Inhalt

WOCHENSCHAU
02 Wieder bleiben die Pläne zur Bebauung des Hamburger Domplatzes folgenlos | Olaf Bartels
03 Kindertagesstätte Taka-Tuka-Land in Berlin | Brigitte Schultz
03 Schutz für das Schindler House vor dem aufdringlichen Nachbarn | Oliver Hell
04 Durchscheinende Dinge. Regina Poly | Jan Friedrich
04 Bilder aus dem ersten Jahrhundert der Fotografie | Anne Boissel

BETRIFFT
08 Die dritte Wahl | Sebastian Redecke

WETTBEWERBE
10 Kindertageseinrichtungen in Systembauweise, München | Jochen Paul
12 The Sky Space auf dem Dach des ARoS Art Museum in Århus | Friederike Meyer
12 Entscheidungen
13 Auslobungen

THEMA
14 Metropolitan Architecture? | Sebastian Redecke
16 China Central Television | Christian Brensing
24 Eine Form von neuer Utopie | Ole Scheeren
28 Die Röhre als Tragwerk | Rory McGowan

RUBRIKEN
06 wer wo was wann
06 Leserbriefe
34 Kalender
35 Anzeigen

Kindertageseinrichtungen in Systembauweise

Die Stadt München möchte in den kommenden zehn Jahren 70 Kitas bauen. Der Wettbewerb sollte ihr ein kleveres und kostengünstiges Konzept liefern.

Mit mehr als 380 Kindertagesstätten ist München Deutschlands größter kommunaler Träger derartiger städtischer Einrichtungen. Um diesem Ruf auch künftig gerecht zu werden und die kürzlich angehobenen staatlichen Vorgaben für den Versorgungs-grad einzuhalten, plant die Stadt in den kommenden zehn Jahren 70 neue Betreuungseinrichtungen. Und die Einwohnerzahl wächst. 5000 zusätzliche Plätze werden gebraucht, hat man im Rathaus errechnet, in erster Linie dort, wo neue Wohnquartiere entstehen, aber auch in Stadtbezirken mit bisher schlechter Versorgung. Grund genug, sich darüber Gedanken zu machen, wie der Planungs- und Kostenaufwand minimiert werden kann.

Für die zwölf Arbeitsgemeinschaften aus Architekten und Bauingenieuren, die für den einstufigen Realisierungswettbewerb ausgewählt worden waren, kam es also darauf an, flexibel nutzbare Systembauten zu entwickeln, die bei unterschiedlichem Raumprogramm einen hohen Vorfertigungsgrad ermöglichen. Denn je nach örtlicher Situation kombiniert man in München Kindertagesstätten mit Krippe oder Hort zu sogenannten Kooperationseinrichtungen. Die Tagesstätten sollten zudem als Baureihe geplant werden, damit man sie als Paket an einen Generalunternehmer vergeben kann. Dass das System vielerorts anwendbar ist, sollten die Teilnehmer für fünf konkrete Standorte in Trudering-Riem, Hadern und Ramersdorf-Perlach nachweisen. Für die an der Bajuwarenstraße 1 in Trudering-Riem geplante Einrichtung sollten sie detaillierte Planungen vorlegen.

Die Jury vergab keinen ersten Preis, dafür aber einen Sonderpreis für die Arbeit von Schulz & Schulz aus Leipzig, mit Seeberger Friedl und Partner, München, die sie wegen ihrer „deutlichen Abweichung von den Bauräumen und der fehlenden Dachbegrünung“ zunächst aus dem normalen Verfahren ausschließen musste. Ebenso wie den zweiten Preis der Planungsgemeinschaft Zwischenräume, München, mit Neuner Graf, München empfahl sie die Arbeit der Leipziger jedoch zur weiteren Bearbeitung.

Schulz & Schulz schlagen einen kompakten Baukörper aus Brettstapelelementen vor. Die massive Holzbauweise mit tragenden Wandscheiben und Deckenplatten, die mit Aufbeton versehenen sind, ist nicht nur die energetisch günstigste, sondern aufgrund des hohen Vorfertigungsgrads mit marktgängigen Bauteilen auch die preiswerteste Lösung des Wettbewerbs. Vor allem überzeugte die Jury die Fassade, die kommende Architekturturmoden überdauern wird, und die Kinder den Wandel der Jahreszeiten erleben lässt. Anstelle der in der Auslobung geforderten Dachbegrünung umhüllen die Architekten das Haus mit einem Spalier, das als Rankhilfe für Wein, Feuerdorn oder Pfeifenwinde dient.

