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28. Februar 2025Uta Winterhager
db

Luftschiffhangar in Mülheim an der Ruhr

Dass ein Luftschiffhangar die Zeppelinform aufnimmt, liegt nahe. Dass die Konstruktion der auch als Eventlocation nutzbaren Halle in Mülheim trotz enormer Spannweite allein aus Holz besteht und das gesamte Gebäude kreislauffähig ist, gelang Smyk Fischer Architekten in einem interdisziplinären Team mit Tragwerksplanern und Maschinenbauern.

Dass ein Luftschiffhangar die Zeppelinform aufnimmt, liegt nahe. Dass die Konstruktion der auch als Eventlocation nutzbaren Halle in Mülheim trotz enormer Spannweite allein aus Holz besteht und das gesamte Gebäude kreislauffähig ist, gelang Smyk Fischer Architekten in einem interdisziplinären Team mit Tragwerksplanern und Maschinenbauern.

Kurz vor der Abfahrt Essen-Kettwig gibt es eine Lücke im Gebüsch an der A52, für einen Augenblick erscheint ein silbrig schimmernder Kokon auf grüner Wiese. Wer hier ortsfremd ist, mag irritiert sein. Wer dagegen im Ruhrgebiet heimisch ist, kennt diese Landmarke und sicher auch ihren ikonischen Vorgänger, der ein wenig an eine dicke grüne Raupe erinnerte. Im November 2023 wurde der neue Luftschiffhangar auf dem Flughafen Essen/Mülheim in Betrieb genommen. Das Mülheimer Architekturbüro Smyk Fischer Architekten wurde von der WDL (Westdeutsche Luftwerbung Theodor Wüllenkemper) direkt mit dem Entwurf eines neuen Luftschiffhangars beauftragt (ab LP5 übernahm Gronau Plan, Wegberg). Nicht unbedingt der Anspruch, der mit dem Neubau der Landmarke verbunden war, sondern die Größe der Aufgabe, die ein Architekturbüro allein nicht würde bewältigen können, ließ Martin Smyk und Patrick Fischer mit großem Respekt an diese Aufgabe herangehen. Sie bildeten frühzeitig ein Team mit einem Tragwerksplanungs- und einem Maschinenbaubüro, in dem sie Höhe und Weite des Raums nicht nur bewältigen, sondern virtuos und nachhaltig gestalten konnten.

Im Kreis gedacht

Da es sich um einen Ersatzneubau für die 33 Jahre alte Halle handelte, waren die Dimensionen des neuen Hangars gegeben. Zwei Luftschiffe sollten auch weiterhin darin parken, »Theo« dauerhaft, »Hugo« zu Wartungszwecken und über den Winter. Doch der Neubau sollte mehr als eine bloße Garage werden, die WDL wollte den großen Raum gleichzeitig auch als multifunktionale Veranstaltungshalle nutzen, ihn wirkungsstark inszenieren können. War 1989 noch eine einfache folienbespannte Stahlkonstruktion ausreichend, wurden mit der erweiterten Nutzung auch die Anforderungen an Wärmeschutz, Schallschutz und Brandschutz deutlich komplexer. Diese ließen sich nur mit einer »harten« geschlossenen Hülle erfüllen. Damit stellte sich dem Planungsteam die nächste große Herausforderung. Denn eine harte Hülle, gleich welcher Art, würde sich nicht so einfach wie beim Vorgängerbau kapuzenartig aufklappen lassen, hier musste eine individuelle technische Lösung entwickelt werden.

Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass der Neubau der Halle sowie der Rückbau des Bestands nachhaltig erfolgen sollte. Vier Monate dauerte der Rückbau der 92 m langen, 42 m breiten und 26 m hohen Halle. Sobald Theo im April ins Freie konnte, wurden die PVC-Planen abgenommen, dann die acht Stahlfachwerkträger abgebaut und schließlich Fundamente und Hallenboden abgebrochen. Der größte Teil der Fundamente und des Bodenaushubs konnte vor Ort gebrochen und als RCL-Schotter vor Ort wiederverwertet werden. Für den mittleren Teil des neuen Hallenbodens konnten 750 2 x 2 m große Stahlbetonplatten wiederverwendet werden, die Smyk Fischer zum passenden Zeitpunkt auf einer anderen Baustelle, einem ehemaligen Logistikzentrum, ausbauen ließen. Einige davon tragen noch Streifen einer früher einmal weißen Fahrbahnmarkierung, andere leichte Beschädigungen an den Kanten – keine Makel, sondern Zeichen dafür, dass der viel besprochene Re-Use hier tatsächlich geklappt hat.

An der Grenze des Machbaren

Neben den Argumenten der Nachhaltigkeit sprach bei allen Beteiligten auch eine allgemeine Begeisterung für das Material dafür, den Neubau als reine Holzkonstruktion zu realisieren. Inspiriert von dem im Verhältnis zur Hallengröße filigran erscheinenden Stahlfachwerk des Vorgängerbaus, sollte auch der Holzbau eine entsprechend leichte Ästhetik aufweisen. Konstruktiv wäre die naheliegende Lösung die Verwendung massiver Binder aus Brettschichtholz gewesen, wesentlich attraktiver erschien Smyk Fischer jedoch eine Fachwerkkonstruktion. Bei den gegebenen Maßen von Höhe und Spannweite erreicht man damit jedoch die Grenze des Machbaren. Ripkens Wiesenkämper und Marx Krontal Partner entwickelten eine innovative Tragwerkskonstruktion allein aus Holz. Das aus Brettschichtholz gefertigte Primärtragwerk besteht aus 15 gebogenen Zwei-Gelenk-Rahmen als aufgelöste Fachwerkkonstruktion mit einer Spannweite von 42 m. Eine Richtungsänderung gibt es jeweils an den Kalotten. Die Obergurte und Fachwerkdiagonalen sind zur Aussteifung in die darüberliegende Dachtragschale aus 10 cm dicken großformatigen Brettsperrholzplatten eingespannt. Jeder Träger besteht aus vier vorgefertigten Segmenten, die auf der Baustelle zusammengesetzt wurden. Nicht nur die Stöße der Segmente, auch die 592 Knotenpunkte der Fachwerkträger wurden mit jeweils acht Hartholzdübeln (Ø 25 mm) pro Anschluss von Strebe oder Gurt und vier Knotenplatten aus Furnierschichtholz (27 mm dick) als reine Holzverbindungen hergestellt. Kraftschlüssig wird die Verbindung, wenn das Buchenholz der Dübel nach dem Einfügen in die Bohrung die Feuchtigkeit aus den Trägern (BSH Fichte) aufnimmt und sich ausdehnt. Innovativ ist bei dieser Konstruktion die Übertragung der klassisch zimmermannsmäßigen und auch hier von Hand ausgeführten Holznagelverbindung in den Maßstab des zeitgemäßen Ingenieurholzbaus.

Die Dachschale aus 10 cm dicken großformatigen Brettschichtholzplatten dient nicht nur der Aussteifung der Konstruktion, sondern gewährleistet zudem Schall- und Wärmeschutz. Die erforderlichen Werte werden nach dem Folieren und Abdichten mit einer wiederum 10 cm dicken Schicht Mineralwolle erreicht. Um die charakteristisch gerundete Form des Hangars zu erzeugen, wurde die gesamte Konstruktion mit einer Aluminium-Stehfalzfassade überzogen. Die Hülle ist damit langlebig und wartungsarm und ebenso wie die Konstruktion sortenrein recycelbar. Nur an der Westseite reicht die Fassade nicht bis auf den Boden, hier lässt ein an den langen Flanken auslaufendes Tür- und Fensterband Tageslicht und Gäste in die Halle.

Ästhetischer Mehrwert

Die große Konsequenz der Planung erzeugt nicht nur einen außergewöhnlichen Baukörper, sondern auch einen fast wie das Innere einer Kathedrale wirkenden Raum. Beleuchtung, Rauchmelder und insbesondere die linearen Aluminium-Deckenstrahlprofile der Heizung sind mit eigener Rhythmik schlüssig in die Geometrie des Raums eingefügt.

Zum Ein- und Ausfahren der Luftschiffe muss der Hangar an einer Stirnseite in voller Höhe zu öffnen sein. In einer Machbarkeitsstudie untersuchte das Planungsteam Möglichkeiten zur Öffnung der östlichen Kalotte mit zwei großen Torflügeln und deren räumliche Wirkung. Sie erkannten das Potenzial der Funktion als potente gestalterische Geste, sahen aber auch, dass zur Umsetzung Maschinenbau-Expertise erforderlich war. Dr. Schippke + Partner (Hannover), Experten für bewegliche Brücken, entwickelten für die beiden jeweils 72 t schweren Torflügel eine auf Schienen fahrende Zugmaschine, die das gesamte Element um einen Gelenkpunkt dreht. Der jeweils rund fünf Minuten dauernde Öffnungsprozess wird von drei Personen gesteuert. Im geöffneten Zustand erinnert die Ostansicht des Hangars nun an einen gewaltigen Flügelaltar. Höchste Präzision ist dabei erforderlich, auch bei Wind dürfen sich Tore und Halle nicht bewegen. Dabei gelang es dem Planungsteam, die konstruktiven und technischen Erfordernisse, wie z. B. die massiv ausgeführten Randbinder von Toren und Halle, schlüssig in das System zu integrieren. Wie im gesamten Bau musste nichts kaschiert werden, alles darf ablesbar sein.

Die zum Fachwerk aufgelöste Konstruktion erwies sich als materialeffizient und wirtschaftlich, ein wichtiger Aspekt, da die russische Invasion in die Ukraine zur Bauzeit enorme Auswirkungen auf Preise und Verfügbarkeit von Baustoffen hatte. Mit der integralen und BIM-gestützten Planung und einem hohen Vorfertigungsgrad gelang es, den Hangar inklusive Abriss des Bestands im Zeitraum von April bis Ende Oktober 2022 so weit fertigzustellen, dass Theo vor dem Winter wieder unter das Dach kam. Die Errichtung der reinen Holzkonstruktion dauerte dabei nur zehn Wochen, Ausbau und Restarbeiten waren im August 2023 abgeschlossen. Was der Raumwirkung der Halle sehr zugutekommt, ist, dass sie konsequent ohne Einbauten, vollständig offen geplant wurde. Die dadurch fehlenden Nebenräume (Kantine, Gastronomie und Sanitärbereiche sowie Büros für die Verwaltung) werden in einem Pavillon Platz finden, der derzeit in einem zweiten Bauabschnitt direkt angrenzend errichtet wird. Erst dann wird das bereits mehrfach ausgezeichnete Projekt wirklich fertig sein.

db, Fr., 2025.02.28



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db 2025|04 Ingenieurbaukunst

13. Februar 2024Uta Winterhager
Bauwelt

In rauer Nachbarschaft

In der industriell geprägten Brüsseler Peripherie gibt es Platz zum Wohnen. Einzelne Neubauten des Quartiers in Vilvoorde stehen schon, die Stadt drumherum muss noch werden. Das Haus von Kempe Thill ist ein Pionier.

In der industriell geprägten Brüsseler Peripherie gibt es Platz zum Wohnen. Einzelne Neubauten des Quartiers in Vilvoorde stehen schon, die Stadt drumherum muss noch werden. Das Haus von Kempe Thill ist ein Pionier.

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Bauwelt 2024|04 Tabula non rasa

24. Oktober 2022Uta Winterhager
db

Qualitätsoffensive in maximaler Dichte

Was noch geht, wenn ein Stadtteil am Limit ist, zeigen TRU Architekten mit dem Wohnhaus Herzogstraße 79a/b in Düsseldorf. Der Neubau, ein Hinterhaus, ist einfach und gut. So ragt er aus dem dicht gewebten Teppich aus Teerpappe und Beton und setzt ein Zeichen für den Neuanfang. Aber reicht Bauen hier?

Was noch geht, wenn ein Stadtteil am Limit ist, zeigen TRU Architekten mit dem Wohnhaus Herzogstraße 79a/b in Düsseldorf. Der Neubau, ein Hinterhaus, ist einfach und gut. So ragt er aus dem dicht gewebten Teppich aus Teerpappe und Beton und setzt ein Zeichen für den Neuanfang. Aber reicht Bauen hier?

Die Herzogstraße liegt im Düsseldorfer Stadtteil Friedrichstadt: Hier ist Düsseldorf nicht schick, eher bürgerlich-rustikal und mit 19 984 Einwohnern/km² (Stand 12/2016) vor allem dicht: Es ist der am dichtesten besiedelte Stadtteil Deutschlands. Die Blöcke der gründerzeitlichen Stadterweiterung sind mit rund 190 m Kantenlänge sehr tief, doch anders als zum Beispiel in Berlin ist der Binnenraum vollkommen unstrukturiert. Gewohnt wird im Blockrand, die kleinen Läden, Büdchen und Kneipen im EG zeigen mit dem Herzog im Namen eine gewisse Ortsverbundenheit. Zwischen dem »Durst-Bunker« und einer Autowerkstatt, die zu besseren Zeiten ein Autohaus war, fügt sich ein Wohnhaus in die Reihe, schlichte Nachkriegsarchitektur mit Lochfassade, vier Geschosse auf erhöhten Sockel, Gauben lugen über die Traufe. Etwas außermittig sitzt im EG eine Tordurchfahrt, wie man sie hier häufiger sieht. Meist findet man in den Höfen Werkstätten oder Lager, An- und Weitergebautes, versiegelte Flächen, kein Grün. Lange sah es so auch im Hof der Herzogstraße 79 aus, wo ein kleiner Betrieb Druckmaschinen reparierte. Heute fällt der Blick durch das Tor auf einen noch zarten Ahorn, dahinter eine frische Fassade, eine Eingangstür aus hellem Holz.

Neu denken, neu bauen

Den privaten Eigentümern von Haus und Grund der Hausnummer 79 schien das aufgegebene Gewerbe kein gutes Gegenüber für das Vorderhaus zu sein. So wurde der Bestand im Hof bis auf die an der rückwärtigen Wand gelegene und dadurch einseitig belichtete zweigeschossige Halle reduziert. Darin sollten vier Wohneinheiten entstehen, in einem kleinen Neubau an der östlichen Brandwand zwei weitere, im Hof neben acht Stellplätzen auch etwas Grün.

Nachdem der Architekt, der bereits eine Vorplanung gemacht hatte, plötzlich verstorben war, übernahmen TRU Architekten. In Düsseldorf hatte das Berliner Büro bereits gebaut, eine Nachverdichtung gab es in ihrem Portfolio bis dahin jedoch nicht. Mit dem Ziel eine »relevante Nachverdichtung zu schaffen, ohne dass es unangenehm dicht wird«, so Karsten Ruf (Gründungspartner bei TRU Architekten), analysierten sie die Situation im Blockinnenraum, prüften das Baurecht und erkannten, dass durch einen kompletten Rückbau der verbauten Situation im Hinterhof ein grenzständiger, 15 m tiefer viergeschossiger Neubau mit zwei Höfen, einem sehr funktionalen ersten Hinterhof und einem zweiten Hinterhof als Privatgarten möglich würde. Da Abstandsflächen nur zum eigenen Vorderhaus einzuhalten waren, konnte das Bauvolumen im Vergleich zu der Vorplanung mit Bestand verdoppelt werden. Zwölf neue Mietwohnungen gibt es nun, davon zwei (je 100 m²) barrierefrei mit drei Zimmern im EG, jeweils vier Zweizimmerwohnungen (je 55 m²) im 1. und 2. OG, im 3. OG wieder zwei große Dreizimmerwohnungen. Die Erschließung des achsensymmetrisch geplanten Neubaus erfolgt über zwei getrennte Eingänge und Treppenhäuser.

Viel wenn und aber

Einfluss auf den Entwurf hatte auch ein möglicher Brandfall. Mit ihren Fahrzeugen kommt die Feuerwehr nicht durch die schmale Tordurchfahrt, im Hof muss sie daher mit Handleitern arbeiten. Bis zum 2. OG gelten die als zweiter Rettungsweg, für das 3. OG wurde der baulich über eine Verbindung der beiden Treppenhäuser hergestellt. Die Baustelleneinrichtung und die Transportlogistik für das komplett umbaute Grundstück bezeichnen die Architekten rückblickend als anspruchsvoll. Von der Straße aus wurde ein Kran mit einem Autokran über das Vorderhaus gehoben und dort im heutigen ersten Hinterhof aufgestellt, trotzdem blieben viele Handtransporte. Das Grundstück wurde vollständig geräumt, einzelne Kellerräume blieben und wurden verfüllt, die Bodenplatte perforiert, um Versickerungsfähigkeit herzustellen. Gegründet wurde der Neubau, der ohne Keller auskommen muss, mit Mikropfahlgründung durch die alte Bodenplatte bis in tragfähigen Grund. Gerüste mussten teilweise hängend errichtet werden, da die Garagendächer der Nachbarn nicht belastet werden konnten. Für die Bauherren waren die durch diese Maßnahmen entstehenden Mehrkosten kein Argument gegen die Entwicklung ihres Grundstücks.

Sichtbarkeit

Der im März 2022 fertiggestellte weiße Quader ragt heute scharf geschnitten aus dem niederen Grauschwarzbraun des Blockinnenraums empor. An den schmalen Kopfenden ist er geschlossen. Die Fassaden der beiden langen Flanken sind entsprechend ihrer Ausrichtung unterschiedlich gestaltet. Die Nordseite bildet das Pendant zum Vorderhaus mit einer Interpretation der Lochfassade. Wie eingestreut liegen die Fenster in verschiedenen Größen in der glatt geputzten Fläche. Die Fensterrahmen aus heller Fichte und die angeschrägten Einfassungen aus weißen Aluminiumblechen geben einen kleinen Hinweis auf die Handschrift der Architekten. Nach Süden in den Blockinnenraum gewandt, ist die Fassade voll verglast. Wie ein offenes Regal davorgestellt sind die Balkone; Platten und Schotten sind Sichtbetonfertigteile.

Sicht- und Sonnenschutz bieten die geschosshohen, 60 mm dicken edelstahlbewehrten Glasfaserbetonelemente, die bündig an der vorderen Kante der Balkone sitzen. Je nach Sonnenstand fällt durch das dichte Raster konischer Lochungen ein mit Lichtpunkten gesprenkelter Schatten in die Wohnungen – in die andere Richtung suchen die ersten Triebe der Balkonbepflanzung den Weg zur Sonne. Aus der Nähe zu sehen sind die Lochplatten nur aus dem Garten und von den Balkonen. Nachbarn der umliegenden Blockränder erleben den von TRU Architekten bewusst inszenierten Kontrast der formalen Strenge des aufgeräumten Schachbretts aus offenen und durchbrochenen Flächen zu dem tristen Chaos des Blockinnenraums.

Die Gärten der beiden Wohnungen im EG, die entsprechend ihrer besonderen Lage gestaltet wurden, sind nur aus dem eigenen Haus einsehbar. Noch teilen sie ihr Grün nicht mit der Nachbarschaft, denn die Spitzen der zwei Trompetenbäume werden noch etwas wachsen müssen, bis sie über die Dachlandschaft lugen und andere an ihrem Grün teilhaben lassen. Der erste Hinterhof ist bis auf die Baumscheiben der kleinen Ahornbäume versiegelt, die Oberfläche aus kunstharzversiegeltem Quarzsand im hellen Ton der Fassade wertet den hochfunktionalen Raum auf. Viel Platz für Grün blieb zwischen den zahlreichen Funktionen nicht, denn außer dem Zugang zum Hinterhaus mussten hier zwei Stellplätze (die übrigen konnten abgelöst werden), eine Rampe zum Fahrradkeller im Vorderhaus, Fahrradständer, eine neue Spindeltreppe als zweiter Rettungsweg fürs das Vorderhaus und zahlreiche Mülltonnen Platz finden.

Ist dies der Anfang?

Unumgänglich ist heute die Frage nach der Nachhaltigkeit des Projekts. Die Haustechnik ist da zu nennen, sicher auch die Tatsache, dass von der zuvor vollständig versiegelten Fläche nun gut ein Drittel entsiegelt oder vegetativ angelegt wurde. Rechnet man Garten, Baumscheiben und Gründach zusammen, liegt die Maßnahme deutlich über den im Bebauungsplan geforderten 20 Prozent Vegetationsfläche. Vorrangig für Karsten Ruf ist jedoch der Aspekt der Nachverdichtung. Während auf der grünen Wiese Ackerland Acker bleiben soll, bieten Höfe wie dieser ein großes Potenzial, den in den Innenstädten verzweifelt gesuchten Wohnraum neu zu schaffen und den Bestand gleich mit aufzuwerten. Wenn die Eigentümer wie in diesem Fall Bestandshalter (keine Projektentwickler) sind, ist es auch möglich, die neu geschaffenen Wohnungen für eine ihrer Lage und Qualität angemessene Miete anzubieten.

Beim Ortstermin mit Anno Lingens lässt uns ein Mieter einen Blick in sein Wohnzimmer werfen, die Nachbarn aus Vorderhaus, Autowerkstatt und Getränkehandel grüßen uns, man kennt sich offenbar. Auch während der Bauzeit sei das Verhältnis freundlich und kooperativ gewesen, was der Durchführung der Baumaßnahme in dem dicht bebauten Gefüge zugutekam. Jeder, dessen Wohnung ein Fenster in den Blockinnenraum hat, sieht den markanten Neubau im Hof der Herzogstraße 79. Sicherlich ist dies ein Pionierprojekt, eines, das Interesse weckt und Nachahmer finden wird.

