Details

Adresse
Gablerstrasse 15, 8002 Zürich, Schweiz
Mitarbeit Architektur
Elke Eichmann (Projektleitung)
Mitarbeit Wettbewerb: Birgit Frank, Wieka Muthesius, Ralf Wilkening, Marcello Mazzei. Mitarbeit Planung: Jay Thalmann, Thomas Künzle, Simone Wiestner
Bauherrschaft
Stadt Zürich
Tragwerksplanung
Ernst Basler + Partner AG
örtliche Bauaufsicht
Walter Dietsche Baumanagment AG
Weitere Konsulent:innen
Elektroingenieure: HEGE AG, Zürich
HLKS-Ingenieure: Brunner Haustechnik AG, Wallisellen
Bauphysik: BAKUS, Zürich
Maßnahme
Zubau
Wettbewerb
2002
Planung
2003
Ausführung
2004 - 2006
Eröffnung
2007
Grundstücksfläche
66.919 m²
Nutzfläche
3.556 m²
Bebaute Fläche
1.543 m²
Umbauter Raum
41.920 m³
Baukosten
28,4 Mio EUR

Ausführende Firmen

Glasbau: Ludwig Weiler, Augsburg

Preise und Auszeichnungen

2011 Preis für Gute Bauten der Stadt Zürich

Publikationen

Links

Museum Rietberg
http://www.rietberg.ch

Archbau

Genereller introtext zu Archbau der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

14. Februar 2007Rahel Hartmann Schweizer
TEC21

Architektonische Dichtung

Der «Baldachin», mit dem der Neubau des Museums Rietberg in Zürich oberirdisch in Erscheinung tritt, reflektiert die bestehende Villa. Als Hommage an die einstigen Protagonisten des Hauses ist er auch in Architektur übersetzte Lyrik.

Der «Baldachin», mit dem der Neubau des Museums Rietberg in Zürich oberirdisch in Erscheinung tritt, reflektiert die bestehende Villa. Als Hommage an die einstigen Protagonisten des Hauses ist er auch in Architektur übersetzte Lyrik.

Von der Gablerstrasse durch eine hohe Mauer abgeschirmt, lassen sich die Villa , die Leonhard Zeugheer in den Jahren 1855–1857 für Otto und Mathilde Wesendonck im neoklassizistischen Stil erbaute, und der Park, den Theodor Froebel gestaltete, eigentlich erst in den Blick nehmen, wenn man bereits bei der Pergola angelangt ist. Diese fasst den Raum zwischen der Villa und dem ehemaligen Ökonomiegebäude, vermittelt zwischen den beiden Bauten, bindet sie aneinander und verleiht dem Raum dazwischen Intimität: Er ist nicht mehr Park und noch nicht Haus. Auf der Westseite der Villa, der bisherigen Eingangssituation, fehlte ein Gegenstück. Erst jetzt, da der schmale Glasbau, der sich über der unterirdischen Erweiterung erhebt, sie gleichsam wie eine Laterne bekrönt, zeigt sich, dass da bisher eine Leerstelle war. Der «Baldachine von Smaragd» – die schon im Wettbewerb verwendete Bezeichnung verweist auf eine Zeile aus dem von Wagner vertonten Gedicht «Im Treibhaus» Mathilde Wesendoncks (siehe «Wesendonck-Lieder») – bildet nun gleichermassen das Gegenstück zur Villa wie das Pendant zu deren vorgelagertem Baldachin. Er ist ein zweites Gesicht, ein Alter Ego.

Dreierbeziehung zu Dreigestirn

Auf diesen Ensemblecharakter berufen sich die Architekten auch: Die Zweierbeziehung von Villa und Ökonomiegebäude wurde zu einer Dreierbeziehung, die das Ensemble ausgewogener erscheinen lässt. Alfred Grazioli und Adolf Krischanitz verstehen das Glashaus aber auch als jene vierte Fassade der Villa, die durch den Wintergarten verdeckt wird und daher gleichsam «herausgezogen» werden musste. Die Dreierbeziehung mag als Analogie zum Dreigestirn Wagner, Nietzsche und Semper gelesen werden: Wagner gastierte in der Villa Wesendonck, Nietzsche war Biblio­thekar Wagners und las in dessen Bibliothek die Bücher Sempers.

