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15. Mai 2014Andrea Schurian
Der Standard

Neue Zeitrechnung am See

Günther Domenigs Steinhaus wird nun vom Architektur Haus Kärnten betreut. Am Wochenende startet das Programm

Günther Domenigs Steinhaus wird nun vom Architektur Haus Kärnten betreut. Am Wochenende startet das Programm

Steindorf am Ossiacher See - Verkaufen? Vermieten? Vermarkten? Als Günther Domenig im Juni 2012 starb, herrschte seitens des Landes Kärnten Ratlosigkeit, was mit seinem kühnen Baukunstwerk am Ossiacher See geschehen sollte. Schon zu seinen Lebzeiten hat die Günther Domenig Privatstiftung das Feldkirchen Marketing mit der Vermarktung und Bespielung des Steinhauses betraut.

Das Land, in dessen Besitz diese spektakuläre Symphonie aus Glas, Beton und Stahl laut Stiftungsstatuten überging, war mit Subventionen allerdings mehr als knausrig. 5000 Euro gab es aus Landestöpfen, vom Bund gleich gar nichts. Das rigide Sparbudget musste mit Events, Workshops, Führungen, Konzerte sowie Zuwendungen der Stiftung aufgebessert werden.

Nun, zwei Jahre nach dem Tod des Architekten im Juni 2012, ist nicht mehr Feldkirchen Marketing zuständig, sondern das Architektur Haus Kärnten.

Georg Wald, Vorstand des Architektur Hauses, hatte schon vor zwei Jahren ein detailliertes Nutzungsprogramm ausgearbeitet, das nun zum Tragen kommt. Das außergewöhnliche Haus am See soll als Architekturlabor für internationale Universitäten fungieren sowie als Diskursort für Kulturveranstaltungen und experimentelle Kunst, für Workshops und Vortragsreihen mit Referenten aus aller Welt genutzt werden.

Die neue Zeitrechnung im - noch - verschlafenen Ferienörtchen beginnt, auch wenn das Wetter nicht ganz mitspielt, Freitag mit einer Schifffahrt. Haltestellen werden bei alten und neuen Architekturkostbarkeiten eingebaut, etwa beim Stift Ossiach. Oder eben beim Steinhaus.

Da findet, durchaus passender zum aktuellen Kärnten-Wetter, die Ausstellung Kalt und Warm über Anknüpfungspunkte zwischen Tourismus und Architektur statt.

Der Standard, Do., 2014.05.15

15. August 2012Andrea Schurian
Der Standard

Ungewisse Zukunft für kühne Architektur

Nach dem Tod des im Juni verstorbenen Architekten Günther Domenig geht dessen Steinhaus in den Besitz des Landes Kärnten über. Wie die Politik mit diesem großzügigen Geschenk umgeht, ist allerdings eher beschämend

Nach dem Tod des im Juni verstorbenen Architekten Günther Domenig geht dessen Steinhaus in den Besitz des Landes Kärnten über. Wie die Politik mit diesem großzügigen Geschenk umgeht, ist allerdings eher beschämend

Steindorf am Ossiacher See - Fix ist offenbar nur eines: dass der im Juni verstorbene Jahrhundertarchitekt Günther Domenig von der kleinen Gemeinde Steindorf am Ossiacher See am 23. August die posthume Ehrenbürgerschaft verliehen bekommt. Immerhin. Ein kleiner Dank, dass er in dem verschlafenen Ferienörtchen seine atemberaubende Symphonie aus Beton, Glas und Stahl verwirklicht hat. Was allerdings mit diesem Baukunstwerk künftig passiert, ist eher ungewiss.

Sicher, in Kärnten hat man derzeit gröbere politische Zores, vor allem auch der dafür zuständige Finanz- und Kulturlandesrat Harald Dobernig muss mit allerhand Unschuldsvermutungen kämpfen. Und dann ist natürlich Urlaubszeit, weshalb es mit Rückrufen seines Büros nicht so recht klappen will. Dabei gäbe es allerhand zu besprechen: etwa ob ein Verkauf, der gerüchteweise durch die Architekten- und Kulturszene geistert, tatsächlich vom Tisch ist. Womöglich will man ja die dank Hypo und korrupter Politiker leere Landeskasse wieder auffüllen. Laut Stiftungsstatuten geht mit dem Tod Domenigs das Steinhaus in den Besitz des Landes über.

Schweigen in Kärnten

Was der Bund übrigens so versteht, dass er sich für eine adäquate Nutzung weiters nicht einzusetzen braucht: Die Ministerin ließ ausrichten, dafür sei ausschließlich das Land Kärnten zuständig. Und da schweigt man; eventuell verändern sich ja nach Wahlen die politischen Zuständigkeiten.

Die Einzigen, die reden, sind Georg Wald vom Architekturhaus Kärnten, der ein detailliertes Nutzungsprogramm in der Lade hat. Und Erhard Blaßnig und Andrea Pecile, die mit ihrem Marketing Feldkirchen das Steinhaus bisher betreuen. Als operative Geschäftsführer im Auftrag der Günther-Domenig-Privatstiftung veranstalten sie Führungen, vermieten das Haus an Universitäten, Kongresse. Und veranstalten im Sommer die Steinhaus-Sommerfestivals mit einem bunt durchmischten Programm, Konzerte, Lesungen, Ausstellungen (derzeit etwa die sehenswerte mit Werken von Helmut Swoboda, Johann Julian Taupe und Peter Dörflinger). 1500 Euro bekommen sie monatlich von der Stiftung.

Mehr als 100.000 Euro für Künstlergagen, Infrastruktur und Werbung finanzieren Blaßnig und Pecile vor, die Privatstiftung übernimmt etwa 25.000 Euro Ausfallshaftung. Subventionen gibt es keine, die Spesen müssen an der Eintrittskasse eingenommen werden. Ab und zu lassen private Sponsoren ein paar Tausender springen. Nach dem Tod Domenigs haben weder Stiftung noch Land es bisher der Mühe wert befunden, mit den beiden Marketingleuten Kontakt aufzunehmen.