Allerdings muss man sich genau hier auch die Frage stellen, wie viel Nachverdichtung der dichteste Stadtteil Deutschlands überhaupt noch verträgt. Genau durch dessen Mitte führt die Corneliusstraße, die stickigste Straße Düsseldorfs (Rheinische Post), Messungen belegen dies. Hier gibt es wenig Grün, die Hochsommerhitze steht zwischen den Häusern. Natürlich bieten die Höfe noch Flächen und untergenutzte Bausubstanz, sogar Leerstand im großen Maßstab, wie die seit 2013 geschlossene Immanuelkirche (Heinz Kalenboom, 1966), die im selben Block wie das hier besprochene Projekt liegt. Bauen alleine wird diesen Lebensraum nicht besser machen, nur noch dichter.

db, Mo., 2022.10.24



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db 2022|10 Nachverdichtet

21. August 2020Uta Winterhager
Bauwelt

Schule im Ausnahmezustand

Ein kollektives Bildungsexperiment nannte die Zeitung „Die Welt“ das, was Schülerinnen und Schüler genau wie ihre Lehrkräfte derzeit weltweit mitmachen. Gefragt, ob sie teilnehmen möchten, hat sie niemand, genauso wie sie niemand darauf vorbereiten konnte.

Ein kollektives Bildungsexperiment nannte die Zeitung „Die Welt“ das, was Schülerinnen und Schüler genau wie ihre Lehrkräfte derzeit weltweit mitmachen. Gefragt, ob sie teilnehmen möchten, hat sie niemand, genauso wie sie niemand darauf vorbereiten konnte.

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Bauwelt 2020|17 Im Sozialen Wohnungsbau

08. Mai 2019Uta Winterhager
db

Freiheit im Raster

Die Architektur des neuen AIZ-Gebäudes sollte das Lernen nicht linear, sondern neugierig suchend, offen und reflektierend abbilden. Daraus resultiert eine schwarmartige Struktur, die von dem systemimmanenten Widerspruch aus Strenge und Freiheit des intelligenten Holzskelettbaus profitiert.

Die Architektur des neuen AIZ-Gebäudes sollte das Lernen nicht linear, sondern neugierig suchend, offen und reflektierend abbilden. Daraus resultiert eine schwarmartige Struktur, die von dem systemimmanenten Widerspruch aus Strenge und Freiheit des intelligenten Holzskelettbaus profitiert.

Es ist ruhig in Röttgen, Einfamilienhäuser vergangener Jahrzehnte säumen den Waldrand, der das Ende des Bonner Stadtgebiets markiert. Bewusst zurückgezogen unterhält die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) hier, neben dem im Regierungsviertel, ihren zweiten Bonner Standort. Eine Erweiterung erfuhr der Bestand mit dem Ende 2017 fertiggestellten Neubau der Deutschen Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ) von Waechter + Waechter Architekten und den Tragwerksplanern merz kley partner. Das Angebot der AIZ ist darauf ausgerichtet, sowohl Mitarbeiter der GIZ als auch deren mitreisende Partner auf einen Einsatz im Ausland vorzubereiten. Ein vierwöchiger Intensivsprachkurs in einer von 70 Landessprachen als Einzelunterricht ist hierbei genauso möglich wie ein fünftägiges Gruppenseminar zum Projektmanagement in internationaler Zusammenarbeit sowie ein begleitendes Selbststudium mithilfe der zahlreich zur Verfügung stehenden Medien.

Für Felix Waechter bildete der Wunsch, das aktive, offene Lernkonzept als räumliche Idee weiterzudenken und maßstäblich in die Landschaft einzuschreiben, den Ausgangspunkt für den Entwurf. So überzeugte im Wettbewerb 2014 die Radikalität der »vielfach gegliederten multimodalen und kommunikationsorientierten Lern- und Seminarlandschaft«, die ihre Freiheit aus der rasterbasierten Ordnung des Tragwerks generiert.

In einer sanft modellierten Landschaft, die sich durch gerade Reihen und sorgfältig geordnete Formationen lichter Baumgruppen vom angrenzenden Wald unterscheidet, steht das zweigeschossige »Lernhaus« wie eingepflanzt. Hölzern das Tragwerk, zahlreich die Stützen. Doch ist es kein Haus im klassischen Sinne, es ist ein Cluster, ein Schwarm, eine bewegte flache Struktur. Die Ordnung wirkt zufällig – ein System der Vor- und Rücksprünge, von keiner Seite aus zu entschlüsseln. Zur Klärung der Geometrie verhilft eine Grundrisszeichnung: Sie zeigt 78 Felder, davon 56 quadratisch und 22 bei gleicher Länge schmaler. Die zweiflügelige Figur entsteht durch die Kopplung eines Clusters mit einem spiegelverkehrten Pendant. Jeweils im Zentrum der beiden Gebäudeflügel bilden zwei offengelassene Rasterfelder einen Innenhof.

Kommunikation und Bewegung

Am Haupteingang – mittig an der schmalsten Stelle der Grundrissfigur – betreten die Besucher die zweigeschossige Lobby mit Rezeption und Café. Zwei sich gegenüberliegende Treppen führen von hier ins OG. Die Organisation der Flügel und Etagen folgt einem Prinzip, das sich trotz der amorphen Grundrissfigur leicht erschließt, auch dank der Orientierungshilfe durch die beiden Innenhöfe. Als Rundweg um sie herum angeordnet ist jeweils eine offene Kommunikationszone, die dem Lernen allein oder in Gruppen dient. Untergliedert wird dieser Bereich durch die Regale der Mediathek und sogenannte Lernstationen; eine davon klärt z. B. über die angemessene soziale Distanz in verschiedenen Ländern auf. Entlang der Außenfassade sind die insgesamt 44 Seminarräume platziert. Teilweise sind sie schaltbar, in jedem Fall aber durch die Glaswände vom zentralen Bereich aus einsehbar. Sämtliches Mobiliar ist beweglich, Tische und Hocker sind leicht und handlich, sodass sie sich einfach umgruppieren lassen. Auch Garderoben, Kopierer und »Sitznischen auf Rollen« können dem Bedarf entsprechend verschoben werden.
Letztendlich ist es das Tragwerk, das die Offenheit und Flexibilität – sowohl in der Anmutung als auch in der Nutzung – ermöglicht. Konrad Merz kam als Tragwerksingenieur erst nach dem Wettbewerb hinzu. Entwurfsimmanente Entscheidungen u. a. zum Raster, der Verwendung von Holz, dem Grundriss und der Dachform waren da längst gefallen, doch nun war der Ingenieur gefragt, das räumliche Raster in eine tragende Holzkonstruktion zu übertragen.

Weiterentwickelt und überprüft

Um den Anforderungen des Raumprogramms nachzukommen, und die wirtschaftlichen Vorzüge der modularen Bauweise optimal auszunutzen, hatten die Architekten den Grundriss von vornherein so angelegt, dass lediglich zwei unterschiedliche Rasterfeldgrößen (5,25 x 5,25 m und 3,50 x 5,25 m) ausreichen sollten. Die Planer ließen im Hof der Holzbaufirma das Mock-up eines Rastersegments einschließlich Dachelement aufbauen, um mit dessen Hilfe einen hohen Vorfertigungsgrad der im eingebauten Zustand weitgehend unbekleidete Holzmodule zu erreichen. So konnten die Planer Hand in Hand mit der Holzbaufirma sämtliche Details entwickeln und 1:1 überprüfen.

Der Holzskelettbau aus BSH-Fichte wurde auf dem UG errichtet, das, wie die aussteifenden Kerne und die notwendigen Treppenhäuser, in Stahlbeton ausgeführt wurde. Für die niedrigen Sockel und Brüstungen des EGs kamen, um die Holzkonstruktion zu schützen, Betonfertigteile zum Einsatz.

Ausgehend von einem Treppenhauskern wurde der Holzbau abschnittweise errichtet, beginnend mit den Stützen des EGs. Die kreuzförmigen Stützen sowie der darauf liegende Knotenpunkt aus Stahl sind so ausgebildet, dass Rohre für die Fallrohre der Dachentwässerung verdeckt darin geführt werden können. Wo dies der Fall ist, ist ein Stützenteil demontierbar.

Nach der Montage der Unterzüge wurden die aus Transportgründen zwei- oder dreigeteilten Deckenelemente des EGs eingehängt. Durch die Rasterlochung der Dreischichtplatten (ebenfalls Fichte), die ihre Untersicht bildet, sind sie ohne zusätzliche Bekleidung auch raumakustisch wirksam.

In das anschließend errichtete Holzskelett des OGs wurden dann die entsprechend den beiden Rasterfeldgrößen vorfabrizierten Elemente der Dachkonstruktion – zwei dreieckige Holz-Hohlkasten-Modulen und eine filigrane Stahlstütze – auf der Baustelle zusammengesetzt und am Stück eingebaut. Wie die Skelettkonstruktion und die Hohlkastenelemente der Decken erfolgte auch die Montage der Dachelemente mit bereits fertigen weiß lasierten und rastergelochten Sichtholzoberflächen.

Die Trennwände zwischen den Seminarräumen aus Glas oder in Leichtbauweise, analog zu den Deckenuntersichten mit raumakustisch wirksamen gelochten Dreischichtplatten beplankt, schließen unmittelbar an die Kreuzstützen an. Da das verwendete Holz alleine nicht genügend Masse zur Regulierung des Raumklimas mitbringt, wurde der Oberboden in ge­schliffenem Terrazzo mit integrierter Temperierung realisiert. Die Leitungsführung von Zuluft, Heizung und Elektrik wiederum verläuft in einem Hohlraumboden darunter. Vorausschauend geplant, kann jedes Rasterfeld mithilfe der Regelungstechnik individuell angesteuert werden, sodass bei Änderungen der Raumaufteilung keine aufwendigen baulichen Eingriffe für die Haustechnik anfallen.

Vielfältig gefordert

Waechter + Waechter hatten den Ehrgeiz, nicht nur die in der Auslobung geforderte DGNB Zertifizierung in Bronze sondern in Gold zu erreichen, und dies mit Erfolg.

»Aus Verantwortung vor der Schöpfung«, sagt Felix Waechter, »aber auch als Werbung für nachhaltiges Bauen bei den ausländischen Gruppen, die hier geschult werden.« Wichtige Komponenten des Energiekonzepts sind u. a. auch die hohe Ausnutzung des Tageslichts, das aus den Innenhöfen und durch die gläsernen Trennwände bis in die Tiefe des Gebäudes gelangt sowie die passive Sonnenenergienutzung über die großen, dreifach verglasten Fenster und Oberlichter.

Sonnenschutz bieten im OG vertikale Lärchenholzlamellen vor den Fenstern sowie innenliegende Vorhänge und außenliegende Screens im EG. Auch in den dreieckigen Fensterflächen der Oberlichter können Rollos ausgefahren werden, die bei Nichtgebrauch in der Konstruktion verschwinden. Gerade bei solchen Details hat sich das 1:1-Modell sichtlich bewährt. Dank der Vorfertigung konnte der Holzmodulbau zwar deutlich schneller als ein konventioneller Massivbau errichtet werden, günstiger war er jedoch nicht.

Im Betrieb bestätigt die antizipierte Wirkung die Wahl von Material und Konstruktion: Das durchgängige Raster lässt das Lernhaus hierarchielos wirken, und so zeigt sich die Kunst der Gestalter nicht in der Inszenierung des Tragwerks als Spektakel, sondern in der Minimierung seiner sichtbaren sorgfältig detaillierten Elemente. Die Offenheit dieser Struktur, die es vermeidet, Grenzen zu setzen, macht neugierig. Und das kann ja nur im Sinn der Bauherrin – der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – sein.

db, Mi., 2019.05.08



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db 2019|05 Ingenieurbaukunst

18. April 2019Uta Winterhager
Bauwelt

Opernhäuser sind ein tolles Thema

In Düsseldorf kursieren in der Presse Bilder eines neuen, eigentlich nicht benötigten Hauses. Wichtige Architekten der Stadt lancieren Ideen und hoffen auf mehr.

In Düsseldorf kursieren in der Presse Bilder eines neuen, eigentlich nicht benötigten Hauses. Wichtige Architekten der Stadt lancieren Ideen und hoffen auf mehr.

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Bauwelt 2019|08 Kongo, befreit und neu sortiert

02. Mai 2018Uta Winterhager
db

Heinrich-Böll-Platz / Ma’alot in Köln

Es ist derselbe Ort: Ob man ihn nun Heinrich-Böll-Platz oder Ma’alot nennt, hängt davon ab, ob man den öffentlichen Raum oder das Kunstwerk meint. So prägnant sich die Platzgestaltung zwischen Dom und Rhein zeigt, so kostspielig gestaltet sich ein schon seit der Fertigstellung bestehender Nutzungskonflikt.

Es ist derselbe Ort: Ob man ihn nun Heinrich-Böll-Platz oder Ma’alot nennt, hängt davon ab, ob man den öffentlichen Raum oder das Kunstwerk meint. So prägnant sich die Platzgestaltung zwischen Dom und Rhein zeigt, so kostspielig gestaltet sich ein schon seit der Fertigstellung bestehender Nutzungskonflikt.

1975, genau fünf Jahre nach der Fertigstellung der Domplatte (Fritz Schaller), lobte die Stadt Köln einen Ideenwettbewerb aus, um das seit dem Krieg bestehende Vakuum zwischen dem schroff abgeschnittenen Domhügel und dem Rheinufer mit geballter Kultur zu füllen. Gleich zwei Museen und ein Konzertsaal sollten es sein, eine gewaltige Baumasse, die nicht nur ein Haus für das Schöne und Erhabene sein würde, sondern auch ein hochkomplexes Infrastrukturbauwerk, mit dem Höhen überwunden und neue Wegeverbindungen geschaffen werden sollten. Peter Busmann und Godfrid Haberer, die jungen Kölner, reichten einen Entwurf ein, der sich so forsch über die Ausschreibung hinwegsetzte, dass sie gleich in der ersten Runde ausschieden. Doch auf Betreiben des damaligen Dombaumeisters Wolff wurde ihre Arbeit zurück in das Verfahren geholt, und schließlich mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Ihr städtebaulicher Ansatz war es, den Rheinufertunnel bis unter die Hohen­zollernbrücke zu verlängern, wodurch eine fußläufige Anbindung der Uferpromenade an den Domhügel möglich wurde. Das Bauvolumen ordneten sie als Einzige so auf und im verlängerten Domhügel an, dass es in seiner Mitte einen Freiraum und in dessen Verlängerung wiederum eine Sichtachse auf den Domchor ausbildet.

Haus, Stadt, Kunst

1986 wurde der Komplex, bestehend aus Wallraf-Richartz-Museum, Museum Ludwig und Kölner Philharmonie, eröffnet. Trotz zahlreicher Änderungen, die der Entwurf seit dem Wettbewerb erfahren hatte, wurde der ursprüngliche Grundgedanke, kein Gebäude zu entwerfen, sondern die Stadt fortzuschreiben, auf sehr unmittelbare Weise umgesetzt.

Busmann + Haberer knüpften an die mittelalterliche Struktur an und rückten nah an den Domchor und das Römisch-Germanische Museum (Heinz Röcke, Klaus Renner 1974) heran, um Gassen, Passagen und Plätze auszubilden und so den Neubau kleinteilig und durchlässig erscheinen zu lassen. Während die Domplatte durch einen Belag aus hellem Granit nobel wirkte, setzten Busmann + Haberer mit roten Ziegeln auf Kontrast. Nicht nur die Fassaden, auch sämtliche befestigten ­Außenflächen sind mit dem kleinteiligen und vergleichsweise alltäglichen Material bekleidet bzw. belegt – durchaus als Zeichen des herrschenden ­Zeitgeists dafür, die Hochkultur breiteren Bevölkerungsgruppen zugänglich zu machen.

Wesen der Bewegung

Aus dem eher spielerisch angelegten Wettbewerbsentwurf war nach vielen Zwischenstadien eine deutlich aufgeräumtere Struktur geworden, eine schmale Gasse in der Achse des Domchors teilt das Museum in zwei Baukörper. Der kleinere, in dem sich die Restaurierungswerkstätten befinden, schirmt den Komplex zur Bahntrasse hin ab. Richtung Rheinufer springt der große Museumsflügel so weit zurück, dass ein an drei Seiten baulich gefasster Platz entsteht, der mit einer breiten Treppe zum Rhein hinunterführt. Hier nur eine städtische Grünanlage anzubieten, genügte den Architekten nicht: In diesem Außenraum, an dessen Gestaltung auch der Landschaftsarchitekt Hans Luz beteiligt war, sollte nicht das Sich-Niederlassen, sondern die Bewegung im Vordergrund stehen. An diesem Punkt kam der 1933 in Tel Aviv geborene Künstler Dani Karavan ins Spiel, dessen begehbare Skulpturen bei der documenta 6 (1977) für Aufsehen gesorgt hatten. Karavan setzte sich intensiv mit der komplexen Morphologie des Entwurfs und der Topografie des Domhügels auseinander und fügte schließlich Ziegelsteine, Granit, Eisenbahnschienen, Gusseisen, Rasen und Bäume zu einem 5 000 m² großen »Environment für das Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig in Köln« zusammen. Mit den Materialzitaten stellte er unmittelbare Bezüge her, zum Bahnhof, zum Dom, zum Museum, zum Fluss. Zwei in der Platzfläche verlegte Schienen laufen parallel in Ost-West-Richtung und führen die Besucher über den Platz. Während die eine 118,5 m lang in einem Granitband liegt und vom Domchor auf den 10,8 m hohen Stufenturm aus dunklem Gusseisen und ­hellem Granit führt, beginnt die andere im Zentrum einer leicht aus der Platzfläche gehobenen kreisförmigen Plattform genau über dem Mittelpunkt des Konzertsaals der Philharmonie und führt die Treppen hinunter zum Rheinufer. Der sehr formalen geometrischen Gestaltung liegt eine strenge Zahlenlogik zugrunde, die wiederum auf dem Achsmaß der Museumsfassade von 90 cm basiert. Als Passant folgt man den Markierungen im Bodenbelag ganz unwillkürlich so lange, bis ein Element des Environments den Weg verstellt und einen zum Richtungswechsel zwingt.

Dani Karavan nannte sein Environment Ma’alot und implementierte mit dem hebräischen Wort für Stufen oder Aufstieg die gewünschte Bewegung nicht nur in die Gestaltung, sondern auch in den Namen. Die mit Lavendelbeeten und Rampen skulptural angelegte Treppenanlage setzt Kommende und ­Gehende mit großer Geste in Szene. Erst aus der Vogelperspektive jedoch zeigt sich, dass der gewundene Anstieg sogar die Silhouette der Domtürme nachzeichnet.

Häufig wird Ma’alot als Holocaust-Mahnmal interpretiert. Hinweise dafür finden sich nicht nur in den verwendeten Bildern und Materialien des ­Environments, sondern auch in der Biografie des Künstlers. Karavan, der auch explizit politische Werke geschaffen hat, überlässt die Auslegung bei Ma’alot dem Empfinden des Betrachters.

Fest oder lose

Die beiden Identitäten des Orts zwischen Dom und Rhein – auf der einen ­Seite als städtischer Platz und auf der anderen Seite als Kunstwerk – sind ihm fast zum Verhängnis geworden: Als öffentlicher Raum muss er funktionieren, sicher und zugänglich sein, für Kunstwerke hingegen gelten diese Regeln nicht. Zwei große Problemstellungen galt und gilt es zu lösen, damit der Platz auch in Zukunft seiner Bestimmungen gemäß genutzt werden kann: Viele Stunden täglich, wenn im Konzertsaal unterhalb Proben oder Konzerte der Philharmonie stattfinden, darf der größte Teil der Platzfläche nicht betreten werden: Die fugenlos vergossene Decke verstärkt jedes Geräusch wie eine Trommelmembran und überträgt insbesondere das Rattern von Rollkoffern und Skateboards in den darunter liegenden Konzertsaal. Dieser Konstruktionsfehler entstand aus der großen Sorge, das Eindringen von Feuchtigkeit durch die Decke mit allen Mitteln zu verhindern. Für 6 Mio. DM, so eine Studie der Uni Stuttgart, hätte man unmittelbar nach Feststellung des Mangels, die Decke entfernen und durch einzelne voneinander entkoppelte Deckensegmente ­ersetzen können. Doch der Stadt fehlten nach dem Kraftakt des Museumsbaus die Mittel. Rund 170 000 Euro verschlingt die Bewachung des temporär abgesperrten Platzbereichs jedes Jahr, und so hätten sich die Kosten der nicht durchgeführten Deckensanierung schon längst amortisiert.

Obschon das Environment als Kunstwerk im Katalog des Museum Ludwig inventarisiert ist, gilt dafür die Verkehrssicherungspflicht des Amts für Straßen und Verkehrstechnik. Unter der starken Beanspruchung, insbesondere dem unerlaubten Befahren mit schweren Reinigungsfahrzeugen, hatte die Platzoberfläche über die Jahre hinweg massiv gelitten.