Nun ist denn auch der Raum vor der Villa definiert, sodass man vom pergolagesäumten «Vestibül» ins Atrium zwischen Villa und Neubau gelangt, der oberirdisch äusserst bescheiden in Erscheinung tritt – zumindest was die Baumasse betrifft. Optisch dagegen hat der schmale Glasbau – konstruktiv ein statisches Gebilde (siehe Kasten «Glasbau»), funktional ein Portikus, ästhetisch ein Baldachin – magnetische Ausstrahlung. Und er ist nicht nur der Antipode zur Villa, sondern auch Reflexion der Geschichte des Hauses.

Gehüllt in eine mit abstrahierten Smaragdkristallen in einem Emailverfahren tätowierte Draperie aus Glas, ist er kaum noch (Bau-)Körper, eher Tüll, Vorhang, Schleier. Das passt zur Konzeption des Platzes, der sich zwischen der Villa mit deren bestehendem und dem neuen Baldachin aufspannt: Mit seinem feingliedrigen Parkett aus Akazienholz suggeriert er einen Innenraum, ein «Wohnzimmer unter freiem Himmel», wie ihn die Architekten beschreiben.
Der Glasbau ist Hülle für das Foyer. Dieses wird von zwei sich kontrastierenden Materialien dominiert: dem brasilianischen Schiefer der Bodenplatten und dem durchscheinenden, hinterleuchteten Onyx der Decke. Der Schiefer verweist auf den steinernen Untergrund, in den der grösste Teil der neuen Ausstellungsflächen eingetieft ist. Der Onyx, als Vermittler zum Aussenraum, evoziert Bilder von Stellschirmen und Fensterfüllungen der traditionellen ostasiatischen Architektur. Die Schieferplatten sind von mit Vlies gedeckten Lüftungsrinnen durchzogen, deren Pendants an der Decke – Schlitze zwischen den Onyxplatten – die Luft absaugen. Die mit zweiflammigen Leuchten, rötlich und gelb, hinterleuchteten Onyxplatten unterspannen die Deckenfelder, die von den Unterzügen gebildet werden, welche die Decke des Erdgeschosses tragen und ein Lichtrasterfeld von 3.40 × 10.20 m – ein Verhältnis von 1 : 3 – bilden.
Die Eingangshalle beherbergt Kasse, Garderobe, Shop und Lift. Die Rückwand wird beherrscht von einem Relief des Künstlers Helmut Federle, das an jenes an der Schweizerischen Botschaft in Berlin erinnert. Der in roher Holzschalung geformte Beton wirkt aber archaischer als das Botschaftsrelief. Es kommt dem Charakter eines «Tors zur Unterwelt» (Architekten) näher – der Pavillon greift zwölf Meter tief in eine Endmoräne ein und unterhöhlt sie – und evoziert vor allem Bilder von asiatischen Grottentempeln.

Von der Eingangshalle führt der Weg über eine Treppe hinunter in die beiden je 1300 m² grossen Untergeschosse. Beide unterirdischen Räume sind über eine zweite Treppe mit der Villa Wesendonck verbunden. Die Architekten verstehen diese Erschliessungen als Möbelstücke. Ihrer aufwändigen Gestaltung und ihrer Dimensionierung wegen wirken sie aber schon eher wie mobile Kabäuschen. Es sind Architekturen für sich. Denn die Wände, ein Gitterwerk aus Eichenholz, die in die Treppen hineingestellt sind (tatsächlich sind sie aufgehängt), lassen, obwohl durchbrochen, keinen Zweifel an ihrer Stabilität.

