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11. November 2016Martin Tschanz
TEC21

Kompakte Hybride

Waren Arbeitswelten früher strikt nach Tätigkeit getrennt, so sind Hand- und Kopfwerker heute unter einem Dach vereint: Eine neue Typologie entsteht. Zwei Beispiele illustrieren, wie die Bauten dieser New Old Economy aussehen.

Waren Arbeitswelten früher strikt nach Tätigkeit getrennt, so sind Hand- und Kopfwerker heute unter einem Dach vereint: Eine neue Typologie entsteht. Zwei Beispiele illustrieren, wie die Bauten dieser New Old Economy aussehen.

In den vergangenen Jahren sind verschiedentlich hybride Industriebauten entstanden, die sowohl Büros als auch Werkplätze anbieten, oft vertikal zueinander organisiert oder gar miteinander verzahnt. Sie entsprechen nicht mehr dem Bild einer Fabrik, wie es sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts verfestigt hat: breit gelagerte Werkhallen, flankiert von Spezial­gebäuden wie Silos und Lager, und beim Zugang ein Verwaltungsgebäude, das bevorzugt in der Vertikalen organisiert ist, sodass es das Meer der Sheds wie ein Leuchtturm überragt.

Selbst dort, wo die Werkhallen gestapelt wurden, hat man Produktions- und Büroarbeitsplätze im Allgemeinen säuberlich voneinander getrennt. Verständlicherweise, verlangen doch die beiden Nutzungen nach unterschiedlichen Gebäudetiefen und Raumhöhen; die eine produziert Emissionen, während die andere empfindlich ist gegenüber Immissionen. Vor allem aber gehören sie unterschiedlichen Kulturen an, die sich früher so schwer mischten wie Öl und Wasser.

Ich erinnere mich an die alte Sulzer-Kantine beim Escher-Wyss-Platz, wo den Arbeitern im Blaumann ein eigener Bereich reserviert war. Mein Gedächtnis kann sich täuschen, wenn es hier Tischtücher sieht, aber mit Sicherheit waren die Tische aufgedeckt. Die Arbeiter wurden bedient, während die Angestellten ihre Speisen selbst holen mussten. Ob damit den Blue Collars Ehre erboten wurde oder ob es bloss um einen Schutz der White Collars ging: Die beiden Welten blieben auch in der gemeinsamen Mittagspause säuberlich voneinander getrennt.

Die Arbeitswelten haben sich jedoch gewandelt. Büros ähneln bisweilen Werkhallen, und Werkhallen können aussehen wie Labors. Grosse Serien werden heute meist anderswo produziert; Industrien jedoch, die innovativ Spezialitäten produzieren, sind oft gerade deshalb noch hierzulande tätig, weil sie auf eine enge Verknüpfung von Entwicklung, Design, Prototyping, Produktion, Marketing und Qualitätskontrolle angewiesen sind. Nähe ist dabei von Vorteil, und hybride Gebäude, die Büros und Werkhallen stapeln wie das Nœrd in Zürich (vgl. TEC21, Sonderheft «Umsicht», 2013) oder der Bau der Sky-Frame in Frauenfeld, stellen entsprechende Räume zur Verfügung. Das Hilti Innova­tionszentrum ist zwar kein Industriebau, es kann aber als eine Art Prototyp für zukünftige Bauten der Arbeit gelten, die einer Industrie dienen, die unter starkem Innovationsdruck steht.

Die beiden in diesem Heft vorgestellten Beispiele gehen die Aufgabe unterschiedlich an, in gewisser Hinsicht sogar gegensätzlich. Das Projekt für Sky-Frame geht vom Grundsatz möglichst flexibler Räume aus – nicht von ungefähr stand der Wettbewerb unter dem Motto «open system». Während der tief greifenden Überarbeitung des Konzepts rückten die Funktionen zwar enger zusammen, das Prinzip einer neutralen Baustruktur in Form eines rationalen, weit gespannten Stahlskeletts, das sämtliche Arbeitsräume prägt, blieb jedoch bestehen. Die Unterscheidung in Büros und Werkhallen erfolgt hier sekundär, über unterschiedliche Raumhöhen und vor allem über den Ausbau, zu dem auch die Aussparung des Dachgartens gerechnet werden kann.

Das Hilti Innovationszentrum dagegen forciert die Unterschiedlichkeit der Arbeitssituation durch eine Ausdifferenzierung in eine riesige, stützenfreie Halle und eine Baumasse, die sie umgibt und die man auch als eine Art Baublock mit einem raumhaltigen Dach über dem Hof lesen kann. Die Tragstruktur und die Raumstruktur sind hier miteinander gekoppelt, und die Nähe der unterschiedlichen Bereiche wird unter Nutzung ihrer Differenz erreicht.

Die neuen Hybride sind nicht nur bezogen auf die Anforderungen heutiger Industrie, sondern auch städtebaulich interessant. Die Funktionstrennung als Errungenschaft der Moderne, die die üblichen Zonenpläne festschreiben, wird seit Längerem infrage gestellt. Es läge nahe, solche Bauten als Vorboten einer Stadt zu sehen, die wieder stärker unterschiedliche Arten des Arbeitens mit dem Wohnen vermischt. Es fällt leicht, sich vorzustellen, dass die Schichtung Wohnungen einschliessen würde, sodass man sich dem alten Traum von einer vertikalen Stadt annähern würde.

Der Inte­gration von Industrie in die Kernstädte scheinen jedoch nach wie vor Grenzen gesetzt zu sein. Der Zu- und Auslieferungsverkehr, der notwendige Freiraum für Lastwagenmanöver und potenzielles Wachstum und nicht zuletzt der nach wie vor relativ hohe Raumbedarf bleiben Eigenheiten, die eher für periphere Lagen sprechen und einer erfolgreichen Konkurrenz von Industrie oder grösserem Gewerbe mit Wohn- oder Büronutzungen entgegenstehen.

TEC21, Fr., 2016.11.11



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|46 Bauen für die New Old Economy

11. November 2016Martin Tschanz
TEC21

Sky-Frame, Frauenfeld

Der Hauptsitz von Sky-Frame steht in einem anonymen Industriegebiet in Frauenfeld. Das Gebäude sticht nicht nur durch seine hochwertige Gestaltung heraus – Peter Kunz Architektur hat ein Gebäude für alle Bereiche der Firma entworfen: hier werden unter einem Dach Fenster konstruiert, gebaut, vertrieben und beworben.

Der Hauptsitz von Sky-Frame steht in einem anonymen Industriegebiet in Frauenfeld. Das Gebäude sticht nicht nur durch seine hochwertige Gestaltung heraus – Peter Kunz Architektur hat ein Gebäude für alle Bereiche der Firma entworfen: hier werden unter einem Dach Fenster konstruiert, gebaut, vertrieben und beworben.

Das Gebäude der Sky-Frame in Frauenfeld ist klar und einfach konzipiert. Anlieferung, Fertigung und Ver­waltung liegen in einem kompakten Baukörper über­einander. Dieser wird von zwei blechumhüllten Erschliessungstürmen flankiert. Der grössere, ein Hochregallager, dient dem Warenfluss, der kleinere, mit Aufzug und Treppe, den Besuchern und dem Personal. Der Vorplatz, eine Landreserve, wird für eine grosszügige Vorfahrt genutzt, während die Anlieferung und das Aussenlager hinter dem Bau den Blicken entzogen bleiben. Nach Süden schützt eine Art bewachsenes Regal die Glasfassade vor der Sonne, während im Norden, zur Autobahn hin, der Einblick in das Gebäude offen bleibt, sodass sie einem Schaufenster gleicht.

Die grüne Fassade der Ankunftsseite ist be­eindruckend, auch von innen. Besonders im Bürogeschoss spielt der Vordergrund des hängenden Gartens schön mit dem Hintergrund der Hügellandschaft und mit dem Gartenhof zusammen. Fast könnte man den Eindruck bekommen, in einem leichten, eingeschossigen Pavillon mitten in einem Park zu arbeiten und nicht hoch über einer Werkhalle zwischen Autobahn und Paketzentrum.

Mit seinen speziellen Aus- und Durchblicken greift der Bau das Thema der Firma auf, die extrem fein konstruierte Fenster herstellt. Als exklusive Kostbarkeit kommen diese aber einzig beim Hof im Bürogeschoss zur Anwendung, wo innen und aussen auf vielfältige Weise miteinander verknüpft werden. Ganz beiläufig wird hier der Bau zum Showroom und zum Test­gebäude. Mit Sitzungszimmern, Besprechungszonen und Rückzugszellen zwischen innen und aussen kommen die Möglichkeiten der fast rahmenlosen Schiebeverglasungen eindrücklich zum Tragen.

Grundsätzlich sind die beiden Werkhallen – unten mit Pulverbeschichtung, Montage und Spedition, oben mit den Produktionsstrassen für die Rahmen­profile – auf die gleiche Art und mit derselben Sorgfalt konstruiert wie das Bürogeschoss, das alle Bereiche von Management, Verwaltung, Marketing und Entwicklung in einem Raum vereinigt. Auch hier prägt der Rohbau der weit gespannten Stahlkonstruktion den Raumeindruck. Aufgrund der geringeren Höhe rhythmisiert er den Raum sogar noch stärker als in den Hallen.

Durch die Koppelung der kräftigen Träger mit der Beleuchtung, durch die ausgeprägte Horizontalität des Raums, die heruntergehängte Decke in der Mittelzone und den Teppich, vor allem aber durch den zentralen Gartenhof entsteht eine Atmosphäre von Eleganz und Leichtigkeit, die auf interessante Weise das Rohe des Industriebaus ergänzt. Das Licht und die Farben der Pflanzen in der Mitte werden durch die dunkle Tönung von Boden und Decke in den umgebenden Räumen zum Strahlen gebracht. Das erinnert an traditionelle japanische Architektur oder auch an den Serpentine Pavillon von Peter Zumthor.

Die White- und Blue-Collar-Arbeitsplätze sind hier nicht gleich ausgebildet, sie sind aber explizit in ein und derselben Struktur und unter einem einzigen Dach untergebracht, in Räumen, die denselben Prinzipien gehorchen und mit der gleichen Sorgfalt gestaltet sind. Das entspricht der Firmenkultur, die sich in der Tradition der ehemaligen Schlosserei sieht und den Wert des Handwerks hochhält. Dass die Cafeteria im Dachgeschoss von allen gemeinsam benutzt wird, versteht sich fast von selbst.

Man spürt deutlich, dass hier der Industriebau nicht bloss als ein Kostenfaktor der Produktion verstanden wird, sondern auch als ein Beitrag zum Marketing, vor allem aber als eine Investition in die Qualität der Arbeitsplätze und in die Identität der Firma. Gewiss richtet sich die Architektur auch an den Besucher. Er wird von der begrünten Fassade überrascht und von der Eingangshalle beeindruckt, die dramatisch die Vertikale inszeniert und so aus der Not, nach oben zum Empfang zu müssen, eine Tugend macht. Die kultivierte Architektur richtet sich aber vor allem an die Mitarbeitenden, denen sie in einem belanglosen Umfeld einen angenehmen und anregenden Ort schafft, mit dem sie sich identifizieren können.

TEC21, Fr., 2016.11.11



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|46 Bauen für die New Old Economy

11. November 2016Martin Tschanz
TEC21

Hilti Innovationszentrum, Schaan

Die Industrien Europas sind auf Innovation angewiesen. Diese entsteht, wenn die Fachleute eines Betriebs aufeinandertreffen und sich austauschen. In Schaan haben giuliani.hoenger architekten für Hilti ein Gebäude entworfen, das Versuchslabor und Engineering vereint: von aussen streng gegliedert, von innen räumlich differenziert.

Die Industrien Europas sind auf Innovation angewiesen. Diese entsteht, wenn die Fachleute eines Betriebs aufeinandertreffen und sich austauschen. In Schaan haben giuliani.hoenger architekten für Hilti ein Gebäude entworfen, das Versuchslabor und Engineering vereint: von aussen streng gegliedert, von innen räumlich differenziert.

Das Hilti Innovationszentrum verfolgt in gewisser Weise eine gegensätzliche Strategie [als der Firmensitz von Sky-Frame in Frauenfeld]. Nicht die Ausdifferenzierung eines Open System ist hier das Thema, sondern ein System, das von unterschiedlichen und spezifischen räumlichen Situationen ausgeht und diese zu einem kompakten Ganzen zusammenführt. Dieses System kann man als Schnitttypus beschreiben, der zwar auch eine gewisse Flexibilität garantiert, aber die Unterschiedlichkeit als Ausgangspunkt nimmt. Einheit und Nähe entstehen hier durch räumliche Verknüpfungen und erst sekundär über atmosphärische Ähnlichkeit. Das Tragwerk, das auch hier eine raumprägende Rolle spielt, ist ausdifferenziert und dabei auf das ­System der räumlichen Ordnung bezogen.

Dem Architekturwettbewerb lag ein sorgfältig ausgearbeitetes Programm zugrunde. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) war bereits im Vorfeld systematisch untersucht werden, wie die Entwicklungsprozesse bei Hilti ablaufen und wie idealerweise eine Arbeitsumgebung aussehen müsste, die Innovation begünstigt. Fasst man die Resultate in Stichworten zusammen, sind diese allerdings wenig überraschend: räumliche Nähe zwischen allen Beteiligten, insbesondere zwischen theoretischer Forschung, Entwicklung, Labors und Prüffeldern; Sichtbarkeit und Transparenz; Interdisziplinarität; kurze Wege, aber viele Kreuzungen und damit Möglichkeiten der Begegnung; vielfältige und abwechslungsreiche Räume, insbesondere für den informellen Austausch. Ein wichtiger Aspekt war, dass rasch interdisziplinäre Projektteams zusammengestellt werden können, die je nach Art und Stand der Arbeiten wachsen oder auch wieder schrumpfen können.[1]

Die Gemeinschaftsräume als Brücken, die Versuchshalle als Herz

Der Bau reagiert darauf mit einer offenen Bürolandschaft, bei der die individuellen Arbeitsplätze grundsätzlich an den Fassaden liegen, während in der Tiefe des Gebäudes Gruppen- und Besprechungszonen angeordnet sind. Die Empfangsräume und Wandelhallen, Lounges und eine Bibliothek sind als Verbindungstrakte zwischen den Ring der Büros gehängt, ebenso die Konferenz- und Seminarräume sowie eine geschützte Dachterrasse, die daran anschliessen. Alle diese Gemeinschaftsräume sind im räumlichen und im übertragenen Sinn, aber auch konstruktiv als Brücken ausgebildet. Sie überspannen die grosse Versuchshalle, die das Herz der Anlage bildet und auf drei Seiten von Büros umgeben wird, während die vierte für zukünftige Erweiterungen offen bleibt.

In der zentralen Halle werden die Lösungen erprobt, die um sie herum erarbeitet werden, und hier ergeben sich die Fragestellungen, die daneben und darüber gelöst werden müssen. Die Forderung nach kurzen Wegen wird damit auf exemplarische Weise erfüllt. Wichtiger aber ist, dass das Gebäude mit seinen Durchdringungen und seiner typologischen Klarheit eine ein­drückliche symbolische Form für die postulierte Zusammenarbeit findet. Durch die Denkfabrik der Ingenieure hindurch fällt das Licht direkt in die Werkhalle.

Der Bau setzt alles daran, trotz seiner Grösse eine Atmosphäre der Teilhabe am Ganzen zu erzeugen. Die Versuchshalle wird von einem offenen Ring zu­dienender Werkstätten und Labors umgeben, darüber liegen bereits Büros, aus denen sich der ganze Grossraum überblicken lässt. In der Mitte greift die Halle nach oben in das Eingangs- und Empfangsgeschoss ein, sodass sie auch hier eine starke Präsenz entfaltet. Interne und seltener auch externe Gäste erhalten aus erhöhter Position einen begrenzten Einblick in das experimentelle Tun, finden im grossen Auditorium oder in den Konferenzräumen, an der Kaffeebar oder in der Wandelhalle den Kontakt mit den Mitarbeitern und können gegebenenfalls direkt zu einer Demon­s­tration in die Halle geführt werden.

Das oberste Geschoss schliesslich liegt ganz über der Halle. Trotzdem bleibt die Beziehung zu ihr auch hier bestehen, nicht nur über die Oberlichter in den Höfen, sondern auch und vor allem durch die starke Präsenz der Tragstruktur in der Gebäudemitte. Das offen sicht- und tastbare Fachwerk aus Stahl macht mit seiner massiven Materialität jederzeit klar, dass man sich hier in einer Brückenkonstruktion und über jenem Raum befindet, den man beim Betreten des Gebäudes gesehen hat.

Vielheit in der Einheit

Die Räume sind, dem Programm gemäss, vielfältig ausgestaltet. Die halb öffentlichen Bereiche des Eingangsgeschosses zeichnen sich durch einen Steinboden und Gipsdecken aus, die mit Friesen profiliert sind, die Büros durch einen Teppich und offene Decken mit weissen Akustik-, Klima- und Lichtfeldern, die Mittelzonen schliesslich durch Holzböden und dieselben Deckenelemente, die hier allerdings dichter angeordnet sind.

Trotz dieser Ausdifferenzierung trägt auch die Gestaltung der Innenräume zur Einheit bei. Gewiss ist das Testfeld in der Versuchshalle bauphysikalisch sorgfältig vom Rest getrennt – immerhin werden hier Elemente bis zu ihrem Versagen belastet, Erdbeben simuliert und andere, durchaus heftige Versuche durchgeführt. Mit hellem Betonboden, glatten Wänden und Decken ist es aber ähnlich sorgfältig durchgestaltet wie alle anderen Räume. Umgekehrt gibt es auch in den Büros mit den nackten Betonstützen und der teilweisen Sichtbarkeit der rohen Decken und Installationen einen Hauch von Werkstatt.

Die Sozialbereiche schliesslich verbinden sich über die Decken mit den Büros, und die Häuslichkeit von Holzböden und Mobiliar wird durch die rohe Kraft der mächtigen Stahlfachwerke konter­kariert. Ganz beruhigt scheint der Bau einzig in den repräsentativen Bereichen des Eingangsgeschosses zu sein. Wo innovativ gearbeitet wird, gibt es stets leise, offensichtlich wohlkalkulierte Kontraste und Reibungsflächen.

Spezifisch und typisch

Mit seiner breit gelagerten, horizontal gegliederten Volumetrie am Übergang zur Rheinebene schreibt sich der Bau präzise in seine Umgebung ein. Die schwarzen, stark hervortretenden Brüstungsbänder unterstreichen die Schwere des Baus, deren mächtige Betonelemente beiläufig die Wirksamkeit der hier entwickelten Befestigungssysteme demonstrieren. Durch die Neugestaltung des höher gelegenen Hauptgebäudes auf der gegenüberliegenden Seite der Hauptstrasse wurde die Horizontalität des Innovationszentrums jüngst um eine kräftige Vertikale ergänzt. Aus der Ferne könnte man fast den Eindruck gewinnen, es bilde den Sockel für die hochragende Konzernzentrale und die anschliessenden Produktionsgebäude. Auch dies ist ein sinniges Bild.


Anmerkung:
[01] Wilhelm Bauer und Jörg Kelter: Vom Konzept in die Realität, in werk, bauen + wohnen 4/­2016, S. 18f).

TEC21, Fr., 2016.11.11



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|46 Bauen für die New Old Economy

27. Februar 2016Martin Tschanz
TEC21

My home is my castle

Im Zellweger Park Uster haben Herzog & de Meuron ein innovatives Gebäude mit Mietwohnungen erstellt. Doch nicht alle ­Neuerungen zielen in eine erstrebenswerte Richtung.

Im Zellweger Park Uster haben Herzog & de Meuron ein innovatives Gebäude mit Mietwohnungen erstellt. Doch nicht alle ­Neuerungen zielen in eine erstrebenswerte Richtung.

Der Zellweger Park in Uster beherbergte einst die Industriehallen der Zellweger Luwa AG. Heute wird das ehemalige Industrieareal zu einem lebendigen Wohn- und Arbeitsquartier umgebaut. Die Grundlage dafür bildet das in einem städtebaulichen Ideenwettbewerb gewählte Projekt von EM2N Architekten mit Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten. Herzog & de Meuron realisierten auf dem Areal neben dem Herterweiher den Neubau eines Wohnhauses, der mit seiner Gestaltung und seinem Erschliessungskonzept ungewohnte Wege geht.

Das Gebäude, das 4 ½- und 5 ½-Zimmer-Mietwohnungen im mittleren Segment bereitstellt, ist im Park der ehemaligen Industrieweiher eine merkwürdige ­Erschei­nung. Ein im Grunde würfelförmiges Volumen aus rohem ­Beton steht verdreht zur Bebauung der ­Umgebung. Das unterstreicht seine Autonomie und ­bewirkt gleichzeitig, dass es trotz seiner Grösse den Park erstaunlich wenig tangiert. Der wichtige Bezug der Weiher zum Aabach bleibt offen, und der filigrane Wasserpavillon von Roland Rohn behält, geschützt durch eine alte Baum­gruppe, genügend Raum.

Die Betonschale des Neubaus ist stark durchfenstert – ­gerade so, dass die identisch dimensionierten Horizontalen und Vertikalen als Reste der Mantelfläche wahrgenommen werden und nicht als Skelett. An jeder Ecke des Würfels befindet sich ein rundes Anhängsel, das als Eckturm erscheint, obwohl es nicht bis zum ­Boden reicht, sondern nur bis zu den Spitzen der ­Wiese. ­

Unweigerlich wird man an eine ­Festung erinnert, zumal der Eingang an verborgener Stelle liegt, dem ­benachbarten Gewerbebau zugewandt. So ergibt sich ein eher abweisender Ausdruck trotz den riesigen ­Fenstern. Diese erinnern an einen Industriebau und ­damit an die ursprüngliche Nutzung des Areals. Die ­Lattenzäune in den Ecktürmen wirken provisorisch, als hätten sie sich aus einem Schrebergarten hierher verirrt. Gleichzeitig sind sie offensichtlich ein inte­graler ­Bestandteil der Architektur, da sie exakt auf der Höhe der Fensterkämpfer enden, als gesetzeskonforme ­Absturzsicherung.

Die Küche im Zentrum

Das Wesentliche, das wird offensichtlich, geschieht hier innerhalb der Betonschale. Der Vierspänner besitzt kein zentrales Treppenhaus, dafür vier Flucht­treppen in den aussenliegenden «Ecktürmen». Die ähnlich geschnittenen Wohnungen werden unmittelbar von den beiden zentralen Aufzügen aus erschlossen. An die ­Stelle einer gemeinschaftlichen Treppenhalle tritt als Ankunftsort je ein privates Entree innerhalb der jeweiligen Wohnung. Aus diesem dunklen Bereich im Kern des Hauses gelangt man schrittweise ins ­Helle, eine Bewegung, die auf den Balkonen ihren Abschluss und Höhepunkt findet. Hier tritt man aus dem Würfel in den Park hinaus und gewinnt so einen völlig anderen Bezug zur Umgebung als im Innern.

Ihren Rückhalt finden die Wohnungen in ihrer Küche. Diese bildet das Zentrum, um das herum sich die Räume der Fassade entlang aufreihen. Herzog & de Meuron realisieren hier eine Art Dielentypus und legen dabei die Küche in die Diele. Das ist ungewohnt und mutet doch geradezu archaisch an: Man erinnert sich an Bauernhausküchen, vielleicht sogar an Gottfried Sempers Theorie vom Herd als dem Wesenskern des Hauses. Von einer offenen Küche mag man dabei, zumal in den grösseren Wohnungen, nicht sprechen.

Das ­Kochen wird hier, anders als so oft in jüngster ­Vergangenheit, nicht ausgestellt. Es findet vielmehr einen wohldefinierten räumlichen Rahmen – und ist doch der Angelpunkt der Wohnung.

Die Wohnungen orientiert sich jeweils übereck, wobei die Exposition weitgehend ignoriert wird. Als Folge haben sie, trotz ähnlichem Grundriss, eine höchst unterschiedliche Qualität. Die nördliche dürfte, zumal in den unteren Geschossen, kaum je Sonne erhaschen. Im Osten steht zudem der benach­barte Gewerbebau so nah, dass man sich, mit einer intimen Beziehung von grossem Fenster zu grossem Fenster, eher in einem ­allzu engen Hinterhof wähnt als in einem Park. Der schöne Aussenraum im «Eckturm» vermag dies nicht zu ­kompensieren.

Expressive Fluchttreppen

Die Konsequenz und die enorme Qualität des archi­tektonischen Handwerks, die sich im Bau zeigen, sind bewundernswert. Durchgehende Parkettböden und Betondecken sowie raumhohe Türen binden die Räume trotz Kammerung zu einer Einheit zusammen.

Rollläden betonen, schräg in die Laibungen gelegt, die Tiefe der massiven Betonschale. Die Gestaltung der Details ist von der kunstvollen Führung der Leitungen in der Tiefgarage bis hin zu den Korkstopfen in den Elektroaussparungen der Wohnungsdecken ebenso einfach in ihren Mitteln wie sorgfältig und wirkungsvoll.

Die Aussenräume sind so an den Baukörper angeschlossen, dass sie einen engen Bezug zur zugehörigen Wohnung haben, während die Sicht von und zu den Nachbarn im Haus gut abgeschirmt bleibt. Man tritt hinaus in eine Art privates Gärtchen, aus dem man in die eigene Wohnung zurückblicken kann.

Dieser Effekt wird verstärkt durch die hohen Lattenzäune vor den niedrigen Betonbrüstungen. Diese Intervention des Künstlers Erik Steinbrecher wäre einen eigenen Text wert. Hier sei nur auf die Orientierung der Zäune aufmerksam gemacht.

Während dem Kleingartenbesitzer der Anstand gebietet, die schöne Seite nach aussen zu kehren, richtet sich diese hier nach innen. Als Folge gewinnt man den Eindruck, der Park müsse vor den Hausbewohnern geschützt werden.

Den eigentlichen Höhepunkt erreicht das Gebäude in den Wendeltreppen. Massiv in Beton gegossen, von Kernbohrungen durchdrungen, mit dünnen Blechen und silbern glänzenden Elektroinstallationen ergänzt, gewinnen diese begehbaren Plastiken eine expressive Kraft – nicht trotz, sondern gerade dank der groben Machart.1 Dabei spielen die Plastizität der Treppe im Innern und der starre Raster der äusseren Schale wirkungsvoll zusammen.

Es drängt sich jedoch die Frage nach der Angemessenheit auf. Ist es sinnvoll, den räumlichen Höhepunkt und den grossen baulichen und ökonomischen Aufwand in die Fluchttreppen zu legen, die im Sinn des Brandschutzes «überbreit und repräsentativ» ausgeführt sind2, obwohl sie gänzlich aus dem Funktionszusammenhang des Hauses ausgegliedert bleiben?

Splendid Isolation

Damit kommen wir zum Wesenskern des Gebäudes zurück. Von der Stellung und Ausgestaltung des Baukörpers über die Art der Erschliessung und die zentripetale Organisation der Wohnungen bis hin zur Anlage der Aussenräume erweist es sich als konsequent durchdachte Maschine der Dissoziation.

Insbesondere die Erschliessung ist als effektives Instrument der Vereinzelung ausgestaltet. Der Aufzug als Nicht-Ort, der das Individuum auf sich selbst zurückwirft und ähnlich einer Dunkelblende die Kontinuität unterbricht, ist ein bekannter Topos.

Besonders in Filmen wird er immer wieder aufgegriffen, und die fast ebenso verbreiteten Wunsch- oder Angstfantasien zu Übergriffen in der blockierten Kabine, durch die sich die Lücke in Raum und Zeit unerwartet ausdehnt, sind nur die Kehrseite dieser Medaille.