„Wir sitzen auf Nadeln“, sagt Blaßnig, zur Zukunft des Steinhauses befragt. „Wir hängen im luftleeren Raum. Gespräche, ob wir weitertun dürfen, wird es hoffentlich im September geben.“

Dass sie gern weitertun würden, daran lässt er keinen Zweifel. Sicher könne man das Sommerprogramm optimieren, man wolle künftig mehr mit der Carinthischen Musikakademie und dem Carinthischen Sommer kooperieren, sagt er. Letzterer ist allerdings als Untermieter abhandengekommen: In der breiten Angebotspalette zwischen Adi Peichl (16. 8.) und Axel Zwingenberger (25. 8.) fühlt sich der selber ums Überleben kämpfende CS fremd.

Den Anspruch auf Exklusives will der Architekt Georg Wald, beziehungsweise das Architekturhaus Kärnten, erfüllen: Man wolle mit der Ingenieurskammer kooperieren, internationale Symposien veranstalten, Gaststipendiaten einladen, ein Residenzmodell entwickeln, wonach architekturversierte Menschen im Steinhaus wohnen und Interessenten jederzeit durch das Gebäude führen. „Wir würden das Haus mieten, dieser Aufwand müsste natürlich gefördert werden. Weil wir wissen, wie hoch der Energieaufwand ist, kommt aber kein Winterbetrieb infrage - das gilt auch für den Residenzbetrieb.“

Dafür wäre nötig, dass das Land und der Bund Geld in die Hand nehmen und das Steinhaus ordentlich dotieren. Die nächste Förderung, so Wald optimistisch, werde besser ausfallen. Der Betrieb von Architektur- und Steinhaus solle zu gleichen Teilen von Bund und Land subventioniert werden: Das sind laut Kulturbericht derzeit schmähliche 5000 Euro vom Land fürs Steinhaus. Pro Jahr. Vom Bund gab es laut Blaßnig bisher gar keine Unterstützung.

Nun führt Wald mit dem Land Gespräche: „Natürlich geht es da auch um die Förderhöhe.“ Schon nächstes Jahr wolle man das Steinhaus „anders anpacken. Andere Angebote schaffen.“ Das Marketing Feldkirchen könne dabei, jedenfalls aus seiner Sicht, durchaus mit im Boot sein.

Ob das auch für die derzeitigen Stiftungsvorstände (Ex-Mak-Direktor Peter Noever, Anwalt Hannes Pflaum, Wirtschaftsberater Adolf Rausch) gilt, ist ungewiss. Auch mit ihnen hat das Land Kärnten noch nicht über die Zukunft geredet.

Vermutlich wird man mehr wissen, wenn die Ferienzeit vorbei ist: ob und wann es Neuwahlen in Kärnten gibt. Und was mit dem Steinhaus passiert. Vom 24. bis 29. September zeigt jedenfalls Peter Noever, wie es ginge: In memoriam Günther Domenig lädt Noever unter dem etwas sperrigen Titel Never Again Resistance internationale Kapazunder wie etwa Hitoshe Abe, Hernan Diaz-Alonso, Steven Holl, Mark Mack und Thom Mayne zu einem hochkarätigen Workshop ins Steinhaus.

Der Standard, Mi., 2012.08.15



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Steinhaus

17. Juli 2012Andrea Schurian
Der Standard

Walter Pichler gestorben

Einer der konsequentesten Künstler des Landes erlag am Montag 75-jährig seiner schweren Krankheit

Einer der konsequentesten Künstler des Landes erlag am Montag 75-jährig seiner schweren Krankheit

Raum, Proportionen, Erinnerung, Licht und vor allem Zeit waren die Werkstoffe, aus denen Walter Pichler sein einzigartiges Universum aus Modellen, Skulpturen und Häusern zeichnete und in der Werkstatt baute: „Wenn die Hände beschäftigt sind, ist der Kopf frei. Ich bin kein abstrakter Denker, keiner, der tagelang in sich hineinhorcht. Deshalb arbeite ich gern manuell.“

1971 kaufte der stets in elegantes Tuch gekleidete Künstler ein altes Bauernhaus im burgenländischen St. Martin an der Raab, fünf Hektar Grund für 240.000 Schilling (umgerechnet rund 17.000 Euro), ein Traumgrundstück im Sonderangebot, „das Haus haben sie mir dazugeschenkt. Wenn die Baggerstunde nicht so teuer gewesen wäre, hätten sie es längst weggeschoben“.

Noch am selben Tag zog er ins baufällige Haus ein und begann sein Lebenswerk: Heimstätten zu bauen für seine Skulpturen, feierliche Behausungen oder, genauer gesagt, Häuser-Kompositionen in genau ausgeklügelten Proportionen, mit exakt berechneten Lichteinfällen, perfekten Dimensionen und Relationen für den Großen und den Kleinen Bruder beispielsweise, für die Schädeldecken, den Aufpasser und für die Bewegliche Figur. „Es stellt sich ja die Frage: wo beginnt die Plastik. Wo hört sie auf? Alles hier entspricht exakt meinen Vorstellungen. Ich wollte immer Häuser für meine Skulpturen machen, weil es nur konsequent ist, dass sie ihren idealen Platz, optimale Lichtverhältnisse haben. Außerdem muss man dann auch nicht mehr so viel erklären, sondern braucht nur zu zeigen: So schaut es aus.“

Geboren am 1. Oktober 1936 in Deutschnofen in Südtirol in eine Handwerkerfamilie, hielt sich Pichler von kleinan gern in der Werkstatt auf, wusste früh um die Bedeutung der Zeichnung: „Ich wundere mich immer über die Genies, die so viele Möglichkeiten haben; das habe ich nicht - aber Ich habe glücklicherweise das erwischt, wo ich am weitesten kommen kann. Ich wäre ein erbärmlicher Dichter und ein noch erbärmlicherer Musiker.“

In den 1960er Jahren interessierte ihn vor allemdie Baukunst, in dünnstrichigen Architekturzeichnungen entwickelte er gemeinsam mit Hans Hollein und Raimund Abraham die Visionary Architecture, die 1967 im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt wurde; ein Jahr später wurde Pichler zur Documenta in Kassel eingeladen. Er lebte in Paris, New York und Mexiko und vertrat 1982 Österreich auf der Biennale in Venedig.

Seine Figuren ließ er nur ungern zu Ausstellungen verreisen - ins Frankfurter Städelmuseum etwa, ins Stedelijk-Museum in Amsterdam oder, 1990, ins Museum für angewandte Kunst in Wien. Immer waren diese Exkursionen mit umfangreichen räumlichen Interventionen in den Museen verbunden; einiges davon blieb als dauerhafte architektnische Verbesserung - etwa das Pichlertor im Mak.