Gebrochene Granitplatten und herausstehende oder fehlende Ziegel wurden besonders in der von Fußgängern und Radfahrern stark frequentierten Verbindung zwischen Roncalliplatz und Hohenzollernbrücke zu gefährlichen Stolperfallen.

Karavan hatte die kleinformatigen Klinker im Sandbett verlegen lassen, Gras und Moos hätten Halt geben sollen. Für eine dauerhafte Lösung wollte die Stadt jedoch die Platzoberfläche bei der nötigen Sanierung fest mit Mörtel verfugen lassen. Es regte sich Widerstand; Künstler und Architekten forderten in die Reparaturmaßnahme einbezogen zu werden, unterstützt von der Initiative »BürgerInnen für Ma’alot«. Nach Jahren des Verhandelns und einigen von der TH Köln durchgeführten technischen Studien wurde mit der kostspieligen Sanierung begonnen: Granitplatten wurden aufgenommen und neu verlegt, gebrochene Exemplare ersetzt. Auf einer Fläche von 2 500 m² wurden die Ziegel vollständig durch einen nun 8 statt 5 cm hohen Stein ersetzt, der sowohl durch die größere Höhe als auch die eingesetzten Fugenkreuze – selbst in ungebundener Verlegung – ausreichende Stabilität aufweisen soll. Im April 2016 wurde schließlich die Sanierung nach 18 Monaten vorwiegend nächtlichen Arbeitens abgeschlossen.

Nur durch das Engagement einzelner Bürger sieht der Heinrich-Böll-Platz heute wieder so aus wie zu seiner Eröffnung 1986. Gelegentlich finden Tanz-Performances statt, die an das Wesen der Bewegung dieses immer wieder in Teilen stillgelegten Orts erinnern. Die Achse zwischen Hohenzollernbrücke und Domchor, die nicht unmittelbar von den akustischen Problemen betroffen ist, wird heute allerdings so stark frequentiert wie wohl noch nie zuvor: von Reisenden, Touristen und Pendlern – viele davon mit Rollkoffern. Und es ist interessant zu beobachten, wer von ihnen den Koffer über die Ziegel ­rattern lässt und wer sich für die glatte Granitspur entscheidet.

db, Mi., 2018.05.02



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db 2018|05 Außenraum

28. Juli 2017Uta Winterhager
Bauwelt

Dem Tunnel das Dunkel abgewöhnen

In der Domumgebung Ost haben Allmann Sattler Wappner seit dem ersten Wettbewerb 2002 aufgeräumt. Mit Dionysoshof und Baptis­terium sind zwei historische Orte wieder wahrnehmbar geworden.

In der Domumgebung Ost haben Allmann Sattler Wappner seit dem ersten Wettbewerb 2002 aufgeräumt. Mit Dionysoshof und Baptis­terium sind zwei historische Orte wieder wahrnehmbar geworden.

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Bauwelt 2017|15 Das Wunder von Köln

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Presseschau 12

28. Februar 2025Uta Winterhager
db

Luftschiffhangar in Mülheim an der Ruhr

Dass ein Luftschiffhangar die Zeppelinform aufnimmt, liegt nahe. Dass die Konstruktion der auch als Eventlocation nutzbaren Halle in Mülheim trotz enormer Spannweite allein aus Holz besteht und das gesamte Gebäude kreislauffähig ist, gelang Smyk Fischer Architekten in einem interdisziplinären Team mit Tragwerksplanern und Maschinenbauern.

Dass ein Luftschiffhangar die Zeppelinform aufnimmt, liegt nahe. Dass die Konstruktion der auch als Eventlocation nutzbaren Halle in Mülheim trotz enormer Spannweite allein aus Holz besteht und das gesamte Gebäude kreislauffähig ist, gelang Smyk Fischer Architekten in einem interdisziplinären Team mit Tragwerksplanern und Maschinenbauern.

Kurz vor der Abfahrt Essen-Kettwig gibt es eine Lücke im Gebüsch an der A52, für einen Augenblick erscheint ein silbrig schimmernder Kokon auf grüner Wiese. Wer hier ortsfremd ist, mag irritiert sein. Wer dagegen im Ruhrgebiet heimisch ist, kennt diese Landmarke und sicher auch ihren ikonischen Vorgänger, der ein wenig an eine dicke grüne Raupe erinnerte. Im November 2023 wurde der neue Luftschiffhangar auf dem Flughafen Essen/Mülheim in Betrieb genommen. Das Mülheimer Architekturbüro Smyk Fischer Architekten wurde von der WDL (Westdeutsche Luftwerbung Theodor Wüllenkemper) direkt mit dem Entwurf eines neuen Luftschiffhangars beauftragt (ab LP5 übernahm Gronau Plan, Wegberg). Nicht unbedingt der Anspruch, der mit dem Neubau der Landmarke verbunden war, sondern die Größe der Aufgabe, die ein Architekturbüro allein nicht würde bewältigen können, ließ Martin Smyk und Patrick Fischer mit großem Respekt an diese Aufgabe herangehen. Sie bildeten frühzeitig ein Team mit einem Tragwerksplanungs- und einem Maschinenbaubüro, in dem sie Höhe und Weite des Raums nicht nur bewältigen, sondern virtuos und nachhaltig gestalten konnten.

Im Kreis gedacht

Da es sich um einen Ersatzneubau für die 33 Jahre alte Halle handelte, waren die Dimensionen des neuen Hangars gegeben. Zwei Luftschiffe sollten auch weiterhin darin parken, »Theo« dauerhaft, »Hugo« zu Wartungszwecken und über den Winter. Doch der Neubau sollte mehr als eine bloße Garage werden, die WDL wollte den großen Raum gleichzeitig auch als multifunktionale Veranstaltungshalle nutzen, ihn wirkungsstark inszenieren können. War 1989 noch eine einfache folienbespannte Stahlkonstruktion ausreichend, wurden mit der erweiterten Nutzung auch die Anforderungen an Wärmeschutz, Schallschutz und Brandschutz deutlich komplexer. Diese ließen sich nur mit einer »harten« geschlossenen Hülle erfüllen. Damit stellte sich dem Planungsteam die nächste große Herausforderung. Denn eine harte Hülle, gleich welcher Art, würde sich nicht so einfach wie beim Vorgängerbau kapuzenartig aufklappen lassen, hier musste eine individuelle technische Lösung entwickelt werden.

Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass der Neubau der Halle sowie der Rückbau des Bestands nachhaltig erfolgen sollte. Vier Monate dauerte der Rückbau der 92 m langen, 42 m breiten und 26 m hohen Halle. Sobald Theo im April ins Freie konnte, wurden die PVC-Planen abgenommen, dann die acht Stahlfachwerkträger abgebaut und schließlich Fundamente und Hallenboden abgebrochen. Der größte Teil der Fundamente und des Bodenaushubs konnte vor Ort gebrochen und als RCL-Schotter vor Ort wiederverwertet werden. Für den mittleren Teil des neuen Hallenbodens konnten 750 2 x 2 m große Stahlbetonplatten wiederverwendet werden, die Smyk Fischer zum passenden Zeitpunkt auf einer anderen Baustelle, einem ehemaligen Logistikzentrum, ausbauen ließen. Einige davon tragen noch Streifen einer früher einmal weißen Fahrbahnmarkierung, andere leichte Beschädigungen an den Kanten – keine Makel, sondern Zeichen dafür, dass der viel besprochene Re-Use hier tatsächlich geklappt hat.

An der Grenze des Machbaren

Neben den Argumenten der Nachhaltigkeit sprach bei allen Beteiligten auch eine allgemeine Begeisterung für das Material dafür, den Neubau als reine Holzkonstruktion zu realisieren. Inspiriert von dem im Verhältnis zur Hallengröße filigran erscheinenden Stahlfachwerk des Vorgängerbaus, sollte auch der Holzbau eine entsprechend leichte Ästhetik aufweisen. Konstruktiv wäre die naheliegende Lösung die Verwendung massiver Binder aus Brettschichtholz gewesen, wesentlich attraktiver erschien Smyk Fischer jedoch eine Fachwerkkonstruktion. Bei den gegebenen Maßen von Höhe und Spannweite erreicht man damit jedoch die Grenze des Machbaren. Ripkens Wiesenkämper und Marx Krontal Partner entwickelten eine innovative Tragwerkskonstruktion allein aus Holz. Das aus Brettschichtholz gefertigte Primärtragwerk besteht aus 15 gebogenen Zwei-Gelenk-Rahmen als aufgelöste Fachwerkkonstruktion mit einer Spannweite von 42 m. Eine Richtungsänderung gibt es jeweils an den Kalotten. Die Obergurte und Fachwerkdiagonalen sind zur Aussteifung in die darüberliegende Dachtragschale aus 10 cm dicken großformatigen Brettsperrholzplatten eingespannt. Jeder Träger besteht aus vier vorgefertigten Segmenten, die auf der Baustelle zusammengesetzt wurden. Nicht nur die Stöße der Segmente, auch die 592 Knotenpunkte der Fachwerkträger wurden mit jeweils acht Hartholzdübeln (Ø 25 mm) pro Anschluss von Strebe oder Gurt und vier Knotenplatten aus Furnierschichtholz (27 mm dick) als reine Holzverbindungen hergestellt. Kraftschlüssig wird die Verbindung, wenn das Buchenholz der Dübel nach dem Einfügen in die Bohrung die Feuchtigkeit aus den Trägern (BSH Fichte) aufnimmt und sich ausdehnt. Innovativ ist bei dieser Konstruktion die Übertragung der klassisch zimmermannsmäßigen und auch hier von Hand ausgeführten Holznagelverbindung in den Maßstab des zeitgemäßen Ingenieurholzbaus.

Die Dachschale aus 10 cm dicken großformatigen Brettschichtholzplatten dient nicht nur der Aussteifung der Konstruktion, sondern gewährleistet zudem Schall- und Wärmeschutz. Die erforderlichen Werte werden nach dem Folieren und Abdichten mit einer wiederum 10 cm dicken Schicht Mineralwolle erreicht. Um die charakteristisch gerundete Form des Hangars zu erzeugen, wurde die gesamte Konstruktion mit einer Aluminium-Stehfalzfassade überzogen. Die Hülle ist damit langlebig und wartungsarm und ebenso wie die Konstruktion sortenrein recycelbar. Nur an der Westseite reicht die Fassade nicht bis auf den Boden, hier lässt ein an den langen Flanken auslaufendes Tür- und Fensterband Tageslicht und Gäste in die Halle.

Ästhetischer Mehrwert

Die große Konsequenz der Planung erzeugt nicht nur einen außergewöhnlichen Baukörper, sondern auch einen fast wie das Innere einer Kathedrale wirkenden Raum. Beleuchtung, Rauchmelder und insbesondere die linearen Aluminium-Deckenstrahlprofile der Heizung sind mit eigener Rhythmik schlüssig in die Geometrie des Raums eingefügt.

Zum Ein- und Ausfahren der Luftschiffe muss der Hangar an einer Stirnseite in voller Höhe zu öffnen sein. In einer Machbarkeitsstudie untersuchte das Planungsteam Möglichkeiten zur Öffnung der östlichen Kalotte mit zwei großen Torflügeln und deren räumliche Wirkung. Sie erkannten das Potenzial der Funktion als potente gestalterische Geste, sahen aber auch, dass zur Umsetzung Maschinenbau-Expertise erforderlich war. Dr. Schippke + Partner (Hannover), Experten für bewegliche Brücken, entwickelten für die beiden jeweils 72 t schweren Torflügel eine auf Schienen fahrende Zugmaschine, die das gesamte Element um einen Gelenkpunkt dreht. Der jeweils rund fünf Minuten dauernde Öffnungsprozess wird von drei Personen gesteuert. Im geöffneten Zustand erinnert die Ostansicht des Hangars nun an einen gewaltigen Flügelaltar. Höchste Präzision ist dabei erforderlich, auch bei Wind dürfen sich Tore und Halle nicht bewegen. Dabei gelang es dem Planungsteam, die konstruktiven und technischen Erfordernisse, wie z. B. die massiv ausgeführten Randbinder von Toren und Halle, schlüssig in das System zu integrieren. Wie im gesamten Bau musste nichts kaschiert werden, alles darf ablesbar sein.

Die zum Fachwerk aufgelöste Konstruktion erwies sich als materialeffizient und wirtschaftlich, ein wichtiger Aspekt, da die russische Invasion in die Ukraine zur Bauzeit enorme Auswirkungen auf Preise und Verfügbarkeit von Baustoffen hatte. Mit der integralen und BIM-gestützten Planung und einem hohen Vorfertigungsgrad gelang es, den Hangar inklusive Abriss des Bestands im Zeitraum von April bis Ende Oktober 2022 so weit fertigzustellen, dass Theo vor dem Winter wieder unter das Dach kam. Die Errichtung der reinen Holzkonstruktion dauerte dabei nur zehn Wochen, Ausbau und Restarbeiten waren im August 2023 abgeschlossen. Was der Raumwirkung der Halle sehr zugutekommt, ist, dass sie konsequent ohne Einbauten, vollständig offen geplant wurde. Die dadurch fehlenden Nebenräume (Kantine, Gastronomie und Sanitärbereiche sowie Büros für die Verwaltung) werden in einem Pavillon Platz finden, der derzeit in einem zweiten Bauabschnitt direkt angrenzend errichtet wird. Erst dann wird das bereits mehrfach ausgezeichnete Projekt wirklich fertig sein.

db, Fr., 2025.02.28



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db 2025|04 Ingenieurbaukunst

13. Februar 2024Uta Winterhager
Bauwelt

In rauer Nachbarschaft

In der industriell geprägten Brüsseler Peripherie gibt es Platz zum Wohnen. Einzelne Neubauten des Quartiers in Vilvoorde stehen schon, die Stadt drumherum muss noch werden. Das Haus von Kempe Thill ist ein Pionier.

In der industriell geprägten Brüsseler Peripherie gibt es Platz zum Wohnen. Einzelne Neubauten des Quartiers in Vilvoorde stehen schon, die Stadt drumherum muss noch werden. Das Haus von Kempe Thill ist ein Pionier.

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Bauwelt 2024|04 Tabula non rasa

24. Oktober 2022Uta Winterhager
db

Qualitätsoffensive in maximaler Dichte

Was noch geht, wenn ein Stadtteil am Limit ist, zeigen TRU Architekten mit dem Wohnhaus Herzogstraße 79a/b in Düsseldorf. Der Neubau, ein Hinterhaus, ist einfach und gut. So ragt er aus dem dicht gewebten Teppich aus Teerpappe und Beton und setzt ein Zeichen für den Neuanfang. Aber reicht Bauen hier?

Was noch geht, wenn ein Stadtteil am Limit ist, zeigen TRU Architekten mit dem Wohnhaus Herzogstraße 79a/b in Düsseldorf. Der Neubau, ein Hinterhaus, ist einfach und gut. So ragt er aus dem dicht gewebten Teppich aus Teerpappe und Beton und setzt ein Zeichen für den Neuanfang. Aber reicht Bauen hier?

Die Herzogstraße liegt im Düsseldorfer Stadtteil Friedrichstadt: Hier ist Düsseldorf nicht schick, eher bürgerlich-rustikal und mit 19 984 Einwohnern/km² (Stand 12/2016) vor allem dicht: Es ist der am dichtesten besiedelte Stadtteil Deutschlands. Die Blöcke der gründerzeitlichen Stadterweiterung sind mit rund 190 m Kantenlänge sehr tief, doch anders als zum Beispiel in Berlin ist der Binnenraum vollkommen unstrukturiert. Gewohnt wird im Blockrand, die kleinen Läden, Büdchen und Kneipen im EG zeigen mit dem Herzog im Namen eine gewisse Ortsverbundenheit. Zwischen dem »Durst-Bunker« und einer Autowerkstatt, die zu besseren Zeiten ein Autohaus war, fügt sich ein Wohnhaus in die Reihe, schlichte Nachkriegsarchitektur mit Lochfassade, vier Geschosse auf erhöhten Sockel, Gauben lugen über die Traufe. Etwas außermittig sitzt im EG eine Tordurchfahrt, wie man sie hier häufiger sieht. Meist findet man in den Höfen Werkstätten oder Lager, An- und Weitergebautes, versiegelte Flächen, kein Grün. Lange sah es so auch im Hof der Herzogstraße 79 aus, wo ein kleiner Betrieb Druckmaschinen reparierte. Heute fällt der Blick durch das Tor auf einen noch zarten Ahorn, dahinter eine frische Fassade, eine Eingangstür aus hellem Holz.

Neu denken, neu bauen

Den privaten Eigentümern von Haus und Grund der Hausnummer 79 schien das aufgegebene Gewerbe kein gutes Gegenüber für das Vorderhaus zu sein. So wurde der Bestand im Hof bis auf die an der rückwärtigen Wand gelegene und dadurch einseitig belichtete zweigeschossige Halle reduziert. Darin sollten vier Wohneinheiten entstehen, in einem kleinen Neubau an der östlichen Brandwand zwei weitere, im Hof neben acht Stellplätzen auch etwas Grün.

Nachdem der Architekt, der bereits eine Vorplanung gemacht hatte, plötzlich verstorben war, übernahmen TRU Architekten. In Düsseldorf hatte das Berliner Büro bereits gebaut, eine Nachverdichtung gab es in ihrem Portfolio bis dahin jedoch nicht. Mit dem Ziel eine »relevante Nachverdichtung zu schaffen, ohne dass es unangenehm dicht wird«, so Karsten Ruf (Gründungspartner bei TRU Architekten), analysierten sie die Situation im Blockinnenraum, prüften das Baurecht und erkannten, dass durch einen kompletten Rückbau der verbauten Situation im Hinterhof ein grenzständiger, 15 m tiefer viergeschossiger Neubau mit zwei Höfen, einem sehr funktionalen ersten Hinterhof und einem zweiten Hinterhof als Privatgarten möglich würde. Da Abstandsflächen nur zum eigenen Vorderhaus einzuhalten waren, konnte das Bauvolumen im Vergleich zu der Vorplanung mit Bestand verdoppelt werden. Zwölf neue Mietwohnungen gibt es nun, davon zwei (je 100 m²) barrierefrei mit drei Zimmern im EG, jeweils vier Zweizimmerwohnungen (je 55 m²) im 1. und 2. OG, im 3. OG wieder zwei große Dreizimmerwohnungen. Die Erschließung des achsensymmetrisch geplanten Neubaus erfolgt über zwei getrennte Eingänge und Treppenhäuser.

Viel wenn und aber

Einfluss auf den Entwurf hatte auch ein möglicher Brandfall. Mit ihren Fahrzeugen kommt die Feuerwehr nicht durch die schmale Tordurchfahrt, im Hof muss sie daher mit Handleitern arbeiten. Bis zum 2. OG gelten die als zweiter Rettungsweg, für das 3. OG wurde der baulich über eine Verbindung der beiden Treppenhäuser hergestellt. Die Baustelleneinrichtung und die Transportlogistik für das komplett umbaute Grundstück bezeichnen die Architekten rückblickend als anspruchsvoll. Von der Straße aus wurde ein Kran mit einem Autokran über das Vorderhaus gehoben und dort im heutigen ersten Hinterhof aufgestellt, trotzdem blieben viele Handtransporte. Das Grundstück wurde vollständig geräumt, einzelne Kellerräume blieben und wurden verfüllt, die Bodenplatte perforiert, um Versickerungsfähigkeit herzustellen. Gegründet wurde der Neubau, der ohne Keller auskommen muss, mit Mikropfahlgründung durch die alte Bodenplatte bis in tragfähigen Grund. Gerüste mussten teilweise hängend errichtet werden, da die Garagendächer der Nachbarn nicht belastet werden konnten. Für die Bauherren waren die durch diese Maßnahmen entstehenden Mehrkosten kein Argument gegen die Entwicklung ihres Grundstücks.

Sichtbarkeit

Der im März 2022 fertiggestellte weiße Quader ragt heute scharf geschnitten aus dem niederen Grauschwarzbraun des Blockinnenraums empor. An den schmalen Kopfenden ist er geschlossen. Die Fassaden der beiden langen Flanken sind entsprechend ihrer Ausrichtung unterschiedlich gestaltet. Die Nordseite bildet das Pendant zum Vorderhaus mit einer Interpretation der Lochfassade. Wie eingestreut liegen die Fenster in verschiedenen Größen in der glatt geputzten Fläche. Die Fensterrahmen aus heller Fichte und die angeschrägten Einfassungen aus weißen Aluminiumblechen geben einen kleinen Hinweis auf die Handschrift der Architekten. Nach Süden in den Blockinnenraum gewandt, ist die Fassade voll verglast. Wie ein offenes Regal davorgestellt sind die Balkone; Platten und Schotten sind Sichtbetonfertigteile.

Sicht- und Sonnenschutz bieten die geschosshohen, 60 mm dicken edelstahlbewehrten Glasfaserbetonelemente, die bündig an der vorderen Kante der Balkone sitzen. Je nach Sonnenstand fällt durch das dichte Raster konischer Lochungen ein mit Lichtpunkten gesprenkelter Schatten in die Wohnungen – in die andere Richtung suchen die ersten Triebe der Balkonbepflanzung den Weg zur Sonne. Aus der Nähe zu sehen sind die Lochplatten nur aus dem Garten und von den Balkonen. Nachbarn der umliegenden Blockränder erleben den von TRU Architekten bewusst inszenierten Kontrast der formalen Strenge des aufgeräumten Schachbretts aus offenen und durchbrochenen Flächen zu dem tristen Chaos des Blockinnenraums.