Gewiss: In diesem Gebäude gibt es ergänzend zum Aufzug eine Eingangshalle, die mit Kunst aus der Sammlung Bechtler und einer Sitzbank ausgestattet ist. Aber liegt der eigentliche Zugang nicht eher im Untergrund, in der hochwertig gestalteten Tiefgarage? Oder da, wo das Auto wie durch Zauberhand vom Erdboden verschwindet, nachdem sich in der Stirnseite eines vermeintlichen Schuppens für kurze Zeit eine Tapetentüre geöffnet hatte, weit weg vom Gebäude? Diese Camouflage ist eines James Bond (oder eines Ernst Stavro Blofeld) würdig.

Das Gebäude steht isoliert in seiner Umgebung, als Objekt, vergleichbar dem Würfel von Sol LeWitt auf der anderen Seite der Teiche. So fügt es sich gut in die Sammlung von Kunstwerken ein, mit denen der Zell­weger Park bestückt ist. Als Architektur jedoch passt es weniger gut in seinen Kontext. Als Wohnungsbau mit familiengerechten Mietwohnungen ist es auch ­Gestaltung des Alltags und setzt ein starkes Statement für die Individualisierung und gegen die Kultur der Nachbarschaft und des Zusammenlebens. Da aber Urbanität Bezugnahme und Zusammenleben bedeutet, ist es letztlich auch ein Statement gegen die Stadt – da mag das Volumen noch so gut in seine Umgebung eingefügt sein.

Dies passt schlecht zur sozial verantwortlichen Haltung, die die Bauherrschaft immer wieder zum Ausdruck bringt, und es passt schlecht zum Zellweger Park, der sich gerade durch seine Öffnung und einen viel­fältigen Zusammenschluss mit der Stadt auszeichnet.3 Die anderen Bauten, die bisher auf der Basis des städte­baulichen Plans von EM2N gebaut worden sind, haben diese Idee aufgegriffen. Mit halböffentlichen Räumen gestalten sie die Übergänge zwischen Gebäude und Park.

Die Zeile von Morger Dettli tut dies mit einem offenen Erdgeschoss, die Anlage von Gigon/Guyer mit einem Hof.4 Das Gebäude von Herzog & de Meuron dagegen genügt sich selbst in «Splendid Isolation», als wollte es nichts mit seiner Umgebung zu tun haben – es sei denn, um von ihr zu profitieren.

TEC21, Sa., 2016.02.27



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|09-10 Wohnbauten: Öffnung oder Abgrenzung

18. September 2015Martin Tschanz
TEC21

Alles analog oder was?

Der Minimalismus der Nullerjahre steckt in einer Sackgasse. Auf ihn folgt eine Architektur mit Variationen zu Tradition und Tektonik. Was in den 1980er-Jahren als aufmüpfiges Postulat der Analogen Architektur begann, hat mittlerweile Boomtown Zürich erreicht. Eine Spurensuche.

Der Minimalismus der Nullerjahre steckt in einer Sackgasse. Auf ihn folgt eine Architektur mit Variationen zu Tradition und Tektonik. Was in den 1980er-Jahren als aufmüpfiges Postulat der Analogen Architektur begann, hat mittlerweile Boomtown Zürich erreicht. Eine Spurensuche.

Walmdächer auf Hochhäusern! Und das heute, mitten in Zürich! Ist die Analoge Architektur, die einst als subversive, um nicht zu sagen sektiererische Bewegung in den 1980er-Jahren an der ETH ihren Anfang genommen hatte[1], salonfähig geworden? Die Europaallee kann als die Bahnhofstrasse unserer Zeit gelten. Hier treibt der gegenwärtige Immobilienboom die wildesten Blüten (vgl. TEC21 41 und 42/2014). Die Erwartung an die Rendite ist enorm, und deshalb würde hier niemand in etwas investieren, das nicht mainstreamtauglich ist. Und nun also gewalmte Dächer auf den hochschiessenden Türmen!

Tatsächlich fallen die Grossbauten im Zentrum Zürichs nicht aus dem Rahmen der gegenwärtigen Architekturströmungen, im Gegenteil. In den Wettbewerben der jüngeren Zeit verdrängt zunehmend und auf breiter Linie eine komplexere, differenziertere und bisweilen auch traditioneller anmutende Architektur die «Minimal Tradition» und die «Swiss Shapes»[2], die noch vor zehn Jahren die hiesige Architektur geprägt haben. Die Fassaden sind plastisch durchgearbeitet, oft gibt es eine tektonische Gliederung; die Gebäude haben ein klar ersichtliches Unten und einen Abschluss nach oben, sind also Häuser mit Sockel und Dach; die Fenster haben artikulierte Gewände und Flügel, die zeigen, dass sie von Menschen bedient werden können – wie überhaupt konstruktive und technische Gefüge nicht mehr unterdrückt, sondern für den Ausdruck der Bauten genutzt werden.

Das alles klingt banal und selbstverständlich, markiert aber doch einen Richtungswechsel der gegenwärtigen Tendenzen. Die Architektur entlang des Zürcher Gleisfelds ist dafür ein getreuer Spiegel. Das Wohnhaus von EM2N an der Langstrasse/Neufrankengasse zum Beispiel scheint aufgrund seiner Radikalität einen Endpunkt zu markieren. Was sollte in dieser Richtung noch kommen nach solch einem Bau? Abstrakter kann eine Fassade kaum noch gedacht werden, härter an die Grenze zwischen Raffinement und Banalität geschoben, grösser das grosse Fenster. Die Reduktion, die vor 20 Jahren am Basler Barfüsserplatz mit dem Bürogebäude von Diener & Diener einen ersten Höhepunkt erreicht hatte, scheint hier zu einem Ende gekommen zu sein.

Ebenfalls einen Endpunkt, wenn auch einen anderen, markiert die Gebäudehülle von Gigon/Guyer im Baufeld C an der Europaallee. Abgesehen von einer verwischten Andeutung von Geschossen verschwindet hier alles, was gesagt werden könnte, hinter einer aufwendig gestalteten Oberfläche. Was bleibt, ist der stumme, hermetische Baukörper.

Für die Stadt sind aber weder die harte Abstraktheit der grossen Fenster noch die schillernde Sprachlosigkeit einer Hülle genug. Wenn die ersten beiden Etappen der Europaallee, die Baufelder A und C, so problematisch erscheinen, liegt das nicht nur am Städtebau mit seinen falschen Hierarchien zwischen öffentlich und privat, dem Vorspiegeln einer offensichtlich nicht existierenden Parzellierung und der möglicherweise doch etwas zu hohen Dichte. Es liegt auch an der Architektur. Selbst wenn der abstrakte Rationalismus von Max Dudler und die tiefe Glasfassade von David Chipperfield etwas stärker ausdifferenziert sind als die Hülle von Gigon/Guyer, leiden doch alle diese Bauten an einer mangelhaften Verknüpfung mit der Stadt. Dies zeigt sich in dieser dichten innerstädtischen Umgebung besonders deutlich, vor allem aber auch in Nachbarschaft zu der anders gearteten Architektur der folgenden Europaallee-Etappen am Gustav-Gull-Platz.

Man mag die Fassaden des Baufelds E von Caruso St John und Bosshard Vaquer für etwas übertrieben inszeniert halten, diejenigen des Baufelds G von Graber Pulver und Masswerk für etwas allzu kühl und reduziert (vgl. Bild links). Offensichtlich nutzen aber beide die jeweils eingesetzten Elemente, um mit der Stadt zu kommunizieren, indem sie den architektonischen Aufbau der Häuser und deren Beziehung zur Umgebung zum Ausdruck zu bringen. Oben und Unten sind hier ebenfalls artikuliert, das öffentliche Erdgeschoss ist in den Büro- und Wohnungsetagen differenziert und reagiert mit unterschiedlichen Vor- und Zwischenbereichen auf die anschliessenden Stadträume. Es gibt eine Hierarchie der Eingänge. Das Öffnen und Schliessen der Fenster ist gestaltet, die Fassaden suchen mit der Tiefe ihres Reliefs eine Verknüpfung von Innen und Aussen und so weiter und so fort. Ob nun die umhüllte Tektonik oder die tektonisch gestaltete Hülle angemessener sei, die Annäherung des Wohnens an die Büros oder die stärkere Ausdifferenzierung, Aluminium oder Kunststein: Man soll und kann es an diesen Beispielen diskutieren und wird es noch besser können, wenn demnächst die Bauten des Baufelds F von Roger Boltshauser mit ihren Stahl-Naturstein-Fassaden das Ensemble um einen weiteren, möglicherweise «mittleren» und zweifellos nicht weniger virtuosen Beitrag zu den gleichen Themen ergänzen werden.

Architektur der Architekturen

Die Bauten am Gustav-Gull-Platz greifen die traditionellen, seit jeher immer wieder und in unzähligen Varianten durchgespielten Themen der Architektur auf. Es ist selbstverständlich, ja unvermeidlich, dass dies in Bezug zu anderen Epochen geschieht. Ohne die Referenz auf Marc Saugey und andere Architekturen um 1960 wäre der Baublock von Graber Pulver und Masswerk nicht so, wie er ist, genauso wenig wie derjenige von Caruso St John und Bosshard Vaquer ohne das Wissen um die Stadtarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts, zum Beispiel in Mailand. In beiden Fällen ist die Architektur in Analogie zu anderen Architekturen entstanden und zu verstehen.

Eine solche Architektur der Architekturen ist nun aber nicht eine Erfindung von Aldo Rossi oder gar der «Analogen Architektur»[3], sie ist vielmehr charakteristisch für die gesamte traditionelle Architektur und insbesondere für die klassische Tradition von Marcus Vitruvius Pollio bis Gottfried Semper. Ein Streben nach Verständlichkeit oder gar Verbindlichkeit der Architektur ist ohne Referenz auf ein konventionelles System schlechterdings undenkbar. Ein solches Streben ist nun aber heute an vielen Orten und in unterschiedlichen Strömungen zu erkennen. Es ist das Bemühen, die Architektur von den Spielwiesen der Meta-Architektur, der Iconic Architecture und des Starsystems wieder zu den «Essentials» zurückzuführen und sie auf einen «Common Ground» zu stellen – so kann sie wieder in das Zentrum der Stadt zurückkehren, statt bloss als Exotin an der Peripherie ihr Dasein zu fristen.

Was nun beinahe wie eine weitere Architekturmode erscheinen mag[4], kennzeichnet selbstredend auch das Architekturverständnis, das basierend auf den Erfahrungen der Analogen Architektur von Miroslav Šik seit Jahrzehnten in der Praxis erprobt und an der ETH gelehrt wird. Aber selbst in dessen näherem Umfeld gibt es unterschiedliche Entwicklungslinien, die in eine ähnliche Richtung weisen und hier nur grob und unvollständig angedeutet werden können. Peter Märklis Untersuchung der Prinzipien der tradierten Architektur zum Beispiel, um bei den Zürcher Generationsgenossen zu beginnen, hat längst über das Persönliche hinaus seine Relevanz erwiesen. Seine Recherche zur archetypischen Sprachlichkeit und zur unmittelbaren Wirkungsweise von Architektur scheint eine Art Mittelstellung einzunehmen zwischen Peter Zumthors Essenzialismus und Hans Kollhoffs erneuerter Befragung der Klassik. Vittorio Magnago Lampugnanis wertkonservative Haltung wiederum lehrte und lehrt Skepsis gegenüber allen Arten von Moden. Von der gleichen Basis ausgehend wie Šik[5] untersuchen Marcel Meili und Markus Peter in ihren Projekten nicht zuletzt das Ausdrucks- und Organisationspotenzial von Baustruktur und Konstruktion, während Knapkiewicz & Fickert über Umwege eine opulente und bildlastige Architektur entwickelt haben, die sich heute gut in den «Midcomfort» von Lukas Imhof und Miroslav Šik integrieren lässt.[6]

Alternativen zur Konzeptarchitektur

Zu nennen sind aber auch internationale Positionen, etwa der Neobrutalismus von Lacaton & Vassal, oder, damit verwandt, die «arme» Architektur der jüngeren Belgier. Und selbstverständlich, um zu Caruso St John zurückzukommen, jene Engländer, die an die feinfühligeren Spielarten der britischen Nachkriegsarchitektur anschlossen und so zu ihrem sensiblen Realismus fanden.

Sie alle können schwerlich als Kinder der Analogen Architektur bezeichnet werden, auch wenn niemand im luftleeren Raum arbeitet und es ganz offensichtlich parallele Interessen und Kreuzbestäubungen gibt. So ist es fraglos kein Zufall, dass eines der besten Werke über die jüngere Schweizer Architektur in London entstanden ist und von Irina Davidovici stammt, der Lebenspartnerin von Jonathan Sergison vom Architekturbüro Sergison Bates.[7]

All die erwähnten Positionen und Strömungen verbindet, dass sie Alternativen zu jener Konzeptarchitektur darstellen, die zur Schärfung eines Themas, sei dies ein formales oder ein theoretisches, eine Reduktion der Komplexität in Kauf nehmen oder sogar anstreben. An der ETH führten Aldo Rossi und seine Assistenten in den frühen 1970er-Jahren eine Entwurfsmethode ein, die auf dem Dreischritt Stadtanalyse – Entwurfsidee – Entwurf basierte. Die Entwurfsidee bestand bei Rossi in der Festlegung auf einen architektonischen Typus, in der Praxis der Lehre auch in der Wahl einer Referenz unter den Projekten des Meisters.[8] In abgewandelter Form prägte dieser dreiteilige Entwurfsprozess aber bis weit in die 1990er-Jahre hinein den Architekturunterricht an der ETH, sein Einfluss reicht sogar bis in die Gegenwart.

Die Entwurfsidee oder, wie man auch sagte, das Konzept konnte später je nachdem auch in einem Bild, einer Atmosphäre, einem funktionellen Szenario oder einer abstrakten Idee gefunden werden. Wichtig blieb, dass ein solches Konzept geschärft und die Architektur gleichsam auf den Punkt gebracht wurde.[9] Das förderte einerseits eine «Einfachheit», die gern in die Nähe der Minimal Art gerückt wurde, andererseits Entwürfe von Gebäuden, die «wie etwas» waren: wie ein Vogelnest, wie eine Höhle oder ein Monolith, wie ein Tango tanzendes Paar und so weiter. Dass dabei vieles unterdrückt werden musste, was üblicherweise die Komplexität von Architektur ausmacht, versteht sich von selbst. Oft war es die Realität des Bauens, die aus der Vorstellung der Gebäude ausgeblendet wurde, sodass grösste Virtuosität aufgeboten wurde, um die Konstruktion unsichtbar oder zumindest «einfach» werden zu lassen. Fugenlos! hiess das Postulat der Stunde.

Kult der Mitte

Die Analoge Architektur, wie sie sich 1987 in der gleichnamigen Ausstellung und der diese begleitenden «schwarzen Kassette» präsentiert hatte, war von solcher Konzeptarchitektur weniger weit entfernt, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Die Entwurfsidee fand sich hier allerdings nicht in einem Typus, einer metaphorischen Idee oder einem abstrakten Prinzip, sondern in einem Bild, das in Analogie zu einem Vorbild entwickelt wurde. Dass dieses mit Vorliebe eine Reformarchitektur paraphrasierte, die in ihrer Zeit unter Rückgriff auf das Handwerk die Entfremdung zwischen Fertigung und Erscheinung überwinden wollte, hätte bei oberflächlicher Betrachtung darüber hinwegtäuschen können, dass genau diese Entfremdung die Entwürfe mitprägte. Oft waren es konstruktiv «umgesetzte», nicht aus einer zeitgemässen Konstruktion heraus entwickelte Bilder, die damals präsentiert wurden. In ihnen erfüllte sich nur ungenügend jenes alte, von Gottfried Semper auf den Punkt gebrachte Postulat einer inneren Kohärenz, wonach jede Änderung der technischen oder kulturellen Faktoren, die einem Werk zugrunde lägen, auch zu einer Änderung seiner Gestalt führen müsste. Hier lag der wahre Grund für die Melancholie dieser Bilder, die in den braunstichigen Tönen der Kreidezeichnungen eine adäquate Form fand.

Die «altneue» Baukunst von Miroslav Šik und seine heutige Lehre an der ETH haben diese Nostalgie weitgehend abgelegt. Sie sind von den Bildern der «Seelenmaler»[10] fast ebenso weit entfernt wie die Architektur der anderen Protagonisten der oben skizzierten Tendenz. Was bei ihnen aber bleibt, sind ein gewisser antimoderner Reflex und ein ausgeprägter Kult der Mitte, der die Sehnsucht des entfremdeten Künstlers nach Normalität widerspiegelt. Solche Abgrenzungsmechanismen spielen bei der jüngeren Architektengeneration kaum noch eine Rolle. Den Protagonisten von Baumberger Stegmeier, bernath   widmer, Buol & Zünd, EMI, Esch.Sintzel, GFA, Guignard Saner, huggenbergerfries, KilgaPopp, um nur einige wenige weitere Büros der mittleren Generation zu nennen, dürften diese Reste einer kämpferischen Avantgarde im Gewand einer Anti-Avantgarde weitgehend fremd sein.

Dasselbe gilt auch für die damaligen Studierenden der Analogen Architektur. Allerdings war deren Werdegang so unterschiedlich, dass über sie keine verallgemeinernden Aussagen gemacht werden können. Viele grenzten sich zunächst stark von ihren Arbeiten der Studienzeit ab, doch heute lassen sich manche gut in die skizzierte Tendenz einordnen – auch dies ein Hinweis darauf, wie wenig sinnvoll es wäre, diese linear und einseitig auf die Analoge Architektur zurückführen zu wollen (vgl. Interview S. 28).

Konstruktion als Ausdrucksmittel

Bereits Ende der 1990er-Jahre wandten sich viele der jüngeren Architekten gegen die Konzept- oder Bildlastigkeit der Architektur. Was damals bisweilen trotzig als Pragmatismus kultiviert wurde, bedeutete vor allem, deren Bedingtheiten nicht als Hemmnis zu verstehen, das der Annäherung an ein Ideal entgegensteht, sondern als wertvolles Material, das sich zu Baukunst gestalten lässt.[11] Weil sich Architektur aber nie einfach aus den Bedingtheiten heraus «ergibt», bestand parallel dazu ein starkes Interesse an den Urthemen der Architektur. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die lockere Reihe von Heften mit Titeln wie «Dächer», «Fassaden», «Fenster» und so weiter zu sehen, mit denen die Redaktion von «werk, bauen   wohnen» unter der Leitung von Nott Caviezel den grundlegenden Elementen der Architektur und deren Aufgaben nachspürte.

Gegen die Vorstellung, Konstruktion als «Umsetzung» eines Bilds oder eines Konzepts zu verstehen, richteten sich Ausstellung und Publikation «Dialog der Konstrukteure»[12], deren ausserordentlicher Erfolg das entsprechende Interesse beweist. In dieselbe Richtung zielt in besonders offensichtlicher Weise das Konzept des «synchronen Entwerfens», das am Institut für Konstruktives Entwerfen IKE der ZHAW Winterthur unter der Federführung von Astrid Staufer und Beat Waeber vor über zehn Jahren eingeführt und weiterentwickelt wurde.[13] Die materielle Realität des Bauens wird hier radikal und von Anfang an im Entwurfsprozess mitgedacht, mit dem Ziel, das Ausdruckspotenzial der Konstruktion möglichst gut zu nutzen und so eine verständliche, ausdrucksstarke und gleichzeitig effiziente und zeitgemässe Baukunst zu erreichen.

Bauweise und Ausdruck eng verknüpft

Das Thema der Tektonik, das dabei in vielfältiger Weise aufgegriffen wird, ist freilich ebenfalls ein Urthema der Architektur. Deshalb versteht es sich fast von selbst, dass es sinnvollerweise in Kenntnis der Geschichte, um nicht zu sagen in Analogie zu historischen Beispielen weiterentwickelt wird. Was diese Haltung bedeutet, mag ein weiterer Komplex am Zürcher Gleisfeld illustrieren, die Siedlung Letzibach C von Adrian Streich und Loeliger Strub.[14] Die tektonisch gegliederten Fassaden verleihen mit ihrem Betonraster und den Backsteinfüllungen der Skelettstruktur der Bauten Ausdruck und zeigen so eine starke, strenge Gliederung. Diese ermöglicht es, in den Varianten der Öffnungen die Vielfalt der Grundrisse und die Unterschiedlichkeit der Nutzungen anzudeuten. In den ausformulierten Details, in der Fugenteilung und besonders deutlich in der Durchbildung der Ecken wird zugleich die Konstruktionsweise der Fassade sichtbar – als Elementbau, der die Gebäude umgibt und in dem die Backsteine nicht aufgemauert, sondern zu Wandstücken vergossen sind. Das Resultat mag an Beispiele aus der Zeit um 1960 erinnern – weniger, weil entsprechende Vorbilder nachgebaut worden wären, sondern vielmehr, weil Konstruktionselemente in ähnlicher Weise genutzt werden: um Teile und Ganzes, Kleines und Grosses, Oben und Unten, Innen und Aussen und so weiter in einer sprechenden architektonischen Gestaltung miteinander in Beziehung zu setzen. Sogar die gesteigerte Komplexität, die heute aufgrund der Dämmung unvermeidlich ist, wird zumindest angedeutet. Niemand würde hier behaupten, die Form habe sich aus der Konstruktion ergeben, aber Bauweise und Ausdruck sind eng miteinander verknüpft.

Anlässlich der Ausstellung «Switzerland builds» schrieb Hans Hofmann 1946 von einer Entwicklung «vom Neuen Bauen zur Neuen Baukunst»[15], die weggeführt habe vom einseitigen Funktionalismus und Rationalismus der Vorkriegszeit. Heute könnte man in Analogie dazu von einer Entwicklung vom Kunst-Bauen zur Baukunst sprechen, mit der die Konzept- und Bilderarchitektur des jüngsten Fin-de-siècle überwunden wurde. Das «neu» kann man sich in unseren postmodernen Zeiten getrost sparen.[16] Wie Hofmann könnte man aber auch heute vom Ziel einer geschichts- und ortsbezogenen, sachlichen und gleichzeitig kunstvollen Architektur sprechen, von einem vielfältigen Sowohl-als-auch und einem komplexen, schwierigen Ganzen als Ziel. Die Wortwahl ist hier mit Bedacht dem «behutsamen Manifest» aus «Komplexität und Widerspruch» von Robert Venturi entlehnt – damit soll angedeutet werden: Eine solche Haltung gegen die Schärfungen der Extreme und die sie begleitenden Vereinfachungen ist nicht neu, sondern taucht immer wieder auf. Bisweilen setzt sie sich sogar durch – zumindest so lang, bis wieder neue Stimmen mit neuen Glaubenssätzen Klarheit und Einfachheit versprechen und damit zu verführen vermögen.


Anmerkungen:
[01] Die Begriffe Analogie und analog werden hier bewusst und (wie mir scheint) wesensgemäss unscharf verwendet (zum Begriff und seiner Verwendung im Umfeld von Aldo Rossi vgl. Werner Oechslin: Die Reise zum «Mont Analogue» – Erinnerungen an eine Architekturdiskussion, die nicht wirklich stattfand, in: L’opera sovrana – Studien über die Architektur des 20. Jh. für Bruno Reichlin, Mendrisio 2014, S. 18–49, bes. S. 33–39). Wenn die Architekturlehre an der ETH 1983–1991 von Fabio Reinhart und seinen Assistenten Miroslav Šik und Luca Ortelli gemeint ist, die 1987 und 1991 in Ausstellungen und Katalogen präsentiert wurde, ist von «Analoger Architektur» die Rede.
[02] Minimal tradition – Max Bill und die «einfache» Architektur 1942–1996, Baden 1996; Swiss shapes – Junge Schweizer Architekten, Berlin 2006.
[03] Miroslav Šik (Hrsg.): Analoge Architektur, Zürich 1987; Miroslav Šik (Hrsg.): Analoge Architektur – Analogická architektura – Analogous Architecture, Prag 1991. Vgl. auch Anm. 1.
[04] Vgl. Tibor Joanelly: Play it right, in: werk, bauen  wohnen 6-2015, S. 66–75.
[05] Vgl. Peter Disch (Hrsg.): Architektur in der deutschen Schweiz 1980–1990, Lugano 1991 (bes. die Beiträge von Martin Steinmann und Marcel Meili).
[06] Lukas Imhof, Professur Miroslav Šik: Midcomfort – Wohnkomfort und die Architektur der Mitte, Wien 2013; Lukas Imhof (Hrsg.): Midcomfort, 6 Hefte, Zürich 2006–2010.
[07] Irina Davidovici: Forms of practice – German-Swiss architecture 1980–2000, Zürich 2012.
[08] Vgl. Aldo Rossi: Vorlesungen – Aufsätze – Entwürfe, Zürich 1974; Ákos Moravánszky, Judith Hopfengärtner (Hrsg.): Aldo Rossi und die Schweiz – Architektonische Wechselwirkungen, Zürich 2011.
[09] Bereits Rossi hatte formuliert: «Ich denke, dass der erste und wichtigste Grundsatz im Beharren auf einigen wenigen Themen besteht: Der Künstler (und der Architekt im Besonderen) muss ein zu entwickelndes Thema auf einen Schwerpunkt hin bearbeiten …»; in: Aldo Rossi: Architektur für die Museen, in: ders.: Vorlesungen – Aufsätze – Entwürfe, Zürich 1974, S. 28–35, hier S. 28.
[10] Miroslav Šik: An die Seelenmaler, in: Analoge Architektur, 1987 (vgl. Anm. 3).
[11] Vgl. archithese 2/97: Stand der Dinge – Junge Schweizer Architektur.
[12] Aita Flury, Architekturforum Zürich (Hrsg.): Dialog der Konstrukteure, Sulgen 2010 (Zürich 2006); Aita Flury (Hrsg.): Kooperation. Zur Zusammenarbeit von Ingenieur und Architekt, Basel 2012.
[13] Astrid Staufer: Das simultane Projekt, in: Staufer & Hasler Architekten, Bd. II Methoden, Sulgen 2009, S. 14–22; Astrid Staufer, Thomas Hasler: Bauen, Forschen Lehren, in: Prix Meret Oppenheim 2015, Bern 2015, S. 16–31, bes. S. 19–20.
[14] Marc Loeliger unterrichtet am IKE der ZHAW.
[15] Hans Hofmann: Gedanken über die Architektur der Gegenwart in der Schweiz, Manuskript, publ. in: Christoph Luchsinger (Hrsg.): Hans Hofmann – Vom neuen Bauen zur neuen Baukunst, Zürich 1985, S. 236–137 (engl. in: Switzerland Planning and Building Exhibition, London/Zürich 1946, S. 19–23).
[16] Tatsächlich scheinen mir heute die frühen 1980er-Jahre, als sich die Schweizer Architektur schon einmal intensiv für diese «Neue Baukunst» interessiert hatte, näher zu liegen als das darauf folgende Fin-de-siècle.

TEC21, Fr., 2015.09.18



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2015|38 Analoge Architetkur II: die Praxis

17. Januar 2014Martin Tschanz
TEC21

Virtuos und unverträglich

Auch die exzellente Architektur kann nicht darüber hinwegtäuschen:
Basel zahlt einen hohen Preis, um als Messeplatz international zu bestehen.Der Neubau stellt die Hierarchie von Städtebau und
Architektur auf den Kopf.

Auch die exzellente Architektur kann nicht darüber hinwegtäuschen:
Basel zahlt einen hohen Preis, um als Messeplatz international zu bestehen.Der Neubau stellt die Hierarchie von Städtebau und
Architektur auf den Kopf.

Scheinbar mühelos überspannen die neuen Hallen am Messeplatz den Raum und lassen hier ihre gewaltigen Dimensionen von 217 m Länge und 90 m Tiefe beinahe vergessen. Das liegt nicht primär daran, dass das Bauvolumen aus Kostengründen im Vergleich zum Vorprojekt um fast ein Drittel geschrumpft ist. Zwar kommt die Verringerung der Bautiefe um rund 16 m der Situation durchaus zugute. Die Proportion des durch den Neubau verkleinerten Messeplatzes hat sich dadurch verbessert, und der Anschluss an den bestehenden Bau von Theo Hotz (1998–1999) gelingt nun mit grosser Selbstverständlichkeit. Überdies verhilft die nach Süden verlängerte Isteinerstrasse dem benachbarten Landhof zu einem neuen Auftritt.

