Editorial

Während einer Erkrankung spielt für die meisten Menschen der gebaute Raum um sie herum in der Regel eine untergeordnete Rolle. Die Verwendung bestimmter Farben, der Ausblick ins Grüne, Architektur und Landschaftsgestaltung werden oft nur unterbewusst wahrgenommen, doch können diese Faktoren wie auch ein wohnlicheres Ambiente den Heilungsprozess unterstützen und fördern. Unsere Korrespondenten besuchten Gesundheitsbauten, die ohne das vermeintlich typische Erscheinungsbild von Krankenhäusern auskommen. | Christine Fritzenwallner

Zwischen den Bäumen

(SUBTITLE) Rehabilitationsklinik in Arnheim (NL)

Auf den ersten Blick erscheint das Rehazentrum Groot Klimmendaal als recht behäbige Maschine. Innen herrscht jedoch dank geschickt platzierter Lufträume, farbiger Lichtkuppeln, großer Fensterflächen und schöner Materialien alles andere als Krankenhausatmosphäre. Ein Gang durchs Foyer ähnelt gar einem Waldspaziergang hinter Glas.

Finalist beim Mies van der Rohe Preis für Europäische Architektur, Gebäude des Jahres des BNA (Bund Niederländischer Architekten), Publikumspreisgewinner bei den Dutch Design Awards, Gewinner des Hedy d'Ancona Preis für Gesundheitsbauten, Architekturpreis der Stadt Arnheim. Die Liste der Preise und Nominierungen, die das Rehabilitationszentrum Groot Klimmendaal erhalten hat, ist fast so lang wie das Gebäude selbst. Und das will etwas heißen, denn der Bau, der am Stadtrand von Arnheim im Wald thront, misst stattliche 120 m. Ob er all diese Lorbeeren verdient? An lyrischen Beschreibungen mangelt es in den Juryurteilen jedenfalls nicht. Der BNA sprach von »Poesie im Wald«, und auch die Architekten selber formulieren, ihr Gebäude stehe »wie ein stilles Reh« zwischen 100 Jahre alten Buchen.

Vor Ort stellt sich zunächst heraus, dass der Vergleich mit dem zierlichen Tier etwas fehl am Platze ist, denn in Wirklichkeit ähnelt das Bauwerk eher einem wuchtigen Raumschiff, das im Wald notgelandet ist. In prekärer Balance hockt der Riese am Rand eines Abhangs zwischen den Bäumen und wirkt, als könne man ihn mit einem Fingerschnips herunterschubsen. Die Umgebung des Baus betont seine Ausmaße noch, denn um ihn herum sind zahlreiche niedrige, pavillonartige Gebäude aus den 60er Jahren im Wald verteilt. Sie alle beherbergen gemeinsam das Rehabilitationszentrum Groot Klimmendaal, in dem jährlich 3 400 Patienten behandelt werden, die einen Unfall oder eine schwere Krankheit hinter sich haben. Groot Klimmendaal deckt alle Bereiche der medizinischen Rehabilitation ab, ist dabei aber besonders auf die Behandlung von Kindern sowie auf den Bereich der Beatmungsunterstützung spezialisiert. Wie in den Niederlanden üblich, findet die Rehabilitation vorwiegend ambulant und nur in Ausnahmefällen stationär statt. Im Großen und Ganzen ist das niederländische Rehasystem dem deutschen recht ähnlich. Einziger Unterschied ist, dass alle Maßnahmen von einem speziellen Reha-Arzt koordiniert werden, der die Behandlungen verordnet und das Behandlungsteam aus Ärzten, Psychologen, Physio-, Ergo- und anderen Therapeuten leitet.

Koen van Velsen hat nicht nur das neue Hauptgebäude von Groot Klimmendaal entworfen, sondern auch einen Masterplan für das gesamte 9,4 ha große Waldgelände entwickelt, das er selbst als »Gesundheitsgewerbegebiet« bezeichnet. Ziel dieses Plans ist es, den Buchenwald auf Dauer zu entrümpeln. Dafür sollen die vielen kleinen Gebäude nach und nach abgerissen und ihre Funktionen in drei Großbauten zusammengeführt werden.

Das neue Hauptgebäude wurde als erstes realisiert, ein Schul- und ein Wohnungsbau sollen noch folgen. Einfach war der Weg zum Neubau jedoch nicht, denn vom ersten Entwurf bis zur Fertigstellung vergingen 13 Jahre. Das liegt einerseits an der Herangehensweise von Koen van Velsen, der dafür bekannt ist, dass er sich nicht mit Details aus dem Katalog zufrieden gibt, andererseits aber auch an Budgetproblemen. So sollte das Gebäude anfänglich eine Spiegelfassade erhalten, die es völlig im Buchenwald hätte verschwinden lassen. Sie erwies sich als zu teuer, sodass der Bau nun mit Trapezblechen aus braun anodisiertem Aluminium bekleidet ist, die zumindest im Winter ebenfalls einen gewissen Camouflage-Effekt erzeugen.

