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Texte

19. Juni 2015Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Die «erhabenste Baustelle des Landes»

Am Wochenende konnten die Berliner den Rohbau ihres Schlosses besichtigen. Die kritischen Stimmen zur Barock-Rekonstruktion sind verstummt, doch bei der Bespielung der Räume ist noch vieles unklar.

Am Wochenende konnten die Berliner den Rohbau ihres Schlosses besichtigen. Die kritischen Stimmen zur Barock-Rekonstruktion sind verstummt, doch bei der Bespielung der Räume ist noch vieles unklar.

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02. Juni 2014Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Verletzlicher Beton

Immer mehr Stelen des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas weisen Risse und Spalten auf. Über vierzig sind bisher mit Metallgürteln gesichert worden.

Immer mehr Stelen des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas weisen Risse und Spalten auf. Über vierzig sind bisher mit Metallgürteln gesichert worden.

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verknüpfte Bauwerke
Holocaust Mahnmal

14. Oktober 2011Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Palast der Tränen

Der ehemalige DDR-Ausreisepavillon am Bahnhof Friedrichstrasse wurde als Museum wiedereröffnet

Der ehemalige DDR-Ausreisepavillon am Bahnhof Friedrichstrasse wurde als Museum wiedereröffnet

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29. Dezember 2010Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Ein christliches Wagnis in der Grossstadt

Immer schwieriger wird es für manche Kirchgemeinden, die Kosten für den Unterhalt der Kirchen zu bestreiten. Die Berliner Segenskirche beschreitet mit der Gründung eines Stadtklosters eigene Wege.

Immer schwieriger wird es für manche Kirchgemeinden, die Kosten für den Unterhalt der Kirchen zu bestreiten. Die Berliner Segenskirche beschreitet mit der Gründung eines Stadtklosters eigene Wege.

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20. Dezember 2010Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Wie erfindet man ein Stadtquartier?

Mit dem Jüdischen Museum verfügt das ehemalige Mauerrandgebiet an der Grenze von Mitte und Kreuzberg über einen kulturellen «Leuchtturm», doch in der Berliner Sozialstatistik belegt es den letzten Rang. Nun sollen Pläne für ein Kunst- und Kreativquartier Gegensteuer geben.

Mit dem Jüdischen Museum verfügt das ehemalige Mauerrandgebiet an der Grenze von Mitte und Kreuzberg über einen kulturellen «Leuchtturm», doch in der Berliner Sozialstatistik belegt es den letzten Rang. Nun sollen Pläne für ein Kunst- und Kreativquartier Gegensteuer geben.

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19. Juli 2010Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Ein Paradies des normierten Individualismus

Jahrelang war der Alte Schlachthof an der Grenze von Prenzlauer Berg und Friedrichshain ein Problem-Standort. Projekte scheiterten, Investoren fehlten. In den letzten Jahren jedoch hat dort ein überraschender Bauboom eingesetzt.

Jahrelang war der Alte Schlachthof an der Grenze von Prenzlauer Berg und Friedrichshain ein Problem-Standort. Projekte scheiterten, Investoren fehlten. In den letzten Jahren jedoch hat dort ein überraschender Bauboom eingesetzt.

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27. Mai 2010Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Eine bewachte Wiese

Seit ein paar Tagen dürfen die Berliner den «Tempelhofer Park» ihr eigen nennen – zumindest zwischen Sonnenauf- und -untergang und vorausgesetzt, sie wissen,...

Seit ein paar Tagen dürfen die Berliner den «Tempelhofer Park» ihr eigen nennen – zumindest zwischen Sonnenauf- und -untergang und vorausgesetzt, sie wissen,...

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17. Juli 2009Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Planschen an der Spree

Das Monbijou-Kinderbad in Berlin-Mitte

Das Monbijou-Kinderbad in Berlin-Mitte

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Presseschau 12

19. Juni 2015Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Die «erhabenste Baustelle des Landes»

Am Wochenende konnten die Berliner den Rohbau ihres Schlosses besichtigen. Die kritischen Stimmen zur Barock-Rekonstruktion sind verstummt, doch bei der Bespielung der Räume ist noch vieles unklar.

Am Wochenende konnten die Berliner den Rohbau ihres Schlosses besichtigen. Die kritischen Stimmen zur Barock-Rekonstruktion sind verstummt, doch bei der Bespielung der Räume ist noch vieles unklar.

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02. Juni 2014Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Verletzlicher Beton

Immer mehr Stelen des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas weisen Risse und Spalten auf. Über vierzig sind bisher mit Metallgürteln gesichert worden.

Immer mehr Stelen des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas weisen Risse und Spalten auf. Über vierzig sind bisher mit Metallgürteln gesichert worden.

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verknüpfte Bauwerke
Holocaust Mahnmal

14. Oktober 2011Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Palast der Tränen

Der ehemalige DDR-Ausreisepavillon am Bahnhof Friedrichstrasse wurde als Museum wiedereröffnet

Der ehemalige DDR-Ausreisepavillon am Bahnhof Friedrichstrasse wurde als Museum wiedereröffnet

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29. Dezember 2010Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Ein christliches Wagnis in der Grossstadt

Immer schwieriger wird es für manche Kirchgemeinden, die Kosten für den Unterhalt der Kirchen zu bestreiten. Die Berliner Segenskirche beschreitet mit der Gründung eines Stadtklosters eigene Wege.

Immer schwieriger wird es für manche Kirchgemeinden, die Kosten für den Unterhalt der Kirchen zu bestreiten. Die Berliner Segenskirche beschreitet mit der Gründung eines Stadtklosters eigene Wege.

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20. Dezember 2010Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Wie erfindet man ein Stadtquartier?

Mit dem Jüdischen Museum verfügt das ehemalige Mauerrandgebiet an der Grenze von Mitte und Kreuzberg über einen kulturellen «Leuchtturm», doch in der Berliner Sozialstatistik belegt es den letzten Rang. Nun sollen Pläne für ein Kunst- und Kreativquartier Gegensteuer geben.

Mit dem Jüdischen Museum verfügt das ehemalige Mauerrandgebiet an der Grenze von Mitte und Kreuzberg über einen kulturellen «Leuchtturm», doch in der Berliner Sozialstatistik belegt es den letzten Rang. Nun sollen Pläne für ein Kunst- und Kreativquartier Gegensteuer geben.

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19. Juli 2010Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Ein Paradies des normierten Individualismus

Jahrelang war der Alte Schlachthof an der Grenze von Prenzlauer Berg und Friedrichshain ein Problem-Standort. Projekte scheiterten, Investoren fehlten. In den letzten Jahren jedoch hat dort ein überraschender Bauboom eingesetzt.

Jahrelang war der Alte Schlachthof an der Grenze von Prenzlauer Berg und Friedrichshain ein Problem-Standort. Projekte scheiterten, Investoren fehlten. In den letzten Jahren jedoch hat dort ein überraschender Bauboom eingesetzt.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

27. Mai 2010Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Eine bewachte Wiese

Seit ein paar Tagen dürfen die Berliner den «Tempelhofer Park» ihr eigen nennen – zumindest zwischen Sonnenauf- und -untergang und vorausgesetzt, sie wissen,...

Seit ein paar Tagen dürfen die Berliner den «Tempelhofer Park» ihr eigen nennen – zumindest zwischen Sonnenauf- und -untergang und vorausgesetzt, sie wissen,...