Die Planungsgemeinschaft Zwischenräume aus München entschied sich für eine Holzrahmenbauweise mit typisierten Grundrissen. Eine markante Eingangshalle und gartenseitige Fluchtbalkone, die zugleich als feststehender Sonnenschutz fungieren, charakterisieren den Entwurf. Die Jury zeigte sich von der städtebaulichen Lösung, der klaren Gebäudestruktur und der Wirtschaftlichkeit beeindruckt, bemängelte jedoch, dass die Fassade nur bedingt die Nutzung widerspiegele.

Die Fertigstellung auf den fünf Wettbewerbsgrundstücken ist für Ende 2008 vorgesehen; darüberhinaus gibt es derzeit keine konkrete Planung. Sicherlich wird man erst dann wissen, ob standardisierte Typen für den Bau von Kindertageseinrichtungen wirklich von Vorteil sind.

Bauwelt, Fr., 2007.02.09

09. Februar 2007 Jochen Paul

The Sky Space auf dem Dach des ARoS Art Museum

Mit einem begehbaren Panoramaring hat Olafur Eliasson die Jury des Wettbewerbs um die Dachgestaltung des Kunstmuseums im dänischen Århus überzeugt und die anderen Entwerfer aus dem Feld geschlagen. Neben der amerikanischen Landschaftsarchitektin Maya Lin war der in Berlin arbeitende dänisch-isländische Künstler einer der gesetzten Teilnehmer für den im August letzten Jahres ausgelobten Realisierungswettbewerb, für den auch Do­minique Perrault, der dänische Landschaftsarchitekt Stig Lennart Andersson mit dem Künstler Morten Stræde und Diller Scofidio mit Renfro Beiträge eingereicht hatten.

Von nichts geringerem als von Dantes Inferno hatten sich Hammer & Lassen, die Århuser Architekten des 2004 eröffneten Museums (Heft 29.04), damals bei ihrem Entwurf leiteten lassen, demzufolge sie die Räume vom Keller bis zum Dachgeschoss immer weiter auflösen wollten. Mit dem Wettbewerb suchte das Museum nun den passenden Abschluss dieses Konzepts und fand es mit Eliassons Vorschlag, der dort eines seiner bekannt virtuosen Lichtspiele inszenieren möchte. In einer begehbaren Kugel plant er Prismen anzuordnen, die das Sonnenlicht je nach Jahres-und Tageszeit in die Spektralfarben spalten und den Besucher so den Lauf der Sonne verfolgen lassen. Mittels eines Periskops will er Ansichten der Stadt auf einen Tisch im Inneren projizieren. Durch die farbigen Glaswände des Panoramarings soll ein gefilterter Blick auf die Stadt entstehen. Der Ring, so die Jury, komplementiere die kubische Form des Museums auf wunderbare Weise. Im Sommer soll Baubeginn sein.

Bauwelt, Fr., 2007.02.09

09. Februar 2007 Friederike Meyer

Metropolitan Architecture?

(SUBTITLE) Die Zentrale des Chinesischen Staatsfernsehens in Peking

Das Hochhaus reizt, mit seiner Form und seiner Statik näher betrachtet zu werden. Nach der Lektüre der Beiträge des Projektarchitekten und des Chefingenieurs werden die Gründe deutlich, warum für das Gebäude an diesem Ort 100.000 Tonnen Stahl benötigt werden.

Man mag beim Office for Metropolitan Architecture das faszinierende, über Jahrzehnte weiterentwickelte theoretische Gerüst zu ihrer Sicht der globalen Stadt noch immer bestaunen, doch nun, bei näherer Betrachtung ihres bislang größten Bauwerks, dem neuen Fernsehzentrum CCTV, scheint die Aura von Rem Koolhaas und seinen Partnern etwas zu verblassen. In Peking wird trotz des imposanten Planungsmarathons kein Entwurfsprozess erkennbar, der Bestandteile gestalterischer und konstruktiver Neuerungen in einen wirklich schlüssigen Zusammenhang bringt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich bei den zwei geneigten Türmen und der bedrohlich wirkenden Auskragung alles auf ein rein auf Zeichenhaftigkeit ausgerichtetes Denken reduziert. Einmal konzipiert und von den Auftraggebern begeistert aufgenommen, wird nun alles in größter Eile umgesetzt.