Unterbaut

Die Decken der Untergeschosse werden, ebenso wie jene des Foyers, von Unterzügen getragen (Kassettendecke). Z-förmig gefaltete Polycarbonatplatten sind in die Felder (von 10.4 × 3.6 m) der Kassettendecke eingelegt. Ästhetisch verleiht die Z-Form ihnen einen papierenen Charakter, konstruktiv wirkt sie versteifend, was erlaubte, sie ohne Sprossen anzubringen. Der Boden in den Räumen ist analog zu dem auf dem Platz draussen in Eichenstirnholzverbund verlegt.

Nicht nur erschliessungstechnisch, sondern auch konstruktiv besteht eine Verbindung zwischen oberirdischen und unterirdischen Räumen, indem Decken und Wände einem geschossübergreifend wirksamen, komplementären Tragsystem «unterworfen» sind, das aus einer massiven Stahlbetonkonstruktion besteht. Im 1. UG ist ein zentraler Raum eingestellt, dessen Scheiben nicht nur das darüber liegende Geschoss, sondern auch die an ihnen aufgehängte Decke des 2. UG tragen. Dieses weist – komplementär zum 1. UG – zwei Raumgevierte aus tragenden Wänden auf, die gleichzeitig die Treppenhäuser bergen. Der zentrale Raum im 1. UG und die beiden Gevierte im 2. UG haben nur an vier Stellen gemeinsame Auflager. Die Komplementarität des Systems gewährleistet einerseits die Abtragung der Deckenlasten und gewährt andererseits grösstmögliche Freiheit in der Bespielung der grossen freien Flächen. Für deren Unterteilung haben die Architekten 40 cm starke und dennoch verstellbare Wände konzipiert.

Um nicht nur die Statik der Villa nicht zu «untergraben», sondern auch Schäden am Terrazzo­boden des einstigen Wintergartens zu vermeiden, musste sie aufwändig abgefangen werden. Bei allem Respekt gegenüber dem Bestand – Villa und Ökonomiegebäude wurden renoviert – haben die Architekten in die Farbgebung eingegriffen und das Weiss der Wände, Fensterleibungen und Profile durch dunkle Töne ersetzt. Um ihnen etwas Körperhaftes zu verleihen, verwendeten sie lasierende Keimfarben, die in drei Schichten auf Weissputz aufgetragen werden, aber erst bei der letzten Schicht ihren definitiven Farbton erhalten. Das Licht wird nun nicht an der Oberfläche reflektiert, sondern dringt erst tief in die Schichten ein und wird erst auf der Grundierung bzw. auf dem Weissputz zurückgeworfen und «durchläuft» erneut drei Schichten, ehe es abstrahlt. Der Effekt ist frappierend. Die Wände gewinnen Plastizität, Körperhaftigkeit.

Architektonische Lyrik

Grazioli / Krischanitz haben einen Bau geschaffen, der den Bestand respektiert, ohne sich ihm anzubiedern. Sie nehmen Bezug ohne platte Reverenzen und Äusserlichkeiten. Sie würdigen die Architektur, ohne sie bloss zu zitieren, wenn sie etwa die Erschliessung als Übersetzung der räumlichen Enfilage der Villa interpretieren. Sie erweisen den kabinettartigen Räumen der Villa die Reverenz, wenn sie den Hallencharakter mit bordeaux, olivgrün, grau, aubergine und anthrazit bemalten Raumkompartimenten brechen. Und sie betreiben Archäologie, wenn sie den Textilkünstler Gilbert Bretterbauer im ehemaligen Wintergarten bewegliche Screens entwerfen lassen mit einer Bespannung, die Pflanzenmotive aufweist. Mit der Gestaltung des Glasbaus als smaragdenen Baldachin aber transponieren sie nicht nur die Geschichte des Hauses und ihrer Bewohner. Wenn Wagner Mathilde Wesendoncks Gedichte vertonte, so haben Grazioli / Krischanitz ihre Lyrik in Architektur verwandelt.



verknüpfte Zeitschriften
tec21 2007|07 Im Untergrund

16. Dezember 2006Ute Woltron
Der Standard

Eine Frage der Wertschätzung

Die Schlüsselübergabe des von Adolf Krischanitz und Alfred Grazioli geplanten Museum Rietberg in Zürich war lediglich ein Formalakt - allerdings einer der kulturpolitischen Spitzenklasse, der allem Hohn spricht, was hier zu Lande in Sachen Bau, Kunst und Politik abgeht.