Um sich nicht Kunstmarktgesetzen beugen zu müssen, gestaltete Pichler seit den 1960er Jahren Buchcover, zunächst für den Residenzverlag, ab 2000 für Jung und Jung. Auch sein eigenes Werk dokumentierte er lückenlos, fotografiert von seiner Frau, der Architketurfotografin Elfie Tripamer. „Ich weiß genau, was ich will“, sagte er. „Aber sie macht die Fotos, die sie will, ganz anders als meine Vorstellungen. Aber sie hat immer recht, weil sie die Distanz hat. Meins ist Pflicht. Ihres ist Kür.“ Gefährlich sei eigentlich nur Routine, meinte er: „Aber ich habe eine gute Methode, mich davor zu schützen:Ich habe viele Pichlers um mich herum stehen, die mir über die Schulter schauen.“

Am Montag erlag Walter Pichler 75-jährig seiner Krebserkrankung.

Der Standard, Di., 2012.07.17



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Pichler Walter

09. September 2011Andrea Schurian
Der Standard

Agnes Husslein: „Wir bekommen eine herrliche Plattform“

Das Belvedere expandiert in die Gegenwart - Am 20. September wird im 21er Haus der BC21-Art Award vergeben, im November die erste Ausstellung eröffnet. Direktorin Agnes Husslein erzählt Andrea Schurian von ihren Plänen

Das Belvedere expandiert in die Gegenwart - Am 20. September wird im 21er Haus der BC21-Art Award vergeben, im November die erste Ausstellung eröffnet. Direktorin Agnes Husslein erzählt Andrea Schurian von ihren Plänen

STANDARD: Als 20er Haus gehörte der Pavillon einmal zum Museum für Moderne Kunst; nun heißt es 21er Haus und gehört zur Österreichischen Galerie Belvedere. Was unterscheidet es noch von früher?

Husslein: Karl Schwanzers Ausstellungspavillon ist eines der besten Bauwerke der späten 50er-Jahre, hinreißend in seiner Transparenz, ein österreichisches Architekturjuwel, das Adolf Krischanitz wirklich erstklassig renoviert und adaptiert hat. Wir haben, das ist neu, zwei Untergeschosse errichtet, in die u.a. die Wotruba-Stiftung und die Artothek des Bundes einziehen werden. Das Restaurant wird von Krischanitz und Hermann Czech, der Shop als Kunstintervention von Bernhard Cella gestaltet. Außerdem werden wir das Kino aus den 1960er-Jahren revitalisieren; es gibt Pläne, mit Wiener Filminstitutionen zu kooperieren.

STANDARD: Wie werden Sie Ihr neues Haus inhaltlich positionieren?

Husslein: Natürlich haben wir uns eindringlich damit beschäftigt, wie wir das 20er Haus ins 21. Jahrhundert überführen. Für die Eröffnung am 15. November haben wir unter anderem Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich mit der Architektur, der Stahl-Glas-Konstruktion des Hauses und seiner Transparenz auseinanderzusetzen. Es wird etwa eine Intervention von Marcus Geiger geben; eine Soundinstallation von Florian Hecker, aber auch eine Lichtinstallation von Lucio Fontana. Und im Obergeschoss werden Künstlerräume gezeigt.

STANDARD: Künstler richten das Museum ein - ähnlich wie Mitte der 80er-Jahre im Mak?

Husslein: Nein. Wir greifen auf Künstler zurück, die sich einerseits mit der Architektur und andererseits mit dem Phänomen Museum auseinandergesetzt haben. Einer dieser Künstlerräume wird etwa von Franz West sein, andere von Christoph Schlingensief und Christian Philipp Müller. Auch von Oswald Oberhuber wird es einen geben, er hat sich schon in den 70er-Jahren künstlerisch mit den Aufgaben eines Museums beschäftigt. Für die Ausstellung danach greifen wir ganz bewusst auf eine wichtige 20er-Haus-Ausstellung Harald Szeemanns zum Thema Gesamtkunstwerk zurück.

STANDARD: Zeigen Sie ausschließlich österreichische Künstler?

Husslein: Nein. Mir ist wichtig, den Diskurs zu zeigen, unterschiedliche, auch internationale Positionen. Wir bekommen eine notwendige und herrliche Plattform für zeitgenössische Kunst. In der oberen Etage wollen wir ab Frühsommer nächsten Jahres unsere Sammelbestände präsentieren, wieder im internationalen Kontext.

STANDARD: Wodurch unterscheiden Sie sich denn dann vom Mumok?

Husslein: Die Österreichische Museumsordnung weist jedem Museum eine ganz klare Aufgabe zu. Unsere lautet: Österreichische Kunst im internationalen Kontext vom Mittelalter bis heute. Daher erfülle ich eine vom Gesetz vorgesehene Position. Das Mumok hingegen ist das Museum für zeitgenössische internationale Kunst. Aber ich glaube, dass es für beide Museen genügend spannende Dinge zu tun gibt.

STANDARD: Wurde Ihr Budget parallel zu anwachsenden Aufgaben und Räumen angehoben?

Husslein: Nein, wir sind noch in Verhandlungen. Alles, was heuer stattfindet, kommt aus dem Belvedere-Budget. Für Oberes und Unteres Belvedere, Prunkstall, Research Center, Orangerie, Augarten Contemporary und jetzt 21er Haus kriegen wir mit 6,9 Millionen Euro Basisabgeltung die niedrigste aller Bundesmuseen, haben aber mit ca. 57 Prozent die höchste Eigendeckung. Noch haben wir keine schriftliche Zusage für eine Budgeterhöhung, aber eine mündliche Versicherung der Ministerin, dass wir dieses Haus bespielen werden können.

STANDARD: Wie schauen Ihre Budgetvorstellungen aus?

Husslein: Für die Bespielung des 21er Hauses haben wir einen zusätzlichen Bedarf von 4,5 Millionen Euro. Natürlich können Synergien mit dem Belvedere genutzt werden, so werden die beiden Kuratorinnen, die jetzt im Belvedere für Zeitgenössisches zuständig sind, das 21er Haus bespielen. Aber wir müssen Personal aufstocken, etwa im Sicherheitsbereich. Und unabhängig davon müssen wir die Sammlung erweitern, in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde kaum gesammelt. Wunderbare Dauerleihgaben wie etwa aus der Sammlung Ploil decken auch den internationalen Kontext ab.