Umgekehrte Stufenpyramide

Angesichts seiner BGF von fast 14 000 m² hat das Gebäude eine verhältnismäßig kleine Grundfläche, aus der sich das Volumen als umgekehrte Stufenpyramide erhebt. Der Haupteingang befindet sich unter einer gewaltigen Auskragung auf der Nordseite. Von dort betritt man ein lichtes, doppelgeschossiges Foyer, dessen Glasfassade einen großartigen Ausblick auf den Wald bietet. Das Foyer legt sich um einen Kern, in dem mit Sporthalle, Schwimmbad und Theater die halböffentlichen Funktionen des Rehazentrums untergebracht sind. Diese werden nicht nur von Patienten, sondern auch von Anwohnern und Schulen aus der Umgebung genutzt.

Die weiteren Funktionsbereiche von Groot Klimmendaal sind nach einem denkbar einfachen Prinzip über die nach oben immer größer werdenden Geschosse verteilt: Büros und Technikräume befinden sich im zur Hälfte in den Hügel gesteckten UG, Behandlungs- und Sprechzimmer im 2. OG. Während die Sprechzimmer entlang der Fassaden angeordnet sind, sind die Übungsräume im Gebäudeinnern untergebracht. Im 3. OG scharen sich 60 Krankenzimmer für stationäre Patienten um vier Lichthöfe. Auf dem Dach des Gebäudes wartet noch eine Überraschung, denn dort befindet sich ein erst nachträglich ins Programm aufgenommenes, sogenanntes Ronald McDonald Haus mit einem separaten Zugang, der quer über das Dach führt. Die McDonald’s Kinderhilfe Stiftung baut und betreibt Ronald McDonald Häuser in der Nähe von Kliniken, damit die Familien kranker Kinder während der Behandlung dort wohnen können.

Spazierroute durchs Gebäude

Was Groot Klimmendaal auszeichnet, ist nicht so sehr die Anordnung der Funktionsbereiche, sondern eher die Gestaltung der Verkehrsflächen und Resträume. Vier Lichthöfe, die teils mit roten, grünen und gelben Lichtkuppeln überdeckt sind, schaffen Blickbeziehungen zwischen den verschiedenen Ebenen und lassen Tageslicht bis ins Innerste des Gebäudes fallen. Stellenweise befinden sich in den Wänden der Räume, die an die Lichthöfe grenzen, zusätzliche Fenster, die Ein- und Ausblicke ermöglichen. Dadurch gibt es im gesamten Gebäude kaum einen Raum ohne Kontakt zur Außenwelt; der Bau wirkt, im Gegensatz zu seiner behäbigen äußeren Erscheinung, im Innern licht, luftig und transparent. Dank der großen Fensterfronten dringt der Wald auf allen Geschossen beinahe in das Gebäude ein. Am wörtlichsten geschieht das im Restaurant, das am Südende des Foyers liegt und dessen über dem Abgrund auskragende Sitzecken rundum verglast und mit dem Wald verzahnt sind. Wie im gesamten EG sind hinter der Glasfassade die Stahlträger der Fachwerkkonstruktion sichtbar, die die 30 m breite und 16 m tiefe Auskragung ermöglicht. Die sonstige Konstruktion des Gebäudes besteht aus Hohldielendecken in Kombination mit Betonstützen und Stahlträgern; zwei Betonkerne sorgen für Stabilität.

Eine schlitzartig schmale Holztreppe durchschneidet das Gebäude diagonal vom untersten bis ins oberste Geschoss und soll die Angestellten zum Treppensteigen zwischen den Abteilungen ermuntern. Auch sonst will der Bau Bewegung stimulieren: Sämtliche Korridore sind breiter als gewöhnlich und dienen, wie Abstandsmarkierungen auf dem Boden belegen, als Ort für Geh- und Radfahrübungen. Ermöglicht wird dies u. a. dadurch, dass es keine Sackgassen gibt, sondern die Flure als endlose Spazierroute durchs Gebäude führen.

Umso erstaunlicher scheint, dass das Interieur ganz ohne Rammschutz und »Krankenhaustapeten« auskommt. Stattdessen ist es mit weißem Fließestrich, weiß verputzten Wänden sowie einer Edelstahl-Systemdecke ausgestattet, in die alle notwendigen Installationen integriert sind. In Kombination mit den knalligen Farbakzenten der Lichtkuppeln entsteht eine freundliche, ganz und gar nicht krankenhaushafte Atmosphäre. Einziges etwas megalomanes Element scheint die gigantische Auskragung am Eingang zu sein. Sie hat jedoch durchaus eine Daseinsberechtigung, denn an dieser Stelle soll in Zukunft einer der beiden anderen Neubauten andocken – wobei Groot Klimmendaal für dessen Realisierung momentan das Geld fehlt. Aufgrund veränderter Förderstrukturen und der krisenbedingten Zurückhaltung der Banken liegt die zweite Phase des Masterplans bis auf Weiteres auf Eis. Bis dahin können sich die Rehapatienten schon einmal an einem Gebäude erfreuen, das man ohne Übertreibung als zeitgenössische Version legendärer Sanatoriumsbauten der klassischen Moderne wie W. M. Duikers Zonnestraal bezeichnen kann.

db, Mi., 2012.02.01

01. Februar 2012 Anneke Bokern

Riese im Niemandsland

(SUBTITLE) Krankenhaus in Kortrijk (B)

Für die medizinische »Maximalversorgung« der Bevölkerung werden weiterhin zentrale, hochtechnisierte Großkliniken gebaut. Doch Häuser mit über 1 000 Betten, die »alles unter einem Dach« bieten, sind extrem komplex und architektonisch schwer vermittelbar – in der Vergangenheit waren es häufig wahre Ungetüme. Im Süden Belgiens unternahm ein berühmtes Büro nun einen neuen Versuch der Domestizierung.

