Details

Presseschau

05. Oktober 2012Der Standard

Ein Steinhaus und viele Fragen

(SUBTITLE) Internationale Architekten über Günther Domenigs Vermächtnis

Steindorf - Dreißig Jahre lang baute Günther Domenig an seinem Steinhaus, nach seinem Tod im Juni fiel es, seinem Willen entsprechend, dem Land Kärnten...

Steindorf - Dreißig Jahre lang baute Günther Domenig an seinem Steinhaus, nach seinem Tod im Juni fiel es, seinem Willen entsprechend, dem Land Kärnten...

Steindorf - Dreißig Jahre lang baute Günther Domenig an seinem Steinhaus, nach seinem Tod im Juni fiel es, seinem Willen entsprechend, dem Land Kärnten als Begünstigtem seiner Stiftung zu. Was damit geschehen soll, ist ungewiss.

Unter dem Titel Never again resistance? suchten internationale Stararchitekten bei einem Workshop im Steinhaus nach Antworten. „Ein extremes Haus, das nach extremer Nutzung schreit“, sagt der gebürtige Steirer Mark Mack, Architekturprofessor in Los Angeles. Er verweist auf Jazzkonzerte und Happenings, die Domenig im Steinhaus veranstaltete. Es eigne sich aber auch für Artists-in-Residence-Programme. Oder, wie Kurt W. Forster (Yale School of Architekture, New Haven) vorschlägt, für experimentelle Literatur-, Theater- und Filmfestivals:

„Das Steinhaus verändert unsere Sicht auf Architektur, führt uns zu einem völlig neuen Verständnis des Lebens. Es ist eine Wundertüte an Erfahrungen, eine Geisterbeschwörung, weil ständig Grenzen überschritten werden.“

Hernán Díaz-Alonso, der u. a. an der New Yorker Columbia University lehrt, würde es bewohnen. Das entspräche am ehesten Domenigs Intention. Er sah das Steinhaus primär als bewohnbare Skulptur, deren Nutzen zweitrangig ist.

Einig waren sich alle, dass es kein Museum werden dürfe. Stiftungsvorstand Peter Noever: „Das Steinhaus ist eine radikale Auseinandersetzung mit Architektur, wie sie nie in einem Museum stattfinden könnte.“ Öffentliche Nutzung ja - aber „es wird nie eine Cashcow werden und soll es auch nicht“.

Laut Stiftungsvorstand Wolfgang Rausch würde das Steinhaus jährlich etwa 70.000 bis 100.000 Euro benötigen. Vor allem aber einen „magister ludi“, eine Art Spielmeister, der es im Geiste Domenigs zu bespielen weiß.

15. August 2012Andrea Schurian
Der Standard

Ungewisse Zukunft für kühne Architektur

Nach dem Tod des im Juni verstorbenen Architekten Günther Domenig geht dessen Steinhaus in den Besitz des Landes Kärnten über. Wie die Politik mit diesem großzügigen Geschenk umgeht, ist allerdings eher beschämend

Nach dem Tod des im Juni verstorbenen Architekten Günther Domenig geht dessen Steinhaus in den Besitz des Landes Kärnten über. Wie die Politik mit diesem großzügigen Geschenk umgeht, ist allerdings eher beschämend

Steindorf am Ossiacher See - Fix ist offenbar nur eines: dass der im Juni verstorbene Jahrhundertarchitekt Günther Domenig von der kleinen Gemeinde Steindorf am Ossiacher See am 23. August die posthume Ehrenbürgerschaft verliehen bekommt. Immerhin. Ein kleiner Dank, dass er in dem verschlafenen Ferienörtchen seine atemberaubende Symphonie aus Beton, Glas und Stahl verwirklicht hat. Was allerdings mit diesem Baukunstwerk künftig passiert, ist eher ungewiss.

Sicher, in Kärnten hat man derzeit gröbere politische Zores, vor allem auch der dafür zuständige Finanz- und Kulturlandesrat Harald Dobernig muss mit allerhand Unschuldsvermutungen kämpfen. Und dann ist natürlich Urlaubszeit, weshalb es mit Rückrufen seines Büros nicht so recht klappen will. Dabei gäbe es allerhand zu besprechen: etwa ob ein Verkauf, der gerüchteweise durch die Architekten- und Kulturszene geistert, tatsächlich vom Tisch ist. Womöglich will man ja die dank Hypo und korrupter Politiker leere Landeskasse wieder auffüllen. Laut Stiftungsstatuten geht mit dem Tod Domenigs das Steinhaus in den Besitz des Landes über.