Die Schlüsselübergabe des von Adolf Krischanitz und Alfred Grazioli geplanten Museum Rietberg in Zürich war lediglich ein Formalakt - allerdings einer der kulturpolitischen Spitzenklasse, der allem Hohn spricht, was hier zu Lande in Sachen Bau, Kunst und Politik abgeht.

Schauplatz Zürich: Am Nachmittag des vergangenen Donnerstags versammelten sich 300 Menschen unter waschseideblauem Herbsthimmel vor der Villa Wesendonck in Zürich-Enge. Das Mitte des 19. Jahrhunderts ohne Rücksicht auf etwaige (und nie eingetretene) finanzielle Verluste gebaute Haus für den Industriellen Otto Wesendock und seine Frau Mathilde liegt anmutig hoch über der Stadt. Allein der Blick auf den Zürichsee ist - und zwar genau im Sinne des Wortes - unbezahlbar, die alten Baumriesen des wohlgepflegten Parks stehen wie alles hier unter strengem Denkmalschutz.

Die Menschen waren deutlich freudig erregt. Grüazis flogen hin und her, im Festzelt an der Flanke des Hauses wurde Wein eingekühlt und weiße Tischwäsche ausgebreitet, es erschien ein aufgeregt rotbackiger Zeremonienmeister und verkündete, dass es nun gleich ernst würde: Die neuen Museumsräumlichkeiten könnten unter der Führung der Architekten erstmals besichtigt werden, und das sei ein feierlicher, ein wunderbarer Moment.

Als der österreichische Architekt Adolf Krischanitz und sein Schweizer Projektpartner Alfred Grazioli vor drei Jahren den Wettbewerb zur Erweiterung des seit 1952 in der Villa untergebrachten Museum Rietberg gewannen, dachten alle mit dem traditionellen Denken der österreichischen Baukulturatmosphäre Geschlagenen, es würde sowieso mindestens ein Dutzend Jahre verstreichen, bis man das Projekt realisiert werde besichtigen können. Wenn es überhaupt je gebaut würde! Doch Schau- und Bauplatz ist eben die Schweiz, und dass die Uhren hier anders ticken, hat Tradition.

Aber wie anders, nämlich mit Freude, Genuss und Wertschätzung der Umgang mit Architektur, mit Planern, mit Kulturpolitik - und natürlich auch mit Geld gepflegt werden kann, ist atemberaubend. Denn das uns hier zu Lande umgebende politische Hickhack umwabert unser aller Denken mittlerweile in einer derart niveaulosen Dichte, dass jeder Blick in klarere Gefilde die Erbärmlichkeit der derzeitigen österreichischen Entscheidungträgerschaft auf allen Ebenen schlagartig und äußerst schmerzhaft vor Augen führt. Und die Baukultur ist einer der unbestechlichen Maßstäbe jeder Nation, sie gibt dreidimensional Auskunft darüber, wie die Aktien des Landes stehen.

Kathrin Martelli, die das Hochbaudepartement der größten Stadt der Schweiz leitet, erklomm das Podium. Sie verlieh ihrer sichtbaren Freude Ausdruck, dieses Projekt vollendet zu sehen: Es sei von den Parteien einstimmig befürwortet worden, von Stadt, Kanton und Investoren finanziert, von vorzüglichen Architekten geplant und umgesetzt und von einem engagierten Museumsdirektor getragen. Doch damit sei es noch lange nicht getan, noch andere Projekte seien notwendig, um den Wirtschafts- und Kulturstandort Zürich zu sichern und aufzuwerten. Man wolle sie alle ehebaldig in Angriff nehmen. „Doch wenn ich jetzt die gesamte Liste aufzuzählen beginne“, scherzte die energische Dame, „ist der Wein verdunstet, den wir ja eigentlich gleich trinken wollen.“