1 060 Betten, 21 Operationssäle, Tageskliniken, Therapiezentren, Verwaltung, Läden, Restaurant, Parkhäuser – das Raumprogramm des neuen Allgemeinen Krankenhauses Groeninge passte nicht in die flämisch-kleinteilige Siedlungsstruktur der Stadt Kortrijk mit ihren nur 75 000 Einwohnern. Vier bestehende Krankenhäuser wurden dort weitgehend aufgegeben, um draußen auf der grünen Wiese den »großen Wurf« zu realisieren: ein zentrales, sogenanntes Vollkrankenhaus für die Region Westflandern, das auch den nahen nordfranzösischen Ballungsraum Lille bedienen könnte, wenn Europa eines Tages auch gesundheitsbürokratisch zusammenwächst. Basierend auf einem Wettbewerb von 1999 entstehen hier in zwei Bauabschnitten zwischen 2010 und 2017 insgesamt knapp eine halbe Million Kubikmeter umbauter Klinik-Raum. Der erste Bauabschnitt ist seit gut einem Jahr beendet und bereits zwei Krankenhäuser sind nun um- und hier eingezogen.

Wer vom Stadtzentrum Kortrijks zum Torso des Neubaus hinausfährt, passiert weitläufige Gewerbegebiete, heterogene Büroparks, Einfamilienhaus-Siedlungen. Das dichte Netz von Autobahnen hat dem ländlichen Flandern erst im letzten Jahrzehnt einen gewaltigen Schub an Verstädterung beschert. Man lebt, arbeitet, shoppt auch hier inzwischen regional, und das heißt zumeist: mit dem Auto.

In direkter Nachbarschaft des knapp 15 ha großen Klinikgeländes zeugen zwei Bauernhöfe von der vorherigen Nutzung der Gegend. Ihr Status als Baudenkmal verhindert derzeit noch den Bau eines 2500 Pkw fassenden Parkhauses am Rande des Areals. So prägen provisorische Großparkplätze den ersten Eindruck vom Komplex: Blech, wohin man blickt. Eine im Wortsinn »verfahrene« Situation, die solche massiv Verkehr induzierenden Auslagerungen grundsätzlich fragwürdig macht.

Lang gestreckt, unspezifisch

Der flachen, nur von einzelnen Dämmen durchzogenen Landschaft angepasst, erhebt sich der Neubau nur wenig über das Gelände: Drei Geschosse ohne Sockel, ohne vertikale Akzente prägen sein Bild. Dafür geht es mächtig in die Breite: Über 1,5 km zieht sich die einheitliche Fassade ums Gebäude. Dennoch ist der Eingang leicht gefunden: Dort, wo kein Blech parkt, sondern ein gen Süden offener »Ehrenhof«, durch Lampen und Beete gegliedert, in die Mitte des Komplexes führt. Die gleichförmig rhythmisch gegliederte Fassade und die vordergründig symmetrische Gruppierung der Baumassen auf den zentralen Block hin erinnern tatsächlich an klassische Schlossanlagen. Nichts lässt außen den Zweck des Gebäudes erkennen. Dem Augenschein nach könnte es ebenso gut ein Hotel, einen Firmensitz oder ein Ministerium beherbergen.

Oberstes Gebot: Flexibilität

Dass weitere Höfe den Komplex gliedern, wird sich dem Besucher erst im Innern erschließen. Das Gebäude wird am Ende aus vier an den zentralen Block angeschlossenen Baukörpern bestehen, von denen drei selbst einen länglichen Innenhof umschließen. So ergibt sich im Grundriss eine Art Windmühlen-Layout von funktionaler Logik: Im Zentrum sind die Operations- und Kreißsäle sowie die Intensivmedizin untergebracht, in den länglichen Flügeln reihen sich die Zimmer von Tagesklinik (EGs), Pflegestationen (OGs) und Verwaltung.

Zunächst ist der Besucher jedoch etwas irritiert, dass der großen Geste des Ehrenhofs scheinbar keine räumliche Tiefe im Innern folgt. Weil das Zentrum den intensivmedizinischen Funktionen vorbehalten und darum streng abgeschirmt ist, prallt man im Entrée gegen eine Wand, und die querliegende Lobby leitet einen stracks zu den Seitenflügeln, deren Erschließung außen um den zentralen Block herumgeführt wird. Nicht einmal der Empfangstresen steht auf der Achse (und auch kein Chefarzt- oder Direktorenzimmer, wie mir versichert wurde).

Zurück zum Korridor

Nachdem im Krankenhausbau der letzten Jahrzehnte immer wieder versucht wurde, die starre Reihung der Zimmer an langen Fluren zugunsten überschaubarerer und leichter bedienbarer Cluster aufzugeben, kehrt dieser Entwurf zum klassischen Korridor zurück. Als Hauptgrund dafür wird die größere Flexibilität genannt: Stationen lassen sich so im 90 cm-Raster verkleinern oder vergrößern; sogar die Büros der Verwaltung oder Behandlungsräume können an die Stelle von Patientenzimmern rücken.