Schweigen in Kärnten

Was der Bund übrigens so versteht, dass er sich für eine adäquate Nutzung weiters nicht einzusetzen braucht: Die Ministerin ließ ausrichten, dafür sei ausschließlich das Land Kärnten zuständig. Und da schweigt man; eventuell verändern sich ja nach Wahlen die politischen Zuständigkeiten.

Die Einzigen, die reden, sind Georg Wald vom Architekturhaus Kärnten, der ein detailliertes Nutzungsprogramm in der Lade hat. Und Erhard Blaßnig und Andrea Pecile, die mit ihrem Marketing Feldkirchen das Steinhaus bisher betreuen. Als operative Geschäftsführer im Auftrag der Günther-Domenig-Privatstiftung veranstalten sie Führungen, vermieten das Haus an Universitäten, Kongresse. Und veranstalten im Sommer die Steinhaus-Sommerfestivals mit einem bunt durchmischten Programm, Konzerte, Lesungen, Ausstellungen (derzeit etwa die sehenswerte mit Werken von Helmut Swoboda, Johann Julian Taupe und Peter Dörflinger). 1500 Euro bekommen sie monatlich von der Stiftung.

Mehr als 100.000 Euro für Künstlergagen, Infrastruktur und Werbung finanzieren Blaßnig und Pecile vor, die Privatstiftung übernimmt etwa 25.000 Euro Ausfallshaftung. Subventionen gibt es keine, die Spesen müssen an der Eintrittskasse eingenommen werden. Ab und zu lassen private Sponsoren ein paar Tausender springen. Nach dem Tod Domenigs haben weder Stiftung noch Land es bisher der Mühe wert befunden, mit den beiden Marketingleuten Kontakt aufzunehmen.

„Wir sitzen auf Nadeln“, sagt Blaßnig, zur Zukunft des Steinhauses befragt. „Wir hängen im luftleeren Raum. Gespräche, ob wir weitertun dürfen, wird es hoffentlich im September geben.“

Dass sie gern weitertun würden, daran lässt er keinen Zweifel. Sicher könne man das Sommerprogramm optimieren, man wolle künftig mehr mit der Carinthischen Musikakademie und dem Carinthischen Sommer kooperieren, sagt er. Letzterer ist allerdings als Untermieter abhandengekommen: In der breiten Angebotspalette zwischen Adi Peichl (16. 8.) und Axel Zwingenberger (25. 8.) fühlt sich der selber ums Überleben kämpfende CS fremd.

Den Anspruch auf Exklusives will der Architekt Georg Wald, beziehungsweise das Architekturhaus Kärnten, erfüllen: Man wolle mit der Ingenieurskammer kooperieren, internationale Symposien veranstalten, Gaststipendiaten einladen, ein Residenzmodell entwickeln, wonach architekturversierte Menschen im Steinhaus wohnen und Interessenten jederzeit durch das Gebäude führen. „Wir würden das Haus mieten, dieser Aufwand müsste natürlich gefördert werden. Weil wir wissen, wie hoch der Energieaufwand ist, kommt aber kein Winterbetrieb infrage - das gilt auch für den Residenzbetrieb.“

Dafür wäre nötig, dass das Land und der Bund Geld in die Hand nehmen und das Steinhaus ordentlich dotieren. Die nächste Förderung, so Wald optimistisch, werde besser ausfallen. Der Betrieb von Architektur- und Steinhaus solle zu gleichen Teilen von Bund und Land subventioniert werden: Das sind laut Kulturbericht derzeit schmähliche 5000 Euro vom Land fürs Steinhaus. Pro Jahr. Vom Bund gab es laut Blaßnig bisher gar keine Unterstützung.

Nun führt Wald mit dem Land Gespräche: „Natürlich geht es da auch um die Förderhöhe.“ Schon nächstes Jahr wolle man das Steinhaus „anders anpacken. Andere Angebote schaffen.“ Das Marketing Feldkirchen könne dabei, jedenfalls aus seiner Sicht, durchaus mit im Boot sein.

Ob das auch für die derzeitigen Stiftungsvorstände (Ex-Mak-Direktor Peter Noever, Anwalt Hannes Pflaum, Wirtschaftsberater Adolf Rausch) gilt, ist ungewiss. Auch mit ihnen hat das Land Kärnten noch nicht über die Zukunft geredet.

