Pläne

Details

Adresse
Franz-Josefs-Kai 47, 1010 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Gavin Rae (PL), Szczepan Sommer
Bauherrschaft
Zürich Versicherungs AG
Mitarbeit Tragwerksplanung
Peter Hörmann, Oliver Amschl
örtliche Bauaufsicht
Franz Leppa
Bauphysik
Walter Prause
Weitere Konsulent:innen
HKLS - und Elektro-Planung: Reinhold Bacher, Wien
Planung
2001 - 2003
Ausführung
2001 - 2003

Publikationen

Archbau

Genereller introtext zu Archbau der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

01. November 2003Isabella Marboe
Der Standard

Raffiniertes Understatement

Gute Architektur entsteht erst, wenn der Bauherr sie zulässt. Seit kurzem füllt das „k47“ von Henke/Schreieck die Lücke des alten Kai- palais. Ein rarer Glücksfall für die Wiener Innenstadt.

Gute Architektur entsteht erst, wenn der Bauherr sie zulässt. Seit kurzem füllt das „k47“ von Henke/Schreieck die Lücke des alten Kai- palais. Ein rarer Glücksfall für die Wiener Innenstadt.

Bauen im gewachsenen Gefüge ist immer schwierig, besonders prekär ist die Lage in der Schutzzone Innere Stadt, wo die Auflagen strenger und Baulücken rar sind. Seit kurzem ist sie um einen präzisen, modernen Stadtbaustein reicher. Dieter Henke und Marta Schreieck planten das exquisit-elegante Büro-und Geschäftshaus „k47“ am Franz-Josefs-Kai, das kürzlich eröffnet wurde.

Seit der Realisierung von Hans Holleins heftig debattiertem Haas-Haus ist es der erste Neubau in der Schutzzone. So prominent wie der Stephansplatz ist die Adresse am Kai nicht, dafür legte der historische Vorgänger die Latte sehr hoch. Der Architekt Ignaz Nathan Reiser (er plante unter anderem den Stadttempel in der Pazmanitengasse, die Mödlinger Synagoge, die Zeremonienhalle am Tor IV des Zentralfriedhofs) hatte das „Kaipalais“ entworfen: ein späthistoristisches, repräsentatives Haus mit prägnantem Eckaufbau an der Schwelle zur frühen Moderne, 1912 hochinnovativ als einer der ersten Stahlbetonbauten Wiens konstruiert.

1930 erwarb die Zürich Kosmos Versicherungs-AG die Immobilie, 1997 begann man mit der Sanierung, ein Jahr später traten eklatante Schäden zutage. Ein Brand im Jahr 1945 hatte die scheinbar intakten Stahlbetonteile der Primärstruktur stark in Mitleidenschaft gezogen, ein Gutachten attestierte bis zu 50 Prozent verminderte Tragfähigkeit. Das Haus musste evakuiert werden, eine Initiative aus Wissenschaftern, Denkmalschützern und Prominenten (u.a. Herbert Fux, Josef Mikl, Walter Berry, Otto Schenk) formierte sich vergeblich zum Erhalt des Kaipalastes. 1999 hob das Bundesdenkmalamt die Unterschutzstellung auf, im Februar 2001 wurde die Abbruchbewilligung erteilt.

Bauherr Zürich-Kosmos veranstaltete einen geladenen Wettbewerb, wobei auf einengende Vorgaben, Raum- und Funktionsprogramme verzichtet wurde. Gefordert war einzig die Bereitstellung wirtschaftlich vermietbarer Flächen. Das Siegerprojekt von Henke/Schreieck besticht durch die auf den spezifischen Ort und die Bauaufgabe zugeschnittene Umsetzung einer Grundhaltung, die all ihre Arbeiten auszeichnet. Nicht vordergründige Flächeneffizienz, sondern ein Maximum an räumlicher Qualität und Großzügigkeit zählen. Diesem Prinzip blieben die beiden auch am äußerst kostspieligen Innenstadtpflaster treu; Zürich-Kosmos gewährte der Qualität Preis und Raum. Gute Architektur braucht gute Bauherren, das „k47“ ist ein Glücksfall für die Schutzzone. Es steigert nicht nur das Lebensgefühl derer, die zukünftig hier arbeiten, es putzt auch das Textilviertel auf, ohne die alten Bauten protzig-penetrant an die Wand zu spielen.