Die Architekten haben zwar versucht, durch farbige Lichthöfe Identität und Abwechslung in ihre Bausteine zu bringen, doch bleiben die bis zu 120 m langen Flure trotz der hochwertigen Gestaltung öde Schläuche, auf denen das Personal unnötig weite Wege zurücklegt. Die zweihüftige Aufteilung sorgt dabei mit 26 m Tiefe für eine gewisse Kompaktheit (und für einige Aufenthaltsräume ohne Tageslicht), die lichte Raumhöhe von 3,60 m allerdings schafft nur in den Zimmern und Vorzonen Großzügigkeit. ›

Ausgeklügelte Fertigteilfassade

An den Fassaden zeigt sich das Serielle indes von seiner vorteilhafteren Seite. Hier vermieden die Architekten die Technik-Exzesse der vergangenen Jahrzehnte und entschieden sich für eine ruhige Reihung tragender Sichtbetonelemente. Ursprünglich in regionstypischen Ziegelverblendern geplant, fiel die Wahl aus Kostengründen auf die sauber vorgefertigten Betonteile, die geschossweise gestapelt ineinandergreifen. Die Ortbeton-Flachdecken wurden in die Fassadenelemente hineingegossen und nachgespannt, sodass sie bei geringer Bauhöhe rund 8 m überbrücken.

Inklusive Fensterebene ist die Fassade 1,10 m tief. Die Drehung der Stützen um 45 Grad (alle weisen nach Süden) und ihre Zuspitzung verleihen der Fassade im Außenraum eine enorme Plastizität; ins Innere streut sie angenehm gedämpftes Licht. Außerdem verhindert sie so unerwünschte Einblicke, jedoch auch jedwedes flandrisches Landschaftspanorama …

Eine klassische tektonische Fügung dieser Art taucht im Œuvre der Architekten immer wieder auf, zuletzt, filigraner, im eScience-Lab der ETH Zürich, wo Dietmar Eberle auch Entwerfen lehrt.

Die enorme Tiefe der Fassade ist allerdings – mit der ebenfalls im Hinblick auf Flexibilität gewählten großen Raumhöhe – hauptverantwortlich für die in Relation zur Nutzfläche außergewöhnlich große Kubatur des Gebäudes. Doch dürfte sich diese Investition bald bezahlt machen, da die Fassade sowohl aufwendigen Sonnenschutz als auch Klimatisierung überflüssig macht und sehr pflegeleicht ist. Hinter der soliden Hülle verschwinden die billigen Fensterrahmen aus PVC, und Änderungen an der bauphysikalisch wirksamen Hülle lassen sich im 90 cm-Raster leicht vornehmen. Aber nicht nur die Fassadenhülle ist für das Innenraumklima verantwortlich. Erdsonden unterstützen das Energiekonzept, das ansonsten belgientypisch unambitioniert daherkommt.

Heilen durch Architektur?

»Das Klinikum sollte selbst ein Heilgegenstand sein – nicht der Technik unterworfen, sondern von einer Atmosphäre geprägt, die Gelassenheit und Ruhe ausstrahlt und vom eigentlichen Aufenthaltszweck ablenkt« (aus dem Erläuterungstext der Architekten). Wie gesehen, mag das Gebäude diesem hohen Anspruch äußerlich gerecht werden. Auch die Patientenzimmer und Behandlungsräume sind sorgfältig und hochwertig (Parkett) gestaltet. Die Neutralität und Flexibilität der übrigen räumlichen Organisation dürfte jedoch Patienten wie Personal die Orientierung im weitläufigen Haus eher erschweren, zumal bislang kein nachvollziehbares Leitsystem installiert wurde, das die vielen ähnlichen Situationen klären könnte. So sieht beispielsweise die Kinderstation aus wie alle anderen Stationen, von einem neckischen Wandbild am Eingang abgesehen. War der Klinikbau hier nicht schon weiter?

Der graue belgische Granit, der Böden und Wände in den Vorzonen bedeckt, und die kalte direkte Beleuchtung erinnern in ihrer »ewigen« Solidität gar an Bauten der 30er Jahre. Für den ein oder anderen Patienten oder Besucher wird dies gewiss ungemütlich wirken.

Es bleibt zu hoffen, dass die noch ausstehende Gestaltung der Innenhöfe unverwechselbare Orte prägen wird, die eine Verbindung zur Landschaft mit ihren Bauernhöfen und Alleen herstellen, aber auch künstlerische Akzente setzen könnte. Besondere Räume im Haus sind bereits die hölzerne gelbe Kapelle und ein Raum der Stille, beide oberhalb des Foyers gelegen. So sollte sich die strenge, starke Struktur der Riesen-Klinik durch kalkulierte Regelverstöße mit Leben füllen und trotz der isolierten Lage im Niemandsland zu einem geschätzten Stück Stadt werden.

db, Mi., 2012.02.01

01. Februar 2012 Christoph Gunßer

Mit dem Krebs leben

(SUBTITLE) Maggies Centres: Beratungszentren für Krebspatienten

Studien legen nahe, dass jene Krebspatienten mit ihrer Situation am besten fertig werden, die sie entweder ignorieren oder sich besonders aktiv damit beschäftigen. Damit sich eine solche Auseinandersetzung als fruchtbar erweist, hat die Stiftung »Maggie Keswick Jencks Cancer Caring Centres Trust« vor 15 Jahren das erste von mittlerweile zehn Beratungszentren eröffnet. Der Schwerpunkt liegt auf gezielter Information und Selbstbestimmung – und auf einer wohltuenden, architektonisch sorgfältig gestalteten Umgebung.

