Details

Adresse
Fabrikstrasse 6, 4056 Basel, Schweiz
Architektur
Peter Märkli
Bauherrschaft
Novartis Pharma AG
Ausführung
2004 - 2006

Publikationen

Presseschau

23. Januar 2007Roderick Hönig
hochparterre

«Ich bin ein klassischer Architekt»

Peter Märkli hat für die Novartis in Basel ein Bürogebäude mit Visitor Center gebaut. Der Architekt spricht über Symmetrie und den ‹Märkli-Klassizismus›, über Lampugnanis Masterplan, Kunst-und-Bau-Arbeiten sowie über Materialien, die wie Ornamente verwendet werden, und über direkt auf der Wand verlegte Leitungen.

Peter Märkli hat für die Novartis in Basel ein Bürogebäude mit Visitor Center gebaut. Der Architekt spricht über Symmetrie und den ‹Märkli-Klassizismus›, über Lampugnanis Masterplan, Kunst-und-Bau-Arbeiten sowie über Materialien, die wie Ornamente verwendet werden, und über direkt auf der Wand verlegte Leitungen.

Waren die städtebaulichen Vorgaben des Masterplans von Vittorio M. Lampugnani Fluch oder Segen?

Weder noch. Ein Masterplan ist das Prinzip eines jeden Städtebaus. Innerhalb der festgelegten Baufelder können sich die Architekten gewisse Freiheiten erarbeiten, doch das einzelne Gebäude soll keine Ausnahme sein, sondern sich dem übergeordneten Plan unterwerfen. Man kann mit einem einzelnen Gebäude nicht die Stadtstruktur ändern.

«Architektur ist keine Sportveranstaltung», haben Sie einmal gesagt. Die Bauten auf dem Novartis-Gelände erinnern trotzdem an eine Architektur-Olympiade. Kümmert sich Ihr Haus um die anderen Bauten?

In grossem Masse! Als wir 2004 mit dem Bau begonnen haben, standen ja nur der steinverkleidete Hauptsitz aus dem Jahr 1939 sowie das Forum 3 von Diener & Diener Architekten. Die Erscheinungsform unseres Hauses wurde durch diese Nachbarschaft determiniert. Auf den Stadtplatz hin, das sogenannte Forum, haben wir die Proportion so gewählt, dass der LED-Screen von Jenny Holzer relativ weit herunterkommt. So steht das Gebäude fest am Platz und wirkt nicht aufgeständert.

Lampugnani sah auf dem Grundstück Fabrikstrasse 6 ursprünglich eine Bibliothek vor. Was ist aus ihr geworden?

Die Bibliothek hat sich zu einem ‹Marktplatz des Wissens› gewandelt. Sie wird ins Zentrum des Campus verlegt. Die Lage am Platz, gleich hinter dem zukünftigen Haupteingang, erwies sich für diesen Zweck als ungeeignet. Deshalb hat die Novartis entschieden, an der Fabrikstrasse 6 das Visitor Center einzurichten.

Was ist ein Visitor Center?

Das Visitor Center empfängt auswärtige Gäste wie auch Mitarbeiter aus aller Welt, es ist eine Art Verteilerzentrale. Hier finden auch Anlässe wie Weihnachtsapéros statt. Man kann sich darin für informelle Sitzungen treffen, auch Schulkassen werden hier empfangen. Deshalb war uns die Art und Weise, wie das Haus Menschen aufnimmt, also wie gastfreundlich es ist, sehr wichtig. Wie und wie viele Informationen über Novartis darin transportiert werden, liegt in der Kompetenz des Auftraggebers.

Die Baueingabe war im April 2004, die Übergabe im Mai 2006. Ist schnelles Bauen ein Vor- oder Nachteil?

Den hohen Takt empfand ich als Vorteil. Denn wenn ich an eine neue Bauaufgabe herantrete, bin ich immer sehr motiviert. Diese Leidenschaft kann ich nicht unendlich lange aufrechterhalten. Zur hohen Realisierungsgeschwindigkeit gehört aber auch eine entsprechende Entwurfsstrategie.
Das heisst, die Grundstruktur eines Hauses, seine Proportionen und die Gliederung der Fassade sind unumstösslich.
Für die Haustechnik hingegen muss ich ein System entwickeln, das auf nachträgliche Änderungen, die zu jedem Bau gehören, reagieren kann, ohne dass sie die Architektur in Frage stellen. Deshalb haben wir sehr wenig einbetoniert. Die Leitungen in den Lager- und Technikräume sind sichtbar montiert und werden so zum Ornament.

Mein erster Eindruck war: ein amerikanisches Haus der Vierzigerjahre. Was für eine Art Architektur ist es?

