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Texte

22. Juli 2010Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Bauen an der Peripherie

Über die Sommerferien stellt das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel seinen grossen Saal dem kantonalen Baudepartement zur Verfügung. Dieses zeigt drei neue Brücken, die aus Wettbewerben hervorgegangen sind. Von ihnen ist eine realisiert, eine im Bau und

Über die Sommerferien stellt das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel seinen grossen Saal dem kantonalen Baudepartement zur Verfügung. Dieses zeigt drei neue Brücken, die aus Wettbewerben hervorgegangen sind. Von ihnen ist eine realisiert, eine im Bau und

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28. April 2010Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Vom Nützlichen und Schönen

In seiner neuen Ausstellung sucht das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein nach dem Kern der Dinge. In der Reduktion findet es die Grundlage und den Sinn jeder Gestaltung. Anhand von historischen und neuen Exponaten werden Fragen gestellt und Perspektiven aufgezeigt.

In seiner neuen Ausstellung sucht das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein nach dem Kern der Dinge. In der Reduktion findet es die Grundlage und den Sinn jeder Gestaltung. Anhand von historischen und neuen Exponaten werden Fragen gestellt und Perspektiven aufgezeigt.

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17. November 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Dialogfähigkeit

Die Architektin Silvia Gmür ist eine Teamplayerin mit markanter Solistinnenstimme. Ihre grössten gestalterischen und architektonischen Arbeiten betreffen...

Die Architektin Silvia Gmür ist eine Teamplayerin mit markanter Solistinnenstimme. Ihre grössten gestalterischen und architektonischen Arbeiten betreffen...

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verknüpfte Akteure
Gmür Silvia

17. September 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Vitruvianismus

Mit kostbaren Architekturbüchern, Druckgrafiken von Piranesi und Korkmodellen antiker historischer Bauten macht eine Ausstellung in der Skulpturhalle Basel,...

Mit kostbaren Architekturbüchern, Druckgrafiken von Piranesi und Korkmodellen antiker historischer Bauten macht eine Ausstellung in der Skulpturhalle Basel,...

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24. August 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Plädoyer für eine kontinuierliche Entwicklung

Vor knapp drei Jahren übernahm Francesca Ferguson die Leitung des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel. Seither fanden vielbeachtete Ausstellungen statt, die dem Haus aber grosse Defizite bescherten. Nun erklärte der Stiftungsrat die Ära Ferguson für beendet.

Vor knapp drei Jahren übernahm Francesca Ferguson die Leitung des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel. Seither fanden vielbeachtete Ausstellungen statt, die dem Haus aber grosse Defizite bescherten. Nun erklärte der Stiftungsrat die Ära Ferguson für beendet.

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verknüpfte Akteure
S AM Schweizerisches Architekturmuseum

17. Juli 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Ende der Internationalisierung

In der Deutschschweiz wird die Architektur der Romandie oft unterschätzt. Nun zeigt das Schweizerische Architekturmuseum in Basel wegweisende Bauten, die entlang der Rhone entstanden sind. Die grenzüberschreitende Sicht betont das Eigenständige der welschen Baukunst.

In der Deutschschweiz wird die Architektur der Romandie oft unterschätzt. Nun zeigt das Schweizerische Architekturmuseum in Basel wegweisende Bauten, die entlang der Rhone entstanden sind. Die grenzüberschreitende Sicht betont das Eigenständige der welschen Baukunst.

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13. Februar 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Magie der Metropolen

Bekannt geworden ist Madelon Vriesendorp mit ihren Illustrationen zu Rem Koolhaas' Kultbuch «Delirious New York». Ihr Werk ist derzeit im Architekturmuseum in Basel zu sehen.

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01. Dezember 2008Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Forschen in architektonischen Meisterwerken

Vor wenigen Tagen kündigte die Pharmafirma Roche den Verzicht auf einen Turmbau an. Das Konkurrenzunternehmen Novartis hingegen führt sein ambitiöses Campus-Projekt weiter. Kürzlich konnten Neubauten von Krischanitz und Lampugnani bezogen werden, und nun geht eine exzentrische Bauskulptur von Frank O. Gehry ihrer Vollendung entgegen.

Vor wenigen Tagen kündigte die Pharmafirma Roche den Verzicht auf einen Turmbau an. Das Konkurrenzunternehmen Novartis hingegen führt sein ambitiöses Campus-Projekt weiter. Kürzlich konnten Neubauten von Krischanitz und Lampugnani bezogen werden, und nun geht eine exzentrische Bauskulptur von Frank O. Gehry ihrer Vollendung entgegen.

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verknüpfte Ensembles
Novartis Campus

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Presseschau 12

22. Juli 2010Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Bauen an der Peripherie

Über die Sommerferien stellt das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel seinen grossen Saal dem kantonalen Baudepartement zur Verfügung. Dieses zeigt drei neue Brücken, die aus Wettbewerben hervorgegangen sind. Von ihnen ist eine realisiert, eine im Bau und

Über die Sommerferien stellt das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel seinen grossen Saal dem kantonalen Baudepartement zur Verfügung. Dieses zeigt drei neue Brücken, die aus Wettbewerben hervorgegangen sind. Von ihnen ist eine realisiert, eine im Bau und

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28. April 2010Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Vom Nützlichen und Schönen

In seiner neuen Ausstellung sucht das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein nach dem Kern der Dinge. In der Reduktion findet es die Grundlage und den Sinn jeder Gestaltung. Anhand von historischen und neuen Exponaten werden Fragen gestellt und Perspektiven aufgezeigt.

In seiner neuen Ausstellung sucht das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein nach dem Kern der Dinge. In der Reduktion findet es die Grundlage und den Sinn jeder Gestaltung. Anhand von historischen und neuen Exponaten werden Fragen gestellt und Perspektiven aufgezeigt.

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17. November 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Dialogfähigkeit

Die Architektin Silvia Gmür ist eine Teamplayerin mit markanter Solistinnenstimme. Ihre grössten gestalterischen und architektonischen Arbeiten betreffen...

Die Architektin Silvia Gmür ist eine Teamplayerin mit markanter Solistinnenstimme. Ihre grössten gestalterischen und architektonischen Arbeiten betreffen...

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Gmür Silvia

17. September 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Vitruvianismus

Mit kostbaren Architekturbüchern, Druckgrafiken von Piranesi und Korkmodellen antiker historischer Bauten macht eine Ausstellung in der Skulpturhalle Basel,...

Mit kostbaren Architekturbüchern, Druckgrafiken von Piranesi und Korkmodellen antiker historischer Bauten macht eine Ausstellung in der Skulpturhalle Basel,...

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24. August 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Plädoyer für eine kontinuierliche Entwicklung

Vor knapp drei Jahren übernahm Francesca Ferguson die Leitung des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel. Seither fanden vielbeachtete Ausstellungen statt, die dem Haus aber grosse Defizite bescherten. Nun erklärte der Stiftungsrat die Ära Ferguson für beendet.

Vor knapp drei Jahren übernahm Francesca Ferguson die Leitung des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel. Seither fanden vielbeachtete Ausstellungen statt, die dem Haus aber grosse Defizite bescherten. Nun erklärte der Stiftungsrat die Ära Ferguson für beendet.

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S AM Schweizerisches Architekturmuseum

17. Juli 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Ende der Internationalisierung

In der Deutschschweiz wird die Architektur der Romandie oft unterschätzt. Nun zeigt das Schweizerische Architekturmuseum in Basel wegweisende Bauten, die entlang der Rhone entstanden sind. Die grenzüberschreitende Sicht betont das Eigenständige der welschen Baukunst.

In der Deutschschweiz wird die Architektur der Romandie oft unterschätzt. Nun zeigt das Schweizerische Architekturmuseum in Basel wegweisende Bauten, die entlang der Rhone entstanden sind. Die grenzüberschreitende Sicht betont das Eigenständige der welschen Baukunst.

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13. Februar 2009Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Magie der Metropolen

Bekannt geworden ist Madelon Vriesendorp mit ihren Illustrationen zu Rem Koolhaas' Kultbuch «Delirious New York». Ihr Werk ist derzeit im Architekturmuseum in Basel zu sehen.

Bekannt geworden ist Madelon Vriesendorp mit ihren Illustrationen zu Rem Koolhaas' Kultbuch «Delirious New York». Ihr Werk ist derzeit im Architekturmuseum in Basel zu sehen.

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01. Dezember 2008Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Forschen in architektonischen Meisterwerken

Vor wenigen Tagen kündigte die Pharmafirma Roche den Verzicht auf einen Turmbau an. Das Konkurrenzunternehmen Novartis hingegen führt sein ambitiöses Campus-Projekt weiter. Kürzlich konnten Neubauten von Krischanitz und Lampugnani bezogen werden, und nun geht eine exzentrische Bauskulptur von Frank O. Gehry ihrer Vollendung entgegen.

Vor wenigen Tagen kündigte die Pharmafirma Roche den Verzicht auf einen Turmbau an. Das Konkurrenzunternehmen Novartis hingegen führt sein ambitiöses Campus-Projekt weiter. Kürzlich konnten Neubauten von Krischanitz und Lampugnani bezogen werden, und nun geht eine exzentrische Bauskulptur von Frank O. Gehry ihrer Vollendung entgegen.

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Novartis Campus

17. Oktober 2008Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Betontürme und Glasskulpturen

Die bauliche Entwicklung der letzten sechzig Jahre im Gebiet zwischen Adria und Donau ist Thema einer schillernden Ausstellung im Schweizerischen Architekturmuseum Basel. Die informative Schau zeigt unbekannte Bauten der Nachkriegszeit und zeitgenössische Meisterwerke.

Die bauliche Entwicklung der letzten sechzig Jahre im Gebiet zwischen Adria und Donau ist Thema einer schillernden Ausstellung im Schweizerischen Architekturmuseum Basel. Die informative Schau zeigt unbekannte Bauten der Nachkriegszeit und zeitgenössische Meisterwerke.

In spätantiker Zeit war die östliche Adriaküste ein Zentrum der Weltpolitik. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts liess sich Kaiser Diokletian in Split einen riesigen Wehrpalast erbauen. Split ist heute nach der Hauptstadt Zagreb die zweitgrösste Stadt Kroatiens. Zusammen mit Slowenien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien, Kosovo und Albanien ist Kroatien noch heute Teil eines alten Kulturraums, der an Italien und Österreich, an Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland grenzt. Die Zentren und Hauptstädte sind Ljubljana, Belgrad, Sarajevo, Podgorica, Skopje, Pristina, Tirana und Zagreb. Einen architektonischen Querschnitt durch diese Kulturlandschaft, die nach dem Zweiten Weltkrieg sozialistisch regiert wurde, vor 15 Jahren durch einen Bürgerkrieg die Welt in Atem hielt und heute dem rauen Wind der wirtschaftlichen Öffnung ausgesetzt ist, legt nun die von Gastkurator Kai Vöckler zusammengestellte Ausstellung «Balkanology» im Schweizerischen Architekturmuseum Basel.

Architektonischer Wandel

Das komplexe Thema ist in einen historischen und einen zeitgenössischen Ausstellungsteil gegliedert. Einerseits zeugen 21 grösstenteils realisierte Einzelprojekte und stadtplanerische Visionen von der avantgardistischen Architekturmoderne nach dem Zweiten Weltkrieg. Anderseits veranschaulichen zahlreiche seit 1991 entstandene Vorzeigebauten bausoziologische und bauökonomische Probleme, engagierte Initiativen sowie architektonische Hybridformen. Die Exponate werden auf hängenden, zu strukturierenden Raumeinheiten arrangierten Tisch- und Wandflächen präsentiert, die sich mitunter wie ein Fischmaul oder ein Blütenkelch öffnen.

Der retrospektive Blick setzt ein mit Jože Plečniks klassischer National- und Universitätsbibliothek in Ljubljana (1940). Nachhaltiger aber war der Einfluss von Le Corbusier, in dessen Pariser Atelier vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Architekten des späteren Jugoslawien gearbeitet hatten und dessen Werk 1953 im Balkanstaat in einer repräsentativen Wanderausstellung gezeigt wurde. So spiegelt sich seine Unité d'Habitation in Marseille (1952) in Juraj Neidhardts Apartmenthaus in Sarajevo (1958). Man rezipierte auch die Baudoktrin der Congrès internationaux d'architecture moderne (CIAM), gemäss der die Trabantenstädte Neu-Belgrad (ab 1947) und Neu-Zagreb geplant und teilweise gebaut wurden. Mit Vjenceslav Richters jugoslawischem Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel (1958) zeigte sich die planwirtschaftliche Baukultur auf der Höhe der zeitgeistigen Nachkriegsmoderne. Neben solch respektablen Einzelwerken thematisiert «Balkanology» auch den Wiederaufbau des durch ein Erdbeben zerstörten Skopje nach Plänen von Kenzo Tange (1963).

Selbsthilfe

Für die postkommunistische Baukultur steht der beispielhafte Sitz der slowenischen Industrie- und Handelskammer in Ljubljana von Sadar & Vuga (1999) oder das Museum für zeitgenössische Kunst in Zagreb von Studio Za Arhitekturu und Igor Franić, das im kommenden Jahr eröffnet wird. Herausragend wirkt ein grosser, unkonventioneller Hausriegel der kroatischen Architekten Iva Letilović & Morana Vlahović in Krapinske Toplice (2003), der für einen vitalen sozialen Wohnungsbau steht. Dies sind die Hoffnungsträger künftiger Baukultur. Doch die Realität ist nüchterner; und die Ausstellung versteht sich als konstruktiver Kontrapunkt zum neoliberalen Architekturgeschehen, welches in einen gewaltigen Gestaltungs-Dilettantismus ausufert. An den Beispielen des neuen Kleinstaates Montenegro, der kosovarischen Hauptstadt Pristina (deren Einwohnerzahl sich mit 800 000 seit 1991 mehr als verdoppelte) oder der albanischen Hauptstadt Tirana wird der sogenannte Turbo-Urbanismus anhand von Grafiken, Fotos und Plänen erklärt und dokumentiert. Eine Baukultur ohne Regelwerk und die Abwesenheit einer staatlich-planenden Vernunft führen zu völliger Nichtbeachtung von sozial ausgewogener und ökonomisch notwendiger Infrastruktur. Bauherren, die mit profitversprechenden Billigbauten von der Wohnungsnot profitieren, und Investoren, die für schnelle Renditen bauliche Scheusslichkeiten erstellen, scheinen sich gegenseitig zu euphorisieren.

Doch nun greifen kritische Architekten und Planer zunehmend zur Selbsthilfe. Die Initiative «Archis Interventions» in Pristina sieht ihre Aufgabe in planerischen Handlungskonzepten an der Schnittstelle von Plan- und Marktwirtschaft. Hier stellt sich die Frage, ob diese Situation jener des 19. Jahrhunderts nicht ähnelt, als in der Zeit des Übergangs vom merkantil-monarchistischen zum industriell-republikanischen Europa die Städte explodierten und die soziale Frage einen Kernpunkt der entstehenden Disziplin des Städtebaus bildete. Nur ist dieses Kapitel der Urbanisierung wissenschaftlich kaum untersucht, da die Moderne in ihrem blinden Fortschrittsglauben alles immer nur für ein Problem der Zukunft hielt. In den städtebaulichen und architektonischen Krisengebieten des ehemaligen Jugoslawien wird nun aber die Gegenwart plötzlich mit der Vergangenheit konfrontiert. Da man sich dieser nie stellte, meint man noch immer alles neu erfinden zu müssen. Ein Beispiel dafür, dass die Fächer Architekturgeschichte und Urbanistik an europäischen Hochschulen in modernistischer Verblendung seit Jahrzehnten ihre Hausaufgaben ungenügend machen. Und für die städtebaulichen Probleme und architektonischen Kuriositäten kann man auf dem Balkan – anders als in Lagos, São Paulo oder Mexiko-Stadt – nicht den europäischen Kolonialismus und Imperialismus verantwortlich machen. Denn das Geschehen liegt nur einen Steinwurf von Venedig oder Graz entfernt vor unserer Haustüre.

[ Bis 28. Dezember. Katalogheft: Balkanology. Hrsg. Schweizerisches Architekturmuseum Basel und Kai Vöckler. Christian-Merian-Verlag, Basel 2008. 87 S., Fr. 19.–. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2008.10.17

12. September 2007Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Öffnung, Ordnung, Dialog

Der Umbau des Kunstmuseums Basel von Gigon/Guyer

Der Umbau des Kunstmuseums Basel von Gigon/Guyer

Als 1936 die Öffentliche Kunstsammlung Basel ihren Neubau am St.-Alban-Graben bezog, standen die politischen Zeichen auf Sturm. Auch der Konflikt zwischen Moderne und Tradition, den die Kulturgeschichte bis heute dramatisiert, konnte an einer Stadt kaum vorbeigehen, die den wertkonservativen Kunsthistoriker Jacob Burckhardt ebenso hervorbrachte wie den marxistischen Architekten und Bauhaus-Direktor Hannes Meyer. Der Bau, den letztlich der Basler Architekt Rudolf Christ zusammen mit seinem Stuttgarter Kollegen Paul Bonatz realisierte, ist ein massiver Steinkörper mit italienisch anmutender Eingangsarkade, der sich um zwei offene Höfe legt. Die Erschliessung ist weitläufig, und die Ausstellungssäle haben eine lineare Raumdisposition. Die Böden sind aus hellgelben bis graublauem Kalkstein und das Parkett aus versiegelter Eiche. Hier wie bei den Hoftüren und Panoramafenstern in Rahmen aus Baubronze arbeiteten die Architekten bewusst mit der Solidität und Qualität des Materials. Tradition und Moderne waren keine Antagonismen, sondern Faktoren zeittypischer Formgebung.

Als die Mäzenin Maja Oeri 1999 dem Kunstmuseum das palastartige, 1926 errichtete Nachbarhaus schenkte, bedeutete dies für das Museum einen Flächengewinn von rund 2000 Quadratmetern. Den Wettbewerb für Umstrukturierung und Zusammenführung der beiden Häuser gewann 2001 das Zürcher Büro Gigon/Guyer. Der etappierte, rund 18 Millionen Franken teure Eingriff begann 2004 und konnte jetzt abgeschlossen werden. Im «Laurenz-Bau» (der ehemaligen Nationalbank) sind nun Verwaltung und Direktion des Museums, das Kunsthistorische Seminar der Universität und die öffentliche Kunstbibliothek untergebracht, wobei sich die unterirdischen Tresorräume mit ihren 1000 Quadratmetern als Magazin (für Bücher und Bestände der grafischen Sammlung) geradezu anboten. Der frei gewordene Platz im Stammhaus konnte für neue Arbeitsräume des Kupferstichkabinetts (bisher im Untergeschoss oder beengt mit der Bibliothek verbunden), für eine erweiterte Ausstellungsfläche von 760 Quadratmetern in Zwischengeschoss und Parterre, für eine Buchhandlung und für ein Café-Restaurant zur Verfügung gestellt werden.

Der Eingriff von Gigon/Guyer steht im Zeichen von Öffnung, Ordnung, Dialog und ist im konstruktiven Sinn denkmalpflegerisch. Das Zwischengeschoss um den hinteren Innenhof wurde als Rundgang erschlossen und für die Sammlung geöffnet. Hier zeigt man Werke von Picasso, Rouault und Jawlensky aus der Sammlung «Im Obersteg». Der analoge Raum im Parterre, der bisher als Café und als Erschliessung des universitären Bereichs diente, ist zu einem Ort für die Minimal Art mit Werken von Nauman, Judd und Stella geworden. Angrenzend befindet sich neu auch der Bookshop. Die meisten Möbel sind prototypische Entwürfe, wobei der Kassenkorpus in dunkelbraun lackierter Buche gehalten ist, während die Bibliothekseinbauten im Laurenzbau aus schwarz gestrichener Akazie bestehen.

Das Parterre des rechten Eingangsflügels wurde völlig umgebaut. Die Räume der ehemaligen Bibliothek sind zu einer mäandrierenden Enfilade von vier Ausstellungssälen geworden. Zur Eröffnung zeigt man hier Werke von Judd, Warhol, Rauschenberg, Johns und Twombly, von Claes Oldenburg, Lichtenstein und Ryman, von Stella, Richard Artschwager, Gerhard Richter, Richard Prince, Thomas Ruff und Jeff Wall. Die kleinen Fenster im ehemaligen Bibliothekskorridor hat man zu bodenlangen, mit Baubronze gefassten Fenstertüren vergrössert. Der schlanke Raum wurde zu einem Restaurant, das sich grosszügig zum Eingangshof öffnet und Pariser Bistro-Flair verströmt. Hier entstand auch ein neuer Strasseneingang. Die Bar im Entrée nimmt mit einer Messingverkleidung bewussten Materialbezug zum Altbau.

Im Eingangssaal des Museums wird die Philosophie des Eingriffs augenscheinlich. Der Raum wurde bis auf das kubische, dunkle Kassenmöbel und ein Sofa leer geräumt. Die Decke erhielt schlanke Neonröhren, die sich zu minimalistischen Lichtrastern addieren. Und die eleganten Pfeiler an den Schmalseiten stehen mit ihren rosafarbenen Kalksteinplatten vor hausinternen Verbindungsbrücken, wie man diese von Schiffen kennt. Diese Modernität hatte das Haus schon bei der Eröffnung 1936.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2007.09.12



verknüpfte Bauwerke
Umbau Kunstmuseum Basel und Laurenzbau

04. April 2007Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Baukünstlerische Fundsachen

Ihre erste Ausstellung im Schweizerischen Architekturmuseum nennt Francesca Ferguson «Unaufgeräumt». Ziel der Schau ist es, eine neue Ästhetik des Unvollendeten und Provisorischen zu definieren.