Die geringfügige Verminderung der Bauhöhe führte dazu, dass der Bau rechtlich kein Hochhaus ist. Trotzdem ist er mit 32 m immer noch höher als manches, was hierzulande als ein solches gilt. Entsprechend hoch einzuschätzen ist die Leistung der Architekten, den Bau so zu gestalten, dass man nicht von seiner Wucht erschlagen wird, wenn man vor oder unter ihm steht. Drei Aspekte sind dabei wesentlich: Entmaterialisierung, dinghafte Ganzheit und Verschiebung der Massstäblichkeit.

Ähnlich wie beim Dogenpalast

Die beiden oberen Geschosse sind gänzlich mit Aluminiumbändern bekleidet. Deren wellenförmiges Auf und Ab erinnert an Streckmetall oder aber an ein Gewebe, dessen Schussfäden durch die Stossfugen der Bänder gerade noch angedeutet werden. Dadurch wird die Längsrichtung betont, wobei die Textur ein Gespanntsein von Kante zu Kante suggeriert. Keine Schwer-, sondern eine Zugkraft scheint hier zu wirken, die die Kanten aus der Vertikalen auskippen lässt. So entstehen lang gestreckte Regelflächen, die durch ihre prägnante Geometrie von Kante zu Kante die Ganzheit der Geschosse unterstreichen. Im Zusammenspiel mit der Textur wirkt dies in der Horizontalen ähnlich wie eine Kolossalordnung in der Vertikalen.

Die Textur als Mittel, einem Baukörper seine Schwere zu nehmen, kennt Vorläufer in der Geschichte der Architektur. Am bekanntesten ist der Dogenpalast in Venedig, wo es auf diese Weise gelang, den mächtigen, weitgehend geschlossenen Baukörper über offene Loggien zu stellen, ohne dass diese optisch erdrückt würden. Der Mauerverband ist dort als Gewebemuster gestaltet, das mit seinen Rauten die Flächigkeit der Wand unterstreicht, und der Bauschmuck der Kanten und Fenstereinfassungen als Bordüre, sodass sogar das filigrane Masswerk der darunter liegenden Loggien textil erscheint: als kostbarer Spitzenbesatz eines gewaltigen Festbehangs.

Dass bei der Messe Basel die Fassadentextur prosaischer ausgebildet ist, schmälert ihre die Schwere und Massivität auslöschende Wirkung nicht. Es entsteht eine Art Entmaterialisierung, ein Effekt, der paradoxerweise durch das Material selbst verstärkt wird. Das anodisierte Aluminium, weder glänzend noch völlig stumpf, ist im Grundton silbergrau, scheint aber keine eigene Farbe zu haben, sondern das wechselnde Licht einzufangen, sodass sich der Bau ständig verändert, entsprechend den Tages- und Jahreszeiten. Mal erscheint er strahlend hell wie der blaue Himmel mit seinen Schönwetterwölkchen, mal ebenso grau und stumpf wie der Hochnebel, mal orange aufleuchtend im Abendlicht, wobei Tönungsverläufe die Kontraste zwischen offen und geschlossen in feinen, die Flächen belebende Übergänge auflösen. Fast wird der Bau selbst zu einer atmosphärischen Erscheinung.

Noch weiter geht die Entmaterialisierung im Erdgeschoss. Hier werden die Grenzen unscharf, wobei die virtuelle Ausweitung des Raums durch Spiegelung und die reelle durch Transparenz fliessend ineinander übergehen. Zum überbauten Teil des Messeplatzes hin treten die Glaswände konkav zurück und greifen den Schwung des zentralen Okulus auf, der im Gebäudeinnern in mehreren Stufen weitergeführt wird. So entsteht eine schrittweise Verdichtung des Raums, die die Härte der Klimagrenze vergessen lässt. Eine stärkere Verzahnung von Messe und Stadt liesse sich kaum denken. Überdies erzeugt das Verspiegeln der Decke eine gewisse Festlichkeit, indem das Geschehen in der sogenannten City Lounge auf sich selbst zurückgeworfen wird. Das städtische Leben wird so zu einem Schauspiel, in dem die Zuschauer zugleich die Akteure sind.

Ein Loch als Anker

Die Erscheinung des Gebäudes mit drei deutlich artikulierten, fast schon voneinander isolierten Geschossen entspricht seinem inneren Aufbau. Drei riesige, lang gestreckte Hallen liegen übereinander, wobei die erste durch den offenen Raum der City Lounge in Messe- und Eventhalle zweigeteilt wird. Jeder Ausdruck eines Lagerns, der damit verbunden sein könnte, wird unterdrückt: durch die bereits beschriebenen Massnahmen, aber auch durch das leichte Ausdrehen der beiden oberen Hallen. Diese scheinen sich um die kreisförmige Öffnung in ihrer Mitte herum drehen zu können, nicht auf dem Boden stehend, sondern angehängt an einer zentralen Achse aus offenem Raum, die den Bau im Stadtraum verankert und das Innere der Hallen zentriert.

Abgesehen davon nimmt sich die Architektur der Hallen ganz zurück. Schwarze Farbe lässt die ruhige, strenge Ordnung von Tragstruktur und Installationen ebenso in den Hintergrund treten wie die Raumgrenzen, sodass die einzelnen Stände und Exponate umso effektvoller ins Licht gesetzt werden können.

Verschobene Wahrnehmung

Die prägnante, dinghafte Gestalt des Baus – zwei flache, umspannte Behälter über einem Erdgeschoss – trägt dazu bei, seine Grösse vergessen zu machen. Seine Dreigeschossigkeit wirkt vertraut, die Geschosse geradezu niedrig angesichts ihrer enormen Ausdehnung. Nichts lässt erahnen, dass jedes für sich gut so hoch ist wie ein dreigeschossiges Haus üblichen Zuschnitts. Die Schrägen verunmöglichen eine präzise perspektivische Wahrnehmung, und alles, was durch eine Referenz auf menschliche Grössen als Massstab dienen könnte, ist unterdrückt. Es gibt weder sichtbare Treppen noch Brüstungen oder Fenster, und die Aluminiumbänder wirken fein wie eine Textur, die wir aus haptischer Erfahrung kennen. Nichts erlaubt es, die wahren Dimensionen zu ermessen.

Als Resultat ergibt sich eine eigenartige Verschiebung der Grössenverhältnisse. Man glaubt sich fast in ein Modell versetzt, dessen Massfiguren – Autos, Trams, Menschen – in ihrer Grösse nicht ganz getroffen wurden. Alles hat die Tendenz, spielzeughaft klein zu wirken, was unangenehm sein könnte, es hier aber nicht ist, weil das Grosse nicht mächtig wirkt. Vielmehr entsteht auf dem und um den Messeplatz eine etwas surreale und durchaus heitere Atmosphäre, die gut zum Ausnahmezustand der Messen passt: ein Raum in Erwartung des Jahrmarkts von Art, Baselworld oder Herbstmesse.

Fein wird grob, klein wird gross

All die beschriebenen Effekte nehmen jedoch ab, je weiter man sich vom Bau entfernt. Die neue Messe gleicht darin dem Scheinriesen Turtur aus Michael Endes Erzählung von Jim Knopf. Während Turtur jedoch aus der Ferne als furchterregender Riese erscheint, der bei Annäherung zu seiner wahren, ganz und gar menschlichen Grösse zusammenschrumpft, scheint der neue Messebau erst mit zunehmender Distanz zu seiner echten, riesenhaften Grösse anzuwachsen. Aus der Ferne verlieren all die virtuos angewandten architektonischen Kniffe ihre Wirkung, weil die Feinheiten des Baus verschwimmen, vor allem aber, weil dieser im städtischen Kontext nur noch fragmentarisch wahrgenommen werden kann.

So kommt es, dass der Bau aus der Clarastrasse heraus gesehen den Raum als mächtige Wand verstellt und dabei die einstmalige Eleganz des Messeturms vernichtet, der nun nur noch gross wirkt und ohne präzisen Ort auf oder in dem neuen Gebilde zu stehen scheint. Von der mittleren Brücke aus, wo früher die zentrale Achse von Kleinbasel der Stadt zu Offenheit und Weiträumigkeit verholfen hat, scheint es nun, als würde Basel von einer neuen Mauer eingeschnürt. Was dahinter liegt, liegt nun im Abseits. Auch von der Pfalz aus, dem zweiten Herzen der Stadt, tritt die neue Messehalle nicht eben vorteilhaft in Erscheinung. Unwirklich, wie eine grosse Nebelbank scheint sie auf den Dächern von Kleinbasel zu liegen, und auch aus dieser Perspektive verbindet sich der gleichsam entmannte Messeturm mit dem Flachbau zu einem unharmonischen Ensemble (Abb. S. 80).

Und die Alternativen?

Man mag einwenden, solches sei der Preis für den Verbleib der Messe in der Stadt und in Anbetracht der gegebenen Aufgabe unvermeidlich – vielleicht zu Recht. Es bleibt jedoch das schale Gefühl, dass aufgrund des gewählten Planungsverfahrens in dieser Frage keine Gewissheit herrschen kann. Durch den Direktauftrag an die Architekten, durch die kurzen Fristen und durch die geballte Macht, mit der die Messe Basel als wichtiger Wirtschaftsfaktor zusammen mit der Autorität von Herzog & de Meuron aufgetreten ist, um die vorgeschlagene Lösung als die einzig mögliche und richtige zu präsentieren, wurde jegliche Diskussion im Keim erstickt. Ob nicht auch eine grundsätzlich andere, vielleicht stadtverträglichere Lös ung denkbar gewesen wäre, mit einer Überbrückung statt Überbauung des Messeplatzes, unter Opferung von Parkhaus und Halle 5, und vielleicht sogar – horribile dictu – der Rosental-Anlage: Wir werden es nie erfahren. Ausser Zweifel steht, dass der gewählte Ansatz mit seiner Überbauung des öffentlichen Raums für die Messe der günstigere ist – nicht zuletzt, weil dadurch eine weitere, zweifellos profitable Bautätigkeit am Messeplatz möglich, ja fast notwendig wird. Es bleibt zu hoffen, dass dabei die Verfahren transparenter und die Resultate besser abgestützt sein werden.

TEC21, Fr., 2014.01.17



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2014|03-04 Neubau Messe Basel

23. September 2011Martin Tschanz
TEC21

luxuswohnen heute? – Drei Antworten

Von 2008 bis 2011 wurde das 45 000 m² grosse Grundstück der Villa Im Forster am Zürichberg baulich verdichtet. Die Zürcher Büros EM 2N Architekten und Jakob Steib Architekten sowie Richter et Dahl Rocha aus Lausanne realisierten in drei Baufeldern insgesamt 54 Mietwohnungen. Obwohl vor allem die Wohnungsgrössen der Lage der Objekte am Zürichberg entsprechen, macht sich bezüglich der Grundriss- und Innenraumgestaltung eine gewisse Ratlosigkeit breit: Was bedeutet «gehobenes Wohnen» für eine Mietwohnung heute eigentlich?

Von 2008 bis 2011 wurde das 45 000 m² grosse Grundstück der Villa Im Forster am Zürichberg baulich verdichtet. Die Zürcher Büros EM 2N Architekten und Jakob Steib Architekten sowie Richter et Dahl Rocha aus Lausanne realisierten in drei Baufeldern insgesamt 54 Mietwohnungen. Obwohl vor allem die Wohnungsgrössen der Lage der Objekte am Zürichberg entsprechen, macht sich bezüglich der Grundriss- und Innenraumgestaltung eine gewisse Ratlosigkeit breit: Was bedeutet «gehobenes Wohnen» für eine Mietwohnung heute eigentlich?

Es war ein zentrales Anliegen der Eigentümer, bei der baulichen Verdichtung auf die ausserordentlichen Qualitäten des Parkes Rücksicht zu nehmen: Die Grösse des Grundstücks erlaubt eine weitgehende Erhaltung des Parks trotz Neubauten, die Hanglage eine unverbaute Aussicht über Stadt und See (vgl. «Hoher Anspruch über Generationen», S. 18). Mit einer Regelbebauung wäre dies nicht möglich gewesen, angesichts der Bedeutung des Areals bot die Stadt jedoch Hand zu der Ausarbeitung eines privaten Gestaltungsplans. Das städtebauliche Konzept wurde von den Landschaftsarchitekten Zulauf Seippel Schweingruber (heute: Schweingruber Zulauf Architekten) erarbeitet. Es sah fünf einzelne Baufelder vor, die als Inseln an der Peripherie des Areals angeordnet sein sollten. Mittlerweile wurden drei dieser Felder bebaut, während die beiden exponiertesten Bereiche im Süden des Areals vorläufig noch als Landreserve frei bleiben. Jedes wurde von einem anderen Architekturbüro geplant, sodass keine Handschrift dominiert. Die neuen Gebäude nehmen zum Teil den Raum der alten Bepflanzung ein, die vorher die umgebende Bebauung kaschiert hatte. Die Architekten der Neubauten wurden 2004 durch einen Studienauftrag unter sieben Konkurrenten aus dem In- und Ausland gekürt, wobei jedes Baufeld einzeln juriert wurde.

Am «Mittelberg», im Westen des Areals, setzten sich Jakob Steib Architekten aus Zürich mit drei identischen, am Hang gestaffelten Bauten durch, bei der ehemaligen Gärtnerei im Nordosten die Zürcher EM2N Architekten, die ein einziges, winkelförmiges Volumen vorschlugen. Für den privilegierten Standort «Rondell» im Nordwesten des Areals konnte kein Entwurf völlig überzeugen. Das Lausanner Architekturbüro Richter et Dahl Rocha & Associés wurde in der Folge auf Wunsch der Bauherrschaft direkt mit der Ausarbeitung eines neuen Projekts auf der Grundlage eines reduzierten Programms beauftragt.

Richter et Dahl Rocha: Drei Luxuswohnungen

Das Resultat ist ein orthogonaler Baukörper, der sich mit Abstufungen und dunkler, braungrauer Putzoberfläche neben der bestehenden Villa maximal zurücknimmt (Abb. 4). Die raumhohen Öffnungen, welche die Eleganz und Grosszügigkeit der drei Wohnungen erahnen lassen, wirken durch die Hanglage in der Sicht von unten teilweise geschlossen, sodass die Erscheinung des Volumens kompakt bleibt. Die einzelnen Wohnungen zeichnen sich nicht ab, obwohl ihre Zugänge bis in die Tiefgarage hinein individualisiert sind. Dadurch entsteht im Inneren der Eindruck von kleinen Villen. Die Räume sind streng in einen Tages- und einen Nachtbereich aufgeteilt, was ebenso konventionell wie überzeugend ist, abgesehen davon, dass man sich in der 5.5-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss (Abb. 10) eine Alternative zum Vestibül als Verbindung der beiden Bereiche wünschen würde. Als besondere Qualität erfährt man die unterschiedlichen Orientierungen der Räume, indem sich insbesondere die Nähe zu den Bäumen im Norden und die Weitsicht nach Südosten spannungsvoll ergänzen.

Jakob Steib Architekten: Wohnen in der Nachfamilienphase

Die unterhalb liegenden Bauten am Mittelberg von Jakob Steib stellen in mancherlei Hinsicht einen Gegenpol dazu dar. In den stark aufgegliederten Baukörpern werden die einzelnen Wohnungen durch weit ausgreifende Fortsätze individualisiert, während ihre Erschliessung kollektiv über einen gemeinsamen Kern erfolgt. An der Südseite heben sich die drei Bauten vom Grund ab, wodurch sie sich im Schnitt ebenso intensiv mit dem Park verzahnen wie im Grundriss und dadurch die geneigte Topografie stark zum Ausdruck bringen. Dies erzeugt eine elegante Leichtigkeit, die zusammen mit der Betonung der Horizontalität, dem Sichtbackstein und den Deckenstirnen in Beton an Bauten der späten 1950er- und 1960er-Jahre erinnert. Um trotz der engen Stellung der Volumen störende Einblicke zu vermeiden, sind die Nordseiten der Bauten praktisch blind ausgebildet, während die Ausrichtung nach Süden über vollverglaste Fronten gestärkt wird. Das überzeugt nur beschränkt, zumal sich nur aus den obersten Wohnungen ein Weitblick öffnet und die beiden Schmalseiten unterschiedlich attraktiv sind – die Ostseite öffnet sich zum Park, die westliche Fassade zum angrenzenden Quartier. Dass es den Architekten gelungen ist, Wohnungen der geforderten Grösse und Opulenz in einem Vierspänner zu organisieren, bezeugt entwerferische Virtuosität – trotzdem stellt sich die Frage nach der Angemessenheit des Typus. Auf eine Trennung zwischen Zimmer- und Wohntrakt wurde hier weitgehend verzichtet, was akzeptabel erscheint, zumal hier Paare in der Nachfamilienphase angesprochen sind. Die unkonventionelle Anordnung des Masterbedrooms hinter der Küche oder dieser unmittelbar gegenüber, vollverglast der repräsentativen Terrasse zugeordnet, will aber nicht recht zum ansonsten bürgerlichen Habitus der Wohnungen passen. Genauso wenig wie der Wohungszugang: Während die Vorhöfe durch eine schöne Verzahnung von Gebäude und Aussenraum und angenehme Grössenverhältnisse überzeugen, überrascht die Eingangshalle durch Nüchternheit. Dieser Eindruck entsteht nicht nur durch den Beton, der als Raumfassung nicht zum Aussenbau passt, sondern vor allem durch die Reihung von Kellertüren beim Eingang, unter die sich, ausgerechnet unmittelbar vor dem Aufzug, auch noch ein Wohnungseingang mischt.

EM2N: Lofts am Zürichberg

EM2N fassen an der nordöstlichen Ecke des Areals den offenen Raum mit einem winkelförmigen Gebäudekörper, der dank einer geschickt abgestuften Zugangsseite auch nach aussen hin nicht schroff erscheint. Der eingeschossige Sockel ist zu einer Terrasse ausgeweitet, die an die bestehende Gartenanlage des Landhauses anschliesst und diese ergänzt. So entstand ein Dachgarten, der am Rand von den angrenzenden Wohnungen teilweise als privater Aussenbereich genutzt wird. Dies verleiht der Anlage einen Siedlungscharakter, indem die Nachbarschaft, auch dank der allgegenwärtigen Glasbrüstungen, stets deutlich präsent ist. Der Bau nimmt Elemente des Loft-Wohnens auf und lässt damit am Zürichberg ankommen, was sich einst in der metropolitanen Subkultur entwickelt hatte. Das kündigt sich bereits im Äusseren an, mit der Gliederung von Flach- und Hochbau, die an Gewerbe- oder Shoppingzentren erinnern könnte, mit dem Vorplatz, an dem die Tiefgarageneinfahrt mit Nonchalance mitten zwischen den Wohnungseingängen liegt, vor allem aber mit der Gebäudehülle, die mit einer Wellblechverkleidung kokettiert, sich aber in der Nahsicht als sorgfältig gestaltete Holzkonstruktion erweist (Abb. 18).

In den Wohnungen gibt es zwar durchaus traditionelle Elemente des Komforts wie etwa die Auszeichnung eines Hauptschlafzimmers durch eine Koppelung von Schlafraum und Bad. Auf eine Trennung von Zimmer- und Wohnteil wurde aber praktisch vollständig verzichtet. Im Ostflügel gruppieren sich die Zimmer um einen zentralen, den ganzen, extrem tiefen Baukörper durchstossenden Wohn-, Ess- und Kochraum, der mit seinen bevorzugt in den Ecken abgehenden Türen den Charakter einer Diele hätte, wäre er nicht so riesig. Die Küche sitzt dabei jeweils annähernd in der Mitte, aufgeteilt in eine weiss in die Wand eingelassene Front und einen davorgestellten Korpus, der ähnlich in Holz gearbeitet ist wie der Boden.

Die Wohnungen im Nordflügel sind um eine tief in sie hineinragende, völlig verglaste Loggia herum organisiert (Abb. 20), während die Eckwohnungen die beiden Dispositionen mischen und die Möglichkeit einer Entwicklung über die Diagonale nutzen. Anders als es die Fassaden vermuten lassen, gibt es kein abgetrenntes Dachgeschoss. Vielmehr ragen die jeweils obersten Wohnungen stets bis unter das Dach, dessen Gestalt einer städtebaulichen Logik folgt. Dies führt zu teilweise enorm hohen Räumen und zu geneigten Decken, deren Form in keinem Zusammenhang zur Raumform steht, und verstärkt den Eindruck eines sekundären Einfüllens der Wohnungen in ein gegebenes Volumen, wie es für Lofts charakteristisch ist.

Fragen des Komforts

Auf dem Areal Im Forster waren der privilegierten Lage angemessene Mietwohnungen zu realisieren. Für einmal waren die Architekten also gefordert, sich ganz unabhängig von individuellen Wünschen eigene Vorstellungen zum Wohnen mit gehobenem Standard zu machen: eine aussergewöhnliche und offenbar nicht ganz einfache Aufgabe. Die Vielfalt der Resultate zeigt, wie uneindeutig heute die Vorstellungen von einer idealen Wohnsituation sind. Oder sollte es in diesem Fall, wo an privilegierter Lage ökonomische Zwänge (fast) keine Rolle mehr spielen, um etwas anderes gehen?

Städtebaulich wurde das Ziel erreicht, das Quartier über die Neubauten nicht einfach in den Park hineinwuchern zu lassen. Weil sich alle Elemente auf den Altbau bzw. auf den offenen Raum beziehen, der von diesem beherrscht wird, bleiben Einheit und Charakter des Ganzen gewahrt. Damit ist die Anlage städtebaulich ein grosser Erfolg: Nach wie vor sind die Weite und Grosszügigkeit, vor allem aus der Perspektive des Landhauses, überwältigend.

Daneben seien einige Bemerkungen zu Einzelaspekten der Wohnungen erlaubt. Zunächst zum Thema der Brüstungen bzw. der fehlenden Brüstungen, die derzeit als architektonische Mode jene der grossen, querrechteckigen Fenster abzulösen scheinen. Die Wohnräume von Jakob Steib Architekten z.B. wirken aufgrund ihrer Vollverglasung zu wenig gefasst: Weil eine vermittelnde Schwelle zwischen innen und aussen völlig fehlt, entsteht der Eindruck, der Raum drohe auszufliessen. Überdies werden die Bewohner durch die Glasfronten fast gezwungen, vor die Scheiben zu möblieren, wodurch das Private und insbesondere allerlei Rück- und Unterseiten zu einem Teil der Fassade werden, was weder für die Wohnungen noch für die Stadt ein Gewinn ist. Ähnliches gilt für die stets geschosshohen Fenster im Baufeld Gärtnerei.

Eine zweite Bemerkung betrifft die Stellung der Küchen. Am meisten vermag die Lösung in einem abschliessbaren, aber räumlich vielfältige Bezüge ermöglichenden Eck- und Scharnier-raum in manchen Wohnungen von Jakob Steib Architekten zu überzeugen. Sie vereinigt die Vorteile einer offenen und einer geschlossenen Disposition, die grundsätzlich beide ihre Berechtigung haben. Problematisch erscheinen jedoch jene extrem exponierten Küchen, die offen an der Stirnseite eines lang gestrecken Raumes liegen oder aber in dessen Zentrum, sodass der gesamte Wohnbereich von ihnen dominiert wird. In diesen Fällen wünscht man sich eine zusätzliche Bei- bzw. Spülküche oder zumindest einen etwas geschützteren Bereich, der das durch die Raumeinteilung erzwungene Schaukochen auch in einem etwas formelleren Rahmen praktikabel machen würde.

Insgesamt hält sich die Verfeinerung des Komforts in Grenzen, vor allem wenn man das bürgerliche Wohnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Massstab nimmt – trotz reichlich vorhandenen Sanitärräumen, Einbauschränken und sogar Ankleiden. Das Stereotyp von Parkettböden, weiss-glatten Wänden und ebensolchen Decken genügt zwar vielen Ansprüchen, aber wenigen so richtig. Es folgt einer Logik des kleinsten gemeinsamen Nenners, die hier zweifellos nicht einfach der Vorstellungsarmut der Architekten, sondern einer ganz allgemeinen Unsicherheit bezüglich der herrschenden Wohn- und Lebensvorstellungen geschuldet ist. Ein Raffinement des Komforts würde Festlegungen bedingen, die derzeit niemand riskieren mag.

An die Stelle des Komforts tritt deshalb die schiere Grösse. Selbstverständlich lässt es sich in einem Raum von 75 m² auch dann gut leben, wenn dieser grundsätzlich unbequem angelegt ist – die Loft-Kultur hat uns genau dies gelehrt. Zukunftsträchtig ist diese Strategie jedoch nicht. Eine Änderung der Leitbilder der Wohnkultur scheint daher angezeigt, selbst im gehobenen Segment. Nicht nur, weil die Quadratmeterbolzerei jeglichen Bemühungen um Nachhaltigkeit zuwiderläuft, sondern auch, weil die Wohnkosten mittlerweile auch hierzulande in einem schmerzhaften Bereich angekommen sind. In Tokio und London z. B., die jeweils in ganz unterschiedlichen Traditionen stehen, kann man sehen, dass dies sehr wohl möglich ist.

TEC21, Fr., 2011.09.23



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TEC21 2011|39 Im Forster

13. Mai 2002Martin Tschanz
Neue Zürcher Zeitung

Exzentrische Formen in spielerischer Vielfalt

Die Expo 02 wartet mit vielen Attraktionen auf. Was aber den Besuchern als Erstes auffällt, sind die Seenlandschaft und die eigenwilligen Bauwerke. Deren Vielfalt ist beeindruckend. Oft werden die Grenzen der Disziplinen verwischt. Ist das noch Architektur? Oder nicht vielleicht doch Kunst, Spektakel, Szenographie? Solche Fragen sind falsch gestellt. Es geht um das Ganze, um Botschaften und Medien, um die Ausstellung. Dabei spielt Architektur im engeren Sinn allerdings durchaus eine wichtige Rolle.

Die Expo 02 wartet mit vielen Attraktionen auf. Was aber den Besuchern als Erstes auffällt, sind die Seenlandschaft und die eigenwilligen Bauwerke. Deren Vielfalt ist beeindruckend. Oft werden die Grenzen der Disziplinen verwischt. Ist das noch Architektur? Oder nicht vielleicht doch Kunst, Spektakel, Szenographie? Solche Fragen sind falsch gestellt. Es geht um das Ganze, um Botschaften und Medien, um die Ausstellung. Dabei spielt Architektur im engeren Sinn allerdings durchaus eine wichtige Rolle.

Die Erinnerung an die Weltausstellungen der Vergangenheit wird oft durch einzelne symbolhafte Bauten bestimmt. Der Eiffelturm in Paris und das Atomium in Brüssel waren als solche erdacht. Dabei waren sie so erfolgreich, dass sie bis heute Bestand haben und nicht nur für die jeweiligen Ausstellungen stehen, sondern darüber hinaus auch für die Veranstaltungsorte und für ganze Epochen. In anderen Fällen gelang es einzelnen Ausstellungspavillons, sich aus der Fülle der konkurrierenden Eindrücke hervorzuheben und sich prägend in die Erinnerung einzuschreiben. So kann die grosse Kugel des US-Pavillons von Richard Buckminster Fuller für die Weltausstellung in Montreal stehen oder die gestapelte Landschaft von MVRDV für diejenige in Hannover. Bereits jetzt, unmittelbar vor der Eröffnung der Expo 02, ist klar, dass auch sie solche Symbole hat, allen voran der Monolith in Murten und die Wolke in Yverdon-les-Bains. Wesentlich ist hier jedoch der Plural: Gerade Wolke und Monolith entfalten in all ihrer Gegensätzlichkeit erst zusammen ihre ganze Kraft. Wesentlich ist zudem, dass die grossen Symbole der Expo 02 nicht isoliert stehen, sondern eingebettet sind in eine Gestaltung, welche die gesamten Arteplages umfasst.