Die Gärten der beiden Wohnungen im EG, die entsprechend ihrer besonderen Lage gestaltet wurden, sind nur aus dem eigenen Haus einsehbar. Noch teilen sie ihr Grün nicht mit der Nachbarschaft, denn die Spitzen der zwei Trompetenbäume werden noch etwas wachsen müssen, bis sie über die Dachlandschaft lugen und andere an ihrem Grün teilhaben lassen. Der erste Hinterhof ist bis auf die Baumscheiben der kleinen Ahornbäume versiegelt, die Oberfläche aus kunstharzversiegeltem Quarzsand im hellen Ton der Fassade wertet den hochfunktionalen Raum auf. Viel Platz für Grün blieb zwischen den zahlreichen Funktionen nicht, denn außer dem Zugang zum Hinterhaus mussten hier zwei Stellplätze (die übrigen konnten abgelöst werden), eine Rampe zum Fahrradkeller im Vorderhaus, Fahrradständer, eine neue Spindeltreppe als zweiter Rettungsweg fürs das Vorderhaus und zahlreiche Mülltonnen Platz finden.

Ist dies der Anfang?

Unumgänglich ist heute die Frage nach der Nachhaltigkeit des Projekts. Die Haustechnik ist da zu nennen, sicher auch die Tatsache, dass von der zuvor vollständig versiegelten Fläche nun gut ein Drittel entsiegelt oder vegetativ angelegt wurde. Rechnet man Garten, Baumscheiben und Gründach zusammen, liegt die Maßnahme deutlich über den im Bebauungsplan geforderten 20 Prozent Vegetationsfläche. Vorrangig für Karsten Ruf ist jedoch der Aspekt der Nachverdichtung. Während auf der grünen Wiese Ackerland Acker bleiben soll, bieten Höfe wie dieser ein großes Potenzial, den in den Innenstädten verzweifelt gesuchten Wohnraum neu zu schaffen und den Bestand gleich mit aufzuwerten. Wenn die Eigentümer wie in diesem Fall Bestandshalter (keine Projektentwickler) sind, ist es auch möglich, die neu geschaffenen Wohnungen für eine ihrer Lage und Qualität angemessene Miete anzubieten.

Beim Ortstermin mit Anno Lingens lässt uns ein Mieter einen Blick in sein Wohnzimmer werfen, die Nachbarn aus Vorderhaus, Autowerkstatt und Getränkehandel grüßen uns, man kennt sich offenbar. Auch während der Bauzeit sei das Verhältnis freundlich und kooperativ gewesen, was der Durchführung der Baumaßnahme in dem dicht bebauten Gefüge zugutekam. Jeder, dessen Wohnung ein Fenster in den Blockinnenraum hat, sieht den markanten Neubau im Hof der Herzogstraße 79. Sicherlich ist dies ein Pionierprojekt, eines, das Interesse weckt und Nachahmer finden wird.

Allerdings muss man sich genau hier auch die Frage stellen, wie viel Nachverdichtung der dichteste Stadtteil Deutschlands überhaupt noch verträgt. Genau durch dessen Mitte führt die Corneliusstraße, die stickigste Straße Düsseldorfs (Rheinische Post), Messungen belegen dies. Hier gibt es wenig Grün, die Hochsommerhitze steht zwischen den Häusern. Natürlich bieten die Höfe noch Flächen und untergenutzte Bausubstanz, sogar Leerstand im großen Maßstab, wie die seit 2013 geschlossene Immanuelkirche (Heinz Kalenboom, 1966), die im selben Block wie das hier besprochene Projekt liegt. Bauen alleine wird diesen Lebensraum nicht besser machen, nur noch dichter.

db, Mo., 2022.10.24



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db 2022|10 Nachverdichtet

21. August 2020Uta Winterhager
Bauwelt

Schule im Ausnahmezustand

Ein kollektives Bildungsexperiment nannte die Zeitung „Die Welt“ das, was Schülerinnen und Schüler genau wie ihre Lehrkräfte derzeit weltweit mitmachen. Gefragt, ob sie teilnehmen möchten, hat sie niemand, genauso wie sie niemand darauf vorbereiten konnte.

Ein kollektives Bildungsexperiment nannte die Zeitung „Die Welt“ das, was Schülerinnen und Schüler genau wie ihre Lehrkräfte derzeit weltweit mitmachen. Gefragt, ob sie teilnehmen möchten, hat sie niemand, genauso wie sie niemand darauf vorbereiten konnte.

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Bauwelt 2020|17 Im Sozialen Wohnungsbau

08. Mai 2019Uta Winterhager
db

Freiheit im Raster

Die Architektur des neuen AIZ-Gebäudes sollte das Lernen nicht linear, sondern neugierig suchend, offen und reflektierend abbilden. Daraus resultiert eine schwarmartige Struktur, die von dem systemimmanenten Widerspruch aus Strenge und Freiheit des intelligenten Holzskelettbaus profitiert.

Die Architektur des neuen AIZ-Gebäudes sollte das Lernen nicht linear, sondern neugierig suchend, offen und reflektierend abbilden. Daraus resultiert eine schwarmartige Struktur, die von dem systemimmanenten Widerspruch aus Strenge und Freiheit des intelligenten Holzskelettbaus profitiert.

Es ist ruhig in Röttgen, Einfamilienhäuser vergangener Jahrzehnte säumen den Waldrand, der das Ende des Bonner Stadtgebiets markiert. Bewusst zurückgezogen unterhält die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) hier, neben dem im Regierungsviertel, ihren zweiten Bonner Standort. Eine Erweiterung erfuhr der Bestand mit dem Ende 2017 fertiggestellten Neubau der Deutschen Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ) von Waechter + Waechter Architekten und den Tragwerksplanern merz kley partner. Das Angebot der AIZ ist darauf ausgerichtet, sowohl Mitarbeiter der GIZ als auch deren mitreisende Partner auf einen Einsatz im Ausland vorzubereiten. Ein vierwöchiger Intensivsprachkurs in einer von 70 Landessprachen als Einzelunterricht ist hierbei genauso möglich wie ein fünftägiges Gruppenseminar zum Projektmanagement in internationaler Zusammenarbeit sowie ein begleitendes Selbststudium mithilfe der zahlreich zur Verfügung stehenden Medien.

Für Felix Waechter bildete der Wunsch, das aktive, offene Lernkonzept als räumliche Idee weiterzudenken und maßstäblich in die Landschaft einzuschreiben, den Ausgangspunkt für den Entwurf. So überzeugte im Wettbewerb 2014 die Radikalität der »vielfach gegliederten multimodalen und kommunikationsorientierten Lern- und Seminarlandschaft«, die ihre Freiheit aus der rasterbasierten Ordnung des Tragwerks generiert.

In einer sanft modellierten Landschaft, die sich durch gerade Reihen und sorgfältig geordnete Formationen lichter Baumgruppen vom angrenzenden Wald unterscheidet, steht das zweigeschossige »Lernhaus« wie eingepflanzt. Hölzern das Tragwerk, zahlreich die Stützen. Doch ist es kein Haus im klassischen Sinne, es ist ein Cluster, ein Schwarm, eine bewegte flache Struktur. Die Ordnung wirkt zufällig – ein System der Vor- und Rücksprünge, von keiner Seite aus zu entschlüsseln. Zur Klärung der Geometrie verhilft eine Grundrisszeichnung: Sie zeigt 78 Felder, davon 56 quadratisch und 22 bei gleicher Länge schmaler. Die zweiflügelige Figur entsteht durch die Kopplung eines Clusters mit einem spiegelverkehrten Pendant. Jeweils im Zentrum der beiden Gebäudeflügel bilden zwei offengelassene Rasterfelder einen Innenhof.

Kommunikation und Bewegung

Am Haupteingang – mittig an der schmalsten Stelle der Grundrissfigur – betreten die Besucher die zweigeschossige Lobby mit Rezeption und Café. Zwei sich gegenüberliegende Treppen führen von hier ins OG. Die Organisation der Flügel und Etagen folgt einem Prinzip, das sich trotz der amorphen Grundrissfigur leicht erschließt, auch dank der Orientierungshilfe durch die beiden Innenhöfe. Als Rundweg um sie herum angeordnet ist jeweils eine offene Kommunikationszone, die dem Lernen allein oder in Gruppen dient. Untergliedert wird dieser Bereich durch die Regale der Mediathek und sogenannte Lernstationen; eine davon klärt z. B. über die angemessene soziale Distanz in verschiedenen Ländern auf. Entlang der Außenfassade sind die insgesamt 44 Seminarräume platziert. Teilweise sind sie schaltbar, in jedem Fall aber durch die Glaswände vom zentralen Bereich aus einsehbar. Sämtliches Mobiliar ist beweglich, Tische und Hocker sind leicht und handlich, sodass sie sich einfach umgruppieren lassen. Auch Garderoben, Kopierer und »Sitznischen auf Rollen« können dem Bedarf entsprechend verschoben werden.
Letztendlich ist es das Tragwerk, das die Offenheit und Flexibilität – sowohl in der Anmutung als auch in der Nutzung – ermöglicht. Konrad Merz kam als Tragwerksingenieur erst nach dem Wettbewerb hinzu. Entwurfsimmanente Entscheidungen u. a. zum Raster, der Verwendung von Holz, dem Grundriss und der Dachform waren da längst gefallen, doch nun war der Ingenieur gefragt, das räumliche Raster in eine tragende Holzkonstruktion zu übertragen.

Weiterentwickelt und überprüft

Um den Anforderungen des Raumprogramms nachzukommen, und die wirtschaftlichen Vorzüge der modularen Bauweise optimal auszunutzen, hatten die Architekten den Grundriss von vornherein so angelegt, dass lediglich zwei unterschiedliche Rasterfeldgrößen (5,25 x 5,25 m und 3,50 x 5,25 m) ausreichen sollten. Die Planer ließen im Hof der Holzbaufirma das Mock-up eines Rastersegments einschließlich Dachelement aufbauen, um mit dessen Hilfe einen hohen Vorfertigungsgrad der im eingebauten Zustand weitgehend unbekleidete Holzmodule zu erreichen. So konnten die Planer Hand in Hand mit der Holzbaufirma sämtliche Details entwickeln und 1:1 überprüfen.

Der Holzskelettbau aus BSH-Fichte wurde auf dem UG errichtet, das, wie die aussteifenden Kerne und die notwendigen Treppenhäuser, in Stahlbeton ausgeführt wurde. Für die niedrigen Sockel und Brüstungen des EGs kamen, um die Holzkonstruktion zu schützen, Betonfertigteile zum Einsatz.

Ausgehend von einem Treppenhauskern wurde der Holzbau abschnittweise errichtet, beginnend mit den Stützen des EGs. Die kreuzförmigen Stützen sowie der darauf liegende Knotenpunkt aus Stahl sind so ausgebildet, dass Rohre für die Fallrohre der Dachentwässerung verdeckt darin geführt werden können. Wo dies der Fall ist, ist ein Stützenteil demontierbar.

Nach der Montage der Unterzüge wurden die aus Transportgründen zwei- oder dreigeteilten Deckenelemente des EGs eingehängt. Durch die Rasterlochung der Dreischichtplatten (ebenfalls Fichte), die ihre Untersicht bildet, sind sie ohne zusätzliche Bekleidung auch raumakustisch wirksam.

In das anschließend errichtete Holzskelett des OGs wurden dann die entsprechend den beiden Rasterfeldgrößen vorfabrizierten Elemente der Dachkonstruktion – zwei dreieckige Holz-Hohlkasten-Modulen und eine filigrane Stahlstütze – auf der Baustelle zusammengesetzt und am Stück eingebaut. Wie die Skelettkonstruktion und die Hohlkastenelemente der Decken erfolgte auch die Montage der Dachelemente mit bereits fertigen weiß lasierten und rastergelochten Sichtholzoberflächen.

Die Trennwände zwischen den Seminarräumen aus Glas oder in Leichtbauweise, analog zu den Deckenuntersichten mit raumakustisch wirksamen gelochten Dreischichtplatten beplankt, schließen unmittelbar an die Kreuzstützen an. Da das verwendete Holz alleine nicht genügend Masse zur Regulierung des Raumklimas mitbringt, wurde der Oberboden in ge­schliffenem Terrazzo mit integrierter Temperierung realisiert. Die Leitungsführung von Zuluft, Heizung und Elektrik wiederum verläuft in einem Hohlraumboden darunter. Vorausschauend geplant, kann jedes Rasterfeld mithilfe der Regelungstechnik individuell angesteuert werden, sodass bei Änderungen der Raumaufteilung keine aufwendigen baulichen Eingriffe für die Haustechnik anfallen.

Vielfältig gefordert

Waechter + Waechter hatten den Ehrgeiz, nicht nur die in der Auslobung geforderte DGNB Zertifizierung in Bronze sondern in Gold zu erreichen, und dies mit Erfolg.

»Aus Verantwortung vor der Schöpfung«, sagt Felix Waechter, »aber auch als Werbung für nachhaltiges Bauen bei den ausländischen Gruppen, die hier geschult werden.« Wichtige Komponenten des Energiekonzepts sind u. a. auch die hohe Ausnutzung des Tageslichts, das aus den Innenhöfen und durch die gläsernen Trennwände bis in die Tiefe des Gebäudes gelangt sowie die passive Sonnenenergienutzung über die großen, dreifach verglasten Fenster und Oberlichter.

Sonnenschutz bieten im OG vertikale Lärchenholzlamellen vor den Fenstern sowie innenliegende Vorhänge und außenliegende Screens im EG. Auch in den dreieckigen Fensterflächen der Oberlichter können Rollos ausgefahren werden, die bei Nichtgebrauch in der Konstruktion verschwinden. Gerade bei solchen Details hat sich das 1:1-Modell sichtlich bewährt. Dank der Vorfertigung konnte der Holzmodulbau zwar deutlich schneller als ein konventioneller Massivbau errichtet werden, günstiger war er jedoch nicht.

Im Betrieb bestätigt die antizipierte Wirkung die Wahl von Material und Konstruktion: Das durchgängige Raster lässt das Lernhaus hierarchielos wirken, und so zeigt sich die Kunst der Gestalter nicht in der Inszenierung des Tragwerks als Spektakel, sondern in der Minimierung seiner sichtbaren sorgfältig detaillierten Elemente. Die Offenheit dieser Struktur, die es vermeidet, Grenzen zu setzen, macht neugierig. Und das kann ja nur im Sinn der Bauherrin – der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – sein.

db, Mi., 2019.05.08



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db 2019|05 Ingenieurbaukunst

18. April 2019Uta Winterhager
Bauwelt

Opernhäuser sind ein tolles Thema

In Düsseldorf kursieren in der Presse Bilder eines neuen, eigentlich nicht benötigten Hauses. Wichtige Architekten der Stadt lancieren Ideen und hoffen auf mehr.

In Düsseldorf kursieren in der Presse Bilder eines neuen, eigentlich nicht benötigten Hauses. Wichtige Architekten der Stadt lancieren Ideen und hoffen auf mehr.

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Bauwelt 2019|08 Kongo, befreit und neu sortiert

02. Mai 2018Uta Winterhager
db

Heinrich-Böll-Platz / Ma’alot in Köln

Es ist derselbe Ort: Ob man ihn nun Heinrich-Böll-Platz oder Ma’alot nennt, hängt davon ab, ob man den öffentlichen Raum oder das Kunstwerk meint. So prägnant sich die Platzgestaltung zwischen Dom und Rhein zeigt, so kostspielig gestaltet sich ein schon seit der Fertigstellung bestehender Nutzungskonflikt.

Es ist derselbe Ort: Ob man ihn nun Heinrich-Böll-Platz oder Ma’alot nennt, hängt davon ab, ob man den öffentlichen Raum oder das Kunstwerk meint. So prägnant sich die Platzgestaltung zwischen Dom und Rhein zeigt, so kostspielig gestaltet sich ein schon seit der Fertigstellung bestehender Nutzungskonflikt.

1975, genau fünf Jahre nach der Fertigstellung der Domplatte (Fritz Schaller), lobte die Stadt Köln einen Ideenwettbewerb aus, um das seit dem Krieg bestehende Vakuum zwischen dem schroff abgeschnittenen Domhügel und dem Rheinufer mit geballter Kultur zu füllen. Gleich zwei Museen und ein Konzertsaal sollten es sein, eine gewaltige Baumasse, die nicht nur ein Haus für das Schöne und Erhabene sein würde, sondern auch ein hochkomplexes Infrastrukturbauwerk, mit dem Höhen überwunden und neue Wegeverbindungen geschaffen werden sollten. Peter Busmann und Godfrid Haberer, die jungen Kölner, reichten einen Entwurf ein, der sich so forsch über die Ausschreibung hinwegsetzte, dass sie gleich in der ersten Runde ausschieden. Doch auf Betreiben des damaligen Dombaumeisters Wolff wurde ihre Arbeit zurück in das Verfahren geholt, und schließlich mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Ihr städtebaulicher Ansatz war es, den Rheinufertunnel bis unter die Hohen­zollernbrücke zu verlängern, wodurch eine fußläufige Anbindung der Uferpromenade an den Domhügel möglich wurde. Das Bauvolumen ordneten sie als Einzige so auf und im verlängerten Domhügel an, dass es in seiner Mitte einen Freiraum und in dessen Verlängerung wiederum eine Sichtachse auf den Domchor ausbildet.

Haus, Stadt, Kunst

1986 wurde der Komplex, bestehend aus Wallraf-Richartz-Museum, Museum Ludwig und Kölner Philharmonie, eröffnet. Trotz zahlreicher Änderungen, die der Entwurf seit dem Wettbewerb erfahren hatte, wurde der ursprüngliche Grundgedanke, kein Gebäude zu entwerfen, sondern die Stadt fortzuschreiben, auf sehr unmittelbare Weise umgesetzt.

Busmann + Haberer knüpften an die mittelalterliche Struktur an und rückten nah an den Domchor und das Römisch-Germanische Museum (Heinz Röcke, Klaus Renner 1974) heran, um Gassen, Passagen und Plätze auszubilden und so den Neubau kleinteilig und durchlässig erscheinen zu lassen. Während die Domplatte durch einen Belag aus hellem Granit nobel wirkte, setzten Busmann + Haberer mit roten Ziegeln auf Kontrast. Nicht nur die Fassaden, auch sämtliche befestigten ­Außenflächen sind mit dem kleinteiligen und vergleichsweise alltäglichen Material bekleidet bzw. belegt – durchaus als Zeichen des herrschenden ­Zeitgeists dafür, die Hochkultur breiteren Bevölkerungsgruppen zugänglich zu machen.

Wesen der Bewegung

Aus dem eher spielerisch angelegten Wettbewerbsentwurf war nach vielen Zwischenstadien eine deutlich aufgeräumtere Struktur geworden, eine schmale Gasse in der Achse des Domchors teilt das Museum in zwei Baukörper. Der kleinere, in dem sich die Restaurierungswerkstätten befinden, schirmt den Komplex zur Bahntrasse hin ab. Richtung Rheinufer springt der große Museumsflügel so weit zurück, dass ein an drei Seiten baulich gefasster Platz entsteht, der mit einer breiten Treppe zum Rhein hinunterführt. Hier nur eine städtische Grünanlage anzubieten, genügte den Architekten nicht: In diesem Außenraum, an dessen Gestaltung auch der Landschaftsarchitekt Hans Luz beteiligt war, sollte nicht das Sich-Niederlassen, sondern die Bewegung im Vordergrund stehen. An diesem Punkt kam der 1933 in Tel Aviv geborene Künstler Dani Karavan ins Spiel, dessen begehbare Skulpturen bei der documenta 6 (1977) für Aufsehen gesorgt hatten. Karavan setzte sich intensiv mit der komplexen Morphologie des Entwurfs und der Topografie des Domhügels auseinander und fügte schließlich Ziegelsteine, Granit, Eisenbahnschienen, Gusseisen, Rasen und Bäume zu einem 5 000 m² großen »Environment für das Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig in Köln« zusammen. Mit den Materialzitaten stellte er unmittelbare Bezüge her, zum Bahnhof, zum Dom, zum Museum, zum Fluss. Zwei in der Platzfläche verlegte Schienen laufen parallel in Ost-West-Richtung und führen die Besucher über den Platz. Während die eine 118,5 m lang in einem Granitband liegt und vom Domchor auf den 10,8 m hohen Stufenturm aus dunklem Gusseisen und ­hellem Granit führt, beginnt die andere im Zentrum einer leicht aus der Platzfläche gehobenen kreisförmigen Plattform genau über dem Mittelpunkt des Konzertsaals der Philharmonie und führt die Treppen hinunter zum Rheinufer. Der sehr formalen geometrischen Gestaltung liegt eine strenge Zahlenlogik zugrunde, die wiederum auf dem Achsmaß der Museumsfassade von 90 cm basiert. Als Passant folgt man den Markierungen im Bodenbelag ganz unwillkürlich so lange, bis ein Element des Environments den Weg verstellt und einen zum Richtungswechsel zwingt.