Ihre erste Ausstellung im Schweizerischen Architekturmuseum nennt Francesca Ferguson «Unaufgeräumt». Ziel der Schau ist es, eine neue Ästhetik des Unvollendeten und Provisorischen zu definieren.

Projekte von 16 Architektur- und Landschaftsarchitekturbüros aus Deutschland, Grossbritannien, Österreich, Polen, Spanien und der Schweiz stehen im Mittelpunkt der gegenwärtigen Ausstellung im Schweizerischen Architekturmuseum (SAM) in Basel. Sie stammen aus den letzten vier Jahren, sind teilweise bereits realisiert worden, befinden sich teilweise aber auch erst in Planung oder Ausführung. Die Gestalter veränderten mit ihren Interventionen Industrieareale, Wohnbrachen, Verkehrsbauten, alternative und etablierte Kulturforen, historische Herrschaftsarchitektur, landwirtschaftliche Nutzbauten und Freizeitlandschaften.

Bilder und Gedankenfragmente

Die diskursive Vielfalt, die Fergusons Debattier- Zyklus «Free Zone» (NZZ 6. 2. 07) auszeichnete, wird nun im Medium der Ausstellung mit Fotos, schriftlichen Angaben, Zeichnungen, Modellen oder O-Ton-Einspielungen aus einzelnen Werkprozessen zu einer unstrukturierten Addition von Bild-, Raum- und Akustik-Bausteinen. In Form von Collagen an den Wänden und räumlichen Inszenierungen auf Lagerkisten unterschiedlicher Grösse betont die Schau mit ihrer «gefundenen Unaufgeräumtheit» all das, was man anhand der Bauprojekte zeigen will. Und, wo diese gar nicht so «gefunden» oder «unaufgeräumt» aussehen, wird der thematische Rahmen mit gestalterischen Mitteln erzeugt. Etwa so, wie wenn man Schaufensterpuppen die Füsse abschraubt, weil die Hose, die man zeigen will, sonst zu kurz wäre.

Durch die Präsentationscollage, die Nutzungs- und Dimensionsvielfalt der architektonischen Projekte und die Ambition des Ausstellungstitels stimmt einfach alles oder auch gar nichts. Die Organik, die jeder Bauprozess hat (vom Nutzungsbedürfnis über Typologie und Ort bis hin zu Projekt, Planung und Ausführung) wird grandios ignoriert und phantasievoll arrangiert: ein Sampling von Bildern und Gedankenfragmenten. Und mit strenger Antiautorität wird auch jedes Beispiel einer Konstruktion der Zukunft zu einer Dekonstruktion der Gegenwart gemacht. Dies geschieht nicht ohne Komik.

In Ramsen zum Beispiel wurde eine landwirtschaftliche Miniatur-Stallung, die ohne Dach und Fenster, mit angebröckeltem Mauerwerk und tiefen Fassadenrissen auf der grünen Wiese stand, für 25 000 Euro wieder zum Leben erweckt. Dies mit einem sorgfältig geschreinerten Holzkubus, den ein Kran mit einer Präzisionsmontage von oben in die Ruine einsetzte. Denn statt die baufällige Konstruktion abzubrechen, entschied sich das Architekturbüro Fischer Naumann aus Stuttgart für eine Art Denkmalschutz für dieses marginale Baufragment in der Landschaft. In Südwestspanien, der kaum industrialisierten Landschaft nahe der portugiesischen Grenze, wo es noch Herden freilebender Wildpferde gibt, haben Andrès Jaque Architectos aus Madrid ein herrschaftliches, aus dem Spätmittelalter stammendes und im 19. Jahrhundert erweitertes Wohnhaus zu einer Altersresidenz für katholische Priester umgebaut. Aber die in hellem Rosa, Blau und Grün eingefärbten Gläser der neuen Fenster oder die rollbaren Freizeitliegen mit portablen Sitzkissen im Foyer des Hauses lassen eher an ein temporäres Architektur-Arrangement für einen Film von Pedro Almodóvar oder Luis Buñuel, vielleicht sogar an die Dekoration einer Weekend-Party von Paris Hilton denken. Schwer vorstellbar, dass eine kirchennahe Institution einer derart kurzatmigen Freizeitgestaltung zustimmte; und doch muss man eine solche wohl als Bauherrin des 4,8 Millionen Franken teuren Altersheims für Geistliche vermuten. Im Kontext der Ausstellung fragt man sich aber auch, wo hier die «Ästhetik des Unvollendeten und des Provisoriums neu definiert» wird. - In Polen wird es etwas konkreter. Im oberschlesischen Steinkohlenrevier in Bytom (in der Nähe Krakaus) haben die Architekten Przemo Lukasik / Medusa Group aus Gliwice eine aufgeständerte Baracke für 64 000 Franken mit einer angeschobenen Treppenkonstruktion neu erschlossen und für eine Nutzung als Kulturzentrum, Bar und Freizeitraum total saniert. Eine ähnliche Baumassnahme realisierten Index Architekten aus Frankfurt im Main-Osthafen für 1,35 Millionen Franken. Sie setzten ein zweigeschossiges, auskragendes Kultur- und Freizeithaus auf einen ehemaligen Bunker und erschlossen den «Hochbau» mit einer angeschobenen Metalltreppe, die formschön, praktisch und nutzungsgerecht wirkt. Isa Sturm und Urs Wolf aus Zürich werden gemäss Ausstellungs-Leporello bis Ende 2008 in St. Gallen für rund 13,2 Millionen Franken die 1911 vollendete Lokremise von Karl Moser mit drei Raum- Einbauten zu einem der Freizeitnutzung dienenden «Kulturaggregat» umgestalten. Ihr minimalistisches und materialrohes Raumkonzept entstand nach einer intensiven Befragung von künftigen Nutzern, die über Lautsprecher zu hören ist.

Karger und luxuriöser Minimalismus

Aufschlussreich ist die Ausstellung durch die Öffnung des Blicks auf insgesamt sechs Länder Europas. Denn die Ästhetik des Elementaren, der Begriff des Minimalen oder die Situation des Mangels durchläuft bei Projekten, die maximal 1500 Kilometer auseinanderliegen, verschiedene nationale Wirtschaftsräume mit beträchtlichem Einkommensgefälle. Was die Schau im Kern zeigen will, funktioniert bei Beispielen aus Polen oder allenfalls noch bei solchen aus Liverpool und Berlin. Beim Priesterheim in Südspanien oder beim Lokremisen-Kulturprojekt in der Ostschweiz stösst diese Art des architektonischen Minimalismus an ihre Grenzen. Baukosten von 13 Millionen Franken für eine minimalistische Intervention müssen Menschen in Osteuropa wohl als seltsamen Luxus empfinden.

[ Bis 27. Mai. Zur Ausstellung ist ein Plakat-Leporello mit allen Projekten und den wichtigsten Daten erschienen. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2007.04.04

28. März 2007Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Ménage-à-trois

Das Designerpaar Charles und Ray Eames lebte und arbeitete 38 Jahre zusammen. Seine Kreationen werden seit 50 Jahren von Vitra produziert. Eine Ausstellung in Zaha Hadids Feuerwehrhaus in Weil am Rhein beleuchtet nun diese aussergewöhnliche Ménage-à-trois.

Das Designerpaar Charles und Ray Eames lebte und arbeitete 38 Jahre zusammen. Seine Kreationen werden seit 50 Jahren von Vitra produziert. Eine Ausstellung in Zaha Hadids Feuerwehrhaus in Weil am Rhein beleuchtet nun diese aussergewöhnliche Ménage-à-trois.

Im Feuerwehrhaus von Zaha Hadid trifft man derzeit auf eine zeltartige Konstruktion. Dieser «Kiosk», wie ihn seine Entwerfer Charles und Ray Eames nannten, entstand für die Produktpräsentation der Firma IBM auf der Weltausstellung 1964 in New York. Er steht auf feingliedrigen Holzpfosten, hat ein kreisförmiges, textiles Dach und zeigt Einflüsse von Jahrmarkt-Buden des 19. Jahrhunderts. Mehrere dieser Kioske hatten die Eameses auf der Weltausstellung am Hudson unter einen grossen synthetischen Raumkörper gestellt, der auch ein Auditorium enthielt. In diesem «Riesen-Ei» präsentierte der Büromaschinen- und Computerproduzent IBM mit Filmen und Bildern seine Vision der digitalen Zukunft. In der Ausstellung «Die Möbel von Charles & Ray Eames - Produkte, Prozesse, Prototypen» im Vitra-Feuerwehrhaus in Weil am Rhein erinnert ausserdem ein Video an diese Geburtsstunde der elektronischen Kommunikation. Darum herum wird das Werk der Eameses gezeigt, deren kreative Lebensgemeinschaft das Zusammenspiel von «Kunst und Leben» in exemplarischer Weise veranschaulicht.

Eames-Jubiläum

Die Schau in Weil am Rhein hat zwei Anlässe. Am 17. Juni könnte der 1907 in St. Louis, Missouri, geborene Charles Eames seinen 100. Geburtstag feiern. Gleichzeitig blickt die Firma Vitra, deren Gründer Willi Fehlbaum 1957 mit der Produktion von Stühlen und Sesseln des Designer- und Architektenpaares in Europa begann, auf 50 Jahre Eames-Vermittlung zurück. Valérie Braidi-Ketter hat als verantwortliche Kuratorin der Ausstellung den zweiteiligen Grundriss von Hadids Feuerwehrhaus für das Konzept dieser Schau aufgenommen. Im Osten des verglasten Hauses werden alle heute von Vitra produzierten Eames-Produkte und der dreidimensionale Nachlass der Eameses gezeigt. Im westlichen Teil, wo früher die Garderoben und Aufenthaltsräume der Feuerwehrleute waren, visualisiert man ausschnitthaft das gestalterische Universum des aussergewöhnlichen Paares, welches Möbel entwarf, auf dem Gebiet der Grafik und des Films («Powers of ten», 1968) tätig war, nützliche Raumskulpturen («Musical Tower», um 1960) konzipierte und immer wieder Kinderspielzeug (mit dem Elefanten im Zentrum) schuf. Nachdem die als Bernice Alexandra Kaiser in Sacramento geborene und bei Hans Hofmann in New York zur Malerin ausgebildete Ray Eames 1988 - zehn Jahre nach ihrem Mann Charles - gestorben war, erwarb Rolf Fehlbaum den räumlichen Eames-Nachlass (der schriftliche Teil ging an die Library of Congress in Washington). Dieser Ankauf löste Planungen des in Venice lebenden Architekten Frank O. Gehry für das Vitra-Werkgelände in Weil am Rhein aus, die 1989 zum ersten Gehry-Bau in Europa führten: dem Vitra Design Museum.

Mit gewinnender politischer Unkorrektheit sprach Rolf Fehlbaum bei der Ausstellungseröffnung von der kreativen Recherche der Eameses als ästhetischem Darwinismus im Sinne eines «survival of the fittest». Man kennt Fehlbaum als Design-Unternehmer und engagierten Bauherrn. Aber der Vitra-Chairman, der mit einer Arbeit über den Frühsozialisten Henri de Saint-Simon (der den Begriff «Avantgarde» in die westliche Geistesgeschichte einführte) an der Universität Basel promoviert wurde, verbindet sein Marketing mit profunder Kenntnis der modernen Soziologie, ihren humanen Inhalten und deren Umsetzung in Gestaltung und Produktion. Die Ausstellung zeigt sowohl den Prozess der Formentwicklung als auch den ebenso prozesshaften Weg des Prototyps zur seriellen Produktion.

Immer wieder und über Jahre hinweg optimierte der autodidaktische Entwerfer, Konstrukteur und Architekt Charles Eames die Details für die industrielle Fertigung seiner Prototypen. Der visuelle Vergleich der Entwicklungsmodelle mit den verkaufsfertigen Produkten in der Ausstellung macht anschaulich, wie vereinfachte technische Lösungen die Form im Sinne der Nutzung und des Komforts positiv beeinflussten. Parallel dazu konnte die industrielle Produktion einfacher, linearer, materialgerechter und schöner werden. Erwartungsgemäss stehen mit dem «Lounge Chair», der «Ottomane» (produziert ab 1957) und dem «Alu Chair» (produziert ab 1959) die grossen Eames-Entwürfe in allen Varianten und Farben im Zentrum der Schau, obwohl Hierarchien bewusst vermieden werden und die chronologische Didaktik der Ausstellung nie aufdringlich wirkt.

Im Hinblick auf das Eames-Jubiläum ging der «La Fonda Chair» von 1961 neu in Produktion. Dieser wird nun selbstverständlich auch in der Schau gezeigt. Mit einer Neu-Edition des in den Grössen- und Auflagen-Varianten von Möbel und Kleinskulptur hergestellten «Plywood Elephant» (1945) wird an die Kinderliebe von Charles und Ray Eames erinnert. Ab 1941 lebten die Eameses in Südkalifornien. In Pacific Palisades bauten sie 1949 für sich und ihren Nachwuchs inmitten von Eukalyptusbäumen ein zauberhaftes Zuhause. Es entstand ein Gebäude von elementarer Materialität aus einfachen (und kostengünstigen) industriellen Bauprodukten. Der Bau am Pazifik, der heute zu den Meilensteinen der modernen Architekturgeschichte zählt, ist in der Ausstellung im Modell 1:50 zu sehen.

Kreative Zusammenarbeit

Es ist der «Trial and Error»-Prozess im Zusammenwirken mit der modernen Materialentwicklung, der sowohl der Eames-Produktion als auch der Ausstellung das Gerüst und die Spannung gibt. Die kreative Zusammenarbeit belegt ab 1940 mit Prototypen, die zunächst aus Holz, dann aus Draht, Stahlrohr, Synthetik- und Aluminiumguss gefertigt wurden, neben der Design- auch ein Stück Technikgeschichte. All dies sieht man den Produkten nicht an, wenn sie heute an den besten Geschäftslagen präsentiert werden. In Hadids Feuerwehrhaus kann man nun aber den Blick in eine Werkstatt werfen, über der Karl Valentins Bonmot «Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit» leitmotivisch zu schweben scheint.

[ Die Ausstellung in Zaha Hadids Feuerwehrhaus auf dem geschlossenen Vitra-Werkgelände in Weil am Rhein ist bis zum 26. August im Rahmen von Führungen täglich um 11 und 16 Uhr zugänglich. Die Begleitpublikation erscheint im Mai (Euro 39.90). ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2007.03.28

17. Februar 2007Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Design fürs Leben

Der Traum vom schönen Wohnen prägte das 20. Jahrhundert. Unter dem Titel «Die Zerstörung der Gemütlichkeit?» zeigt nun das Vitra Design Museum in Weil am Rhein die Entwicklung von Wohn- visionen am Beispiel von sechzehn legendären Wohn- und Design-Ausstellungen.

Der Traum vom schönen Wohnen prägte das 20. Jahrhundert. Unter dem Titel «Die Zerstörung der Gemütlichkeit?» zeigt nun das Vitra Design Museum in Weil am Rhein die Entwicklung von Wohn- visionen am Beispiel von sechzehn legendären Wohn- und Design-Ausstellungen.

Im Jahre 1895 wurde in Leipzig erstmals eine Mustermesse durchgeführt - ein neuer Messetyp, den die boomende Industrie des späten 19. Jahrhunderts zur Warenschau ihrer Produktepalette benötigte und der 1917 mit der Mustermesse Basel auch in der Schweiz Einzug hielt. Die Wirtschaft interessierte sich für Ästhetik, und beide waren Teil der lebensreformerischen Bewegung um 1900 und ihres pädagogischen Impulses: der Veränderung des menschlichen Bewusstseins durch das Phänomen des Bauens und Wohnens. Der «industrialisierte» Mensch sollte durch seine im Alltag gebrauchten Textilien, seine Möbel, sein Besteck, Geschirr und Glas oder seine Lichtkörper zu einem gewandelten, bewussteren und gesünderen Umgang mit sich selbst und seiner sozialen Umwelt erzogen werden. Die Kunst sollte von nun an ins Leben kommen.

Inszenierte Wohnfragmente

Als man 1901 in Darmstadt unter dem Titel «Ein Dokument deutscher Kunst» die heute legendäre Mathildenhöhe eröffnete, gab es das Medium Radio noch nicht, das Telefon war noch eine Rarität, und in den Städten war die Elektrifizierung der Strassenbeleuchtung im Gang. Aber schon damals wurden industriell, halbindustriell oder noch immer handwerklich produzierte Alltags- und Haushaltgegenstände unter dem Dach der Architektur vereint und wurde nach einem ästhetischen Nenner gesucht. Die Architekten Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens hatten dort neun elegante Einfamilienhäuser gebaut, dazu ein grosses Gemeinschaftshaus mit Turm, Künstlerhaus genannt, und andere Baulichkeiten mehr. Den Stil benannte man nach der in München erscheinenden Zeitschrift «Die Jugend». Und der «Jugendstil» in Architektur und in sogenannt formschön gestalteten Industrieprodukten (welche man später als «Design» bezeichnen sollte) wurde bis zur ersten grossen Katastrophe des 20. Jahrhunderts, dem Ersten Weltkrieg, in Darmstadt und Wien, in St. Petersburg und Brüssel, in Paris, Nancy und Edinburg, in Budapest, Prag und Helsinki, aber auch in St. Gallen, Zürich, Bern und Basel, in Genf, La Chaux-de-Fonds und Lausanne zum Dernier Cri.

Die visuelle Geschichte dieser Entwicklung von industrieller Formgebung und Mode am Beispiel des Sitzmöbels und der Lampe erzählt nun eine Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Unter dem Titel «Die Zerstörung der Gemütlichkeit?» hat man aus der beträchtlichen Zahl von Wohn- und Design-Ausstellungen im 20. Jahrhundert sechzehn ausgewählt, die zwischen 1901 und 1993 in Westeuropa und Nordamerika zu sehen waren. Im Museumsbau von Frank Gehry hat Jochen Eisenbrand nicht die Ereignisse rekonstruiert, sondern Fragmente inszeniert: Zu sehen sind historische Fotos und Dokumente, Kunstobjekte und - die Ausstellung dominierend - Stühle, Liegen, Sessel und Lampen aus der hauseigenen Sammlung. Ergänzt werden sie um bedeutende Leihgaben wie den Speisezimmerstuhl aus Peter Behrens' Haus auf der Mathildenhöhe (1900/01). Die Reise durch neun Jahrzehnte führt von Darmstadt nach Wien, Stuttgart, Paris und New York, nach Detroit, Basel («Die gute Form», 1949) und Chicago, nach Leverkusen, nach Mailand, Düsseldorf, Frankfurt am Main und nach Berlin. Etwa die Hälfte der gezeigten Ausstellungen zum vorbildlichen Wohnen fand bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, der Rest seither statt.

Die vier Säle des Design-Museums wurden von Gehry einst zwar eigens für die Vitra-Stuhl- Sammlung konzipiert. Doch sie zeigen auch bei dieser Schau ihre Qualitäten. Auf einer rhythmischen Ausstellungsarchitektur aus Boden- und Wandpodesten, auf vertikal oder treppenförmig gereihten Konsolen, die wie Minimal-Plastiken von Donald Judd den Präsentationsraum bis in oberste Zonen der expressiven Architektur erweitern, sind die Stühle, Sessel, Wandmöbel und Kunstobjekte von Peter Behrens, Josef Hoffmann, Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe, von Verner Panton, Joe Colombo, Ettore Sottsass und Florence Knoll, von Charles Eames, Eero Saarinen, Alvar Aalto und Jasper Morrison, von Philippe Starck, Ron Arad und Cesare Casati in Form eines anarchisch wirkenden, aber sorgfältig komponierten Setzkastens auf die Wände und Böden verteilt. In Zwischenzonen gibt es kleinere räumliche Arrangements mit Tischen und Lampen wie den kaum bekannten Leuchten von Adolf Meyer und Poul Henningsen, die 1927 in Stuttgart bei der Eröffnung der Weissenhofsiedlung in der Ausstellung «Die Wohnung» gezeigt wurden. Die elektronische Welt hatte in den späten sechziger Jahren mit den anlässlich der Kölner Möbelmesse auf einem umgebauten Schiff veranstalteten «Visiona»-Ausstellungen (1968 bis 1970) ihren Auftritt in der Design-Vermittlung. Und entsprechend den damaligen - von der Pop- Art inspirierten - Wohnlandschaften kann man sich dazu in Weil am Rhein Filmclips im Liegen auf hängenden Monitoren anschauen.

Kunst und Alltag

Vier wichtige Ausstellungen aus neuerer Zeit - «Italy, The New Domestic Landscape» (1972 im MoMa in New York), «Gefühlscollagen: Wohnen von Sinnen» (1986 im Kunstmuseum Düsseldorf), «Some New Items for the Home» (1988 in der DAAD-Galerie in Berlin) und «Droog Design» (1993 auf der Möbelmesse Mailand) - bilden den chronologischen Abschluss der Weiler Schau. Die Sitz- und Wohngeräte aus Kunststoff, Metall, Holz und Beton wirken verspielt, streng und provokant. Das Ziel ihrer anthropologischen Nutzung umkreisen sie zwischen völliger Loslösung und fokussierter Annäherung. Dazu passt das zum Auftakt der Ausstellung am Museumseingang gezeigte Dokumentationsvideo «Kleine Ereignisse» von Roman Signer: Auf einer sattgrünen Bergwiese in Zuoz im Oberengadin hatte der Appenzeller Explosionsvirtuose 1996 alte Polstermöbel als Kinobestuhlung arrangiert und den Zuschauern des Happenings lärmschützende Helme verpasst. Ausstellungsbesucher aus Beirut oder Bagdad könnten Signers Kunst für eine CNN-Übertragung aus ihrer gegenwärtigen Lebenswelt halten. - So hatten sich die Lebensreformer um das Jahr 1900 die Verbindung von Kunst und Leben nicht vorgestellt.