Fünf Arteplages - eine Ausstellung

Die Expo 02 ist keine Leistungsschau, in der jeder Pavillon für sich um die Gunst des Publikums wirbt. Sie ist vielmehr eine Ausstellung, in der sich idealerweise die Teile zu einem Ganzen ergänzen. Dieser Anspruch wurde so ähnlich zwar auch schon für frühere Ausstellungen formuliert, erfüllt wurde er aber bisher kaum. Wenn dies der Expo 02 nun besser zu gelingen scheint, dann weniger, weil die Themen der Arteplages schärfer umrissen wären als diejenigen anderer Landes- oder Weltausstellungen. Wesentlich ist vielmehr, dass durch die Gestaltung der einzelnen Arteplages jeder Standort eine eigene Identität erhielt, in die sich die Teile einfügen. Dies ist die Frucht einer aufwendigen Koordinationsarbeit. Die Expo 02 führt damit eine Entwicklung innerhalb der schweizerischen Landesausstellungen weiter, die mit der Landi 39 begonnen hat und schon damals wesentlich war für ihren Erfolg. Dem damaligen Chefarchitekten Hans Hofmann gelang es, mit seiner Höhenstrasse eine adäquate Repräsentation der Schweiz zu gestalten und darüber hinaus der ganzen Ausstellung eine Art Rückgrat zu geben. Durch die Wahl der Architekten und durch enge Rahmenbedingungen konnte zudem damals auf dem ganzen Gelände eine «einheitliche Baustimmung» geschaffen werden.

An der Expo 64 konnte Chefarchitekt Alberto Camenzind an diese Erfahrungen anknüpfen. Wieder bildete ein einheitlich konzipierter «Weg der Schweiz» das Herzstück der Ausstellung, um den die anderen Teile gruppiert werden konnten. Der Expo 02 mit ihren unterschiedlichen Standorten fehlt naturgemäss ein solches Rückgrat. Dass trotzdem die Einheit der Ausstellung gewahrt bleibt, liegt wohl zum einen an der grossartigen Landschaft: Die Repräsentation des Landes wird gleichsam durch die Schweiz selbst ersetzt. Wohl an keinem anderen Ort sind Jura, Mittelland und Alpen als die drei grossen konstituierenden Elemente der schweizerischen Landschaft so präsent wie gerade hier. Zum anderen sind es die sich ergänzenden Charaktere der einzelnen Standorte, die für den Zusammenhalt sorgen. Irgendwie macht jede Arteplage neugierig auf die anderen, und man spürt, dass es hier um die Summe der Teile geht, um das Gesamtbild.


Murten und Yverdon

Nirgends wird die Integration der Ausstellungen in eine Gesamtdramaturgie so weit getrieben wie bei der Arteplage Murten, wo alles einer eindrücklichen Gesamtinszenierung zum Thema «Augenblick und Ewigkeit» untergeordnet ist. Wenn es um die Erscheinung der einzelnen Teile geht, sprechen die Architekten - Jean Nouvel und seine Partner Gauer Itten Messerli Maria - von Tarnung, von «Camouflage». Ähnlich wie in den grossen Themenparks werden dabei echte Zeugnisse der Geschichte und neu angelegte «Spuren» vermengt. Das echte Wrack des Unterseebootes Mésoscaphe, das an der Lausanner Ausstellung 1964 noch ein Symbol des Fortschritts war, steht nun als eindrückliche Verkörperung von Vergänglichkeit neben einem ebenso rostigen, aber neuen «Lagerschuppen», in dem sich ein Restaurant verbirgt. «Falsche» Baugerüste lehnen sich an die echten Stadtmauern, hohle Holzlager liegen am echte Hafen. Geschichte und Geschichten, Vergangenheit und Gegenwart werden lustvoll vermengt, so dass ein merkwürdiger Zustand entsteht, in dem alles fragwürdig erscheint - bis hin zu den Würstchenbuden. Die zahllosen Schiffscontainer, welche die Infrastruktur beherbergen, sind in diese Inszenierung ebenso integriert wie das historische Städtchen und seine Bewohner. Nicht von ungefähr flattert zuoberst auf dem Rathausturm die Expo-Flagge - schräg aufgesteckt, als wäre die Stadt eben erst erobert worden.

Der gewaltige Monolith, der sich mitten aus dem See erhebt, verkörpert konzentriert die Themen der Arteplage. Mit seiner idealen Würfelform steht er für die ausserhalb der Zeit liegende Welt der Ideen. Rostig, wie er ist, zeugt er gleichzeitig von der Vergänglichkeit und dem Zerfall der materiellen Welt. Die Kombination der drei Panoramen in seinem Innern erweist sich dabei als ein Glücksfall. Mit dem bewegten, computergesteuerten Rundbild der Gegenwart, dem historischen Schlachtenbild und dem inszenierten Rundblick auf die Stadt werden Geschichte und Fiktion, Zeit und Wahrnehmung in Frage gestellt.

In Yverdon-les-Bains erkundet die Gestaltung der Arteplage die Grenzen von Natur und Kunst (Konzept: extasia). Aus der Schwemmlandebene erheben sich künstliche Hügel, die mit ihren bunten Streifen aussehen, als wären sie am Bildschirm per Mausklick eingefärbt worden und nicht durch die Blüten unzähliger Pflanzen. An gewissen Stellen zeigen sie sich als Gebäude, die aus einer Unmenge von Holzstämmen gefügt sind, und an manchen Rändern gehen sie fast nahtlos über in Dächer, deren Kunststoffhäute wiederum mit Blumen bedruckt sind. Den Rand dieser künstlichen Hügellandschaft bildet ein mächtiges, sanft geschwungenes Dach aus gelbem und orangem Kunststoff, dessen Kontur die Silhouette der in der Ferne liegenden Jurahöhen nachzeichnet. Es ist das Rückgrat der Ausstellungen, die teils unter ihm liegen, teils in Pavillons wie eine Perlenkette vor ihm aufgereiht sind.

Vor dem Ufer liegt die «Wolke» der New Yorker Architekten Diller & Scofidio: eine technoide Maschine. Solange sie nicht in Betrieb ist, zeugt sie von der Schwierigkeit, vielleicht sogar von der Hybris, sich mit der Natur messen zu wollen. Die gewaltige und doch filigrane Konstruktion, die von Rampen und Plattformen durchwoben ist, formt aber weniger eine heroische denn eine spielerische Geste. Im Unterschied zu den Symbolen der Technik der sechziger Jahre spricht sie nicht von triumphaler Unterwerfung und totaler Kontrolle der Natur, sondern fordert diese lustvoll - und risikofreudig - zum Spiel heraus. Läuft die Maschine an, beginnen sich die Konturen zu verwischen. Natur und Architektur vermengen sich im schneeweissen Nebel, und vielleicht, wer weiss, wird die Wolke ja sogar einmal zu schweben beginnen . . .


Neuenburg, Biel und Jura

Die Arteplage Neuenburg setzt auf explizite Symbole. Die gewaltige Plattform im See wird von künstlichen Schilfhalmen aus Polykarbonat umgeben, deren Spitzen in der Dunkelheit leuchten. Über ihr schweben drei «Galets»: gewaltige pneumatische Dächer, die Kieselsteinen nachempfunden sind. Man ist dabei ganz froh, dass die Vorbilder nicht allzu naturalistisch nachgezeichnet sind, so dass ein Spielraum für Assoziationen offen bleibt. Warum bei den «Galets» nicht an fliegende Schüsseln denken, an UFO, oder gar an abstrahierte Wolken? Eher problematisch ist hier die Position der einzelnen Pavillons, die sich unter die Dächer drängen wie die Küken unter ein Huhn. Müssten sie in ihrer Anordnung nicht eher der Plattform zugeordnet sein, damit die Dächer, formal befreit vom Grund, ihre volle Wirkung entfalten könnten? Spätestens bei einsetzendem Platzregen wird man allerdings die gewählte Anordnung wohl zu schätzen wissen.

Die Arteplage Neuenburg profitiert wie keine andere von ihrer Nähe zur Stadt. Sie liegt unmittelbar vor dem Quai wie auf einer Bühne, zu der die Häuser am Hügel die Ränge bilden. Dies verleiht ihr eine festliche Atmosphäre, ähnlich jener auf den grossen Piers der Seebäder. Schade nur, dass als Abschluss des Geländes eine Art Mauer aus Dienstgebäuden aufgestellt worden ist, deren bedruckte Front nur ein schwacher Ersatz für die dahinter versteckte Seefassade der Stadt ist.

Am konventionellsten, aber deshalb nicht weniger überzeugend ist die Gestaltung der Arteplage Biel. Das Wiener Architektenteam Coop Himmelb(l)au hat auf dem Forum eine eigentliche Festarchitektur realisiert. Ein gewaltiges Dach verbindet den See mit der Plattform, auf der drei Türme wie übergrosse Figuren eines futuristischen Balletts erscheinen. Die silbergraue Stoffhaut, die alle Teile umhüllt, verleiht den Formen bei Tag Leichtigkeit. Je nach Lichtsituation wirkt sie opak oder beinahe transparent, so dass die Formen bald als geschlossene Volumen, bald als offene Gerüste in Erscheinung treten. Der Lichtkünstler Yann Kersalé kann sich dies zunutze machen und die Strukturen in der Nacht mit farbigem Licht und Projektionen zum Tanzen bringen. Beschallt wird das Ganze aus dem Klangturm, der den Musikern und Tonkünstlern ein ungewohnt breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung stellt. - Von dieser Festarchitektur profitiert indirekt auch der sogenannte Expo-Park der Architekten Gebert Liechti Schmid. Hier sind einzelne Pavillons in respektvollem Abstand links und rechts an einer Achse aufgereiht, die vom Eingangsbereich zum See führt. Mehr als irgendwo sonst erinnert die Expo hier an einen Jahrmarkt, auf dem die Attraktionen um die Gunst des Publikums buhlen. Doch lässt man sich gerne von der Festlaune, die auf dieser Arteplage herrscht, anstecken.

Bleibt die mobile Arteplage Jura der Architekten Didier F. Faustino und Pascal Mazoyer. Eine ehemalige Kiesbarke ist zu einer schwimmenden Interaktionsmaschine umgebaut worden, wie sie von Archigram oder einer anderen aktionsverliebten Architektengruppe der späten sechziger Jahre hätte erträumt werden können. Sie ist ein ebenso verbindendes wie irritierendes Element auf den drei Seen. Unberechenbar unterwegs zwischen den festen Standorten, bleibt sie geheimnisvoll, ein Versprechen.


Ausstellungsbauten

An allen Standorten gelingt es, durch die Arteplage-Architekturen eine spezifische Identität mit einer eigenen Stimmung zu generieren. In vielen Fällen werden zudem zwischen den einzelnen Ausstellungen und der Atmosphäre des Standortes besondere Synergien erzeugt. In Murten zum Beispiel wirken die «Armadi Sensibili» - versteckt in einem Kieshaufen - noch geheimnisvoller, und der «Garten der Gewalt» wird durch das quasi integrierte historische Museum der Stadt um eine zusätzliche Dimension bereichert. Und in Biel passt das Abenteuerspiel «Empire of Silence» gut zur allgemeinen Kirmes, ebenso wie die lustvolle Fahrt im überdimensionierten Einkaufswagen durch die Klischees der Schweiz von «Strangers in Paradise». Die Architektur der einzelnen Ausstellungen spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle. Das ist durchaus angenehm: Sie ist davon entlastet, mit aller Gewalt die Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu müssen, und findet auch dann Anklang, wenn sie sich zurückhaltender gebärdet.

Die architektonischen Mittel, die verwendet werden, sind vielfältig. Manche Pavillons sind - in der Terminologie von Robert Venturi - «dekorierte Schuppen»: Bilder oder Symbole an der Oberfläche verweisen auf den Inhalt. So ist zum Beispiel «Geld und Wert» in einer grossen Kiste untergebracht, die ganz mit Blattgold überzogen ist (Architektur: IAAG). Das ist trivial und doppelbödig zugleich. Wer es wagt, an der Oberfläche zu kratzen, wird das echte Gold als Schmutz unter den Fingernägeln nach Hause tragen. Es gibt aber auch viele sprechende Architekturen. Beim «Happy End»-Pavillon von Triad in Biel zum Beispiel zeichnen die aufeinander gestapelten Kisten den dramaturgischen Aufbau der Ausstellung nach. Architektonisch interessanter sind allerdings Bauten, die vielschichtiger agieren, wie jene von Ingrid Burgdorf und Barbara Burren für die Ausstellung «Strangers in Paradise». Bei diesem Pavillon kann man durch die transluzente Haut hindurch die Rampen und Geschosse erahnen, durch welche die Fahrt im Inneren führen wird. Gleichzeitig erinnert der Bau an ein Lager- oder Parkhaus, was angesichts der Mythen und Bilder zur Schweiz, die in ihm gestapelt sind, vielfältige Assoziationen weckt.


Ceci ne tuera pas cela

Victor Hugo liess in «Der Glöckner von Nôtre- Dame» einen Protagonisten die Aussage machen «Ceci tuera cela»: Das neue Medium des Buchdrucks werde die Architektur als Massenmedium auslöschen. Diese Prophezeiung erfüllte sich bekanntlich nicht. Doch gerade in jüngerer Zeit sind angesichts der Strahlkraft der neuen Medien immer wieder ähnliche Voraussagen gemacht worden. An der Expo zeigt sich nun, dass die Architektur als integrierende Disziplin ihre Bedeutung keineswegs verloren hat. Die Errungenschaften der neuen Kommunikationstechnologien kommen vielmehr gerade da am besten zum Tragen, wo sie in ein architektonisches Gesamtkonzept eingebunden sind. Es braucht nicht mehr betont zu werden, dass ein Aufstellen von Videowänden und Bildschirmkonsolen allein heute nicht mehr genügt. Deren Zeitdiktat, das ein eigenes Tempo der Wahrnehmung verunmöglicht, wirkt schnell ermüdend oder gar entmündigend. Entsprechende Beispiele sind an der Expo 02 aber zum Glück erfreulich selten. Meist wird mit unterschiedlichen Kombinationen von traditionellen und neuen Medien gearbeitet. Bei der von Glöggler/Prevosti und 3 deluxe gestalteten «Cyberhelvetia.ch»-Schau zum Beispiel werden konventionelle architektonische Bilder von einer Lounge und einem Schwimmbad in einer komplexen Rauminstallation verwendet, in der die Grenzen von realer und virtueller Umgebung aufgeweicht werden. Und bei dem von Hélène Robert und Anne Carles entworfenen «Garten Eden» wird das seit der Renaissance beliebte Prinzip der Anamorphose mit einer digitalen Bildprojektion kombiniert.

Einen schönen architektonischen Rahmen fanden Burkhalter & Sumi für das schwierige Ausstellungskonzept von «Onoma»: Unter einem grossen Schirm werden die Besucher dazu verführt, wie Kinder in den Märchenecken der Kaufhäuser Platz zu nehmen und die Geschichten der Schweizer Gemeinden zu verfolgen, umgeben von einer im wörtlichen Sinn vielfältigen Hülle, die mit allen Gemeindenamen beschrieben ist. Aber auch mit ihren ureigensten Mitteln allein kann die Architektur in einigen Fällen ihre ungebrochene Kraft beweisen. Schlanke Säulen, die in ihrer grossen Zahl den Raum intim machen, ohne ihn abzuschliessen, strahlendes Weiss und leuchtende Farben versetzen die Besucher von «Oui» in eine gehobene, ja euphorische Stimmung, die dem eben gegebenen Ja-Wort angemessen ist - selbst dann, ja gerade dann, wenn dieser Pavillon der Architekten Martin und Elisabeth Boesch von der benachbarten «Wolke» eingenebelt wird.

Ganz ohne neue Medien kommt schliesslich auch die «Werft» aus. In ihr schieben sich Rahmen von architektonischen Dimensionen langsam in- und auseinander, so dass sich die Bilder und Objekte, die sie tragen, in immer neuen Kombinationen überlagern. Das Architekturbüro Bétrix & Consolascio und Audrey Tenaillon haben mit dieser Installation ein überzeugendes Bild für eine offene, dynamische Sicherheitspolitik der Schweiz gefunden, das dem defensiven «Igel» der Expo 64 völlig entgegensteht. Und liefern damit den Beweis, dass sie sich doch bewegt, die Schweiz!


[Martin Tschanz, dipl. arch. ETH, ist Architekturkritiker in Zürich sowie Dozent an der ETH Zürich und an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur.]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2002.05.13



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Presseschau 12

11. November 2016Martin Tschanz
TEC21

Kompakte Hybride

Waren Arbeitswelten früher strikt nach Tätigkeit getrennt, so sind Hand- und Kopfwerker heute unter einem Dach vereint: Eine neue Typologie entsteht. Zwei Beispiele illustrieren, wie die Bauten dieser New Old Economy aussehen.

Waren Arbeitswelten früher strikt nach Tätigkeit getrennt, so sind Hand- und Kopfwerker heute unter einem Dach vereint: Eine neue Typologie entsteht. Zwei Beispiele illustrieren, wie die Bauten dieser New Old Economy aussehen.

In den vergangenen Jahren sind verschiedentlich hybride Industriebauten entstanden, die sowohl Büros als auch Werkplätze anbieten, oft vertikal zueinander organisiert oder gar miteinander verzahnt. Sie entsprechen nicht mehr dem Bild einer Fabrik, wie es sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts verfestigt hat: breit gelagerte Werkhallen, flankiert von Spezial­gebäuden wie Silos und Lager, und beim Zugang ein Verwaltungsgebäude, das bevorzugt in der Vertikalen organisiert ist, sodass es das Meer der Sheds wie ein Leuchtturm überragt.

Selbst dort, wo die Werkhallen gestapelt wurden, hat man Produktions- und Büroarbeitsplätze im Allgemeinen säuberlich voneinander getrennt. Verständlicherweise, verlangen doch die beiden Nutzungen nach unterschiedlichen Gebäudetiefen und Raumhöhen; die eine produziert Emissionen, während die andere empfindlich ist gegenüber Immissionen. Vor allem aber gehören sie unterschiedlichen Kulturen an, die sich früher so schwer mischten wie Öl und Wasser.

Ich erinnere mich an die alte Sulzer-Kantine beim Escher-Wyss-Platz, wo den Arbeitern im Blaumann ein eigener Bereich reserviert war. Mein Gedächtnis kann sich täuschen, wenn es hier Tischtücher sieht, aber mit Sicherheit waren die Tische aufgedeckt. Die Arbeiter wurden bedient, während die Angestellten ihre Speisen selbst holen mussten. Ob damit den Blue Collars Ehre erboten wurde oder ob es bloss um einen Schutz der White Collars ging: Die beiden Welten blieben auch in der gemeinsamen Mittagspause säuberlich voneinander getrennt.

Die Arbeitswelten haben sich jedoch gewandelt. Büros ähneln bisweilen Werkhallen, und Werkhallen können aussehen wie Labors. Grosse Serien werden heute meist anderswo produziert; Industrien jedoch, die innovativ Spezialitäten produzieren, sind oft gerade deshalb noch hierzulande tätig, weil sie auf eine enge Verknüpfung von Entwicklung, Design, Prototyping, Produktion, Marketing und Qualitätskontrolle angewiesen sind. Nähe ist dabei von Vorteil, und hybride Gebäude, die Büros und Werkhallen stapeln wie das Nœrd in Zürich (vgl. TEC21, Sonderheft «Umsicht», 2013) oder der Bau der Sky-Frame in Frauenfeld, stellen entsprechende Räume zur Verfügung. Das Hilti Innova­tionszentrum ist zwar kein Industriebau, es kann aber als eine Art Prototyp für zukünftige Bauten der Arbeit gelten, die einer Industrie dienen, die unter starkem Innovationsdruck steht.

Die beiden in diesem Heft vorgestellten Beispiele gehen die Aufgabe unterschiedlich an, in gewisser Hinsicht sogar gegensätzlich. Das Projekt für Sky-Frame geht vom Grundsatz möglichst flexibler Räume aus – nicht von ungefähr stand der Wettbewerb unter dem Motto «open system». Während der tief greifenden Überarbeitung des Konzepts rückten die Funktionen zwar enger zusammen, das Prinzip einer neutralen Baustruktur in Form eines rationalen, weit gespannten Stahlskeletts, das sämtliche Arbeitsräume prägt, blieb jedoch bestehen. Die Unterscheidung in Büros und Werkhallen erfolgt hier sekundär, über unterschiedliche Raumhöhen und vor allem über den Ausbau, zu dem auch die Aussparung des Dachgartens gerechnet werden kann.

Das Hilti Innovationszentrum dagegen forciert die Unterschiedlichkeit der Arbeitssituation durch eine Ausdifferenzierung in eine riesige, stützenfreie Halle und eine Baumasse, die sie umgibt und die man auch als eine Art Baublock mit einem raumhaltigen Dach über dem Hof lesen kann. Die Tragstruktur und die Raumstruktur sind hier miteinander gekoppelt, und die Nähe der unterschiedlichen Bereiche wird unter Nutzung ihrer Differenz erreicht.

Die neuen Hybride sind nicht nur bezogen auf die Anforderungen heutiger Industrie, sondern auch städtebaulich interessant. Die Funktionstrennung als Errungenschaft der Moderne, die die üblichen Zonenpläne festschreiben, wird seit Längerem infrage gestellt. Es läge nahe, solche Bauten als Vorboten einer Stadt zu sehen, die wieder stärker unterschiedliche Arten des Arbeitens mit dem Wohnen vermischt. Es fällt leicht, sich vorzustellen, dass die Schichtung Wohnungen einschliessen würde, sodass man sich dem alten Traum von einer vertikalen Stadt annähern würde.

Der Inte­gration von Industrie in die Kernstädte scheinen jedoch nach wie vor Grenzen gesetzt zu sein. Der Zu- und Auslieferungsverkehr, der notwendige Freiraum für Lastwagenmanöver und potenzielles Wachstum und nicht zuletzt der nach wie vor relativ hohe Raumbedarf bleiben Eigenheiten, die eher für periphere Lagen sprechen und einer erfolgreichen Konkurrenz von Industrie oder grösserem Gewerbe mit Wohn- oder Büronutzungen entgegenstehen.

TEC21, Fr., 2016.11.11



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TEC21 2016|46 Bauen für die New Old Economy

11. November 2016Martin Tschanz
TEC21

Sky-Frame, Frauenfeld

Der Hauptsitz von Sky-Frame steht in einem anonymen Industriegebiet in Frauenfeld. Das Gebäude sticht nicht nur durch seine hochwertige Gestaltung heraus – Peter Kunz Architektur hat ein Gebäude für alle Bereiche der Firma entworfen: hier werden unter einem Dach Fenster konstruiert, gebaut, vertrieben und beworben.

Der Hauptsitz von Sky-Frame steht in einem anonymen Industriegebiet in Frauenfeld. Das Gebäude sticht nicht nur durch seine hochwertige Gestaltung heraus – Peter Kunz Architektur hat ein Gebäude für alle Bereiche der Firma entworfen: hier werden unter einem Dach Fenster konstruiert, gebaut, vertrieben und beworben.

Das Gebäude der Sky-Frame in Frauenfeld ist klar und einfach konzipiert. Anlieferung, Fertigung und Ver­waltung liegen in einem kompakten Baukörper über­einander. Dieser wird von zwei blechumhüllten Erschliessungstürmen flankiert. Der grössere, ein Hochregallager, dient dem Warenfluss, der kleinere, mit Aufzug und Treppe, den Besuchern und dem Personal. Der Vorplatz, eine Landreserve, wird für eine grosszügige Vorfahrt genutzt, während die Anlieferung und das Aussenlager hinter dem Bau den Blicken entzogen bleiben. Nach Süden schützt eine Art bewachsenes Regal die Glasfassade vor der Sonne, während im Norden, zur Autobahn hin, der Einblick in das Gebäude offen bleibt, sodass sie einem Schaufenster gleicht.

Die grüne Fassade der Ankunftsseite ist be­eindruckend, auch von innen. Besonders im Bürogeschoss spielt der Vordergrund des hängenden Gartens schön mit dem Hintergrund der Hügellandschaft und mit dem Gartenhof zusammen. Fast könnte man den Eindruck bekommen, in einem leichten, eingeschossigen Pavillon mitten in einem Park zu arbeiten und nicht hoch über einer Werkhalle zwischen Autobahn und Paketzentrum.

Mit seinen speziellen Aus- und Durchblicken greift der Bau das Thema der Firma auf, die extrem fein konstruierte Fenster herstellt. Als exklusive Kostbarkeit kommen diese aber einzig beim Hof im Bürogeschoss zur Anwendung, wo innen und aussen auf vielfältige Weise miteinander verknüpft werden. Ganz beiläufig wird hier der Bau zum Showroom und zum Test­gebäude. Mit Sitzungszimmern, Besprechungszonen und Rückzugszellen zwischen innen und aussen kommen die Möglichkeiten der fast rahmenlosen Schiebeverglasungen eindrücklich zum Tragen.

Grundsätzlich sind die beiden Werkhallen – unten mit Pulverbeschichtung, Montage und Spedition, oben mit den Produktionsstrassen für die Rahmen­profile – auf die gleiche Art und mit derselben Sorgfalt konstruiert wie das Bürogeschoss, das alle Bereiche von Management, Verwaltung, Marketing und Entwicklung in einem Raum vereinigt. Auch hier prägt der Rohbau der weit gespannten Stahlkonstruktion den Raumeindruck. Aufgrund der geringeren Höhe rhythmisiert er den Raum sogar noch stärker als in den Hallen.

Durch die Koppelung der kräftigen Träger mit der Beleuchtung, durch die ausgeprägte Horizontalität des Raums, die heruntergehängte Decke in der Mittelzone und den Teppich, vor allem aber durch den zentralen Gartenhof entsteht eine Atmosphäre von Eleganz und Leichtigkeit, die auf interessante Weise das Rohe des Industriebaus ergänzt. Das Licht und die Farben der Pflanzen in der Mitte werden durch die dunkle Tönung von Boden und Decke in den umgebenden Räumen zum Strahlen gebracht. Das erinnert an traditionelle japanische Architektur oder auch an den Serpentine Pavillon von Peter Zumthor.

Die White- und Blue-Collar-Arbeitsplätze sind hier nicht gleich ausgebildet, sie sind aber explizit in ein und derselben Struktur und unter einem einzigen Dach untergebracht, in Räumen, die denselben Prinzipien gehorchen und mit der gleichen Sorgfalt gestaltet sind. Das entspricht der Firmenkultur, die sich in der Tradition der ehemaligen Schlosserei sieht und den Wert des Handwerks hochhält. Dass die Cafeteria im Dachgeschoss von allen gemeinsam benutzt wird, versteht sich fast von selbst.

Man spürt deutlich, dass hier der Industriebau nicht bloss als ein Kostenfaktor der Produktion verstanden wird, sondern auch als ein Beitrag zum Marketing, vor allem aber als eine Investition in die Qualität der Arbeitsplätze und in die Identität der Firma. Gewiss richtet sich die Architektur auch an den Besucher. Er wird von der begrünten Fassade überrascht und von der Eingangshalle beeindruckt, die dramatisch die Vertikale inszeniert und so aus der Not, nach oben zum Empfang zu müssen, eine Tugend macht. Die kultivierte Architektur richtet sich aber vor allem an die Mitarbeitenden, denen sie in einem belanglosen Umfeld einen angenehmen und anregenden Ort schafft, mit dem sie sich identifizieren können.

TEC21, Fr., 2016.11.11



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TEC21 2016|46 Bauen für die New Old Economy

11. November 2016Martin Tschanz
TEC21

Hilti Innovationszentrum, Schaan

Die Industrien Europas sind auf Innovation angewiesen. Diese entsteht, wenn die Fachleute eines Betriebs aufeinandertreffen und sich austauschen. In Schaan haben giuliani.hoenger architekten für Hilti ein Gebäude entworfen, das Versuchslabor und Engineering vereint: von aussen streng gegliedert, von innen räumlich differenziert.