STANDARD: Haben Sie als Bauherrin das Umbaubudget eingehalten?

Husslein: Ja, darauf bin ich auch wirklich stolz! Die Kostenschätzungen wurden ja gemacht, als die wirtschaftliche Situation eine ganz andere war.

STANDARD: Zuletzt gab es heftige Erschütterungen in der Kunst- und Museumsszene. Fürchten Sie, dass diese auch Sie treffen könnten?

Husslein: Nein. Ich wurde ja schon geprüft, ehe ich noch richtig angefangen habe; wir haben ein hervorragendes Kuratorium. Und ich habe auch sofort das Vier- und Sechsaugenprinzip eingeführt. Alles wird korrekt abgewickelt. Aber prinzipiell möchte ich anmerken: Peter Noever hat viel für die österreichische Kunstszene geleistet. Mag sein, dass er zuletzt über die Stränge geschlagen hat, aber seine Meriten überwiegen bei weitem. Ich finde es scheußlich, wie man ihn behandelt. Zu den Anschuldigungen gegenüber Gerald Matt: Natürlich ist er gereist! Er kann die Ausstellungen ja nicht übers Telefon bekommen. Museumsdirektoren sind Botschafter ihrer Häuser. Wichtig ist das Ergebnis der Reisen, über die es Berichte und Protokolle geben muss.

STANDARD: Vor zwei Jahren wurde Ihr Vertrag um fünf Jahre verlängert. Wie lange sollte ein Museumsdirektor im Amt sein?

Husslein: Man muss es situationsbedingt sehen, aber grundsätzlich glaube ich, dass 15 Jahre eine Obergrenze sind. (Andrea Schurian, DER STANDARD - Printausgabe, 10./11. September 2011)

Agnes Husslein-Arco (57): war in leitenden Positionen u.a. bei Sothety's und Guggenheim Museum sowie Gründungsdirektorin des Salzburger Museums der Moderne. Seit 2007 ist sie Direktorin des Belvedere. Mit Katharina Schoeller gab sie nun im Verlag der Provinz „Das Belvedere. Genese eines Museums“ heraus.

Der Standard, Fr., 2011.09.09



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21er Haus

30. März 2009Andrea Schurian
Der Standard

Ein lebenslanger Grenzüberschreiter

Hans Hollein, österreichischer Baukünstler von Weltgeltung, feiert heute seinen 75. Geburtstag. Ans Aufhören denkt der Pritzker-Preis-Träger nicht. Im Gegenteil: In allen Erdteilen wird geplant und gebaut.

Hans Hollein, österreichischer Baukünstler von Weltgeltung, feiert heute seinen 75. Geburtstag. Ans Aufhören denkt der Pritzker-Preis-Träger nicht. Im Gegenteil: In allen Erdteilen wird geplant und gebaut.

Dass Kulturministerin Claudia Schmied und Wiens Planungsstadtrat Rudolf Schicker morgen zu einer Geburtstagsparty in seine „Wolke“ im Saturn Tower bitten: Ja, sagt Hans Hollein, das freut ihn sehr. Schließlich sei er von Österreich nicht gerade im Überschwang verwöhnt worden, zumindest nicht, wenn man es mit seiner internationalen Auftragslage vergleicht: Vor wenigen Wochen gewann er einen Wettbewerb in Shenzen; in Taipeh entstehen gerade neun Wohnhochhäuser am Rande des Mangrovenwaldes. In Lima sind, nach dem Headquarter einer Bank, eine Corporate University und ein Wolkenkratzer im Bau.

Sicher, zuletzt gab es auch in Österreich prestigeträchtige Aufträge, u. a. in St. Pölten das Niederösterreichische Landesmuseum; das Bürohaus „Die Welle“ am Wiener Stadtpark; der Saturn-Tower in der Donau-City. Doch noch in den 1980er-Jahren wurde das Haas-Haus am Stephansplatz heftig bekämpft. Dass es realisiert wurde, verdanke er, so Hollein, vor allem dem damaligen Bürgermeister Helmut Zilk.

„Das kann man Wien nicht zumuten“, habe es jedenfalls schon bei seinem allerersten Bauauftrag 1965 geheißen; sechs Entwürfe für das Kerzengeschäft Retti musste er im Magistrat einreichen, jeder wurde abgelehnt. „Schließlich habe ich eine Minimaleinreichung im Maßstab 1:100 gemacht; das wurde genehmigt, weil man nichts genau erkennen konnte.“

Der Laden am Graben war, im Vergleich zu seinen vielen Museen und Wolkenkratzern und Wohnhäusern und Bürotürmen in Asien, Europa, Nord- und Südamerika, die noch folgen sollten, wahrlich ein kleiner Auftrag. Aber für Hollein ein großer Erfolg: Ausgezeichnet mit dem Reynolds Memorial Award, wurde es zum vielbeachteten internationalen Architekturjuwel. „Das Preisgeld von 25.000 Dollar war höher als die Baukosten“, vergisst Hollein in keinem Interview vergnügt zu erwähnen. Damals, in den 60er-Jahren, erfand Hollein auch sein winzigstes Werk - die Architektur-Pille als eine Art Aufputschmittel für zeitgenössische Baukunst: „Man kann die Pille der Hagia Sophia schlucken und hat sie dann im Kopf.“

Hollein, einer der international gefragtesten Architekten, langjähriger Kunst-, später Architektur-Biennale-Kommissär für Venedig, ausgezeichnet u. a. mit dem Großen Österreichischen Staatspreis und - als einziger Österreicher - mit dem Pritzker-Preis, dem Nobelpreis für Architektur, ist ein lebenslanger Grenzüberschreiter. Erfolgreicher Ausstellungsmacher, Lehrer, Designer, Objektkünstler. Das Pariser Centre Pompidou hat 40 Holleins in der Sammlung, nicht viel weniger das MoMa in New York. Und Österreich? Da besitzt die Albertina genau eine kleine Skizze.

Auch deshalb freut sich Hollein über das Fest ihm zu Ehren.