[ Bis 28. Mai im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Die Begleitbroschüre kostet Euro 4.50. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2007.02.17

06. Februar 2007Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Swiss made

Ende letzten Jahres übernahm die Ausstellungsmacherin Francesca Ferguson die Leitung des Schweizerischen Architekturmuseums Basel. Nun versucht das Haus erst einmal mit einem Diskussionsmarathon Besucher anzulocken.

Ende letzten Jahres übernahm die Ausstellungsmacherin Francesca Ferguson die Leitung des Schweizerischen Architekturmuseums Basel. Nun versucht das Haus erst einmal mit einem Diskussionsmarathon Besucher anzulocken.

«Free Zone» nennt Francesca Ferguson, die neue Direktorin des Schweizerischen Architekturmuseums (SAM), ihr erstes in Basel realisiertes Projekt. Diese «Freizone», die 25 Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmenden umfasst, stellt mit Podiumsdiskussionen und Performances während eines Monats eine Art Open House dar. Architekten, Journalisten, Ausstellungsmacher und Architekturlehrer aus der Schweiz, aus Deutschland, Italien, den Niederlanden, Dänemark und Portugal diskutieren in diesen Wochen vor zahlendem Publikum ein breites Themenspektrum. Ferguson hat dazu im hintersten Saal eine «Reading Zone» mit einer opulenten Auswahl von Architektur- und Designzeitschriften eingerichtet und erstmals den grossen Saal mit den von Peter Märkli beim Umbau neu angebrachten Faltläden ganz geschlossen. Der nun fensterlose Raum hat als Versammlungssaal zum Auftakt des Veranstaltungsreigens überzeugend bestanden.

Globalisierer und Stadtreparierer

Beim Eröffnungsabend «Szene Basel», der zusammen mit «Architektur-Dialoge Basel» bestritten wurde, sprach Carl Fingerhuth über die Situation in Basel zu Beginn seiner Tätigkeit als Stadtbaumeister vor dreissig Jahren. Der heutige Hochschuldozent tat dies mit der Klarheit eines Historikers und skizzierte - wohl unbewusst - gleichsam die gegenwärtigen Zustände. Auf der einen Seite standen damals, laut Fingerhuth, die unbeirrbaren Modernisten, die auf den Trümmern von 1945 das Nachkriegseuropa errichtet hatten. Sie stellten die Zukunft über alles, verachteten die historisch gewachsene Stadt und setzten das Prinzip «Stadt» rücksichtslos gegen das Prinzip «Landschaft». Auf der anderen Seite waren die «Rossianer», die ausgehend von Aldo Rossis Buch «L'architettura della città» (1966) die Geschichte der Stadt ins kollektive Bewusstsein zurückbringen wollten. Zentral sei ihnen der Begriff des Ortes (der Handlung, der Planung, der Konstruktion) gewesen, der eine nahezu magische Aura bekommen habe.

Damit setzte Fingerhut die inhaltlichen Koordinaten, zwischen denen sich «Free Zone» bisher abspielte und weiter abspielen dürfte. Denn im Rausch der Gegenwart haben die Fraktionen nur das verbale Kostüm gewechselt. Aus den Modernisten sind die Globalisierer, aus den Rossianern die Stadtreparierer geworden. Die Internationalität, die vor hundert Jahren mit Begriffen wie Freiheit, Solidarität, Kollektivität und Gesundheit, mit sozialem Wohnungsbau, menschenwürdigem Wohnen, Freizeit und Bildung verbunden war, ersetzt das 21. Jahrhundert durch die Worte Kommunikation, Vernetzung, Lifestyle und Urbanität, durch metropolitanen Drang und das omnipräsente Präfix Mega. Naturgemäss spiegelt der Begriffswandel nur die neue gesellschaftliche Situation der Baukultur. Dabei operieren die Globalisierer wie einst die Modernisierer mit diffusen Zukunfts- und Planbarkeitsbegriffen und streben eine Homogenisierbarkeit menschlicher Gesellschaften an - mit Folgen für das kollektive Gesamtkunstwerk der Stadt.

Dieses Konfliktpotenzial wurde schon am zweiten Abend von «Free Zone» greifbar, der unter dem Titel «08/15 Städtebau - Diskussion zur Stadt der Gegenwart» ein hochkarätiges Podium von Dozenten der ETH-Zürich und der TU-Karlsruhe versammelte. Unter der Leitung des Wirtschafts- und Sozialhistorikers Angelus Eisinger atmete das Statement des Soziologen Christian Schmid (der für die Städtebaustudie des ETH-Studios Basel von 2005 den Text verfasste) zwischen Uno-Statistik und dem proklamierten «Recht auf Stadt» die Unbekümmertheit einer frühmorgendlichen Radiomoderation. Und Alex Wall, Dozent an der Technischen Universität Karlsruhe, unterstrich seine Political Correctness bei der Betrachtung des Phänomens Auto und gab sich dabei als Spezialist für den Bau von Parkhäusern zu erkennen. Marc Angélil und Kees Christiaanse, Architekten und ETH-Dozenten, versuchten sympathisch - und keinesfalls ungeschickt - beiden Positionen gerecht zu werden. Und Vittorio Magnago Lampugnani, der für die «gewöhnliche Stadt» plädierte und das globalisierte Wortgeklimper mit stoischer Ruhe über sich ergehen liess, scheint die Praxis recht zu geben. Denn als wissenschaftlicher Berater der Internationalen Bauausstellung Berlin (1980-84) hatte er sich einst für die kritische Rekonstruktion der Stadt eingesetzt. Ein Konzept, das Hans Stimmann nach dem Fall der Mauer als Senatsbaudirektor vertieft weiterführte.

Ausgesprochen lustvoll wurde dann der «Heimatabend». Roderick Hönig, Redaktor der Zeitschrift «Hochparterre», präsentierte eine Bilderschau mit 80 Dias, die Schweizer Bauwerke aus den letzten zwei Jahrtausenden (vom Amphitheater in Avenches über die Kathedrale in Lausanne, das Goetheanum in Dornach, das Kirchner- Museum in Davos und die Kapelle Sogn Benedetg bei Disentis bis hin zur Bahnhofspasserelle in Basel) zeigten. Daraus mussten die Podiumsteilnehmer ihr Bild der «Heimat» auswählen. Sandra Giraudi (Lugano) und Andrea Bassi (Genf) begründeten daraufhin ihre Wahl des Gotthard-Südportals von Rino Tami, Patrick Gartmann (Chur) jene des Landwasserviadukts im Albulatal von Müller & Zeerleder und Pius Tschumi (Zürich) jene der Autobahntankstelle bei Burgdorf von Heinz Isler vor dem Publikum sachlich und auch ein wenig sentimental, aber bar jeder Provinzialität. Hier wurde der Architekturdiskurs ethisch und im besten Sinne bodenständig.

Bunte Grellheit

Ein inhaltliches Konzept Francesca Fergusons ist bei der bunten Grellheit von «Free Zone» nicht zu erkennen. Aber in den Bereichen Animation, Integration und diskursive Vielfalt kann die zuvor in Berlin als Initiatorin von «Urban Drift» tätige Engländerin in Basel bereits eine erfreuliche Tatkraft vorweisen. Und ihr Bemühen um internationale Zusammenarbeit soll im Spätherbst mit einer Ausstellung über den portugiesischen Architekten Pancho Guedes greifbar werden, die in Zusammenarbeit mit der Fundaçao Serralves in Porto entsteht und dort anschliessend gezeigt wird. Doch zuvor werden die Ausstellungen «Unaufgeräumt / As Found» (17. März bis 17. Mai) und «Instant Urbanism» (10. Juni bis 16. September) über die Bühne gehen. Fergusons unbeschwerter Aufbruchsgeist dürfte aber spätestens dann auf dem Prüfstand stehen, wenn es um die Finanzen geht. Bleibt zu hoffen, dass das immer noch mit privaten, durch Gönner und Mitglieder aufgebrachten Mitteln finanzierte Haus in Zukunft auch auf die öffentliche Hand zählen kann.

[ «Free Zone / Freizone» dauert noch bis zum 24. Februar. Unter www.sam-basel.org findet man das kommentierte Programm. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2007.02.06

10. Oktober 2006Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Gegensätzliches in Harmonie

Auf dem Novartis-Campus in Basel realisieren führende Architekten wichtige Neubauten. Nun werden die neusten Gebäude von Sanaa und Peter Märkli in einer Basler Ausstellung präsentiert.

Auf dem Novartis-Campus in Basel realisieren führende Architekten wichtige Neubauten. Nun werden die neusten Gebäude von Sanaa und Peter Märkli in einer Basler Ausstellung präsentiert.

Der Eingangsbereich des Novartis-Campus in Basel ist nahezu fertiggestellt. Im vergangenen Jahr bezog man mit dem «Forum 3» von Diener & Diener das erste Haus der neuen Firmenstadt. Auf derselben Gebäudeachse (mit gleicher Höhe und Tiefe) wird gerade ein Verwaltungshaus des Tokioter Architekturbüros Sanaa von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa vollendet. Parallel zum Sanaa-Bau und zeitgleich mit diesem entstand an der Fabrikstrasse das «Visitors Center» des Zürcher Architekten Peter Märkli. Die Fabrikstrasse beginnt an der Voltastrasse (und der neuen Stadtautobahn), führt zwischen den Bauten von Sanaa und Diener & Diener, die eine Art Portal bilden, hindurch, quert als wichtigste Erschliessungsachse den gesamten Campus und endet an der Grenze zu Frankreich mit einer grossen Stahlplastik von Richard Serra. Vor der nahezu 170 Meter breiten Glasfront, welche die beiden Häuser von Diener & Diener und Sanaa gemeinsam aufspannen, sollen bis zum kommenden Spätsommer noch ein Eingangspavillon und ein von Vogt Landschaftsarchitekten gestalteter Park über der neuen Tiefgarage entstehen. Dieses halböffentliche Areal verlängert den öffentlichen Grünraum der Voltamatte nach Nordosten und wird, wenn die bisherigen Silobauten am Hafen St. Johann einst abgerissen sind, bis zum Rhein reichen.
Präsentation im Architekturmuseum

So weit ist es noch nicht. Aber mit den Bauten von Märkli und Sanaa beginnt der Masterplan des Zürcher ETH-Professors Vittorio Magnago Lampugnani Gestalt anzunehmen. Das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel nutzt die Fertigstellung der Bauten von Märkli und Sanaa zu einer Ausstellung. Mit grossen Modellen des Masterplans (1:500), der Situation der beiden Neubauten (je 1:250) und der Raumskulptur des Sanaa-Hauses (1:50) werden Volumetrien und Räume anschaulich gemacht. In Vitrinen präsentiert man Märklis Entwurfsskizzen und - mit Stein, Holz oder dem Metallprofil der Fassade - die hauptsächlichen Materialien seines Hauses. Ferner ist ein Aluminium-Sandguss zu sehen. Er veranschaulicht die piranesische Geländerkonstruktion, die in allen Stockwerken von Märklis Neubau skulpturale Akzente setzt. Weiter sind Beispiele der Gebäudebeschriftungen des Trios Natalie Bringolf, Kristin Irion und Irene Vögeli in Aluminium, Palladium und Blattgold ausgestellt. In der Totale wird das Haus mit Fotografien von Paolo Rosseli visualisiert, die man auch in der Begleitpublikation findet.

Vom Neubau des Büros Sanaa, der in diesen Wochen fertiggestellt wird (eine Baumonographie ist in Vorbereitung), werden neben dem Modell auch Pläne sowie erste fotografische Bilder von Walter Niedermayr präsentiert, die das gläserne Bauwerk zwar als Baustelle, aber bereits mit der linearen Transparenz seiner Fassaden und der Lichthaltigkeit seiner Innenräume zeigen.
Kunstvolle Präzision

Das Haus von Peter Märkli ist - je nach Standpunkt - eine Zumutung und ein Brillant. Es ist bald üppig und kostbar, bald opulent, banal oder von verschwenderischem Geiz. Von aussen wirkt es zunächst wie der Dutzendbau eines Verwaltungssitzes. Im Innern wähnt man sich zunächst in einem venezianischen Palazzo, dann in einer Bündner Arvenstube. Dazwischen ahnt man die Kasino-Atmosphäre von Las Vegas. Märkli veranstaltet eine Material-Travestie mit der artistischen Präzision eines Hochseilaktes, die Überraschung und Wohlgefühl auslöst, die virtuos spielt, scheinbar Unvereinbares kombiniert und eine Harmonie des Gegensätzlichen erzeugt. Stadt und Land, Salon und Bauernstube, Barock und Futurismus, Intimität und Weite, Distanz und Nähe scheinen sich in Märklis Raum- und Materialkontinuum zu vereinen. Über dem in makellos weissem Carraramarmor und der kühlen Eleganz eines Palast-Entrées gehaltenen Parterre erheben sich fünf Geschosse um einen Lichthof. Alle Decken sind aus furnierter Eibe, die so geschnitten, geschliffen und kassettiert ist, dass jede Rustikalität verlorengeht und sich die Wirkung von Ebenholz oder Mahagoni einstellt. Gleiches gilt für das Auditorium des Untergeschosses mit seinen 124 Eames-Lobby-Chairs.

In den Obergeschossen kommt zur Holzdecke ein Wandtäfer an den zwei Erschliessungskernen. Auf dem Boden der sonst völlig verglasten Büroebenen liegt ein tiefblauer Teppichboden. Die Brüstungen zum Lichthof und die Marmortreppen sind mit Geländerstützen aus porösem Aluminiumguss und einem Handlauf mit Olivenholzfurnier versehen. Die kleinteilige Maserung der Eibe und das gestische Linienspiel des geschnittenen Olivenholzes geben der sachlich-coolen Ambiance einen expressiven Charakter, dem die grob wirkende Oberfläche des Aluminiumgusses das Flair einer Edelbaustelle hinzufügt.

Hier spürt man auch das Las-Vegas-Feeling des neuen Visitors Center. Märkli schöpft ohne Berührungsängste aus dem Material- und Formenfundus, den Bauindustrie und Architekturgeschichte bieten. Damit pflegt er einen Manierismus, den die Moderne als Todsünde stigmatisierte. Wenn man diesen Material- und Formenmix nach ausschliesslich funktional-ökonomischen Kriterien in die Dreidimensionalität überführt, entsteht Kitsch. Wenn man ihn aber so planerisch exakt und mit virtuoser Handwerklichkeit einsetzt wie Märkli, wird er Kunst. So muss man schliesslich auch die Fassade lesen, die mit 22 Metern Höhe und 5700 Quadratmetern Fläche zunächst einen simplen Verwaltungsbau vermuten lässt. Doch die champagnerfarbene Haut der vorfabrizierten Aluminiumteile ordnet sich präzise dem architektonischen Entwurf unter.
Transparenz

Der Neubau von Sanaa ist nur durch die Lage und die Gemeinsamkeiten in Höhe und Nutzung mit Märklis Gebäude vergleichbar. Hier geht es nicht um die Repräsentation eines weltweit tätigen Unternehmens, sondern um die Transparenz, Helligkeit und Freundlichkeit eines Bürohauses. Die Architekten aus Tokio haben den 80 Meter langen und 20 Meter tiefen Baukörper, der über sechs Geschosse in 22 Meter Höhe führt, mit einem Lichthof ausgehöhlt. Alle Aussenwände sind aus Glas, die Geschossdecken so dünn, dass sie von aussen kaum sichtbar sind und ein durchgehendes Raumkontinuum suggerieren. Treppen und Geländer sind weiss lackierte, einfache Metallkonstruktionen, die an ein Schiffsdeck erinnern. Jeder Gang in den Geschossen ist mit dem Blick zum Aussenraum verbunden. In wenigen Wochen soll der Lichthof des Sanaa-Baues zu einem von Vogt Landschaftsarchitekten konzipierten bepflanzten Wasserbecken werden.

Und am Haupteingang haben Sanaa jene sechs Meter hohe Fussgängerarkade geschaffen, die Lampugnanis Masterplan vorschreibt und die, durch eine Gasse getrennt, nahtlos in jene des Visitors Center von Peter Märkli übergeht. Und Märklis Arkade hat auf der Strassenseite ein monumentales Schrift-Display von Jenny Holzer. Wenn man will, erinnert auch dessen pausenlos laufende Botschaft an Las Vegas.

[ Ausstellung im SAM bis 26. November. Begleitpublikation: Novartis-Campus. Peter Märkli. Hrsg. Ulrike Jehle. Christoph- Merian-Verlag, Basel 2006. 79 S., Fr. 49.-. Zum Neubau von Sanaa ist eine Monographie in Vorbereitung. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2006.10.10



verknüpfte Bauwerke
Bürogebäude und Besucherzentum WSJ-157
Bürogebäude WSJ-158

03. Juli 2006Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Künstler und Pädagoge

Christian Kerez im Schweizerischen Architekturmuseum Basel

Christian Kerez im Schweizerischen Architekturmuseum Basel

Spätestens seit der grossen Ausstellung, mit welcher Herzog & de Meuron das von ihnen erbaute Münchensteiner Schaulager im Jahr 2004 eröffneten, scheint die Zunft der Architekten Gefallen an der Inszenierung ihrer Kreativität zu finden. Jedes Styroporklötzchen wird mittlerweile von den Baukünstlern in fast schon beängstigender Vollständigkeit ausgebreitet. Auch der Architekt und Architekturfotograf Christian Kerez versucht in einer Ausstellung des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel seine Kreativität zu inszenieren. Er tut dies nicht mit der grossen Geste, sondern mit ruhiger, sachlicher, beharrlicher und erfrischender Präzision. Aber wie Jacques Herzog hat auch er einen Hang zur Pädagogik. Im Eingangssaal wird auf einem Riesentisch das gestalterische Laboratorium von Kerez mittels Modellen ausgebreitet - ähnlich wie unlängst bei seiner Schau in Lausanne.

Der Tisch ist so gross und raumgreifend, dass nur ein schmaler Gang in die weiteren Ausstellungsräume bleibt. Merke: Nur über die Mühsal des Probierens, der Unzufriedenheit, der Wiederholung, der Verdichtung und des handwerklichen Fleisses entsteht die Form. Und da Kerez nicht allein auf das computergestützte Entwerfen vertraut, wird dieser Weg in Plastiken aus Metall, Karton, Styropor, Plexiglas oder Gips auch anschaulich. Die pädagogische Übung zeigt, wie bei Kerez Raumerkundung und Raumfindung deshalb einen skulpturalen Charakter haben, weil jeder Schritt zwischen Miniatur und Grossform in sich vollendet ist. Dies im Gegensatz zu Computer-Entwürfen, wo dieser Prozess auf flache und jederzeit manipulierbare Perspektivansichten reduziert wird.

Christian Kerez, der 1962 geboren und an der ETH zum Architekten ausgebildet wurde, gründete 1994 sein Büro in Zürich, machte sich aber auch als Architekturfotograf einen Namen. Als Mitarbeiter von Rudolf Fontana (Domat/Ems) nahm man ihn bei der Kapelle in Oberrealta (1994) erstmals als Baumeister wahr. Mit zwei Werken in Zürich (Mehrfamilienhaus Forsterstrasse, 2002/03) und im sankt-gallischen Eschenbach (Schulhaus, 1999-2002) wurde er schlagartig bekannt. Die Ausstellung in Basel zeigt - neben den Modellen - das Haus in Zürich in einer (als eine Art Katalog-Ersatz produzierten) Postkartenserie sowie ein 1:10-Styropormodell des mit einem Architekturpreis geehrten und mit Artikeln überhäuften Erstlings. Daneben finden sich grosse Modelle für Architekturen, die gerade im Bau sind: ein Schulhaus in Zürich Leutschenbach und ein Zweifamilienhaus in Witikon.

Das Modell des Hauses Forsterstrasse, auf seine nackte Struktur reduziert, hat etwas ähnlich Profan-Unheimliches wie die Polyurethan-Plastik «Casa metafisica e di speculazione» (1984/85) von Fischli/Weiss, und mit ihrer Leere wirken beide austauschbar. Bei dieser Anlehnung an die Plastik der Gegenwartskunst achtet Kerez streng auf euklidische Geometrien. Das statische Konstruktionsprinzip, welches in der filigranen Metallstruktur des Schulhauses Leutschenbach sichtbar wird, lässt an die konstruktive Plastik der zwanziger Jahre denken. Jedoch weist es über das reine Kunstprodukt hinaus, da das Tragwerk zum Prinzip der Plastik wird. Beim Schulhaus in Leutschenbach mit der originellen Turnhalle im obersten Geschoss finden sich konstruktive Parallelen zum Sportzentrum Pfaffenholz in St. Louis (1995) von Herzog & de Meuron oder zur doppelstöckigen «Brücke der Nordtangente» von Steib & Steib in Basel (2005). Das Modell des neuen Hauses in Witikon ist aus MDF-Platten geschreinert und hat einen Beton-Feinguss als Aufsatz. Allein der Holzsockel unterstreicht Anspruch und Wirkung dieser Raumplastik, die man sich ebenso gut in der angrenzenden Kunsthalle ausgestellt denken könnte.