Die Industrien Europas sind auf Innovation angewiesen. Diese entsteht, wenn die Fachleute eines Betriebs aufeinandertreffen und sich austauschen. In Schaan haben giuliani.hoenger architekten für Hilti ein Gebäude entworfen, das Versuchslabor und Engineering vereint: von aussen streng gegliedert, von innen räumlich differenziert.

Das Hilti Innovationszentrum verfolgt in gewisser Weise eine gegensätzliche Strategie [als der Firmensitz von Sky-Frame in Frauenfeld]. Nicht die Ausdifferenzierung eines Open System ist hier das Thema, sondern ein System, das von unterschiedlichen und spezifischen räumlichen Situationen ausgeht und diese zu einem kompakten Ganzen zusammenführt. Dieses System kann man als Schnitttypus beschreiben, der zwar auch eine gewisse Flexibilität garantiert, aber die Unterschiedlichkeit als Ausgangspunkt nimmt. Einheit und Nähe entstehen hier durch räumliche Verknüpfungen und erst sekundär über atmosphärische Ähnlichkeit. Das Tragwerk, das auch hier eine raumprägende Rolle spielt, ist ausdifferenziert und dabei auf das ­System der räumlichen Ordnung bezogen.

Dem Architekturwettbewerb lag ein sorgfältig ausgearbeitetes Programm zugrunde. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) war bereits im Vorfeld systematisch untersucht werden, wie die Entwicklungsprozesse bei Hilti ablaufen und wie idealerweise eine Arbeitsumgebung aussehen müsste, die Innovation begünstigt. Fasst man die Resultate in Stichworten zusammen, sind diese allerdings wenig überraschend: räumliche Nähe zwischen allen Beteiligten, insbesondere zwischen theoretischer Forschung, Entwicklung, Labors und Prüffeldern; Sichtbarkeit und Transparenz; Interdisziplinarität; kurze Wege, aber viele Kreuzungen und damit Möglichkeiten der Begegnung; vielfältige und abwechslungsreiche Räume, insbesondere für den informellen Austausch. Ein wichtiger Aspekt war, dass rasch interdisziplinäre Projektteams zusammengestellt werden können, die je nach Art und Stand der Arbeiten wachsen oder auch wieder schrumpfen können.[1]

Die Gemeinschaftsräume als Brücken, die Versuchshalle als Herz

Der Bau reagiert darauf mit einer offenen Bürolandschaft, bei der die individuellen Arbeitsplätze grundsätzlich an den Fassaden liegen, während in der Tiefe des Gebäudes Gruppen- und Besprechungszonen angeordnet sind. Die Empfangsräume und Wandelhallen, Lounges und eine Bibliothek sind als Verbindungstrakte zwischen den Ring der Büros gehängt, ebenso die Konferenz- und Seminarräume sowie eine geschützte Dachterrasse, die daran anschliessen. Alle diese Gemeinschaftsräume sind im räumlichen und im übertragenen Sinn, aber auch konstruktiv als Brücken ausgebildet. Sie überspannen die grosse Versuchshalle, die das Herz der Anlage bildet und auf drei Seiten von Büros umgeben wird, während die vierte für zukünftige Erweiterungen offen bleibt.

In der zentralen Halle werden die Lösungen erprobt, die um sie herum erarbeitet werden, und hier ergeben sich die Fragestellungen, die daneben und darüber gelöst werden müssen. Die Forderung nach kurzen Wegen wird damit auf exemplarische Weise erfüllt. Wichtiger aber ist, dass das Gebäude mit seinen Durchdringungen und seiner typologischen Klarheit eine ein­drückliche symbolische Form für die postulierte Zusammenarbeit findet. Durch die Denkfabrik der Ingenieure hindurch fällt das Licht direkt in die Werkhalle.

Der Bau setzt alles daran, trotz seiner Grösse eine Atmosphäre der Teilhabe am Ganzen zu erzeugen. Die Versuchshalle wird von einem offenen Ring zu­dienender Werkstätten und Labors umgeben, darüber liegen bereits Büros, aus denen sich der ganze Grossraum überblicken lässt. In der Mitte greift die Halle nach oben in das Eingangs- und Empfangsgeschoss ein, sodass sie auch hier eine starke Präsenz entfaltet. Interne und seltener auch externe Gäste erhalten aus erhöhter Position einen begrenzten Einblick in das experimentelle Tun, finden im grossen Auditorium oder in den Konferenzräumen, an der Kaffeebar oder in der Wandelhalle den Kontakt mit den Mitarbeitern und können gegebenenfalls direkt zu einer Demon­s­tration in die Halle geführt werden.

Das oberste Geschoss schliesslich liegt ganz über der Halle. Trotzdem bleibt die Beziehung zu ihr auch hier bestehen, nicht nur über die Oberlichter in den Höfen, sondern auch und vor allem durch die starke Präsenz der Tragstruktur in der Gebäudemitte. Das offen sicht- und tastbare Fachwerk aus Stahl macht mit seiner massiven Materialität jederzeit klar, dass man sich hier in einer Brückenkonstruktion und über jenem Raum befindet, den man beim Betreten des Gebäudes gesehen hat.

Vielheit in der Einheit

Die Räume sind, dem Programm gemäss, vielfältig ausgestaltet. Die halb öffentlichen Bereiche des Eingangsgeschosses zeichnen sich durch einen Steinboden und Gipsdecken aus, die mit Friesen profiliert sind, die Büros durch einen Teppich und offene Decken mit weissen Akustik-, Klima- und Lichtfeldern, die Mittelzonen schliesslich durch Holzböden und dieselben Deckenelemente, die hier allerdings dichter angeordnet sind.

Trotz dieser Ausdifferenzierung trägt auch die Gestaltung der Innenräume zur Einheit bei. Gewiss ist das Testfeld in der Versuchshalle bauphysikalisch sorgfältig vom Rest getrennt – immerhin werden hier Elemente bis zu ihrem Versagen belastet, Erdbeben simuliert und andere, durchaus heftige Versuche durchgeführt. Mit hellem Betonboden, glatten Wänden und Decken ist es aber ähnlich sorgfältig durchgestaltet wie alle anderen Räume. Umgekehrt gibt es auch in den Büros mit den nackten Betonstützen und der teilweisen Sichtbarkeit der rohen Decken und Installationen einen Hauch von Werkstatt.

Die Sozialbereiche schliesslich verbinden sich über die Decken mit den Büros, und die Häuslichkeit von Holzböden und Mobiliar wird durch die rohe Kraft der mächtigen Stahlfachwerke konter­kariert. Ganz beruhigt scheint der Bau einzig in den repräsentativen Bereichen des Eingangsgeschosses zu sein. Wo innovativ gearbeitet wird, gibt es stets leise, offensichtlich wohlkalkulierte Kontraste und Reibungsflächen.

Spezifisch und typisch

Mit seiner breit gelagerten, horizontal gegliederten Volumetrie am Übergang zur Rheinebene schreibt sich der Bau präzise in seine Umgebung ein. Die schwarzen, stark hervortretenden Brüstungsbänder unterstreichen die Schwere des Baus, deren mächtige Betonelemente beiläufig die Wirksamkeit der hier entwickelten Befestigungssysteme demonstrieren. Durch die Neugestaltung des höher gelegenen Hauptgebäudes auf der gegenüberliegenden Seite der Hauptstrasse wurde die Horizontalität des Innovationszentrums jüngst um eine kräftige Vertikale ergänzt. Aus der Ferne könnte man fast den Eindruck gewinnen, es bilde den Sockel für die hochragende Konzernzentrale und die anschliessenden Produktionsgebäude. Auch dies ist ein sinniges Bild.


Anmerkung:
[01] Wilhelm Bauer und Jörg Kelter: Vom Konzept in die Realität, in werk, bauen + wohnen 4/­2016, S. 18f).

TEC21, Fr., 2016.11.11



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27. Februar 2016Martin Tschanz
TEC21

My home is my castle

Im Zellweger Park Uster haben Herzog & de Meuron ein innovatives Gebäude mit Mietwohnungen erstellt. Doch nicht alle ­Neuerungen zielen in eine erstrebenswerte Richtung.

Im Zellweger Park Uster haben Herzog & de Meuron ein innovatives Gebäude mit Mietwohnungen erstellt. Doch nicht alle ­Neuerungen zielen in eine erstrebenswerte Richtung.

Der Zellweger Park in Uster beherbergte einst die Industriehallen der Zellweger Luwa AG. Heute wird das ehemalige Industrieareal zu einem lebendigen Wohn- und Arbeitsquartier umgebaut. Die Grundlage dafür bildet das in einem städtebaulichen Ideenwettbewerb gewählte Projekt von EM2N Architekten mit Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten. Herzog & de Meuron realisierten auf dem Areal neben dem Herterweiher den Neubau eines Wohnhauses, der mit seiner Gestaltung und seinem Erschliessungskonzept ungewohnte Wege geht.

Das Gebäude, das 4 ½- und 5 ½-Zimmer-Mietwohnungen im mittleren Segment bereitstellt, ist im Park der ehemaligen Industrieweiher eine merkwürdige ­Erschei­nung. Ein im Grunde würfelförmiges Volumen aus rohem ­Beton steht verdreht zur Bebauung der ­Umgebung. Das unterstreicht seine Autonomie und ­bewirkt gleichzeitig, dass es trotz seiner Grösse den Park erstaunlich wenig tangiert. Der wichtige Bezug der Weiher zum Aabach bleibt offen, und der filigrane Wasserpavillon von Roland Rohn behält, geschützt durch eine alte Baum­gruppe, genügend Raum.

Die Betonschale des Neubaus ist stark durchfenstert – ­gerade so, dass die identisch dimensionierten Horizontalen und Vertikalen als Reste der Mantelfläche wahrgenommen werden und nicht als Skelett. An jeder Ecke des Würfels befindet sich ein rundes Anhängsel, das als Eckturm erscheint, obwohl es nicht bis zum ­Boden reicht, sondern nur bis zu den Spitzen der ­Wiese. ­

Unweigerlich wird man an eine ­Festung erinnert, zumal der Eingang an verborgener Stelle liegt, dem ­benachbarten Gewerbebau zugewandt. So ergibt sich ein eher abweisender Ausdruck trotz den riesigen ­Fenstern. Diese erinnern an einen Industriebau und ­damit an die ursprüngliche Nutzung des Areals. Die ­Lattenzäune in den Ecktürmen wirken provisorisch, als hätten sie sich aus einem Schrebergarten hierher verirrt. Gleichzeitig sind sie offensichtlich ein inte­graler ­Bestandteil der Architektur, da sie exakt auf der Höhe der Fensterkämpfer enden, als gesetzeskonforme ­Absturzsicherung.

Die Küche im Zentrum

Das Wesentliche, das wird offensichtlich, geschieht hier innerhalb der Betonschale. Der Vierspänner besitzt kein zentrales Treppenhaus, dafür vier Flucht­treppen in den aussenliegenden «Ecktürmen». Die ähnlich geschnittenen Wohnungen werden unmittelbar von den beiden zentralen Aufzügen aus erschlossen. An die ­Stelle einer gemeinschaftlichen Treppenhalle tritt als Ankunftsort je ein privates Entree innerhalb der jeweiligen Wohnung. Aus diesem dunklen Bereich im Kern des Hauses gelangt man schrittweise ins ­Helle, eine Bewegung, die auf den Balkonen ihren Abschluss und Höhepunkt findet. Hier tritt man aus dem Würfel in den Park hinaus und gewinnt so einen völlig anderen Bezug zur Umgebung als im Innern.

Ihren Rückhalt finden die Wohnungen in ihrer Küche. Diese bildet das Zentrum, um das herum sich die Räume der Fassade entlang aufreihen. Herzog & de Meuron realisieren hier eine Art Dielentypus und legen dabei die Küche in die Diele. Das ist ungewohnt und mutet doch geradezu archaisch an: Man erinnert sich an Bauernhausküchen, vielleicht sogar an Gottfried Sempers Theorie vom Herd als dem Wesenskern des Hauses. Von einer offenen Küche mag man dabei, zumal in den grösseren Wohnungen, nicht sprechen.

Das ­Kochen wird hier, anders als so oft in jüngster ­Vergangenheit, nicht ausgestellt. Es findet vielmehr einen wohldefinierten räumlichen Rahmen – und ist doch der Angelpunkt der Wohnung.

Die Wohnungen orientiert sich jeweils übereck, wobei die Exposition weitgehend ignoriert wird. Als Folge haben sie, trotz ähnlichem Grundriss, eine höchst unterschiedliche Qualität. Die nördliche dürfte, zumal in den unteren Geschossen, kaum je Sonne erhaschen. Im Osten steht zudem der benach­barte Gewerbebau so nah, dass man sich, mit einer intimen Beziehung von grossem Fenster zu grossem Fenster, eher in einem ­allzu engen Hinterhof wähnt als in einem Park. Der schöne Aussenraum im «Eckturm» vermag dies nicht zu ­kompensieren.

Expressive Fluchttreppen

Die Konsequenz und die enorme Qualität des archi­tektonischen Handwerks, die sich im Bau zeigen, sind bewundernswert. Durchgehende Parkettböden und Betondecken sowie raumhohe Türen binden die Räume trotz Kammerung zu einer Einheit zusammen.

Rollläden betonen, schräg in die Laibungen gelegt, die Tiefe der massiven Betonschale. Die Gestaltung der Details ist von der kunstvollen Führung der Leitungen in der Tiefgarage bis hin zu den Korkstopfen in den Elektroaussparungen der Wohnungsdecken ebenso einfach in ihren Mitteln wie sorgfältig und wirkungsvoll.

Die Aussenräume sind so an den Baukörper angeschlossen, dass sie einen engen Bezug zur zugehörigen Wohnung haben, während die Sicht von und zu den Nachbarn im Haus gut abgeschirmt bleibt. Man tritt hinaus in eine Art privates Gärtchen, aus dem man in die eigene Wohnung zurückblicken kann.

Dieser Effekt wird verstärkt durch die hohen Lattenzäune vor den niedrigen Betonbrüstungen. Diese Intervention des Künstlers Erik Steinbrecher wäre einen eigenen Text wert. Hier sei nur auf die Orientierung der Zäune aufmerksam gemacht.

Während dem Kleingartenbesitzer der Anstand gebietet, die schöne Seite nach aussen zu kehren, richtet sich diese hier nach innen. Als Folge gewinnt man den Eindruck, der Park müsse vor den Hausbewohnern geschützt werden.

Den eigentlichen Höhepunkt erreicht das Gebäude in den Wendeltreppen. Massiv in Beton gegossen, von Kernbohrungen durchdrungen, mit dünnen Blechen und silbern glänzenden Elektroinstallationen ergänzt, gewinnen diese begehbaren Plastiken eine expressive Kraft – nicht trotz, sondern gerade dank der groben Machart.1 Dabei spielen die Plastizität der Treppe im Innern und der starre Raster der äusseren Schale wirkungsvoll zusammen.

Es drängt sich jedoch die Frage nach der Angemessenheit auf. Ist es sinnvoll, den räumlichen Höhepunkt und den grossen baulichen und ökonomischen Aufwand in die Fluchttreppen zu legen, die im Sinn des Brandschutzes «überbreit und repräsentativ» ausgeführt sind2, obwohl sie gänzlich aus dem Funktionszusammenhang des Hauses ausgegliedert bleiben?

Splendid Isolation

Damit kommen wir zum Wesenskern des Gebäudes zurück. Von der Stellung und Ausgestaltung des Baukörpers über die Art der Erschliessung und die zentripetale Organisation der Wohnungen bis hin zur Anlage der Aussenräume erweist es sich als konsequent durchdachte Maschine der Dissoziation.

Insbesondere die Erschliessung ist als effektives Instrument der Vereinzelung ausgestaltet. Der Aufzug als Nicht-Ort, der das Individuum auf sich selbst zurückwirft und ähnlich einer Dunkelblende die Kontinuität unterbricht, ist ein bekannter Topos.

Besonders in Filmen wird er immer wieder aufgegriffen, und die fast ebenso verbreiteten Wunsch- oder Angstfantasien zu Übergriffen in der blockierten Kabine, durch die sich die Lücke in Raum und Zeit unerwartet ausdehnt, sind nur die Kehrseite dieser Medaille.

Gewiss: In diesem Gebäude gibt es ergänzend zum Aufzug eine Eingangshalle, die mit Kunst aus der Sammlung Bechtler und einer Sitzbank ausgestattet ist. Aber liegt der eigentliche Zugang nicht eher im Untergrund, in der hochwertig gestalteten Tiefgarage? Oder da, wo das Auto wie durch Zauberhand vom Erdboden verschwindet, nachdem sich in der Stirnseite eines vermeintlichen Schuppens für kurze Zeit eine Tapetentüre geöffnet hatte, weit weg vom Gebäude? Diese Camouflage ist eines James Bond (oder eines Ernst Stavro Blofeld) würdig.

Das Gebäude steht isoliert in seiner Umgebung, als Objekt, vergleichbar dem Würfel von Sol LeWitt auf der anderen Seite der Teiche. So fügt es sich gut in die Sammlung von Kunstwerken ein, mit denen der Zell­weger Park bestückt ist. Als Architektur jedoch passt es weniger gut in seinen Kontext. Als Wohnungsbau mit familiengerechten Mietwohnungen ist es auch ­Gestaltung des Alltags und setzt ein starkes Statement für die Individualisierung und gegen die Kultur der Nachbarschaft und des Zusammenlebens. Da aber Urbanität Bezugnahme und Zusammenleben bedeutet, ist es letztlich auch ein Statement gegen die Stadt – da mag das Volumen noch so gut in seine Umgebung eingefügt sein.

Dies passt schlecht zur sozial verantwortlichen Haltung, die die Bauherrschaft immer wieder zum Ausdruck bringt, und es passt schlecht zum Zellweger Park, der sich gerade durch seine Öffnung und einen viel­fältigen Zusammenschluss mit der Stadt auszeichnet.3 Die anderen Bauten, die bisher auf der Basis des städte­baulichen Plans von EM2N gebaut worden sind, haben diese Idee aufgegriffen. Mit halböffentlichen Räumen gestalten sie die Übergänge zwischen Gebäude und Park.

Die Zeile von Morger Dettli tut dies mit einem offenen Erdgeschoss, die Anlage von Gigon/Guyer mit einem Hof.4 Das Gebäude von Herzog & de Meuron dagegen genügt sich selbst in «Splendid Isolation», als wollte es nichts mit seiner Umgebung zu tun haben – es sei denn, um von ihr zu profitieren.

TEC21, Sa., 2016.02.27



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18. September 2015Martin Tschanz
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Alles analog oder was?

Der Minimalismus der Nullerjahre steckt in einer Sackgasse. Auf ihn folgt eine Architektur mit Variationen zu Tradition und Tektonik. Was in den 1980er-Jahren als aufmüpfiges Postulat der Analogen Architektur begann, hat mittlerweile Boomtown Zürich erreicht. Eine Spurensuche.

Der Minimalismus der Nullerjahre steckt in einer Sackgasse. Auf ihn folgt eine Architektur mit Variationen zu Tradition und Tektonik. Was in den 1980er-Jahren als aufmüpfiges Postulat der Analogen Architektur begann, hat mittlerweile Boomtown Zürich erreicht. Eine Spurensuche.

Walmdächer auf Hochhäusern! Und das heute, mitten in Zürich! Ist die Analoge Architektur, die einst als subversive, um nicht zu sagen sektiererische Bewegung in den 1980er-Jahren an der ETH ihren Anfang genommen hatte[1], salonfähig geworden? Die Europaallee kann als die Bahnhofstrasse unserer Zeit gelten. Hier treibt der gegenwärtige Immobilienboom die wildesten Blüten (vgl. TEC21 41 und 42/2014). Die Erwartung an die Rendite ist enorm, und deshalb würde hier niemand in etwas investieren, das nicht mainstreamtauglich ist. Und nun also gewalmte Dächer auf den hochschiessenden Türmen!

Tatsächlich fallen die Grossbauten im Zentrum Zürichs nicht aus dem Rahmen der gegenwärtigen Architekturströmungen, im Gegenteil. In den Wettbewerben der jüngeren Zeit verdrängt zunehmend und auf breiter Linie eine komplexere, differenziertere und bisweilen auch traditioneller anmutende Architektur die «Minimal Tradition» und die «Swiss Shapes»[2], die noch vor zehn Jahren die hiesige Architektur geprägt haben. Die Fassaden sind plastisch durchgearbeitet, oft gibt es eine tektonische Gliederung; die Gebäude haben ein klar ersichtliches Unten und einen Abschluss nach oben, sind also Häuser mit Sockel und Dach; die Fenster haben artikulierte Gewände und Flügel, die zeigen, dass sie von Menschen bedient werden können – wie überhaupt konstruktive und technische Gefüge nicht mehr unterdrückt, sondern für den Ausdruck der Bauten genutzt werden.

Das alles klingt banal und selbstverständlich, markiert aber doch einen Richtungswechsel der gegenwärtigen Tendenzen. Die Architektur entlang des Zürcher Gleisfelds ist dafür ein getreuer Spiegel. Das Wohnhaus von EM2N an der Langstrasse/Neufrankengasse zum Beispiel scheint aufgrund seiner Radikalität einen Endpunkt zu markieren. Was sollte in dieser Richtung noch kommen nach solch einem Bau? Abstrakter kann eine Fassade kaum noch gedacht werden, härter an die Grenze zwischen Raffinement und Banalität geschoben, grösser das grosse Fenster. Die Reduktion, die vor 20 Jahren am Basler Barfüsserplatz mit dem Bürogebäude von Diener & Diener einen ersten Höhepunkt erreicht hatte, scheint hier zu einem Ende gekommen zu sein.

Ebenfalls einen Endpunkt, wenn auch einen anderen, markiert die Gebäudehülle von Gigon/Guyer im Baufeld C an der Europaallee. Abgesehen von einer verwischten Andeutung von Geschossen verschwindet hier alles, was gesagt werden könnte, hinter einer aufwendig gestalteten Oberfläche. Was bleibt, ist der stumme, hermetische Baukörper.

Für die Stadt sind aber weder die harte Abstraktheit der grossen Fenster noch die schillernde Sprachlosigkeit einer Hülle genug. Wenn die ersten beiden Etappen der Europaallee, die Baufelder A und C, so problematisch erscheinen, liegt das nicht nur am Städtebau mit seinen falschen Hierarchien zwischen öffentlich und privat, dem Vorspiegeln einer offensichtlich nicht existierenden Parzellierung und der möglicherweise doch etwas zu hohen Dichte. Es liegt auch an der Architektur. Selbst wenn der abstrakte Rationalismus von Max Dudler und die tiefe Glasfassade von David Chipperfield etwas stärker ausdifferenziert sind als die Hülle von Gigon/Guyer, leiden doch alle diese Bauten an einer mangelhaften Verknüpfung mit der Stadt. Dies zeigt sich in dieser dichten innerstädtischen Umgebung besonders deutlich, vor allem aber auch in Nachbarschaft zu der anders gearteten Architektur der folgenden Europaallee-Etappen am Gustav-Gull-Platz.

Man mag die Fassaden des Baufelds E von Caruso St John und Bosshard Vaquer für etwas übertrieben inszeniert halten, diejenigen des Baufelds G von Graber Pulver und Masswerk für etwas allzu kühl und reduziert (vgl. Bild links). Offensichtlich nutzen aber beide die jeweils eingesetzten Elemente, um mit der Stadt zu kommunizieren, indem sie den architektonischen Aufbau der Häuser und deren Beziehung zur Umgebung zum Ausdruck zu bringen. Oben und Unten sind hier ebenfalls artikuliert, das öffentliche Erdgeschoss ist in den Büro- und Wohnungsetagen differenziert und reagiert mit unterschiedlichen Vor- und Zwischenbereichen auf die anschliessenden Stadträume. Es gibt eine Hierarchie der Eingänge. Das Öffnen und Schliessen der Fenster ist gestaltet, die Fassaden suchen mit der Tiefe ihres Reliefs eine Verknüpfung von Innen und Aussen und so weiter und so fort. Ob nun die umhüllte Tektonik oder die tektonisch gestaltete Hülle angemessener sei, die Annäherung des Wohnens an die Büros oder die stärkere Ausdifferenzierung, Aluminium oder Kunststein: Man soll und kann es an diesen Beispielen diskutieren und wird es noch besser können, wenn demnächst die Bauten des Baufelds F von Roger Boltshauser mit ihren Stahl-Naturstein-Fassaden das Ensemble um einen weiteren, möglicherweise «mittleren» und zweifellos nicht weniger virtuosen Beitrag zu den gleichen Themen ergänzen werden.

Architektur der Architekturen

Die Bauten am Gustav-Gull-Platz greifen die traditionellen, seit jeher immer wieder und in unzähligen Varianten durchgespielten Themen der Architektur auf. Es ist selbstverständlich, ja unvermeidlich, dass dies in Bezug zu anderen Epochen geschieht. Ohne die Referenz auf Marc Saugey und andere Architekturen um 1960 wäre der Baublock von Graber Pulver und Masswerk nicht so, wie er ist, genauso wenig wie derjenige von Caruso St John und Bosshard Vaquer ohne das Wissen um die Stadtarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts, zum Beispiel in Mailand. In beiden Fällen ist die Architektur in Analogie zu anderen Architekturen entstanden und zu verstehen.

Eine solche Architektur der Architekturen ist nun aber nicht eine Erfindung von Aldo Rossi oder gar der «Analogen Architektur»[3], sie ist vielmehr charakteristisch für die gesamte traditionelle Architektur und insbesondere für die klassische Tradition von Marcus Vitruvius Pollio bis Gottfried Semper. Ein Streben nach Verständlichkeit oder gar Verbindlichkeit der Architektur ist ohne Referenz auf ein konventionelles System schlechterdings undenkbar. Ein solches Streben ist nun aber heute an vielen Orten und in unterschiedlichen Strömungen zu erkennen. Es ist das Bemühen, die Architektur von den Spielwiesen der Meta-Architektur, der Iconic Architecture und des Starsystems wieder zu den «Essentials» zurückzuführen und sie auf einen «Common Ground» zu stellen – so kann sie wieder in das Zentrum der Stadt zurückkehren, statt bloss als Exotin an der Peripherie ihr Dasein zu fristen.

Was nun beinahe wie eine weitere Architekturmode erscheinen mag[4], kennzeichnet selbstredend auch das Architekturverständnis, das basierend auf den Erfahrungen der Analogen Architektur von Miroslav Šik seit Jahrzehnten in der Praxis erprobt und an der ETH gelehrt wird. Aber selbst in dessen näherem Umfeld gibt es unterschiedliche Entwicklungslinien, die in eine ähnliche Richtung weisen und hier nur grob und unvollständig angedeutet werden können. Peter Märklis Untersuchung der Prinzipien der tradierten Architektur zum Beispiel, um bei den Zürcher Generationsgenossen zu beginnen, hat längst über das Persönliche hinaus seine Relevanz erwiesen. Seine Recherche zur archetypischen Sprachlichkeit und zur unmittelbaren Wirkungsweise von Architektur scheint eine Art Mittelstellung einzunehmen zwischen Peter Zumthors Essenzialismus und Hans Kollhoffs erneuerter Befragung der Klassik. Vittorio Magnago Lampugnanis wertkonservative Haltung wiederum lehrte und lehrt Skepsis gegenüber allen Arten von Moden. Von der gleichen Basis ausgehend wie Šik[5] untersuchen Marcel Meili und Markus Peter in ihren Projekten nicht zuletzt das Ausdrucks- und Organisationspotenzial von Baustruktur und Konstruktion, während Knapkiewicz & Fickert über Umwege eine opulente und bildlastige Architektur entwickelt haben, die sich heute gut in den «Midcomfort» von Lukas Imhof und Miroslav Šik integrieren lässt.[6]

Alternativen zur Konzeptarchitektur

Zu nennen sind aber auch internationale Positionen, etwa der Neobrutalismus von Lacaton & Vassal, oder, damit verwandt, die «arme» Architektur der jüngeren Belgier. Und selbstverständlich, um zu Caruso St John zurückzukommen, jene Engländer, die an die feinfühligeren Spielarten der britischen Nachkriegsarchitektur anschlossen und so zu ihrem sensiblen Realismus fanden.