Der Standard, Mo., 2009.03.30



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Hollein Hans

Presseschau 12

15. Mai 2014Andrea Schurian
Der Standard

Neue Zeitrechnung am See

Günther Domenigs Steinhaus wird nun vom Architektur Haus Kärnten betreut. Am Wochenende startet das Programm

Günther Domenigs Steinhaus wird nun vom Architektur Haus Kärnten betreut. Am Wochenende startet das Programm

Steindorf am Ossiacher See - Verkaufen? Vermieten? Vermarkten? Als Günther Domenig im Juni 2012 starb, herrschte seitens des Landes Kärnten Ratlosigkeit, was mit seinem kühnen Baukunstwerk am Ossiacher See geschehen sollte. Schon zu seinen Lebzeiten hat die Günther Domenig Privatstiftung das Feldkirchen Marketing mit der Vermarktung und Bespielung des Steinhauses betraut.

Das Land, in dessen Besitz diese spektakuläre Symphonie aus Glas, Beton und Stahl laut Stiftungsstatuten überging, war mit Subventionen allerdings mehr als knausrig. 5000 Euro gab es aus Landestöpfen, vom Bund gleich gar nichts. Das rigide Sparbudget musste mit Events, Workshops, Führungen, Konzerte sowie Zuwendungen der Stiftung aufgebessert werden.

Nun, zwei Jahre nach dem Tod des Architekten im Juni 2012, ist nicht mehr Feldkirchen Marketing zuständig, sondern das Architektur Haus Kärnten.

Georg Wald, Vorstand des Architektur Hauses, hatte schon vor zwei Jahren ein detailliertes Nutzungsprogramm ausgearbeitet, das nun zum Tragen kommt. Das außergewöhnliche Haus am See soll als Architekturlabor für internationale Universitäten fungieren sowie als Diskursort für Kulturveranstaltungen und experimentelle Kunst, für Workshops und Vortragsreihen mit Referenten aus aller Welt genutzt werden.

Die neue Zeitrechnung im - noch - verschlafenen Ferienörtchen beginnt, auch wenn das Wetter nicht ganz mitspielt, Freitag mit einer Schifffahrt. Haltestellen werden bei alten und neuen Architekturkostbarkeiten eingebaut, etwa beim Stift Ossiach. Oder eben beim Steinhaus.

Da findet, durchaus passender zum aktuellen Kärnten-Wetter, die Ausstellung Kalt und Warm über Anknüpfungspunkte zwischen Tourismus und Architektur statt.

Der Standard, Do., 2014.05.15

15. August 2012Andrea Schurian
Der Standard

Ungewisse Zukunft für kühne Architektur

Nach dem Tod des im Juni verstorbenen Architekten Günther Domenig geht dessen Steinhaus in den Besitz des Landes Kärnten über. Wie die Politik mit diesem großzügigen Geschenk umgeht, ist allerdings eher beschämend

Nach dem Tod des im Juni verstorbenen Architekten Günther Domenig geht dessen Steinhaus in den Besitz des Landes Kärnten über. Wie die Politik mit diesem großzügigen Geschenk umgeht, ist allerdings eher beschämend

Steindorf am Ossiacher See - Fix ist offenbar nur eines: dass der im Juni verstorbene Jahrhundertarchitekt Günther Domenig von der kleinen Gemeinde Steindorf am Ossiacher See am 23. August die posthume Ehrenbürgerschaft verliehen bekommt. Immerhin. Ein kleiner Dank, dass er in dem verschlafenen Ferienörtchen seine atemberaubende Symphonie aus Beton, Glas und Stahl verwirklicht hat. Was allerdings mit diesem Baukunstwerk künftig passiert, ist eher ungewiss.

Sicher, in Kärnten hat man derzeit gröbere politische Zores, vor allem auch der dafür zuständige Finanz- und Kulturlandesrat Harald Dobernig muss mit allerhand Unschuldsvermutungen kämpfen. Und dann ist natürlich Urlaubszeit, weshalb es mit Rückrufen seines Büros nicht so recht klappen will. Dabei gäbe es allerhand zu besprechen: etwa ob ein Verkauf, der gerüchteweise durch die Architekten- und Kulturszene geistert, tatsächlich vom Tisch ist. Womöglich will man ja die dank Hypo und korrupter Politiker leere Landeskasse wieder auffüllen. Laut Stiftungsstatuten geht mit dem Tod Domenigs das Steinhaus in den Besitz des Landes über.

Schweigen in Kärnten

Was der Bund übrigens so versteht, dass er sich für eine adäquate Nutzung weiters nicht einzusetzen braucht: Die Ministerin ließ ausrichten, dafür sei ausschließlich das Land Kärnten zuständig. Und da schweigt man; eventuell verändern sich ja nach Wahlen die politischen Zuständigkeiten.

Die Einzigen, die reden, sind Georg Wald vom Architekturhaus Kärnten, der ein detailliertes Nutzungsprogramm in der Lade hat. Und Erhard Blaßnig und Andrea Pecile, die mit ihrem Marketing Feldkirchen das Steinhaus bisher betreuen. Als operative Geschäftsführer im Auftrag der Günther-Domenig-Privatstiftung veranstalten sie Führungen, vermieten das Haus an Universitäten, Kongresse. Und veranstalten im Sommer die Steinhaus-Sommerfestivals mit einem bunt durchmischten Programm, Konzerte, Lesungen, Ausstellungen (derzeit etwa die sehenswerte mit Werken von Helmut Swoboda, Johann Julian Taupe und Peter Dörflinger). 1500 Euro bekommen sie monatlich von der Stiftung.

Mehr als 100.000 Euro für Künstlergagen, Infrastruktur und Werbung finanzieren Blaßnig und Pecile vor, die Privatstiftung übernimmt etwa 25.000 Euro Ausfallshaftung. Subventionen gibt es keine, die Spesen müssen an der Eintrittskasse eingenommen werden. Ab und zu lassen private Sponsoren ein paar Tausender springen. Nach dem Tod Domenigs haben weder Stiftung noch Land es bisher der Mühe wert befunden, mit den beiden Marketingleuten Kontakt aufzunehmen.