Kerez hat beide Plastiken auf entgegenlaufenden Achsen des grossen Museumssaales placiert und ihnen statt musealer Ruhe (was durchaus möglich gewesen wäre) eine sanfte Enge aufgezwungen. Ein neues Modell und Pläne eines unrealisierten Wettbewerbsprojektes in Zürich (Berufsschule Salzmagazin, 1997) runden die Ausstellung ab. Von kleinen Fotografien auf den Tischvitrinen abgesehen, hält Kerez seine Werkpräsentation auf konsequent entwerferischem Niveau. Ein paar jener farbigen Postkarten, die man dem Besucher nun zum Kauf im Kartonschuber anbietet, hätten der Ausstellung als grossformatige Bilder gut getan. Als strenger Lehrer verfolgt Christian Kerez die Nüchternheit bis zum Nullpunkt. Dort, wo die Ausstellung pädagogisch wirkt, hat sie einen Zug zur Bevormundung. Dort, wo sie Kunstwerke zeigt, ist sie eindrücklich.

[ Bis 20. August. Zur Ausstellung liegen eine 13-teilige Postkartenserie (Fr. 18.-) sowie die Lausanner Broschüre «Les Echelles de la Réalité. L'Architecture de Christian Kerez» (Fr. 21.-) vor. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2006.07.03

15. September 2005Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Bewegung und Tanz

Den geplanten Neubau des Basler Stadtkasinos nach Plänen von Zaha Hadid nimmt das Architekturmuseum Basel zum Anlass für die Präsentation der bisher umfangreichsten Schau der Architektin in der Schweiz. Neben dem Projekt für den Barfüsserplatz werden auch Bauten in Cincinnati, Kopenhagen und Leipzig vorgestellt.

Den geplanten Neubau des Basler Stadtkasinos nach Plänen von Zaha Hadid nimmt das Architekturmuseum Basel zum Anlass für die Präsentation der bisher umfangreichsten Schau der Architektin in der Schweiz. Neben dem Projekt für den Barfüsserplatz werden auch Bauten in Cincinnati, Kopenhagen und Leipzig vorgestellt.

Spätestens seit vor fünf Jahren die von Herzog & de Meuron umgebaute Tate Modern in London mit einem rekordverdächtigen Mediengewitter eröffnet wurde, hat man sich in Basel daran gewöhnt, dass nicht nur der Fussballklub, sondern auch die Spitzenarchitekten der Stadt in der Champions-League mitspielen. Deshalb wohl registrierte man, als im vergangenen Dezember Zaha Hadid den Wettbewerb für ein neues Basler Stadtkasino gewann, den Sieg der Architektin aus London im Sinne eines Fairplay. Da Hadid das überzeugendste Projekt präsentierte, konnte sie als Frau neben der urbanistisch-ästhetisch interessierten Öffentlichkeit auch die lokalpolitisch starke Linke sowie das feministische Lager für sich einnehmen. Dies obwohl sie und ihr Projekt des neuen Basler Stadtkasinos deutlich machen, dass auch motorisierter Verkehr, Extravaganz und Starallüren zu den weiblichen Lebenswelten gehören.

Von Basel bis Guangzhou

Die veranschlagten Kosten für das neue Stadtkasino sind mit 100 Millionen Franken für ein Haus der Kultur beachtlich und wurden in jüngster Zeit nur selten übertroffen: etwa von der Tate Modern in London, von Jean Nouvels KKL in Luzern oder von Rafael Moneos «Kursaal» in San Sebastián. Vierzig Prozent der Baukosten, so der Plan der privatrechtlichen Gruppenbauherrschaft, sollen das Stadtparlament und - nach dem erwarteten Referendum - die Stimmbürger aus der Staatskasse genehmigen. Auf diesen zentralen Punkt der Baugenese im kommenden Spätsommer zielt die Arbeit der bisher sensiblen und professionellen Projektleitung von Cyrill Häring. In diesem Kontext öffnet nun Ulrike Jehle das Architekturmuseum für die Ausstellung «Zaha Hadid Architecture - Projects and Built Work». Es ist die bisher umfangreichste Schau der Architektin in der Schweiz.

Das Projekt des neuen Stadtkasinos Basel bildet mit einem sehenswerten Video aus Dokumentaraufnahmen, die von einer virtuellen Kamerafahrt durch den existierenden Stadtraum und das künftige Haus überlagert werden, wie auch mit Modellen und Plänen nur ein Zentrum der vom Büro in London konzipierten und gestalteten Schau. Das kurz vor der Fertigstellung stehende Science-Center in Wolfsburg, der gerade vollendete Anbau an das Ordrupgaard-Museum bei Kopenhagen, die unlängst eingeweihte neue BMW-Zentrale in Leipzig, das 2003 bezogene Rosenthal Center for Contemporary Art in Cincinnati sind wie das projektierte Opernhaus im chinesischen Guangzhou ein substanzieller Teil des Rundgangs. Der klar und reichhaltig präsentierten Ausstellung hätte etwas weniger Designer-Purismus gut getan. Ein geübtes Auge findet sich zurecht; doch viele Exponate dieser Schau, die Information und Meinungsbildung eines breiteren Publikums anstreben will, sind mit minimalen Bildbeschriftungen nur schwer verständlich. - Aufschlussreich sind insbesondere die dokumentarischen Fotografien, denn die Häuser in Cincinnati, Kopenhagen, Leipzig und Wolfsburg sind Grossarchitekturen, von denen Hadids zeichnerische Visionen schon in den achtziger Jahren kündeten und die sich bei Bauminiaturen wie dem Vitra-Feuerwehrhaus oder dem Länder-Pavillon in Weil am Rhein nur erahnen liessen. Licht, Schatten, Bewegung, räumliche Offenheit und Tanz scheinen begriffliche Koordinaten für Aussen- und Innenform von Hadids Architekturen: bei der Autofabrik in Leipzig ebenso wie bei den Kulturbauten. Immer wieder kann man Bezüge zum Basler Projekt entdecken. So hat das Science-Center in Wolfsburg ein ähnlich auskragendes Dach über dem Haupteingang wie das Kasino.
Verschönerung der Stadt

Vielleicht gibt es sogar einen Zusammenhang zwischen Zaha Hadid und der neuen Vorschrift für die Bestuhlung von Basels Boulevardrestaurants. Der Staat will nämlich zur architektonischen Aufwertung des öffentlichen Raumes ein Verbot von Plasticstühlen durchsetzen und diese durch Sitzmöbel aus Metall ersetzen. Allein vor dem heutigen Stadtkasino (das für den Hadid- Bau abgerissen werden soll) stehen 350 Plasticsessel. Die Innenarchitektur der heutigen Stadtkasino-Lokale prägt eine eklektizistische Erlebniswelt zwischen Skihütte und amerikanischem Middle-West-Charme. Im neuen Basler Stadtkasino, das man im September 2009 beziehen will, werden solche Geschmacklosigkeiten kaum mehr möglich sein. Und eines ist sicher: Zaha Hadid hasst Plasticstühle.

[ Bis 13. November im Architekturmuseum Basel. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2005.09.15

14. Juni 2005Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Die Fassade als Aquarell

Am westlichen Rheinufer in Basel Nord realisiert der Chemieriese Novartis einen Forschungscampus. Als erster Neubau konnte nun das Verwaltungshaus von Diener & Diener vollendet werden, dessen von Helmut Federle gestaltete Glashülle fast schon sakral wirkt. Diesem Meisterwerk widmet das Architekturmuseum eine sehenswerte Schau.

Am westlichen Rheinufer in Basel Nord realisiert der Chemieriese Novartis einen Forschungscampus. Als erster Neubau konnte nun das Verwaltungshaus von Diener & Diener vollendet werden, dessen von Helmut Federle gestaltete Glashülle fast schon sakral wirkt. Diesem Meisterwerk widmet das Architekturmuseum eine sehenswerte Schau.

Das Ende liegt im Dunkeln. Warum die Menschen im Jahr 50 v. Chr. einen Ort verliessen, den die Archäologen als «eine der ersten grossen stadtähnlichen Siedlungen nördlich der Alpen» bezeichnen, bleibt ein Rätsel. Rund 30 Kilometer östlich der namenlosen Keltenstadt am Oberrhein gründeten die Römer 44 v. Chr. Augusta Raurica. Damals begann auch die Geschichte Basels. Mehr als 1800 Jahre später wurde vor den gerade geschliffenen Mauern im Westen der Stadt das Firmengelände des Chemieunternehmens Sandoz bebaut. Als man 1911 neben der Sandoz eine Gasfabrik realisieren wollte, stiess man auf die 2000 Jahre alte Keltenstadt, dank der man die Stadtchronologie um rund 100 Jahre vordatieren konnte.

1996 fusionierte der Sandoz-Konzern auf der linken Rheinseite mit der rechtsrheinischen Ciba zum Chemiegiganten Novartis. Zwei Jahre zuvor hatte man mit dem Bau der Nordtangente begonnen. Diese 3,18 Kilometer lange Stadtautobahn ist die - unterirdisch geführte - Verbindung zwischen den französischen und deutschen Schnellstrassen. Während der Planungszeit wurde das Bauwerk nicht zuletzt deshalb zu einem Politikum, weil viele Basler in ihm ein «urbanistisch- zerstörerisches, typisch kapitalistisches» Unternehmen sahen. Gewiss, das urbanistische Megaprojekt der Basler Nordtangente kann man als «typisch kapitalistisch» bezeichnen. Aber es ist alles andere als «urbanistisch-zerstörerisch». Obwohl die unterirdische Stadtautobahn erst in zwei Jahren ganz vollendet sein wird, ist sie schon jetzt eine Wohltat für die Stadt. Die Quartiere, die wegen des Durchgangsverkehrs zu verkommen drohten, blühen plötzlich auf. Kleine Park- und Grünanlagen werden gerade eingerichtet, Alleen gepflanzt.

Ein Campus am Volta-Boulevard

Der rechtsrheinische Teil der Nordtangente wurde mit der neuen, doppelstöckigen Rheinbrücke im vergangenen Jahr fertiggestellt und beschäftigt gerade die Landschaftsplaner. Auf der linken Seite des Rheins herrscht hingegen noch städtebauliche Gründerzeit. Hier stehen öffentlichrechtliches Projektieren und Bauen mit privatwirtschaftlicher Zukunftsplanung im Dialog. Die Voltastrasse, wie die oberirdische Fahrspur der Nordtangente hier heisst, wird von der kantonalen Strassenplanung bis ins Jahr 2009 in einen repräsentativen Boulevard verwandelt, der im Chaos der heutigen Baustelle nur erahnbar ist. Am Ende der insgesamt 1,7 Kilometer langen Strassenachse liegt der Bahnhof St. Johann. Zwei kreisrunde Plätze (Lothringerplatz und Vogesenplatz) sind in Planung, wobei der Wettbewerb für den Vogesenplatz im September entschieden wird. Für das grosse Novartis-Grundstück nördlich der Voltastrasse am Rhein gab Daniel Vasella 2001 bei Vittorio Lampugnani den Masterplan für eine Life-Sciences-City in Auftrag.

Der Professor für Städtebaugeschichte an der ETH Zürich legte ein Grundrissgitter über die bisherige Firmenstadt, in der die Architektur lange Zeit nach pragmatischem Bedarf und im luftigen Gewand des Zeitgeistes realisiert wurde. Lampugnanis Masterplan beruft sich auf altgriechische Vorbilder in Kleinasien (insbesondere Milet), Sizilien und Kalabrien. Dieses antike Strassenraster mit leicht lesbarem orthogonalem Grundriss, einladenden Strassenräumen und normierten Gebäudehöhen erlebte seine letzte Blüte im Europa des 19. Jahrhunderts, als man die noch mittelalterlich geprägten Städte öffnete und grosszügig erweiterte.

Den Architekten, die nun einzelne Bauten in der neuen, additiven Firmenstadt des Novartis- Campus realisieren werden, wird vom Plan eine Arkade im Parterre (zumindest an den Hauptachsen) zur Vorschrift gemacht - allerdings nicht im Stil der Zähringerstädte Bern und Thun, sondern nach dem Vorbild von Turin und Bologna. Der Mailänder Lampugnani importiert hier eine norditalienische Urbanität an den Oberrhein, wie sie Aldo Rossi mit seinen Wohnbauten in Gallatarese (1969-73) in die jüngere Architekturgeschichte einschrieb. - Den Auftakt des Novartis-Campus macht nun das meisterhafte Forum-3-Gebäude des international tätigen Basler Architekturbüros Diener & Diener - ein schlanker Gebäuderiegel, der eine Art Novartis-Visitenkarte an der Voltastrasse werden könnte. Als dessen Pendant (auf der anderen Seite der Fabrikstrasse) soll bald eine analoge Kubatur des japanischen Architektenduos Sanaa (Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa) entstehen. Roger Diener, so scheint es, wurde bei der Planung von seinem im Herbst in die Realisierungsphase gehenden Projekt eines Anbaus für die Galleria Nazionale d'Arte Moderna in Rom atmosphärisch inspiriert. Der fünfgeschossige Verwaltungs- und Repräsentationsbau des Chemiemultis hat seine Arkade auf der Seite des campusinternen Platzes in Form einer eleganten stützenfreien Auskragung in der ganzen Gebäudelänge von 85 Metern. Wenn die archäologische Bodenforschung beendet ist, soll der Platz mit Wasserbecken und Birkenwäldchen gestaltet werden.

Der schwebende, fast immaterielle Ausdruck, den das neue Haus ausstrahlt, entsteht durch eine hochkomplexe Glasfassade, die der Schweizer Maler Helmut Federle mit dem österreichischen Architekten Gerold Wiederin entwarf und installierte. In der Fernsicht und bei klarem Sommerhimmel ist das Fassadenbild eine strenge, aber sinnliche geometrische Abstraktion. Im diffusen Licht eines spätherbstlichen Tages werden die Farbfelder, die sich häufig überlappen und dann Mischtöne erzeugen, wohl an Aquarelle Paul Klees aus den späten Bauhaus-Jahren erinnern. Die Aussenfassade besteht aus 1200 asymmetrisch an vertikalen Stangen montierten Glastafeln, die in 21 Farben und mit 25 Formaten eine Fläche von 4300 Quadratmetern bedecken. Aufgeklappt würde das Glaswerk zu einem Monumentalformat von 22 Metern Höhe und 214 Metern Breite. Damit dürfte sich nun das grösste Kunstwerk der Schweiz in Basel befinden. - Die insgesamt fünf Geschossebenen des Neubaus haben Diener & Diener wie bei einem Sandwich aufeinander gelegt und an zwei Erschliessungskerne gehängt. Hinter der Gebäudehülle befinden sich balkonartige Laubengänge, die das Fassadenbild für die Angestellten zur begehbaren Plastik machen. An der südlichen Stirnseite haben Vogt Landschaftsarchitekten über vier Geschosse einen urwaldartigen Wintergarten mit grossen Ficus- Bäumen und Blütenpflanzen aus Thailand angeschoben. Eine oval-geschwungene, skulpturale Nussbaumtreppe verbindet die vier Büroebenen des Hauses, die von Sevil Peach aus London als Arbeitslandschaft des «telematischen» Zeitalters gestaltet wurden. Büromöbel von Charles und Ray Eames haben es der Designerin besonders angetan. Auch sonst hat Novartis bei diesem Vorzeigebau in Sachen Materialien und Ausstattung nicht gespart. Schwarzer griechischer Marmor bedeckt den Boden des vier Meter hohen Eingangsbereichs. Die «Pausenkantine» erweist sich als eine Art Lounge mit wenig bekannten Rietveld- Ledersesseln von zeitloser Eleganz. Zur platzseitigen Arkade hin kann das Parterre durch bodenlange Schiebetüren geöffnet und so nach aussen vergrössert werden.
Eine Ausstellung

Das Architekturmuseum Basel nutzt den baulichen Auftakt des Novartis-Campus, der im kommenden Jahr schon wieder mit zwei neuen Häusern (von Peter Märkli aus Zürich und Adolf Krischanitz aus Wien) aufwarten wird, zu einer ebenso sinnlichen wie informativen Ausstellung. In den vier Sälen des spätklassizistischen Hauses am Steinenberg präsentieren Ulrike Jehle und Isabel Halene ein Gesamtmodell des Campus sowie Pläne, Fotos, Modelle und Baumaterialien des Neubaus von Diener & Diener. Ein Computer- Terminal und ein Büchertisch machen mit Bauten des Basler Büros in Berlin, Paris, Amsterdam, Biel und Luzern bekannt. Linearität, Klarheit, Verständlichkeit und Sorgfalt - die abstrakten begrifflichen Koordinaten der Architektur von Diener & Diener - werden hier anschaulich sichtbar. Das Ende der alten Basler Keltenstadt mag im Dunkel liegen. Der stolze Anfang des neuen Campus (www.novartis.ch), der am gleichen Ort entsteht, ist nicht mehr zu übersehen.

[ Bis 14. August im Architekturmuseum Basel. Am 25. Juni findet im Museum die Vernissage zum Ausstellungsbuch «Novartis-Campus - Forum 3. Diener, Federle, Wiederin» statt. An diesem Tag werden auch Gruppenbesuche des Neubaus nach Voranmeldung (am@architekturmuseum.ch) angeboten. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2005.06.14



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Forum 3

03. Juni 2005Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Grossstädtisches Ensemble

Mit dem «Elsässertor», ihrem neusten Gebäude in der Schweiz, haben Herzog & de Meuron dem Centralbahnhof in Basel eine neue Westflanke verliehen. Dieses Glashaus bildet zusammen mit den Bauten von Richard Meier, Diener & Diener sowie von Cruz & Ortiz und Giraudi & Wettstein ein beeindruckendes städtebauliches Ensemble.

Mit dem «Elsässertor», ihrem neusten Gebäude in der Schweiz, haben Herzog & de Meuron dem Centralbahnhof in Basel eine neue Westflanke verliehen. Dieses Glashaus bildet zusammen mit den Bauten von Richard Meier, Diener & Diener sowie von Cruz & Ortiz und Giraudi & Wettstein ein beeindruckendes städtebauliches Ensemble.

Im Jahre 1929 wurde in Basel durch die Entfernung der letzten Gaslaterne die öffentliche Elektrifizierung abgeschlossen, und man weihte die neue Markthalle am Centralbahnhof von Alfred Goenner und Hans Rhyhiner ein. Mit einem Durchmesser von 60 Metern spannte die elegante Betonkuppel einen stützenfreien Raum auf, der in Europa nur von Konstruktionen in Leipzig und Breslau übertroffen wurde. Baubedarf gab es auch für den Autoverkehr, der so zugenommen hatte, dass die Architekten Emil Baumgartner und Hans Hindermann auf der anderen Strassenseite der Markthalle 1928 die Schlotterbeck-Garage errichteten, die mit einer doppelgängigen Wendelrampe von der zwischen 1922 und 1927 erbauten Fiat-Fabrik «Lingotto» in Turin inspiriert war. Gegenüber der Markthalle lagen die Perrons der Bahnstrecke nach Paris und ein Lagerschuppen.

Städtebauliche Strategie

Als man Ende der achtziger Jahre einen Masterplan für das rund 1,2 Kilometer lange Gelände des schweizerischen und französischen Bahnhofs in Basel vorlegte, präsentierten der Kanton Basel- Stadt und die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) eine städtebauliche Entwicklungsstrategie, die auch die Westflanke des Areals mit Halle und Garage betraf. Die Halle wurde von der Denkmalpflege sorgsam beobachtet und galt als sakrosankt. Die Garage war mit ihrer eigenwilligen Typologie nicht umnutzbar und musste dem ersten Haus des New Yorker Architekten Richard Meier in der Schweiz weichen (1998). Vis-à-vis von Meiers «White Plaza» hatten die Architekten Diener & Diener 1994 ein Schulungs- und Konferenzzentrum einweihen können. Für den unternutzten Teil der französischen Bahnhofsanlage lobten die SBB schon in den achtziger Jahren einen Wettbewerb aus, den Herzog & de Meuron gewannen. Das Projekt blieb lange in der Schublade, doch als man 2001 mit dem Bau der benachbarten Bahnhofspasserelle begann, gab man in Bern auch für die Realisierung des «Elsässertors» grünes Licht. Herzog & de Meuron ergänzen nun mit ihrem soeben vollendeten neusten Schweizer Bau die Westflanke des Bahnhofs mit der kühlen Eleganz eines Glasriegels zu einem imponierenden Architekturquadrat.

Das «Elsässertor» von Herzog & de Meuron ist ein fünfgeschossiger Bau mit dem Grundriss eines langgestreckten, gestauchten und gekappten Pentagons. Die Glasfront im Sockelgeschoss ist zur Strassenseite eingezogen. Die Doppelschichtfassade der Obergeschosse besteht auf der Aussenhaut aus vier parallelen Glasbändern, die im Osten rot, im Westen blau eingefärbt sind und an den Längsseiten im Norden und Süden normales, «weisses» Glas haben: eine gebaute Tricolore als Hommage an die Grande Nation. Das Haus wirkt wie ein eigenwillig geschliffener Kristallspiegel, denn die schlanken, geschosshohen Glastafeln sind in unzähligen Neigungswinkeln montiert. Die Fassade kann variantenreich und vital auf alle Formen des Lichts reagieren. Nachts etwa erscheinen die Leuchtreklamen der Markthalle. Die rund 15 000 Quadratmeter Nutzfläche sind um einen kleinen Innenhof gruppiert. Das Parking in den Untergeschossen umfasst 174 Plätze.