Sodann ergriff mit Elmar Ledergerber der vitale Stadtpräsident Zürichs wohlgelaunt das Wort. Er bedankte sich ebenfalls nicht zuletzt nachdrücklich bei den Architekten und vergaß auch nicht zu betonen, dass alle Investitionen in wichtige Kulturbauten selbstverständlich nicht zuletzt im Dienste der Rendite stünden. Denn jedes eingesetzte Fränkli würde - das sei erwiesen - dreifach wieder zurückrollen: „Die Gäste kommen ja nicht nur hierher, um sich das Museum anzuschauen und reisen aus Zürich gleich wieder ab.“ Und er sei gerne dazu bereit, die mit Beweisen und Statistiken gespickten Berechnungen auch der Regierung in schriftlicher Form quasi aufmunternd zu unterbreiten. Die 300 geladenen Gäste wandten der alten Villa nunmehr den Rücken zu und betrachteten das gegenüber gelegene schlanke und vollständig aus Glas konstruierte Solitärgebäude - die neue Schwelle zum Eingang in die vollständig unter der Erde untergebrachten Erweiterungshallen.

Krischanitz und Grazioli haben mit diesem Museum eine feine Spange zwischen Zeiten und Kulturen gespannt. Das Museum Rietberg beherbergt eine der wichtigsten Asiatica-Sammlungen der Welt, und dass den kostbaren Buddhas und Elefantengöttern vergangener Epochen das Tageslicht abträglich ist, geriet hier zum Vorteil. Auf zwei Ebenen gräbt sich das Museum nun in den Berg und unterhöhlt unsichtbar bis in eine Tiefe von fast 15 Metern die alte Villa und das vorgelagerte Gelände.

Der neue Eingang führt durch den Glassolitär, der, dem Museumsgegenstand entsprechend, kultisch-mysteriös als Schwelle in metaphysische Dimensionen ausgeformt wurde. Ein irisierendes, weil mehrschichtiges und sich dadurch bei Bewegung fast verflüssigendes Muster aus grünen, in das Glas eingebrannten Dreiecken leitet sich von der Kristallstruktur des Smaragds ab und schafft die entsprechende Atmosphäre. Im dahinter gelegenen Foyer stäubt durch eine Decke aus zweieinhalb Zentimeter dicken Onyx-Steinplatten cremefarbenes Licht in den Raum, die hintere Wand wurde vom Künstler Helmut Federle zu einem altarartigen Monument aus Beton geformt.

Zwei Stiegenhäuser erschließen die beiden ausgedehnten Ausstellungsebenen unter der Erde: Eines führt hier im Foyer hinab in die Unterwelt, das zweite leitet die Besucher auf der gegenüber gelegenen Seite hinauf direkt in die traditionellen Ausstellungsräume der Villa. Beide sind in unendlich sorgfältiger Tischlerarbeit wie große Möbelstücke - oder Instrumente - in Eichenholz ausgeführt. Jeder Schritt in diesen Resonanzkörpern ist wohltönend wie die gemessenen Tritte japanischer Priester in uralten Tempeln. Die Treppenwände sind luftige Holzgitter, durch feine, versenkte Messinggitter fließt honigfarbenes Licht auf die Stufen.

Die Ausstellungsebenen sind nach einem Eins-zu-drei-Raster gegliedert. Um je eine große zentrale Halle pro Geschoß gruppieren sich Themenräume für die jeweils gezeigten Exponate. Sanftes Licht spielt auch hier eine wesentliche Rolle: Zum einen dringt es durch eine zart gefältelte Decke aus weißen Polycarbonat-Elementen, die aussieht, als habe sich ein Riese mit der japanischen Kunst des Origami spielerisch die Zeit vertrieben. Zum anderen haucht das diffuse Hell der sensationellen Farbgebung der Wände Leben ein. Petrolgrün, Dunkelrot, Sandfarben, Anthrazit, Kobaltblau, jeder Raum ein dezenter Solitär. Die Farben wurden in aufwändigen Prozeduren und in drei Lasurschichten aufgetragen, was ihnen eine ganz eigenartige Körperhaftigkeit verleiht - und was die meist goldschimmernden Exponate, die erst in den kommenden Wochen hierher übersiedeln werden, mit Sicherheit grandios zur Geltung bringen wird. Apropos: Die Kostbarkeiten bekommen maßgefertigte gläserne Schreine. Deren Scharniere sind so winzig, dass man sie erst bemerkt, wenn man an der Nase hingeführt wird.