Ausschlaggebend für die Gründung der Maggie's Centres waren die Erlebnisse von Maggie Keswick Jencks, Landschaftsarchitektin und Frau des Architekturkritikers und Landschaftsarchitekten Charles Jencks, während ihrer eigenen Krebserkrankung. Statt einer antiseptischen Krankenhausumgebung hätte sie sich einen geschützten Raum gewünscht, um all das verarbeiten zu können, was mit der Diagnose auf einen Patienten zukommt: eine Flut von Informationen, die ausgewertet und beurteilt werden müssen, die Entscheidung über eine Therapie, Fragen nach Kosten und finanzieller Unterstützung. Maggie Keswick starb 1995, doch in den letzten beiden Jahren vor ihrem Tod entwickelte sie mit ihrem Mann und ihrer Krankenschwester das Konzept, nach dem die Zentren bis heute gebaut werden. Im Dezember 2011 wurde der zehnte Bau übergeben.

Maggies Centres bieten genau das, was Krankenhäuser nicht leisten können: persönliche Antworten auf Fragen zu finden, Abstand, die Möglichkeit, immer und immer wieder nachzufragen, Schritt für Schritt den besten Umgang mit der Krankheit zu lernen. In den Zentren, die meist an eine Klinik angegliedert sind, finden Patienten und Angehörige Informationen, Gesprächsmöglichkeiten mit medizinischen und psychologischen Fachleuten sowie Kurse z. B. zu Stressmanagement oder Ernährung. Aber es ist auch möglich, hier nach einem Besuch im Krankenhaus etwa einfach eine halbe Stunde Ruhe zu finden. Nicht nur akut Erkrankte können das regelmäßig evaluierte Angebot kostenfrei in Anspruch nehmen, sondern auch Patienten nach der Therapie, Pflegende oder Trauernde. Finanziert werden die Zentren, deren laufende Kosten mit jährlich je gut 1 Mio. Pfund veranschlagt werden, durch Spenden; von der Familie Jencks selbst über große Institutionen bis hin zu Fundraising-Events, bei denen Privatpersonen zuletzt 700 000 Pfund gesammelt haben.

Schützender Hybrid

Doch Information, Beratung und Kurse sind nicht alles. Ganz besonders die emotionale Situation der Betroffenen muss einen adäquaten Raum bekommen, sie sollen Anerkennung ihres Leidens erfahren. Dem trägt die Aufgabenbeschreibung Rechnung, die die Gestaltung dem jeweiligen Architekten überlässt, doch den Inhalt präzise vorgibt: Größe ca. 280 m², wohnungsähnlicher Maßstab, die Stimmung freundlich und ruhig, viel Licht, Blick nach draußen und direkte Verbindung von innen und außen. Bereits vom Eingangsbereich aus soll sich das Gebäude erfassen lassen, v. a. Wohnzimmer und Küche sichtbar sein. Nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen – auch für sie drückt die Umgebung Wertschätzung aus. Um jeglichen institutionellen Charakter zu vermeiden, gibt es keine Rezeption, doch ein stets besetztes Büro stellt sicher, dass neue Besucher schnell willkommen geheißen werden können. Das Herzstück stellt die Küche mit einem Tisch für 12 Personen dar. Hier finden sich die Besucher in informellen Gesprächen oder können einen Tee für sich selbst kochen; Seminare und Kochkurse sind ebenfalls möglich. Es gibt Gruppenräume für 12-14 Personen, die durch Schiebetüren schallgeschützt abtrennbar sind, ebenso kleine Räume für private Beratungsgespräche und einige Computerarbeitsplätze, eine Bibliothek sowie einen kleinen Ruheraum. Auch für die Toiletten gibt es Vorgaben: Sie sollen groß genug sein, dass ein Stuhl und ein Bücherregal hineinpassen – und so privat, dass man sich in Ruhe ausweinen kann.