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17. Juli 2009Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Planschen an der Spree

Das Monbijou-Kinderbad in Berlin-Mitte

Das Monbijou-Kinderbad in Berlin-Mitte

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28. Februar 2009Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Zwischen Uterus und gläsernem Raumschiff

Die Ästhetik des Wohnens bewegt sich in der Moderne zwischen den Polen Cocooning und Expansion. Eine Ausstellung in Wolfsburg zeigt Interieurmalerei und Wohnräume.

Die Ästhetik des Wohnens bewegt sich in der Moderne zwischen den Polen Cocooning und Expansion. Eine Ausstellung in Wolfsburg zeigt Interieurmalerei und Wohnräume.

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19. November 2008Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Labor für die Gegenwartskunst

In Berlin leben mehr Künstler als in jeder anderen Stadt. Eine Kunsthalle jedoch, die die Kunst der Gegenwart reflektiert, wird seit Jahren vergeblich gefordert. Die Temporäre Kunsthalle auf dem Schlossplatz ist ein Provisorium, das den Druck auf die Stadtregierung erhöht hat: Eine ständige Kunsthalle soll nun beim Hauptbahnhof gebaut werden.

In Berlin leben mehr Künstler als in jeder anderen Stadt. Eine Kunsthalle jedoch, die die Kunst der Gegenwart reflektiert, wird seit Jahren vergeblich gefordert. Die Temporäre Kunsthalle auf dem Schlossplatz ist ein Provisorium, das den Druck auf die Stadtregierung erhöht hat: Eine ständige Kunsthalle soll nun beim Hauptbahnhof gebaut werden.

Der windige, ungemütliche Schlossplatz ist Deutschlands prominentester Ort. Seine bedeutenden Bauten allerdings stehen entweder nicht mehr oder noch nicht, und so wirkt die Temporäre Kunsthalle mit ihrer blau-weissen Aussenhülle (NZZ 31. 10. 08) erst recht als Blickfang. Billige Mieten sind die effizienteste Kulturförderung, deshalb hat sich Berlin in den letzten Jahren zum weltweit lebendigsten Produktionsstandort für Kunst entwickelt. «In Florenz wäre eine Kunsthalle blosse Wichtigtuerei, aber in Berlin spiegelt sie die Wirklichkeit», sagt Volker Hassemer. Der ehemalige Berliner Kultur- und Stadtentwicklungssenator vertritt die Stiftung Zukunft Berlin, die den Bau der Temporären Kunsthalle finanziert und die Trägerschaft übernommen hat.

Die Temporäre Kunsthalle sei nur «ein Aufmerksamkeitsprojekt, ein Appetizer», denn unabhängig von ihrem Erfolg wird sie in zwei Jahren wieder vom Schlossplatz verschwinden. Die ironische und zugängliche Videoinstallation von Candice Breitz hat in den ersten Tagen bereits Tausende Besucher angelockt, doch über die Unschärfe der künstlerischen Konzeption vermag dies nicht hinwegzutäuschen. Erst in letzter Minute wurde mit Thomas Eller, dem bisherigen Chefredaktor des Internet-Magazins «artnet», ein künstlerischer Leiter berufen. Damit, dass die bildende Kunst auf dem repräsentativsten Platz der Stadt vertreten sei, setze Berlin ein Zeichen für Individualismus und Freiheit, so Eller an der Pressekonferenz zur Eröffnung. Diese beiden Kriterien seien denn auch für das künstlerische Programm der Kunsthalle bestimmend.
Berlin träumt von Bilbao

Die Temporäre Kunsthalle hat die Stadt in Zugzwang gebracht. Niemand bestreitet, dass Berlin einen zentralen Raum für Gegenwartskunst braucht, als Schnittstelle zwischen Galerien und Museen, zwischen Subkultur und Establishment. Doch jahrelang hatte sich seitens der Stadt nichts getan. Seitdem 1993 die damalige Kunsthalle geschlossen wurde, waren es in Berlin vor allem private Institutionen wie die KunstWerke und ambitionierte Galerien, die der unmittelbaren Gegenwartskunst eine Plattform verschafften.

Ende September gab nun der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit bekannt, dass auf dem Gelände des Humboldthafens beim Hauptbahnhof eine ständige Kunsthalle gebaut werden soll. Die Stadt kann sich den Bau einer repräsentativen Kunsthalle nicht leisten, und so setzt man auf einen gewagten Tauschhandel. Die Ausschreibung für die letzte grosse Brachfläche im Zentrum Berlins verpflichtet den Investor, auf dem Gelände auch ein privates Kunstmuseum sowie eine Kunsthalle zu bauen, mit einer Ausstellungsfläche von je 2000 Quadratmetern; im Gegenzug dazu wird das Grundstück zu günstigen Konditionen veräussert. Ein städtebaulicher Wettbewerb soll dafür sorgen, dass mit dem benachbarten Museum im Hamburger Bahnhof ein spektakuläres Zentrum für moderne Kunst entsteht – Berlin träumt von Bilbao.

Genau hier jedoch setzt die Kritik an dem kulturpolitischen Entscheid von oben an. Wowereit wolle sich mit einem Bauwerk verewigen, das an den Realitäten und Bedürfnissen Berlins vorbeigehe, heisst es. Manche befürchten, am Humboldthafen werde ein zweiter Potsdamer Platz entstehen, der zwar bei Touristen beliebt sei, jedoch im Alltag der Berliner und für die Kulturszene kaum eine Rolle spiele. Enttäuschung macht sich vor allem bei der «Initiative Berliner Kunsthalle» breit, die sich für den Blumengrossmarkt in Kreuzberg als Kunsthallen-Standort engagiert hat. Die Initiatoren, zu denen neben der grünen Abgeordneten Alice Ströver etwa Kuratoren, Künstler und Stadtentwickler gehören, hatten die riesige Halle im Sommer mit einer Kunstaktion ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geholt. Da der Bau dem Land Berlin gehört, wären kaum Kosten angefallen, zumal sich die Halle mit ihrem exzellenten Oberlicht und der unverstellten Fläche auch für Experimente anbietet. Problematisch ist allerdings die Lage. Obwohl das Quartier direkt an Mitte angrenzt, hat die «Südliche Friedrichstadt» wenig Flair. Doch in Berlin geschieht das Spannendste oft dort, wo es am schäbigsten aussieht. Unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich hier in den letzten zwei Jahren fünfzig Galerien angesiedelt; mit dem Jüdischen Museum, dem Hebbel am Ufer und der Berlinischen Galerie verfügt die Gegend bereits über zugkräftige Institutionen.
Rezept für Provinzialität

Eine Kunsthalle am Humboldthafen wäre für Berlin ein tragischer Fehler, meint der Kunsthistoriker Christoph Tannert, Leiter des Künstlerhauses Bethanien in Kreuzberg und Mitstreiter bei der «Initiative Berliner Kunsthalle». In Berlin, wo die Kulturszene ihre Energien aus dem Ungeplanten beziehe, dürfe man die Gegenwartskunst nicht zentral in einem Museumsviertel bündeln. Ohnehin müsste die Wahl eines Standorts vom inhaltlichen Konzept einer Kunsthalle abhängen.