Vor Planungsbeginn sahen sich Henke/ Schreieck mit ihren Statikern den alten Kaipalast noch einmal an, um zu prüfen, ob er nicht doch zu retten wäre. Dann konzipierten sie einen Neubau, der auf höchstem konstruktivem, formalem und konzeptionellem Niveau würdig sein Erbe antritt. Vornehm schließt er das Eckgrundstück Franz-Josefs-Kai und Heinrichstraße, selbst die Garageneinfahrt tritt hier nur dezent in Erscheinung, Platz sparend schraubt sich die Zufahrtsrampe mit geneigten 51 Parkplätzen in die Kellertiefen, ohne die klare Grundrisskonzeption zu stören. Wie sein Vorgänger ist das „k47“ ein innovativer Stahlbetonbau. Bis auf wenige Stützen an den Randzonen kamen die Statiker Gmeiner und Haferl stützenlos aus, weit ragt ein Erker in der Feuermauerschlucht. Innen bieten die frei überspannten Räume größte Flexibilität der Nutzung, eine Anforderung, die auch das Klimasystem im Doppelboden erfüllt.

Außen zeigt sich das Haus fast als monolithischer Block mit einer ausgetüftelten Fassade aus satinierten Mattglaselementen. Keine aalglatt spiegelnde Haut, sondern raffiniertes Understatement. Die nicht reflektierende Hülle aus geschoßhohen, transluzenten Lamellen nimmt den Dialog mit der Plastizität der umgebenden Gründerzeitfassaden auf, jedes dritte Element lässt sich individuell steuern.

Noch schläft das „k47“. Wenn es bezogen ist, werden die Nutzer der Fassade eine lebendig gefaltete, körperhafte Struktur geben. Die Lamellen wurden als 1:1-Modelle gebaut und in ihrer Lichtwirkung genau geprüft, bevor sie aufs Gebäude durften. Mit 21 m Höhe passt sich das Gebäude den Nachbarn an, die von der Bauordnung gegebene Möglichkeit, das Dachgeschoß im Bereich der 45°-Neigung aufzustocken, wurde nicht genutzt. Stattdessen artikuliert eine transparent und leicht über dem Gebäude schwebende, rundum verglaste Skybox das markante Eck. Ein Signal, das Prägnanz verleiht, Anrainern mit Dachgärten kein Licht raubt, nach außen wie nach innen wirkt. Von hier aus genießt man einen einzigartigen Panorama-Rundblick über die neue Skyline am Kai und die reiche, kleinteilige Dachlandschaft der Schutzzone aus Kirchtürmen, Kuppeln, Aufbauten, Gärten und Terrassen. Innen wirkt die Skybox wie eine Verlängerung des skulptural ausgeschnittenen Hofraums, der sich mit auskragenden Erkern, tiefen Einschnitten, überbrückten großzügigen Lufträumen zu Stadt und Himmel weitet.

Diszipliniert mit einer idealen Schaufenstersockelzone fasst das „k47“ das Eck, eindeutig markiert ein Einschnitt den Eingang im Erdgeschoß. Auch kleine Details, die den ersten Eindruck prägen, wurden bedacht. Das Firmenpräsentationsschild mit runden Gläsern am Entree und das grafische Leitsystem gestaltete Ingeborg Kumpfmüller, ein Lichtbild von Hans Weigand setzt einen Blickpunkt ans Ende des schmalen Foyers. Vor hellem Grund ist schemenhaft ein Mensch in Bewegung hinter horizontalen Linien zu sehen - mit der Betrachterdistanz verändert sich die gerasterte Arbeit. Zentral liegt der Erschließungs- und Sanitärkern gegenüber der Portierloge aus hellem Birkenholz, ein Blick genügt zur Orientierung. Das erste Geschoß ist ganz vermietet, im Bereich der Feuermauern sind Oberlichten, durch die man bis zur Skybox sieht. Neonröhren an blauen Untersichten im Stiegenhaus ziehen hinauf, zum Hof hin ist es verglast, bietet reiche Perspektiven ins Atrium.