„Wir sitzen auf Nadeln“, sagt Blaßnig, zur Zukunft des Steinhauses befragt. „Wir hängen im luftleeren Raum. Gespräche, ob wir weitertun dürfen, wird es hoffentlich im September geben.“

Dass sie gern weitertun würden, daran lässt er keinen Zweifel. Sicher könne man das Sommerprogramm optimieren, man wolle künftig mehr mit der Carinthischen Musikakademie und dem Carinthischen Sommer kooperieren, sagt er. Letzterer ist allerdings als Untermieter abhandengekommen: In der breiten Angebotspalette zwischen Adi Peichl (16. 8.) und Axel Zwingenberger (25. 8.) fühlt sich der selber ums Überleben kämpfende CS fremd.

Den Anspruch auf Exklusives will der Architekt Georg Wald, beziehungsweise das Architekturhaus Kärnten, erfüllen: Man wolle mit der Ingenieurskammer kooperieren, internationale Symposien veranstalten, Gaststipendiaten einladen, ein Residenzmodell entwickeln, wonach architekturversierte Menschen im Steinhaus wohnen und Interessenten jederzeit durch das Gebäude führen. „Wir würden das Haus mieten, dieser Aufwand müsste natürlich gefördert werden. Weil wir wissen, wie hoch der Energieaufwand ist, kommt aber kein Winterbetrieb infrage - das gilt auch für den Residenzbetrieb.“

Dafür wäre nötig, dass das Land und der Bund Geld in die Hand nehmen und das Steinhaus ordentlich dotieren. Die nächste Förderung, so Wald optimistisch, werde besser ausfallen. Der Betrieb von Architektur- und Steinhaus solle zu gleichen Teilen von Bund und Land subventioniert werden: Das sind laut Kulturbericht derzeit schmähliche 5000 Euro vom Land fürs Steinhaus. Pro Jahr. Vom Bund gab es laut Blaßnig bisher gar keine Unterstützung.

Nun führt Wald mit dem Land Gespräche: „Natürlich geht es da auch um die Förderhöhe.“ Schon nächstes Jahr wolle man das Steinhaus „anders anpacken. Andere Angebote schaffen.“ Das Marketing Feldkirchen könne dabei, jedenfalls aus seiner Sicht, durchaus mit im Boot sein.

Ob das auch für die derzeitigen Stiftungsvorstände (Ex-Mak-Direktor Peter Noever, Anwalt Hannes Pflaum, Wirtschaftsberater Adolf Rausch) gilt, ist ungewiss. Auch mit ihnen hat das Land Kärnten noch nicht über die Zukunft geredet.

Vermutlich wird man mehr wissen, wenn die Ferienzeit vorbei ist: ob und wann es Neuwahlen in Kärnten gibt. Und was mit dem Steinhaus passiert. Vom 24. bis 29. September zeigt jedenfalls Peter Noever, wie es ginge: In memoriam Günther Domenig lädt Noever unter dem etwas sperrigen Titel Never Again Resistance internationale Kapazunder wie etwa Hitoshe Abe, Hernan Diaz-Alonso, Steven Holl, Mark Mack und Thom Mayne zu einem hochkarätigen Workshop ins Steinhaus.

Der Standard, Mi., 2012.08.15



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Steinhaus

17. Juli 2012Andrea Schurian
Der Standard

Walter Pichler gestorben

Einer der konsequentesten Künstler des Landes erlag am Montag 75-jährig seiner schweren Krankheit

Einer der konsequentesten Künstler des Landes erlag am Montag 75-jährig seiner schweren Krankheit

Raum, Proportionen, Erinnerung, Licht und vor allem Zeit waren die Werkstoffe, aus denen Walter Pichler sein einzigartiges Universum aus Modellen, Skulpturen und Häusern zeichnete und in der Werkstatt baute: „Wenn die Hände beschäftigt sind, ist der Kopf frei. Ich bin kein abstrakter Denker, keiner, der tagelang in sich hineinhorcht. Deshalb arbeite ich gern manuell.“

1971 kaufte der stets in elegantes Tuch gekleidete Künstler ein altes Bauernhaus im burgenländischen St. Martin an der Raab, fünf Hektar Grund für 240.000 Schilling (umgerechnet rund 17.000 Euro), ein Traumgrundstück im Sonderangebot, „das Haus haben sie mir dazugeschenkt. Wenn die Baggerstunde nicht so teuer gewesen wäre, hätten sie es längst weggeschoben“.

Noch am selben Tag zog er ins baufällige Haus ein und begann sein Lebenswerk: Heimstätten zu bauen für seine Skulpturen, feierliche Behausungen oder, genauer gesagt, Häuser-Kompositionen in genau ausgeklügelten Proportionen, mit exakt berechneten Lichteinfällen, perfekten Dimensionen und Relationen für den Großen und den Kleinen Bruder beispielsweise, für die Schädeldecken, den Aufpasser und für die Bewegliche Figur. „Es stellt sich ja die Frage: wo beginnt die Plastik. Wo hört sie auf? Alles hier entspricht exakt meinen Vorstellungen. Ich wollte immer Häuser für meine Skulpturen machen, weil es nur konsequent ist, dass sie ihren idealen Platz, optimale Lichtverhältnisse haben. Außerdem muss man dann auch nicht mehr so viel erklären, sondern braucht nur zu zeigen: So schaut es aus.“

Geboren am 1. Oktober 1936 in Deutschnofen in Südtirol in eine Handwerkerfamilie, hielt sich Pichler von kleinan gern in der Werkstatt auf, wusste früh um die Bedeutung der Zeichnung: „Ich wundere mich immer über die Genies, die so viele Möglichkeiten haben; das habe ich nicht - aber Ich habe glücklicherweise das erwischt, wo ich am weitesten kommen kann. Ich wäre ein erbärmlicher Dichter und ein noch erbärmlicherer Musiker.“

In den 1960er Jahren interessierte ihn vor allemdie Baukunst, in dünnstrichigen Architekturzeichnungen entwickelte er gemeinsam mit Hans Hollein und Raimund Abraham die Visionary Architecture, die 1967 im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt wurde; ein Jahr später wurde Pichler zur Documenta in Kassel eingeladen. Er lebte in Paris, New York und Mexiko und vertrat 1982 Österreich auf der Biennale in Venedig.

Seine Figuren ließ er nur ungern zu Ausstellungen verreisen - ins Frankfurter Städelmuseum etwa, ins Stedelijk-Museum in Amsterdam oder, 1990, ins Museum für angewandte Kunst in Wien. Immer waren diese Exkursionen mit umfangreichen räumlichen Interventionen in den Museen verbunden; einiges davon blieb als dauerhafte architektnische Verbesserung - etwa das Pichlertor im Mak.