Doch über das, was in einer Kunsthalle gezeigt werden soll, gibt es in Berlin kaum eine Debatte. Eine Kunsthalle müsse mit der Spürnase eines Scouts agieren und jene Kunst ausfindig machen, «die auf morgen zuschwimmt», so Tannert. Er plädiert für eine enge internationale Vernetzung und den Austausch mit Fachkollegen in anderen Metropolen, denn in einer globalisierten Welt müssten Entdeckungen zeitgleich an verschiedenen Orten gemacht werden. Ein solches Konzept allerdings steht im Widerspruch zu einer Forderung, die in Berlin fast schon reflexhaft geäussert wird: Eine Berliner Kunsthalle müsse jene Kunst zeigen, die in Berlin entstehe. Gerade angesichts der vielfältigen Kunst-Lobbys, die um die neue Spielstätte konkurrieren werden, wäre diese Selbstbeschränkung wohl ein sicheres Rezept für Provinzialität.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2008.11.19



verknüpfte Bauwerke
Temporäre Kunsthalle Berlin

17. September 2008Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Honeckers leeres Schlafzimmer

Fünfzehn Jahre lang ruhte der Bunker, in dem die DDR-Regierung einen Atomschlag hätte überleben sollen, versiegelt unter der Erde. Nun ist das technisch raffinierte Bauwerk für Führungen geöffnet, allerdings nur für kurze Zeit. Trotz grossem Besucherandrang ist eine dauerhafte Nutzung des Bunkers als Museum nicht finanzierbar.

Fünfzehn Jahre lang ruhte der Bunker, in dem die DDR-Regierung einen Atomschlag hätte überleben sollen, versiegelt unter der Erde. Nun ist das technisch raffinierte Bauwerk für Führungen geöffnet, allerdings nur für kurze Zeit. Trotz grossem Besucherandrang ist eine dauerhafte Nutzung des Bunkers als Museum nicht finanzierbar.

Nur gerade eine Viertelstunde lang soll es Erich Honecker 1983 bei den Einweihungsfeierlichkeiten im «Objekt 17/5001» ausgehalten haben. Dann liess er sich anrufen und verschwand. Wahrscheinlich habe ihm vor der Vorstellung gegraut, im Kriegsfall in einem Bunker ausharren zu müssen. Trotzdem hat sich die Bezeichnung «Honecker-Bunker» für dieses Gebäude durchgesetzt, in dem der Nationale Verteidigungsrat samt seinen Mitarbeiterstäben einen Atomschlag von der hundertfachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe hätte überleben sollen. Dank einer kühnen Konstruktion hätte der Bunker den enormen Beschleunigungskräften standhalten sollen, denn alle wichtigen Räume befanden sich in Containern, die an einer Aufhängevorrichtung befestigt waren. An den armdicken Stahlseilen hätten diese schwebenden Container bis zu vierzig Zentimeter weit schwingen können.

Bei einem Angriff mit Massenvernichtungswaffen hätten Sensoren überdies dafür gesorgt, dass der Bunker binnen Sekundenbruchteilen in die «hermetisierte» Betriebsweise umgeschaltet worden wäre. Nach 36 Stunden hätte die Anlage wieder in die normale Betriebsweise mit Frischluft- und Wasserzufuhr gewechselt. Nach 14 Tagen hätten die Überlebenden den Bau in Schutzanzügen und gepanzerten Fahrzeugen verlassen müssen.
Von «Bunkertouristen» geplündert

Der Bunker, in dem 400 Personen Platz finden konnten, war jederzeit einsatzfähig. Rund um die Uhr sorgte Bereitschaftspersonal für die Wartung der Anlagen. «Dass man ein Bauwerk, das so vieles kann, einfach unter der Erde sich selbst überlässt, hätte sich damals niemand vorstellen können», meint Siegfried Rose. Er war nach dem Mauerfall der letzte Kommandant der Bunkeranlage und hält nun Vorträge vor den Führungen. Nun erzählt er von den Führungen, die er Anfang der 1990er Jahre in dem noch voll funktionsfähigen Bauwerk gemacht hatte. Manche Besucher hätten Honeckers Pantoffeln als Souvenir mitnehmen wollen – dabei hatte man diese nur zur Dekoration vor das Bett gestellt, in dem Honecker nie gelegen hatte.

Der Mauerfall machte aus dem technisch avanciertesten Gebäude der DDR eine kuriose Immobilie, für die man keine Verwendung mehr hatte. Da der Unterhalt der riesigen Anlage Unsummen verschlang, beschloss die Bundeswehr 1993, das Bauwerk zu versiegeln. Schon damals wurden die meisten Einrichtungsgegenstände entfernt. «Bunkertouristen», die illegal in die unterirdischen Räume eindrangen, bedienten sich in den folgenden Jahren mit Souvenirs, klauten Kupferdraht und zerstörten, was noch da war. Um weiteren Vandalismus zu verhindern, kümmert sich seit drei Jahren das Berliner Bunkernetzwerk um die Sicherung des Bauwerks. Seit August kann man den Bunker im Rahmen von Führungen noch einmal besichtigen, bevor er Ende Oktober endgültig verschlossen wird.

Das Publikumsinteresse ist enorm, und dies trotz den gesalzenen Preisen. Bei der zweistündigen Standardtour ist man zwar schon mit zwanzig Euro dabei, doch die Geschichtstour (mit Vortrag) kostet achtzig Euro, und für die vierstündige «Tough-Guy-Tour», bei der man durch Luken kriecht und richtig dreckig wird, sind stolze hundert Euro fällig. Teilnehmerzahlen will Hannes Hensel vom Berliner Bunkernetzwerk nicht nennen. Doch reich werde niemand, versichert er. Der Verein könne bestenfalls hoffen, die Spesen wieder hereinzuholen. In unzähligen Arbeitsstunden wurde der Bunker gesäubert; für Belüftung und Beleuchtung musste die Elektrik neu installiert werden. Hannes Hensel hat jeden Raum des Bunkers mit dreidimensionalen Panoramafotos festgehalten – eine Dokumentation, die ab 2010 ins Internet gestellt werden soll.

In dem Bunker ist es feucht und kalt. Der NVA-Offizier, der die Gruppe durch die verschachtelten Gänge führt, gehörte früher zum Bereitschaftspersonal. Wegen der weltweit einmaligen Aufhängevorrichtung steht der Bunker seit 2005 unter Denkmalschutz. Allerdings hat die mächtige Stahlkonstruktion, die auch im schummrigen Bunkerlicht eine gewisse Grandezza verströmt, ihre Funktion eingebüsst. Vor der Versiegelung durch die Bundeswehr wurden die Container aus Sicherheitsgründen abgesenkt, und seither steht das Bauwerk auf Stützen.

Eine Bunkertour ist eine ermüdend technische Angelegenheit, zumal auch im «Objekt 17/5001» vieles dem allgemeinen Standard für Bunkerbauten entspricht: die Dekontaminationsschleusen, die Wasser- und Drucklufttanks, die ferngelenkte Feuerlöschanlage. Kein Wunder, dass die Teilnehmer der Führung es kaum erwarten können, Honeckers Schlafzimmer zu sehen. Eine kleine Treppe führt vom leergeplünderten Lagebesprechungsraum in die beiden Räume, die für den Staatschef reserviert waren. Doch hier gibt es nichts zu sehen: Kein Bett, kein Tisch, nicht einmal mehr die Wandtäfelung ist vorhanden. Die allgemeinen Schlafräume wirken gespenstisch: Eng gestaffelt hängen die Pritschen von der Decke, je drei Betten übereinander. Die Liegeflächen sind dick mit Schimmel überzogen. Nach einiger Zeit kratzt es im Hals, und im Kopf macht sich ein dumpfes Gefühl bemerkbar – gesund ist ein Aufenthalt hier unten nicht.
Schimmel und Asbest

Der bauliche Zustand ist der Hauptgrund dafür, dass man den Bunker trotz dem grossen Publikumsandrang nicht als Museum betreiben kann. Die hohe Luftfeuchtigkeit vermag Schimmelporen und Asbestpartikel bis zu einem gewissen Grad zu binden, deshalb hat das Land Berlin die Genehmigung für eine kurzfristige Nutzung gewährt. Für einen Dauerbetrieb müsste im grossen Stil saniert werden, und dafür hat sich bisher kein Investor gefunden.