Der fulminante, glasgedeckte Hofraum beginnt im zweiten Stock und ist die wahre Attraktion des „k47“. Viel Augenmerk legten Henke/Schreieck auf die skulpturale Ausformung des Baukörpers; der Monolith entpuppt sich als durchlässig. Präzise wurde ein mehrgeschoßiger, komplex nach Himmelsrichtung, Lichteinfall und Perspektiven ausgerichteter „Leerraum“ aus dem Volumen modelliert. Außen zeichnet er sich in einem fast zehn Meter hohen Einschnitt an der Kaifassade und einem zweigeschoßigen Schlitz zum Nebenhaus in der Heinrichstraße ab. Innen öffnet er sich fünf Geschoße hoch bis zur Verglasung, die immer für Wintergartenklima sorgt. Der „Leerraum“ verweigert sich banaler Regelgeschoßlogik, löst die Hierarchie zwischen attraktiven Straßenfronten und benachteiligten Hinterhofzonen komplett auf. Aus vorspringenden Erkern lässt sich über die ganze Trakttiefe das Treiben am Kai beobachten, und man kann in den Hof und die Glasfronten der anderen vor- und rückspringenden Büros blicken. Bald werden sich auch auf Luftbrücken, Balkonen und hinter den Innenhoffassaden Menschen tummeln.

Mit dem „k47“ haben Henke/Schreieck die gewachsene Schönheit der Altstadt um ein zeitgenössisches Juwel bereichert. Seit die Innenstadt zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, gelten auch jenseits der Schutzzone strengere Maßstäbe. Beim Ortner-&-Ortner-Projekt Wien-Mitte führten lange mediale Debatten zum Baustopp und zum städtebaulichen Wettbewerb der Bahnhofsüberbauung. Auch an diesem neuralgischen Punkt in der Stadt fanden Henke/Schreieck die überzeugendste Lösung. Ihr Siegesprojekt lässt Hoffnung in verzwickter Lage keimen. Dezent fügt sich eine 30 m hohe, U-förmige Randbebauung mit zweigeschoßig durchlässiger Sockelzone in die Struktur der Landstraßer Hauptstraße. Sie umschließt ein gedecktes Atrium, aus dem präzis gesetzte, leicht geschwungene Baukörper ragen. Sie nutzen das mit dem Weltkulturerbe kompatible 60-m-Limit nicht ganz, orientieren sich am Hilton-Hotel und leiten elegant zum bestehenden City-Tower-Rumpf über. Man kann nur hoffen, dass der Bauherr das zulässt.

22. Oktober 2003Jan Tabor
Falter

Besser gehts nicht

Ihre Bauwerke fallen aus dem Rahmen, irritieren dadurch, dass sie einfach erscheinen und doch etwas Besonderes haben. Ihre Arbeit lässt keinen Kritiker kalt: Die Architekten Dieter Henke und Marta Schreieck vollendeten jetzt den Kaipalast und gewannen den Wettbewerb für die Neugestaltung von Wien-Mitte.

Ihre Bauwerke fallen aus dem Rahmen, irritieren dadurch, dass sie einfach erscheinen und doch etwas Besonderes haben. Ihre Arbeit lässt keinen Kritiker kalt: Die Architekten Dieter Henke und Marta Schreieck vollendeten jetzt den Kaipalast und gewannen den Wettbewerb für die Neugestaltung von Wien-Mitte.

Seit dem 10.10., 10 Uhr sind Henke und Schreieck auch im Stadtbild der Innenstadt von Wien nicht mehr wegzudenken. Am 10.10. um 10 Uhr wurde der Neubau des Kaipalastes offiziell und feierlich für vollendet erklärt und von Architekturexperten als vollkommen befunden. Bei den Feierlichkeiten lobten Dieter Henke und Marta Schreieck ihre Mitarbeiter, vor allem die Konstrukteure Manfred Gmeiner und Martin Haferl, mit denen sie oft zusammenarbeiten. Sie lobten den Bauherrn, Generaldirektor Rudolf Kraft, der ihnen erlaubt habe, genauso zu bauen, wie sie es sich vorgestellt hatten, und ihnen so ermöglicht habe, nicht von ihrem Architekturgrundsatz, „der Maximierung des Raumes, nicht der Maximierung der Nutzflächen“, abweichen zu müssen - obwohl es sich hier, am Franz-Josephs-Kai, um einen besonders teuren Baugrund handelt.