Auch die Ausstellungsräume der Villa Wesendonck wurden von den beiden Architekten einer Sanierung unterzogen und mit ebensolchen Farblasuren aufgefrischt. Dieser Part war zwar nicht im ursprünglichen Auftrag vorgesehen, doch Museumsdirektor Albert Lutz ist einer jener verschmitzten Schweizer, die den Wert guter Arbeit nicht nur anerkennen, sondern auch in Geld verwandeln können. Gerüchteweise tat sein Charme bei so mancher Mäzenatin Wunder, die im Herbst ihres Lebens ihre Asiatica-Sammlungen dem Museum vermacht hatte. Der Dank dafür sei groß, habe Lutz bedächtig gemeint, jedoch sei es eine Schande, dass das alte Museum zu klein, der Ausbau so teuer sei und dessentwegen den nunmehr übergebenen Prachtstücken ein würdiger Präsentationsrahmen versagt bleibe. Woraufhin nicht nur die Sammlungen, sondern zusätzlich auch noch Gelder für die Museumserweiterung gespendet wurden.

So stammen denn auch 16 der investierten 46 Millionen Franken von Privaten und Unternehmen, den Rest teilten sich Stadt (26 Mio.) und Kanton (vier Mio.). Mit den neuen 1300 Quadratmetern hat sich die Ausstellungsfläche mehr als verdoppelt. Man erhofft sich künftig bis zu 150.000 Besucher jährlich aus aller Welt, bereits in den vergangenen Jahren hatte sich die Zahl von 10.000 auf 90.000 erhöht. Am 18. Februar kommenden Jahres werden die neuen Säle des Museum Rietberg mit einer Schau früher buddhistischer Kunst Japans der Öffentlichkeit präsentiert.

Da Stadtpräsident Ledergerber nicht nur Reden schwang, sondern am Rande der Feierlichkeiten auch diplomatische Gesprächsrunden durch die Gästeschar drehte, wollte er unter anderem wissen, ob sich Architekt Adolf Krischanitz in Wien derselben hohen Wertschätzung erfreue wie in Zürich. Hier sei er hoch angesehen mit seiner „wienerischen“ Architektur, die doch anders sei als die der Schweizer Architekten, ein bisschen wärmer nämlich, und im Umgang mit den Materialien so gekonnt.

Die Wahrheit wäre undiplomatisch gewesen, deshalb lautete die Antwort schamüberhaucht: Ja. Allerdings mit dem Zusatz: Von der Vergabe-, Abwicklungs- und Bauherrenkultur, wie sie in der Schweiz eine vollkommene Selbstverständlichkeit darstellt, könnten österreichische Architekten im eigenen Land noch lange, lange träumen.

12. Oktober 2002Ute Woltron
Der Standard

Baldachine von Smaragd

Mathilde Wesendonck schrieb Gedichte. Richard Wagner vertonte sie. Adolf Krischanitz übersetzt die romantische Angelegenheit nun in kühle Architektur: Der Zubau zur Villa Wesendonck in Zürich spannt einen smaragdgrünen Glasarchitekturbogen zwischen den Zeiten.

Mathilde Wesendonck schrieb Gedichte. Richard Wagner vertonte sie. Adolf Krischanitz übersetzt die romantische Angelegenheit nun in kühle Architektur: Der Zubau zur Villa Wesendonck in Zürich spannt einen smaragdgrünen Glasarchitekturbogen zwischen den Zeiten.

Mathilde Wesendonck, die höhere Tochter, die Frau des Seidenfabrikanten, die Muse bedeutender Männer, dürfte ein Geschöpf der Schwärmerei und der Romantik gewesen sein.