Bunte Anfänge

Diese vielschichtigen Anforderungen auf verhältnismäßig kleinem Raum führen zu einer (gewollten) Überlagerung der Funktionen und Bedeutungen. Entsprechend vielfältig sind die Entwürfe der Architekten, sämtlich Freunde des Ehepaars Jencks. Darunter finden sich einige große Namen: Frank Gehry, Zaha Hadid, Richard Rogers, Kisho Kurokawa. Das ist natürlich hilfreich beim Spendensammeln. Jencks selbst kommentiert es so: »Wenn ein Architekturhistoriker älter geworden ist, sind manche seiner Bekannten mittlerweile berühmt. Wäre es nicht so, wäre er kein besonders guter Kritiker.«

Das erste Maggies Centre (s. Abb. 3/4) wurde 1996 in Edinburgh auf dem Gelände des Western General Hospital von Richard Murphy Architects geplant. Es ist ein Umbau, erkennbar aus den 90er Jahren und extrem wohnhausartig. Die dicken Steinmauern wurden geöffnet und mit Glasbausteinen sowie raumhohen Verglasungen ausgefacht, neue Stahlbauteile und Oberflächen in kräftigen Farben gestrichen. Der zweigeschossige Eingangsbereich ist von einem Oberlicht gekrönt und erlaubt den Blick in alle Richtungen: in die Küche, zu den Beratungsräumen im EG und DG und in einen der zwei Anbauten von 2001, eine Stahl-Holz-Konstruktion, in der sich das farbenfrohe »Wohnzimmer« befindet. Durch seine orthogonale Positionierung definiert der Anbau eine Art Hof, der trotz beschränkter Platzverhältnisse einen privaten Raum bietet.

Abweichung oder Weiterentwicklung?

Der Garten der Maggie's Centres stellt eine wichtige Fortsetzung des Innenraums dar. Aus der Küche soll man einfach nach draußen kommen können, um dort Energie zu tanken, die Sinne anregen zu lassen, zu plaudern oder bei Interesse auch zu gärtnern. In der Regel sind an der Gestaltung Landschaftsarchitekten beteiligt. Charles Jencks selbst übernahm sie beim von Page\\Park gebauten Maggies Centre in Inverness (2005), auf Bitte der Architekten. Tochter Lily Jencks, ebenfalls Landschaftsarchitektin, gestaltete das Gelände und den inneren Garten des achten Zentrums, von Rem Koolhaas/OMA, das vergangenen Oktober am Beatson Hospital im Glasgower Stadtteil Gartnavel eröffnet wurde. Bewusst war ein nach Süden geneigtes, dicht mit Bäumen bestandenes Gelände gewählt worden, zwischen denen das eingeschossige Gebäude fast verschwindet und die einen Puffer Richtung Krankenhaus bilden. Der Bau ist als Rundgang organisiert, der dem Geländeverlauf folgt. Mehrere Kerne und massive Wände reihen sich lose rund um einen inneren Garten, verbunden durch große, raumhohe Glasflächen. In vielerlei Hinsicht brechen OMA mit der üblichen Gestaltung: Abgesehen von Holzeinbauten und Birkenbrettern in der Betondecke herrschen Glas, Beton und Edelstahl vor – die wohl durchaus akustische Probleme bereiten. Selbst die Wohnküche steht nicht mehr im Mittelpunkt, sondern wird sanft zur Seite geschoben und so zum Auftakt des Rundgangs – sofern man sich nach links wendet. Und gerade diese Verkehrsfläche, die in den anderen Zentren mit den übrigen Nutzungen verschmilzt, dominiert hier das Gebäude.

Die Lebensfreude nicht verlieren

Der Erfolg der Maggies Centres überraschte selbst die Stiftungsgründer. Dauerte es nach dem Erstling 1996 noch sechs Jahre, bis das zweite Zentrum gebaut wurde, folgten die nächsten 2003, 2005, 2006, 2008, 2010 – und 2011 sogar drei. Die Statistik besagt, dass jeder dritte Brite im Lauf seines Lebens an Krebs erkrankt. Da Krebs auch eine Alterserkrankung ist, wird sich dieser Anteil mit steigender Lebenserwartung voraussichtlich auf 50 % erhöhen, in manchen Teilen Schottlands ist das bereits der Fall. Angesichts dieses Bedarfs wurde 2007 die Kampagne »Joy of Living« ausgerufen, mit der 15 Mio. Pfund für fünf neue Zentren gesammelt wurden. Zusätzlich gibt es seit 2008 ein Online-Zentrum für jene, die zu weit weg wohnen oder zu krank sind. Weitere Zentren sind im Bau oder in Planung, darunter sogar eins in Barcelona und eins in Hongkong (Frank Gehry), wo Maggie Keswick Jencks aufwuchs.

db, Mi., 2012.02.01

01. Februar 2012 Dagmar Ruhnau

Alfried Krupp Krankenhaus in Essen

(SUBTITLE) … In die Jahre gekommen

Für eine Architektur mit durchschnittlichen Anforderungen an Funktionalität und Gebäudetechnik sind 30 Jahre eigentlich kein Alter. Ein Krankenhaus hingegen darf nicht in die Jahre kommen, denn niemand möchte sich heute auf dem Stand von 1981 medizinisch versorgen lassen. Doch Konzepte für Pflege und Versorgung sowie die Häuser selbst altern auch im Klinikbau, die technische Entwicklung in der Medizin geht oft so schnell, dass die Gebäude kaum hinterherkommen. Wie eine von Beginn an nachhaltige Planung die notwendigen Erneuerungszyklen seit 30 Jahren mitmacht und damit Gestaltungsspielräume eröffnet, zeigt das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen.