Das Grundstück des «Elsässertors» liegt auf der abgesenkten Ebene der Gleisanlagen und wurde durch die Erschliessung der neuen Kubatur auf das Niveau der Viaduktstrasse angehoben. Das Trottoir hat Boulevardcharakter und wurde vom Zürcher Büro Vogt Landschaftsarchitekten mit einem kleinen Birken- und Robinienwald bepflanzt. Passanten können nun zügig geradeaus oder mäandrierend durch die Baumgruppen gehen. Die Fahrspur zur Markthalle wurde verbreitert, und es entstand ein urbaner Strassenraum. Denn seit 1907, als man den heutigen Bahnhofskomplex bezog, führte der Blick von der Markthalle nach Süden immer auf ein heterogenes Geleisefeld und den Stadtteil Gundeldingen. Dieser wird seit 2003 durch einen grosszügigen Indoor-Flanierweg mit dem Bahnhof, dem Vorplatz und einem direkten Zugang zur Innenstadt verbunden, der in rechtem Winkel vom «Elsässertor» über die Geleise führt. Diese Bahnhofspasserelle des sevillanischen Meisterduos Cruz & Ortiz und des jungen Luganeser Büros Giraudi & Wettstein führt die Glasfront von Herzog & de Meuron in eines der eigenständigsten Stadtviertel weiter. Dieses Quartier ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Es entstand in nur 30 Jahren und hat ein konsequentes, rechtwinkliges Strassennetz, womit es den modernsten Grundriss der Stadt aufweist.

Urbanistisches Patchwork

Am westlichen Ende des Gundeldinger Quartiers stösst die Bahnhofspasserelle in diesen Stadtraum, wo sie mit einer nahezu fensterlosen, sechsgeschossigen Fassade an der Güterstrasse endet. Diese durchzieht als langes Band das ganze Quartier und strukturiert es mit zwei parallelen, gleich langen Strassenachsen. Den Wettbewerb für die beiden Kopfbauten der Passerelle an der Güterstrasse (den «Süd-Park») haben ebenfalls Herzog & de Meuron gewonnen (gegen Bétrix & Consolascio, Burckhardt Partner, Cruz & Ortiz mit Giraudi & Wettstein, Gmür & Vacchini, Ingenhoven Overdiek, Miller & Maranta sowie Morger & Degelo). Sie wollen im Westen der Bahnhofspasserelle einen Büroturm mit 18 Geschossen errichten.

Östlich der Passerelle planen Herzog & de Meuron ein Wohn- und Ladenrechteck mit abgetreppter Geschosszahl zwischen Strassenfront und Geleisefeld. Die projektierte Glasfront dieses Bauwerks, für das bereits die Baueingabe läuft, wird nun von der Stadtbildkommission Basel- Stadt zurückgewiesen, ein Vorgang, der an die städtebauliche Kontroverse im Berlin nach der Wiedervereinigung (1989) erinnert. Die geschlossene Strassenflucht der Güterstrasse weist hier seit 100 Jahren ein rund 300 Meter langes Loch auf, das mit temporären Bahnhofsbauten, Handwerkerateliers und einer Ladenzeile nie über den Status eines zufälligen Patchworks hinauskam. Obwohl es hier um Stadtreparatur geht, gebärdet sich der (im Modell) elegante Baukörper von Herzog & de Meuron als Solitär. Denn er füllt eine Lücke, ohne diese zu schliessen - ein Eindruck, den eine reine Glasfassade logischerweise unterstreicht.

In ein urbanistisches Patchwork franste vor 16 Jahren auch der westliche Zipfel des stadtseitigen Bahnhofareals aus, bevor Diener & Diener hier zu bauen begannen. Ihr Schulungs- und Konferenzzentrum für den Schweizerischen Bankverein (heute UBS) umfasst mit 56 000 Quadratmetern Nutzfläche ein imposantes Volumen, welches die Architekten kammartig mit Längs- und Querriegeln um offene Höfe und einen geschlossenen Innenhof organisierten. Der Betonstruktur wurde ein rotbrauner Klinkerbau aufgemauert, der zur lärmigen Strassenfront nahezu fensterlos ist und sich zu lärmgeschützten Zonen nach Süden und Westen öffnet. Die Hermetik des Gebäudes stiess auf ungewohnt heftige Ablehnung in der Stadt. Dabei darf man es als ein städtebauliches Meisterwerk bezeichnen. Die Ruhe und Souveränität der Architektur von Diener & Diener machte bald darauf den grandiosen Auftritt des New Yorker Architekten Richard Meier auf der anderen Strassenseite und macht nun - auf einer weiteren Strassenseite - die leichte und elegante Architektur des «Elsässertors» von Herzog & de Meuron möglich. Vielleicht ist es im Städtebau wirklich wie beim Eiskunstlauf. Durch die Pflicht von Diener & Diener können Herzog & de Meuron nun eine unbeschwerte Kür laufen. Beides muss man können.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2005.06.03



verknüpfte Bauwerke
Geschäftshaus Elsässertor

12. April 2005Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Ästhetik der subversiven Anpassung

An den Schweizer Hochschulen und Fachhochschulen gehörte das Studium der Architektur während der letzten 25 Jahre zu den boomenden Fächern, und die Folgen...

An den Schweizer Hochschulen und Fachhochschulen gehörte das Studium der Architektur während der letzten 25 Jahre zu den boomenden Fächern, und die Folgen...

An den Schweizer Hochschulen und Fachhochschulen gehörte das Studium der Architektur während der letzten 25 Jahre zu den boomenden Fächern, und die Folgen waren absehbar. Junge Kreativteams, die, kaum selbständig, in diesem Metier wie Shootingstars aus der Masse der Baukünstlerschaft aufleuchteten, wurden entsprechend bewundert. Architektenteams wie Jüngling und Hagmann in Chur, Giraudi und Wettstein in Lugano, Gigon und Guyer in Zürich oder Miller und Maranta in Basel zeigten, dass sie auf frühe Erfolge durchaus die Basis für eine spätere Karriere legen können.

Wenn das Architekturmuseum Basel nun den zweiten Zyklus seiner 1996 gestarteten Reihe «Junge Schweizer Architektur» zeigt, so unternimmt es den verdienstvollen Versuch einer nationalen Blütenlese, auch wenn sich die Verantwortlichen um Ulrike Jehle explizit jeder Wertung enthalten und aus dem Dreieck Lausanne - Zürich - Basel nur drei «Positionen» nebeneinander zeigen wollen. Aber Positionen sind nicht einfach da, sondern ergeben sich aus einem Arbeitskontinuum - und dies heisst Baupraxis. So können sich denn die Häuser, die Bonnard und Woeffray aus Lausanne, Unend aus Zürich und Lost Architekten aus Basel gebaut haben, alle sehen lassen. Das Team aus der Romandie realisierte Schulen in Blonay, Fully und Lausanne, ein Mehrfamilienhaus in St-Maurice, ein Wohn- und Bürohaus in Monthey und ein Einfamilienhaus in Troistorrents. Lost Architekten aus Basel bauten ein Einfamilienhaus in Therwil und Unend aus Zürich eine Werkhalle sowie ein Büro- und Gewerbegebäude in Bülach; Sanierungen, Umbauten, Erweiterungen und Wettbewerbsprojekte runden die Werklisten der drei Architektenteams ab.

Die «Positionen» aller drei Büros scheinen sich in der Haltung zu Grundriss, Fassaden, Erschliessungen, Materialwahl und Raumdisposition zu vereinen. Alle bauen hell mit grossen Fensteröffnungen. Die Struktur der Häuser ist immer linear, der euklidischen Geometrie verpflichtet, sowohl in der Gesamtform als auch in der Organisation. Die Architekten schätzen alle den Sichtbeton und scheuen den kräftigen Einsatz der Farbe nicht. Die Bauaufnahmen (meist Fassaden) zeigen ruhige, selbstbewusste Architekturen von demonstrativer Schlichtheit, die zuweilen elegant wirken. Es fehlen rhetorische Gesten, und es gibt keinen falschen Schein.

Bei Bonnard und Woeffray wird die Arbeit mit Begriffen wie Differenz und Kontrast am augenscheinlichsten. Dies insbesondere bei Konstruktionen, deren Grundstücke nicht freistehend und isoliert von anderen Architekturen sind. In der mehrheitlich bunten Baulandschaft, die um den Genfersee und entlang der Rhone während der letzten 50 Jahre entstand, sind die Häuser integrierte Solitäre, die zwar Morphologien und deren Rhythmen beachten, aber durch eine Verschiebung, durch asynchrone Takte und Noten deren Schwingung beruhigen und so konzentrierter erscheinen lassen. Obwohl die Differenzen minimal wirken, werden die Kontraste im Gesamtblick gross. Es entsteht eine Ästhetik der subversiven Anpassung, die Konfrontation vermeidet und subkutan wirkt.

[ Bis 22. Mai im Architekturmuseum Basel. Zum Schaffen von Bonnard und Woeffray wird gratis ein Leporello abgegeben. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2005.04.12

04. Januar 2005Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Papierindustrielle und Architekten

In den letzten 550 Jahren war Basels Stadtbild in stetem Wandel. Ein Blick auf den 1615 von Matthäus Merian d. Ä. publizierten Vogelschauplan verdeutlicht ganz besonders die Veränderungen in der St.-Johanns-Vorstadt. Diese weist heute neben wichtigen klassizistischen Architekturen auch bedeutende zeitgenössische Bauwerke auf.

In den letzten 550 Jahren war Basels Stadtbild in stetem Wandel. Ein Blick auf den 1615 von Matthäus Merian d. Ä. publizierten Vogelschauplan verdeutlicht ganz besonders die Veränderungen in der St.-Johanns-Vorstadt. Diese weist heute neben wichtigen klassizistischen Architekturen auch bedeutende zeitgenössische Bauwerke auf.

Als Matthäus Merian d. Ä. im Jahre 1615 seinen Vogelschauplan der Stadt Basel publizierte, stand dort, wo heute in der St.-Johanns-Vorstadt der Hauptgeschäftssitz der Architekten Herzog & de Meuron liegt, eine imposante Kirche. Direkt daneben verlief das linksrheinische Ende der spätmittelalterlichen Stadtmauer. Hier lag an der Ausfallachse nach Mülhausen, Colmar und Strassburg ein Kontrollpunkt der Stadt. Gleichwohl war es hier ruhig, denn der Personen- und Warenverkehr, den das reiche Basel mit dem Sundgau und dem Burgund, mit Besançon, Lyon und Paris pflegte, wurde am Spalentor abgewickelt. Die St.-Johanns-Vorstadt, die sich fast parallel zum sanften Bogen des Rheins erstreckt, hatte beim Erdbeben 1356 Glück gehabt, blieb sie doch zusammen mit dem Hügel des Münsters und wenigen anderen Strassenzügen nahezu unversehrt. Deshalb sind hier Häuser, deren Existenz sich 700 Jahre zurückverfolgen lässt, keine Seltenheit.

Renaissance und Klassizismus

Als Merians Plan erschien, war das ruhige St.- Johanns-Quartier schon länger ein bevorzugtes Wohngebiet mit guter Verkehrsanbindung und direkter Rheinlage. Heinrich Halbysen, den der bürokratische Papierbedarf des Basler Konzils (1431-1449) zum ersten Papierindustriellen der Stadt machte, kaufte sich 1447 das Haus St.- Johanns-Vorstadt 17. Bald sollte hier Johannes Petri eine Druckerei, eine «Officin», eröffnen. Halbysen, ein international denkender Unternehmer, hatte das Know-how für seine Papierproduktion aus der Lombardei importiert. Das weiter rheinaufwärts gelegene Areal hinter dem St.-Alban-Kloster schätzte er als idealen Standort mit optimaler Energieversorgung ein. Hier kaufte oder baute Halbysen an einem Kanalzufluss eine Mühle nach der anderen. Als Gutenberg 1462 in Mainz den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, waren im Basler St.-Alban-Tal rund zehn Papiermühlen in Betrieb, und das Kloster lag bereits in einem frühneuzeitlichen Industriequartier.

Halbysens Privathaus in der St.-Johanns-Vorstadt erlebte in den folgenden Jahrhunderten eine architekturgeschichtliche Karriere: als Einzelbau, aber auch hinsichtlich seiner Nutzung. 1535 gelangte es in den Besitz von Hans Jacob Loss, der mäzenatisch für die Universität wirkte und einen in Conrad Gessners Buch «Horti Germaniae» erwähnten Garten mit Orangen- und Zitronenbäumen anlegte. Unter Loss erhielt das Haus Fresken, die von Hans Holbein d. J. inspiriert waren. Holbein hatte sich 1528 vis-à-vis ein Haus mit Rheinblick gekauft und es mit Fassadenmalereien dekoriert. Im Jahre 1650 kaufte Margaretha von Erlach das ehemalige Halbysen-Haus, das nun «Erlacher Hof» genannt wurde. Diesem liess sein späterer Besitzer Christian von Mechel 1785 eine klassizistische Fassade vorblenden. Der bauliche Eingriff repräsentierte die Harmonielehre Johann Joachim Winckelmanns, den Mechel in Rom besucht hatte und mit dem er über verlegerische und ästhetische Fragen korrespondierte. Mit diesem Umbau war vier Jahre vor Beginn der Französischen Revolution in Basel ein frühes Beispiel des europäischen Klassizismus entstanden.

Christian Mechel, vom österreichischen Kaiser Joseph II. geadelt, gilt als eine der schillerndsten Figuren der an bedeutenden Personen nicht armen Basler Kulturgeschichte. Dabei war er nicht nur ein Fürstendiener, sondern auch ein erfolgreicher Verleger und druckgraphischer Produzent, der Stiche nach berühmten Gemälden herstellen liess und gut verkaufte. Der Kunsthändler und Sammler nahm auch am Geistesleben seiner Heimatstadt regen Anteil. Zu seinen Briefpartnern gehörte unter anderem Johann Bernoulli, der Astronomie in Berlin lehrte und sich rühmend über die permanente Kunstausstellung äusserte, die von Mechel in der St.-Johanns-Vorstadt eingerichtet hatte. Zu dem Kunstpilgern aus Mittel- und Westeuropa gehörten 1779 auch Herzog Carl August von Weimar und sein Geheimer Rat Johann Wolfgang Goethe.

Moderne zwischen alten Mauern

Parallel zur St.-Johanns-Vorstadt liegt in leichter Hanglage die Hebelstrasse. Hier begann 1705 eine neue Zeit für das Quartier am Rhein. Die Hebelstrasse, in der Herzog & de Meuron 1988 mit ihrem Neubau in einem Hinterhof erstmals international auf sich aufmerksam machten, erhielt vor 300 Jahren ein fürstliches Stadthaus durch Friedrich Magnus, Markgraf von Baden-Durlach. Vom Volumen her musste sich das Palais vor vergleichbaren Häusern in den Residenzstädten Europas nicht verstecken. Aber der dreiflüglige Bau war ornamental bereits so entschlackt, dass er die Bürgerhäuser auf der anderen Strassenseite nicht erdrückte. 1895 wurde zwischen dem «Markgräflerhof» (heute Universitätsklinik) und dem «Erlacher Hof» mit einer Textilfabrik ein dritter Grossbau (von Architekt Rudolf Linder) errichtet. In den dreissiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts erhielt das Quartier mit einer neungeschossigen und 180 Meter langen Klinik von Hermann Baur auch noch einen Monumentalbau der modernen Architektur.

Im «Erlacher Hof», dem einstigen Wohnhaus von Heinrich Halbysen und Christian von Mechel, hatte der Architekt Otto Senn 1933 sein Büro eröffnet. Senn, längst ein bedeutender Name der modernen Schweizer Architekturgeschichte, bestimmte seither die Nutzung des Hauses durch Büros und Ateliers. Auf Senns lokale und nationale Bautätigkeit folgten Silvia Gmür und Livio Vacchini, die den beruflichen Fokus auch über die Landesgrenzen lenken und während der letzten 15 Jahre nicht nur Hermann Baurs 1945 bezogenes Kantonsspital äusserst sensibel sanierten, sondern im vergangenen Jahr auch eine neue Frauenklinik an der Spitalstrasse fertigstellten.

Zeitgenössisches Bauen

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts nun ist das Gebiet zwischen dem Kantonsspital und dem Rhein zu einer Art personalem Pool für Bauen und Gestaltung geworden. Christian von Mechels frühindustrieller Bildproduktions- und Verlagsbetrieb wurde im frühen 19. Jahrhundert zu einer Seidenfabrik umgenutzt und um ein Fabrikgebäude und einen Verwaltungstrakt erweitert. 1914, kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges, stellte Hans Bernoulli einen schlanken Anbau in den Hof, der den mittelalterlich-barocken «Erlacher Hof» mit einer Eisen-Stahl-Konstruktion an die Moderne anschloss. Im viergeschossigen Fabrikationsgebäude, das jahrelang leer stand und wo hohe und fast stützenfreie Räume wie bei einem Sandwich aufeinander liegen, sind mittlerweile das ETH-Studio Basel und die Architekturausbildung der FHBB (Fachhochschule beider Basel) eingezogen. Der ehemalige Verwaltungsbau des Textilunternehmens wird von Morger & Degelo gerade zum eigenen Firmensitz umgebaut. Und gleich daneben steht das von einer grünen Glasfassade umhüllte Institut für Spitalpharmazie, mit dem Herzog & de Meuron in den späten neunziger Jahren eine innerstädtische Grossplastik realisierten. Im «Erlacher Hof» selbst, der unter dem aufmerksamen Auge der Denkmalpflege in den letzten Jahren von Rainer und Lislott Senn saniert und leicht umgebaut wurde, sind heute sieben Architekturbüros und drei Graphikbetriebe tätig.

Am Ende der St.-Johanns-Vorstadt, wo 1978 Jacques Herzog und Pierre de Meuron als blutjunge Architekten ein Büro eröffneten, plant und koordiniert man derzeit Bauten in Peking und San Francisco, in Japan, Deutschland und Italien. Aber nun wollen Herzog & de Meuron die eigene Haus-Collage, in der sie heute rund 130 Mitarbeiter beschäftigen, mit einem schlanken Glaskubus an der Rheinuferstrasse akzentuieren. Das neue Basler Haus der Architekturstars soll nur ein paar Meter neben der Stadtmauer aus dem 14. und 15. Jahrhundert zu liegen kommen. Als jüngster architektonischer Akzent der St.-Johanns-Vorstadt wird es die bauliche Dynamik der letzten 550 Jahre in diesem Basler Viertel weiter auf Touren halten.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2005.01.04

16. Juni 2004Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Geburtstag im neuen Haus

Anlässlich seines 20. Geburtstags kann das Architekturmuseum Basel heute sein neues Domizil in den sanft umgebauten spätklassizistischen Steinenberg-Räumen der Basler Kunsthalle eröffnen. Gleichzeitig feiert die Kunsthalle die Renovation seiner Ausstellungssäle mit einer dem polnischen Künstler Piotr Uklanski gewidmeten Schau.

Anlässlich seines 20. Geburtstags kann das Architekturmuseum Basel heute sein neues Domizil in den sanft umgebauten spätklassizistischen Steinenberg-Räumen der Basler Kunsthalle eröffnen. Gleichzeitig feiert die Kunsthalle die Renovation seiner Ausstellungssäle mit einer dem polnischen Künstler Piotr Uklanski gewidmeten Schau.

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02. März 2001Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Städtebaulicher Kraftakt im Herzen der Rheinmetropole

Rund um die Anlage des Zentralbahnhofs wandelt sich Basel rasant. Sind westlich davon repräsentative Neubauten von Diener & Diener sowie von Richard Meier entstanden, so wird im Osten zwischen dem minimalistischen Peter-Merian-Haus von Zwimpfer Partner, dem Lonza-Hochhaus und dem skulpturalen Stellwerk von Herzog & de Meuron das Jacob-Burckhardt-Haus von KBCG und Jakob Steib realisiert.

Rund um die Anlage des Zentralbahnhofs wandelt sich Basel rasant. Sind westlich davon repräsentative Neubauten von Diener & Diener sowie von Richard Meier entstanden, so wird im Osten zwischen dem minimalistischen Peter-Merian-Haus von Zwimpfer Partner, dem Lonza-Hochhaus und dem skulpturalen Stellwerk von Herzog & de Meuron das Jacob-Burckhardt-Haus von KBCG und Jakob Steib realisiert.

Im Jahre 1844 wurde die Eisenbahnlinie von Strassburg nach Basel fertiggestellt, und die Schweiz war auf dem Schienenweg erstmals mit dem Ausland verbunden. Die Bauten für die innerschweizerische, neue Verkehrsanbindung (1854) und für die grossherzoglich-badische Bahn (1859), die aus Karlsruhe kam, waren Kopfbahnhöfe. Der Blick auf die Eröffnung des Gotthardtunnels (1882) schuf andere Realitäten. Man schloss die Gleistrassees zusammen, errichtete eine neue Rheinbrücke (1873) und schuf in der Folge architektonische Zeugnisse, die das Bild des Zentralbahnhofs (mit der schweizerischen und der französischen Station) und jenes des Badischen Bahnhofs bis heute prägen. Am Centralbahnplatz entstand ein mächtiger Steinbau von Emil Faesch und Emanuel La Roche (1904-07). An der heutigen Schwarzwaldallee schufen die Architekten Karl Moser und Robert Curjel eine weitläufige Anlage in elegantem Jugendstil (1910-13).


Verdichtung

Um den Zentralbahnhof wuchs die Stadt im 20. Jahrhundert enorm. Im Süden entstanden ausgedehnte Wohngebiete. Entlang der Gleisfelder liessen sich Handwerksbetriebe nieder, und man baute eine grosse Markthalle mit Infrastrukturen für den beginnenden Automobilverkehr. Aber das Gesicht des grossflächigen Areals, das von seiner Randlage immer mehr ins Zentrum des urbanen Gebildes in und um Basel wuchs, war diffus und kleinteilig. Insbesondere die Bautätigkeit der Bahn selbst, die mit unzähligen Remisen, Gleisausbauten und anderen, zeitbedingten Nutzungsänderungen auf dem Gelände agierte, schuf Metastasen ohne Konzentration. Als man 1962 am östlichen Zipfel des Areals das Lonza-Hochhaus bezog, war dies das höchste Gebäude Basels. Zwar hatten sich die Architekten Suter + Suter in der Grundrissdisposition und der Volumetrie der Kubatur so auffällig an Gio Pontis «Grattacielo Pirelli» in Mailand (1956) orientiert, dass man das Haus despektierlich als «Il piccolo Pirelli» bezeichnete. Aber die gestalterische Kraft, die das Haus in Mailand zu einem Meilenstein der Architekturgeschichte werden liess, wirkt auch in der helvetischen Variante eindrücklich.