Dani Karavan nannte sein Environment Ma’alot und implementierte mit dem hebräischen Wort für Stufen oder Aufstieg die gewünschte Bewegung nicht nur in die Gestaltung, sondern auch in den Namen. Die mit Lavendelbeeten und Rampen skulptural angelegte Treppenanlage setzt Kommende und ­Gehende mit großer Geste in Szene. Erst aus der Vogelperspektive jedoch zeigt sich, dass der gewundene Anstieg sogar die Silhouette der Domtürme nachzeichnet.

Häufig wird Ma’alot als Holocaust-Mahnmal interpretiert. Hinweise dafür finden sich nicht nur in den verwendeten Bildern und Materialien des ­Environments, sondern auch in der Biografie des Künstlers. Karavan, der auch explizit politische Werke geschaffen hat, überlässt die Auslegung bei Ma’alot dem Empfinden des Betrachters.

Fest oder lose

Die beiden Identitäten des Orts zwischen Dom und Rhein – auf der einen ­Seite als städtischer Platz und auf der anderen Seite als Kunstwerk – sind ihm fast zum Verhängnis geworden: Als öffentlicher Raum muss er funktionieren, sicher und zugänglich sein, für Kunstwerke hingegen gelten diese Regeln nicht. Zwei große Problemstellungen galt und gilt es zu lösen, damit der Platz auch in Zukunft seiner Bestimmungen gemäß genutzt werden kann: Viele Stunden täglich, wenn im Konzertsaal unterhalb Proben oder Konzerte der Philharmonie stattfinden, darf der größte Teil der Platzfläche nicht betreten werden: Die fugenlos vergossene Decke verstärkt jedes Geräusch wie eine Trommelmembran und überträgt insbesondere das Rattern von Rollkoffern und Skateboards in den darunter liegenden Konzertsaal. Dieser Konstruktionsfehler entstand aus der großen Sorge, das Eindringen von Feuchtigkeit durch die Decke mit allen Mitteln zu verhindern. Für 6 Mio. DM, so eine Studie der Uni Stuttgart, hätte man unmittelbar nach Feststellung des Mangels, die Decke entfernen und durch einzelne voneinander entkoppelte Deckensegmente ­ersetzen können. Doch der Stadt fehlten nach dem Kraftakt des Museumsbaus die Mittel. Rund 170 000 Euro verschlingt die Bewachung des temporär abgesperrten Platzbereichs jedes Jahr, und so hätten sich die Kosten der nicht durchgeführten Deckensanierung schon längst amortisiert.

Obschon das Environment als Kunstwerk im Katalog des Museum Ludwig inventarisiert ist, gilt dafür die Verkehrssicherungspflicht des Amts für Straßen und Verkehrstechnik. Unter der starken Beanspruchung, insbesondere dem unerlaubten Befahren mit schweren Reinigungsfahrzeugen, hatte die Platzoberfläche über die Jahre hinweg massiv gelitten.

Gebrochene Granitplatten und herausstehende oder fehlende Ziegel wurden besonders in der von Fußgängern und Radfahrern stark frequentierten Verbindung zwischen Roncalliplatz und Hohenzollernbrücke zu gefährlichen Stolperfallen.

Karavan hatte die kleinformatigen Klinker im Sandbett verlegen lassen, Gras und Moos hätten Halt geben sollen. Für eine dauerhafte Lösung wollte die Stadt jedoch die Platzoberfläche bei der nötigen Sanierung fest mit Mörtel verfugen lassen. Es regte sich Widerstand; Künstler und Architekten forderten in die Reparaturmaßnahme einbezogen zu werden, unterstützt von der Initiative »BürgerInnen für Ma’alot«. Nach Jahren des Verhandelns und einigen von der TH Köln durchgeführten technischen Studien wurde mit der kostspieligen Sanierung begonnen: Granitplatten wurden aufgenommen und neu verlegt, gebrochene Exemplare ersetzt. Auf einer Fläche von 2 500 m² wurden die Ziegel vollständig durch einen nun 8 statt 5 cm hohen Stein ersetzt, der sowohl durch die größere Höhe als auch die eingesetzten Fugenkreuze – selbst in ungebundener Verlegung – ausreichende Stabilität aufweisen soll. Im April 2016 wurde schließlich die Sanierung nach 18 Monaten vorwiegend nächtlichen Arbeitens abgeschlossen.

Nur durch das Engagement einzelner Bürger sieht der Heinrich-Böll-Platz heute wieder so aus wie zu seiner Eröffnung 1986. Gelegentlich finden Tanz-Performances statt, die an das Wesen der Bewegung dieses immer wieder in Teilen stillgelegten Orts erinnern. Die Achse zwischen Hohenzollernbrücke und Domchor, die nicht unmittelbar von den akustischen Problemen betroffen ist, wird heute allerdings so stark frequentiert wie wohl noch nie zuvor: von Reisenden, Touristen und Pendlern – viele davon mit Rollkoffern. Und es ist interessant zu beobachten, wer von ihnen den Koffer über die Ziegel ­rattern lässt und wer sich für die glatte Granitspur entscheidet.

db, Mi., 2018.05.02



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db 2018|05 Außenraum

28. Juli 2017Uta Winterhager
Bauwelt

Dem Tunnel das Dunkel abgewöhnen

In der Domumgebung Ost haben Allmann Sattler Wappner seit dem ersten Wettbewerb 2002 aufgeräumt. Mit Dionysoshof und Baptis­terium sind zwei historische Orte wieder wahrnehmbar geworden.

In der Domumgebung Ost haben Allmann Sattler Wappner seit dem ersten Wettbewerb 2002 aufgeräumt. Mit Dionysoshof und Baptis­terium sind zwei historische Orte wieder wahrnehmbar geworden.

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Bauwelt 2017|15 Das Wunder von Köln

27. Januar 2017Uta Winterhager
Bauwelt

Raumempfinden

In der Bonner Bundeskunsthalle kann ein nervenaufreibender Parcours von Räumen des Künstlers Gregor Schneider begangen werden.

In der Bonner Bundeskunsthalle kann ein nervenaufreibender Parcours von Räumen des Künstlers Gregor Schneider begangen werden.

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Bauwelt 2017|02 Tor zur Musik

11. März 2016Uta Winterhager
Bauwelt

Nichts gewonnen

Ende Februar beschloss der Bundestag das neue Vergaberecht. Architekten und Berufsverbände kritisieren, dass damit der Planungswettbewerb zu wenig gefordert und junge sowie kleine Büros zu wenig gefördert werden.

Ende Februar beschloss der Bundestag das neue Vergaberecht. Architekten und Berufsverbände kritisieren, dass damit der Planungswettbewerb zu wenig gefordert und junge sowie kleine Büros zu wenig gefördert werden.

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Bauwelt 2016|11 Bergland im Höhenrausch

11. Dezember 2015Uta Winterhager
Bauwelt

Erfolgreich abweichen

Das kooperative Verfahren für die Parkstadt Süd in Köln ist abgeschlossen. Favorisiert wird ein Entwurf, der die Vorgaben in Frage stellt.

Das kooperative Verfahren für die Parkstadt Süd in Köln ist abgeschlossen. Favorisiert wird ein Entwurf, der die Vorgaben in Frage stellt.

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Bauwelt 2015|47 Schule machen

31. Juli 2015Uta Winterhager
Bauwelt

Areal Deutsche Welle Köln

Köln braucht Wohnungen, viele, und zwar schnell. Weil derzeit jeder Preis gezahlt wird, wagt eine Projektgesellschaft den Kraftakt: Sie will die bunten Hochhausgeschwister der Deutschen Welle aufwendig asbestsanieren, sprengen und auf dem Areal dann 750 Wohnungen bauen. Eine städtebauliche Form dafür wurde im Rahmen einer Mehrfachbeauftragung gesucht.

Köln braucht Wohnungen, viele, und zwar schnell. Weil derzeit jeder Preis gezahlt wird, wagt eine Projektgesellschaft den Kraftakt: Sie will die bunten Hochhausgeschwister der Deutschen Welle aufwendig asbestsanieren, sprengen und auf dem Areal dann 750 Wohnungen bauen. Eine städtebauliche Form dafür wurde im Rahmen einer Mehrfachbeauftragung gesucht.

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Bauwelt 2015|28-29 Lassila und die jungen Finnen

15. Mai 2015Uta Winterhager
Bauwelt

Bin ich noch ein Haus?

Schwer sitzt das fette Haus auf der Wiese unter der blühenden Magnolie, sein Anblick erschreckend menschlich, erschreckend entstellt. Die schiere Masse des Materials ist überall zuviel, die Fenster zugequollen zu winzigen Äuglein, die Tür ein zahnloser Mund, der sich nach noch mehr Futter zu sehnen scheint. Obendrauf sitzt ein rotes Satteldach fast unberührt von dem Drama, das sich darunter abspielt – ein trauriges Souvenir besserer Zeiten, als alles noch im Lot war.

Schwer sitzt das fette Haus auf der Wiese unter der blühenden Magnolie, sein Anblick erschreckend menschlich, erschreckend entstellt. Die schiere Masse des Materials ist überall zuviel, die Fenster zugequollen zu winzigen Äuglein, die Tür ein zahnloser Mund, der sich nach noch mehr Futter zu sehnen scheint. Obendrauf sitzt ein rotes Satteldach fast unberührt von dem Drama, das sich darunter abspielt – ein trauriges Souvenir besserer Zeiten, als alles noch im Lot war.

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Bauwelt 2015|19 Berliner Wandlungen

06. Februar 2015Uta Winterhager
Bauwelt

Der Gipfel des Berges funkelt

Der Gipfel des Berges funkelt doch sein Versprechen kann er nicht halten. Der Wettbewerb zur Neugestaltung des Loreley-Plateaus suchte nach einer zeitgemäßen Inszenierung für Landschaft, Kultur und Mythos des UNESCO-Weltkulturerbes.

Der Gipfel des Berges funkelt doch sein Versprechen kann er nicht halten. Der Wettbewerb zur Neugestaltung des Loreley-Plateaus suchte nach einer zeitgemäßen Inszenierung für Landschaft, Kultur und Mythos des UNESCO-Weltkulturerbes.

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Bauwelt 2015|06 Geschichten vom Bauen

23. Januar 2015Uta Winterhager
Bauwelt

Domplatte Aufräumen

Der geplante Abriss zweier Bauten ermöglicht, die südliche Kölner Domplatte im großen Maßstab aufzuräumen. Zur Vorbereitung eines städtebaulichen Wettbewerbs hat die Stadt Köln ein aufwendiges Werkstattverfahren mit 13 geladenen Büros durchgeführt.

Der geplante Abriss zweier Bauten ermöglicht, die südliche Kölner Domplatte im großen Maßstab aufzuräumen. Zur Vorbereitung eines städtebaulichen Wettbewerbs hat die Stadt Köln ein aufwendiges Werkstattverfahren mit 13 geladenen Büros durchgeführt.

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Bauwelt 2015|04 Ein Wahrzeichen bitte, Herr Prix!

30. November 2014Uta Winterhager
Bauwelt

Beethovens Zweite

Vor drei Jahren berichtete die Bauwelt zuletzt über die Bonner Mühen, ein Beethoven Festspielhaus zu bauen (Bauwelt 48.2011). Zwei Entwürfe (der Diamant von Zaha Hadid und die Welle von Valentiny) standen nach einem Wettbewerb zur Diskussion, doch scheiterte deren Realisierung an Geld und Baugrund.

Vor drei Jahren berichtete die Bauwelt zuletzt über die Bonner Mühen, ein Beethoven Festspielhaus zu bauen (Bauwelt 48.2011). Zwei Entwürfe (der Diamant von Zaha Hadid und die Welle von Valentiny) standen nach einem Wettbewerb zur Diskussion, doch scheiterte deren Realisierung an Geld und Baugrund.

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Bauwelt 2014|45 Fortschritt

03. April 2014Uta Winterhager
db

Rheinpark in Köln

Egal in welchem Zustand, die Kölner lieben ihren Rheinpark. Nach den Höhepunkten der Bundesgartenschauen 1957 und 1971 verwahrloste er zwar jeweils zunehmend, doch ging nur wenig dabei verloren. Seit einigen Jahren engagieren sich Stadt und Bürger dafür, das außergewöhnlich vielfältige gartengestalterische Erbe zu erhalten.

Egal in welchem Zustand, die Kölner lieben ihren Rheinpark. Nach den Höhepunkten der Bundesgartenschauen 1957 und 1971 verwahrloste er zwar jeweils zunehmend, doch ging nur wenig dabei verloren. Seit einigen Jahren engagieren sich Stadt und Bürger dafür, das außergewöhnlich vielfältige gartengestalterische Erbe zu erhalten.

´Die Idee aus der Uferlandschaft zwischen Deutzer Messe und Mühlheimer Hafen einen Volkspark zu machen, stammt bereits aus den 20er Jahren. Schon damals schuf man hier einen Park mit funktionaler Zweigliederung: Spiel und Sport auf weiten Auenwiesen sollten den Großstädtern gut tun, ein gärtnerisch stärker kultivierter Bereich hinter dem schützenden Deich Ruhe und Kontemplation ermöglichen. Doch der Zweite Weltkrieg hinterließ auch auf dem Rheinparkgelände nur Bombenkrater und Trümmer. Und während ringsum die Stadt wieder aufgebaut wurde, entsorgte man hier den Schutt, der bald zu unübersehbaren Halden angewachsen war. Als Köln sich für die Ausrichtung der Bundesgartenschau 1957 bewarb, war der Wunsch groß, an dieser Stelle endlich wieder Raum für Spiel und Erholung zu schaffen.

Modelliert

»Blumen blühen am Rhein« hieß es, als die Gartenschau im April 1957 eröffnet wurde, doch die Pracht der 2,5 Mio. Pflanzen war nur eine ihrer zahlreichen Facetten. Unter der künstlerischen und technischen Oberleitung des städtischen Gartenbaudirektors Kurt Schönbohm waren die Trümmerberge und der Deich auf einem 2,3 km langen Streifen entlang des Rheins zu einer reizvoll welligen Landschaft modelliert worden, die vom Ufer aus leicht anstieg und unattraktive Ansichten von Hafen und Industrie verbarg. Schönbohm, der seinen Rahmenplan aus Elementen der prämierten Wettbewerbsbeiträge des Architekten Rembald von Steinbüchel-Rheinwall, der Gartenarchitekten Günther Schulze und Joachim Winkler und der Landschaftsarchitektin Hertha Hammerbacher erarbeitet hatte, verteilte unterschiedlich gestaltete Themeninseln, deren Dichte und Grad an Gestaltung zum Ufer hin abnahmen, über das Areal. Damit griff er zwar die historische Zweigliederung des Parks wieder auf, vermied jedoch den vormalig harten Bruch zwischen Landschaft und Garten. Mit der Rheinseilbahn, einem Sessellift und der Kleinbahn »Trans-Rheinpark-Express«, fügte er der Gartenschau noch eine attraktive technische Ebene hinzu.

Bis heute wurde an der seit 1989 denkmalgeschützten Anlage des Rheinparks nur wenig verändert. Man sieht dem Park jedoch an, dass er etlichen Hochwasserständen ebenso widerstehen musste wie dem Flächenfraß durch die angrenzende Messe und benachbarter Industrie. Seit 1966 »überfliegt« die Zoobrücke den Park an seinem Nordende und das Dauerrauschen der sechsspurigen Autobahn wurde Teil seiner Geräuschkulisse. Auch die BUGA von 1971 auf demselben Gelände hinterließ ihre Spuren. Doch gelang es, das Gesamtkunstwerk von 1957 nicht zu überzeichnen: dasselbe Planungsteam um Schönbohm ergänzte und modernisierte vorsichtig den Bestand.

Als großes Problem stellte sich in den 80er Jahren jedoch das fehlende Nachnutzungskonzept für das Gartenschaugelände heraus. Der Stadt fehlten die Mittel, und so ließ sie Beete verwildern und Sichtachsen zuwachsen, sanierungsbedürftige Spielgeräte wurden abgebaut und nicht mehr ersetzt, die Cafés standen leer. Nach und nach verblasste das Erscheinungsbild der einst so eleganten und modernen Parklandschaft. Erst großes bürgerschaftliches Engagement führte dazu, dass der Erhalt des Rheinparks zum lokalpolitischen Thema wurde. Nach einer umfangreichen Analyse wurde die Sanierung schließlich angegangen, sodass der Rheinpark sein 50-jähriges Bestehen im Jahr 2007 in einem angemessenen Zustand feiern konnte.

Hierarchielos

2001 saniert und neu bespannt prägt die leichte Überdachung (Frei Otto 1957) des Tanzbrunnens, das sogenannte Sternwellenzelt, noch heute die Rheinansicht des Parks. Nur als temporäres Eingangsbauwerk der Gartenschau geplant war hingegen der eindrucksvolle mit einem 700 m² großen Glasseide-Segel überspannte Stahlbogen, ebenfalls von Frei Otto, und wurde danach wieder abgebaut. Das Rosencafé im Norden des Parks (Fritz Ruempler) und das Restaurant Rheinterrassen (Hans Schilling) blieben zwar erhalten, doch Erweiterungen und Umbauten schränken mittlerweile deren Lesbarkeit und Zugänglichkeit erheblich ein. Wer den Park heute besucht, wird den Schwund der Architektur dennoch kaum bemerken, so beeindruckend sind die Weite und Vielschichtigkeit der Anlage. Großzügige geschwungene Wege durchziehen das Gelände und verknüpfen die einzelnen Themeninseln, Rosengarten, Flamingoteich, Spielhügellandschaft, Brunnengarten, um nur einige zu nennen, miteinander. Hier wurde das Bild einer neuen Zeit gezeichnet, ohne Hierarchie, ohne Raster, ohne Brüche.

Auch Architektur und Landschaft standen und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Im Rosengarten wurden nach Entwürfen von Schulze und Winkler fünf Lauben gebaut, einfache Stahlkonstruktionen, die an drei Seiten mit Glas verkleidet waren. Im Laufe der Jahre mussten zwar die Gläser entfernt werden, doch die filigranen, weiß gestrichenen Stahlskelette zeigen noch heute, wie groß der Wunsch danach war, das Gebaute auf ein Minimum zu beschränken, es aufzulösen, damit es mit seiner Umgebung eins werde. Ähnlich reduziert gestaltet und von hoher grafischer Wirkung sind auch die Pergolen an den Wasserterrassen von Hertha Hammerbacher und die »Windharfen« ihrer Tochter Merete Mattern im Staudengarten.

Betoniert

Zur gestalterischen Einheit von Architektur und Landschaft trägt auch die abwechslungsreiche und sehr prägnante Verwendung von Beton bei. Fast könnte man von einem Fest für den Beton sprechen, mit so viel Ideenreichtum und Mut zum Experiment wurde er überall präsentiert. Der Werkstoff erlaubte neue Farben und Formen, strukturierte Oberflächen, filigrane Konstruktionen und er war günstig, schnell verfügbar und sehr modern. Und durchaus langlebig, wenn auch im Alter nicht unbedingt schöner, wie sich an der Vielfalt der erhaltenen Plattenbeläge, Treppenelemente und Brunneneinfassungen zeigt.

Ein trauriges Schicksal erleidet das Park-Café (Steinbüchel-Rheinwall), das im Ensemble mit Tropenhof, großem Blumengarten und Wassergarten das Zentrum der ursprünglichen Parkanlage gebildet hat. Auch heute noch führt das dreigeschossige Gebäude, das entgegen vielfacher Behauptungen keineswegs nur für eine temporäre Nutzung errichtet worden war, mit geschwungenen Terrassen, filigranen Rampen, fliegendem Dach und überschlanken Stützen das stilistische Repertoire der 50er Jahre vor. Doch seit Jahrzehnten verfällt der leer stehende Bau zusehends, eine wirtschaftliche Nutzung zu finden scheint unmöglich, seine Zukunft ist weiter ungewiss.

Immer wieder galt es, im Rheinpark individuelle Lösungen zu finden, die Geschichte und Gegenwart gleichermaßen gerecht werden. Bei der Sanierung der charakteristischen Pflasterungen, Betonverbundsteinen, Klinker und Grauwacke, geht die Stadt sehr zurückhaltend vor und ersetzt nur, was zur Gefahr wird. Denn einmal angehoben, so zeigt es sich, lassen sich die inzwischen mürben Beläge kein zweites Mal verlegen. Der Erhalt einzelner Parkelemente wie die Kieselmosaike des Brunnengartens ist sogar so aufwendig, dass er nur durch die Arbeit eines Unterstützervereins gesichert werden kann. Und ob die kostbaren Bronzestatuen aus den 50ern, die zunehmend häufig zerstört werden, weiter in der öffentlichen Grünanlage stehen können, muss noch entschieden werden. Als wahre Publikumsmagneten haben sich indessen über alle Jahrzehnte hinweg die großen, außergewöhnlich gestalteten Spielplätze und die variantenreichen Wasserspiele erwiesen.

