berliner Ödland geklebt hat. Am Donnerstag...

„Zehn Jahre Reden sind genug“, steht auf einem Plakat, das jemand an den Zaun vor ein fußballfeldergroßes Stück Berliner Ödland geklebt hat. Am Donnerstag wurde nach einem Jahrzehnt der Diskussion symbolisch mit dem Bau des Berliner Holocaust-Mahnmals begonnen: In Anwesenheit von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundespräsident Johannes Rau wurden auf dem brachen Gelände südlich des ehemaligen „Führerbunkers“ zwei Hinweistafeln enthüllt. Nur eine Geste, ein Willenszeichen, aber ein wichtiges Symbol, wie betont wurde.

Denn bis heute ist so gut wie alles an dem Mahnmal nur symbolisch: der Ort - es gibt wegen ungeklärter Eigentumsfragen noch keine offizielle Genehmigung. Das Konzept, 2700 wellenförmige Stelen, die ein Labyrinth bilden - darüber wird noch verhandelt. Das Datum des Baubeginns, das Jahr 2001, steht ebenfalls noch nicht fest.

Einer fehlte allerdings bei dem Festakt: und zwar ausgerechnet die wichtigste Symbolfigur, der politische Repräsentant Berlins. Weil Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) den Mahnmalsentwurf von Architekt Paul Eisenmann als „erschlagende Betonlandschaft“ ablehnt, blieb er der Feier fern. Diepgens angekündigte symbolische Absenz hatte schon im Vorfeld heftige Reaktionen ausgelöst. Mahnmal-Initiatorin Lea Rosh warf Diepgen „ganz schlechten politischen Stil“ vor. Kritik kam auch von der SPD.

Wie es nach der symbolischen Zeremonie weitergeht, ist unklar. Fast sicher ist, dass sich der bereits auf 2001 verschobene Baubeginn erneut verzögern wird.


„Forum für Gewissen“

Stockholm - Am zweiten Tag der Stockholmer Holocaust-Konferenz wurde der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz feierlich begangen. Auf der Gedenkveranstaltung im schwedischen Reichstag dankte Avraham Burg, Parlamentspräsident der israelischen Knesset, Schweden und Ministerpräsident Göran Persson für die Initiierung der Konferenz.

Auf der Eröffnungszeremonie am Mittwoch hatte Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel den Vorschlag unterbreitet, das internationale Holocaust-Forum zu institutionalisieren. Persson griff die Idee auf und kündigte ein „jährliches Stockholmer Forum für Gewissen und Menschlichkeit“ an.

02. Juli 1999Joachim Güntner
Neue Zürcher Zeitung

Erschütterung im Stelenwald?

(SUBTITLE) Das Holocaust-Mahnmal nach der Entscheidung

Mahnung wider das Vergessen. Kranzabwurfstelle. Grundstein für die Berliner Republik. Betonierter Schlusspunkt. Zeichen deutscher Trauer. Schandmal. Zeugnis...

Mahnung wider das Vergessen. Kranzabwurfstelle. Grundstein für die Berliner Republik. Betonierter Schlusspunkt. Zeichen deutscher Trauer. Schandmal. Zeugnis...

Mahnung wider das Vergessen. Kranzabwurfstelle. Grundstein für die Berliner Republik. Betonierter Schlusspunkt. Zeichen deutscher Trauer. Schandmal. Zeugnis gegen Gleichgültigkeit. Ehrenmal des Leidens. Reichsopferfeld. Dauerrepräsentation unserer Schande. Feld der Irritation. Teutonisches Kolosseum. Demonstration von deutschem Buss- und Reuestolz. Geste der Solidarität mit den Opfern. Entsorgung des Grauens durch Ästhetisierung. Offene Wunde im Herzen der Hauptstadt. Aufgepfropftes Wahrzeichen mit Alibicharakter. Vermächtnis Bonns an Berlin. Nationales Gründungsopfer. Zentrales Zeichen für das künftige Selbstbewusstsein der Republik. Monumentaler Ausdruck der Unfähigkeit, uns selbst zu verzeihen. Grosses radikales Kunstwerk.


Für und Wider

Zitate aus elf Jahren Diskussion um das zentrale «Denkmal für die ermordeten Juden Europas» in Berlin. So viele Beinamen für eine Idee und ihre mögliche Ausgestaltung, so viel hart aufeinanderprallendes Für und Wider. Die Debatte um das Mahnmal sei das Mahnmal, hat sinngemäss der amerikanische Denkmalexperte James Young gesagt, die deutsche Disputfreude lobend. Die Gelobten haben es ihm nur allzu gern nachgesprochen - und dabei vergessen, dass stets nur dann heftig diskutiert wurde, wenn ein Ereignis, eine neue Wettbewerbsrunde, eine Entscheidung bevorstand. Mit dem Votum des Bundestages für Peter Eisenmans Stelenwald ist Endgültigkeit eingekehrt, also wird auch das Feuer des Streits erlöschen, ungeachtet dessen, dass die Gegensätze fortbestehen.