Sie alle können schwerlich als Kinder der Analogen Architektur bezeichnet werden, auch wenn niemand im luftleeren Raum arbeitet und es ganz offensichtlich parallele Interessen und Kreuzbestäubungen gibt. So ist es fraglos kein Zufall, dass eines der besten Werke über die jüngere Schweizer Architektur in London entstanden ist und von Irina Davidovici stammt, der Lebenspartnerin von Jonathan Sergison vom Architekturbüro Sergison Bates.[7]

All die erwähnten Positionen und Strömungen verbindet, dass sie Alternativen zu jener Konzeptarchitektur darstellen, die zur Schärfung eines Themas, sei dies ein formales oder ein theoretisches, eine Reduktion der Komplexität in Kauf nehmen oder sogar anstreben. An der ETH führten Aldo Rossi und seine Assistenten in den frühen 1970er-Jahren eine Entwurfsmethode ein, die auf dem Dreischritt Stadtanalyse – Entwurfsidee – Entwurf basierte. Die Entwurfsidee bestand bei Rossi in der Festlegung auf einen architektonischen Typus, in der Praxis der Lehre auch in der Wahl einer Referenz unter den Projekten des Meisters.[8] In abgewandelter Form prägte dieser dreiteilige Entwurfsprozess aber bis weit in die 1990er-Jahre hinein den Architekturunterricht an der ETH, sein Einfluss reicht sogar bis in die Gegenwart.

Die Entwurfsidee oder, wie man auch sagte, das Konzept konnte später je nachdem auch in einem Bild, einer Atmosphäre, einem funktionellen Szenario oder einer abstrakten Idee gefunden werden. Wichtig blieb, dass ein solches Konzept geschärft und die Architektur gleichsam auf den Punkt gebracht wurde.[9] Das förderte einerseits eine «Einfachheit», die gern in die Nähe der Minimal Art gerückt wurde, andererseits Entwürfe von Gebäuden, die «wie etwas» waren: wie ein Vogelnest, wie eine Höhle oder ein Monolith, wie ein Tango tanzendes Paar und so weiter. Dass dabei vieles unterdrückt werden musste, was üblicherweise die Komplexität von Architektur ausmacht, versteht sich von selbst. Oft war es die Realität des Bauens, die aus der Vorstellung der Gebäude ausgeblendet wurde, sodass grösste Virtuosität aufgeboten wurde, um die Konstruktion unsichtbar oder zumindest «einfach» werden zu lassen. Fugenlos! hiess das Postulat der Stunde.

Kult der Mitte

Die Analoge Architektur, wie sie sich 1987 in der gleichnamigen Ausstellung und der diese begleitenden «schwarzen Kassette» präsentiert hatte, war von solcher Konzeptarchitektur weniger weit entfernt, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Die Entwurfsidee fand sich hier allerdings nicht in einem Typus, einer metaphorischen Idee oder einem abstrakten Prinzip, sondern in einem Bild, das in Analogie zu einem Vorbild entwickelt wurde. Dass dieses mit Vorliebe eine Reformarchitektur paraphrasierte, die in ihrer Zeit unter Rückgriff auf das Handwerk die Entfremdung zwischen Fertigung und Erscheinung überwinden wollte, hätte bei oberflächlicher Betrachtung darüber hinwegtäuschen können, dass genau diese Entfremdung die Entwürfe mitprägte. Oft waren es konstruktiv «umgesetzte», nicht aus einer zeitgemässen Konstruktion heraus entwickelte Bilder, die damals präsentiert wurden. In ihnen erfüllte sich nur ungenügend jenes alte, von Gottfried Semper auf den Punkt gebrachte Postulat einer inneren Kohärenz, wonach jede Änderung der technischen oder kulturellen Faktoren, die einem Werk zugrunde lägen, auch zu einer Änderung seiner Gestalt führen müsste. Hier lag der wahre Grund für die Melancholie dieser Bilder, die in den braunstichigen Tönen der Kreidezeichnungen eine adäquate Form fand.

Die «altneue» Baukunst von Miroslav Šik und seine heutige Lehre an der ETH haben diese Nostalgie weitgehend abgelegt. Sie sind von den Bildern der «Seelenmaler»[10] fast ebenso weit entfernt wie die Architektur der anderen Protagonisten der oben skizzierten Tendenz. Was bei ihnen aber bleibt, sind ein gewisser antimoderner Reflex und ein ausgeprägter Kult der Mitte, der die Sehnsucht des entfremdeten Künstlers nach Normalität widerspiegelt. Solche Abgrenzungsmechanismen spielen bei der jüngeren Architektengeneration kaum noch eine Rolle. Den Protagonisten von Baumberger Stegmeier, bernath   widmer, Buol & Zünd, EMI, Esch.Sintzel, GFA, Guignard Saner, huggenbergerfries, KilgaPopp, um nur einige wenige weitere Büros der mittleren Generation zu nennen, dürften diese Reste einer kämpferischen Avantgarde im Gewand einer Anti-Avantgarde weitgehend fremd sein.

Dasselbe gilt auch für die damaligen Studierenden der Analogen Architektur. Allerdings war deren Werdegang so unterschiedlich, dass über sie keine verallgemeinernden Aussagen gemacht werden können. Viele grenzten sich zunächst stark von ihren Arbeiten der Studienzeit ab, doch heute lassen sich manche gut in die skizzierte Tendenz einordnen – auch dies ein Hinweis darauf, wie wenig sinnvoll es wäre, diese linear und einseitig auf die Analoge Architektur zurückführen zu wollen (vgl. Interview S. 28).

Konstruktion als Ausdrucksmittel

Bereits Ende der 1990er-Jahre wandten sich viele der jüngeren Architekten gegen die Konzept- oder Bildlastigkeit der Architektur. Was damals bisweilen trotzig als Pragmatismus kultiviert wurde, bedeutete vor allem, deren Bedingtheiten nicht als Hemmnis zu verstehen, das der Annäherung an ein Ideal entgegensteht, sondern als wertvolles Material, das sich zu Baukunst gestalten lässt.[11] Weil sich Architektur aber nie einfach aus den Bedingtheiten heraus «ergibt», bestand parallel dazu ein starkes Interesse an den Urthemen der Architektur. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die lockere Reihe von Heften mit Titeln wie «Dächer», «Fassaden», «Fenster» und so weiter zu sehen, mit denen die Redaktion von «werk, bauen   wohnen» unter der Leitung von Nott Caviezel den grundlegenden Elementen der Architektur und deren Aufgaben nachspürte.

Gegen die Vorstellung, Konstruktion als «Umsetzung» eines Bilds oder eines Konzepts zu verstehen, richteten sich Ausstellung und Publikation «Dialog der Konstrukteure»[12], deren ausserordentlicher Erfolg das entsprechende Interesse beweist. In dieselbe Richtung zielt in besonders offensichtlicher Weise das Konzept des «synchronen Entwerfens», das am Institut für Konstruktives Entwerfen IKE der ZHAW Winterthur unter der Federführung von Astrid Staufer und Beat Waeber vor über zehn Jahren eingeführt und weiterentwickelt wurde.[13] Die materielle Realität des Bauens wird hier radikal und von Anfang an im Entwurfsprozess mitgedacht, mit dem Ziel, das Ausdruckspotenzial der Konstruktion möglichst gut zu nutzen und so eine verständliche, ausdrucksstarke und gleichzeitig effiziente und zeitgemässe Baukunst zu erreichen.

Bauweise und Ausdruck eng verknüpft

Das Thema der Tektonik, das dabei in vielfältiger Weise aufgegriffen wird, ist freilich ebenfalls ein Urthema der Architektur. Deshalb versteht es sich fast von selbst, dass es sinnvollerweise in Kenntnis der Geschichte, um nicht zu sagen in Analogie zu historischen Beispielen weiterentwickelt wird. Was diese Haltung bedeutet, mag ein weiterer Komplex am Zürcher Gleisfeld illustrieren, die Siedlung Letzibach C von Adrian Streich und Loeliger Strub.[14] Die tektonisch gegliederten Fassaden verleihen mit ihrem Betonraster und den Backsteinfüllungen der Skelettstruktur der Bauten Ausdruck und zeigen so eine starke, strenge Gliederung. Diese ermöglicht es, in den Varianten der Öffnungen die Vielfalt der Grundrisse und die Unterschiedlichkeit der Nutzungen anzudeuten. In den ausformulierten Details, in der Fugenteilung und besonders deutlich in der Durchbildung der Ecken wird zugleich die Konstruktionsweise der Fassade sichtbar – als Elementbau, der die Gebäude umgibt und in dem die Backsteine nicht aufgemauert, sondern zu Wandstücken vergossen sind. Das Resultat mag an Beispiele aus der Zeit um 1960 erinnern – weniger, weil entsprechende Vorbilder nachgebaut worden wären, sondern vielmehr, weil Konstruktionselemente in ähnlicher Weise genutzt werden: um Teile und Ganzes, Kleines und Grosses, Oben und Unten, Innen und Aussen und so weiter in einer sprechenden architektonischen Gestaltung miteinander in Beziehung zu setzen. Sogar die gesteigerte Komplexität, die heute aufgrund der Dämmung unvermeidlich ist, wird zumindest angedeutet. Niemand würde hier behaupten, die Form habe sich aus der Konstruktion ergeben, aber Bauweise und Ausdruck sind eng miteinander verknüpft.

Anlässlich der Ausstellung «Switzerland builds» schrieb Hans Hofmann 1946 von einer Entwicklung «vom Neuen Bauen zur Neuen Baukunst»[15], die weggeführt habe vom einseitigen Funktionalismus und Rationalismus der Vorkriegszeit. Heute könnte man in Analogie dazu von einer Entwicklung vom Kunst-Bauen zur Baukunst sprechen, mit der die Konzept- und Bilderarchitektur des jüngsten Fin-de-siècle überwunden wurde. Das «neu» kann man sich in unseren postmodernen Zeiten getrost sparen.[16] Wie Hofmann könnte man aber auch heute vom Ziel einer geschichts- und ortsbezogenen, sachlichen und gleichzeitig kunstvollen Architektur sprechen, von einem vielfältigen Sowohl-als-auch und einem komplexen, schwierigen Ganzen als Ziel. Die Wortwahl ist hier mit Bedacht dem «behutsamen Manifest» aus «Komplexität und Widerspruch» von Robert Venturi entlehnt – damit soll angedeutet werden: Eine solche Haltung gegen die Schärfungen der Extreme und die sie begleitenden Vereinfachungen ist nicht neu, sondern taucht immer wieder auf. Bisweilen setzt sie sich sogar durch – zumindest so lang, bis wieder neue Stimmen mit neuen Glaubenssätzen Klarheit und Einfachheit versprechen und damit zu verführen vermögen.


Anmerkungen:
[01] Die Begriffe Analogie und analog werden hier bewusst und (wie mir scheint) wesensgemäss unscharf verwendet (zum Begriff und seiner Verwendung im Umfeld von Aldo Rossi vgl. Werner Oechslin: Die Reise zum «Mont Analogue» – Erinnerungen an eine Architekturdiskussion, die nicht wirklich stattfand, in: L’opera sovrana – Studien über die Architektur des 20. Jh. für Bruno Reichlin, Mendrisio 2014, S. 18–49, bes. S. 33–39). Wenn die Architekturlehre an der ETH 1983–1991 von Fabio Reinhart und seinen Assistenten Miroslav Šik und Luca Ortelli gemeint ist, die 1987 und 1991 in Ausstellungen und Katalogen präsentiert wurde, ist von «Analoger Architektur» die Rede.
[02] Minimal tradition – Max Bill und die «einfache» Architektur 1942–1996, Baden 1996; Swiss shapes – Junge Schweizer Architekten, Berlin 2006.
[03] Miroslav Šik (Hrsg.): Analoge Architektur, Zürich 1987; Miroslav Šik (Hrsg.): Analoge Architektur – Analogická architektura – Analogous Architecture, Prag 1991. Vgl. auch Anm. 1.
[04] Vgl. Tibor Joanelly: Play it right, in: werk, bauen  wohnen 6-2015, S. 66–75.
[05] Vgl. Peter Disch (Hrsg.): Architektur in der deutschen Schweiz 1980–1990, Lugano 1991 (bes. die Beiträge von Martin Steinmann und Marcel Meili).
[06] Lukas Imhof, Professur Miroslav Šik: Midcomfort – Wohnkomfort und die Architektur der Mitte, Wien 2013; Lukas Imhof (Hrsg.): Midcomfort, 6 Hefte, Zürich 2006–2010.
[07] Irina Davidovici: Forms of practice – German-Swiss architecture 1980–2000, Zürich 2012.
[08] Vgl. Aldo Rossi: Vorlesungen – Aufsätze – Entwürfe, Zürich 1974; Ákos Moravánszky, Judith Hopfengärtner (Hrsg.): Aldo Rossi und die Schweiz – Architektonische Wechselwirkungen, Zürich 2011.
[09] Bereits Rossi hatte formuliert: «Ich denke, dass der erste und wichtigste Grundsatz im Beharren auf einigen wenigen Themen besteht: Der Künstler (und der Architekt im Besonderen) muss ein zu entwickelndes Thema auf einen Schwerpunkt hin bearbeiten …»; in: Aldo Rossi: Architektur für die Museen, in: ders.: Vorlesungen – Aufsätze – Entwürfe, Zürich 1974, S. 28–35, hier S. 28.
[10] Miroslav Šik: An die Seelenmaler, in: Analoge Architektur, 1987 (vgl. Anm. 3).
[11] Vgl. archithese 2/97: Stand der Dinge – Junge Schweizer Architektur.
[12] Aita Flury, Architekturforum Zürich (Hrsg.): Dialog der Konstrukteure, Sulgen 2010 (Zürich 2006); Aita Flury (Hrsg.): Kooperation. Zur Zusammenarbeit von Ingenieur und Architekt, Basel 2012.
[13] Astrid Staufer: Das simultane Projekt, in: Staufer & Hasler Architekten, Bd. II Methoden, Sulgen 2009, S. 14–22; Astrid Staufer, Thomas Hasler: Bauen, Forschen Lehren, in: Prix Meret Oppenheim 2015, Bern 2015, S. 16–31, bes. S. 19–20.
[14] Marc Loeliger unterrichtet am IKE der ZHAW.
[15] Hans Hofmann: Gedanken über die Architektur der Gegenwart in der Schweiz, Manuskript, publ. in: Christoph Luchsinger (Hrsg.): Hans Hofmann – Vom neuen Bauen zur neuen Baukunst, Zürich 1985, S. 236–137 (engl. in: Switzerland Planning and Building Exhibition, London/Zürich 1946, S. 19–23).
[16] Tatsächlich scheinen mir heute die frühen 1980er-Jahre, als sich die Schweizer Architektur schon einmal intensiv für diese «Neue Baukunst» interessiert hatte, näher zu liegen als das darauf folgende Fin-de-siècle.

TEC21, Fr., 2015.09.18



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TEC21 2015|38 Analoge Architetkur II: die Praxis

17. Januar 2014Martin Tschanz
TEC21

Virtuos und unverträglich

Auch die exzellente Architektur kann nicht darüber hinwegtäuschen:
Basel zahlt einen hohen Preis, um als Messeplatz international zu bestehen.Der Neubau stellt die Hierarchie von Städtebau und
Architektur auf den Kopf.

Auch die exzellente Architektur kann nicht darüber hinwegtäuschen:
Basel zahlt einen hohen Preis, um als Messeplatz international zu bestehen.Der Neubau stellt die Hierarchie von Städtebau und
Architektur auf den Kopf.

Scheinbar mühelos überspannen die neuen Hallen am Messeplatz den Raum und lassen hier ihre gewaltigen Dimensionen von 217 m Länge und 90 m Tiefe beinahe vergessen. Das liegt nicht primär daran, dass das Bauvolumen aus Kostengründen im Vergleich zum Vorprojekt um fast ein Drittel geschrumpft ist. Zwar kommt die Verringerung der Bautiefe um rund 16 m der Situation durchaus zugute. Die Proportion des durch den Neubau verkleinerten Messeplatzes hat sich dadurch verbessert, und der Anschluss an den bestehenden Bau von Theo Hotz (1998–1999) gelingt nun mit grosser Selbstverständlichkeit. Überdies verhilft die nach Süden verlängerte Isteinerstrasse dem benachbarten Landhof zu einem neuen Auftritt.

Die geringfügige Verminderung der Bauhöhe führte dazu, dass der Bau rechtlich kein Hochhaus ist. Trotzdem ist er mit 32 m immer noch höher als manches, was hierzulande als ein solches gilt. Entsprechend hoch einzuschätzen ist die Leistung der Architekten, den Bau so zu gestalten, dass man nicht von seiner Wucht erschlagen wird, wenn man vor oder unter ihm steht. Drei Aspekte sind dabei wesentlich: Entmaterialisierung, dinghafte Ganzheit und Verschiebung der Massstäblichkeit.

Ähnlich wie beim Dogenpalast

Die beiden oberen Geschosse sind gänzlich mit Aluminiumbändern bekleidet. Deren wellenförmiges Auf und Ab erinnert an Streckmetall oder aber an ein Gewebe, dessen Schussfäden durch die Stossfugen der Bänder gerade noch angedeutet werden. Dadurch wird die Längsrichtung betont, wobei die Textur ein Gespanntsein von Kante zu Kante suggeriert. Keine Schwer-, sondern eine Zugkraft scheint hier zu wirken, die die Kanten aus der Vertikalen auskippen lässt. So entstehen lang gestreckte Regelflächen, die durch ihre prägnante Geometrie von Kante zu Kante die Ganzheit der Geschosse unterstreichen. Im Zusammenspiel mit der Textur wirkt dies in der Horizontalen ähnlich wie eine Kolossalordnung in der Vertikalen.

Die Textur als Mittel, einem Baukörper seine Schwere zu nehmen, kennt Vorläufer in der Geschichte der Architektur. Am bekanntesten ist der Dogenpalast in Venedig, wo es auf diese Weise gelang, den mächtigen, weitgehend geschlossenen Baukörper über offene Loggien zu stellen, ohne dass diese optisch erdrückt würden. Der Mauerverband ist dort als Gewebemuster gestaltet, das mit seinen Rauten die Flächigkeit der Wand unterstreicht, und der Bauschmuck der Kanten und Fenstereinfassungen als Bordüre, sodass sogar das filigrane Masswerk der darunter liegenden Loggien textil erscheint: als kostbarer Spitzenbesatz eines gewaltigen Festbehangs.

Dass bei der Messe Basel die Fassadentextur prosaischer ausgebildet ist, schmälert ihre die Schwere und Massivität auslöschende Wirkung nicht. Es entsteht eine Art Entmaterialisierung, ein Effekt, der paradoxerweise durch das Material selbst verstärkt wird. Das anodisierte Aluminium, weder glänzend noch völlig stumpf, ist im Grundton silbergrau, scheint aber keine eigene Farbe zu haben, sondern das wechselnde Licht einzufangen, sodass sich der Bau ständig verändert, entsprechend den Tages- und Jahreszeiten. Mal erscheint er strahlend hell wie der blaue Himmel mit seinen Schönwetterwölkchen, mal ebenso grau und stumpf wie der Hochnebel, mal orange aufleuchtend im Abendlicht, wobei Tönungsverläufe die Kontraste zwischen offen und geschlossen in feinen, die Flächen belebende Übergänge auflösen. Fast wird der Bau selbst zu einer atmosphärischen Erscheinung.

Noch weiter geht die Entmaterialisierung im Erdgeschoss. Hier werden die Grenzen unscharf, wobei die virtuelle Ausweitung des Raums durch Spiegelung und die reelle durch Transparenz fliessend ineinander übergehen. Zum überbauten Teil des Messeplatzes hin treten die Glaswände konkav zurück und greifen den Schwung des zentralen Okulus auf, der im Gebäudeinnern in mehreren Stufen weitergeführt wird. So entsteht eine schrittweise Verdichtung des Raums, die die Härte der Klimagrenze vergessen lässt. Eine stärkere Verzahnung von Messe und Stadt liesse sich kaum denken. Überdies erzeugt das Verspiegeln der Decke eine gewisse Festlichkeit, indem das Geschehen in der sogenannten City Lounge auf sich selbst zurückgeworfen wird. Das städtische Leben wird so zu einem Schauspiel, in dem die Zuschauer zugleich die Akteure sind.

Ein Loch als Anker

Die Erscheinung des Gebäudes mit drei deutlich artikulierten, fast schon voneinander isolierten Geschossen entspricht seinem inneren Aufbau. Drei riesige, lang gestreckte Hallen liegen übereinander, wobei die erste durch den offenen Raum der City Lounge in Messe- und Eventhalle zweigeteilt wird. Jeder Ausdruck eines Lagerns, der damit verbunden sein könnte, wird unterdrückt: durch die bereits beschriebenen Massnahmen, aber auch durch das leichte Ausdrehen der beiden oberen Hallen. Diese scheinen sich um die kreisförmige Öffnung in ihrer Mitte herum drehen zu können, nicht auf dem Boden stehend, sondern angehängt an einer zentralen Achse aus offenem Raum, die den Bau im Stadtraum verankert und das Innere der Hallen zentriert.

Abgesehen davon nimmt sich die Architektur der Hallen ganz zurück. Schwarze Farbe lässt die ruhige, strenge Ordnung von Tragstruktur und Installationen ebenso in den Hintergrund treten wie die Raumgrenzen, sodass die einzelnen Stände und Exponate umso effektvoller ins Licht gesetzt werden können.

Verschobene Wahrnehmung

Die prägnante, dinghafte Gestalt des Baus – zwei flache, umspannte Behälter über einem Erdgeschoss – trägt dazu bei, seine Grösse vergessen zu machen. Seine Dreigeschossigkeit wirkt vertraut, die Geschosse geradezu niedrig angesichts ihrer enormen Ausdehnung. Nichts lässt erahnen, dass jedes für sich gut so hoch ist wie ein dreigeschossiges Haus üblichen Zuschnitts. Die Schrägen verunmöglichen eine präzise perspektivische Wahrnehmung, und alles, was durch eine Referenz auf menschliche Grössen als Massstab dienen könnte, ist unterdrückt. Es gibt weder sichtbare Treppen noch Brüstungen oder Fenster, und die Aluminiumbänder wirken fein wie eine Textur, die wir aus haptischer Erfahrung kennen. Nichts erlaubt es, die wahren Dimensionen zu ermessen.

Als Resultat ergibt sich eine eigenartige Verschiebung der Grössenverhältnisse. Man glaubt sich fast in ein Modell versetzt, dessen Massfiguren – Autos, Trams, Menschen – in ihrer Grösse nicht ganz getroffen wurden. Alles hat die Tendenz, spielzeughaft klein zu wirken, was unangenehm sein könnte, es hier aber nicht ist, weil das Grosse nicht mächtig wirkt. Vielmehr entsteht auf dem und um den Messeplatz eine etwas surreale und durchaus heitere Atmosphäre, die gut zum Ausnahmezustand der Messen passt: ein Raum in Erwartung des Jahrmarkts von Art, Baselworld oder Herbstmesse.

Fein wird grob, klein wird gross

All die beschriebenen Effekte nehmen jedoch ab, je weiter man sich vom Bau entfernt. Die neue Messe gleicht darin dem Scheinriesen Turtur aus Michael Endes Erzählung von Jim Knopf. Während Turtur jedoch aus der Ferne als furchterregender Riese erscheint, der bei Annäherung zu seiner wahren, ganz und gar menschlichen Grösse zusammenschrumpft, scheint der neue Messebau erst mit zunehmender Distanz zu seiner echten, riesenhaften Grösse anzuwachsen. Aus der Ferne verlieren all die virtuos angewandten architektonischen Kniffe ihre Wirkung, weil die Feinheiten des Baus verschwimmen, vor allem aber, weil dieser im städtischen Kontext nur noch fragmentarisch wahrgenommen werden kann.

So kommt es, dass der Bau aus der Clarastrasse heraus gesehen den Raum als mächtige Wand verstellt und dabei die einstmalige Eleganz des Messeturms vernichtet, der nun nur noch gross wirkt und ohne präzisen Ort auf oder in dem neuen Gebilde zu stehen scheint. Von der mittleren Brücke aus, wo früher die zentrale Achse von Kleinbasel der Stadt zu Offenheit und Weiträumigkeit verholfen hat, scheint es nun, als würde Basel von einer neuen Mauer eingeschnürt. Was dahinter liegt, liegt nun im Abseits. Auch von der Pfalz aus, dem zweiten Herzen der Stadt, tritt die neue Messehalle nicht eben vorteilhaft in Erscheinung. Unwirklich, wie eine grosse Nebelbank scheint sie auf den Dächern von Kleinbasel zu liegen, und auch aus dieser Perspektive verbindet sich der gleichsam entmannte Messeturm mit dem Flachbau zu einem unharmonischen Ensemble (Abb. S. 80).

Und die Alternativen?

Man mag einwenden, solches sei der Preis für den Verbleib der Messe in der Stadt und in Anbetracht der gegebenen Aufgabe unvermeidlich – vielleicht zu Recht. Es bleibt jedoch das schale Gefühl, dass aufgrund des gewählten Planungsverfahrens in dieser Frage keine Gewissheit herrschen kann. Durch den Direktauftrag an die Architekten, durch die kurzen Fristen und durch die geballte Macht, mit der die Messe Basel als wichtiger Wirtschaftsfaktor zusammen mit der Autorität von Herzog & de Meuron aufgetreten ist, um die vorgeschlagene Lösung als die einzig mögliche und richtige zu präsentieren, wurde jegliche Diskussion im Keim erstickt. Ob nicht auch eine grundsätzlich andere, vielleicht stadtverträglichere Lös ung denkbar gewesen wäre, mit einer Überbrückung statt Überbauung des Messeplatzes, unter Opferung von Parkhaus und Halle 5, und vielleicht sogar – horribile dictu – der Rosental-Anlage: Wir werden es nie erfahren. Ausser Zweifel steht, dass der gewählte Ansatz mit seiner Überbauung des öffentlichen Raums für die Messe der günstigere ist – nicht zuletzt, weil dadurch eine weitere, zweifellos profitable Bautätigkeit am Messeplatz möglich, ja fast notwendig wird. Es bleibt zu hoffen, dass dabei die Verfahren transparenter und die Resultate besser abgestützt sein werden.

TEC21, Fr., 2014.01.17



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TEC21 2014|03-04 Neubau Messe Basel

23. September 2011Martin Tschanz
TEC21

luxuswohnen heute? – Drei Antworten

Von 2008 bis 2011 wurde das 45 000 m² grosse Grundstück der Villa Im Forster am Zürichberg baulich verdichtet. Die Zürcher Büros EM 2N Architekten und Jakob Steib Architekten sowie Richter et Dahl Rocha aus Lausanne realisierten in drei Baufeldern insgesamt 54 Mietwohnungen. Obwohl vor allem die Wohnungsgrössen der Lage der Objekte am Zürichberg entsprechen, macht sich bezüglich der Grundriss- und Innenraumgestaltung eine gewisse Ratlosigkeit breit: Was bedeutet «gehobenes Wohnen» für eine Mietwohnung heute eigentlich?

Von 2008 bis 2011 wurde das 45 000 m² grosse Grundstück der Villa Im Forster am Zürichberg baulich verdichtet. Die Zürcher Büros EM 2N Architekten und Jakob Steib Architekten sowie Richter et Dahl Rocha aus Lausanne realisierten in drei Baufeldern insgesamt 54 Mietwohnungen. Obwohl vor allem die Wohnungsgrössen der Lage der Objekte am Zürichberg entsprechen, macht sich bezüglich der Grundriss- und Innenraumgestaltung eine gewisse Ratlosigkeit breit: Was bedeutet «gehobenes Wohnen» für eine Mietwohnung heute eigentlich?