Wirklich störend in dieser bunten Collage von Parkelementen sind die Gestelle der sogenannten Schaufenster mit Einblicken in die Geschichte des Parks, die vor einigen Jahren an den schönsten Stellen platziert wurden. Eine Grünanlage wie der Rheinpark in Köln braucht jedoch kein didaktisches Mobiliar, vielmehr soll er entdeckt werden und überraschen dürfen.

db, Do., 2014.04.03



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db 2014|04 Aussenraum

14. Februar 2014Uta Winterhager
Bauwelt

Vom Ende des visuellen Architekten

Umbau sei die Zukunftsaufgabe der Stadtentwicklung. Darüber herrschte Einigkeit bei der Konferenz UmBauKultur – Häuser von gestern für die Stadt von morgen, einer Veranstaltung der Landesinitiative StadtBauKultur NRW Ende Januar in Gelsenkirchen.

Umbau sei die Zukunftsaufgabe der Stadtentwicklung. Darüber herrschte Einigkeit bei der Konferenz UmBauKultur – Häuser von gestern für die Stadt von morgen, einer Veranstaltung der Landesinitiative StadtBauKultur NRW Ende Januar in Gelsenkirchen.

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Bauwelt 2014|07 Metropole Ruhr

06. Dezember 2013Uta Winterhager
Bauwelt

Kopfbauten

Weil man an einen Ungers-Bau nicht einfach andocken kann, soll er unterirdisch erweitert werden. Das man sich dabei aber nicht streng an die Auslobung halten muss, zeigen in Köln Christ & Gantenbein.

Weil man an einen Ungers-Bau nicht einfach andocken kann, soll er unterirdisch erweitert werden. Das man sich dabei aber nicht streng an die Auslobung halten muss, zeigen in Köln Christ & Gantenbein.

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Bauwelt 2013|46 Ortsbildpflege

25. Oktober 2013Uta Winterhager
Bauwelt

Lernen im Grünen

Die Initiatoren wollen „Türen öffnen für bewegendes Lernen“, doch die Anwohner fordern: „Hände weg vom Klingelpützpark!“. Dass sich für ungewöhnliche pädagogische Konzepte und kostbares Innenstadtgrün in einem langen Beteiligungsprozess eine gemeinsame Form finden lässt, zeigt ein Wettbewerb in Köln.

Die Initiatoren wollen „Türen öffnen für bewegendes Lernen“, doch die Anwohner fordern: „Hände weg vom Klingelpützpark!“. Dass sich für ungewöhnliche pädagogische Konzepte und kostbares Innenstadtgrün in einem langen Beteiligungsprozess eine gemeinsame Form finden lässt, zeigt ein Wettbewerb in Köln.

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Bauwelt 2013|40 Chicago gezeichnet

11. Oktober 2013Uta Winterhager
Bauwelt

Kurzer Eugen

Das Kerngebiet des ehemaligen Regierungsviertels hat als UN-Campus eine stimmige Nachnutzung gefunden. In dem Park zwischen den prominenten Baudenkmälern soll nun noch Raum für die 330 Mitarbeiter des Klimarahmensekretariats geschaffen werden.

Das Kerngebiet des ehemaligen Regierungsviertels hat als UN-Campus eine stimmige Nachnutzung gefunden. In dem Park zwischen den prominenten Baudenkmälern soll nun noch Raum für die 330 Mitarbeiter des Klimarahmensekretariats geschaffen werden.

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Bauwelt 2013|38 Košice 2013

12. Juli 2013Uta Winterhager
Bauwelt

Aus der Spinnenperspektive

Zugegeben, bei meinem ersten Versuch komme ich nicht so weit, wie ich es vorhatte. Die ersten Meter klappen gut, aufrecht und ohne die Hände zur Hilfe zu nehmen, schaffe ich den Einstieg. Mit einem Blick nach unten vergewissere ich mich: Bei maximal drei Metern Fallhöhe würde nichts Ernsthaftes passieren.

Zugegeben, bei meinem ersten Versuch komme ich nicht so weit, wie ich es vorhatte. Die ersten Meter klappen gut, aufrecht und ohne die Hände zur Hilfe zu nehmen, schaffe ich den Einstieg. Mit einem Blick nach unten vergewissere ich mich: Bei maximal drei Metern Fallhöhe würde nichts Ernsthaftes passieren.

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Bauwelt 2013|26 Der Landschaft halber

10. Mai 2013Uta Winterhager
Bauwelt

Gut bedacht

Die Kleinstadt Vreden im Westmünsterland soll ein Kulturhistorisches Zentrum bekommen. Für die Wettbewerbsteilnehmer bestand die Aufgabe darin, ei­nen über Jahrzehnte gewachsenen Museumskomplex zu überplanen und um Orte für kulturelle Bildung zu erweitern.

Die Kleinstadt Vreden im Westmünsterland soll ein Kulturhistorisches Zentrum bekommen. Für die Wettbewerbsteilnehmer bestand die Aufgabe darin, ei­nen über Jahrzehnte gewachsenen Museumskomplex zu überplanen und um Orte für kulturelle Bildung zu erweitern.

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Bauwelt 2013|17-18 Wolfsburg 75!

08. April 2013Uta Winterhager
db

Zwischen Erde und Himmel

Ein Kolumbarium muss kein Taubenschlag sein, das zeigt Volker Staab mit seinem bronzenen Urnengräberfeld in der umgenutzten Grabeskirche Liebfrauen in Dortmund. Wer diesen Raum betritt, kann glauben, dass das Leben im Tod nicht genommen, sondern gewandelt wird.

Ein Kolumbarium muss kein Taubenschlag sein, das zeigt Volker Staab mit seinem bronzenen Urnengräberfeld in der umgenutzten Grabeskirche Liebfrauen in Dortmund. Wer diesen Raum betritt, kann glauben, dass das Leben im Tod nicht genommen, sondern gewandelt wird.

Die Geschichte der Dortmunder Liebfrauenkirche ist ähnlich vieler anderer Kirchen in der Region: Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, als Katholizismus und Industrie prosperierten, wurde sie im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört und von der Gemeinde ab 1947 wieder aufgebaut. Heute steht der neogotische Ziegelbau des Wiener Architekten Friedrich von Schmidt dicht umbaut und umfänglich saniert im innerstädtischen Klinikviertel. Bis 2008 war die Zahl der Gemeindemitglieder so weit zurückgegangen, dass die wenigen verbliebenen der benachbarten Propsteigemeinde angegliedert wurden. Um das Gotteshaus aber dennoch bewahren zu können, wollte der Katholische Gemeindeverband Östliches Ruhrgebiet es weiterhin gerne selber nutzen. Nicht als Kirche ohne Gemeinde, sondern als christliche Urnengrabstätte, Bestattungsort für Katholiken wie Protestanten gleichermaßen. Ein eher ungewöhnliches Unterfangen, war doch Katholiken die Kremation bis 1963 noch gänzlich verboten. Inzwischen sind mehr als die Hälfte aller Beisetzungen (auch katholische) in deutschen Großstädten Feuerbestattungen und der Wunsch nach einem christlichen Rahmen aus Ort und Liturgie wächst stetig. Diesen mitten in der Stadt, in der Liebfrauenkirche zu schaffen ist in einer Gesellschaft, die den Gedanken an den Tod eher aus dem Alltag verbannt, ein mutiger Schritt. Da es bis heute aber nur erlaubt ist, Päpste, Bischöfe und Kardinäle in einer Kirche beizusetzen, musste der Bau vor der Umnutzung zum Kolumbarium profaniert werden.

Dass auch die Art der Gestaltung eine wichtige Rolle bei der Akzeptanz der neuen Nutzung spielen würde, hat der Katholische Gemeindeverband frühzeitig erkannt und 2008 einen Wettbewerb ausgelobt. In Deutschland gab es zu dieser Zeit genau zwei vergleichbare Beispiele: die Grabeskirche St. Josef Aachen (Hahn Helten + Assoziierte, 2006) und das Kolumbarium in der Allerheiligenkirche Erfurt (Evelyn Körber, 2007). In beiden Fällen wurde die Grundidee des Kolumbariums – eine Wand wie ein Taubenschlag – in übermannshohe Stelen aufgelöst. Der Gesamteindruck der Stelen ist jeweils sehr dicht und skulptural, die schmalen Zwischenräume haben zwar eine intime Wirkung, doch die Kirchenräume verlieren an Offenheit und Weite.

Schweres Dunkel für Trauer und Gedenken

Als Ergebnis des Dortmunder Wettbewerbs wurden die beiden ersten Preisträger beauftragt. Volker Staab (Berlin) mit der Realisierung der Urnengrabstätten und die Künstler Lutzenberger + Lutzenberger (Bad Wörishofen) mit der Gestaltung der Prinzipalstücke für den Chorraum, in dem die Trauerfeiern abgehalten werden.

Staab Architekten nutzten die gesamte Fläche des Kirchenraums und verzichteten auf Höhe, sie entwarfen ein rechteckiges Gräberfeld auf dem scharfkantige Blöcke aus dunkler Bronze in rechtwinkliger Symmetrie um die acht Pfeiler der Stufenhalle mäandrieren. Das Bild ist streng und geerdet, doch da die bronzenen Einbauten nicht höher als die Rückenlehnen üblicher Kirchenbänke sind, bleibt die Weite des Raums erhalten. Die Bodennähe der Einbauten erinnert an ein Gräberfeld und nimmt der Urnenstätte so ihre Fremdheit.

Zweieinhalb Jahre nach der Eröffnung sind etwa 100 Grabstätten belegt, wie die Kerzen und Blumen und die quadratischen Abdeckplatten auf den »Bronzeblöcken« zeigen. Kein Detail, keine Gliederung gibt Aufschluss über Inhalt oder Konstruktion der Einbauten und fast nahtlos werden sie eins mit den bronzenen Bodenplatten. Die Urnen sind geborgen und geschützt – für die Angehörigen ein entscheidender Aspekt. Während der Beisetzung werden die Urnen von oben in die Kammern herabgesenkt, ein Ritual, das dem Herablassen des Sargs bei der Erdbestattung sehr ähnlich ist. Verschlossen werden die Gräber mit einer gegossenen Bronzeplatte, die nach den Wünschen der Angehörigen gestaltet werden kann. Dabei sind Typografie und Schriftgröße vorgegeben, es können jedoch individuelle Bildmotive – z. B. auch ein Foto des Verstorbenen – verwendet werden. Zu jeder Grabplatte gehören wahlweise außerdem ein Opferlichthalter, ein Kerzenhalter und eine Blumenvase, die an den Rand der Grabplatte gesteckt werden können. Ursprünglich war es so – und offiziell gilt das noch immer – dass darüber hinaus keine Dekorationen auf den Grabstellen erlaubt sind. Doch keiner bringt es übers Herz, die hinterlegten Sträuße, Engelchen oder Kinderbasteleien wegzuräumen. Auch hat die Erfahrung gezeigt, dass der Wunsch, die Grabstätte mit persönlichen Dingen zu schmücken, Teil des Trauerprozesses ist und mit der Zeit nachlässt.

In die Urnengrabblöcke sind an mehreren Stellen gepolsterte Sitzbänke eingelassen, die es den Angehörigen ermöglichen, dem Verstorbenen auch physisch nah zu sein. 20 Jahre währt die Nutzungs- bzw. Ruhezeit der Urnengrabstätten, danach wird die Totenasche von einem Priester in die »Letzte Ruhestätte« überführt. Sehen kann man davon nur ein geschlitztes Kreuz in der Mitte des Gräberfeldbodens, darunter verbirgt sich ein zum Erdreich offener Aschebrunnen.

Lichte Weite für Glaube und Hoffnung

Die gegensätzliche Wirkung der Materialien, schwere, dunkle Bronze (fein geschliffen, chemisch braun gefärbt und gewachst) an den Grabstätten und helle kanadische Eiche in lockerer Schichtung für Boden, Einbauten und Mobiliar im Chorraum, verstärkt die funktionale Gliederung des Kirchenraums. Hier setzt auch die Lichtplanung (ausschließlich mit LED) vom Büro Licht Kunst Licht an; vom Eingang aus betrachtet liegt hinter dem dunklen Gräberfeld der hell erleuchtete Chorraum. Die Gewölbe der Mittel- und Seitenschiffe werden mit diffusem Licht gleichmäßig ausgeleuchtet, um die gesamte Raumhöhe wirken zu lassen. Im Urnenfeld ist es gerade so hell, dass die Flammen der Kerzen auf den Gräbern noch als Lichtpunkte leuchten. Die gekonnte Mischung von Kunst- und Tageslicht verleiht dem Raum eine warme Atmosphäre, besonders reizvoll ist es, wenn die durch die bunten Fenster einfallenden Sonnenstrahlen ein flimmerndes Lichterspiel auf dem Gräberfeld erzeugen.

Im rechten Seitenschiff befindet sich die »Grabstätte für Unbedachte«, eine bronzene Wandscheibe in deren Nischen die Asche obdach- und mittelloser Menschen beigesetzt wird. Auch ihre Grabstätten bekommen ein Namensschild, die Kosten übernimmt der Gemeindeverband Kath. Kirchengemeinden ÖR. Nicht zuletzt trägt die neue Nutzung der Kirche auch wirtschaftlich dazu bei das Gebäude zu erhalten. Die Urnengrabstätten, von denen es etwa 4 800 gibt, werden in drei Preisstufen angeboten, Wahlgrabstätten für zwei Urnen kosten 7 000 Euro, Reihengrabstätten 3 000 und ein Platz in der Gemeinschaftsgrabstätte in der Josephskapelle 1 600 (die Kosten fallen jeweils einmalig für 20 Jahre Nutzungszeit an). Damit die Grabeskirche sich rechnet, braucht man einen langen Atem, sagt die Verwaltung, doch das Interesse nicht nur an den Grabstätten, sondern an der gesamten Institution ist enorm, wie die über 100 Führungen im letzten Jahr gezeigt haben.

An einem Dienstagmorgen im Februar ist die Kirche eiskalt, doch immer wieder kommen Menschen – und bleiben. Sie bringen Blumen mit, tauschen Kerzen aus und sprechen miteinander. Oft kommt es dazu, dass sich Einsame und Trauernde hier gegenseitig Trost spenden. Denn die Grabeskirche bietet neben der Schwere des Todes auch Allegorien für das Leben und den christlichen Glauben. Es ist nicht nur das Licht, dessen Wirkung man sich kaum entziehen kann, sondern auch die stille Größe des scheinbar unberührten sakralen Raums.

db, Mo., 2013.04.08



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db 2013|04 Trauer braucht Raum

01. März 2013Uta Winterhager
Bauwelt

Gestaltung des neuen Erdgaskraftwerks in Düsseldorf

Ein Kraftwerk ist, vor allem wenn es exponiert steht, immer ein visueller Störfaktor. Aus dieser Not haben die Stadtwerke Düsseldorf eine Tugend gemacht.

Ein Kraftwerk ist, vor allem wenn es exponiert steht, immer ein visueller Störfaktor. Aus dieser Not haben die Stadtwerke Düsseldorf eine Tugend gemacht.

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Bauwelt 2013|09 Erinnerungen

08. Februar 2013Uta Winterhager
Bauwelt

Phantomschmerz am Stadtarchiv

Noch bis mindestens 2017 muss Köln sein Stadtarchivvakuum aushalten. Zur Zeit sind die Archivalien, soweit geborgen, im gesamten Bundesgebiet zur Restaurierung unterwegs. In der Severinstraße klafft ein riesiges Loch. Die Stadt hofft, dass die Zeit auch diese Wunde heilt, und hat mit einer Therapie aus Architektur und Städtebau begonnen. Doch vielen ist das zu einfach.

Noch bis mindestens 2017 muss Köln sein Stadtarchivvakuum aushalten. Zur Zeit sind die Archivalien, soweit geborgen, im gesamten Bundesgebiet zur Restaurierung unterwegs. In der Severinstraße klafft ein riesiges Loch. Die Stadt hofft, dass die Zeit auch diese Wunde heilt, und hat mit einer Therapie aus Architektur und Städtebau begonnen. Doch vielen ist das zu einfach.

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Bauwelt 2013|06 Raummöbel

01. Juni 2012Uta Winterhager
Bauwelt

Nutzungswechsel am Rheinufer

Wie andere deutsche Großstädte hat Köln einen enormen Bedarf an innerstädtischem Wohnraum. Dem gegenüber stehen viele leere Büros, auch im Stadtteil Bayenthal, wo jetzt umgeplant wird.

Wie andere deutsche Großstädte hat Köln einen enormen Bedarf an innerstädtischem Wohnraum. Dem gegenüber stehen viele leere Büros, auch im Stadtteil Bayenthal, wo jetzt umgeplant wird.

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Bauwelt 2012|22 Noch lange kein Check-in

01. Februar 2012Uta Winterhager
db

Alfried Krupp Krankenhaus in Essen

Für eine Architektur mit durchschnittlichen Anforderungen an Funktionalität und Gebäudetechnik sind 30 Jahre eigentlich kein Alter. Ein Krankenhaus hingegen darf nicht in die Jahre kommen, denn niemand möchte sich heute auf dem Stand von 1981 medizinisch versorgen lassen. Doch Konzepte für Pflege und Versorgung sowie die Häuser selbst altern auch im Klinikbau, die technische Entwicklung in der Medizin geht oft so schnell, dass die Gebäude kaum hinterherkommen. Wie eine von Beginn an nachhaltige Planung die notwendigen Erneuerungszyklen seit 30 Jahren mitmacht und damit Gestaltungsspielräume eröffnet, zeigt das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen.

Für eine Architektur mit durchschnittlichen Anforderungen an Funktionalität und Gebäudetechnik sind 30 Jahre eigentlich kein Alter. Ein Krankenhaus hingegen darf nicht in die Jahre kommen, denn niemand möchte sich heute auf dem Stand von 1981 medizinisch versorgen lassen. Doch Konzepte für Pflege und Versorgung sowie die Häuser selbst altern auch im Klinikbau, die technische Entwicklung in der Medizin geht oft so schnell, dass die Gebäude kaum hinterherkommen. Wie eine von Beginn an nachhaltige Planung die notwendigen Erneuerungszyklen seit 30 Jahren mitmacht und damit Gestaltungsspielräume eröffnet, zeigt das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen.

Das 1980 im Essener Stadtteil Rüttenscheid eröffnete Alfried Krupp Krankenhaus steht als Stiftungskrankenhaus in der Tradition der Familie Krupp: ihrem fortschrittsorientierten unternehmerischen Denken und ihrer Selbstverpflichtung für die Gesundheitsfürsorge. Letztere galt zunächst den Arbeitern der Gussstahlfabrik Fried. Krupp und den Kriegsversehrten, sie wurde aber 1920 mit der Gründung der Kruppschen Krankenanstalten auf alle Essener Bürger ausgeweitet. Diese wurden im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört, jedoch provisorisch wiederhergestellt, bis 1955 ein 575-Betten-Krankenhaus mit modernsten technischen Einrichtungen daraus entstanden war – das sich allerdings in 22 verschiedenen Gebäuden befand. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Urenkel des Lazarettgründers und damaliger Firmeninhaber, schrieb 1963 einen Wettbewerb für den Neubau des Krankenhauses aus, den Heinrich Wörner, zu der Zeit noch in der Bürogemeinschaft Köhler-Kässens in Frankfurt tätig, gewann. Zur Realisierung kam es zunächst nicht, da Krupp 1967 starb. Doch 1971 nahm die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, der er sein gesamtes Vermögen vermacht hatte, die Planungen wieder auf und lobte unter Vorsitz von Berthold Beitz einen zweiten Wettbewerb aus. Wieder gewann Heinrich Wörner, der inzwischen mit Wörner + Partner ein eigenes Büro gegründet hatte.

Die Anforderungen der Stiftung an den Klinikneubau waren von einem aus der Kruppschen Historie erwachsenen unternehmerischen Markenbildungsdenken geprägt, dessen Übertragung auf eine sich dem Gemeinwohl verpflichtende Institution ihrer Zeit weit voraus war. Voraussetzung für diese Art der Profilierung war, dass die Stiftung über eigenes Kapital verfügte und nicht auf ein städtisches Minimalbudget angewiesen war, und dass das 45 000 m² große Baugrundstück eine »tabula rasa«-Situation ohne städtebauliche Zwänge bot. In dem Zielkonflikt zwischen Menschlichkeit und technisch perfekter Gesundheitsfürsorge bezog die Stiftung die eindeutige Position »weg von der Genesungsmaschine« und setzte in einem von Beginn an ganzheitlichen und interdisziplinären Planungsprozess darauf, dass Architektur und Gestaltung einen wesentlichen Beitrag dazu leisten sollen.

Während in Aachen zur gleichen Zeit ein aufsehenerregendes High-Tech-Klinikum (Architekten Weber Brand & Partner) geplant wurde, zeigte man sich in Essen in der Form vergleichsweise konservativ. Das eigentlich Innovative liegt in der Schaffung der Marke Alfried Krupp Krankenhaus, einer Einheit aus kompetenter Gesundheitsfürsorge, ökonomischer Verantwortung und einer identitätsbildenden Gestaltung, die auch heute, wo sie gut 30 Jahre im Betrieb ist, kaum gealtert zu sein scheint.