Das 1980 im Essener Stadtteil Rüttenscheid eröffnete Alfried Krupp Krankenhaus steht als Stiftungskrankenhaus in der Tradition der Familie Krupp: ihrem fortschrittsorientierten unternehmerischen Denken und ihrer Selbstverpflichtung für die Gesundheitsfürsorge. Letztere galt zunächst den Arbeitern der Gussstahlfabrik Fried. Krupp und den Kriegsversehrten, sie wurde aber 1920 mit der Gründung der Kruppschen Krankenanstalten auf alle Essener Bürger ausgeweitet. Diese wurden im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört, jedoch provisorisch wiederhergestellt, bis 1955 ein 575-Betten-Krankenhaus mit modernsten technischen Einrichtungen daraus entstanden war – das sich allerdings in 22 verschiedenen Gebäuden befand. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Urenkel des Lazarettgründers und damaliger Firmeninhaber, schrieb 1963 einen Wettbewerb für den Neubau des Krankenhauses aus, den Heinrich Wörner, zu der Zeit noch in der Bürogemeinschaft Köhler-Kässens in Frankfurt tätig, gewann. Zur Realisierung kam es zunächst nicht, da Krupp 1967 starb. Doch 1971 nahm die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, der er sein gesamtes Vermögen vermacht hatte, die Planungen wieder auf und lobte unter Vorsitz von Berthold Beitz einen zweiten Wettbewerb aus. Wieder gewann Heinrich Wörner, der inzwischen mit Wörner + Partner ein eigenes Büro gegründet hatte.

Die Anforderungen der Stiftung an den Klinikneubau waren von einem aus der Kruppschen Historie erwachsenen unternehmerischen Markenbildungsdenken geprägt, dessen Übertragung auf eine sich dem Gemeinwohl verpflichtende Institution ihrer Zeit weit voraus war. Voraussetzung für diese Art der Profilierung war, dass die Stiftung über eigenes Kapital verfügte und nicht auf ein städtisches Minimalbudget angewiesen war, und dass das 45 000 m² große Baugrundstück eine »tabula rasa«-Situation ohne städtebauliche Zwänge bot. In dem Zielkonflikt zwischen Menschlichkeit und technisch perfekter Gesundheitsfürsorge bezog die Stiftung die eindeutige Position »weg von der Genesungsmaschine« und setzte in einem von Beginn an ganzheitlichen und interdisziplinären Planungsprozess darauf, dass Architektur und Gestaltung einen wesentlichen Beitrag dazu leisten sollen.

Während in Aachen zur gleichen Zeit ein aufsehenerregendes High-Tech-Klinikum (Architekten Weber Brand & Partner) geplant wurde, zeigte man sich in Essen in der Form vergleichsweise konservativ. Das eigentlich Innovative liegt in der Schaffung der Marke Alfried Krupp Krankenhaus, einer Einheit aus kompetenter Gesundheitsfürsorge, ökonomischer Verantwortung und einer identitätsbildenden Gestaltung, die auch heute, wo sie gut 30 Jahre im Betrieb ist, kaum gealtert zu sein scheint.

Wertkonservativ und innovationsbereit

Der Entwurf von Heinrich Wörner basiert auf dem damals im Krankenhausbau häufig angewandten »Breitfuß-Typ«, der als Stahlbeton-Skelettkonstruktion errichtet wurde. Auf einem zweigeschossigen Unterbau, in dem sich alle Untersuchungs-, Behandlungs-, und Versorgungseinheiten befinden, steht ein siebengeschossiges Bettenhaus in dreiflügeliger Windradform. Leicht erhöht sitzt diese Großstruktur in einer Parklandschaft am Essener Stadtrand. Damals wie heute erscheint sie von außen so wenig gefällig, dass sich unweigerlich die Frage aufdrängt, ob denn so das »humane Krankenhaus« aussehen kann, in dem der Patient im Mittelpunkt stehen soll.

Für den von Heinrich Wörner vorgeschlagenen Breitfuß-Typ sprach die Möglichkeit, den Unterbau sukzessive erweitern zu können, um so in späteren Betriebsjahren Raum für die Integration technischer Neuerungen zu schaffen. Dazu ist es jedoch erst 2001 gekommen, als die Klinik von woernerundpartner, wo inzwischen Petra Wörner das Projekt ihres Vaters übernommen hat, um einen ambulanten Operationsbereich und einen Hörsaal erweitert wurde. Ferner wurde die ursprünglich nur für Klinikmitarbeiter geplante Cafeteria ausgebaut und für Patienten und Besucher geöffnet und die bis dahin neben dem Haupteingang liegende Notfallvorfahrt ins UG verlegt.

Das Bettenhaus wurde dagegen als fest gegebene Einheit betrachtet: Zur Zeit seiner Eröffnung konnte es 560 Patienten in elf Fachabteilungen aufnehmen, heute sind es 13 Betten mehr. Ein struktureller Vorteil der Windradform liegt in dem zentralen Ver- und Entsorgungskern, um den sich pro Etage drei einflurige Stationen gruppieren. In dieser Kernzone, von der aus der Etagendienst z. B. die Essensausgabe oder den Bettentausch organisiert, kreuzen sich die horizontalen und vertikalen Erschließungswege, die Stationen in den Bettenhausflügeln werden, vom Durchgangsverkehr befreit, zu Ruhezonen.