Nicht nur die DDR hatte einen vermeintlich atomsicheren Regierungsbunker. Auch in der BRD wollte man für den schlimmsten Fall gewappnet sein. In einem ungenutzten Eisenbahnstollen nahe Bonn wurde von 1960 bis 1972 der geheime Regierungsbunker gebaut, eine unterirdische Kleinstadt für 3000 Menschen, zehnmal so gross wie der Honecker-Bunker. Das mit einer Bausumme von fünf Milliarden D-Mark teuerste Gebäude Westdeutschlands wurde von 2001 bis 2006 abgerissen. Am vergangenen 1. März ist auf einem kleinen Rest der Anlage die «Dokumentationsstätte Regierungsbunker» eröffnet worden – mit grossem Erfolg beim Publikum. Doch die Faszination, die von diesen militärischen Denkmälern des Kalten Kriegs ausgeht, ist zwiespältig: Sie sind ein Symbol des rüstungstechnischen Wettlaufs und der Vergeblichkeit. Denn wer hätte den Bunker nach vierzehn Tagen verlassen wollen, wenn eingetreten wäre, wovor er im Extremfall hätte schützen sollen?

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2008.09.17

19. Mai 2008Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Unsichtbare Hinterlassenschaften

Mit Führungen durch unterirdische Bauten hat sich der Verein «Berliner Unterwelten» einen Namen gemacht. Nun zeigt er eine Ausstellung zu Albert Speers Umbauplänen für die Reichshauptstadt.

Mit Führungen durch unterirdische Bauten hat sich der Verein «Berliner Unterwelten» einen Namen gemacht. Nun zeigt er eine Ausstellung zu Albert Speers Umbauplänen für die Reichshauptstadt.

Eine Stadt besteht nicht nur aus dem, was man sehen kann. Bei einem Studienaufenthalt in Paris war der Berliner Architekt Dietmar Arnold 1988 mit den «cataphiles» in Kontakt gekommen, jenen Enthusiasten, die sich den Katakomben von Paris verschrieben haben. In Berlin erhielt er Anfang der 1990er Jahre von der Stadtverwaltung den Auftrag, die unterirdischen Bauten und Altlasten auf dem Gelände des Regierungsviertels zu dokumentieren – dies verschaffte ihm Zugang zu allen Archiven.

Bunkeranlagen aus dem Kalten Krieg

Mit dem Ziel, unterirdische Bauten der jüngeren Geschichte zugänglich zu machen und für die Nachwelt zu erhalten, gründete er 1997 den Verein «Berliner Unterwelten». Ein als Bauschutt-Lager genutzter Atomschutzbunker wurde in unzähligen Arbeitsstunden entrümpelt und gesäubert, bis im Jahr 2000 die ersten Führungen stattfinden konnten. Die Fahrgäste ahnen nicht, dass der U-Bahnhof Pankstrasse im Wedding Teil des Bunkers ist: Im Ernstfall würden U-Bahn-Waggons erste Sitzgelegenheiten bieten. Zu den eigentlichen Schutzräumen gelangt man jedoch nur mit einer Führung. Tausende Passanten eilen jeden Tag achtlos an der unscheinbaren Tür vorbei, die in eine Schleuse mit Dusche führt. Hier wären im Ernstfall die verseuchten Kleider gewechselt und durch einen der 3000 blaugelben Trainingsanzüge ersetzt worden, die immer noch vorrätig sind. Die Zivilschutzanlage stammt aus den 1970er Jahren, und man staunt, wie altmodisch die medizinischen Behandlungsräume wirken. Die Etagenbetten, die aus Eisengestellen in den Schlafsälen aufgebaut werden müssten, sehen ausgesprochen unbequem aus. Die Toilettenräume haben keine Türen oder WC-Brillen, die Spiegel sind aus fleckigem Blech, denn im Fall eines Bunkerkollers könnten alle beweglichen Teile sowie Spiegelglas als Waffe verwendet werden. Man ist zu Gast in einer Zeit, deren Bedrohungsszenarien wir völlig vergessen haben.

Bauten wie diese Zivilschutzanlage gehören für Dietmar Arnold zu den Denkmälern des Kalten Kriegs. Doch mit seinen Anträgen auf Denkmalschutz hatte der Verein bisher kein Glück. «Bauten aus der Nachkriegszeit gelten nicht als denkmalwürdig», meint Arnold. Auch beim Senat stiess der Verein anfangs nicht auf offene Ohren. «Wir wurden in die Nazi-Schmuddelecke gestellt und als Bunkerküsser und Betonromantiker bezeichnet», erinnert sich Arnold. Der Verein rührt an Tabus. Aus Angst, der Ort könnte Neonazis als Kultstätte dienen, war beispielsweise der Führerbunker nicht bezeichnet.

Vor zwei Jahren stellte der Verein eine Informationstafel auf, die mit Gerüchten wie einem angeblichen Fluchttunnel zum Flughafen Tempelhof aufräumt. In den vergangenen Jahren wurde das Angebot an Führungen und Seminarien ständig ausgebaut, so kann man inzwischen auch den Flakturm im Humboldthain und eine Rohrpostanlage besichtigen. Über 100 000 Besucher zählte man im vergangenen Jahr, und im laufenden Jahr werden es wohl doppelt so viele sein. Mit den Einnahmen finanziert der Verein, der keinerlei öffentliche Unterstützung erhält, dreissig Arbeitsplätze. Nun hat der Verein die Ausstellung «Mythos Germania – Schatten und Spuren der Reichshauptstadt» erarbeitet, die in einem Ausstellungspavillon gegenüber dem Holocaust-Mahnmal zu sehen ist. Dass diese Ausstellung über Albert Speer und die geplante Umgestaltung Berlins in eine «Welthauptstadt» eine Lücke schliesst, beweist der Publikumserfolg. Man muss die Spuren von Speers Plänen kennen, um sie im heutigen Berlin sehen zu können. Der Krieg verhinderte bekanntlich die Verwirklichung der grössenwahnsinnigen Vorhaben, und so wirkt es wie eine Ironie der Geschichte, dass von Speers monumentalen Entwürfen einzig die Strassenlampen umgesetzt wurden, die heute noch Teile der «Strasse des 17. Juni» beleuchten.