Ihre Gedichte: Honigseim. Ihre Umgebung: die crème de la crème. Ihr Haus: eine Idylle. Ihr Leben: ein Hofhalten und Salonführen. Ihre Zeit: die Mitte des 19. Jahrhunderts. Das schöpferische Zentrum ihres Lebens war dabei die Villa Wesendonck in Zürich, doch sie war es nur für kurze Zeit.

1857 waren Otto und Mathilde Wesendonck in ihr neues Haus „auf dem grünen Hügel“ vor Zürich eingezogen, bereits 1871 verließen sie es wieder und siedelten nach Deutschland zurück. Die Zeitspanne dazwischen blieb zeitlebens Mathildens ewig Sehnen, denn hier hatte sie Richard Wagner kennen und wohl auch lieben gelernt, und hier hatte sie ihre fruchtbarste Schaffenszeit erlebt.

Heute ist die Villa des Industriellen und kunstsammelnden Wesendonck das Museum Rietberg. Es beherbergt eine der eindrucksvollsten Asiatica-Sammlungen der Welt, pflegt internationale Partnerschaften mit den großen Museen und platzt, wie man so sagt, aus allen Nähten.

Im vorvergangenen Jahr beschloss man deshalb, einen Erweiterungsbau zu versuchen, und veranstaltete zu diesem Zweck einen internationalen Architekturwettbewerb. Acht Architekten und Architektinnen wurden dazu eingeladen, nach einer Überarbeitungsphase kristallisierte sich heuer im Frühjahr das Team Alfred Grazioli, Schweiz, und Adolf Krischanitz, Österreich, als das erfolgreichste heraus.

„Sausendes brausendes Rad der Zeit. Messer du der Ewigkeit (...) Urewige Schöpfung halte doch ein, genug des Werdens, lasse mich sein“, hatte Frau Wesendonck das Fortschreiten und die Veränderung beklagt, doch das Rad der Zeit vermag durchaus elegant zu rollen, das Messer der Ewigkeit kann zierliche Schnitte tun, wenn die rechten Skalpellführer am Werk sind.

Krischanitz und Graziloi hatten ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen zu meistern: Die Villa Wesendonck, dazumals erbaut vom Zürcher Nobelarchitekten Leonhard Zeugheer, liegt heute noch als prächtiger Solitär inmitten des idyllischen Landschaftsparks, den Otto Wesendonck hatte anlegen lassen. Die alten Bäume spannen jene „hochgewölbten Blätterkronen“ und „Baldachine von Smaragd“, wie sie seine Gattin Mathilde gemeinsam mit dem nachbarschaftlich angesiedelten und von den Wesendoncks auch finanziell kräftig unterstützten Richard Wagner besungen hatte, und selbstverständlich steht alles unter Natur- und Denkmalschutz.

Ein Eingriff in dieses gebaute und über fast zweihundert Jahre gewachsene Ensemble stellt demnach ein kitzliges Gratwandern zwischen Alt und Neu dar, wenn man nicht mit den zig Tonnen Materialbewegung, die Architekturmachen mit sich bringt, das fein gesponnene Netz des Alten zertrümmern will. Das Rietberg-Projekt von Krischanitz und Graziloi beantwortet die grundlegenden Fragen des Denkmalschutzes mit großer Eleganz: Die Architekten stellen dem bestehenden Haus ein neues, kleineres gegenüber, sie erzeugen einen geräumigen Platz dazwischen, sie graben die großen neuen Ausstellungshallen in den Berg ein und verbinden die beiden Häuser unterirdisch miteinander. Das alles erfolgt in einem auf den ersten Blick strengen Raster, der die Proportionen des alten Hauses widerspiegelt, der aber letztlich gerade museale Spielereien aller Art zuläßt.

Im Vergleich zu den anderen Wettbewerbsprojekten, die von namhaften Kollegen wie Kazuyo Seijima und Ryue Nishizawa (SANAA), Shigeru Ban und Gigon/Guyer stammen, erklärt sich leicht, was den Zauber des Siegerprojektes ausmacht: Es ist trotz kompliziertester und schwierigster technischer Ausführung - immerhin muss sehr tief gegraben und das alte Haus unterfangen werden - das klarste und einfachste.