Seit rund 15 Jahren beginnt sich das ganze Gebiet des Bahnhofs der Schweizerischen Bundesbahnen baulich intensiv zu verdichten. Im Westen Richtung Frankreich errichteten die Architekten Diener & Diener ein grosses Konferenz- und Ausbildungszentrum (1990-94) und Richard Meier ein Geschäftshaus (1995-98). Da sich beide Volumen an einer Strasse gegenüberstehen und die Grundstücke je am Talhang eines linksrheinischen Nebenflusses liegen, sind sie von der Talsohle mit 9 und 11 Geschossen als kleine Hochhäuser lesbar. In Sichtweite dieser beiden Bauten wollen die SBB in diesem Jahr mit dem Bau einer geschlossenen Passerelle über das Gleisfeld nach Plänen von Cruz/Ortiz und Giraudi & Wettstein (Lugano) beginnen.


Im Schatten des Lonza-Hauses

Der östliche Teil des rund 1,2 Kilometer langen Areals verändert sich gegenwärtig städtebaulich stärker als der Westteil. Zunächst bildeten in den achtziger Jahren ein Bürohaus von Diener & Diener und ein neues Fernmeldezentrum von Bürgin & Nissen mit Zwimpfer Partner das unbeachtete - weil nur aus der Luft wahrnehmbare - Dreieck mit dem Lonza-Hochhaus. Durch das SBB-Stellwerk von Herzog & de Meuron (1998/99) wurde dieses zu einem Viereck vergrössert. Es entstand eine urbane Klammer von erstaunlicher Qualität. Für das Areal um das Fernmeldezentrum wurde im Februar 2001 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb entschieden, den das junge Büro Miller & Maranta (Basel) gewann. Doch das Herzstück des ganzen Bauplatzes besteht aus zwei Grosskubaturen, von denen die eine gerade fertiggestellt worden ist. Der Baubeginn der anderen soll demnächst erfolgen.

Nach 14-jähriger Planungs- und Bauzeit konnten die Architekten Zwimpfer Partner das Peter-Merian-Haus fertigstellen (1986-2000). Der über 30 Meter hohe, nahezu 60 Meter breite und 180 Meter lange Komplex wird von Firmen als Bürohaus und von einer Fachhochschule als Ausbildungsraum genutzt. In den Innenhöfen, die den Bau präzise gliedern und rhythmisieren, wurde ein umfangreiches «Kunst und Architektur»-Projekt realisiert. Die Fassade springt auf beiden Längsseiten wie ein Kamm leicht zurück. Doch die entstehenden Aussenhöfe wurden so mit einer Glashaut geschlossen, dass sich eine kompakte stereometrische Gesamtform ergibt. Der monumentale Bau wirkt wie eine Plastik der Minimal Art im öffentlichen Raum.

Das Peter-Merian-Haus (benannt nach einer angrenzenden Strasse) macht nun das von Passagierzügen intensiv genutzte Gleisfeld als urbanen Raum erlebbar. Und die Fassade zur Strasse definiert diese Durchgangsachse neu. Durch die Begrünung mit Bäumen wurde dieser Rand der Innenstadt auch ökologisch aufgewertet. Hinter dem im Osten des Peter-Merian-Hauses neu geschaffenen Lindenplatz soll dieses nun auf einer nahezu gleich grossen Fläche mit dem Jacob- Burckhardt-Haus (ebenfalls benannt nach einer angrenzenden Strasse) ergänzt werden. Zwimpfer Partner führte dazu einen Wettbewerb durch, mit dessen Sieger sie den Bau realisieren wollten. Es gewann das Büro von Jakob Steib. Nach einer Firmenumstrukturierung heisst die Arbeitsgemeinschaft nun KBCG (Krarup, Bachelard, Cuendet, Geser; Basel) mit Steib (Zürich).


Das Jacob-Burckhardt-Haus

Das inzwischen eingehend überarbeitete Wettbewerbsprojekt soll eine ähnliche Fassadenmorphologie wie das benachbarte Peter-Merian-Haus erhalten. Es bekommt ein vergleichbares Volumen, hat die gleiche Höhe und rhythmisiert sich ebenfalls durch sechs aneinander gebaute Einheiten, die um Innenhöfe gruppiert werden. Damit der Bau natürlich beleuchtet werden kann, wird es zwischen diesen Elementen wiederum offene Aussenhöfe geben, die man komplett verglast und so die Fassade schliesst. Die neue Grosskubatur unterscheidet sich jedoch vom Nachbarbau auffallend in der inneren Organisation, der Materialsprache der Fassade und einer stärkeren Bezugnahme auf die Topographie. Nach Osten verjüngt sich das Grundstück, und auf der anderen Seite der Strasse befindet sich der parkähnliche Aussenraum des Lonza-Hochhauses. Dieser Grünraum wird in fünf der Baueinheiten in Form eines Bildes einbezogen.

Vom Eingang auf der Bahnseite soll ein Blick durch grosse, durchsichtige Glaspartien in den Wänden der Aussenhöfe in die Tiefe des Gebäudes möglich sein. Die Plaza, die jede Kubatur zentral erschliesst, erhält jetzt keinen vertikalen, hellen Schacht mehr, sondern eine Kaskade, die über sechs der sieben oberirdischen Geschosse ein gebogenes Atrium aufspannt, welches von Süden Licht erhält. Die Haustechnik verlegt man in die Untergeschosse und nicht mehr aufs Dach. Dafür plant man hier Attikageschosse, die Panoramablicke auf die Innenstadt im Norden und die grüne Südstadt möglich machen.

Die Führung neuer Tram- und Bahngeleise machen auch beim Jacob-Burckhardt-Haus eine sanfte Fassadenwelle notwendig. Auf der Strassenseite werden die Wandfelder zwischen den Hofverglasungen die Architektur kompakter wirken lassen. Das letzte Bauelement an der Münchensteinerbrücke muss man klimatisieren, da dieses an der Schnittstelle zweier Verkehrsachsen liegt. Ansonsten sollen wie beim Peter-Merian-Haus alle Räume natürlich belüftet werden können. Im Jahr 2007 wird der Bau vollendet sein und dem diagonal jenseits der Brücke liegenden Stellwerk von Herzog & de Meuron als unmittelbarer Nachbar antworten.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.03.02

29. Juni 2000Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Ein sinnlicher Klassiker

Die Tradition der mexikanischen Kolonialarchitektur mit ihren einfachen, kubischen Formen und die Architektursprache von Le Corbusier und dem Bauhaus prägten Luis Barragán (1902-1988), den bedeutendsten mexikanischen Baukünstler des 20. Jahrhunderts. Seine skulpturalen Häuser zählen heute zu den Glanzlichtern der modernen Architekturgeschichte.

Die Tradition der mexikanischen Kolonialarchitektur mit ihren einfachen, kubischen Formen und die Architektursprache von Le Corbusier und dem Bauhaus prägten Luis Barragán (1902-1988), den bedeutendsten mexikanischen Baukünstler des 20. Jahrhunderts. Seine skulpturalen Häuser zählen heute zu den Glanzlichtern der modernen Architekturgeschichte.

Als der Basler Architekt und ehemalige Direktor des Dessauer Bauhauses, Hannes Meyer, 1939 in Mexiko zu arbeiten begann, hatte Luis Barragán vor drei Jahren eine umfangreiche Bautätigkeit in der Hauptstadt des Landes begonnen. Das Frühwerk des 1902 in Guadalajara geborenen Architekten war zuvor während neun Jahren in seiner Heimatstadt entstanden und lebte ganz aus der Tradition des spanischen Kolonialstils. Barragán baute mit Arkaden und Tonnengewölben, mit Zinnen, Patios, Wasserspielen und unter Einbezug von Natur oder Garten. 1925 war der junge Architekt nach Europa gereist, wo ihn die Exposition des Arts Décoratifs in Paris und die Alhambra in Granada faszinierten. Als er sechs Jahre später erneut Europa besuchte, lernte er Le Corbusier und das Denken des Bauhauses kennen. Beide Einflüsse sollten ihn prägen.


Koloniale und moderne Formen

Seit 1936 realisierte Barragán in wenigen Jahren rund 20 Ein- und Mehrfamilienhäuser in Mexico City und errichtete so dem europäischen Neuen Bauen mit kristallinen Formen und grossen Glaspartien ein Denkmal in Mittelamerika. Dabei musste Barragán im Grunde nur die eigene Tradition weiterentwickeln. Denn die meist flach gedeckte, profane Kolonialarchitektur bestand bereits aus klaren Kuben. Sie kam fast ohne ornamentalen Schmuck aus, verfügte über lineare Erschliessungen und grosse - meist zum Innenhof sich öffnende - Fenster. Es war kein Traditionsbruch notwendig, um auf dieser Basis den Formenfundus des europäischen Funktionalismus anzuwenden. Einen Bruch mit der Geschichte forderte jedoch der Marxist Hannes Meyer. Dies dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, dass Barragán und der Grossmeister der europäischen Moderne keine Kontakte pflegten.

Ab 1940 arbeitete Barragán an Stadtplanungsprojekten und schuf jene Wohnhäuser und Haziendas, die ihn zum wichtigsten Baumeister seines Landes im 20. Jahrhundert und zu einer zentralen Gestalt der internationalen Architekturgeschichte machten. Als er 1980 als zweiter Architekt den damals noch neuen Pritzker Prize erhielt, nahm man dies in Europa kaum zur Kenntnis. Erst seit Barragáns Tod 1988 rückte der Ausnahmekönner in der Alten Welt langsam ins Rampenlicht. Ende 1992 präsentierte das Zürcher Architekturforum einen Einblick in sein Schaffen, und zwei Jahre später gab es eine umfangreiche Retrospektive in Madrid, aus der im folgenden Jahr ein Gesamtverzeichnis der Werke hervorging (das der Birkhäuser-Verlag 1996 auf Deutsch herausbrachte). Nun würdigen das Vitra-Design- Museum in Weil am Rhein und das Basler Architekturmuseum Barragáns Œuvre in einer breit angelegten Doppelausstellung.

Das Design-Museum kann seine Exponate aus der 1996 gegründeten Luis Barragán Foundation in Birsfelden alimentieren, die den Nachlass von Barragán selbst sowie jenen des Photographen Armando Salas Portugal besitzt, der während 40 Jahren mit dem Architekten zusammenarbeitete. Das Architekturmuseum Basel zeigt Bilder des Photographen René Burri, der im Auftrag von «Magnum Press» und namhaften Printmedien Barragáns Werk in den Jahren 1969 bis 1976 umfangreich im Bild dokumentierte.

Wer nicht das Werkverzeichnis Barragáns eingehend konsultiert oder zumindest das filmische Porträt gesehen hat, das parallel zur Ausstellung und als Teil des Gesamtprojektes entstand, wird es mit der Ausstellung im Vitra-Museum schwer haben. Denn die formale Welt Barragáns mit ihren klaren Formen, elementaren Farben und der souveränen Linearität der Konstruktion steht in völligem Gegensatz zur Museumsarchitektur Frank O. Gehrys. Zudem haben die Ausstellungsmacherinnen Federica Zanco und Emilia Tarragni die 740 Quadratmeter des Hauses bis in jeden Winkel genutzt. In grossen, grauen Rahmen aus Holz oder schwarzlackiertem Metall sind die zweidimensionalen Schätze der Stiftung - Pläne, Zeichnungen und Fotos - an den Wänden und auf Podesten opulent ausgebreitet. Dass das Frühwerk und die ersten Jahre in Mexiko City in Weil nicht zur Sprache kommen, mag damit zusammenhängen, dass Barragán dieses Material nicht für archivierungswürdig hielt. Für die Entwicklung des Baukünstlers sind sie dennoch aufschlussreich.


Ausgeblendetes Frühwerk

Die Ausstellung setzt in der Nachkriegszeit mit Barragáns grösstem städtebaulichem Projekt ein: den «Jardines del Pedregal» (1945-50). Auf dem von jahrhundertealten Lavamassen bedeckten Terrain, für das er einen Masterplan, prototypische Häuser und grosse Plätze mit Brunnenanlagen entwarf und realisierte, strebte er eine Symbiose von Architektur und Natur an. Aber obwohl sich der Unternehmersohn Barragán mit beträchtlichen Mitteln an der kommerziellen Erschliessung des Projektes beteiligte, konnte die grosse Mehrheit der Bauherren seiner Ästhetik nicht folgen. Es entstand letztlich ein beliebiger Vorstadtbrei, und von der Vision blieben fast nur historische Photographien übrig.

Mehr Glück hatte Barragán im Norden von Mexico City, wo mit «Las Arboledas» (1958-63) eine Wohnstadt für Pferdebesitzer entstand. Im Zentrum dieser Anlage befindet sich eine gewaltige Tränke in einer Eukalyptusallee, die der Architekt mit euklidischen Mauern, Mauerfragmenten und Farben so einfach und sinnlich rahmte, dass der Ort noch heute ein frühes Beispiel von Land-Art und Minimal Art darstellt. «Las Arboledas» wurde zusammen mit Barragáns Privathaus in Mexico City (1940-48) oder den Stallungen San Cristóbal und der Casa Folke Egerstrom (1967/68) zu den bevorzugten Motiven der Photographen, und diese drei Bauten stehen denn auch im Zentrum der Ausstellung. Aber auch andere wichtige Privathäuser wie die Casa Eduardo Prieto Lopez (1948), die Casa Antonio Gálvez (1955) oder die Casa Francisco Gilardi (1975/76) werden gezeigt, ebenso Kirchen und Plätze, die neben den Villen seine wichtigsten Bautypen waren. - Für die Ausstellung wurde der Gehry-Bau innen und aussen in jenem zarten Mauve, Zitronengelb und Rostrot gestrichen, das Barragán immer wieder verwendete. Wichtiger für die Schau sind allerdings die kleinen Terminals des Ausstellungsdesigners Bruce Mau. Zu sechs Bauten Barragáns kann man hier Fotos abrufen. Der Besucher wird über die Standorte der Kameraobjektive auf dem Grundriss informiert, und so ist eine Art Wanderung durch Aussen- und Innenräume der Häuser möglich. Weit bescheidener, jedoch nicht weniger präzis zeigen die Aufnahmen René Burris im Architekturmuseum Barragáns ästhetische Welt. Sie werden in einer kleinformatigen, äusserst sorgfältigen Publikation dokumentiert. Die Art, wie in seinem eigenen Haus ein Raum in voller Höhe und Breite in Form eines Fensters in den Garten mündet oder wie der Architekt eine Holztreppe ohne Stützen und Geländer ein Stockwerk überwinden lässt, das sind Sternstunden der Baukunst: Barragán schuf hier Typologien, die längst klassisch sind.


[ Die Ausstellung im Vitra-Design-Museum in Weil dauert bis zum 29. Oktober, jene im Architekturmuseum Basel bis zum 13. August. Katalog Fr. 29.-. Im August erscheint zudem eine wissenschaftliche Begleitpublikation zur Ausstellung in Weil. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2000.06.29

15. Juni 2000Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Das Dorf und die Stadt

Er war in seinem Innersten ein Antiurbanist, und dennoch baute er urban: der Baumeister Michael Alder. Ihn interessierte nämlich die gewachsene architektonische Struktur in der kleinen Einheit des Dorfes, ihr sozialer Ausdruck oder ihre topographische und klimatische Richtigkeit. Und Alder blickte auf die kleine Form: auf Türfassungen, auf Fenster und auf Erschliessungen, aber auch auf Praxisnähe und auf die elementaren Bedürfnisse der Benutzer.

Er war in seinem Innersten ein Antiurbanist, und dennoch baute er urban: der Baumeister Michael Alder. Ihn interessierte nämlich die gewachsene architektonische Struktur in der kleinen Einheit des Dorfes, ihr sozialer Ausdruck oder ihre topographische und klimatische Richtigkeit. Und Alder blickte auf die kleine Form: auf Türfassungen, auf Fenster und auf Erschliessungen, aber auch auf Praxisnähe und auf die elementaren Bedürfnisse der Benutzer.

Michael Alder, der sich vom Hochbauzeichner zum Architekten weiterbildete, war seit 1972 ein prägender Dozent in der Nordwestschweiz. Der 1940 in Ziefen (Kanton Baselland) geborene Baumeister, der ab 1969 sein eigenes Büro hatte, blieb in der international ausstrahlenden Architektenszene von Basel ein stiller, aber einflussreicher Vordenker. Der regionalistisch verankerte Alder wurde gleichsam zum Antipoden des im Bereich der Theorie internationalistisch ausgerichteten Jacques Herzog. Der Umbau eines im 19. Jahrhundert als Fabrik und Wohnhaus genutzten Gebäudes im St.-Alban-Tal in Basel wurde 1986/87 ein architektonisches Manifest. Denn die sorgfältige Entkernung des Riegelbaus und das präzise Implantat der neuen Wohnungen standen für einen stillen, aber revolutionären Umgang mit der historischen Bausubstanz. Und die Fassade aus Holz rehabilitierte einen Baustoff, der jahrzehntelang als bäurisch abqualifiziert worden war.

Mit seinen Studenten machte Alder zahlreiche Studien über bauliche Strukturen im Bergkanton Graubünden. Doch ob er im dörflichen Kontext baute oder ob er Häuser inmitten der Stadt realisierte, sie passten sich morphologisch an und waren dennoch konsequent zeitgenössisch und modern. Zu Alders wichtigsten Werken zählen der Lehrbauhof in Salzburg (1986-89), die Wohnüberbauungen in Riehen (Siedlung Vogelbach, 1990-92) und Basel (Bungestrasse, 1990-93) sowie das neue Stadion Rankhof in Basel (1993/94). Mit kostengünstigen, detailliert geplanten Betonteilen, mit Holz und Naturstein entstanden sozial ausgerichtete Bauten von ausserordentlicher ästhetischer Qualität. Durch einen Unfall ist nun Michael Alder am 12. Juni jäh aus dieser Arbeit gerissen worden.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2000.06.15

10. März 2000Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Reurbanisation eines Basler Stadtquartiers

Das Quartier St.-Alban-Tal ist eines der ältesten der Stadt Basel, und es hat eine bewegte Geschichte. In den vergangenen Jahren wandelte es sich von einem historischen Industrieareal zu einer der beliebtesten Wohngegenden der Stadt. Belebt durch das Basler Konzil (1431-49) und seinen grossen Bedarf an Papier, entstand hier ab 1448 - noch vor dem Beginn des Buchdrucks - eine Industrie, die zuletzt elf Papiermühlen umfasste. Zwei der ältesten architektonischen Zeugnisse dieser Zeit werden heute von einem Papiermuseum genutzt. Es steht direkt neben einem Fragment der ebenfalls spätmittelalterlichen Stadtmauer.

Das Quartier St.-Alban-Tal ist eines der ältesten der Stadt Basel, und es hat eine bewegte Geschichte. In den vergangenen Jahren wandelte es sich von einem historischen Industrieareal zu einer der beliebtesten Wohngegenden der Stadt. Belebt durch das Basler Konzil (1431-49) und seinen grossen Bedarf an Papier, entstand hier ab 1448 - noch vor dem Beginn des Buchdrucks - eine Industrie, die zuletzt elf Papiermühlen umfasste. Zwei der ältesten architektonischen Zeugnisse dieser Zeit werden heute von einem Papiermuseum genutzt. Es steht direkt neben einem Fragment der ebenfalls spätmittelalterlichen Stadtmauer.

Dialog mit der gewachsenen Stadt

Als 1956 der letzte papierproduzierende Betrieb den direkt am Rhein gelegenen Stadtteil verliess, dämmerten die Industrieanlagen und Wohnhäuser, die dort standen, vor sich hin. Die sechziger und siebziger Jahre, die in Westeuropa den Höhepunkt eines industriellen Bauens verkörpern, konnten an einem solchen Gebiet wenig Interesse haben. Zumal noch Teile eines Klosterbaus von 1100 vorhanden waren und auch eine Kirche weitgehend aus dieser Zeit stammt. Damit war das Quartier im aufmerksamen Blick der Denkmalpflege und deshalb für radikale Umnutzungen nicht geeignet.

Als seit Mitte der siebziger Jahre der architektonische Diskurs langsam wieder auf einen Dialog mit der gewachsenen Stadt setzte, war das seltsame bauliche Ensemble in naher Innenstadtlage ein ideales Experimentierfeld. Zumal sich auch neue Nutzungen anboten, die sich als wegweisend erwiesen. Als ein bedeutender italienischer Kunstsammler seine Schätze der Stadt leihen wollte, wenn ihm diese eine entsprechende Bleibe zur Verfügung stellen würde, beauftragte man Wilfrid und Katharina Steib, den Umbau einer ehemaligen Papierfabrik zu prüfen. Daraus entwickelte sich bald das Projekt für ein Museum für Gegenwartskunst. Steib und Steib rissen teilweise ab, errichteten einen Neubau, und plötzlich begann das Quartier 1980 wieder zu leben. Denn das Nebeneinander von Alt und Neu erwies sich nicht nur als eine ästhetische Lösung mit Perspektive, sondern die Architektur bot der Kunst der Nachkriegszeit auch den adäquaten gestalterischen Rahmen zu ihrer Produktion. Seit das Zentrum der zeitgenössischen Kunstproduktion in den sechziger Jahren nach New York gewandert war, waren Lofts oder loftähnliche Ateliers und Wohnungen auch in Europa gefragt. Der Bau von Steib und Steib lehnt sich hier an. Vergleicht man das Bauergebnis mit dem Drang anderer Museen zur Selbstinszenierung (in der Bundesrepublik hatten 1980 27 Museen Baubeginn oder waren im Bau), so darf das Basler Haus als ein frühes Beispiel sogenannt einfacher Architektur gelten.