Es ist eine Architektur, die mir entspricht. Wir wollten ein zeitgemässes, frisches Gebäude machen – ein Haus, das als intim, sinnlich, gelassen und reich empfunden wird. Einige sagen es wirke ‹altneu›. In der Architektur gibt es eine Grundfrage: der Raum. Wie wird er strukturiert, organisiert und proportioniert, wie ausdruckshaft ist er? Wenn der Architekt diese Fragen beantwortet hat, kann er beispielsweise eine gewisse Sinnlichkeit oder Intimität für diese Räume wählen. Sie ist aber nicht auf irgendein Jahrzehnt bezogen, sondern relevant für alle Epochen.

Der Novartis-CEO Daniel Vasella hat den Aus- und Umbau des Novartis Campus zur Chefsache erklärt. Um sich eine genaue Vorstellung von den zukünftigen Gebäuden zu machen, liess er 1:1-Modelle von allen Fassaden erstellen. Wie verlief die Zusammenarbeit?

Unser Beruf setzt ein grosses Abstraktionsvermögen voraus. Das Entscheidungsgremium, dem Daniel Vasella vorsteht,
braucht haptische und visuelle Erfahrungen. Darum die aufwendige Bemusterung und die 1:1-Modelle. Dazu hat der CEO jeweils sehr rasch Stellung bezogen.

An der Fabrikstrasse 6 liegt Marmor auf den Böden, die Wände sind in Eibe, die Handläufe in Olivenholz furniert, die Stützen mit Chromstahl verkleidet. Sie verwenden edle Materialien wie Ornamente. Welche Rolle spielt das Ornament?

Eine grosse Rolle. Das Visitor Center wird durch den weissen Marmor nobilitiert, es ist ein Liebesbeweis an die alten Griechen. Der Materialwechsel zwischen den Geschossen lässt einen ohne Beschriftung merken, wo der Besucherbereich aufhört. In einer zweiten Hierarchieebene haben wir die Zeichnungen der Materialien als ornamentalen Ersatz verwendet. Wir haben aber nur die Richtungen der Adern bestimmt und nicht die Lage der einzelnen Platten. Eine Art kalkulierter Zufall. Ich glaube, dass der Architekt nicht alles bestimmen sollte, sondern dass er dem Arbeiter oder Unternehmer einen Rahmen ausstecken sollte. So kommt Frische in den Bau und man muss nicht immer alles umzeichnen, wenn es Änderungen gibt.

Der Grundriss des Hauses basiert auf einer doppelsymmetrischen Form. Ein Märkli-Klassizismus?

Ich bin ein klassischer Architekt und fühle mich der abendländischen Stadt und Baukunst verpflichtet. Meine Erfahrung ist, dass klassische Grundmuster ein unglaubliches Potenzial beinhalten. Das Haus hat zwei wichtige Seiten: vorne das Forum, hinten der Long-Square, der noch gebaut wird. Wir versuchten in dieser Gebäudetiefe Büros zu organisieren, ohne dass man denkt, wir hätten einfach die Trennwände weggelassen. So ist das symmetrische Raumsystem entstanden. Aber es gibt genügend Abweichungen von der Grundsymmetrie. Man muss die Symmetrie mit Ausnahmen attackieren – sie ist nicht relevant.

Das Budget war beschränkt, aber wohl dotiert. Beim Entwurf kann der Architekt lenken, wo er wie viel Geld investieren will. Wo haben Sie investiert?

Es stimmt nicht, was Sie sagen: Alles ist wichtig! Es geht darum, das Baukonto so zu bewirtschaften, dass ein Maximum an Wirkung entsteht. Ein Gebäude soll doppelt so reich aussehen, als es ist.

Ich war der Meinung, dass Peter Märkli bei Kunst-und-Bau-Projekten nur den Bildhauer Hans Josephsohn an sein Werk ‹heranlässt›. In die Platzfassade aber ist eine Leuchtschrift der Künstlerin Jenny Holzer integriert.

Die Frage muss andersherum gestellt werden: Wie viele Bildhauer könnte der Architekt Peter Märkli finden, die für seine Häuser gut wären? Ich kann mir verschiedene Zusammenarbeiten vorstellen, doch habe ich bis anhin niemanden
gefunden, ausser Hans Josephsohn und Alberto Giacometti, dessen Plastiken mit meiner Architektur so zusammenspielen, wie ich es mir wünsche. Es ist nicht eine Frage der Qualität, sondern es sind die darin widergespiegelten Haltungen zum Leben, die mich ansprechen.

Wie kamen Sie zu Jenny Holzer?