Im neuen Central Business District der chinesischen Hauptstadt ist der Bau von politischer Bedeutung. Das Staatsfernsehen wird im nächsten Jahr die Olympischen Spiele in alle Welt übertragen. Hierfür ist eine markante und unverwechselbare Form gefragt, die die Größe des Landes und die neue Dimension der zentral gelenkten Fernsehanstalt verkörpert. Die Zahl der Programme soll im nächsten Jahr nochmals rasant wachsen. Unter diesen Prämissen ist der Koloss etwas ganz anderes als – um nur ein Beispiel zu nennen – die Casa da Música in Porto (Heft 21.05), die mit ihrem Reichtum an spannungsvollen internen Raumsequenzen und ihren vielschichtigen Bezügen zum Außenraum unverkennbar die Handschrift von Rem Koolhaas trägt. Koolhaas’ Standpunkt ist bekannt und hat Generationen von Architekturstudenten geprägt. Seine beständige Suche, sich aus der Behäbigkeit einer Nachmoderne zu lösen und aus den Zwängen der Globalisierung heraus eine neue Sicht der Dinge zu entwickeln, hat Konstanz. Ganz anders in Peking: Angesichts der Größe und der Wucht des über 230 Meter hohen „Loop“ kommt man nicht umhin, diesen Bau mit Entwürfen und Realisierungen von Macht und Prosperität zu vergleichen, die aus der Baugeschichte bekannt sind. Von seiner Intention her ist der Bau nicht neu.

Errichtet wird ein Doppel-Hochhaus mit einer hoch oben weit auskragenden Stahlkonstruktion. Dabei entsteht eine besondere Spannung, man meint, der Block sei instabil und könnte vielleicht sogar umkippen. Doch das gesamte Gebäude ist als eine biegesteife rechteckige Röhre ohne Anfang und Ende zu begreifen, deren Tragstruktur gleichzeitig die Fassade bildet. Damit ergeben sich große Freiheiten bei der Gestaltung der unterschiedlich genutzten Geschossebenen. Es handelt sich also um eine Umkehrung des – von wenigen extravaganten Beispielen einmal abgesehen – üblichen Hochhausbaus, bei dem der Kern den Halt bietet und eine meist leichte Stahlglas-Fassade an die Konstruktion der Stützen und Geschossdecken angehängt wird. Diese Umkehrung hat jedoch allem Anschein nach zur Folge, dass die Fassade schwer wirkt, viel Stahl die Sicht einschränkt und der Ausbau mit zahlreichen Sonderformen zurechtkommen muss.

Nimmt man die Originalität der mit einem System von intelligenten Werkzeugen errechneten Konstruktion einmal beiseite, ist CCTV aber auch ein Bürogebäude, wie man es schon früher als große Errungenschaft einer modernen Stadtplanung präsentiert bekam: Ein isoliert stehender Baukörper mit einem eigenen Kosmos, die Stadt außer Acht lassend. Der gesamte Business District von Peking mit rund 300 geplanten und zum Teil bereits gebauten Hochhäusern passt in dieses Bild. Warum wird eine solche „altbekannte Stadt“ der Hochhäuser, die bei uns niemanden mehr begeistert, in China, aber auch an anderen Orten wie zum Beispiel dem Business District „Moscow City“ von hiesigen Stadtplanern und Architekten so euphorisch gefeiert? Hier stellen sich grundsätzliche Fragen, die nicht nur mit kommerziellen Interessen zu tun haben können.
Sicherlich ist es für Rem Koolhaas und Ole Scheeren, sein Partner und Chefarchitekt für das Asiengeschäft, eine einmalige Herausforderung, in dieser Hast ein auch von der inneren Organisation her innovatives Gebilde zu planen und auf der größten Baustelle von Peking zu realisieren. Mit ehrgeizigen und verschwenderischen Bauherrn, die das Medienzeitalter beschwören, wird aus dem Vollen geschöpft. Konsequenzen für die Unabhängigkeit der Berichterstattung von Journalisten wird der Prachtbau jedoch nicht haben.

Die erwünschte Aufmerksamkeit wird das Gebäude wie auch das Olympiastadion von Herzog & de Meuron auf jeden Fall bekommen. Aber ob mit dem größten Fernsehzentrum der Welt – abgesehen von den rein formalen Eigenarten und dem tonnenschweren Kraftakt der Ingenieure – eine Entwicklung der Architektur sichtbar wird, die mehr ist als ein kleiner Baustein im Bild der schnellen Megacity von Koolhaas, bleibt zu bezweifeln.

Bauwelt, Fr., 2007.02.09

09. Februar 2007 Sebastian Redecke

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