Wertkonservativ und innovationsbereit

Der Entwurf von Heinrich Wörner basiert auf dem damals im Krankenhausbau häufig angewandten »Breitfuß-Typ«, der als Stahlbeton-Skelettkonstruktion errichtet wurde. Auf einem zweigeschossigen Unterbau, in dem sich alle Untersuchungs-, Behandlungs-, und Versorgungseinheiten befinden, steht ein siebengeschossiges Bettenhaus in dreiflügeliger Windradform. Leicht erhöht sitzt diese Großstruktur in einer Parklandschaft am Essener Stadtrand. Damals wie heute erscheint sie von außen so wenig gefällig, dass sich unweigerlich die Frage aufdrängt, ob denn so das »humane Krankenhaus« aussehen kann, in dem der Patient im Mittelpunkt stehen soll.

Für den von Heinrich Wörner vorgeschlagenen Breitfuß-Typ sprach die Möglichkeit, den Unterbau sukzessive erweitern zu können, um so in späteren Betriebsjahren Raum für die Integration technischer Neuerungen zu schaffen. Dazu ist es jedoch erst 2001 gekommen, als die Klinik von woernerundpartner, wo inzwischen Petra Wörner das Projekt ihres Vaters übernommen hat, um einen ambulanten Operationsbereich und einen Hörsaal erweitert wurde. Ferner wurde die ursprünglich nur für Klinikmitarbeiter geplante Cafeteria ausgebaut und für Patienten und Besucher geöffnet und die bis dahin neben dem Haupteingang liegende Notfallvorfahrt ins UG verlegt.

Das Bettenhaus wurde dagegen als fest gegebene Einheit betrachtet: Zur Zeit seiner Eröffnung konnte es 560 Patienten in elf Fachabteilungen aufnehmen, heute sind es 13 Betten mehr. Ein struktureller Vorteil der Windradform liegt in dem zentralen Ver- und Entsorgungskern, um den sich pro Etage drei einflurige Stationen gruppieren. In dieser Kernzone, von der aus der Etagendienst z. B. die Essensausgabe oder den Bettentausch organisiert, kreuzen sich die horizontalen und vertikalen Erschließungswege, die Stationen in den Bettenhausflügeln werden, vom Durchgangsverkehr befreit, zu Ruhezonen.

Vertrauen bilden und Kommunikation fördern

Das Alfried Krupp Krankenhaus versteckt sich nicht hinter einer Kulisse schönen Scheins, sondern pflegt die nüchterne Sachlichkeit. Doch die schiere Größe und die wohlgeordnete Erscheinung des Krankenhauses vermitteln eine der Maßgaben, unter denen der Neubau stand: die Konzentration auf das Wesentliche. Aus der Nähe zeigt sich, dass der erste Eindruck der Fassade hinsichtlich des Materials trügt, denn es ist Granit und kein Beton, mit dem die Außenwände des Bettenhauses bekleidet sind. Im Foyer findet sich eben dieser »Rosa sardo« in geschliffener Form auf dem Boden. Wäre der Mehrzahl der Besucher nicht Leid oder Sorge deutlich ins Gesicht geschrieben, würde man sich in der großzügigen und edel gestalteten Lobby eher in einem Hotel, denn in einem Krankenhaus wähnen – weil man von Krankenhäusern eben diese Gestaltung nicht kennt und nicht erwartet. › › Doch diesem Raum, der nicht der medizinischen Behandlung, sondern der Kommunikation dient, wurde eine eigene Ästhetik zugestanden, aus der – dem ganzheitlichen Anspruch des Auftraggebers entsprechend – das gesamte Farb- und Materialkonzept der Klinik abgeleitet wurde.

Die von Wörner gewählte Gebäudestruktur ermöglicht es, das Wegenetz und das Kommunikationssystem, von deren Funktionieren die Leistungsfähigkeit und das Klima eines Krankenhauses maßgeblich abhängen, zu optimieren. Auch wenn die Architektur den Patienten und Besuchern Angst und Unsicherheit nicht gänzlich nehmen kann, kann sie durch eine klare Wegeführung die Orientierung in fremder Umgebung erleichtern. Durch die über der Norm im Krankenhausbau liegende Anzahl der Aufzüge kann der Transport verschiedener Benutzergruppen – Besucher, Kranke und Ärzte und Pflegepersonal – unabhängig voneinander organisiert werden.

Der Weg zur architektonischen Unternehmensidentität

Durch seine Tätigkeit für das Nationale Olympische Komitee lernte der Stiftungsvorsitzende Berthold Beitz Otl Aicher kennen, der als Gestaltungsbeauftragter das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele in München 1972 entwickelt hatte. Auch wenn »Architectural Corporate Identity« zu der Zeit noch kein gängiger Begriff war, war es wohl genau das, was Beitz für die Klinik vorschwebte. So sind das simple Orientierungs- und Leitsystem, das Aicher für die Klinik entwarf, die von ihm entwickelte Rotis-Schrift und das verfeinerte Krupp-Logo der drei Radreifen bis heute elementare Bausteine des Erscheinungsbildes der Klinik.

Die lisenenartigen Rücksprünge in der strengen Lochfassade des Bettenhauses erklären sich mit dem Blick in die Patientenzimmer, denen die kleine Schräge etwas von ihrer orthogonalen Strenge nehmen soll. Seit August 2010 hat die Klinik begonnen, die Patientenzimmer zu sanieren. Die Umbaumaßnahmen, denen in den nächsten fünf Jahren alle Stationen unterzogen werden, wurden zum Anlass genommen, sich von den gelbstichigen Tönen zu lösen. Zimmer und Flure werden allgemein heller und moderner gestaltet, um sich insbesondere auf den Wahlleistungsstationen beispielsweise mit der Holzoptik des Bodenbelags und den holzvertäfelten Wänden von der Krankenhausästhetik wegzubewegen.

Seit 2010 besitzt die Klinik ein Markenhandbuch, das einen 140 Seiten starken, von woernerundpartner und Building Brands interdisziplinär erstellten »Spezialteil II – Architektur im Raum« enthält, in dem Farben, Materialien, Mobiliar und Belichtung dem ganzheitlichen Anspruch der Marke Krupp entsprechend definiert sind. Schon immer hat es in der Klinik nur weiße Bettwäsche und niemals Tapete gegeben; das Inventar wurde auf einen einzigen neuen Vasentyp beschränkt, der das typische Sammelsurium im Vasenschrank der Stationen ersetzt. Und da kein Detail dem Zufall überlassen wird, sind für die weißen Papierkörbe in den Patientenzimmern weiße Müllbeutel vorgegeben. Seit einem Jahr gibt es das »Essener Bett«, das inklusive Nachtschränkchen speziell für die Krupp-Kliniken entwickelt wurde. Nun bleibt die Frage, ob dem Patienten, der in diesem Bett liegt, die Ästhetik ebenso wichtig ist wie die medizinische Betreuung. Würde ihn der blaue Müllbeutel wirklich stören?

Den mehr als zweistündigen Rundgang schließt Petra Wörner mit der Feststellung, dass der Krankenhausbau allgemein unterschätzt werde. Natürlich, ein Krankenhaus ist kein Opernhaus und die Architektur dort kein Selbstzweck, sondern in den meisten Fällen bloßes Hintergrundrauschen, das nur vordringt, wenn Fehler gemacht wurden. woernerundpartner fühlen sich hier jedoch als Botschafter dafür, dass es auch einen dritten Weg gibt.

db, Mi., 2012.02.01



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db 2012|02 Gesundheit

22. Dezember 2011Uta Winterhager
Bauwelt

Von wankelmütigen Sponsoren und anpassungsfähigen Solitären

Erst drohte das Projekt an der Standortfrage zu scheitern, dann an der Finanzierung. Ende November hat der Bonner Stadtrat dem Bau eines neuen Festspielhauses doch zugestimmt. „Jetzt können wir mit großem Elan an die Realisierung gehen!“, freute sich Oberbürgermeister Nimptsch. Fast ließ er vergessen, dass noch 70 Millionen Euro fehlen – und dass auch der neue Standort in der Rheinaue umstritten ist.

Erst drohte das Projekt an der Standortfrage zu scheitern, dann an der Finanzierung. Ende November hat der Bonner Stadtrat dem Bau eines neuen Festspielhauses doch zugestimmt. „Jetzt können wir mit großem Elan an die Realisierung gehen!“, freute sich Oberbürgermeister Nimptsch. Fast ließ er vergessen, dass noch 70 Millionen Euro fehlen – und dass auch der neue Standort in der Rheinaue umstritten ist.

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Bauwelt 2011|48 Städte im Fluss

04. Oktober 2011Uta Winterhager
db

Kunstvoll überbrückt

Künstler und Ingenieure denken und arbeiten in unterschiedlichen Sphären, meint man. Doch wenn die Kunst zum Instrument des Strukturwandels wird und ohne Tragwerk nichts hält, kann der eine nicht ohne den anderen. Gegenseitige Zugeständnisse – in diesem Fall eines angesehenen Künstlers und eines ebenso bekannten Tragwerksplaners – sind also unvermeidlich. In Oberhausen wurden die Grenzen der Kompromissbereitschaft ausgereizt, ohne dass es dem geplanten Erscheinungsbild der Fußgänger- und Radfahrerbrücke schadete.

Künstler und Ingenieure denken und arbeiten in unterschiedlichen Sphären, meint man. Doch wenn die Kunst zum Instrument des Strukturwandels wird und ohne Tragwerk nichts hält, kann der eine nicht ohne den anderen. Gegenseitige Zugeständnisse – in diesem Fall eines angesehenen Künstlers und eines ebenso bekannten Tragwerksplaners – sind also unvermeidlich. In Oberhausen wurden die Grenzen der Kompromissbereitschaft ausgereizt, ohne dass es dem geplanten Erscheinungsbild der Fußgänger- und Radfahrerbrücke schadete.

Was die IBA Emscherpark in den 90er Jahren begonnen hatte, konnte die Europäische Kulturhauptstadt RUHR.2010 dank des erneuten Fördermittelregens vielerorts erfolgreich fortführen. Eines der unter dem Leitmotiv »Kultur durch Wandel – Wandel durch Kultur« durchgeführten Projekte war die EMSCHERKUNST.2010. Der regionale Wasserwirtschaftsverband Emschergenossenschaft, der außer für die Abwasserwirtschaft auch für die Renaturierung der Emscher verantwortlich ist, ließ daher im Frühjahr 2009 rund 40 Künstler Konzepte für Projekte entwickeln, die einen Sommer lang auf der Emscherinsel zwischen Oberhausen und Castrop-Rauxel zu sehen sein sollten.

»Slinky Springs To Fame«

Der Frankfurter Künstler Tobias Rehberger schlug nach einem Ortstermin eine Brückenskulptur vor, die den Kaiserpark und den auf der Insel gelegenen Reformpark verbinden sollte. Überlegungen, an dieser Stelle einen Überweg oder gar ein begehbares Landschaftskunstwerk zu errichten, um eine längst zerstörte Holzbrücke aus den 20er Jahren zu ersetzen, hatte es schon seit Jahrzehnten gegeben, ohne dass die Pläne jemals konkretisiert wurden. Mit der Brückenskulptur, einer bewegten schwarzen Spirale, die ein schmales buntes Band über den Kanal tragen sollte, versprach Rehberger schon im Planungsstadium die vielbeschworene Synergie von Kultur und Stadtentwicklung zu erzeugen.

Rehberger nannte sein Projekt »Slinky Springs To Fame« und zitierte damit die Anzeige, die 1946 für eine von dem amerikanischen Mechaniker Richard James entwickelte Spielzeugspirale warb. Auch wenn der Name hierzulande nicht so geläufig ist, fasziniert »Slinky« Kinder und Erwachsene auch nach über 60 Jahren noch. Wohl jeder hat schon einmal eine solche Spirale in der Hand gehabt, die – sollte es sich um eine hochwertige Ausführung gehandelt haben – aus scheinbar eigenem Antrieb die Treppe hinuntermarschiert.

Mit seiner Brückenskulptur wollte Rehberger aber mehr als nur eine Verbindung über den Kanal schaffen. Er wollte einen gerichteten Blick erzeugen, jedoch ohne die klaustrophobische Situation eines Tunnels. Zunächst als Handskizze, dann als computergenerierte Grafik inszenierte er daher die Dynamik der Spirale, dem, wie er es selbst beschrieb, »konstruktiv Schlechtesten«, das es gibt. Dass die Vision des Künstlers eine Sache ist, die Umsetzung aber eine ganz andere, musste auch das von der Emschergenossenschaft mit der Konstruktion der Brückenskulptur beauftragte Stuttgarter Ingenieurbüro schlaich bergermann und partner in den folgenden Monaten feststellen. Das von Andreas Keil, Knut Göppert, Sven Plieninger und Mike Schlaich geführte Büro ist mittlerweile auch in Berlin, New York und São Paulo beheimatet und mit der Bearbeitung anspruchsvoller Tragwerke bestens vertraut.

Die Unmöglichkeit der gebogenen Diagonale

Natürlich lag es nahe, dass die Ingenieure mit dem »Material« arbeiteten, das Rehbergers Visualisierungen ihnen bot: eine schwarze Spirale und ein buntes Band. Ihr Ehrgeiz war geweckt, auch konstruktiv etwas Neues zu entwickeln und die Spirale zum Tragwerk zu machen. Doch die Versuche, daraus ein Raumfachwerk zu entwickeln, scheiterten am fehlenden Obergurt und an der Unmöglichkeit der gebogenen Diagonalen. Auch die Idee, zwei Spiralen ineinander zu verschrauben, musste verworfen werden, als die Dimensionen der Bauteile zu groß wurden.

Die Lösung war schließlich eine klassische Spannbandbrücke, die das Band zum tragenden Element macht. Doch durch die filigrane Konstruktion bleibt die Spirale, auch wenn sie nicht tragwerkrelevant ist, das gestaltprägende Element. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass das leichte Schwingen der Spannbandbrücke den bewegten visuellen Eindruck auch physisch erlebbar macht. Die von schlaich bergermann und partner entwickelte Konstruktion spannt zwei 3 cm dicke und 46 cm breite Bänder aus hochfestem Stahl 66 m weit über den Rhein-Herne-Kanal zu geneigten V-Stützen, die die resultierenden Zugkräfte über vertikale Zugstäbe in kräftige Widerlager ableiten. Doch die Spannweite der Brücke ist in diesem Fall nicht die Attraktion, sondern die Fragilität der tragenden Konstruktion. Als Lauffläche dienen 12 cm hohe, aufgeschraubte Betonfertigteile mit einem 4 cm dicken, farbigen Kunststoffbelag. Mit ihrem Eigengewicht stabilisieren sie die nur 2,65 m breite Brücke.

Um die Durchfahrtshöhe des Kanals von 8 m einzuhalten, mussten die Unterkante der Spirale und des Durchhangs der Konstruktion von 1,27 m mit in die Berechnungen einbezogen werden. Bei Spannbandbrücken bestimmt der Durchhang die auf die Stützen wirkenden Zugkräfte: Je geringer der Stich, desto größer die Kräfte – will man jedoch die Widerlager entlasten, wird die Steigung des Spannbandes zu den Stützen hin größer, und die Brücke wäre möglicherweise nicht mehr für Rollstuhlfahrer geeignet. Hier liegt die Steigung am Rand des mittleren Felds der Brücke weit unter den maximal zulässigen Werten, was jedoch mit entsprechenden Zugkräften bezahlt werden musste.

Bei den Berechnungen zeigte sich auch, dass die in den ersten Skizzen von Rehberger gezeichnete Spiralgeometrie mit extrem diversen Radien und Staffelungen in der Praxis nicht umsetzbar war, Brückenhöhe und Baukosten wären ins Unermessliche gestiegen. Schon bei der schließlich realisierten Höhe von 10,30 m über Gelände (am höchsten Punkt über den Stützen) ist die Länge der andienenden Rampen auf beiden Seiten beträchtlich: 170 m im Kaisergarten, 130 m auf der Emscherinsel. Langsam winden sie sich auf Straßenniveau herab, sodass sich von verschiedenen Standorten auf der Brücke interessante Perspektiven ergeben, die der kontrolliert wirkende Lageplan so nicht vermuten lässt.

Spielen mit der Wahrnehmung

Die 496 Spiralbögen aus Aluminiumrechteckprofilen, die aus der Nähe betrachtet recht massiv wirken, wurden aus jeweils drei Einzelteilen vor Ort aneinander und mit zwei Streben an die Unterseite der Betonplatten der fertigen Spannbandbrücke geschraubt. Auch hier sollte die Konstruktion so unsichtbar wie möglich sein, um die Spirale schwebend erscheinen zu lassen. Nicht zuletzt die Krümmung und Neigung der Rampen erforderte an dieser Stelle die Entwicklung von verstellbaren Verbindungselementen, die auf die in unterschiedlichen Winkeln ankommenden Spiralbögen angepasst werden können.

Der vor Ort vergossene, farbig eingefärbte, federnde und tartanähnliche Belag der Lauffläche verstärkt den Eindruck, dass es sich bei »Slinky« tatsächlich um ein dynamisches Objekt handelt, das auf die Masse und Bewegung der › › Passanten reagiert. Wie bei den meisten der an der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Design zu lokalisierenden Rehberger-Projekten, darunter auch die mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnete Neugestaltung der Biennale-Cafeteria (2009) in Venedig, spielt der Künstler auch hier mit Farben und Kontrasten und der manipulierten Wahrnehmung des Raums: Dieser scheint sich durch den Rhythmus des 16-farbigen Streifenmusters mit der Bewegung über die Brücke kontinuierlich zu verändern. Und genau dadurch wird die Brücke zum Kunstwerk, wenn plötzlich etwas Ungewöhnliches und Unerwartetes – und sei es nur ein dicker Streifen Lila – auftaucht und nicht nur den unmittelbaren Eindruck, sondern auch den Blick auf die Umgebung völlig verändert.

Vom Bild zum Bauwerk zum Bild

Während des gesamten Entwurfs- und Entwicklungsprozesses haben die Ingenieure und der Künstler eng zusammengearbeitet und dabei immer wieder die Grenzen der Kompromissbereitschaft des anderen getestet. Insbesondere an die Detaillösungen stellte Rehberger hohe Anforderungen. Auch wenn er die Brücke am liebsten ohne Handlauf und Absturzsicherung gesehen hätte, konnte er sich mit der von schlaich bergermann und partner entworfenen »rauen« Erscheinung der Sicherungsmaßnahmen aus verzinkten Rundrohren und Seilnetzen schließlich anfreunden. Konstruktiv wirkt der Maschendraht zusätzlich noch als Dämpfer, der die Bewegungsenergie über die Reibung an den unzähligen Knoten aufnimmt.

Schwierig umzusetzen waren auch die Anforderungen des Künstlers an das Beleuchtungskonzept: Rehberger wollte, dass die Brücke bei Dunkelheit von innen heraus strahlt. Um diesen Effekt zu erzielen, mussten die Planer LEDs wie auch deren Verkabelung im Bauwerk verstecken. Die LED-Lämpchen für die Unterseite wurden in ausgefrästen Öffnungen in den Spiralbögen versenkt, die für die Oberseite im Rundrohr des Handlaufs. Dabei kam den Ingenieuren zugute, dass die Brücke fast nur aus eigens entwickelten Bauteilen besteht, in die auch diese Funktion noch integriert werden konnte.

Zwei strenge Winter, dauergefrorener Boden, der sich bei Gründungsversuchen als sumpfig erwies, nicht dokumentierte Spundwandverankerungen und Kampfmittelfunde aus Kriegszeiten verursachten immer wieder Verzögerungen und Umplanungen, sodass die Brücke erst nach 15-monatiger Bauzeit am 25. Juni 2011 eingeweiht werden konnte. Damit wurde zwar die EMSCHERKUNST.2010 um fast ein Jahr verpasst und die Baukosten nahezu verdoppelt, doch davon einmal abgesehen, entstand ein Projekt mit einem erheblichen künstlerischen, technischen und infrastrukturellen Mehrwert.

Bemerkenswert an der Ingenieurleistung ist, wie viel Sachverstand und Ehrgeiz eingesetzt wurden, um eine Konstruktion maßzuschneidern, die ihre Funktion als Tragwerk optimal erfüllt. Und die sich gleichzeitig in der Erscheinung so zurücknimmt, dass es schließlich, wie in Rehbergers ersten Skizzen, nur noch die schwarze Spirale und das bunte Band sind, die sich dem Betrachter einprägen.

db, Di., 2011.10.04



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db 2011|10 Herausforderung Tragwerk

30. September 2011Uta Winterhager
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Hörsaalzentrum Heizkraftwerk

Das dichte Universitätsviertel im nördlichen Stadtzentrum von Aachen hat nicht mehr viele Lücken aufzuweisen. Doch es ist möglich, der Raumnot an Ort und Stelle zu begegnen: zum Beispiel in einem leerstehenden Zeugnis des fossilen Zeitalters. IParch haben sein Skelett gebrauchen können und die dringend benötigten Hörsäle hinein gestapelt.

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Bauwelt 2011|37 Urbane Universität?

08. Juli 2011Uta Winterhager
Bauwelt

Hauptsache sicher

Im März 2009 gab in der Kölner Severinstraße plötzlich der Boden nach. Das Archiv der Stadt stürzte ein, zwei Menschen starben, viele kostbare Bestände wurden vernichtet. Jetzt wird an anderer Stelle das sicherste Bürgerarchiv Europas geplant. Welche Architektur ist dafür angemessen?