Harald Szeemann war für das künstlerische Konzept auf dem Novartis Campus verantwortlich. Er hat mir Jenny Holzer vorgeschlagen. Ich habe sofort zugesagt. Die Arbeit ist integraler Bestandteil der Fassade, wie es auch ein Relief von Josephsohn wäre. Kunstwerk und Fassade bedingen einander. In diesem Sinne funktioniert ihre Arbeit wie die Reliefs- und Halbfigur-Arbeiten von Josephsohn, wie ich sie bereits in anderen Bauten integriert habe.



verknüpfte Zeitschriften
hochparterre 2007-01|02

10. Oktober 2006Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Gegensätzliches in Harmonie

(SUBTITLE) Neubauten von Peter Märkli und Sanaa in Basel

Auf dem Novartis-Campus in Basel realisieren führende Architekten wichtige Neubauten. Nun werden die neusten Gebäude von Sanaa und Peter Märkli in einer Basler Ausstellung präsentiert.

Auf dem Novartis-Campus in Basel realisieren führende Architekten wichtige Neubauten. Nun werden die neusten Gebäude von Sanaa und Peter Märkli in einer Basler Ausstellung präsentiert.

Der Eingangsbereich des Novartis-Campus in Basel ist nahezu fertiggestellt. Im vergangenen Jahr bezog man mit dem «Forum 3» von Diener & Diener das erste Haus der neuen Firmenstadt. Auf derselben Gebäudeachse (mit gleicher Höhe und Tiefe) wird gerade ein Verwaltungshaus des Tokioter Architekturbüros Sanaa von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa vollendet. Parallel zum Sanaa-Bau und zeitgleich mit diesem entstand an der Fabrikstrasse das «Visitors Center» des Zürcher Architekten Peter Märkli. Die Fabrikstrasse beginnt an der Voltastrasse (und der neuen Stadtautobahn), führt zwischen den Bauten von Sanaa und Diener & Diener, die eine Art Portal bilden, hindurch, quert als wichtigste Erschliessungsachse den gesamten Campus und endet an der Grenze zu Frankreich mit einer grossen Stahlplastik von Richard Serra. Vor der nahezu 170 Meter breiten Glasfront, welche die beiden Häuser von Diener & Diener und Sanaa gemeinsam aufspannen, sollen bis zum kommenden Spätsommer noch ein Eingangspavillon und ein von Vogt Landschaftsarchitekten gestalteter Park über der neuen Tiefgarage entstehen. Dieses halböffentliche Areal verlängert den öffentlichen Grünraum der Voltamatte nach Nordosten und wird, wenn die bisherigen Silobauten am Hafen St. Johann einst abgerissen sind, bis zum Rhein reichen.
Präsentation im Architekturmuseum

So weit ist es noch nicht. Aber mit den Bauten von Märkli und Sanaa beginnt der Masterplan des Zürcher ETH-Professors Vittorio Magnago Lampugnani Gestalt anzunehmen. Das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel nutzt die Fertigstellung der Bauten von Märkli und Sanaa zu einer Ausstellung. Mit grossen Modellen des Masterplans (1:500), der Situation der beiden Neubauten (je 1:250) und der Raumskulptur des Sanaa-Hauses (1:50) werden Volumetrien und Räume anschaulich gemacht. In Vitrinen präsentiert man Märklis Entwurfsskizzen und - mit Stein, Holz oder dem Metallprofil der Fassade - die hauptsächlichen Materialien seines Hauses. Ferner ist ein Aluminium-Sandguss zu sehen. Er veranschaulicht die piranesische Geländerkonstruktion, die in allen Stockwerken von Märklis Neubau skulpturale Akzente setzt. Weiter sind Beispiele der Gebäudebeschriftungen des Trios Natalie Bringolf, Kristin Irion und Irene Vögeli in Aluminium, Palladium und Blattgold ausgestellt. In der Totale wird das Haus mit Fotografien von Paolo Rosseli visualisiert, die man auch in der Begleitpublikation findet.

Vom Neubau des Büros Sanaa, der in diesen Wochen fertiggestellt wird (eine Baumonographie ist in Vorbereitung), werden neben dem Modell auch Pläne sowie erste fotografische Bilder von Walter Niedermayr präsentiert, die das gläserne Bauwerk zwar als Baustelle, aber bereits mit der linearen Transparenz seiner Fassaden und der Lichthaltigkeit seiner Innenräume zeigen.
Kunstvolle Präzision