Vertrauen bilden und Kommunikation fördern

Das Alfried Krupp Krankenhaus versteckt sich nicht hinter einer Kulisse schönen Scheins, sondern pflegt die nüchterne Sachlichkeit. Doch die schiere Größe und die wohlgeordnete Erscheinung des Krankenhauses vermitteln eine der Maßgaben, unter denen der Neubau stand: die Konzentration auf das Wesentliche. Aus der Nähe zeigt sich, dass der erste Eindruck der Fassade hinsichtlich des Materials trügt, denn es ist Granit und kein Beton, mit dem die Außenwände des Bettenhauses bekleidet sind. Im Foyer findet sich eben dieser »Rosa sardo« in geschliffener Form auf dem Boden. Wäre der Mehrzahl der Besucher nicht Leid oder Sorge deutlich ins Gesicht geschrieben, würde man sich in der großzügigen und edel gestalteten Lobby eher in einem Hotel, denn in einem Krankenhaus wähnen – weil man von Krankenhäusern eben diese Gestaltung nicht kennt und nicht erwartet. › › Doch diesem Raum, der nicht der medizinischen Behandlung, sondern der Kommunikation dient, wurde eine eigene Ästhetik zugestanden, aus der – dem ganzheitlichen Anspruch des Auftraggebers entsprechend – das gesamte Farb- und Materialkonzept der Klinik abgeleitet wurde.

Die von Wörner gewählte Gebäudestruktur ermöglicht es, das Wegenetz und das Kommunikationssystem, von deren Funktionieren die Leistungsfähigkeit und das Klima eines Krankenhauses maßgeblich abhängen, zu optimieren. Auch wenn die Architektur den Patienten und Besuchern Angst und Unsicherheit nicht gänzlich nehmen kann, kann sie durch eine klare Wegeführung die Orientierung in fremder Umgebung erleichtern. Durch die über der Norm im Krankenhausbau liegende Anzahl der Aufzüge kann der Transport verschiedener Benutzergruppen – Besucher, Kranke und Ärzte und Pflegepersonal – unabhängig voneinander organisiert werden.

Der Weg zur architektonischen Unternehmensidentität

Durch seine Tätigkeit für das Nationale Olympische Komitee lernte der Stiftungsvorsitzende Berthold Beitz Otl Aicher kennen, der als Gestaltungsbeauftragter das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele in München 1972 entwickelt hatte. Auch wenn »Architectural Corporate Identity« zu der Zeit noch kein gängiger Begriff war, war es wohl genau das, was Beitz für die Klinik vorschwebte. So sind das simple Orientierungs- und Leitsystem, das Aicher für die Klinik entwarf, die von ihm entwickelte Rotis-Schrift und das verfeinerte Krupp-Logo der drei Radreifen bis heute elementare Bausteine des Erscheinungsbildes der Klinik.

Die lisenenartigen Rücksprünge in der strengen Lochfassade des Bettenhauses erklären sich mit dem Blick in die Patientenzimmer, denen die kleine Schräge etwas von ihrer orthogonalen Strenge nehmen soll. Seit August 2010 hat die Klinik begonnen, die Patientenzimmer zu sanieren. Die Umbaumaßnahmen, denen in den nächsten fünf Jahren alle Stationen unterzogen werden, wurden zum Anlass genommen, sich von den gelbstichigen Tönen zu lösen. Zimmer und Flure werden allgemein heller und moderner gestaltet, um sich insbesondere auf den Wahlleistungsstationen beispielsweise mit der Holzoptik des Bodenbelags und den holzvertäfelten Wänden von der Krankenhausästhetik wegzubewegen.

Seit 2010 besitzt die Klinik ein Markenhandbuch, das einen 140 Seiten starken, von woernerundpartner und Building Brands interdisziplinär erstellten »Spezialteil II – Architektur im Raum« enthält, in dem Farben, Materialien, Mobiliar und Belichtung dem ganzheitlichen Anspruch der Marke Krupp entsprechend definiert sind. Schon immer hat es in der Klinik nur weiße Bettwäsche und niemals Tapete gegeben; das Inventar wurde auf einen einzigen neuen Vasentyp beschränkt, der das typische Sammelsurium im Vasenschrank der Stationen ersetzt. Und da kein Detail dem Zufall überlassen wird, sind für die weißen Papierkörbe in den Patientenzimmern weiße Müllbeutel vorgegeben. Seit einem Jahr gibt es das »Essener Bett«, das inklusive Nachtschränkchen speziell für die Krupp-Kliniken entwickelt wurde. Nun bleibt die Frage, ob dem Patienten, der in diesem Bett liegt, die Ästhetik ebenso wichtig ist wie die medizinische Betreuung. Würde ihn der blaue Müllbeutel wirklich stören?

Den mehr als zweistündigen Rundgang schließt Petra Wörner mit der Feststellung, dass der Krankenhausbau allgemein unterschätzt werde. Natürlich, ein Krankenhaus ist kein Opernhaus und die Architektur dort kein Selbstzweck, sondern in den meisten Fällen bloßes Hintergrundrauschen, das nur vordringt, wenn Fehler gemacht wurden. woernerundpartner fühlen sich hier jedoch als Botschafter dafür, dass es auch einen dritten Weg gibt.

db, Mi., 2012.02.01

01. Februar 2012 Uta Winterhager

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