Als 1986 ein paar hundert Meter entfernt, in unmittelbarer Rheinlage und vor dem historischen Ensemble von Papiermühle und Stadtmauer, eine elegante, aber kühle und klare Wohn- und Atelierkubatur von Diener & Diener bezogen wurde, schwoll die öffentliche Entrüstung mächtig an. Doch gerade mit diesem exponierten Bau wurde das St.-Alban-Tal zumindest in der Schweiz der wichtigste architektonische Ort für das Bauen in der historischen Stadt. Das neue Haus passte sich äusserst feingliedrig in den freien Raum ein, respektierte die Morphologie der altehrwürdigen Nachbarschaft, aber formulierte gleichzeitig einen konsequenten zeitgenössischen Formwillen. Synergetisch kam hinzu, dass Michael Alder fast gleichzeitig in unmittelbarer Nähe zwei weitere Architekturen realisierte. Er baute zwei kleine Riegel für Künstlerateliers und Werkstattläden, und er entkernte und restaurierte sorgfältigst ein Industrie- und Wohnhaus (1986/87). Dann setzte er moderne Wohneinheiten hinein und dem Ganzen eine Fassade aus unbehandeltem Holz vor. Hier manifestierte sich erstmals eine Umwertung des lange als bäurisch betrachteten Werkstoffs Holz.


Eine kleine Festung

Zwischen diesen beiden Bauten von Alder wurde nun jüngst ein Wohnhaus bezogen, das auf der letzten freien Parzelle des Quartiers entstand. Das St.-Alban-Tal, das als bauliche Einheit das gesamte ausklingende Jahrtausend vertritt, erhielt von Urs Gramelsbacher ein Haus mit der Präzision eines Uhrwerks. Wie eine kleine, zweigeschossige Festung hat er seine reine Sichtbetonkonstruktion auf die trapezoide Parzelle gestellt. Die Mietwohnungen konzentrieren sich ganz auf einen 17 mal 17 Meter grossen Innenhof. Hier zitiert der Architekt eine introvertierte Entwurfshaltung, wie sie Tadao Ando in Japan vertritt oder wie sie der römisch-antike oder der spanische und lateinamerikanische Hausbau um das Atrium oder den Patio kultivierte. An der Strassenseite kommt die radikale plastische Gestalt des Hauses am stärksten zur Geltung. Die minimalistische Bauschöpfung tritt hier nur mit einer Tür, dem Tor der Tiefgarage und einem horizontalen Mauerschlitz, der auf einen Innenhof führt (den man aber von der Strasse nicht sehen kann), in Erscheinung.

Obwohl der Bau von teilweise extremen Asymmetrien lebt, strebte der Architekt immer wieder nach einer idealen Geometrie und erreichte sie auch. Der quadratische Hof ist von konzentrierter Stille erfüllt. Die bepflanzte Fläche - auf der ein Baum steht - ist ebenfalls ein Quadrat. Die Wege sind hier mit grossen Kieselsteinen gepflastert, die man sorgfältig ausfugte, um das Gehen nicht zu erschweren. Ein visueller und materieller Kontrast zu den makellosen Betonflächen. Auch in der Organisation der Grundrisse ist Gramelsbacher fast immer vom Quadrat ausgegangen. Zwei Details sind wohl ein konstruktionstechnisches Novum. Alle Wohnungen - auch im Parterre - haben offene Lichthöfe, die eine hochkomplexe Betonschalung verlangten. Im Hof ist ein Brunnen durch einen zehn Meter langen und vier Zentimeter hohen Schlitz entstanden, aus dem das Wasser wie ein beweglicher Vorhang über den Stein in ein Glasbecken läuft. Und der Boden des Beckens ist gleichzeitig das Oberlicht der Tiefgarage. Bei fünf Mietparteien kann ein Teil der 30 Abstellplätze auch an andere Bewohner des Quartiers vermietet werden.

Nachdem Gramelsbacher mit seinen früheren Partnern Martin Erny und Karl Schneider im Basler Quartier St. Johann eine grosse Wohnsiedlung (Im Davidsboden, 1986-91) gebaut hatte, die vital in das Leben dieses überalterten Stadtteils eingriff, ist ihm nun im St.-Alban-Tal ein ähnlicher städtebaulicher Eingriff gelungen, nur dass er das Quartier nicht vitalisiert, sondern komplettiert. Vor seinem neuen Haus hat der Architekt eine Reihe kniehoher Beleuchtungswürfel installiert. Die feinen Lichtkuben führen in gerader Linie an den Nachbarbauten von Alder und dem historischen Wirtshaus Goldener Stern vorbei. Sie stossen fast an das Museum für Gegenwartskunst. Bei einbrechender Dunkelheit entsteht eine Lichterkette, die mit der Würfelform eine ideale Geometrie hat und wie eine Plastik der Minimal art aussieht. Obwohl die Lichtschiene aus dem angewandten Gestaltungsbereich stammt, stellt sie eine Art Kunstwert dar. Damit schafft Gramelsbacher eine subtile Verbindung zum Museum für Gegenwartskunst von Steib und Steib. Mit diesem Bau begann die Renaissance des Quartiers, das Gramelsbacher nun fertig baute.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.03.10

07. Januar 2000Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Expressiver Minimalismus

Die Strecke von Frankfurt über Basel nach Mailand ist eine der wichtigsten Achsen Westeuropas. Der Güterumschlag vom Wasser und von der Strasse auf die...

Die Strecke von Frankfurt über Basel nach Mailand ist eine der wichtigsten Achsen Westeuropas. Der Güterumschlag vom Wasser und von der Strasse auf die...

Die Strecke von Frankfurt über Basel nach Mailand ist eine der wichtigsten Achsen Westeuropas. Der Güterumschlag vom Wasser und von der Strasse auf die Schiene hat an der schweizerisch-deutschen Grenze ein riesiges Geleisefeld entstehen lassen. Hier kann man im kleinen das Wachstum und die Veränderungen Europas beobachten. Die Deutsche Bahn und die Schweizerischen Bundesbahnen, die hier ineinandergreifen, legen dialogisch Infrastrukturen still, reaktivieren diese oder bauen sie neu. Die Architekturen, die für den Güterumschlag in Richtung Italien gebraucht werden, baute bisher das Basler Büro Herzog & de Meuron. Beim Bahnhof SBB hat es nun ein Stellwerk errichtet.

Bereits 1994 realisierten die Architekten einen analogen Bau für die gleiche Bauherrschaft. Mit seiner eigenwilligen Hülle aus Kupferbändern fand er sogleich international Beachtung. Doch dieses erste Stellwerk steht auf einem Geleisefeld, das selbst für Basler nicht immer leicht zu finden ist. Das neue Stellwerk hingegen erhebt sich neben dem Kopf einer stadtnahen Brücke über die Geleise. Die Fassade hat nach Süden drei kleine Fensterbänder, sonst aber ist sie völlig geschlossen und wiederum mit Kupfer verkleidet. Gegenüber dem Vorgänger hat das neue Stellwerk mit seinen 26 Metern markant an Höhe gewonnen. Fast möchte man es als ein kleines Hochhaus bezeichnen. Der Grundriss auf Gleisniveau entspricht einem unregelmässigen Trapez; doch an der Traufkante der flachgedeckten Kubatur ist er zu einem Rechteck geworden. Die Architekten näherten die beiden Grundformen rhythmisch über die Stockwerke einander an, was zu einer leicht konvexen, wellenartigen Fassade im Norden und Westen führte. Der Bau, der ohnehin wie ein exotischer Findling wirkt, hat auf diese Weise einen expressiven Charakter erhalten. Da er sonst nach minimalistischen Regeln erstellt wurde, entstand eine seltene ästhetische Symbiose. - Mit seiner monolithischen Form wird dieses Stellwerk zu einem plastischen Körper mit der Präsenz eines Kunstwerks. An einem Ort mit verwirrender verkehrstechnischer Infrastruktur wirkt diese Architektur beruhigend: Sie lässt eine neue Mitte entstehen. Im Zusammenhang mit diesem Stellwerk muss auch das neue Institut für Spitalpharmazie erwähnt werden, das zur gleichen Zeit wie jenes ebenfalls von Herzog & de Meuron fertiggestellt wurde und eine ähnliche Mischung aus Stadtreparatur und Skulptur darstellt. Der viergeschossige Baukörper ist vollständig mit Glas verkleidet, dem im Siebdruckverfahren flaschengrüne Punkte aufgesetzt wurden.

Das kaum zu übersehende Haus präsentiert sich als Solitär, denn die Umgebung besteht einerseits aus Wohnhäusern des Barocks, anderseits aus dem universitären Klinikum im Stil des Neuen Bauens und verunmöglichte deswegen ein kontextuelles Planen. So hat das verwinkelte Grundstück am Rande der Innenstadt mit dem grünen Glasschrein einen Neubau erhalten, der der Geschichte dient und die Zeitgenossenschaft präsentiert.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.01.07



verknüpfte Bauwerke
Zentralstellwerk SBB

05. Januar 2000Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Ein Haus für Gegenwartskunst

In Biel ist ein neues Haus für die bildende Kunst entstanden, das sich sehr selbstbewusst präsentiert. Wirklich neu ist zwar nur der Erweiterungsbau, da aber der historische Teil vollständig saniert wurde, teilweise neue Raumfolgen erhielt und nun über den Neubau erschlossen wird, hat das Gesamtergebnis des gut 10 Millionen Franken teuren Eingriffs die überraschende Wirkung einer Novität. Das Centre PasquArt, wie die 1990 gegründete Institution heisst, will für die Kunst ab 1980 eine Mischung aus Kunsthalle und Museum für Gegenwartskunst sein.

In Biel ist ein neues Haus für die bildende Kunst entstanden, das sich sehr selbstbewusst präsentiert. Wirklich neu ist zwar nur der Erweiterungsbau, da aber der historische Teil vollständig saniert wurde, teilweise neue Raumfolgen erhielt und nun über den Neubau erschlossen wird, hat das Gesamtergebnis des gut 10 Millionen Franken teuren Eingriffs die überraschende Wirkung einer Novität. Das Centre PasquArt, wie die 1990 gegründete Institution heisst, will für die Kunst ab 1980 eine Mischung aus Kunsthalle und Museum für Gegenwartskunst sein.

Das international gefeierte Basler Architekturbüro Diener & Diener konnte in Biel seinen ersten Museumsbau realisieren. In Köln baute es 1988 bis 1990 bereits ein Ausstellungsgebäude für die Galerie Gmurzynska, das aber in seinen Dimensionen weit bescheidener ist als das Bieler Kunstzentrum. Mit dem 650 Quadratmeter neue Ausstellungsfläche bietenden Annex in Biel erweiterten die Architekten ein klassizistisches Haus von 1866, das einst als Krankenhaus und dann als Schule genutzt worden war. Gekonnt brechen sie den vorhandenen Stockwerkrhythmus mit einer Progression in den Geschosshöhen auf. Aber die Gesamtform bleibt dabei beachtet.

Das Ensemble steht am Fuss einer Aufwerfung des Juras. Die Räume des leicht abgesenkten Neubaus schrauben sich vom Foyer im Parterre über Zwischengeschosse so in die Höhe, dass die obersten Säle in beiden Bauteilen das gleiche Bodenniveau haben. Hier bildet ein 320 Quadratmeter grosser Oberlichtsaal das Herz des neuen Baues. Insgesamt verfügt das Centre PasquArt nun über 1600 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Da die Verwaltung in einem separaten Gebäude untergebracht ist, steht eine grosszügige und elegante Raumfolge für die Präsentation der Sammlung wie der Wechselausstellungen zur Verfügung.

Es ist längst ein Markenzeichen des Architekturbüros Diener & Diener, dass es den klaren Formwillen der Gegenwart sprechen lässt, die Historie aber subtil integriert. So auch in Biel. An der Eingangsfassade antwortet eine raumhohe Verglasung im Parterre dem massiven Sandsteinsockel des Altbaus. Bis auf drei grosse Fensterschlitze ist die Eingangsfassade sonst völlig geschlossen. Die Architekten wählten hier eine ähnliche Durchfensterung, wie sie für den Neubau der Schweizer Botschaft in Berlin vorgesehen ist (der Wettbewerb für Biel fand 1994, jener für Berlin 1995 statt). Neben dem rhythmisch gegliederten Altbau erscheint der Annex wie ein geschlossener Block. Mit seiner grünen Gusssteinfassade allerdings schafft er farblich einen Bezug zum Sandstein des Mittelrisaliten.

Ein ähnliches Spannungsverhältnis entsteht im Inneren zwischen dem Holz im Alt- und dem Stein im Neubau. Das Parterre des Annexes hat einen Bodenbelag aus unbehandeltem Gussbeton, die folgenden Geschosse einen aus kleinen Asphaltplatten und grossen Terrazzo-Quadraten. In allen Ausstellungsräumen des Altbaus geht man auf Holz. Die monumentalen Enfiladen der Obergeschosse bilden mit neuen Leuchtkörpern und makellosen Wänden ein nahezu ideales Ambiente für die Präsentation von Kunst.

Der Sammlung und den wechselnden Ausstellungen, mit denen das Centre PasquArt seit dem 1. Januar bespielt wird, eignet etwas Experimentelles. Denn die rund 50 Bilder, Plastiken und Installationen, die man bis heute nebst Zeichnungen, Druckgraphik und Photographien zusammentrug, sollen durch langfristige Leihgaben privater Sammler ergänzt werden. So stellt sich Konservator Andreas Meier auch die Grundlage für einen Teil der Wechselausstellungen vor, wodurch eine Art Kunsthaus für Sammler von Gegenwartskunst entstehen wird.

Lutz Windhöfel

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2000.01.05



verknüpfte Bauwerke
Centre PasquArt - Erweiterung

03. September 1999Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Städtebauliche Akzente

Von Architekturen in Brugg und Zürich sowie vom Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 1937 in Paris abgesehen, hat das Büro Bräuning, Leu, Dürig in...

Von Architekturen in Brugg und Zürich sowie vom Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 1937 in Paris abgesehen, hat das Büro Bräuning, Leu, Dürig in...

Von Architekturen in Brugg und Zürich sowie vom Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 1937 in Paris abgesehen, hat das Büro Bräuning, Leu, Dürig in der Nordwestschweiz in und um Basel gebaut. Das Architekturmuseum in Basel, das der Arbeit des während 56 Jahren tätigen Baumeisterbüros eine Ausstellung widmet, kann ein facettenreiches Werk präsentieren, welches sich an fast allen Bauaufgaben bewährte. Ab den zwanziger Jahren wandelte sich das Werk stilistisch vom Spätklassizismus (Friedhof am Hörnli, Basel, 1922-31) zum internationalen Neuen Bauen (Haus Orzel, Basel, 1932/33). Die «moderate Moderne», in deren Geist die Architekten ab Mitte der dreissiger Jahre arbeiteten (Neues Stadtcasino, Basel, 1937-39), wurde auch für die Häuser der Nachkriegszeit prägend. Bei Grossprojekten gingen Bräuning, Leu, Dürig Arbeitsgemeinschaften ein, von denen jene mit Hermann Baur (für das Kantonsspital, 1941-45, und die Allgemeine Gewerbeschule, 1956-61, beide Basel) bereits Architekturgeschichte geschrieben hat. Mit vier Grosskubaturen an der Aeschenvorstadt in Basel (zwischen 1950 und 1965 entstanden) setzten die Architekten ihren bedeutendsten städtebaulichen Akzent.


[ Bis 17. Oktober. Informationsbroschüre Fr. 5.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.09.03

06. August 1999Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Gefährdeter Mursteg

Der Mursteg, eine Holzbrücke von Meili & Peter sowie Jürg Conzett im steirischen Murau (NZZ 2. 8. 95) ist durch ein Neubauprojekt gefährdet. Die neuen...

Der Mursteg, eine Holzbrücke von Meili & Peter sowie Jürg Conzett im steirischen Murau (NZZ 2. 8. 95) ist durch ein Neubauprojekt gefährdet. Die neuen...

Der Mursteg, eine Holzbrücke von Meili & Peter sowie Jürg Conzett im steirischen Murau (NZZ 2. 8. 95) ist durch ein Neubauprojekt gefährdet. Die neuen Planungen wollen existierende Verkehrsachsen zerschneiden, die Brücke an einer Stelle zerstören und mit fragwürdiger Infrastruktur überlasten. In den vergangenen Tagen sind über 100 schriftliche Proteste von Architekten und anderen interessierten Kreisen aus sieben europäischen Ländern und aus Übersee an den Bürgermeister von Murau, den beauftragten Architekten und einen steirischen Regierungsvertreter in Graz geschickt worden. Informiert wurden auch der Botschafter Österreichs in Bern und der Schweizer Botschafter in Wien. Der Ausgang ist ungewiss.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.08.06

06. August 1999Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Einheit von Architektur und Ingenieurskunst

In ihrer Zukunfts- und Technikeuphorie stellte die moderne Baukunst Materialien wie Stahl, Beton und Glas in den Vordergrund. Das Holz, lange an den Rand...

In ihrer Zukunfts- und Technikeuphorie stellte die moderne Baukunst Materialien wie Stahl, Beton und Glas in den Vordergrund. Das Holz, lange an den Rand...

In ihrer Zukunfts- und Technikeuphorie stellte die moderne Baukunst Materialien wie Stahl, Beton und Glas in den Vordergrund. Das Holz, lange an den Rand gedrängt, erlebt seit fünfzehn Jahren eine eigentliche Renaissance. Und diese ist in Graubünden nicht zuletzt mit dem Namen Jürg Conzett verbunden. Der 1956 geborene Bündner, für den Christian Menn ein wichtiger Lehrer war, arbeitete von 1981 bis 1988 im Atelier Zumthor in Haldenstein bei Chur. Er hat das Schaffen des heute international bekannten Büros fast seit den Anfängen begleitet. Für die Kapelle Sogn Benedetg, die 1988 geweiht wurde und die Arbeit Zumthors erstmals ins mediale Licht zog, errechnete Conzett die Geometrie der ellipsoiden Holzkonstruktion. Im Atelier Zumthor lernte er Dieter Jüngling und Andreas Hagmann, Valentin Bearth oder Conradin Clavuot kennen. Alle diese Architekten haben inzwischen den Sprung in die Selbständigkeit geschafft, und mit allen plant und baut Conzett immer noch gemeinsam.

Conzett legt Wert auf die Tatsache, dass sich das Büro «Conzett, Bronzini, Gartmann» (Chur) rund zur Hälfte mit Tiefbau beschäftigt. Den Strassenbau bezeichnet der Ingenieur ausdrücklich als Architektur. Seit 1992 arbeitet er an Bestandesaufnahmen und Konzepten für neue Stützmauern im und für den Kanton Graubünden. Und wer sich gerade den alpinen Strassenbau der letzten Jahrzehnte anschaut, bei dem es meist um schnelle und kostengünstige Realisationen unter Einsatz modernster Bautechnologie ging, versteht zwei Dinge: zum einen das ästhetisch-gestalterische Vorurteil, welches dem Strassenbau keine ernstzunehmende Stimme in der Debatte um vorbildliche, zeitbezogene Formgebung zugestand; zum anderen die Konsequenzen von Conzetts Vision, denn die verkehrstechnischen Architekturen sind im urbanen Bauen der westlichen Welt omnipräsent. Könnte man im Denken der Planer den Faktor Qualität neben und gleichberechtigt mit jenem des politischen Pragmatismus und der ökonomischen wie statischen Haltbarkeit etablieren, wäre dies weit einflussreicher als jede gute Einzelarchitektur. Selbst wenn diese gehäuft auftritt.

In den letzten zehn Jahren waren Conzett und der ähnlich denkende und ebenfalls erfolgreich operierende Ingenieur Jürg Buchli praktisch überall beim Entstehen der neuen Bündner Baukultur beteiligt. Conzett baute mit Jüngling & Hagmann die neue HTL in Chur, mit Bearth & Deplazes die Mehrzweckhalle in Alvaschein, mit Conradin Clavuot eine Transformatorenstation im Prättigau oder mit Gion A. Caminada eine Mehrzweckhalle in Vrin und ein Schulhaus in Duvin.

Am Beispiel von neuen Schulbauten in Biel und Basel kann Conzett seine Vorstellungen von der Kooperation zwischen Architekt und Ingenieur gut charakterisieren. Bei der Schweizerischen Holzfachschule in Biel, die er gerade mit den Architekten Meili & Peter fertiggestellt hat (und die im August eröffnet wird), strebte Conzett eine Synthese von Wand und Decke an. Gleiches gilt für das Volta-Schulhaus in Basel, das gegenwärtig vom Nachwuchsteam Miller & Maranta realisiert wird. Wenn Architekt und Ingenieur eine Gleichwertigkeit (gestalterisch wie statisch) von Wand und Decke anstreben, ist der Werkstoff (etwa Holz oder Beton) austauschbar. Entscheidend wird, dass das Konstruktions- mit dem Gestaltungselement so selbstverständlich auftritt wie die selbsttragende Karosserie eines Autos. Zum Skelettbau verhält sich dieses Prinzip antithetisch. Das fertige Haus (die Brücke, die Strasse) soll eine unsichtbare Verbindung von Konstruktion und Form oder von Statik und Ästhetik sein.