Das Haus von Peter Märkli ist - je nach Standpunkt - eine Zumutung und ein Brillant. Es ist bald üppig und kostbar, bald opulent, banal oder von verschwenderischem Geiz. Von aussen wirkt es zunächst wie der Dutzendbau eines Verwaltungssitzes. Im Innern wähnt man sich zunächst in einem venezianischen Palazzo, dann in einer Bündner Arvenstube. Dazwischen ahnt man die Kasino-Atmosphäre von Las Vegas. Märkli veranstaltet eine Material-Travestie mit der artistischen Präzision eines Hochseilaktes, die Überraschung und Wohlgefühl auslöst, die virtuos spielt, scheinbar Unvereinbares kombiniert und eine Harmonie des Gegensätzlichen erzeugt. Stadt und Land, Salon und Bauernstube, Barock und Futurismus, Intimität und Weite, Distanz und Nähe scheinen sich in Märklis Raum- und Materialkontinuum zu vereinen. Über dem in makellos weissem Carraramarmor und der kühlen Eleganz eines Palast-Entrées gehaltenen Parterre erheben sich fünf Geschosse um einen Lichthof. Alle Decken sind aus furnierter Eibe, die so geschnitten, geschliffen und kassettiert ist, dass jede Rustikalität verlorengeht und sich die Wirkung von Ebenholz oder Mahagoni einstellt. Gleiches gilt für das Auditorium des Untergeschosses mit seinen 124 Eames-Lobby-Chairs.

In den Obergeschossen kommt zur Holzdecke ein Wandtäfer an den zwei Erschliessungskernen. Auf dem Boden der sonst völlig verglasten Büroebenen liegt ein tiefblauer Teppichboden. Die Brüstungen zum Lichthof und die Marmortreppen sind mit Geländerstützen aus porösem Aluminiumguss und einem Handlauf mit Olivenholzfurnier versehen. Die kleinteilige Maserung der Eibe und das gestische Linienspiel des geschnittenen Olivenholzes geben der sachlich-coolen Ambiance einen expressiven Charakter, dem die grob wirkende Oberfläche des Aluminiumgusses das Flair einer Edelbaustelle hinzufügt.

Hier spürt man auch das Las-Vegas-Feeling des neuen Visitors Center. Märkli schöpft ohne Berührungsängste aus dem Material- und Formenfundus, den Bauindustrie und Architekturgeschichte bieten. Damit pflegt er einen Manierismus, den die Moderne als Todsünde stigmatisierte. Wenn man diesen Material- und Formenmix nach ausschliesslich funktional-ökonomischen Kriterien in die Dreidimensionalität überführt, entsteht Kitsch. Wenn man ihn aber so planerisch exakt und mit virtuoser Handwerklichkeit einsetzt wie Märkli, wird er Kunst. So muss man schliesslich auch die Fassade lesen, die mit 22 Metern Höhe und 5700 Quadratmetern Fläche zunächst einen simplen Verwaltungsbau vermuten lässt. Doch die champagnerfarbene Haut der vorfabrizierten Aluminiumteile ordnet sich präzise dem architektonischen Entwurf unter.
Transparenz

Der Neubau von Sanaa ist nur durch die Lage und die Gemeinsamkeiten in Höhe und Nutzung mit Märklis Gebäude vergleichbar. Hier geht es nicht um die Repräsentation eines weltweit tätigen Unternehmens, sondern um die Transparenz, Helligkeit und Freundlichkeit eines Bürohauses. Die Architekten aus Tokio haben den 80 Meter langen und 20 Meter tiefen Baukörper, der über sechs Geschosse in 22 Meter Höhe führt, mit einem Lichthof ausgehöhlt. Alle Aussenwände sind aus Glas, die Geschossdecken so dünn, dass sie von aussen kaum sichtbar sind und ein durchgehendes Raumkontinuum suggerieren. Treppen und Geländer sind weiss lackierte, einfache Metallkonstruktionen, die an ein Schiffsdeck erinnern. Jeder Gang in den Geschossen ist mit dem Blick zum Aussenraum verbunden. In wenigen Wochen soll der Lichthof des Sanaa-Baues zu einem von Vogt Landschaftsarchitekten konzipierten bepflanzten Wasserbecken werden.

Und am Haupteingang haben Sanaa jene sechs Meter hohe Fussgängerarkade geschaffen, die Lampugnanis Masterplan vorschreibt und die, durch eine Gasse getrennt, nahtlos in jene des Visitors Center von Peter Märkli übergeht. Und Märklis Arkade hat auf der Strassenseite ein monumentales Schrift-Display von Jenny Holzer. Wenn man will, erinnert auch dessen pausenlos laufende Botschaft an Las Vegas.

[ Ausstellung im SAM bis 26. November. Begleitpublikation: Novartis-Campus. Peter Märkli. Hrsg. Ulrike Jehle. Christoph- Merian-Verlag, Basel 2006. 79 S., Fr. 49.-. Zum Neubau von Sanaa ist eine Monographie in Vorbereitung. ]



verknüpfte Bauwerke
Bürogebäude WSJ-158

Ensemble

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