Vermutlich wird man mehr wissen, wenn die Ferienzeit vorbei ist: ob und wann es Neuwahlen in Kärnten gibt. Und was mit dem Steinhaus passiert. Vom 24. bis 29. September zeigt jedenfalls Peter Noever, wie es ginge: In memoriam Günther Domenig lädt Noever unter dem etwas sperrigen Titel Never Again Resistance internationale Kapazunder wie etwa Hitoshe Abe, Hernan Diaz-Alonso, Steven Holl, Mark Mack und Thom Mayne zu einem hochkarätigen Workshop ins Steinhaus.

11. Oktober 2008Karin Tschavgova
Spectrum

Der Monolith

Persönliche Spurensuche und private Obsession: das Steinhaus von Günther Domenig. Ein Werk, das sich einfachen Deutungen widersetzt. Zur Fertigstellung einer singulären künstlerischen Leistung.

Persönliche Spurensuche und private Obsession: das Steinhaus von Günther Domenig. Ein Werk, das sich einfachen Deutungen widersetzt. Zur Fertigstellung einer singulären künstlerischen Leistung.

Ein Rastloser war der eine, der täglich viele Kilometer weit zu Fuß unterwegs war, um die Post auszutragen. Aus den Motiven der Ansichtskarten, die er verteilte, imaginierte sich der französische Briefträger Ferdinand Cheval im Gehen ein Bild der Welt, das er in einem fantastischen Bauwerk verwirklichen wollte. Beharrlich und unbeirrbar realisierte er gegen viele Widerstände ab 1879 in seinem kleinen Obstgarten den Traum vom „Palais Ideal“. Aus Steinen, die er auf seinem täglichen Weg einsammelte, formte er mehr als 30 Jahre lang ein bizarres Monument privater Obsession – 26 Meter lang, zwölf Meter breit, bis zu zehn Meter hoch. Nach einer ersten Würdigung durch die Surrealisten verfiel es in einen Dornröschenschlaf, bis es 1969 der Schriftsteller und damalige Kulturminister André Malraux als eines der großen historischen Monumente Frankreichs unter Denkmalschutz stellen ließ. Heute ist es eine Touristenattraktion.

Ein Ruheloser, Suchender auch der andere, der sich bald nach Beginn seiner Berufslaufbahn gegen den Zeitgeist und für den Weg eines sehr persönlichen, emotionalen Ausdrucks in der Architektur entschieden hat.

Alle wesentlichen Arbeiten des Architekten Günther Domenig lassen sich als Absicht interpretieren, individuellen Gefühlen in gebauter Form Gestalt zu verleihen. Es sind expressive Gesten wie die Zentralsparkasse in Wien-Favoriten (1974–1979), mit der die internationale Fachwelt erstmals auf Domenig aufmerksam wurde. Doch im Wien der 1970er-Jahre, in dem die Postmoderne den Ton angab, wurde dem Architekten, der für sich reklamierte, Künstler zu sein, mit Skepsis und offener Ablehnung begegnet.

Daraus entstand der unbändige Wunsch, uneingeschränkt, ohne äußere Widerstände und Fremdbestimmung auf eigenem Grund und Boden seine Architektur entstehen zu lassen. Günther Domenig setzte alles daran, diese Vision umzusetzen. Es brauchte beinahe 30 Jahre, bis das Steinhaus in Steindorf am Ossiacher See realisiert werden konnte. Vergangenen Sonntag wurde nun das intimste, enigmatischste Gebäude Domenigs in einem Festakt mit viel Prominenz und zahlreichen Huldigungen von Architektenkollegen eröffnet. Schweigend, müde, erstaunt sah der Architekt dem Treiben zu. Bis ein Bauwerk fertig ist, meinte Raimund Abraham, ist es das Eigentum des Architekten, danach gehört es sich selbst. An diesem strahlenden Herbsttag des Jahres 2008 schienen sich andere des Hauses, das nur mit finanzieller Unterstützung des Landes Kärnten und des Bundes fertiggestellt werden konnte, bemächtigt zu haben. Das Steinhaus wurde in eine Stiftung eingebracht, die es verwalten wird und als Seminarraum für Architekturworkshops und als Tagungsort nützen will.