Spuren von Speers Zerstörungen

Der Gendarmenmarkt gilt als schönster Platz Berlins – wer weiss, dass er heute noch so aussieht, wie die Nazis ihn haben wollten? Im 19. Jahrhundert war der Gendarmenmarkt als begrünter, parkähnlicher Schmuckplatz angelegt worden, doch um ihn für Aufmärsche nutzen zu können, pflasterten ihn die Nazis mit quadratischen Steinplatten. Auch der Siegessäule sieht man nicht an, dass sie von ihrem ursprünglichen Standort vor dem Reichstag auf den Grossen Stern verschoben und, aus Gründen der Proportionen, um eine Säulentrommel erhöht wurde. Ein Kuriosum schliesslich ist der «Schwerbelastungskörper», mit dem getestet wurde, ob der märkische Sandboden die Monumentalbauten überhaupt tragen würde. Nach der Versuchsphase hätte der Betonzylinder abgerissen werden sollen, doch den Nazis fehlte dazu das Geld, und später konnte er wegen der umliegenden Wohnbauten nicht gesprengt werden.

Albert Speer stand als Generalbauinspektor einer Behörde mit 1300 Mitarbeitern vor, die direkt Hitler unterstellt war. Damit wurde die Stadtverwaltung ausgehebelt, und Speer hatte freie Hand. Niemand konnte den Abriss ganzer Stadtteile verhindern. Wegen der Wohnungsknappheit hatte Speer ein unmittelbares Interesse an der Deportation der Juden. Er sorgte dafür, dass Wohnungen «arisiert» wurden, und für die gigantischen Bauvorhaben forderte er im KZ Sachsenhausen Zwangsarbeiter an.

Diese politisch brisante Dimension von Speers Wirken wird in der Ausstellung klar deutlich. Dagegen ist es nur sehr begrenzt gelungen, Speers Planungen anschaulich zu machen. Man entziffert Texttafeln, Pläne und Tabellen, man betrachtet das elf Meter lange «Germania-Modell» (ein Requisit aus dem Film «Der Untergang»). Von den Fenstern des Pavillons aus geht der Blick auf das Regierungsviertel, das nach Speers Plänen heute ganz anders aussähe. Trotzdem fällt es schwer, etwa das monumentale «Haus des Volkes», dessen 320 Meter hohe Kuppelhalle 180 000 Menschen hätte fassen sollen, im heutigen Stadtplan zu lokalisieren. Dieser Mangel an Anschaulichkeit liegt zumindest teilweise in der Natur der Sache, denn was nicht gebaut wurde, kann nicht gezeigt werden, zumal die Hinterlassenschaft Speers zu einem grossen Teil aus Zerstörungen besteht. Das Alsen-Viertel etwa wurde nicht im Krieg zerbombt, sondern es hatte «Germania» weichen müssen – einzig die Schweizer Botschaft blieb stehen. Der Verein hofft nun auf ein festes Domizil für die Ausstellung.

[ Bis 31. Dezember; Informationen über den Verein Berliner Unterwelten: www.berliner-unterwelten.de. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2008.05.19

11. Juli 2005Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Die Rückeroberung der Tagebau-Gruben

Seit die meisten Tagebau-Gruben der DDR stillgelegt worden sind, wird an ihrer Rekultivierung gearbeitet. In der Lausitz entsteht durch die Flutung der Gruben die grösste Seenplatte Deutschlands. Ein Naherholungsgebiet allerdings würde kaum Arbeitsplätze schaffen. Deshalb arbeitet die Internationale Bauausstellung (IBA) seit fünf Jahren an Projekten, welche die Region für Besucher von ausserhalb attraktiv machen sollen.

Seit die meisten Tagebau-Gruben der DDR stillgelegt worden sind, wird an ihrer Rekultivierung gearbeitet. In der Lausitz entsteht durch die Flutung der Gruben die grösste Seenplatte Deutschlands. Ein Naherholungsgebiet allerdings würde kaum Arbeitsplätze schaffen. Deshalb arbeitet die Internationale Bauausstellung (IBA) seit fünf Jahren an Projekten, welche die Region für Besucher von ausserhalb attraktiv machen sollen.

In Grossräschen ist alles für den Ilse-See bereit. Die ehemalige Ernst-Thälmann-Strasse, die zur Grubenkante führt, heisst Seestrasse, und eine Seebrücke ragt bereits in die leere Grube hinaus. Auch die Strandpromenade ist längst fertig. Legt man sich in einen der Liegestühle auf den Terrassen, blickt man in die karge, bizarre Mondlandschaft der stillgelegten Grube. Bei der Umnutzung von Landschaften hat man es mit grossen Zeiträumen zu tun: Zehn Jahre wird es dauern, bis der Ilse-See geflutet ist. Auf zehn Jahre ist auch die Internationale Bauausstellung (IBA) angelegt, die nun mit der Werkschau «Bewegtes Land» eine Halbzeitbilanz zieht. Noch bis Oktober ist sie in der IBA-Zentrale in Grossräschen zu sehen. Es ist nicht leicht, sich eine Vorstellung von 24 Projekten zu machen, die auf acht «Landschaftsinseln» verteilt sind. Der kürzlich eingeweihte «Fürst-Pückler-Weg» verbindet die einzelnen Projekte zu einer Velorundfahrt. Das Kraftwerk Plessa, die Slawenburg Raddusch, die Biotürme in Lauchhammer, schwimmende Häuser in Tagebauseen, der Stadtumbau in Cottbus, ein Naturschutzgebiet - stolze fünfhundert Kilometer lang ist die Velotour, wenn man alles sehen will.

Ökologisches Notstandsgebiet

«Wer von der Industrie geprägt ist, hofft auf eine neue Industrie», erklärt der Architekt Rolf Kuhn, Initiator und Geschäftsführer der IBA. Für einmal findet man an der Spitze eines Grossprojekts im Osten keinen Westler: Rolf Kuhn hatte zu DDR-Zeiten in Weimar einen Lehrstuhl für Stadtsoziologie aufgebaut und war ab 1987 Leiter des Bauhauses in Dessau, wo mit dem «Industriellen Gartenreich» auch ein grossangelegtes Umnutzungsprojekt für Industriebrachen erprobt wurde. Bis Mitte der neunziger Jahre habe sich in der Bevölkerung die Hoffnung gehalten, dass sich der Auto- oder Flugzeugbau hier ansiedeln könnte, doch nach spektakulären Fehlinvestitionen wie dem Lausitz-Ring, auf dem keine Formel-1-Rennen gefahren werden können, herrscht Perspektivlosigkeit. «Da die DDR eine autarke Energieversorgung anstrebte, war der Kohlebergbau die wichtigste Industrie», meint Kuhn. Er erinnert sich an die «Winterschlachten» - Soldaten halfen den Kumpels, die Republik im Winter mit Wärme zu versorgen. «Und dieses Gefühl des Wichtigseins für die Republik brach nach der Wende auf einmal ab, ohne Vorankündigung.» Nun galt das einstige Energiezentrum der DDR als ökologisches Notstandsgebiet.

Tourismus hat viel mit Image zu tun. Ob eine Landschaft attraktiv wirkt, ist eine Frage der Wahrnehmung. «Wer mit dem Tagebau aufgewachsen ist, kann sich gar nicht vorstellen, dass das irgendjemanden interessieren könnte», erzählt Karsten Feucht, der schon bei der IBA 1984-87 in Berlin Stadtführungen organisiert hatte. «Es braucht Zeit, bis die Menschen sich daran gewöhnen, ihren Schandfleck - das Dreckloch, wie sie es nannten - als Touristenattraktion zu sehen. Doch die Berliner fliegen in die Sahara, um Wüste zu erleben, und das können wir ihnen hier viel näher bieten.» Die samstäglichen Touren (mit attraktiven Titeln wie «Steppe, Canyons und Giganten aus Stahl» oder «Reise zum Mars») sind regelmässig ausgebucht. Wer diese Zwischennutzung des zukünftigen Seebodens noch erleben will, muss sich allerdings beeilen: Ab November beginnt die Flutung.