Es war ein zentrales Anliegen der Eigentümer, bei der baulichen Verdichtung auf die ausserordentlichen Qualitäten des Parkes Rücksicht zu nehmen: Die Grösse des Grundstücks erlaubt eine weitgehende Erhaltung des Parks trotz Neubauten, die Hanglage eine unverbaute Aussicht über Stadt und See (vgl. «Hoher Anspruch über Generationen», S. 18). Mit einer Regelbebauung wäre dies nicht möglich gewesen, angesichts der Bedeutung des Areals bot die Stadt jedoch Hand zu der Ausarbeitung eines privaten Gestaltungsplans. Das städtebauliche Konzept wurde von den Landschaftsarchitekten Zulauf Seippel Schweingruber (heute: Schweingruber Zulauf Architekten) erarbeitet. Es sah fünf einzelne Baufelder vor, die als Inseln an der Peripherie des Areals angeordnet sein sollten. Mittlerweile wurden drei dieser Felder bebaut, während die beiden exponiertesten Bereiche im Süden des Areals vorläufig noch als Landreserve frei bleiben. Jedes wurde von einem anderen Architekturbüro geplant, sodass keine Handschrift dominiert. Die neuen Gebäude nehmen zum Teil den Raum der alten Bepflanzung ein, die vorher die umgebende Bebauung kaschiert hatte. Die Architekten der Neubauten wurden 2004 durch einen Studienauftrag unter sieben Konkurrenten aus dem In- und Ausland gekürt, wobei jedes Baufeld einzeln juriert wurde.

Am «Mittelberg», im Westen des Areals, setzten sich Jakob Steib Architekten aus Zürich mit drei identischen, am Hang gestaffelten Bauten durch, bei der ehemaligen Gärtnerei im Nordosten die Zürcher EM2N Architekten, die ein einziges, winkelförmiges Volumen vorschlugen. Für den privilegierten Standort «Rondell» im Nordwesten des Areals konnte kein Entwurf völlig überzeugen. Das Lausanner Architekturbüro Richter et Dahl Rocha & Associés wurde in der Folge auf Wunsch der Bauherrschaft direkt mit der Ausarbeitung eines neuen Projekts auf der Grundlage eines reduzierten Programms beauftragt.

Richter et Dahl Rocha: Drei Luxuswohnungen

Das Resultat ist ein orthogonaler Baukörper, der sich mit Abstufungen und dunkler, braungrauer Putzoberfläche neben der bestehenden Villa maximal zurücknimmt (Abb. 4). Die raumhohen Öffnungen, welche die Eleganz und Grosszügigkeit der drei Wohnungen erahnen lassen, wirken durch die Hanglage in der Sicht von unten teilweise geschlossen, sodass die Erscheinung des Volumens kompakt bleibt. Die einzelnen Wohnungen zeichnen sich nicht ab, obwohl ihre Zugänge bis in die Tiefgarage hinein individualisiert sind. Dadurch entsteht im Inneren der Eindruck von kleinen Villen. Die Räume sind streng in einen Tages- und einen Nachtbereich aufgeteilt, was ebenso konventionell wie überzeugend ist, abgesehen davon, dass man sich in der 5.5-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss (Abb. 10) eine Alternative zum Vestibül als Verbindung der beiden Bereiche wünschen würde. Als besondere Qualität erfährt man die unterschiedlichen Orientierungen der Räume, indem sich insbesondere die Nähe zu den Bäumen im Norden und die Weitsicht nach Südosten spannungsvoll ergänzen.

Jakob Steib Architekten: Wohnen in der Nachfamilienphase

Die unterhalb liegenden Bauten am Mittelberg von Jakob Steib stellen in mancherlei Hinsicht einen Gegenpol dazu dar. In den stark aufgegliederten Baukörpern werden die einzelnen Wohnungen durch weit ausgreifende Fortsätze individualisiert, während ihre Erschliessung kollektiv über einen gemeinsamen Kern erfolgt. An der Südseite heben sich die drei Bauten vom Grund ab, wodurch sie sich im Schnitt ebenso intensiv mit dem Park verzahnen wie im Grundriss und dadurch die geneigte Topografie stark zum Ausdruck bringen. Dies erzeugt eine elegante Leichtigkeit, die zusammen mit der Betonung der Horizontalität, dem Sichtbackstein und den Deckenstirnen in Beton an Bauten der späten 1950er- und 1960er-Jahre erinnert. Um trotz der engen Stellung der Volumen störende Einblicke zu vermeiden, sind die Nordseiten der Bauten praktisch blind ausgebildet, während die Ausrichtung nach Süden über vollverglaste Fronten gestärkt wird. Das überzeugt nur beschränkt, zumal sich nur aus den obersten Wohnungen ein Weitblick öffnet und die beiden Schmalseiten unterschiedlich attraktiv sind – die Ostseite öffnet sich zum Park, die westliche Fassade zum angrenzenden Quartier. Dass es den Architekten gelungen ist, Wohnungen der geforderten Grösse und Opulenz in einem Vierspänner zu organisieren, bezeugt entwerferische Virtuosität – trotzdem stellt sich die Frage nach der Angemessenheit des Typus. Auf eine Trennung zwischen Zimmer- und Wohntrakt wurde hier weitgehend verzichtet, was akzeptabel erscheint, zumal hier Paare in der Nachfamilienphase angesprochen sind. Die unkonventionelle Anordnung des Masterbedrooms hinter der Küche oder dieser unmittelbar gegenüber, vollverglast der repräsentativen Terrasse zugeordnet, will aber nicht recht zum ansonsten bürgerlichen Habitus der Wohnungen passen. Genauso wenig wie der Wohungszugang: Während die Vorhöfe durch eine schöne Verzahnung von Gebäude und Aussenraum und angenehme Grössenverhältnisse überzeugen, überrascht die Eingangshalle durch Nüchternheit. Dieser Eindruck entsteht nicht nur durch den Beton, der als Raumfassung nicht zum Aussenbau passt, sondern vor allem durch die Reihung von Kellertüren beim Eingang, unter die sich, ausgerechnet unmittelbar vor dem Aufzug, auch noch ein Wohnungseingang mischt.

EM2N: Lofts am Zürichberg

EM2N fassen an der nordöstlichen Ecke des Areals den offenen Raum mit einem winkelförmigen Gebäudekörper, der dank einer geschickt abgestuften Zugangsseite auch nach aussen hin nicht schroff erscheint. Der eingeschossige Sockel ist zu einer Terrasse ausgeweitet, die an die bestehende Gartenanlage des Landhauses anschliesst und diese ergänzt. So entstand ein Dachgarten, der am Rand von den angrenzenden Wohnungen teilweise als privater Aussenbereich genutzt wird. Dies verleiht der Anlage einen Siedlungscharakter, indem die Nachbarschaft, auch dank der allgegenwärtigen Glasbrüstungen, stets deutlich präsent ist. Der Bau nimmt Elemente des Loft-Wohnens auf und lässt damit am Zürichberg ankommen, was sich einst in der metropolitanen Subkultur entwickelt hatte. Das kündigt sich bereits im Äusseren an, mit der Gliederung von Flach- und Hochbau, die an Gewerbe- oder Shoppingzentren erinnern könnte, mit dem Vorplatz, an dem die Tiefgarageneinfahrt mit Nonchalance mitten zwischen den Wohnungseingängen liegt, vor allem aber mit der Gebäudehülle, die mit einer Wellblechverkleidung kokettiert, sich aber in der Nahsicht als sorgfältig gestaltete Holzkonstruktion erweist (Abb. 18).

In den Wohnungen gibt es zwar durchaus traditionelle Elemente des Komforts wie etwa die Auszeichnung eines Hauptschlafzimmers durch eine Koppelung von Schlafraum und Bad. Auf eine Trennung von Zimmer- und Wohnteil wurde aber praktisch vollständig verzichtet. Im Ostflügel gruppieren sich die Zimmer um einen zentralen, den ganzen, extrem tiefen Baukörper durchstossenden Wohn-, Ess- und Kochraum, der mit seinen bevorzugt in den Ecken abgehenden Türen den Charakter einer Diele hätte, wäre er nicht so riesig. Die Küche sitzt dabei jeweils annähernd in der Mitte, aufgeteilt in eine weiss in die Wand eingelassene Front und einen davorgestellten Korpus, der ähnlich in Holz gearbeitet ist wie der Boden.

Die Wohnungen im Nordflügel sind um eine tief in sie hineinragende, völlig verglaste Loggia herum organisiert (Abb. 20), während die Eckwohnungen die beiden Dispositionen mischen und die Möglichkeit einer Entwicklung über die Diagonale nutzen. Anders als es die Fassaden vermuten lassen, gibt es kein abgetrenntes Dachgeschoss. Vielmehr ragen die jeweils obersten Wohnungen stets bis unter das Dach, dessen Gestalt einer städtebaulichen Logik folgt. Dies führt zu teilweise enorm hohen Räumen und zu geneigten Decken, deren Form in keinem Zusammenhang zur Raumform steht, und verstärkt den Eindruck eines sekundären Einfüllens der Wohnungen in ein gegebenes Volumen, wie es für Lofts charakteristisch ist.

Fragen des Komforts

Auf dem Areal Im Forster waren der privilegierten Lage angemessene Mietwohnungen zu realisieren. Für einmal waren die Architekten also gefordert, sich ganz unabhängig von individuellen Wünschen eigene Vorstellungen zum Wohnen mit gehobenem Standard zu machen: eine aussergewöhnliche und offenbar nicht ganz einfache Aufgabe. Die Vielfalt der Resultate zeigt, wie uneindeutig heute die Vorstellungen von einer idealen Wohnsituation sind. Oder sollte es in diesem Fall, wo an privilegierter Lage ökonomische Zwänge (fast) keine Rolle mehr spielen, um etwas anderes gehen?

Städtebaulich wurde das Ziel erreicht, das Quartier über die Neubauten nicht einfach in den Park hineinwuchern zu lassen. Weil sich alle Elemente auf den Altbau bzw. auf den offenen Raum beziehen, der von diesem beherrscht wird, bleiben Einheit und Charakter des Ganzen gewahrt. Damit ist die Anlage städtebaulich ein grosser Erfolg: Nach wie vor sind die Weite und Grosszügigkeit, vor allem aus der Perspektive des Landhauses, überwältigend.

Daneben seien einige Bemerkungen zu Einzelaspekten der Wohnungen erlaubt. Zunächst zum Thema der Brüstungen bzw. der fehlenden Brüstungen, die derzeit als architektonische Mode jene der grossen, querrechteckigen Fenster abzulösen scheinen. Die Wohnräume von Jakob Steib Architekten z.B. wirken aufgrund ihrer Vollverglasung zu wenig gefasst: Weil eine vermittelnde Schwelle zwischen innen und aussen völlig fehlt, entsteht der Eindruck, der Raum drohe auszufliessen. Überdies werden die Bewohner durch die Glasfronten fast gezwungen, vor die Scheiben zu möblieren, wodurch das Private und insbesondere allerlei Rück- und Unterseiten zu einem Teil der Fassade werden, was weder für die Wohnungen noch für die Stadt ein Gewinn ist. Ähnliches gilt für die stets geschosshohen Fenster im Baufeld Gärtnerei.

Eine zweite Bemerkung betrifft die Stellung der Küchen. Am meisten vermag die Lösung in einem abschliessbaren, aber räumlich vielfältige Bezüge ermöglichenden Eck- und Scharnier-raum in manchen Wohnungen von Jakob Steib Architekten zu überzeugen. Sie vereinigt die Vorteile einer offenen und einer geschlossenen Disposition, die grundsätzlich beide ihre Berechtigung haben. Problematisch erscheinen jedoch jene extrem exponierten Küchen, die offen an der Stirnseite eines lang gestrecken Raumes liegen oder aber in dessen Zentrum, sodass der gesamte Wohnbereich von ihnen dominiert wird. In diesen Fällen wünscht man sich eine zusätzliche Bei- bzw. Spülküche oder zumindest einen etwas geschützteren Bereich, der das durch die Raumeinteilung erzwungene Schaukochen auch in einem etwas formelleren Rahmen praktikabel machen würde.

Insgesamt hält sich die Verfeinerung des Komforts in Grenzen, vor allem wenn man das bürgerliche Wohnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Massstab nimmt – trotz reichlich vorhandenen Sanitärräumen, Einbauschränken und sogar Ankleiden. Das Stereotyp von Parkettböden, weiss-glatten Wänden und ebensolchen Decken genügt zwar vielen Ansprüchen, aber wenigen so richtig. Es folgt einer Logik des kleinsten gemeinsamen Nenners, die hier zweifellos nicht einfach der Vorstellungsarmut der Architekten, sondern einer ganz allgemeinen Unsicherheit bezüglich der herrschenden Wohn- und Lebensvorstellungen geschuldet ist. Ein Raffinement des Komforts würde Festlegungen bedingen, die derzeit niemand riskieren mag.

An die Stelle des Komforts tritt deshalb die schiere Grösse. Selbstverständlich lässt es sich in einem Raum von 75 m² auch dann gut leben, wenn dieser grundsätzlich unbequem angelegt ist – die Loft-Kultur hat uns genau dies gelehrt. Zukunftsträchtig ist diese Strategie jedoch nicht. Eine Änderung der Leitbilder der Wohnkultur scheint daher angezeigt, selbst im gehobenen Segment. Nicht nur, weil die Quadratmeterbolzerei jeglichen Bemühungen um Nachhaltigkeit zuwiderläuft, sondern auch, weil die Wohnkosten mittlerweile auch hierzulande in einem schmerzhaften Bereich angekommen sind. In Tokio und London z. B., die jeweils in ganz unterschiedlichen Traditionen stehen, kann man sehen, dass dies sehr wohl möglich ist.

TEC21, Fr., 2011.09.23



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TEC21 2011|39 Im Forster

13. Mai 2002Martin Tschanz
Neue Zürcher Zeitung

Exzentrische Formen in spielerischer Vielfalt

Die Expo 02 wartet mit vielen Attraktionen auf. Was aber den Besuchern als Erstes auffällt, sind die Seenlandschaft und die eigenwilligen Bauwerke. Deren Vielfalt ist beeindruckend. Oft werden die Grenzen der Disziplinen verwischt. Ist das noch Architektur? Oder nicht vielleicht doch Kunst, Spektakel, Szenographie? Solche Fragen sind falsch gestellt. Es geht um das Ganze, um Botschaften und Medien, um die Ausstellung. Dabei spielt Architektur im engeren Sinn allerdings durchaus eine wichtige Rolle.

Die Expo 02 wartet mit vielen Attraktionen auf. Was aber den Besuchern als Erstes auffällt, sind die Seenlandschaft und die eigenwilligen Bauwerke. Deren Vielfalt ist beeindruckend. Oft werden die Grenzen der Disziplinen verwischt. Ist das noch Architektur? Oder nicht vielleicht doch Kunst, Spektakel, Szenographie? Solche Fragen sind falsch gestellt. Es geht um das Ganze, um Botschaften und Medien, um die Ausstellung. Dabei spielt Architektur im engeren Sinn allerdings durchaus eine wichtige Rolle.

Die Erinnerung an die Weltausstellungen der Vergangenheit wird oft durch einzelne symbolhafte Bauten bestimmt. Der Eiffelturm in Paris und das Atomium in Brüssel waren als solche erdacht. Dabei waren sie so erfolgreich, dass sie bis heute Bestand haben und nicht nur für die jeweiligen Ausstellungen stehen, sondern darüber hinaus auch für die Veranstaltungsorte und für ganze Epochen. In anderen Fällen gelang es einzelnen Ausstellungspavillons, sich aus der Fülle der konkurrierenden Eindrücke hervorzuheben und sich prägend in die Erinnerung einzuschreiben. So kann die grosse Kugel des US-Pavillons von Richard Buckminster Fuller für die Weltausstellung in Montreal stehen oder die gestapelte Landschaft von MVRDV für diejenige in Hannover. Bereits jetzt, unmittelbar vor der Eröffnung der Expo 02, ist klar, dass auch sie solche Symbole hat, allen voran der Monolith in Murten und die Wolke in Yverdon-les-Bains. Wesentlich ist hier jedoch der Plural: Gerade Wolke und Monolith entfalten in all ihrer Gegensätzlichkeit erst zusammen ihre ganze Kraft. Wesentlich ist zudem, dass die grossen Symbole der Expo 02 nicht isoliert stehen, sondern eingebettet sind in eine Gestaltung, welche die gesamten Arteplages umfasst.


Fünf Arteplages - eine Ausstellung

Die Expo 02 ist keine Leistungsschau, in der jeder Pavillon für sich um die Gunst des Publikums wirbt. Sie ist vielmehr eine Ausstellung, in der sich idealerweise die Teile zu einem Ganzen ergänzen. Dieser Anspruch wurde so ähnlich zwar auch schon für frühere Ausstellungen formuliert, erfüllt wurde er aber bisher kaum. Wenn dies der Expo 02 nun besser zu gelingen scheint, dann weniger, weil die Themen der Arteplages schärfer umrissen wären als diejenigen anderer Landes- oder Weltausstellungen. Wesentlich ist vielmehr, dass durch die Gestaltung der einzelnen Arteplages jeder Standort eine eigene Identität erhielt, in die sich die Teile einfügen. Dies ist die Frucht einer aufwendigen Koordinationsarbeit. Die Expo 02 führt damit eine Entwicklung innerhalb der schweizerischen Landesausstellungen weiter, die mit der Landi 39 begonnen hat und schon damals wesentlich war für ihren Erfolg. Dem damaligen Chefarchitekten Hans Hofmann gelang es, mit seiner Höhenstrasse eine adäquate Repräsentation der Schweiz zu gestalten und darüber hinaus der ganzen Ausstellung eine Art Rückgrat zu geben. Durch die Wahl der Architekten und durch enge Rahmenbedingungen konnte zudem damals auf dem ganzen Gelände eine «einheitliche Baustimmung» geschaffen werden.

An der Expo 64 konnte Chefarchitekt Alberto Camenzind an diese Erfahrungen anknüpfen. Wieder bildete ein einheitlich konzipierter «Weg der Schweiz» das Herzstück der Ausstellung, um den die anderen Teile gruppiert werden konnten. Der Expo 02 mit ihren unterschiedlichen Standorten fehlt naturgemäss ein solches Rückgrat. Dass trotzdem die Einheit der Ausstellung gewahrt bleibt, liegt wohl zum einen an der grossartigen Landschaft: Die Repräsentation des Landes wird gleichsam durch die Schweiz selbst ersetzt. Wohl an keinem anderen Ort sind Jura, Mittelland und Alpen als die drei grossen konstituierenden Elemente der schweizerischen Landschaft so präsent wie gerade hier. Zum anderen sind es die sich ergänzenden Charaktere der einzelnen Standorte, die für den Zusammenhalt sorgen. Irgendwie macht jede Arteplage neugierig auf die anderen, und man spürt, dass es hier um die Summe der Teile geht, um das Gesamtbild.


Murten und Yverdon

Nirgends wird die Integration der Ausstellungen in eine Gesamtdramaturgie so weit getrieben wie bei der Arteplage Murten, wo alles einer eindrücklichen Gesamtinszenierung zum Thema «Augenblick und Ewigkeit» untergeordnet ist. Wenn es um die Erscheinung der einzelnen Teile geht, sprechen die Architekten - Jean Nouvel und seine Partner Gauer Itten Messerli Maria - von Tarnung, von «Camouflage». Ähnlich wie in den grossen Themenparks werden dabei echte Zeugnisse der Geschichte und neu angelegte «Spuren» vermengt. Das echte Wrack des Unterseebootes Mésoscaphe, das an der Lausanner Ausstellung 1964 noch ein Symbol des Fortschritts war, steht nun als eindrückliche Verkörperung von Vergänglichkeit neben einem ebenso rostigen, aber neuen «Lagerschuppen», in dem sich ein Restaurant verbirgt. «Falsche» Baugerüste lehnen sich an die echten Stadtmauern, hohle Holzlager liegen am echte Hafen. Geschichte und Geschichten, Vergangenheit und Gegenwart werden lustvoll vermengt, so dass ein merkwürdiger Zustand entsteht, in dem alles fragwürdig erscheint - bis hin zu den Würstchenbuden. Die zahllosen Schiffscontainer, welche die Infrastruktur beherbergen, sind in diese Inszenierung ebenso integriert wie das historische Städtchen und seine Bewohner. Nicht von ungefähr flattert zuoberst auf dem Rathausturm die Expo-Flagge - schräg aufgesteckt, als wäre die Stadt eben erst erobert worden.

Der gewaltige Monolith, der sich mitten aus dem See erhebt, verkörpert konzentriert die Themen der Arteplage. Mit seiner idealen Würfelform steht er für die ausserhalb der Zeit liegende Welt der Ideen. Rostig, wie er ist, zeugt er gleichzeitig von der Vergänglichkeit und dem Zerfall der materiellen Welt. Die Kombination der drei Panoramen in seinem Innern erweist sich dabei als ein Glücksfall. Mit dem bewegten, computergesteuerten Rundbild der Gegenwart, dem historischen Schlachtenbild und dem inszenierten Rundblick auf die Stadt werden Geschichte und Fiktion, Zeit und Wahrnehmung in Frage gestellt.

In Yverdon-les-Bains erkundet die Gestaltung der Arteplage die Grenzen von Natur und Kunst (Konzept: extasia). Aus der Schwemmlandebene erheben sich künstliche Hügel, die mit ihren bunten Streifen aussehen, als wären sie am Bildschirm per Mausklick eingefärbt worden und nicht durch die Blüten unzähliger Pflanzen. An gewissen Stellen zeigen sie sich als Gebäude, die aus einer Unmenge von Holzstämmen gefügt sind, und an manchen Rändern gehen sie fast nahtlos über in Dächer, deren Kunststoffhäute wiederum mit Blumen bedruckt sind. Den Rand dieser künstlichen Hügellandschaft bildet ein mächtiges, sanft geschwungenes Dach aus gelbem und orangem Kunststoff, dessen Kontur die Silhouette der in der Ferne liegenden Jurahöhen nachzeichnet. Es ist das Rückgrat der Ausstellungen, die teils unter ihm liegen, teils in Pavillons wie eine Perlenkette vor ihm aufgereiht sind.

Vor dem Ufer liegt die «Wolke» der New Yorker Architekten Diller & Scofidio: eine technoide Maschine. Solange sie nicht in Betrieb ist, zeugt sie von der Schwierigkeit, vielleicht sogar von der Hybris, sich mit der Natur messen zu wollen. Die gewaltige und doch filigrane Konstruktion, die von Rampen und Plattformen durchwoben ist, formt aber weniger eine heroische denn eine spielerische Geste. Im Unterschied zu den Symbolen der Technik der sechziger Jahre spricht sie nicht von triumphaler Unterwerfung und totaler Kontrolle der Natur, sondern fordert diese lustvoll - und risikofreudig - zum Spiel heraus. Läuft die Maschine an, beginnen sich die Konturen zu verwischen. Natur und Architektur vermengen sich im schneeweissen Nebel, und vielleicht, wer weiss, wird die Wolke ja sogar einmal zu schweben beginnen . . .


Neuenburg, Biel und Jura

Die Arteplage Neuenburg setzt auf explizite Symbole. Die gewaltige Plattform im See wird von künstlichen Schilfhalmen aus Polykarbonat umgeben, deren Spitzen in der Dunkelheit leuchten. Über ihr schweben drei «Galets»: gewaltige pneumatische Dächer, die Kieselsteinen nachempfunden sind. Man ist dabei ganz froh, dass die Vorbilder nicht allzu naturalistisch nachgezeichnet sind, so dass ein Spielraum für Assoziationen offen bleibt. Warum bei den «Galets» nicht an fliegende Schüsseln denken, an UFO, oder gar an abstrahierte Wolken? Eher problematisch ist hier die Position der einzelnen Pavillons, die sich unter die Dächer drängen wie die Küken unter ein Huhn. Müssten sie in ihrer Anordnung nicht eher der Plattform zugeordnet sein, damit die Dächer, formal befreit vom Grund, ihre volle Wirkung entfalten könnten? Spätestens bei einsetzendem Platzregen wird man allerdings die gewählte Anordnung wohl zu schätzen wissen.

Die Arteplage Neuenburg profitiert wie keine andere von ihrer Nähe zur Stadt. Sie liegt unmittelbar vor dem Quai wie auf einer Bühne, zu der die Häuser am Hügel die Ränge bilden. Dies verleiht ihr eine festliche Atmosphäre, ähnlich jener auf den grossen Piers der Seebäder. Schade nur, dass als Abschluss des Geländes eine Art Mauer aus Dienstgebäuden aufgestellt worden ist, deren bedruckte Front nur ein schwacher Ersatz für die dahinter versteckte Seefassade der Stadt ist.

Am konventionellsten, aber deshalb nicht weniger überzeugend ist die Gestaltung der Arteplage Biel. Das Wiener Architektenteam Coop Himmelb(l)au hat auf dem Forum eine eigentliche Festarchitektur realisiert. Ein gewaltiges Dach verbindet den See mit der Plattform, auf der drei Türme wie übergrosse Figuren eines futuristischen Balletts erscheinen. Die silbergraue Stoffhaut, die alle Teile umhüllt, verleiht den Formen bei Tag Leichtigkeit. Je nach Lichtsituation wirkt sie opak oder beinahe transparent, so dass die Formen bald als geschlossene Volumen, bald als offene Gerüste in Erscheinung treten. Der Lichtkünstler Yann Kersalé kann sich dies zunutze machen und die Strukturen in der Nacht mit farbigem Licht und Projektionen zum Tanzen bringen. Beschallt wird das Ganze aus dem Klangturm, der den Musikern und Tonkünstlern ein ungewohnt breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung stellt. - Von dieser Festarchitektur profitiert indirekt auch der sogenannte Expo-Park der Architekten Gebert Liechti Schmid. Hier sind einzelne Pavillons in respektvollem Abstand links und rechts an einer Achse aufgereiht, die vom Eingangsbereich zum See führt. Mehr als irgendwo sonst erinnert die Expo hier an einen Jahrmarkt, auf dem die Attraktionen um die Gunst des Publikums buhlen. Doch lässt man sich gerne von der Festlaune, die auf dieser Arteplage herrscht, anstecken.

Bleibt die mobile Arteplage Jura der Architekten Didier F. Faustino und Pascal Mazoyer. Eine ehemalige Kiesbarke ist zu einer schwimmenden Interaktionsmaschine umgebaut worden, wie sie von Archigram oder einer anderen aktionsverliebten Architektengruppe der späten sechziger Jahre hätte erträumt werden können. Sie ist ein ebenso verbindendes wie irritierendes Element auf den drei Seen. Unberechenbar unterwegs zwischen den festen Standorten, bleibt sie geheimnisvoll, ein Versprechen.


Ausstellungsbauten

An allen Standorten gelingt es, durch die Arteplage-Architekturen eine spezifische Identität mit einer eigenen Stimmung zu generieren. In vielen Fällen werden zudem zwischen den einzelnen Ausstellungen und der Atmosphäre des Standortes besondere Synergien erzeugt. In Murten zum Beispiel wirken die «Armadi Sensibili» - versteckt in einem Kieshaufen - noch geheimnisvoller, und der «Garten der Gewalt» wird durch das quasi integrierte historische Museum der Stadt um eine zusätzliche Dimension bereichert. Und in Biel passt das Abenteuerspiel «Empire of Silence» gut zur allgemeinen Kirmes, ebenso wie die lustvolle Fahrt im überdimensionierten Einkaufswagen durch die Klischees der Schweiz von «Strangers in Paradise». Die Architektur der einzelnen Ausstellungen spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle. Das ist durchaus angenehm: Sie ist davon entlastet, mit aller Gewalt die Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu müssen, und findet auch dann Anklang, wenn sie sich zurückhaltender gebärdet.