Der Architekt selbst hat immer betont, dass das Steinhaus eine Skulptur aus Beton, Glas und Stahl ist, deren Nutzen zweitrangig ist. Das ist legitim, weil der Architekt als Bauherr niemandem als sich selbst verpflichtet war. In der Architektur- und Kunstgeschichte findet man einige dieser gebauten Universen. Ob Gaudís „Sagrada Familia“ in Barcelona, Paolo Soleris „Arcosanti“ oder James Turells „Roden Crater“ (beide in Arizona) – sie alle entziehen sich gängigen Kriterien der Bewertung von Architektur. Fragen nach der Einfügung in die Landschaft oder das Ortsbild, nach Funktionalität oder der Ökonomie des Bauens greifen für solche künstlerischen Einzelleistungen zu kurz.

Domenigs Steinhaus ist ein vielschichtiges Gebilde, das mehrere Lesarten zulässt. Die Bedeutungsinhalte, die sein Ersinner dem Ganzen und jedem seiner Teile gegeben hat, offenbaren sich dem Betrachter dennoch nicht leicht. Nicht nur seine Entstehungsgeschichte, auch das Bauwerk selbst ist ein intimer Ausdruck der Persönlichkeit des Architekten, und so wäre wohl eher eine psychoanalytische Betrachtung des Werks denkbar. Andererseits: Trotz expressionistischem Habitus bewahrt das Haus eine gewisse Hermetik, so, als wolle sich Domenig gegen platte Interpretationen seiner in die Sprache der Architektur gebrachten Gefühle verwahren. Domenig selbst erklärt seinen Entwurf aus dem Studium der Berge, Felsformationen und Steine seiner Mölltaler Heimat und aus der Tradition alpiner landwirtschaftlicher Nutzbauten aus Holz und einem Sockel aus Bruchsteinen. In zahlreichen Zeichnungen, die 1980 auf der Alm entstanden sind, behandelt Domenig diese Motive, entwickelt sie weiter zu ersten Skizzen eines Bauwerks auf dem Seegrund, den die Großmutter ihm und seinem Zwillingsbruder vererbt hat. In einer noch wenig abstrahierten Form kann man darin Hügel entdecken, aus denen Felsen brechen, Steine in exponierter Lage, Schluchten und Wege, die sich durch schroffe Wände bahnen.

Zeichnungen haben Titel wie Zerbrechungen, Aufbruch, Kampfgrenze. In den Jahren danach verfeinert Domenig das Projekt, komponiert die drei Schwebesteine um die geknickte zentrale Längsachse mit den Haupträumen und entwickelt Konstruktionsansätze. Nach einer entscheidenden Phase der Geometrisierung, die dem Bauwerk die vom Architekten intendierte notwendige Schärfe gibt (mit Hilfe von Geometern in Ermangelung von Computerprogrammen, die zu dieser Zeit noch nicht verfügbar waren), steht die endgültige Fassung 1986 fest. Domenig, der seit 1980 an der TU Graz lehrte, hat die finanzielle Absicherung, um mit den Betonbauarbeiten beginnen zu können. Stufenweise, in mehreren Planungs- und Bauphasen, wird weiter experimentiert, werden Konstruktionen für die Schwebesteine in Stahl ersonnen, wird detailliert und baubar gemacht.

Betrachtet man das Steinhaus im Kontext zu anderen Bauten, die als Schlüsselwerke des Œuvres von Domenig und als Basis seines internationalen Stellenwerts gesehen werden können, so treten die Analogien zur heimatlichen Landschaft als formgebende Inspiration in den Hintergrund. An ihre Stelle treten „Signifikate“, wie sie Raffaele Raja in einem Essay über Günther Domenig benennt – gebaute Charakteristika, die in immer von Neuem entwickelter Form vor allem Domenigs im Alleingang entwickelte Bauten kennzeichnen.
Verstärkt werden diese Elemente, die wir aus der Strömung der Dekonstruktion kennen, durch ihre Benennung: Spannungen, Brechungen, Durchdringungen, Zerklüftungen, Knickungen, Risse implizieren Zerstörung, etwa von Monumentalität und Axialität, aber auch von Traditionen und starrer Hierarchie. Im Dokumentationszentrum in Nürnberg hat Domenig mit dem Pfahl, den er durch das monumentale Bauwerk des Reichsparteitags gebohrt hat, bildhaft die Ideologie der Nazis zerbrochen und dabei auch seine eigene Jugend im Geiste einer nationalsozialistischen Erziehung verarbeitet. Einige der immer wieder von ihm verwendeten Begriffe lassen sich mehrfach deuten. Nicht nur martialische Zerstörung, auch lebenserhaltende Dynamik spricht aus ihnen und – was jene erstaunen wird, die Domenig als einen nie um eine Beleidigung verlegenen Polterer kennengelernt haben – Fragilität, Unsicherheit, labiles Gleichgewicht.