Fürst Pückler als Markenname

Schon zu DDR-Zeiten wurden Tagebau-Gruben rekultiviert; der Senftenberger See etwa ist seit dreissig Jahren ein beliebtes Naherholungsgebiet. Fürst Hermann Heinrich von Pückler- Muskau hatte in seinen Parks sogar bereits im 19. Jahrhundert Rekultivierung betrieben. Einen besseren Namenspatron als den Skandalfürsten, der in Berlin mit einem weissen Hirsch-Gespann herumzufahren pflegte, hätte sich die IBA für ihren Landschaftsumbau nicht wünschen können. Der Gourmet, Frauenheld, Globetrotter und Bankrotteur Pückler war von der Idee besessen, dort Landschaften zu schaffen, wo ohne ihn nichts gewesen wäre. In Muskau und Branitz liess er Seen und Kanäle ausheben, Hügel anlegen und Bäume verpflanzen. Sein berühmtestes Gartenbauwerk ist der Tumulus im Branitzer Park: eine grasbewachsene Seepyramide, in welcher der «grüne Fürst» begraben liegt. Dass man den (oft boshaften) Exzentriker im heutigen Land Brandenburg in persona schätzen würde, darf man bezweifeln, doch als Markenname erfreut er sich unter Politikern grösster Beliebtheit.

Im Gegensatz zu Pückler können seine Nachfahren nicht schalten und walten, wie sie wollen. Jedes Projekt erfordert Überzeugungsarbeit, umso mehr, als dies die erste IBA ist, die in einem ländlichen Raum stattfindet. Hier treffen Welten aufeinander. So hat etwa der Frankfurter Architekt Ferdinand Heide für die IBA-Terrassen den Brandenburger Architekturpreis erhalten, während sich die Grossräschener mit dem modernen Bau schwer tun. Sie hätten statt Sichtbeton, Glas und schwarz lackierten Stahl lieber einen traditionellen Klinkerbau gehabt - falls sie nicht ohnehin der Meinung sind, dass man das Geld besser in den Strassenbau gesteckt hätte.

Die Träger der einzelnen Projekte sind oft Gemeinden mit ein paar hundert Einwohnern. «Da verhandelt man dann mit dem ehrenamtlichen Bürgermeister, der im Dorf sonst der Bäcker ist», meint Karsten Feucht. Das Besucherbergwerk der Förderbrücke F60 ist das erfolgreichste IBA-Projekt. Das weltweit grösste mobile Arbeitsgerät ging knapp an der Verschrottung vorbei, als die Grube stillgelegt wurde. Zuerst habe niemand geglaubt, dass jemand Eintritt bezahlen werde, um ein Tagebaugerät zu besichtigen, doch als jemand auf die Idee kam, die 500 Meter lange Förderbrücke als «liegenden Eiffelturm» zu bezeichnen, sei die Stimmung umgeschlagen, berichtet Feucht. Die Gemeinde Lichterfeld riskierte den Besucherbetrieb und hatte Glück: Statt der 25 000 Besucher pro Jahr, mit denen der Betrieb selbsttragend ist, werden dieses Jahr bereits 100 000 erwartet, und der Kanzler war auch schon da. Aus den Einnahmen konnte Lichterfeld inzwischen die Dorfstrasse sanieren.

Doch nicht immer läuft es so glatt. In Welzow stösst das Projekt «Wüste/Oase» bei den Anwohnern auf Widerstand. Geplant ist eine Wüstenlandschaft mit Hügelzügen, kleinen Schluchten und Sandkegeln. Die Anwohner jedoch wünschen einen See; sie fürchten den Staub - wenn man draussen Wäsche aufhängt, wird sie schwarz. «Allein das Wort Wüste wirkt als Provokation», meint die Projektleiterin Brigitte Scholz. «Natürlich kann man nicht rücksichtslos eine Landschaft einzig im Hinblick auf die Urlauber planen, die nur zwei oder drei Tage da sind. Doch wenn man sich auf die Wünsche der Anwohner beschränkt, ist auch nichts gewonnen.» Brigitte Scholz stammt aus Giessen, was übrigens kein Nachteil sei. «Die Leute erzählen mir mehr, denn ich weiss ja nichts. Ausserdem wird hier Identität sehr kleinräumig gedacht. Was die Lauchhammeraner über das Wüstenprojekt sagen, hat für die Welzower kein Gewicht - wer in Lauchhammer wohnt, habe ja keine Ahnung, was es heisse, hier zu leben.» Doch sei es für ihre Arbeit wichtig, den Alltag der Region zu kennen. Brigitte Scholz wohnt in Cottbus und weiss aus eigener Erfahrung, was es in der einzigen grösseren Stadt in der Lausitz etwa an Einkaufsmöglichkeiten und kulturellem Angebot gibt und was nicht. «Viele Assistenten der Technischen Universität sind nur Dienstag bis Donnerstag in Cottbus, und damit tragen sie nichts zur Urbanität der Stadt bei. Wenn sie weiterhin in Berlin ins Kino gehen, muss man sich nicht wundern, dass in Cottbus nichts los ist.»

Schwache Dienstleistungsmentalität

«Es wäre eine wirtschaftliche Katastrophe, wenn die Niederlausitz ein blosses Naherholungsgebiet würde», warnt Rolf Kuhn. Die IBA versucht Ideen zu entwickeln, die Besucher aus Berlin und Dresden herlocken. Im Projekt «Wüste/ Oase» könnten zwanzig bis fünfzig Stellen entstehen - allerdings nur, wenn sich ein Investor für einen Freizeitbereich mit Wellnesshotel und vielleicht gar Kamelen für die Wüstensafari findet. Das Besucherbergwerk F60 hat bisher sechs Arbeitsplätze geschaffen, nächstes Jahr sollen vier weitere dazukommen. Selbst wenn man allfällige Übernachtungen und Restaurantbesuche dazurechnet, darf man kaum auf Wunder hoffen - zumal es in der Niederlausitz bis anhin kaum eine touristische Infrastruktur gibt. Auch IBA-Geschäftsführer Rolf Kuhn macht sich keine Illusionen. Hierher kamen die Menschen seit je, um zu arbeiten, und nicht, um sich zu erholen, ganz abgesehen davon, dass es in der DDR kein Bewusstsein dafür gegeben habe, dass Dienstleistung ein Wirtschaftszweig ist: «Das war etwas zum Geldausgeben, nicht zum Geldverdienen. Dienstleistungsmentalität braucht viel Zeit und Weiterbildung. Man kann nicht erwarten, dass die Menschen gleich ein Lächeln auf dem Gesicht haben, wenn sie jemanden vor sich sehen.»