Um sich nicht Kunstmarktgesetzen beugen zu müssen, gestaltete Pichler seit den 1960er Jahren Buchcover, zunächst für den Residenzverlag, ab 2000 für Jung und Jung. Auch sein eigenes Werk dokumentierte er lückenlos, fotografiert von seiner Frau, der Architketurfotografin Elfie Tripamer. „Ich weiß genau, was ich will“, sagte er. „Aber sie macht die Fotos, die sie will, ganz anders als meine Vorstellungen. Aber sie hat immer recht, weil sie die Distanz hat. Meins ist Pflicht. Ihres ist Kür.“ Gefährlich sei eigentlich nur Routine, meinte er: „Aber ich habe eine gute Methode, mich davor zu schützen:Ich habe viele Pichlers um mich herum stehen, die mir über die Schulter schauen.“

Am Montag erlag Walter Pichler 75-jährig seiner Krebserkrankung.

Der Standard, Di., 2012.07.17



verknüpfte Akteure
Pichler Walter

09. September 2011Andrea Schurian
Der Standard

Agnes Husslein: „Wir bekommen eine herrliche Plattform“

Das Belvedere expandiert in die Gegenwart - Am 20. September wird im 21er Haus der BC21-Art Award vergeben, im November die erste Ausstellung eröffnet. Direktorin Agnes Husslein erzählt Andrea Schurian von ihren Plänen

Das Belvedere expandiert in die Gegenwart - Am 20. September wird im 21er Haus der BC21-Art Award vergeben, im November die erste Ausstellung eröffnet. Direktorin Agnes Husslein erzählt Andrea Schurian von ihren Plänen

STANDARD: Als 20er Haus gehörte der Pavillon einmal zum Museum für Moderne Kunst; nun heißt es 21er Haus und gehört zur Österreichischen Galerie Belvedere. Was unterscheidet es noch von früher?

Husslein: Karl Schwanzers Ausstellungspavillon ist eines der besten Bauwerke der späten 50er-Jahre, hinreißend in seiner Transparenz, ein österreichisches Architekturjuwel, das Adolf Krischanitz wirklich erstklassig renoviert und adaptiert hat. Wir haben, das ist neu, zwei Untergeschosse errichtet, in die u.a. die Wotruba-Stiftung und die Artothek des Bundes einziehen werden. Das Restaurant wird von Krischanitz und Hermann Czech, der Shop als Kunstintervention von Bernhard Cella gestaltet. Außerdem werden wir das Kino aus den 1960er-Jahren revitalisieren; es gibt Pläne, mit Wiener Filminstitutionen zu kooperieren.

STANDARD: Wie werden Sie Ihr neues Haus inhaltlich positionieren?

Husslein: Natürlich haben wir uns eindringlich damit beschäftigt, wie wir das 20er Haus ins 21. Jahrhundert überführen. Für die Eröffnung am 15. November haben wir unter anderem Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich mit der Architektur, der Stahl-Glas-Konstruktion des Hauses und seiner Transparenz auseinanderzusetzen. Es wird etwa eine Intervention von Marcus Geiger geben; eine Soundinstallation von Florian Hecker, aber auch eine Lichtinstallation von Lucio Fontana. Und im Obergeschoss werden Künstlerräume gezeigt.

STANDARD: Künstler richten das Museum ein - ähnlich wie Mitte der 80er-Jahre im Mak?

Husslein: Nein. Wir greifen auf Künstler zurück, die sich einerseits mit der Architektur und andererseits mit dem Phänomen Museum auseinandergesetzt haben. Einer dieser Künstlerräume wird etwa von Franz West sein, andere von Christoph Schlingensief und Christian Philipp Müller. Auch von Oswald Oberhuber wird es einen geben, er hat sich schon in den 70er-Jahren künstlerisch mit den Aufgaben eines Museums beschäftigt. Für die Ausstellung danach greifen wir ganz bewusst auf eine wichtige 20er-Haus-Ausstellung Harald Szeemanns zum Thema Gesamtkunstwerk zurück.

STANDARD: Zeigen Sie ausschließlich österreichische Künstler?

Husslein: Nein. Mir ist wichtig, den Diskurs zu zeigen, unterschiedliche, auch internationale Positionen. Wir bekommen eine notwendige und herrliche Plattform für zeitgenössische Kunst. In der oberen Etage wollen wir ab Frühsommer nächsten Jahres unsere Sammelbestände präsentieren, wieder im internationalen Kontext.

STANDARD: Wodurch unterscheiden Sie sich denn dann vom Mumok?

Husslein: Die Österreichische Museumsordnung weist jedem Museum eine ganz klare Aufgabe zu. Unsere lautet: Österreichische Kunst im internationalen Kontext vom Mittelalter bis heute. Daher erfülle ich eine vom Gesetz vorgesehene Position. Das Mumok hingegen ist das Museum für zeitgenössische internationale Kunst. Aber ich glaube, dass es für beide Museen genügend spannende Dinge zu tun gibt.

STANDARD: Wurde Ihr Budget parallel zu anwachsenden Aufgaben und Räumen angehoben?

Husslein: Nein, wir sind noch in Verhandlungen. Alles, was heuer stattfindet, kommt aus dem Belvedere-Budget. Für Oberes und Unteres Belvedere, Prunkstall, Research Center, Orangerie, Augarten Contemporary und jetzt 21er Haus kriegen wir mit 6,9 Millionen Euro Basisabgeltung die niedrigste aller Bundesmuseen, haben aber mit ca. 57 Prozent die höchste Eigendeckung. Noch haben wir keine schriftliche Zusage für eine Budgeterhöhung, aber eine mündliche Versicherung der Ministerin, dass wir dieses Haus bespielen werden können.

STANDARD: Wie schauen Ihre Budgetvorstellungen aus?

Husslein: Für die Bespielung des 21er Hauses haben wir einen zusätzlichen Bedarf von 4,5 Millionen Euro. Natürlich können Synergien mit dem Belvedere genutzt werden, so werden die beiden Kuratorinnen, die jetzt im Belvedere für Zeitgenössisches zuständig sind, das 21er Haus bespielen. Aber wir müssen Personal aufstocken, etwa im Sicherheitsbereich. Und unabhängig davon müssen wir die Sammlung erweitern, in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde kaum gesammelt. Wunderbare Dauerleihgaben wie etwa aus der Sammlung Ploil decken auch den internationalen Kontext ab.