Dass auch ein scheinbar Unzähmbarer wie Domenig nach Harmonie strebt, sprach Carl Pruscha an. Er wies darauf hin, dass dieser in seiner Arbeit lange Zeit nur das Dreieck und Quadrat verwendete und den Kreis vermied, um letztlich im zylindrischen Grundwasserspeicher am tiefsten Punkt seines Hauses doch dieses Symbol des Ausgleichs einzubauen.

06. Oktober 2008Die Presse

Steinhaus von Günther Domenig eröffnet

Nach 22 Jahren Bauzeit ist das Gebäude am Ossiacher See fertig. Es soll als „Werkstätte“ für Kultur genutzt werden.

Nach 22 Jahren Bauzeit ist das Gebäude am Ossiacher See fertig. Es soll als „Werkstätte“ für Kultur genutzt werden.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Die Presse“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

06. Oktober 2008Elisabeth Steiner
Der Standard

Ein „Ungetüm“, das zu einem Manifest wurde

Günther Domenigs Steinhaus wurde eröffnet

Günther Domenigs Steinhaus wurde eröffnet

Steindorf - Es bricht wie ein Fels aus dem Grün hervor und ist gleichzeitig Natur und Architektur. Günther Domenigs Steinhaus, das Vermächtnis seines Architekturschaffens und seiner persönlichen Auseinandersetzung „mit der festhaltenden Hartnäckigkeit“ seines Heimatlandes Kärnten, die er „zertrümmern“ wollte, wurde eröffnet.

Viel Prominenz aus Kunst und Kultur, darunter Architektenkollegen Thom Mayne, Wolf D. Prix, Hans Hollein oder Sir Peter Cook nebst den Malern Hans Staudacher, Giselbert Hoke, Sammler Herbert Liaunig et cetera erwiesen Domenig, der beim Fest anwesend war, ihre Referenz. Standard-Kolumnist Gerfried Sperl moderierte die Eröffnung.

Es brauchte 22 Jahre, um Domenigs zu Stein gewordenen „poetischen Traum“ umzusetzen. Ablehnung und Unverständnis begleiteten das wachsende „Ungetüm“ in der Gemeinde Steindorf lange Jahre. So verunsichert war man einst, dass man das Bauwerk, das heute zu den weltweit bedeutendsten Baudenkmälern der Architektur zählt, sogar in Fremdenverkehrsprospekten wegretuschieren ließ. Heute zählen sich freilich auch jene Politiker - vor allem Freiheitliche - die es anfangs heftig bekämpften, zu seinen Bewunderern.

400.000 Euro stellt das Land Kärnten bereit, um den Bau des Steinhauses, der Domenig finanziell völlig über den Kopf gewachsen war, vollenden zu können. Der Bund, vor allem der damalige Kunststaatssekretär Franz Morak, zeigte sich ebenfalls generös und steuerte 700.000 Euro bei.

Das Land Kärnten wird denn auch die Privatstiftung „Steinhaus-Günther Domenig“ übernehmen. Kulturreferent und Landeshauptmann Jörg Haider bezeichnete das Steinhaus als „außergewöhnliches, revolutionäres Bauwerk“, mit dem Domenig an die Grenzen der Architektur gegangen sei. Haider will das Steinhaus als Alternativstandort zum Carinthischen Sommer nützen. Es soll auch eine internationale „Werkstätte“ für Architektur, Kunst, aber auch Firmenpräsentationen werden.

Kulturministerin Claudia Schmied sieht im Steinhaus ein „Symbol“ für ihre Kulturpolitik: „Stätte der Begegnung zu sein, der Kontroversen und des Widerspruchs, so wie auch Kärnten ein Ort der Vielfalt der Kulturen ist, ohne uns die Identität zu nehmen.“

03. Oktober 2008Ute Woltron
Der Standard

Schnittiger Bolide aus Fels

Günther Domenigs Steinhaus in Steindorf am Ossiacher See wurde nach mehr als zwei Jahrzehnten tatsächlich fertiggestellt. Am kommenden Sonntag, zu Mittag, wird es mit einem großen Fest eröffnet.