Michael Richter ist einer der sechs Festangestellten auf der F60. Früher hat er hier als Bergmann gearbeitet, heute führt er an manchen Tagen Hunderte von Menschen auf den liegenden Eiffelturm. Anfangs sei ihm die Arbeit mit Menschen nicht leicht gefallen. «Irgendwann aber habe ich gemerkt: Die Menschen wollen was von mir, und sie wollen hier was sehen. Ab dem Punkt hatte ich keine Schwierigkeiten mehr.» Michael Richter stammt aus dem Dorf Bergheide, das hier vom Tagebau abgebaggert wurde; nun schaut er jeden Tag auf die Grube, wo sich der Bergheider See allmählich mit Wasser füllt. In der Kantine zeigt er Schwarzweissaufnahmen des unscheinbaren Dorfs: ungeteerte Strassen, eine alte Mühle, von Blumen umwachsen, und ein stattliches Wohnhaus, das von Bild zu Bild zerfällt, bis schliesslich die Bagger kommen. «War 'n schönes Fleckchen, Bergheide», meint Richter, der sich mit dem Verlust längst abgefunden hat. Die Kohle gibt, die Kohle nimmt, so sagt man hier. Unter den 80 Dörfern, die dem Braunkohleabbau seit den sechziger Jahren zum Opfer fielen, waren auch viele Dörfer der sorbischen Minderheit - heute würde man sie als touristisches Kapital dringend brauchen.

Auch heute gibt es noch Dörfer, deren Schicksal besiegelt ist. In vier Gruben wird noch bis 2030 Kohle gefördert. Einige Häuser stehen bereits leer in Haidemühl, doch gleich nebenan ist der Garten gepflegt, und überall stehen Topfpflanzen auf dem Fensterbrett, sorgsam hinter die Gardinen zur Strassenseite hin gestellt. Es hat etwas Gespenstisches, durch totgesagte Ortschaften zu fahren, in denen der Alltag noch ganz selbstverständlich vor sich geht.

Abgebaggerte Dörfer

Alle vierzehn Tage kommt die pensionierte Lehrerin Helga Lehnigk auf die IBA-Terrassen und blickt in die Grube hinunter, wo früher das Dorf Bückgen war, in dem sie aufgewachsen ist. Zusammen mit dem Stadtteil Grossräschen-Süd wurde Bückgen 1989 abgebaggert - die grösste Umsiedlungsaktion der DDR, von der 4000 Menschen betroffen waren. Widerstand habe es nicht gegeben, erzählt Helga Lehnigk, man habe ja eingesehen, dass es notwendig war. Doch nach zehn Jahren ist die Kohle abgebaut. «Und da fragt man sich dann doch: War's das wirklich wert?» Auch Dorothea Miottke, die Pächterin des Cafés auf den IBA-Terrassen, hat früher im verschwundenen Stadtteil gelebt. Sie schwärmt von dieser «kompletten kleinen Stadt», in der nichts gefehlt habe - Hallenbad, Bibliothek, Spielwarenfabrik, zwei Parks und eine schöne Schule mit Lichthof. «Am schlimmsten ist für mich, dass ich meinen Kindern nicht zeigen kann, wo ich aufgewachsen bin. Ich kann ihnen nur sagen: Da hinten, am Grubenrand, da stand unser Haus.»

Dieses Jahr hatte Bückgen ein Comeback. Im Massstab 1:100 wurden die Dorfstrassen mit weissem Kies in die schwarze Grubenerde gestreut. Wo früher Häuser standen, wurden Stühle hingestellt, auf denen ehemalige Bückgener in konzentrierten Texten aus dem Dorfleben erzählten. Die Idee zu diesem Theaterprojekt war dem in Berlin lebenden Schweizer Regisseur Jürg Montalta auf einer Tagebauführung gekommen. «Wir gingen eine Strecke mit verbundenen Augen, und plötzlich begann ein alter Mann zu erzählen: Hier stand die Kirche, da ging ich zur Schule - es sprudelte nur so aus ihm heraus. Eine Frau wollte erzählen und konnte nicht, weil ihr die Tränen kamen.» Um die Zukunft gestalten zu können, müsse man sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen, meint Montalta, der in der freien Wirtschaft als Coach von Führungskräften tätig ist. Die Freiluftinszenierung in der Grube habe ihnen ein Stück Heimat vermittelt, meinten die Jugendlichen, die keine Erinnerungen an den verschwundenen Stadtteil haben. Den Jugendlichen will sich Montalta in der nächsten Phase des langfristig angelegten Projekts widmen. Die Stimmung habe mit dem Alter der Jugendlichen zu tun: «Die Vierzehnjährigen haben noch ein positives Bild von der Zukunft. Sie freuen sich auf den See, wollen eine Familie und ein Auto. Die Älteren jedoch haben die Erfahrung gemacht, dass sie trotz Ausbildung und Umschulung keine Arbeit finden, und das ist sehr hart.» Keiner geht freiwillig weg.

Informationen zur IBA unter:www.iba-see.de; sowie zur Förderbrücke F60 unter:www.f60.de.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2005.07.11

21. November 2002Sieglinde Geisel
Neue Zürcher Zeitung

Hanseatische Prachtentfaltung

Diesen Sommer wurde Stralsund zusammen mit Wismar in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen - ein wichtiges Signal, für die Touristen ebenso wie für die Stralsunder Bürger, die unmittelbar nach der Wende einen Abrissstopp in der Altstadt erwirkt hatten. Seit Mitte der neunziger Jahre wird durchgreifend saniert, ein spektakulärer Neubau des Deutschen Meeresmuseums soll dem Hafengelände ein neues Gesicht verleihen.

Diesen Sommer wurde Stralsund zusammen mit Wismar in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen - ein wichtiges Signal, für die Touristen ebenso wie für die Stralsunder Bürger, die unmittelbar nach der Wende einen Abrissstopp in der Altstadt erwirkt hatten. Seit Mitte der neunziger Jahre wird durchgreifend saniert, ein spektakulärer Neubau des Deutschen Meeresmuseums soll dem Hafengelände ein neues Gesicht verleihen.

«Stralsund war die traurigste Stadt, die ich je gesehen hatte», erinnert sich Peter Boie an seinen ersten Eindruck. Er kam 1990 nach Stralsund, um die Leitung der Stadterneuerungsgesellschaft zu übernehmen, einer Einrichtung, die Anschubfinanzierungen der öffentlichen Hand leistet. Gleichzeitig sei er von der Schönheit der Altstadt überwältigt gewesen, was jedoch den Schmerz über ihren prekären Zustand nur verstärkt habe.

In der Tat eignet Stralsund eine melancholische Grandezza. Die Wahrzeichen der Stadt zeugen von der Energie der ehemaligen Handelsstadt und dem Selbstbewusstsein ihrer reichen Bürger, die der Stadt im 15. Jahrhundert ihr Gesicht gaben. Das berühmte Rathaus mit der filigranen Schaufassade wurde damals als «kophus» (Kaufhaus) gebaut, daneben die Nikolaikirche, die in ihren besten Zeiten 56 Altäre hatte und an den Markttagen für den Handel geöffnet war. Sie ist eine offene Bürgerkirche geblieben: Nun kann man die Restauratoren bei der Arbeit beobachten.