Der Beschluss der Volksvertreter determiniert das Mahnmal mehrfach: Er grenzt andere Opfergruppen des nationalsozialistischen Terrors wie Sinti und Roma, Homosexuelle und politisch Verfolgte aus und setzt so, mit einem Wort Henryk M. Broders, «die Sonderbehandlung der Juden unter einem positiven Vorzeichen fort». Er macht durch die Einbeziehung des Parlaments das Mahnmal tatsächlich zu einem Nationaldenkmal. Und er zeigt eine bemerkenswerte Verschiebung in der Staatsräson: Erstaunlich, wie nahezu einhellig die politische Klasse eines Landes bereit ist, das nationale Selbstbild negativ zu beschweren. Dabei handelt es sich keineswegs um, wie böse Zungen unterstellen, «typisch deutschen Masochismus». Bill Clinton entschuldigte sich unlängst für die Verbrechen der Sklaverei, die Kolonialregime entschuldigen sich für den Kolonialismus, die Staatsoberhäupter Frankreichs und Norwegens gestehen reuig die Kollaboration ihrer Länder bei der Deportation der Juden, die Schweiz geisselt sich für ihren Umgang mit nachrichtenlosen Vermögen und Nazigold. Da ist es so abseitig nicht, wenn in Deutschland die «Nachkommen der Tätergeneration» den Opfern ihrer Väter ein Denkmal setzen.

Mit der «neuen Inszenierung von Schande als einem Medium nationaler Selbstreflexion», meint der Soziologe Helmut Dubiel, «befinden wir uns in einer fast erdrutschartigen Veränderung der Art und Weise, wie westliche Gesellschaften ihr eigenes Legitimitätsmuster gestalten. Es ist keine triumphalistische Geschichtsschreibung mehr, sondern das Betrachten der Leichen im Keller.» Ein Betrachten freilich, das wenig kostet, da es zulasten der Altvorderen geht und für die Betrachter den moralischen Profit abwirft, sich mit ihrer kollektiven Selbstbeschämung auf der Seite der Guten fühlen zu dürfen. Andererseits: Wer wollte ein bisschen moralische Selbstüberhebung verübeln, solange ihre Früchte der historischen Wahrheitsfindung dienen?


Erfahrung, keine Aussage

Determiniert schliesslich hat der Bundestag das Mahnmal auch durch sein Vertrauen in die Kraft der Kunst, mehr zu sagen, als Begriffe es vermögen. «Leiden, auf den Begriff gebracht, bleibt stumm und konsequenzlos: das lässt in Deutschland nach Hitler sich beobachten», heisst es in Adornos «Ästhetischer Theorie». Indem sich die Abgeordneten des deutschen Bundestages mehrheitlich gegen die alternative Aufpflanzung der Mahnung «Du sollst nicht morden» und für Eisenmans enigmatisches Kunstwerk entschieden, waren sie der Ansicht Adornos nahe, dass «im Zeitalter des unbegreifbaren Grauens nur noch Kunst» der konkreten Wahrheit «vielleicht genügt». So ganz indes haben sie sich der Ausdruckspotenz begriffsloser Kunst doch nicht überlassen mögen und ein dem Stelenwald anzugliederndes Informationszentrum beschlossen.

Zu Recht, da Eisenmans Arbeit, kommentarbedürftig wie alle modernen Kunstwerke, erst durch die explizite Widmung, Denkmal für die ermordeten Juden zu sein, und durch den Kontext, durch historische Kenntnisse, zu sprechen beginnt. Aber wie spricht es? «Eine Ikonographie für die kollektive Vernichtung von Menschen zu erfinden» sei unmöglich, wusste Richard Serra, Eisenmans Partner beim ersten Entwurf. Man darf daher die Angemessenheit eines künstlerischen Holocaust-Mahnmals nicht auf der Darstellungsebene suchen. «Mein Entwurf ist antisymbolisch», sagt Peter Eisenman, und seine Lobredner pflichten ihm bei, dass der Gang durch das Mahnmal keine Aussage, sondern eine Erfahrung beschert. «Der Stelenwald vermeidet alle Gewissheiten und wirft uns auf uns selbst zurück. Fremd wird man sich dort fühlen - von falscher Versöhnung keine Spur, auf jede Deutung wird verzichtet», meinte Hanno Rauterberg in der «Zeit».

Das genügt nicht. Als womöglich narzisstisches Spiel mit eigenen Emotionen verfehlt das Denkmal seine Aufgabe. Nicht Individualisierung, nicht Zurückwerfen auf uns selbst, sondern Erschütterung ist, was wir von einem als Kunstwerk gestalteten Mahnmal verlangen müssen. Erschütterung aber meint Selbstverlust statt Selbstbespiegelung: dass der Betrachter sich vergisst, im Werk verschwindet. «Er verliert den Boden unter den Füssen; die Möglichkeit der Wahrheit, welche im ästhetischen Bild sich verkörpert, wird ihm leibhaft», hoffte Adorno. Diesen Anspruch in Peter Eisenmans Arbeit eingelöst zu finden fällt schwer. Vermutlich taugt dazu die gern als trivial bezeichnete «Information» ja doch mehr als die hohe Kunst. Dem Ergriffensein durch Photos, Briefe, Berichte und Ausstellungen über die Shoah kann man sich kaum entziehen. Ein Gleiches, gar mehr soll eine Wanderung durch den Stelenwald leisten können? Die Antwort steht aus, sie wird sich erst durch die praktische Probe geben lassen.

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