Günther Domenigs Steinhaus in Steindorf am Ossiacher See wurde nach mehr als zwei Jahrzehnten tatsächlich fertiggestellt. Am kommenden Sonntag, zu Mittag, wird es mit einem großen Fest eröffnet.

Ob er auf das Fest kommen wird, steht noch nicht fest. Viele Leute werden da sein, viele Ansprachen und Huldigungen internationaler Architekturgrößen wird es geben, Live-Musik aus Kuba wird die Stimmung befördern. Doch Günther Domenig, 74 und einer der kantigsten Architekten Österreichs, hat sich in letzter Zeit eher rargemacht. Er hat mit heurigem Sommer sein Steinhaus fertiggebaut, sein Lebenswerk vollendet - und es ist, als ob er mit der Vollendung dieses Kraftakts all das, wofür er steht, jetzt freigibt an die Welt. Es ist wie ein Loslassen, ein Hinausschicken seiner selbst in die Weltenläufe.

Das anfangs heftig umstrittene, von Anrainern und Gemeindehäuptlingen so ungern gelittene Stück wilder freiheitsliebender Architektur, an dem der in Kärnten geborene Architekt seit den frühen 80er-Jahren für sich gearbeitet hat, wird nicht allein sein Haus sein. Der mit keinen gängigen Maßstäben der Architekturkritik auslotbare Bau wird öffentlich genutzt werden: Als Seminarstätte für internationale Architekturschulen, als exquisiter Tagungs- und Veranstaltungsort für Unternehmen, die das Denken ihrer Mitarbeiter in etwas andere Richtungen lenken wollen.

Dafür eignet sich das Gebäude bestens, in allen Ecken, Kanten, Kurven und Niveaus legt es bloß, dass alles ganz anders gedacht und gemacht werden kann, als der Mainstream vorgibt. Es hat in sich eine Art Raserei, die am besten live erlebt werden muss. Es wirkt wie eine spektakuläre Landschaft aus Fluchten, Schluchten, Felsen und Höhlen, gemacht aus Beton, Stahl und Glas. Nackt, ohne Farbe, ohne jedes Vertuschen. Räume und Geschoßebenen fließen ineinander, üben eine Sogwirkung auf die Betrachter aus, der sich keiner entziehen kann.

Schockierend radikal

Das Steinhaus ist wie ein Architektur gewordener Bolide, wie die in eine andere Dimension transformierte Geschwindigkeit und Bewegung. Man mag es expressionistisch nennen oder dekonstruktivistisch. Tatsächlich ist es „ein Spiegelbild von Domenig selbst“, wie es der kalifornische Architektur-Superstar Thom Mayne ausdrückt: „Indem es ihm gelingt, eine Brücke zwischen Poesie und räumlicher Erfahrung zu schlagen, verlässt Domenigs Architektur die nüchterne Sachlichkeit und lädt uns zum Träumen ein.“

„Die Menschen“, sagt Domeninig, „sind nicht viereckig. Sie denken und fühlen nicht viereckig. Sie bilden auch als Gesellschaft nicht Gruppen von Stapelware.“ Welcher Architekturschule er sich zugehörig fühle, fragte ihn der Standard einmal. Er antwortete: „Das ist mir im Prinzip wurscht. Ich habe mich nie besonders für Architekturgeschichte interessiert oder daraus Ansätze bezogen. Ich mache einfach meine Arbeit.“

Im Falle des Steinhauses machte er sie ohne die normenden Kräfte einer Bauherrschaft. Die Baustelle am Ossiacher See war stets Experimentierfeld und Labor für den charismatischen Mann. Als Architekt, so meint er, würde man für Klienten arbeiten, deren Wünschen und Bedenken man kritisch oder als Erfüllungsgehilfe begegnen könne: „Ein Künstler hingegen bestimmt die Dimension des Inhalts allein. Letzteres erlebe ich mit meinem Steinhaus.“

International bekannt wurde er Anfang der 70er-Jahre mit der für ihre Zeit schockierend radikalen Z-Filiale in der Wiener Favoritenstraße. Weitere Meilensteine sind das T-Mobile Haus an der Wiener Südosttangente, vor allem aber das großartige NS-Dokumentationszentrum in Nürnberg.

Domenig unterrichtete an der TU-Graz, machte Bühnenbilder und Skulpturen, blieb ein brachialer, sympathischer Einzelgänger.

[ Steinhaus-Eröffnungfest, Steindorf/Ossiacher See, Uferweg 31, 5. Oktober, 12.30 Uhr. ]

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1