Mit dem Niedergang der Hanse hatte Stralsund rasch an Bedeutung verloren. Einst ein Zentrum des baltischen Kulturraums, ist Stralsund heute eine mittlere Kleinstadt in geopolitischer Randlage. Die Hafeninsel ist heute ein Gelände der Verlegenheit mit ungenutzten Speichern und einem Parkplatz. Dies allerdings soll sich demnächst ändern: Für 2004 ist der Baubeginn des Ozeaneums geplant, eines Neubaus des Deutschen Meeresmuseums, der dem ganzen Hafengelände ein neues Gesicht geben soll. Das 1951 gegründete Meeresmuseum zog 1974 in die Katharinenhalle um, eine bauliche Kuriosität: Für die Ausstellungen wurden Zwischenböden in das gotische Kirchenschiff des ehemaligen Katharinenklosters eingezogen, während die Aquarien in den Kellergewölben untergebracht sind. Ein weiteres Gebäude des Katharinenklosters beherbergt das kulturhistorische Museum der Stadt, das älteste Museum in Mecklenburg-Vorpommern.


Museumsneubau am Hafen

«Das Deutsche Meeresmuseum war die einzige erfolgreiche Museumsneugründung der DDR», so erklärt Direktor Harald Benke den Umstand, dass das Ozeaneum als «Chefsache» gehandelt und mit einer Bausumme von 51 Millionen Euro als einziger Museumsbau Deutschlands öffentlich gefördert wird. Man erhofft sich von dem Erlebnispark mit den riesigen Aquarien mit Flora und Fauna von Nord- und Ostsee Impulse für die gesamte Region. Am grössten Architekturwettbewerb des Landes Mecklenburg-Vorpommern nahmen vierhundert Architekten teil, denn das Museum soll auch als Architekturdenkmal international Furore machen. Im Siegerentwurf von Behnisch & Partner (Stuttgart) zeigt sich die Moderne allerdings eher von der sanften Seite: Die geschwungenen Formen fügen sich in die bestehende Stadtsilhouette mit den zahlreichen Kirchtürmen ein.

Die Altstadt ist von solch futuristischen Träumen Welten entfernt. Neben den sanierten Prachthäusern liegen wild überwucherte Grundstücke und Ruinen, die von Balken gestützt werden müssen. Ein Bombenangriff im Oktober 1944 hatte zehn Prozent der Altstadt zerstört. Die DDR zog es vor, am Stadtrand Plattensiedlungen hochzuziehen, und überliess die Altstadt dem Zahn der Zeit. Die Bürger dagegen waren nicht gleichgültig - was zu DDR-Zeiten saniert wurde, ist weitgehend der privaten Initiative engagierter Stadtbewohner zu verdanken, die in «Feierabendbrigaden» etwa das Johanniskloster renovierten. Zur Zeit der Wende war die Erhaltung der Altstadt das wichtigste politische Anliegen der hiesigen Bürgerbewegung: Ein Bürgerkomitee erwirkte noch im Dezember 1989 einen Abrissstopp in der Altstadt.

Die Wende allerdings war für die Altstadt kein sofortiger Segen. «Nun gingen erst einmal richtig die Lichter aus», wie Peter Boie es formuliert. Jetzt verschwanden auch noch die letzten Geschäfte, denn die neuen Einkaufszentren am Stadtrand zogen alle Kaufkraft ab. Wegen ungeklärter Eigentumsfragen waren in den ersten Jahren nur Notsicherungen möglich. Die Altstadt verlor rasant an Einwohnern und verödete. Erst ab Mitte der neunziger Jahre konnte durchgreifend saniert werden. Mit dem rot leuchtenden Heilgeistkloster wurde kürzlich ein vollständiger Gebäudekomplex fertig - «ein erstes Stück heile Welt». Ein Drittel der Altstadt ist saniert, aber 140 Gebäude sind immer noch gefährdet. Es ist nicht leicht, Investoren zu finden, und manche Eigentümer haben kein Geld für eine Sanierung. In diesem Fall greift ein pragmatisches Modell: Das Gebäude geht als Schenkung für einen symbolischen Euro an die Stadt, die eine Notsicherung besorgt, damit ein weiterer Verfall aufgehalten und das Gebäude auf finanzkräftige Käufer warten kann.

Die behutsame Sanierung ist eine Gnade der Geschichte: So verheerend die Vernachlässigung zu DDR-Zeiten war, so sind Stralsund doch die Bausünden des Westens erspart geblieben. «In der Bundesrepublik hat die eigentliche Zerstörung oft erst nach dem Krieg eingesetzt, als man keine Skrupel hatte, Parkhäuser und Tankstellen in die Innenstadt zu setzen», meint Peter Boie, der vorher in Kiel und Hannover tätig war. Die wenigen Neubauten der Stralsunder Altstadt, die aus DDR-Zeiten stammen, imitieren die historischen Giebelhäuser mit Plattenbautechnik - das hat den unbeholfenen Charme von Laubsäge-Arbeiten. «Das gab es im Westen natürlich auch», sagt Boie und verweist auf entsprechende Häuserzeilen in Lübeck. Überhaupt beobachtet er überraschende Parallelen zwischen Ost und West: Als die DDR den grossflächigen Abriss von Altstadtquartieren plante, war in der Bundesrepublik die Kahlschlagsanierung Mode. Mit dem Unterschied allerdings, dass der DDR meist das Geld für den Abriss fehlte.


Autos vor dem Strassencafé

Es ist nicht leicht, eine ausgestorbene Altstadt wiederzubeleben. Als Neuling findet man etwa in Stralsund nicht auf Anhieb ein Restaurant. Nach Geschäftsschluss könnte man meinen, die ganze Innenstadt sei eine Fussgängerzone. Dabei dient ausgerechnet der Alte Markt mit dem Rathaus als öffentlicher Parkplatz. Die westlichen Stadtplaner seien mit dem Konzept der autofreien Innenstadt damals zu früh gekommen, meint Boie, aber jetzt störe es auch die Stralsunder, wenn sie im Strassencafé sitzen und einen Parkplatz vor der Nase haben. Trotzdem bleibt das Auto ein wichtiger Faktor in der Stadtplanung. Die 60 000 Einwohner der Hansestadt lassen sich nur dann zum Einkaufsbummel in die Altstadt locken, wenn sie ihr Auto mitnehmen können. An der Stadtmauer wurden in den letzten Jahren archäologische Grabungen vorgenommen, die Klosterfunde aus dem 13. Jahrhundert zutage förderten. Wenn Dokumentation und Bergung abgeschlossen sind, wird hier eine Tiefgarage gebaut. «Darüber reden wir nicht so gern», meint Boie dazu.

Zu DDR-Zeiten hatte die Altstadt als Wohnort geringes Prestige - «wie es ja auch in Westdeutschland erst in den letzten zwanzig Jahren schick wurde, in der Altstadt zu wohnen», meint Boie. Das hat sich grundlegend geändert. Obwohl Stralsund insgesamt Einwohner verliert, gewinnt die Altstadt hinzu. Nach dem Tiefstand 1998 mit 2800 Einwohnern leben jetzt wieder 3700 Menschen in der Altstadt. Die Aufnahme in die Welterbeliste der Unesco im Sommer hat nicht nur die Touristenzahlen spürbar ansteigen lassen, sondern auch den Stolz der Stralsunder auf ihre Altstadt gefördert. Peter Boie erzählt von einer Gastwirtin, die sich in Sachen Welterbe hat schulen lassen, um mit ihren auswärtigen Gästen darüber fachkundig plaudern zu können. «Und nun geht es in vorpommerschem Tempo bergauf», meint Boie, der für die Sanierung der gesamten Altstadt mehr als die geplanten zwanzig Jahre veranschlagt.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2002.11.21

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