Während einige Kollegen mühsame Anbauten versuchten, die zwar für sich wunderbar sind, der alten Villenarchitektur aber nicht wirklich zu Gesichte stehen, oder während andere gleich mit Solitärgebäuden in entferntere Ecken des Parks flüchteten, die allerdings dem internen Museumsgeschehen nicht eben dienlich sind, brachten Krischanitz und Grazioli alles unter einem Dach unter.

Von oben betrachtet ist dieses Dach ein Platz, eine Leere zwischen den Gebäuden, die allerdings verbindend wirkt. Der Besucher nähert sich dem Ensemble durch den Park, er klappert je nach Absatzbeschaffenheit über asphaltierte Wege, das Holzstöckelpflaster des Platzes wird seinen Schritt jedoch dämpfen, es wird stiller werden, je näher man dem Gebäude kommt.

Der Eingang des neuen Museums führt nun nicht mehr direkt durch das Kaffeehaus, sondern befindet sich in Form eines zur Gänze gläsernen Pavillons gegenüber der Villa: Ein Baldachin von Smaragd als Entrée in eine Unterwelt, die ebenfalls mit der Vergangenheit verknüpft ist. Die Wesendoncks hatten an dieser Stelle eine der zu ihrer Zeit so modernen Grotten bauen lassen.

Das Zubauprojekt ist ebenfalls bewusst grottenhaft, doch ohne Schwanromantik. Der Versuch, ein derartig dimensioniertes Haus ausschließlich aus Glas zu konstruieren, ist einmalig. Der, wie Krischanitz es nennt, „totale Glasbau ohne jegliche konstruktive Accessoires“ soll folgende Merkmale zum Ausdruck bringen: „Zeichnung und Wahrnehmung der natürlichen Kontur durch optimale Transparenz; Respekt, Diskretion und Neutralität vor und zum Inhalt und zur Repräsentanz der Aufgabe des Museums.“ Technisch gesehen handelt es sich um lamelliertes Verbundglas, der Sonnenschutz erfolgt über Textil.

Die Unterwelt selbst erstreckt sich über zwei riesige Ausstellungsgeschoße, Stampfbetonwände erzeugen den Eindruck gewachsener Erdschichtungen, Licht- und Klimatechnik liegen an den Decken hinter Glas verborgen, zwei ebenfalls gläserne Treppen führen in den Pavillon sowie in die alte Villa. Das Raumkonzept besticht durch Einfachheit und optimale Bespielbarkeit: Ein paar Türen auf oder zugemacht verändern den Museumsparcours je nach Wunsch der Ausstellungsmacher.

Da die Schweiz, auch was ihre Bautätigkeit anbelangt, ein demokratisch ausgereiftes Land ist, wird über das Projekt im kommenden Frühjahr mittels Volksabstimmung entschieden werden. Der Denkmalschutz hat bereits volle Zustimmung gegeben, auch die Aufbringung der erforderlichen Mittel von drei Millionen Franken (viereinhalb Millionen Euro), die zu einem Drittel aus Sponsorgeldern aufgebracht werden, scheint gesichert. Baubeginn könnte im Herbst 2003 sein, 2006 will man das neue Museum eröffnen.

Mathilde Wesendonck würde wohl zufrieden sein mit der Adaptierung „auf dem grünen Hügel“, denn auch eine Restaurierung ihrer alten Wohn- und Wirkensstätte ist vorgesehen. Uns so fügt sich alles zum Ganzen, so spannt sich der gläserne Architekturbogen über die Zeiten: „Wenn Aug' in Auge wonnig trinken, Seele ganz in Seele versinken; Wesen in Wesen sich wiederfindet, Und alles Hoffens Ende sich kündet, Die Lippe verstummt in staunendem Schweigen, Keinen Wunsch mehr will das Innre zeugen: Erkennt der Mensch des Ew'gen Spur, Und löst dein Rätsel, heil'ge Natur!“

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