Der Generaldirektor seinerseits lobte Henke und Schreieck für deren Fähigkeit, die „perfekte Symbiose aus Funktionalität und Ästhetik zu schaffen“. Und er lobte sich selbst, weil seine Firma, die Züricher Versicherung, ihnen ermöglicht habe, ohne wesentliche Einschränkungen so zu arbeiten, dass ein Bauwerk entstehen konnte, auf das sie, die Firma, die Innenstadt, ganz Wien und so weiter stolz sein können. In der Tat. Der nächste prestigeträchtige Bauherrenpreis, das kann bereits als sicher angenommen werden, ist ihnen für den K47, so der Werbekurzname des neuen Kaibüropalastes, sicher. Es wäre der fünfte, den Henke und Schreieck bekommen würden. Sie haben, das muss man sagen, wenn man sie für ihre außerordentlich guten Bauwerke lobt, auch enormes Glück mit ihren Bauherrschaften gehabt. Und mit ihren Architekturkritikern. Kaum ein Bau von ihnen, der nicht hymnisch rezensiert wäre.

Wieder einmal ging an diesem 10.10. ein Seufzen der Begeisterung durch die Architekturszene und ein Seufzen der Erleichterung durch die Amtsstuben der Wiener Stadtplaner und Denkmalschützer: That's it! Der K47-Schriftzug, der in großen roten Buchstaben an den Glaswänden der bis weit in die Landschaft des Donaukanal-Tals sichtbaren Skybox auf dem Dach zu lesen ist, sei der Beweis, dass in der Wiener Innenstadt auch unter dem Kuratel des schrecklich schönen Verdikts vom Weltkulturerbe zeitgenössische Architektur möglich sei, gar die aller zeitgenössischste, für die Henke und Schreieck bereits lange stehen. Ein Architekturkritiker, nämlich ich selbst, sagte an diesem denkwürdigen 10.10. dem ORF gegenüber: „Besser gehts nicht.“ Außerdem sagte ich, dass der neue Kaipalast besser sei als der alte von 1912 von Ignaz Nathan Reiser, der abgebrochen werden musste, weil er bauphysikalisch in ruinösem Zustand war.

Jetzt ist also der neue Kaipalast da und da muss man mit Adolf Loos begeistert festhalten: Eine Veränderung, die keine Verbesserung ist, ist eine Verschlechterung. Der K47, das Kürzel steht für die Adresse Franz-Josephs-Kai 47, bedeutet eine enorme Verbesserung und Aufwertung der architektonischen Situation an der städtebaulichen Kante der Innenstadt. Er ist nach dem genialen, aber in seiner einzigartigen architektonischen Qualität weit gehend verkannten, zwischen 1968 und 1984 von Ernst Hiesmayr errichteten Juridicum, erst das zweite Bauwerk, das in der Innenstadt samt ihrem unmittelbaren Umkreis nach 1945 entstanden ist, dem man internationales Niveau bescheinigen kann. Und mit der streng geometrischen und völlig transparenten Skybox auf dem Dach des sonst geschlossen wirkenden Hauptkörpers stellen Henke und Schreieck - gerade rechtzeitig - einen beinahe manifesthaft eindeutig formulierten Diskussionsbeitrag zum Thema zeitgenössisches Bauen in der vergaubten Wiener Dachlandschaft auf.

Auch das Juridicum weist eine originelle Dachlösung und eine Menge formaler und ethischer Ähnlichkeiten mit dem K47 auf. Unter anderen fällt die Entschiedenheit auf, mit einem Gebäude den städtischen Raum, den Straßenraum im Speziellen, im Sinne der vorgefundenen Situation genau zu definieren und fortzusetzen. Dabei handelt es sich nicht um ein respektvolles Reagieren auf eine vorgefundene Situation, also um einen so genannten architektonischen Dialog mit der Umgebung, wie in den Architekturkritiken der Henke-Schreieck-Bauten immer wieder betont wird. Ganz im Gegenteil. Henke und Schreieck vermeiden die Anpassung, sie reagieren nicht dialogisch, sondern dialektisch. Ihre Lösungen können als Antithesen zu der vorgefundenen Lage, der Situation oder Nachbarschaft verstanden werden. Ihre Bauwerke fallen aus dem (orts)üblichen Rahmen heraus, fallen auf, irritieren dadurch, dass sie ungemein einfach erscheinen und doch etwas haben, was der offenbaren Architektur zu einem nicht definierbaren Mehrwert verhilft.