Die architektonischen Mittel, die verwendet werden, sind vielfältig. Manche Pavillons sind - in der Terminologie von Robert Venturi - «dekorierte Schuppen»: Bilder oder Symbole an der Oberfläche verweisen auf den Inhalt. So ist zum Beispiel «Geld und Wert» in einer grossen Kiste untergebracht, die ganz mit Blattgold überzogen ist (Architektur: IAAG). Das ist trivial und doppelbödig zugleich. Wer es wagt, an der Oberfläche zu kratzen, wird das echte Gold als Schmutz unter den Fingernägeln nach Hause tragen. Es gibt aber auch viele sprechende Architekturen. Beim «Happy End»-Pavillon von Triad in Biel zum Beispiel zeichnen die aufeinander gestapelten Kisten den dramaturgischen Aufbau der Ausstellung nach. Architektonisch interessanter sind allerdings Bauten, die vielschichtiger agieren, wie jene von Ingrid Burgdorf und Barbara Burren für die Ausstellung «Strangers in Paradise». Bei diesem Pavillon kann man durch die transluzente Haut hindurch die Rampen und Geschosse erahnen, durch welche die Fahrt im Inneren führen wird. Gleichzeitig erinnert der Bau an ein Lager- oder Parkhaus, was angesichts der Mythen und Bilder zur Schweiz, die in ihm gestapelt sind, vielfältige Assoziationen weckt.


Ceci ne tuera pas cela

Victor Hugo liess in «Der Glöckner von Nôtre- Dame» einen Protagonisten die Aussage machen «Ceci tuera cela»: Das neue Medium des Buchdrucks werde die Architektur als Massenmedium auslöschen. Diese Prophezeiung erfüllte sich bekanntlich nicht. Doch gerade in jüngerer Zeit sind angesichts der Strahlkraft der neuen Medien immer wieder ähnliche Voraussagen gemacht worden. An der Expo zeigt sich nun, dass die Architektur als integrierende Disziplin ihre Bedeutung keineswegs verloren hat. Die Errungenschaften der neuen Kommunikationstechnologien kommen vielmehr gerade da am besten zum Tragen, wo sie in ein architektonisches Gesamtkonzept eingebunden sind. Es braucht nicht mehr betont zu werden, dass ein Aufstellen von Videowänden und Bildschirmkonsolen allein heute nicht mehr genügt. Deren Zeitdiktat, das ein eigenes Tempo der Wahrnehmung verunmöglicht, wirkt schnell ermüdend oder gar entmündigend. Entsprechende Beispiele sind an der Expo 02 aber zum Glück erfreulich selten. Meist wird mit unterschiedlichen Kombinationen von traditionellen und neuen Medien gearbeitet. Bei der von Glöggler/Prevosti und 3 deluxe gestalteten «Cyberhelvetia.ch»-Schau zum Beispiel werden konventionelle architektonische Bilder von einer Lounge und einem Schwimmbad in einer komplexen Rauminstallation verwendet, in der die Grenzen von realer und virtueller Umgebung aufgeweicht werden. Und bei dem von Hélène Robert und Anne Carles entworfenen «Garten Eden» wird das seit der Renaissance beliebte Prinzip der Anamorphose mit einer digitalen Bildprojektion kombiniert.

Einen schönen architektonischen Rahmen fanden Burkhalter & Sumi für das schwierige Ausstellungskonzept von «Onoma»: Unter einem grossen Schirm werden die Besucher dazu verführt, wie Kinder in den Märchenecken der Kaufhäuser Platz zu nehmen und die Geschichten der Schweizer Gemeinden zu verfolgen, umgeben von einer im wörtlichen Sinn vielfältigen Hülle, die mit allen Gemeindenamen beschrieben ist. Aber auch mit ihren ureigensten Mitteln allein kann die Architektur in einigen Fällen ihre ungebrochene Kraft beweisen. Schlanke Säulen, die in ihrer grossen Zahl den Raum intim machen, ohne ihn abzuschliessen, strahlendes Weiss und leuchtende Farben versetzen die Besucher von «Oui» in eine gehobene, ja euphorische Stimmung, die dem eben gegebenen Ja-Wort angemessen ist - selbst dann, ja gerade dann, wenn dieser Pavillon der Architekten Martin und Elisabeth Boesch von der benachbarten «Wolke» eingenebelt wird.

Ganz ohne neue Medien kommt schliesslich auch die «Werft» aus. In ihr schieben sich Rahmen von architektonischen Dimensionen langsam in- und auseinander, so dass sich die Bilder und Objekte, die sie tragen, in immer neuen Kombinationen überlagern. Das Architekturbüro Bétrix & Consolascio und Audrey Tenaillon haben mit dieser Installation ein überzeugendes Bild für eine offene, dynamische Sicherheitspolitik der Schweiz gefunden, das dem defensiven «Igel» der Expo 64 völlig entgegensteht. Und liefern damit den Beweis, dass sie sich doch bewegt, die Schweiz!


[Martin Tschanz, dipl. arch. ETH, ist Architekturkritiker in Zürich sowie Dozent an der ETH Zürich und an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur.]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2002.05.13



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EXPO.02 - Schweizerische Landesausstellung

15. März 2002Martin Tschanz
zuschnitt

Höhenflug und geglückte Landung

Auf einer Höhe von 2.691 Meter über dem Val Ferret bietet die neue Berghütte Cabane de Saleinaz Platz für fünfzig Alpinisten. Neben Aufenthalts- und Schlafräumen und Küche umfasst der schlichte Neubau auch einen abgetrennten Bereich für den Hüttenwart.

Auf einer Höhe von 2.691 Meter über dem Val Ferret bietet die neue Berghütte Cabane de Saleinaz Platz für fünfzig Alpinisten. Neben Aufenthalts- und Schlafräumen und Küche umfasst der schlichte Neubau auch einen abgetrennten Bereich für den Hüttenwart.

Der Bau ist auf die extremen Wetterverhältnisse ausgerichtet. In der Windschneise situiert, bietet er kaum Angriffsflächen. Bei geschlossenen Fenstern wirkt die Hütte wie ein kleiner Holzklotz in der gewaltigen und rauen Landschaft. Alle Elemente, einschließlich Verkleidung und Fenster wurden im Tal vorgefertigt und mittels Helikopter auf das Plateau gebracht. Durchgehende Gewindestangen aus Chromstahl verbinden die Struktur mit dem Fundament. Die leichte Konstruktion, eine Fachwerkstruktur mit innenliegender Beplankung aus Tannen-Dreischichtplatten, erreicht größtmögliche Stabilität. Die geschoßhohen Tafeln sind direkt im Verbund gesetzt. In nur drei Tagen konnte der Bau auf den Betonsockel montiert werden.

Der Neubau der Cabane de Saleinaz (cabane ist das französische Wort für Hütte) sitzt wie die Konstruktion aus dem Jahr 1893, die sie ersetzt, auf einer Felsnase hoch über dem Val Ferret. Sie bietet fünfzig Alpinisten eine einfache, zweckmäßige Unterkunft. Das Programm umfasst neben Aufenthalts- und Schlafräumen eine professionelle Küche und einen abgetrennten Bereich für den Hüttenwart, wobei auch ein reduzierter Betrieb ohne Wartung möglich ist.

Die Architektur der neuen Hütte nimmt bewusst Themen des Altbaus in zeitgemäßer Weise wieder auf. Die extremen Windkräfte der exponierten Lage bestimmen den Ausdruck des Hauses. Optimal in die Windrichtung gedreht, bietet es mit seiner minimierten Profilierung den Stürmen kaum Angriffsmöglichkeiten. Besonders mit geschlossenen Fensterläden wirkt es wie ein abstrakter Körper, der, ähnlich einem Holzklötzchen in einem Baumassemodell, eher ein Symbol für ein Haus als ein wirkliches Gebäude zu sein scheint. Seine reine Geometrie steht als ein Zeichen menschlicher Präsenz in Kontrast zur gestaltund maßlosen Natur.

Ist das Haus dagegen bewohnt, öffnet es sich und verliert seine Härte. Die freie Anordnung der Fenster folgt streng den Innenräumen und spiegelt gleichzeitig die moderne Technologie des Holzbaus wider. Dabei wurden die Elemente in der Werkstatt inklusive innerer und äußerer Verkleidung und der Fenster im Tal vorfabriziert. Die Länge der Zimmerei reichte gerade aus, die Längsfassaden von fast 20 m auszulegen und als Ganzes vorzufertigen. Sie wurden dann wieder in Einzelteile, optimiert nach Gewicht und Fläche für den Helikopter, zerlegt. Ihre Struktur besteht aus einem Fachwerk, das durch eine innenliegende Beplankung aus Tannen-Dreischichtplatten ausgesteift wird. Um größtmögliche Stabilität zu erreichen, sind die geschoßhohen Tafeln analog zu Mauersteinen im Verbund gesetzt. Anders als im traditionellen Holzständerbau sind damit die Fassaden von einem dominierenden Raster befreit, was in der freien Fassadengestaltung zum Ausdruck kommt. Die horizontalen Kräfte werden durch Holzzapfen übertragen. Zusätzlich verankern durchgehende Gewindestangen aus Chromstahl die ganze Struktur mit dem Fundament und sichern die relativ leichte Konstruktion zusätzlich gegen die Stürme.

Während sich die vertikalen Elementfugen in der Hülle aus wetterbeständigem Lärchenholz nicht abzeichnen, zeigt eine horizontale Überschuppung der Bretter den zweigeschoßigen Aufbau. Die kubische Erscheinung des Körpers wird nur so weit durchgesetzt, als sie nicht mit den Bedingungen des Ortes in Konflikt tritt. Genau dies wäre jedoch bei einer ungeschützten Horizontalfuge oder dem Verzicht auf Präfabrikation der Außenhaut der Fall. Mit der gewählten Bauweise konnte der Holzbau nach den Vorarbeiten für den Betonsockel in nur dreieinhalb Tagen montiert werden - ein entscheidender Vorteil bei den extremen Witterungsbedingungen der Baustelle. Ohne spektakulär zu sein, ist die neue Hütte oberhalb des Saleinaz-Gletschers mit ihrer Thematisierung der Tradition, der spezifischen Bedingung des Ortes, der Materialien und des Fertigungsprozesses ein exemplarischer Beitrag zur aktuellen Schweizer Architektur, gerade weil keiner dieser Aspekte vordergründig dominiert, sondern alle in eine kohärente Gestaltung integriert sind.

zuschnitt, Fr., 2002.03.15



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Berghütte am Plateau de Saleinaz



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zuschnitt 05 Holz zu Gast

03. August 2001Martin Tschanz
Neue Zürcher Zeitung

Gelungene Verbindung von Kunst und Architektur

Die Lehrwerkstätten Bern Felsenau von Marco Graber und Thomas Pulver

Die Lehrwerkstätten Bern Felsenau von Marco Graber und Thomas Pulver

In Ergänzung zur ehemaligen Spinnerei Felsenau realisierten Marco Graber und Thomas Pulver ein einfaches Gebäude, das sich bei näherer Betrachtung als erstaunlich reich und komplex erweist. Der überzeugende Bau ist das Ergebnis einer gelungenen Zusammenarbeit zwischen den Architekten und der Künstlerin Elisabeth Arpagaus.

Wenn von der Gewerbeschule Bern die Rede ist, denken Architekturfreunde wohl zunächst an das Gebäude von Hans Brechbühler aus dem Jahre 1939. Zumindest den Bahnfahrern dürfte dieser Schlüsselbau der Schweizer Moderne bekannt sein, der bei der Einfahrt nach Bern ein markantes Gegenüber zur Altstadt bildet.

Das neue Schulgebäude der Architekten Marco Graber und Thomas Pulver dagegen ist wesentlich kleiner und liegt weit weniger spektakulär. Aber auch es überzeugt durch architektonische Qualität. Und ähnlich wie beim Bau von Brechbühler ist die Verbindung des Hauptbaus mit den Hallen der Lehrwerkstätten ein wesentliches Thema. - Der Neubau von Graber & Pulver ist Teil des Areals der ehemaligen Spinnerei Felsenau. Wie einige bereits bestehende Häuser ist er an die riesige Maschinenhalle angelagert, die nach wie vor den Baukomplex dominiert. Trotzdem ist der Neubau klar als Hauptgebäude ausgezeichnet: sowohl durch seine Lage in einer Strassenschlaufe an der Stirnseite der Halle als auch durch seine Form. Der an sich einfache Gebäudekörper ist so gestaltet, dass er die Halle mit der städtebaulichen Situation und der Topographie verklammert.

Eine verglaste Gebäudeecke verknüpft den Bau mit dem Steilhang über ihm und empfängt den von der Innenstadt her kommenden Besucher. Eine Art Einkerbung auf der Höhe des Erdgeschosses führt um die Gebäudeecke und entlang der Längsseite bis hin zum Eingang. Hier tritt man durch einen verglasten Windfang in die Empfangshalle, wo eine ebenfalls verglaste Rückwand den Blick über die Dächer der Werkhallenhinweg auf das scheinbar über der Erde schwebende Band des Felsenau-Viadukts öffnet. Auf der einen Seite führt eine Treppe hoch zu den neuen Werkräumen, auf der anderen eine nach unten zu den Hallen, in denen ein Hauptteil der Lehrwerkstätten untergebracht ist. Dieser Weg, der alle Teile des Hauses durch einen grosszügigen Raum verknüpft, ist das Herz der Anlage.

Jedes der drei Hauptgeschosse hat einen anderen Charakter. Prägend dafür sind die Tragstruktur und die mit ihr verbundene Lichtführung. Auf der Ebene der Spinnereihalle formen kräftige Unterzüge in Kombination mit den dazwischen liegenden Oberlichtern einen stark rhythmisierten Raum. Er steht in Kontrast zum Eingangsgeschoss, in welchem das Licht durch seitliche Fenster flach über die glatte Decke streicht. Im obersten Geschoss mit seinen grossen Werkräumen bilden verglaste Stahlträger eine Art Sheddach, das wie ein zeitgenössischer Kommentar zum alten Hallendach anmutet.

Stets wird die ganze Tiefe des Gebäudes überspannt. Im Gegensatz zum schier unermesslichen Stützenfeld der alten Spinnereihalle besteht der Neubau also nicht aus einem Skelett, sondern aus einer festen, tragenden Schale. Alles andere ist sekundär und grundsätzlich flexibel ausgebildet: ein Umstand, der im Verlauf der Planung bereits einige Anpassungen ermöglichte, die wegen der Dynamik der Berufsschulen notwendig waren.

Die Farbigkeit des Gebäudes unterstreicht dessen architektonische Konzeption. Aussen ist derKratzputz entsprechend zur plastischen Durchbildung in zwei unterschiedlichen Grautönen mit einem Stich ins Grüne bzw. ins Blaue eingefärbt. Diese Farbtöne sind dem Berner Sandstein verwandt, kommen aber auch im Buntmergel vor, der am Bauplatz gefunden wurde. Ähnliches gilt für den gelb eingefärbten Beton, der im Innern sichtbar die Tragschale bildet. Er erinnert mit seinen Unregelmässigkeiten an die Schichten des felsigen Untergrundes. Und weil er in eine mit einem Vlies ausgelegte Schalung gegossen wurde, hat er eine fast weich wirkende Oberfläche, in der sich bisweilen Falten dieses Stoffes wie ein Ornament oder eine versteinerte Spur abzeichnen.

Das Konzept der Farben und Materialien wurde in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Elisabeth Arpagaus bestimmt. In der zentralen Treppenhalle gibt es Kalkputze mit unterschiedlichfeinen Oberflächen, die in kräftigen Farben eingefärbt sind. Ein erdiges Orange, ein Mauve, ein Gelb und ein Hellblau erzeugen Farbräume; die weissen Decken und eine glänzend gewachste Wand reflektieren farbiges Licht, und im Boden mit seinem geschliffenen Steingemisch aus grünem Andeer-Granit und violettem Porphyr verbinden sich die Bunttöne zu einem farbigen Grau. Das wirkt fast wie eine dreidimensionale Malerei, die sich in den wechselnden Farben des Tageslichts überraschend stark verändert. ElisabethArpagaus kann dabei aus ihrer Erfahrung schöpfen. In ihren freien Arbeiten experimentiert sie seit längerer Zeit mit mineralischen Farben, die sie aus der Erde extrahiert. Das Resultat ist eine Farbflächenmalerei, die sie in ihren Ausstellungen zu Rauminstallationen verdichtet.

Ihre Arbeit in den Lehrwerkstätten beansprucht aber keine künstlerische Autonomie. Sie fügt sich vielmehr perfekt in die architektonische Gesamtkonzeption ein. Dabei profitiert die Malerei von der Architektur, die sie ihrerseits bereichert und unterstützt. Die Hierarchie der Räume und die unterschiedlichen Grade der Öffentlichkeit werden präzise beachtet. Nach aussen werden dezente Farben verwendet, womit die gerade in Bern hoch entwickelte Kultur einer gegenüber der Öffentlichkeit zurückhaltenden «anständigen» Architektur weitergeführt wird. Die Treppenhalle dagegen zeigt sich als wichtigster Gemeinschaftsraum in einem repräsentativen, ja schon fast opulenten Kleid. Die Bereiche schliesslich, in denen man sich länger aufhält und in denen gearbeitet wird, sind unaufdringlich und neutral gestaltet.

Es ist klar, dass diese Gesamtkonzeption nicht das Resultat eines konventionellen Wettbewerbs für Kunst am Bau ist, bei dem die Kunst auf eine bereits fertige Architektur appliziert wird. Die Künstlerin wurde vielmehr bereits in der Phase des Vorprojektes zur Zusammenarbeit ausgewählt, so dass sie in den weiteren Entwurfsprozess eingebunden werden konnte. Das Resultat ist überzeugend und kann als exemplarisch gelten für eine gelungene Verbindung von Kunst und Architektur.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.08.03



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Lehrwerkstätten Bern Felsenau

02. März 2001Martin Tschanz
Neue Zürcher Zeitung

Eine kleine Stadt im Haus

In der wenig attraktiven Umgebung einer Basler Industriezone haben Quintus Miller und Paola Maranta ein Schulhaus errichtet, das der Deutschschweizer Architektur ganz neue Wege weist. Hinter einer harten, eher unspektakulären Schale verbirgt dieses Gebäude eine fein gegliederte, fast labyrinthische Innenwelt.

In der wenig attraktiven Umgebung einer Basler Industriezone haben Quintus Miller und Paola Maranta ein Schulhaus errichtet, das der Deutschschweizer Architektur ganz neue Wege weist. Hinter einer harten, eher unspektakulären Schale verbirgt dieses Gebäude eine fein gegliederte, fast labyrinthische Innenwelt.

Das Grundstück, für das 1996 im Rahmen eines Wettbewerbes ein Schulhaus zu planen war, gab Anlass zu Bedenken. Es stand zur Verfügung, weil auf Grund neuer gesetzlicher Bestimmungen ein Teil einer staatlichen Grosstankanlage für Heizöl abgebrochen werden konnte. Ein anderer Teil aber war zu erhalten. Er bildet zusammen mit dem Brückenkopf der zweistöckigen Dreirosen-Brücke, einigen Wohn- und Gewerbebauten, einem Heizkraftwerk und den Anlagen der chemischen Industrie eine eher ungewöhnliche Umgebung für einen Schulneubau. Das Projekt von Quintus Miller und Paola Maranta überzeugte damals die Jury, weil es gerade aus dieser schwierigen Situation seine Charakteristiken und Qualitäten schöpft. Am nunmehr realisierten Bau sind diese von aussen allerdings nur teilweise erahnbar. Der Betonkubus, der unmittelbar an das geschlossene Volumen des benachbarten Lagers angebaut ist, erinnert zunächst kaum an ein Schulhaus. Mit seinen grossen Fenstern, welche die Mauern bis fast zu einem Skelett ausdünnen, lässt er eher an einen Gewerbebau denken - aber auch wegen der enormen Bautiefe von neununddreissig Metern. Er ist so hoch, wie es das Baugesetz erlaubt, und übernimmt die Grundfläche des ehemaligen Tanklagers. Das ist städtebaulich insofern sinnvoll, als sich die Umgebung längst an dieses Bauvolumen angepasst hatte, das im heterogenen Umfeld eine Art Scharnier bildete.


Labyrinthisches Raumgefüge

Der Eingang befindet sich etwas versteckt in einer hinterhofähnlichen Situation. Relativ niedrige Wohnhäuser schaffen hier eine fast schon idyllisch wirkende Kleinmassstäblichkeit, die man auf der anderen Gebäudeseite an der Voltastrasse kaum vermuten würde. Ähnlich wird man überrascht, wenn man die Eingangshalle im Parterre durchquert und über eine breite Treppe ins eigentliche Schulhaus hochsteigt. Innerhalb der harten Schale verbirgt sich hier eine fein gegliederte Innenwelt mit fast labyrinthischen Qualitäten: eine kleine Stadt im Haus. Ihr liegt eine strenge Grundstruktur zugrunde. Vier ähnlich gegliederte Raumschichten überspannen die Tiefe des Hauses. An den Aussenfassaden liegen jeweils die Klassenräume, im Innern gibt es je einen Lichthof, auf den ein Gruppenraum und ein Gemeinschaftsbereich mit Garderobe orientiert sind.

Die Komplexität entsteht dadurch, dass sich der offene Erschliessungsraum mäanderförmig um diese Höfe schlängelt, die zueinander versetzt angeordnet sind. Fenster erlauben Durchblicke quer und diagonal zu den Raumschichten, wobei durch leichte Unregelmässigkeiten in der Geometrie zusätzlicher Reichtum entsteht. Von fast jedem Standpunkt aus kann man alle vier Höfe sehen, aber man hat auch Einblick in die Gruppenräume und sieht durch diese hindurch in die Klassenzimmer. Spiegelungen in den Gläsern komplizieren die Verhältnisse zusätzlich. Die Orientierung im Haus geht aber trotzdem nie verloren. Die Form der Räume und die Materialität der massiven Betonscheiben bewirken, dass die Hierarchie der Richtungen stets klar erkennbar bleibt. Einzelne Fenster gewähren zudem einen direkten Blick nach aussen. Die Umgebung erscheint hier als Bild: distanziert.


Licht und Farbe

Für die Gemeinschaftsräume im Innern des Hauses haben die Architekten im Verlaufe der Projektierung lange mit kräftigen Farben experimentiert, die den Kontrast zur äusseren Betonschale noch verstärkt hätten. Die Arbeit an grossen Modellen zeigte allerdings, dass es bei der Komplexität der Durchblicke praktisch unmöglich gewesen wäre, die Kombinationen und Raumwirkungen der Farben zu kontrollieren. Deshalb wurde ein ganz anderes Konzept realisiert. Die nicht tragenden Wände und die Lichthöfe wurden in einem aufwendigen, vielschichtigen Verfahren mit Perlmuttfarbe gestrichen. Damit tritt weniger ein Farbton in Erscheinung als vielmehr die Farbe als Material, zumal die Struktur des Pinselstrichs sichtbar bleibt. In den Höfen wurde Goldperlmutt verwendet, so dass diese bei diffusem Licht gelblich schimmern, bei Sonnenschein aber intensiv golden aufleuchten. Die Innenwände sind auf einem mehrschichtigen Grund über Kreuz mit Gold- und Silberperlmutt gestrichen. Je nach Lichtverhältnissen schimmern sie gelblich, silbern oder auch blau oder gar lila, mit fliessenden Übergängen. Immer aber scheint sich das Licht auf den Wänden zu materialisieren. - Ein ähnlicher Bautyp wurde schon 1994 von Angélil/Graham Architekten im Wettbewerb für die Zürcher Berufsschule auf dem Schützenareal vorgeschlagen. Beim nun realisierten Volta-Schulhaus entfaltet diese Typologie aber weitere Möglichkeiten und wirkt wie massgeschneidert für die gegebene Situation. Die reiche Innenwelt entschädigt hier für die unwirtliche Umgebung. Sie kommt zudem dem pädagogischen Konzept der Schule entgegen. Es gibt hier spezielle Kurse, um der Vielfalt der kulturellen Identitäten der Kinder gerecht zu werden, und oft wird in kleinen Gruppen unterrichtet. Die Introvertiertheit des Hauses und seine Offenheit nach innen unterstützen dabei den inneren Zusammenhalt der bunt gemischten Schulgemeinschaft.


Eine dem Ort angepasste Lösung

Die Schichtung des Grundrisses wird zudem genutzt, um die Doppelturnhalle zu überspannen, die sich vom Erdgeschoss über drei Etagen nach unten entwickelt. Der Ingenieur Jürg Conzett hat dafür ein komplexes Tragsystem geschaffen, bei dem die in die Tiefe des Hauses führenden Scheiben mit den Decken räumlich zusammenwirken, so dass die grossen Spannweiten scheinbar mühelos überbrückt werden, ohne sichtbare Unterzüge oder andere Verstärkungen.

Die grosse Halle in das Tiefparterre zu legen, ist an diesem Ort sinnvoll, weil damit die bestehende Betonwanne des ehemaligen Tanklagers genutzt werden kann, inklusive der Fundamentplatte und der Stützwände. Das ist ökonomisch, und der riesige Raum trägt so die Erinnerung an die ehemalige Nutzung des Ortes in sich. In seiner Massstäblichkeit steht er in eindrücklichem Kontrast zur kleinteiligen Innenwelt der Obergeschosse. Beim Volta-Schulhaus ist die spezielle Typologie also in vielfältiger Weise passgenau angemessen: bezogen auf die städtebauliche Situation, das Profil der Schule und das Gedächtnis des Ortes. Damit entsteht nicht nur räumlich, sondern auch in der Bedeutung eine Komplexität, die dem Bau sogar innerhalb der architektonisch anspruchsvollen Basler Schulbauten der letzten Jahre eine Sonderstellung zukommen lässt.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.03.02



verknüpfte Bauwerke
Volta-Schulhaus

Profil

Architekturstudium an der ETH Zürich, Diplom 1990
Verschiedene Praktika und praktische Tätigkeit
1992 – 1997 Redaktor der Zeitschrift „archithese“
2002 – 2008 Redaktor der Zeitschrift „werk, bauen + wohnen“
2005 – 2022 Redaktion des Periodikums „Construire en béton - Bauen in Beton“

Lehrtätigkeit

1990 – 2001 Assistent bzw. Oberassistent am Institut gta der ETH Zürich in den Bereichen Kunst- und Architekturgeschichte sowie Architekturtheorie, versch. Lehraufträge
1997 Lehrauftrag „Architektur - eine Einführung“ am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich
2002 Vertretungsprofessur „Baugeschichte“ an der Fakultät Bauwesen der Universität Dortmund
2001 – 2005 Lehraufträge für Bau- und Kunstgeschichte sowie Architekturtheorie an der FH Ostschweiz, HTW Chur
Seit 2005 Dozent für für Architekturgeschichte und -theorie an der zhaw Winterthur

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
Bund Schweizer Architekten (Assoz. Mitglied)
2001 – 2006 Vorstand Architektur Forum Zürich

Publikationen

1998 Ausstellung und Katalog „Architektur im 20. Jahrhundert: Schweiz“, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturmuseum Frankfurt (mit Wilfried Wang, Anna Messure)
2008 „Das schräge Dach“ (mit Barbara Burren, Christa Vogt)
2015 „Die Bauschule am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich : Architekturlehre zur Zeit von Gottfried Semper (1855-1871)“, Zürich, gta Verlag
2021 „Roger Boltshauser - 1996-2021“, Zürich, Triest Verlag
2022 „Sprengkraft Raum - Architektur um 1970 von Pierre Zoelly, Rudolf & Esther Guyer, Manuel Pauli und Fritz Schwarz“, Zürich, Park Books (mit Andri Gerber)
2024 „Mit dem Stift die Welt erfassen – Zeichnungen von Rudolf Guyer“, Zürich, Scheidegger & Spiess (mit Mike Guyer, Trix Wetter)
„Esch Sintzel Architekten“, Zürich, Park Books

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