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Bauwelt 2011|26 An Schelde und Clyde

06. Mai 2011Uta Winterhager
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Vögel, Bienen, Julia Roberts

Ornithoport ist ein wunderbares Wort. Und wie alle Neologismen bietet es wegen seiner noch unscharfen Definition einen breiten Interpretationsspielraum.

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Bauwelt 2011|18 Metropol Parasol

27. August 2010Uta Winterhager
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Haus als Kunst

Kann es in Europa drei große Ausstellungen eines Künstlers innerhalb von zwei Jahren geben, ohne dass es den Kunstfreunden langweilig wird? Ja, entschieden Intendant und Kurator der Bundeskunsthalle Bonn und zeigen die Arbeiten des Düsseldorfer Bildhauers Thomas Schütte nun im Rahmen ihrer Reihe Monographien.

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Bauwelt 2010|33 Von Tokyo nach Venedig

23. April 2010Uta Winterhager
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Kölner Gürzenich-Quartier

In der stückartig gewachsenen Umgebung der Kölner Innenstadt, zwischen Neumarkt und Heumarkt, ist ein Geschäftskomplex geplant. Die Wettbewerbsteilnehmer hatten die Aufgabe, einen ganzen Block einheitlich und dennoch kleinteilig zu strukturieren.

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Bauwelt 2010|16 Der Bau ohne Eigenschaften?

29. Mai 2009Uta Winterhager
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So viel Erhard wie möglich, so viel Kohl wie nötig

Der Kanzlerbungalow in Bonn wurde von der Wüstenrot Stiftung erneuert. Dabei standen sich die Spuren der Nutzung und die Architektur von Sep Ruf im Wege. Aber schmerzhafte Kompromisse als ureigenes Element des Politischen sind bei der Sanierung einer „politischen Architektur“ vielleicht unvermeidlich.

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Bauwelt 2009|21 Abschied von Bilbao

13. Juni 2008Uta Winterhager
Bauwelt

Domplatte Köln

Mit Dom und Domplatte bietet Köln die großartigste Kathedrale und die grandioseste Bausünde am selben Ort. Statt die Domplatte endlich abzureißen und ihr Weltkulturerbe nicht länger wie den Abluftaufbau einer Tiefgarage dastehen zu lassen, bastelt die Stadt an Einzelmaßnahmen. Nach der Überarbeitung des Hochhausplans wäre die Zeit reif für eine neue Betrachtung der Nahwirkung des Doms und seiner Beziehung zur Umgebung.

Mit Dom und Domplatte bietet Köln die großartigste Kathedrale und die grandioseste Bausünde am selben Ort. Statt die Domplatte endlich abzureißen und ihr Weltkulturerbe nicht länger wie den Abluftaufbau einer Tiefgarage dastehen zu lassen, bastelt die Stadt an Einzelmaßnahmen. Nach der Überarbeitung des Hochhausplans wäre die Zeit reif für eine neue Betrachtung der Nahwirkung des Doms und seiner Beziehung zur Umgebung.

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Bauwelt 2008|23 Museen als Entwicklungshelfer

17. August 2007Robert Winterhager
Uta Winterhager
Bauwelt

Der Kölner Moscheestreit

Die neuen Moscheen in Deutschland haben nichts mehr gemein mit den Dauerprovisorien in Kellern und Fabrik­etagen, die jahrzehntelang als Gebetsräume fungierten, sondern entstehen für alle Bürger sichtbar an prominen­ten Stellen im Kernbereich der Städte. So auch die neue große Moschee mit Gemeindezentrum im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, die in den letzten Wochen zum Kristallisationspunkt einer öffentlichen Debatte über die Integration der in Deutschland lebenden Muslime wurde.

Die neuen Moscheen in Deutschland haben nichts mehr gemein mit den Dauerprovisorien in Kellern und Fabrik­etagen, die jahrzehntelang als Gebetsräume fungierten, sondern entstehen für alle Bürger sichtbar an prominen­ten Stellen im Kernbereich der Städte. So auch die neue große Moschee mit Gemeindezentrum im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, die in den letzten Wochen zum Kristallisationspunkt einer öffentlichen Debatte über die Integration der in Deutschland lebenden Muslime wurde.

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Bauwelt 2007|32 50er Jahre Bauten

08. Juni 2007Uta Winterhager
Bauwelt

Mein Lieblingsplatz

Zum siebten Mal seit 1995 wurde in der Bonner Bundeskunsthalle am 21. Mai der Europäische Architekturfotografie-Preis vergeben. Ausgelobt vom Stuttgarter „architekturbild e.V.“, widmet sich der Preis künstlerischen Positionen abseits der traditionell-kommerziellen Architekturfotografie. Das diesjährige Thema „Mein Lieblingsplatz“ forderte eine subjektive Auseinandersetzung mit Mensch und Raum ein. Schnell schied aus, wer die üblichen Architekturhighlights oder fotografisch-verkünstlerte Gebäudefragmente eingereicht hatte. Hoch bewertet wurden hingegen jene Arbeiten, die in der Kulisse der Alltagsarchitektur ein Spiel der Stimmungen inszenieren.

Zum siebten Mal seit 1995 wurde in der Bonner Bundeskunsthalle am 21. Mai der Europäische Architekturfotografie-Preis vergeben. Ausgelobt vom Stuttgarter „architekturbild e.V.“, widmet sich der Preis künstlerischen Positionen abseits der traditionell-kommerziellen Architekturfotografie. Das diesjährige Thema „Mein Lieblingsplatz“ forderte eine subjektive Auseinandersetzung mit Mensch und Raum ein. Schnell schied aus, wer die üblichen Architekturhighlights oder fotografisch-verkünstlerte Gebäudefragmente eingereicht hatte. Hoch bewertet wurden hingegen jene Arbeiten, die in der Kulisse der Alltagsarchitektur ein Spiel der Stimmungen inszenieren.

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Bauwelt 2007|23 Neues aus den Sechzigern

05. April 2007Uta Winterhager
Robert Winterhager
Bauwelt

„Modelle für morgen“

Die European Kunsthalle ist ein Projekt von „Das Loch e.V.“, einer Initiative, die sich gründete, als die Kunstszene Köln mit dem Abriss des Josef-Haubrich-Forums...

Die European Kunsthalle ist ein Projekt von „Das Loch e.V.“, einer Initiative, die sich gründete, als die Kunstszene Köln mit dem Abriss des Josef-Haubrich-Forums...

Die European Kunsthalle ist ein Projekt von „Das Loch e.V.“, einer Initiative, die sich gründete, als die Kunstszene Köln mit dem Abriss des Josef-Haubrich-Forums im Jahr 2002 ihre Basisstation verlor. Nun suchen die Initiatoren der European Kunsthalle nach Möglichkeiten, einen Kunstbetrieb zu leiten, der zwangsweise erst einmal ohne eigene Räume auskommen muss. So zeigt die erste Ausstellung „Modelle für morgen: Köln“, kuratiert von Nicolas Schaffhausen, Vanessa Joan Müller und Julia Hö­ner, Beiträge von 21 internationalen Künstlern, die skizzenhaft die Fragen nach Ort, Form und Zugänglichkeit der neuen Institution reflektieren sollen. Als Modellversuch für die dezentrale Kunstpräsentation, sind die Arbeiten auf 22 öffentlich zugängliche Orte im Stadtraum verteilt. Die Stationen des ringförmigen Parcours lie­­-gen in Fußmarschnähe voneinander entfernt, auffindbar allerdings nur mit Hilfe des Begleithefts.

Die inhaltliche Aussage der einzelnen Projekte ist weniger interessant als die Schlussfolgerun­gen, die sich aus den 22 Stationen für alternative Formen der Kunstpräsentation ergeben. Hier offenbaren sich Schwellen und Widerstände, denen alle Kunstaktio­nen in städtischen Räumen ausgesetzt sind: Desinte­resse vs. künstlerische Botschaft, Massenkompati­bilität vs. ästhetischen Elitarismus, Sicherheit und Ordnung vs. Experiment und Grenzüberschreitung, Raumökonomie vs. Sperrigkeit der Kunst.

Hinter der Stuhlreihe im Wartebereich des Kundenzentrums der Stadt Köln am Laurenzplatz hängen auf den Kopf gestellt drei englische Texttafeln von Liam Gillick. Seine Arbeit „Revision in the Snow“ zer­schellt in der bräsig-nervösen Atmosphäre bürokrati­scher Akte und wird von Angestellten wie von Besuchern einfach ignoriert. Ebenso chancenlos sind die skizzenhaften Raumstrukturen von Tobias Rehberger im Dinea-Restaurant des Kaufhofs. Vier ka­schierte Pos­ter­tafeln, Entwürfe für eine neue European Kunsthalle, hängen an der Wand und schauen Mitarbeitern und Gästen bei der Kaffeepause zu. Am Roncalliplatz und in der Kleinen Budengasse stehen zwei Stromkästen, auf die der Künstler An Te Liu „DASEIN“ und „GESTELL“ geschrieben hat. Die intellektualisierte Intervention ist so minimal und inhaltlich hermetisch, dass sie in der Vielfalt und Dichte städtischer Text- und Raumbilder schlicht verschwindet.

Besser funktionieren jene Arbeiten, die sich for­mal an vorhandene Zeichensysteme im öffentlichen Raum anlehnen, wie die schwarze Tafel des amerikanischen Künstlers Lawrence Weiner über dem Gleisabgang zur U-Bahn am Hauptbahnhof. Die Aufforderung „PUT WHERESOEVER“, geschrieben neben zwei weißen Rechteckformen, legt nahe, dass auf diese Weise jeder Ort durch künstlerische Intervention zu einem Teil der European Kunsthalle werden könnte. An der Wand der Aral-Tankstelle gegenüber der abge­rissenen Kunsthalle hat das Künstlerduo Bik van der Pol ein Leuchtschild installiert mit der Aufschrift „IDEAS YOU BELIEVE ARE ABSURD ULTIMATELY LEAD TO SUCCESS“.

Gerade in der Kraft des Absurden, des unvermutet Ungebärdigen liegt wohl das große Potential von Kunstpräsentationen im öffentlichen Raum, das sich in dieser ersten Ausstellung aber leider nur erahnen lässt. Denn allzu breit ist der Spagat zwischen räumlicher Anpassung und programmatischer Subversion. Während im Museum eine Verdichtung und Isolation künstlerischer Positionen erreicht wird, löst sich beim dezentralen Ausstellungskonzept der European Kunsthalle die Kunst in der Masse der Stadt auf.

Bauwelt, Do., 2007.04.05



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Bauwelt 2007|14 Glasfassaden

16. Februar 2007Uta Winterhager
Robert Winterhager
Bauwelt

Zu wenig Gebote

An schlechte Nachrichten über abgerissene Kirchenbauten hat man sich fast gewöhnt. In Dinslaken, einer Mittelstadt am Niederhein, entschied sich eine Kirchengemeinde, ihr Gotteshaus auf ungewöhnlichem Wege unter die Leute zu bringen.

An schlechte Nachrichten über abgerissene Kirchenbauten hat man sich fast gewöhnt. In Dinslaken, einer Mittelstadt am Niederhein, entschied sich eine Kirchengemeinde, ihr Gotteshaus auf ungewöhnlichem Wege unter die Leute zu bringen.

Zahllosen „überflüssigen Kirchen“ in Deutschland (Heft 5.06) droht ein ungewisses Schicksal. Dem konfessionsübergreifenden Mitgliederschwund der Gemeinden folgen Entweihung, Umnutzung oder gar als letzte Maßnahme der Abriss. Die Städte verlieren dabei wichtige architektonischen Identifikationspunkte, so etwa Dinslaken mit seiner 1967 errichteten evangelischen Christuskirche.

Zum Ersten, ...

In der Festschrift zur Einweihung der Kirche schrieben die Architekten Christa und Hermann Zelger: „Es gab Jahrzehnte, da scheute man sich, im Kirchenbau technische Erkenntnisse und neue Materialien zu verwenden, oder verbarg sie hinter historisierendem Zierwerk, um eine Erinnerung nicht zu zerstören, die der Wirklichkeit nicht mehr entsprach. Erst späteren Generationen bleibt es vorbehalten, darüber zu urteilen, was wir mit unseren Talenten gemacht haben. Es wird aber nicht nur ein Urteil über unser technisches Können und unser ästhetisches Empfinden sein.“
Dieses Urteil wurde 2006, knapp vierzig Jahre nach der Weihe gefällt: Die Kirche wird abgerissen, das Grundstück ist bereits verkauft.

Die Architektur der Christuskirche ist ein beeindruckendes und qualitätvolles Zeugnis der Kirchenbaukunst deutscher Nachkriegsmoderne. Der zweigeschossige Betonskelettbau sitzt auf einem klar verglasten Sockel, in dem Gemeindesäle und Nebenräume untergebracht sind. Der darüber liegende Gottesdienstraum ist allseitig von einem Betonmaßwerk umgeben, dessen farbige Glasfüllungen der Künstler Jochem Poens­gen gestaltet hat. Die Strenge des Baukörpers erscheint durch die exzentrische Collage verwandter Materialien und Texturen – Kupfer, Zebranoholz, Schiefer, Beton und Gussglas – nicht aufgehoben, sondern aufs Äußerste provoziert.

Im Stadtbild von Dinslaken wirkt der Bau fremdartig und erinnert an die Kaufhäuser jener Zeit. Im direkten Vergleich mit dem gegenüberliegenden Karstadt-Gebäude aber wird die baukünstlerische Überlegenheit der Kirche gegenüber einem profanen „Zweckbau“ deutlich. Wo die blechernen Waben des Kaufhauses nur dazu dienen, strukturlose Wandflächen zu gliedern, hinter denen die Warenregale versteckt sind, schafft die durchbrochene Fassade der Christuskirche einen sakralen Raum von großer atmosphärischer Tiefe und subtiler Innerlichkeit. Dennoch scheint die Ähnlichkeit der Oberfläche mit denen der Kathedralen des Kommerzes, den Kaufhäusern, ein wesentlicher Grund für den bedenkenlosen Abriss des Ensembles zu sein, denn der Bau ruft nicht etwa laut: „Ich bin eine Kirche!“ oder „Ich bin ein Denkmal!“ Wo eine neo-romanische, neo-gotische oder neo-barocke Kirche noch den Romantik- und Nostalgiereflex ihrer Umwelt auslöst, gibt sich die Christuskirche als selbstbewusstes Kind seiner Zeit. Zuviel Selbstbewusstsein wird selten verziehen.

Die Christuskirche wurde zu einer der vielen überflüssigen Kirchen im Ruhrgebiet, als das Gebäude für die wenigen Kirchenbesucher zu groß und der Unterhalt zu teuer wurde, die Kassen leer waren, aber Sanierungen standen an. Also war unter ökonomischen Gesichtspunkten der Verkauf nur folgerichtig. Aber muss der Verkauf auch gleich den Abriss bedeuten? Eine Unterschutzstellung des Kirchenbaus durch die Denkmalpflege hätte zumindest dieses Schicksal abwenden können, nur scheint im niederrheinischen Dinslaken niemand die Denkmalwürdigkeit der Christuskirche erkannt zu haben. Die Architektur der 1960er Jahre rückt zwar allmählich in den Fokus denkmalpflegerischen Handelns, doch braucht es vor Ort Fürsprecher, die Objekte dieser Art erkennen und sich für den Erhalt einsetzen. In Dinslaken mangelte es daran offensichtlich, denn die Christuskirche wurde nie unter Denkmalschutz gestellt. Ausgerechnet der fehlende Denkmalstatus erwies sich bei der Finanzierung von Alternativnutzungen als Fallstrick, da Landesmittel für derartige Projekte nur bei geschützter Bausubstanz bewilligt werden. Der finanzielle Spielraum der Stadt, sich an Erhaltungsmaßnah­men zu beteiligen, war durch ein Haushaltssicherungskonzept beschränkt. Daran scheiterte schließlich auch der Versuch, die Christuskirche als Landestheater umzunutzen. Die Dinslakener Burghofbühne suchte schon lange nach einer neuen Spielstätte und hätte hier adäquate Räume gefunden, denen eine gewisse Feierlichkeit immanent ist, aber den Theaterbesuchern kaum das Gefühl gegeben hätte, in einer abgelegten Kirche zu sitzen.

Das Gebäude erwies sich im Laufe der Verhandlungen als Kaufhindernis, wohingegen das von seiner Bebauung befreite Grundstück mit seiner direkten Nachbarschaft zu einem geplanten Einkaufszentrum einen ungleich größeren wirtschaftlichen Gewinn versprach als eine Umnutzung des Bestands. Schließlich musste das Grundstück, auf dem eine Baugesellschaft aus Voerde ein fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus errichten wird, ohne die hinderliche Kirche verkauft werden. Der Neubau versucht die stadtbildliche Kastration zu kompensieren, indem er eine verunglückte Nachempfindung des Betonskelett-Glockenturmes in seinen Übereckeingang integriert.

... zum Zweiten, ...

Die Zerstörung eines Kirchengebäudes bezeichnet die Deutsche Bischofskonferenz in ihren Arbeitshilfen 175 zur Umnutzung von Kirchen als die ultima ratio: „Im Einzelfall kann der Abriss einer (nicht mehr benötigten, architektonisch und kunst­­historisch unbedeutenden) Kirche einer kostspieligen Bauunterhaltung oder einer unangemessenen Weiternutzung vorzuziehen sein.“
Die Arbeitshilfen enden mit einem neu erarbeiteten Ritus zur Profanierung von Kirchen, in dem die Gemeinde von ihrer Kirche Abschied nehmen kann, wenn diese nicht mehr für Gottesdienste genutzt oder gar abgerissen wird. Wohin aber mit dem Kirchenbauschutt? Die Gemeinde der Christuskirche hatte sich entschieden, im Rahmen ihrer „Trauerarbeit“ Teile der Gebäudehülle als Erinnerungsstücke in das im Umbau befindliche Gemeindezentrum zu integrieren: Zwei der kupfernen Außentüren, der Grundstein, und schließlich auch einige Betonfertigteile. Abgesehen davon, dass sich die Frage des Urheberrechtes mittlerweile klären ließ, bleibt fraglich, ob es für Alt und Neu sinnvoll ist, die dem Kontext des Bauwer­kes entnommenen Elemente als Spolien zu verwenden.

... und zum Dritten!

Um den großen Rest vor dem Bauschutt-Container zu bewahren, lud das Presbyterium Ende Januar zu einer „Auktion von Baumaterialien“ ein. Die Gelegenheit, wirklich einmalige baukünstlerische Elemente und Materialien zu ersteigern nahm jedoch kaum ein Dinslakener wahr – so dominierte auch in der letzten Stunde dieses Bauwerks das öffentliche Desinteresse. Niemand wollte die Betonglaselemente, Stückpreis 500 Euro inklusive Demontage und Anlieferung (man könnte sie ja einzeln hinterleuchtet im Garten aufstellen), niemand kaufte die 500 Quadratmeter Zebranoholz-Decke, die 500 Sitze oder die Handläufe, ebenfalls aus Zebrano. Aber auch weniger prätentiösen Gegenstände, wie der Treppenlift, das Gartentor, Lichtschalter, Dimmer und das Straßenpflaster werden wohl als Bauschutt enden. Versteigert wurden 80 von 500 Quadratmetern Schieferplatten für ein Dinslakener Wohnzimmer, die Buchenbohlen der Fußablagen erstand ein Tischler, die letzte Kupfertür (400 Euro) wird in der Disko des Walzwerks eingebaut werden, und ein Gussglasgriff ging für 10 Euro zur weiteren Verarbeitung an einen Hobbykünstler. Die kaum mehr als zehn Anwesenden schienen eher darauf zu warten, einzelne Betonglasbröckchen als Souvenir einzusammeln.

Der inzwischen über 80-jährige Architekt Hermann Zelger verblüffte angesichts der allgemeinen Ratlosigkeit in einem Brief an den Pfarrer mit seinem konstruktiven Pragmatismus: Er schlug vor, die 250 Betonfertigteile als Lärmschutzwand an die Autobahn zu stellen.

Bauwelt, Fr., 2007.02.16



verknüpfte Zeitschriften
Bauwelt 2007|08 Déjà-vu in Aix und Karlsruhe

Profil

Publikationen

Architekturführer KÖLN - Zeitgenössische und Moderne Bauten und Quartiere, Verlag Walther König 2015 (Uta Winterhager, Barbara Schlei, Tobias Groß) ISBN 978-3863357207

Kölner Perspektiven: Städtebau – Architektur – Öffentlicher Raum
Jovis Verlag 2016, Herausgegeben vom Dezernat Stadtentwicklung, Planen, Bauen und Verkehr der Stadt Köln und Haus der Architektur Köln, Autorin Uta Winterhager

Sophie & Hans, Richard, Gustav und du, Kinderführer für das Arp Museum Bahnhof Rolandseck, 2016

Auszeichnungen

„Schönstes Buch 2016“ Preis der Stiftung Buchkunst für Architekturführer KÖLN - Zeitgenössische und Moderne Bauten und Quartiere, Verlag Walther König 2015 (Uta Winterhager, Barbara Schlei, Tobias Groß) ISBN 978-3863357207

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