STANDARD: Haben Sie als Bauherrin das Umbaubudget eingehalten?

Husslein: Ja, darauf bin ich auch wirklich stolz! Die Kostenschätzungen wurden ja gemacht, als die wirtschaftliche Situation eine ganz andere war.

STANDARD: Zuletzt gab es heftige Erschütterungen in der Kunst- und Museumsszene. Fürchten Sie, dass diese auch Sie treffen könnten?

Husslein: Nein. Ich wurde ja schon geprüft, ehe ich noch richtig angefangen habe; wir haben ein hervorragendes Kuratorium. Und ich habe auch sofort das Vier- und Sechsaugenprinzip eingeführt. Alles wird korrekt abgewickelt. Aber prinzipiell möchte ich anmerken: Peter Noever hat viel für die österreichische Kunstszene geleistet. Mag sein, dass er zuletzt über die Stränge geschlagen hat, aber seine Meriten überwiegen bei weitem. Ich finde es scheußlich, wie man ihn behandelt. Zu den Anschuldigungen gegenüber Gerald Matt: Natürlich ist er gereist! Er kann die Ausstellungen ja nicht übers Telefon bekommen. Museumsdirektoren sind Botschafter ihrer Häuser. Wichtig ist das Ergebnis der Reisen, über die es Berichte und Protokolle geben muss.

STANDARD: Vor zwei Jahren wurde Ihr Vertrag um fünf Jahre verlängert. Wie lange sollte ein Museumsdirektor im Amt sein?

Husslein: Man muss es situationsbedingt sehen, aber grundsätzlich glaube ich, dass 15 Jahre eine Obergrenze sind. (Andrea Schurian, DER STANDARD - Printausgabe, 10./11. September 2011)

Agnes Husslein-Arco (57): war in leitenden Positionen u.a. bei Sothety's und Guggenheim Museum sowie Gründungsdirektorin des Salzburger Museums der Moderne. Seit 2007 ist sie Direktorin des Belvedere. Mit Katharina Schoeller gab sie nun im Verlag der Provinz „Das Belvedere. Genese eines Museums“ heraus.

Der Standard, Fr., 2011.09.09



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21er Haus

30. März 2009Andrea Schurian
Der Standard

Ein lebenslanger Grenzüberschreiter

Hans Hollein, österreichischer Baukünstler von Weltgeltung, feiert heute seinen 75. Geburtstag. Ans Aufhören denkt der Pritzker-Preis-Träger nicht. Im Gegenteil: In allen Erdteilen wird geplant und gebaut.

Hans Hollein, österreichischer Baukünstler von Weltgeltung, feiert heute seinen 75. Geburtstag. Ans Aufhören denkt der Pritzker-Preis-Träger nicht. Im Gegenteil: In allen Erdteilen wird geplant und gebaut.

Dass Kulturministerin Claudia Schmied und Wiens Planungsstadtrat Rudolf Schicker morgen zu einer Geburtstagsparty in seine „Wolke“ im Saturn Tower bitten: Ja, sagt Hans Hollein, das freut ihn sehr. Schließlich sei er von Österreich nicht gerade im Überschwang verwöhnt worden, zumindest nicht, wenn man es mit seiner internationalen Auftragslage vergleicht: Vor wenigen Wochen gewann er einen Wettbewerb in Shenzen; in Taipeh entstehen gerade neun Wohnhochhäuser am Rande des Mangrovenwaldes. In Lima sind, nach dem Headquarter einer Bank, eine Corporate University und ein Wolkenkratzer im Bau.

Sicher, zuletzt gab es auch in Österreich prestigeträchtige Aufträge, u. a. in St. Pölten das Niederösterreichische Landesmuseum; das Bürohaus „Die Welle“ am Wiener Stadtpark; der Saturn-Tower in der Donau-City. Doch noch in den 1980er-Jahren wurde das Haas-Haus am Stephansplatz heftig bekämpft. Dass es realisiert wurde, verdanke er, so Hollein, vor allem dem damaligen Bürgermeister Helmut Zilk.

„Das kann man Wien nicht zumuten“, habe es jedenfalls schon bei seinem allerersten Bauauftrag 1965 geheißen; sechs Entwürfe für das Kerzengeschäft Retti musste er im Magistrat einreichen, jeder wurde abgelehnt. „Schließlich habe ich eine Minimaleinreichung im Maßstab 1:100 gemacht; das wurde genehmigt, weil man nichts genau erkennen konnte.“

Der Laden am Graben war, im Vergleich zu seinen vielen Museen und Wolkenkratzern und Wohnhäusern und Bürotürmen in Asien, Europa, Nord- und Südamerika, die noch folgen sollten, wahrlich ein kleiner Auftrag. Aber für Hollein ein großer Erfolg: Ausgezeichnet mit dem Reynolds Memorial Award, wurde es zum vielbeachteten internationalen Architekturjuwel. „Das Preisgeld von 25.000 Dollar war höher als die Baukosten“, vergisst Hollein in keinem Interview vergnügt zu erwähnen. Damals, in den 60er-Jahren, erfand Hollein auch sein winzigstes Werk - die Architektur-Pille als eine Art Aufputschmittel für zeitgenössische Baukunst: „Man kann die Pille der Hagia Sophia schlucken und hat sie dann im Kopf.“

Hollein, einer der international gefragtesten Architekten, langjähriger Kunst-, später Architektur-Biennale-Kommissär für Venedig, ausgezeichnet u. a. mit dem Großen Österreichischen Staatspreis und - als einziger Österreicher - mit dem Pritzker-Preis, dem Nobelpreis für Architektur, ist ein lebenslanger Grenzüberschreiter. Erfolgreicher Ausstellungsmacher, Lehrer, Designer, Objektkünstler. Das Pariser Centre Pompidou hat 40 Holleins in der Sammlung, nicht viel weniger das MoMa in New York. Und Österreich? Da besitzt die Albertina genau eine kleine Skizze.

Auch deshalb freut sich Hollein über das Fest ihm zu Ehren.

Der Standard, Mo., 2009.03.30



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