Eine Architektur hat Jürg Conzett bisher im Ausland mitrealisiert. 1995 wurde im steirischen Murau die raffinierte Konstruktion einer Brücke eingeweiht, die Meili & Peter entworfen hatten. Gerade wurde Conzett mit einem grossen Preis des Wettbewerbs «Neues Bauen in den Alpen» ausgezeichnet.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.08.06

02. Juli 1999Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Suburbia wird urban

In der Form von vier Fingern streckt sich Basel mit seinen Vororten auf Schweizer Seite nach Süden. Die Gemeinden haben die Grösse von Dörfern und Kleinstädten...

In der Form von vier Fingern streckt sich Basel mit seinen Vororten auf Schweizer Seite nach Süden. Die Gemeinden haben die Grösse von Dörfern und Kleinstädten...

In der Form von vier Fingern streckt sich Basel mit seinen Vororten auf Schweizer Seite nach Süden. Die Gemeinden haben die Grösse von Dörfern und Kleinstädten (mit bis zu 20 000 Einwohnern) und liegen alle in den Kantonen Baselland und Solothurn. Über Jahrhunderte verlief ihr Wachstum unabhängig von der Kernstadt. Doch seit den sechziger Jahren explodierten diese Kommunen, denn hier entstanden die neuen Wohngebiete der Stadtregion (der Stadtkanton Basel besitzt keine Expansionsmöglichkeiten). Heute dehnt sich zwischen Oberwil (im Südwesten) und Dornach (im Südosten) eine Grossstadt mit über 200 000 Einwohnern.

Nun mehren sich die Zeichen, dass hier ein urbanes Bewusstsein entsteht und man sich mit neuer Architektur am Bau der Grossstadt beteiligen will. Peter Zumthors Siedlung «Spittelhof» in Biel-Benken (NZZ 7. 11. 97) ist zwar durch ein Waldstück vom Stadtraum getrennt, aber die klare und kompromisslose Wohnanlage strahlt markant auf ihn aus. Im benachbarten Therwil haben Berrel Architekten (Basel) gerade ein Haus so modernisiert und erweitert, dass die Kubatur aus Beton und Glas zum baulich bestimmenden Element des Gemeindekerns wird. Gleiches gilt für das etwas weiter östlich gelegene Reinach, wo Ernst Spycher (Basel) eine Schule mit einer Gemeindebibliothek errichtete. Und ein neues Zeichen urbanen Bauens liegt auch ganz im Südosten des Stadtraums in Arlesheim.

Hier, wo nach Plänen des Misoxer Architekten Jacob Engel ab 1679 eine Kirche mit mächtigen Wohnhäusern für das Bistum Basel entstand, bauen die Architekten Andreas Scheiwiller und Klaus Schuldt (beide Basel) ein Ensemble mit 5 villenartigen Wohnhäusern, die etappiert realisiert werden. Die fertiggestellten Häuser liegen einen Steinwurf von der mächtigen Barockanlage entfernt auf einer Parzelle, von der aus Waldrand und Rebberge sichtbar sind. Die zweigeschossigen Kubaturen haben in der oberen Etage einen umlaufenden Fensterkranz und darüber ein flaches Walmdach. Die austarierten Proportionen der Häuser machen das grosse Volumen der Innenräume nach aussen fast nicht sichtbar. Da die Häuser und Gärten nach euklidischen Geometrien organisiert und placiert sind, ergibt sich bei aller Grosszügigkeit ein kompaktes Raumgefühl. Die Häuser symbolisieren urbanes Wohnen in - fast - idyllischer Umgebung.

Auch in Therwil zeugen bäuerische Holzarchitekturen an der Hauptstrasse von dörflichen Zeiten. Als dort 1974 ein Wohnhaus mit Bankfiliale fertiggestellt wurde, gehörten diese Zeiten schon der Vergangenheit an. Nun haben Berrel Architekten vor dieses Haus einen Riegel aus Sichtbeton und Glas geschoben. Für die Erweiterung der Filiale wird die Geschossfläche im Parterre um 50 Prozent erhöht. Der Bau steht nun weit näher zur Strasse. Er beruhigt und konzentriert die heterogene Morphologie der gebauten Dorfstruktur, die nach einer neuen Identität sucht. Die Architekten haben das Parterre mit einer Art Lichtband geöffnet. Fassadenteile aus grauem Aluminium wirken streng, aber wohltuend sachlich. Die Atmosphäre ist städtisch.

Mit der neuen Handelsschule des Kaufmännischen Vereins des Kantons Baselland in Reinach verhält es sich ähnlich. Der Architekt (Ernst Spycher) hat dort einen Vorgängerbau aus den fünfziger Jahren durch Abriss und Neubau auf 3500 Quadratmeter Nutzfläche vergrössert. Die Gemeindebibliothek erhielt hier grosszügige Räume. Ein Café mit einem baumbestandenen Hof kann ein Treffpunkt für die Quartierbewohner werden. An der Fassade der neuen Schulanbauten gibt es grosse, fensterlose Sichtbetonflächen, die bis zu drei Stockwerke hoch sein können. Die andere Fassadenhälfte besteht aus Stahl-Glas-Partien. Neu- und Altbauten sind zwar gleich hoch, aber da der grosse Pausenhof um ein Geschoss abgesenkt wurde, gewann die Anlage an Volumen und Präsenz. Die Schule im Wohngebiet «Egerten» ist von weiteren Schulbauten, Strassenbändern, Ein- und Mehrfamilienhäusern umgeben. Sie fasst den Ort neu und gibt ihm ein klares Gesicht. In der Gemeindebibliothek erinnert ein Glasboden an Otto Wagners Wiener Postsparkasse. Im Zentrum des Hauses liegt ein quadratischer Raum mit Oberlicht, an den alle Gebäudeteile grenzen und der alle Nutzungen organisiert. Hier ist auch der Raum für zwischenmenschliche Begegnung und Gespräch. Und die Umgebung ist urban.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.07.02



verknüpfte Bauwerke
Schulanlage Egerten
5 Villen in Arlesheim
Basellandschaftliche Kantonalbank - Erweiterung

09. Juni 1999Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Sakralbaumeister

Die grosse Tournee, auf die die Ausstellung zum Werk von Rudolf Schwarz (1897-1961) nach ihrem Auftakt in Köln (NZZ, 2. 6. 97) ging, ist zum Schluss in...

Die grosse Tournee, auf die die Ausstellung zum Werk von Rudolf Schwarz (1897-1961) nach ihrem Auftakt in Köln (NZZ, 2. 6. 97) ging, ist zum Schluss in...

Die grosse Tournee, auf die die Ausstellung zum Werk von Rudolf Schwarz (1897-1961) nach ihrem Auftakt in Köln (NZZ, 2. 6. 97) ging, ist zum Schluss in der Schweiz angekommen. Das Architekturmuseum Basel zeigt Photos, Pläne, Modelle und Schriften des deutschen Architekten, der mit Sakral- und Profanbauten - besonders im Raum Köln - Aachen - eine Grösse dieses Jahrhunderts ist. Da Schwarz besonders für die katholische Kirche baute, ist es verständlich, dass er zu den bedeutenden Architekten katholischer Sakralarchitektur in der Schweiz wie Karl Moser (1860- 1936), Fritz Metzger (1898-1973) und Hermann Baur (1894-1980) geistige und persönliche Kontakte hatte. Diesen Aspekt hat Wolfgang Pehnt für die Station in Basel mit Briefen, Schriften und einem Lauftext eigens herausgearbeitet.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich Rudolf Schwarz im Aufsatz «Helvetia docet» (1948) mit Schweizer Gegenwartsarchitektur auseinander. Am intensivsten waren Schwarz' Kontakte mit Hermann Baur und in einer Zeit, als er an Plänen für den Wiederaufbau des schwer kriegszerstörten Köln arbeitete. Bei Besuchen in Basel, wo Baur Kirchen, Wohnbauten, einen Kindergarten oder gerade ein neues Kantonsspital abgeschlossen hatte (1945), soll Rudolf Schwarz eine stille Begeisterung für die intakt gebliebene Stadt gezeigt haben.

Nach dem Schweizer Exkurs zum Auftakt der Ausstellung zeigt man Rudolf Schwarz als Baumeister des Expressionismus, die wichtigen Jahre in Aachen, seine Beiträge zum Sakral- und Profanbau sowie die Rezeptionsgeschichte des Werkes.

Lutz Windhöfel


[ Architekturmuseum in Basel, bis 25. Juli. Der Katalog (Verlag Gerd Hatje) hat 316 Seiten und kostet 48 Franken. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 1999.06.09

04. Juni 1999Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Wohnraum im ehemaligen Silo

Der Hafen am Fluss oder am Meer ist seit den achtziger Jahren im Umbruch. Eine neue Transportlogistik auf der Grundlage der Container macht es heute möglich, dass die gleiche Tonnage weniger Platz für die Lagerung benötigt. Der Raum, der in den Häfen nicht mehr gebraucht wird, wartet auf seine Umnutzung. In London, Rotterdam, Bordeaux, Genua und Barcelona oder in Hamburg, Duisburg, Düsseldorf und Frankfurt am Main hat man aus flussnahen Industriequartieren Raum für Wohn- und Arbeitszwecke gemacht. Zum Stichwort «Wohnen am Wasser» gab es in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe von Publikationen und Ausstellungen.

Der Hafen am Fluss oder am Meer ist seit den achtziger Jahren im Umbruch. Eine neue Transportlogistik auf der Grundlage der Container macht es heute möglich, dass die gleiche Tonnage weniger Platz für die Lagerung benötigt. Der Raum, der in den Häfen nicht mehr gebraucht wird, wartet auf seine Umnutzung. In London, Rotterdam, Bordeaux, Genua und Barcelona oder in Hamburg, Duisburg, Düsseldorf und Frankfurt am Main hat man aus flussnahen Industriequartieren Raum für Wohn- und Arbeitszwecke gemacht. Zum Stichwort «Wohnen am Wasser» gab es in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe von Publikationen und Ausstellungen.


Ausstellung im Baudepartement

Auch vor dem Rheinhafen in Basel, der in der Schweiz die grösste und bedeutendste Anlage dieser Art ist, machte die Entwicklung nicht halt. Hinzu kam, dass der Bund den Kantonen zu Beginn der neunziger Jahre erlaubte, die vorgeschriebenen Lagerbestände für die Landesversorgung zu Krisenzeiten (Lebensmittel, Energieprodukte) stark zu reduzieren. In Basel wurde plötzlich ein grosser Tank der Industriellen Werke nicht mehr benötigt. Hier baut das Nachwuchsteam Miller & Maranta gerade ein Schulhaus. Die Silos im Rheinhafen sind heute unternutzt. Zwei Dozenten des Institut d'Architecture der Universität Genf machten diesen Sachverhalt während zweier Semester mit ihren Studenten zum Thema. Wie kann man im bisherigen Industriequartier wohnen? war die Frage, die Andreas Scheiwiller (von Dolenc Scheiwiller, Basel/Zürich) und Jacques Blumer (Atelier 5, Bern) stellten. Welche Realitäten sind zu beachten, welche Überlegungen und planerischen Schritte sind nötig und möglich? Die Aufgaben, die die Dozenten anboten, umfassten Projekte zur Umnutzung der Silos, Wohnungsbau auf dem Terrain bisheriger Hafenareale sowie Verkehrsplanungen für das künftige Wohnquartier. Die Projekte zu drei Silos, mit denen sich mehrere Studenten beschäftigten, zeitigten die spektakulärsten Ergebnisse.

Im Lichthof des Baudepartementes Basel-Stadt werden die Arbeiten aus Genf nun in einer Ausstellung gezeigt. Das Hochbauamt unterstützt damit die Planungsvorschläge aus der Romandie. Unter dem Titel «Wohnen im Silo - Beiträge zur Entwicklung im Rheinhafen Basel» erscheint eine zweisprachige Begleitpublikation (französisch/ deutsch), die eine qualitative Auswahl der Projekte umfasst, das Vorgehen und das Ziel der Dozenten erläutert und die Geschichte des einstigen Fischerdorfes Kleinhüningen skizziert, wo die Hafenanlagen heute mehrheitlich liegen.


Perspektiven des Hafengebiets

Das Kerngebiet des Hafens wurde 1894 von der Stadt Basel eingemeindet, zu einem Zeitpunkt, als die Entwicklung des lange isoliert liegenden Dorfes bereits fest mit den Industrialisierungsschritten der Stadt verbunden war. Hier entstanden Produktionsstätten der chemischen Industrie, hierher kam aber auch der Rheinhafen, dessen konkrete erste Planungen in die Jahre des Ersten Weltkrieges fallen. 1922 war das Hafenbecken I, 1923 der Silo von Hans Bernoulli fertiggestellt, welcher mit seinem Betonkern und dem aufgemauerten dunklen Klinker zum architektonischen Wahrzeichen des Komplexes wurde. Um das Hafenbecken I sind nun auch die Projekte aus Genf konzentriert. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges schuf man ein weiteres Becken. In die fünfziger Jahre (1951-56) fällt der letzte bauliche Entwicklungsschub. Drei der Silos, zu denen nun Projekte entstanden, wurden in dieser Zeit von den Architekten Bräuning, Leu und Dürig mit den Ingenieuren Aergerter und Bosshardt gebaut.

In Kleinhüningen, das seit etwa 1900 mit dem Stadtraum direkt verbunden ist, liegen Wohn- und Industrieraum eng nebeneinander. Gleiches gilt für den Stadtteil Klybeck, der im Süden näher am Zentrum liegt und dessen Uferzone ebenfalls zum Hafen gehört. In der jüngeren Basler Architekturgeschichte machten die Stadtteile Klybeck und Kleinhüningen durch Wohnungs- und Schulbau auf sich aufmerksam. Wilfried und Katharina Steib realisierten eine mächtige Wohnanlage (Wiesengarten, 1980-87). Ackermann & Friedli verbesserten die pädagogische Infrastruktur (Schulhaus Ackermätteli, 1994-96). Das Grundstück, auf welches Diener & Diener in Kleinhüningen einen Wohnkomplex bauen wollen, liegt neben dem Damm der Wiese. Mächtige Bäume säumen hier das Ufer und haben den Charakter eines Galerienwaldes. - Im Norden berührt Kleinhüningen mit dem Hafenbecken I direkt die Grenze zu Deutschland und das Rheinquartier Weil-Friedlingen. Hier hat man 1998 ein neues Container-Center in Betrieb genommen, dessen elektromagnetischer Kran fast lautlos 48 Tonnen bis zu 24 Meter hoch heben kann. Fünf Container können so aufeinandergestapelt werden.


Eine neue Wohntypologie

Die Themen zum Rheinhafen in Basel, die Scheiwiller seinen Studenten stellte, hiessen im Wintersemester 1997/98 «Bauen am Wasser» (Entwurf eines Verwaltungsgebäudes für einen Containerbahnhof) und ein Jahr später «Wohnen im Silo». Zu diesem machte Daniel Wyss aus Winterthur ein interessantes Projekt. Er nahm den südlichen Silo des Basler Westquais und entwickelte aus der baulichen Struktur des Hauses eine neue Wohntypologie. In den bisherigen Silo werden dreigeschossige Maisonettewohnungen mit schmalen, hohen und teilweise durchgehenden Räumen placiert. Die Wohnungen sind ineinander verschachtelt, was zu einem intensiven Raumerlebnis führt. Da der Grundriss des bestehenden Baus rechteckig ist und eine Gitterstruktur hat, wurde für die Erschliessung in die Längsrichtung vom Dach bis zum Sockelgeschoss ein Gebäudeteil herausgebrochen. Dadurch entstehen zwei Kubaturen. Der trennende Schacht wird auf beiden Seiten verglast. Auf den Schmalseiten erhält dieser Raum, der mit Treppen, Liften und inneren Laubengängen die Zirkulation der Nutzer ermöglicht, Tageslicht. - Auch für die Energieversorgung macht Wyss einen interessanten Vorschlag. Einen länglichen Schachtteil will er in der ganzen Gebäudehöhe mit Wasser füllen und beheizen. Nördlich dieses Wasserschachts liegen die Ateliers, im Süden die projektierten Wohnungen. Der umgenutzte Kubus hat elf Geschosse - wie ein hohes Haus.


[ Ausstellung «Wohnen im Silo?» bis 25. Juni (montags bis freitags, 8 bis 18 Uhr) im Baudepartement, Münsterplatz 11, Basel. - Katalog: Wohnen im Silo? Beiträge zur Stadtentwicklung im Basler Rheinhafen. Hrsg. Université de Genève, Institut d'Architecture, Genf 1999. Frz./dt., 170 S., Fr. 25.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.06.04

12. März 1999Lutz Windhöfel
Neue Zürcher Zeitung

Ein basilikaler Pavillon

Rund zwei Kilometer südlich von ihrem allerersten Haus, das sie 1993 für die Basler Design- Firma Vitra realisierte, hat Zaha M. Hadid, die irakische Architektin...

Rund zwei Kilometer südlich von ihrem allerersten Haus, das sie 1993 für die Basler Design- Firma Vitra realisierte, hat Zaha M. Hadid, die irakische Architektin...

Rund zwei Kilometer südlich von ihrem allerersten Haus, das sie 1993 für die Basler Design- Firma Vitra realisierte, hat Zaha M. Hadid, die irakische Architektin mit Büro in London, im deutschen Weil am Rhein einen Pavillon für die «Grün 99», die diesjährige Gartenschau des Landes Baden-Württemberg, fertiggestellt. Der 140 Meter lange Bau, der 3,4 Millionen Mark kostete, dient während der Schau als Pavillon des veranstaltenden Bundeslandes. Danach soll er als Ausstellungs- und Konferenzhaus einem «Trinationalen Umweltzentrum» dienen.

Zaha Hadid, die in Rom ein Zentrum für Gegenwartskunst bauen soll, wäre nicht die international bekannteste Vertreterin ihrer Zunft, wenn ihre Architektur nicht Bewegung und Tempo repräsentieren würde. Auf dem Bauplatz, der zwischen den Städten Weil (greifbar im Norden) und Basel (sichtbar im Süden) liegt, ist mit der flachen, in der Landschaft liegenden Kubatur (grösste Höhe 6,3 Meter) ein Haus entstanden, das einen dünn bebauten, aber schon zersiedelten «ländlichen Stadtraum» zentriert und ihm ein urbanes Element gibt.

In der Mitte von Hadids neuem Bau liegt ein rampenartiger Weg, auf dem der Besucher die Architektur in der gesamten Länge «überlaufen» kann. Die von Westen her sanft ansteigende 50 Meter lange «Flanierstrasse» verläuft auf dem Dach des Pavillons horizontal und führt über tiefe, unbequeme Tritte eines eleganten Treppenlaufs in die Gartenlandschaft zurück. Hier, im Südosten, liegt die Schauseite der Architektur. Die teilweise gewölbte Fassade der grossen Pavillonhalle hat auf dieser Seite gleich mehrere Eingänge. Grosse Glaspartien geben der expressiven, reinen Gussbetonkonstruktion Licht und Dynamik. Mit Bauelementen in der Form eigenwilliger Geometrien erhält der Bau eine skulpturale Präsenz. Unter dem Spazierweg des Daches liegt im Parterre der Haupteingang, der mit Lichtbalken im Betonboden (eingelegte, von unten beleuchtete Glasplatten) zu Versorgungsräumen und dem Sanitärbereich führt. Die Architektur hat hier in Grund- und Aufriss eine basilikale Struktur. Vom Hauptportal im Nordosten betritt man ein erhöhtes Mittelschiff. Das linke Seitenschiff ist sichtbar. Das rechte liegt hinter einer Wand (hier befinden sich Büros und Tagungsräume) und ist als solches nur auf dem Plan zu erkennen. An beiden Seiten des «Mittelschiffs» hat der Bau zudem Fensterbänder, die an den Obergaden einer Kirche erinnern.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.03.12



verknüpfte Bauwerke
Landesgartenschau Pavillon

Profil

Studium der Kunstgeschichte und politische Geschichte in Basel und Heidelberg, wo Lutz Windhöfel auch promoviert wurde. Er arbeitet als Autor und Journalist für Einzelpublikationen, Jahrbücher und die Presse, und lebt in Basel.

Lehrtätigkeit

Schule für Gestaltung Basel. Vortragstätigkeit an der ETH-Zürich und der Technischen Universität Karlsruhe

Publikationen

Architekturführer Basel: neue Bauten in der trinationalen Stadt seit 1980. Birkhäuser, Basel 2014, ISBN 978-3-03821-393-2.
Chinetik. Reinhardt, Basel 2009, ISBN 978-3-7245-1602-6.
Drei Länder, eine Stadt: neueste Bauten im grenzübergreifenden Stadtraum Basel 1992–1997. Birkhäuser, Basel 1997, ISBN 978-3-7643-5657-6.
Augusto Giacometti: Leben und Werk. Verl. Bündner Monatsblatt, Chur 1991, ISBN 978-3-905241-22-8.
Paul Westheim und Das Kunstblatt: Eine Zeitschrift und ihr Herausgeber in der Weimarer Republik. Dissertationen zur Kunstgeschichte, 35. Böhlau Verlag, Köln 1995, ISBN 978-3-412-04095-6.

Wettbewerbe

Mit Andreas Scheiwiller (Basel) und Yves Lion (Paris) für das Hochhaus der Messe Basel (um 1998). Beratende Tätigkeit für zahlreiche rennomiertr Architektur-Adressen.

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