Eines der Prinzipien von Dieter Henke und Marta Schreieck ist die Schaffung von gleitenden Übergängen zwischen dem gänzlich öffentlichen und dem gänzlich privaten Raum, die Führung des Raumes in das Gebäude hinein und umgekehrt aus dem Gebäude heraus - so wie es auch für das Juridicum charakteristisch ist. Bis auf die Transparenz blieb allerdings beim K47 im Sockelbereich kein Platz übrig, der Straßenraum wird daher durch zwei großzügig bemessene Einschnitte in das Gebäude geführt, wo er sich mit dem überdachten, großzügig dimensionierten Atrium verbindet. Die Dialektik ihrer architektonischen Vorgangsweise, die konkrete Formulierung des Entwurfes, setzt die genaue Kenntnis und Erkenntnis der Bausituation - einschließlich Aufgabe und Rahmenbedingungen - voraus. Dies ist sozusagen die These, auf die sie dann mit einer Antithese - mit ihren Entwürfen - reagieren.

Der Antithesecharakter dürfte einer der Gründe dafür sein, warum ihre Architektur so spannend ist. So kann auch die auffällige K47-Skybox verstanden werden: als die Antithese zum eigenen Gebäude darunter. Jetzt und wahrscheinlich noch eine Zeit lang mag der K47 befremdlich wirken, dann wird man aber feststellen, dass diese Lösung (Welt) - mit dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz gesprochen - von den unendlich vielen vorstellbaren Lösungen (Welten) die beste ist. Oder, wie die Architekturpublizistin Liesbeth Waechter-Böhm ihre Presse-Rezension des von Henke und Schreick erweiterten, umgebauten und rekonstruierten Parkhotel Hall von Lois Welzenbacher (1930) stark begeistert, leicht resignierend beendet hat: „So ist es, und anders soll es gar nicht sein.“ Ein wenig abseits von dem turmartigen, strahlend hellen und denkmalgeschützten Welzenbacher-Hotel stellten Henke und Schreieck dort einen zweiten Hotelbau auf, der zylindrisch und fast schwarz ist.

Dem glücklicher Seufzer vom 10.10. ging zwei Tage zuvor ein noch glücklicherer voraus. Die Jury des städtischen Planungswettbewerbs für den Bahnhof Wien-Mitte unterschrieb das Juryprotokoll, demnach Henke und Schreieck mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurden - bei sieben Prostimmen und zwei Enthaltungen. Das Prädikat des UNESCO-Weltkulturerbes für Wien, durch die Türme der vorher geplanten Hochhäuser gefährdet, wurde gerettet. Es war ein denkwürdiger Tag. Denn, und das ist wirklich neu, „ein Wesensmerkmal des Verfahrens war die Einbeziehung von Vertretern aller politischer Parteien“. SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne. So der offizielle Text. Die De-facto-Einstimmigkeit veranlasst zu der Überlegung, ob es sich nicht um einen Fall der „sozialpartnerschaftlichen Ästhetik“ handelt, wie es Robert Menasse einmal formuliert hat.

Aber Achtung! In dem Juryprotokoll tauchen verdächtige Formulierungen auf. „Für die Jury war die Einfachheit und Klarheit des städtebaulichen Vorschlags, das Prinzip des gedeckten, großzügigen Hofes sowie die Abstraktion von der architektonischen Handschrift maßgeblich. Die Jury schätzte im Besonderen die Fähigkeit des Projektes, in unabhängigen Abschnitten realisiert zu werden, wie auch die Möglichkeit, künftige, unterschiedliche architektonische Sprachen zu integrieren.“

Das könnte bedeuten, dass mehrere Architekten an der Verwirklichung, und dies über längere Zeitspannen, man spricht von 15 Jahren, beteiligt werden sollen. Dass sogar - durchaus denkbar - Henke und Schreieck gar nicht an dem soeben gewonnenen Projekt mit konkreten Bauten beteiligt sein müssen. Es gibt Verträge, die den bisher hier planenden Architekten die Ausführung gänzlich oder teilweise sichern. Der siegreiche Entwurf ist tatsächlich hervorragend. Hervorragend im Sinn der Architekturauffassung von Henke und Schreieck. Also Achtung!

11. Oktober 2003Der Standard

„k47“ macht's im Stadtbild wieder gut

(SUBTITLE) Der neue Kaipalast wurde schon vor der Eröffnung als gelungene Architektur im Welterbeensemble gefeiert. Zuvor gab es heftige Debatten um den Abriss des alten Palastes.

An der Realisierung des „k47“ als Standort einer Versicherung wurde lange gezweifelt.

An der Realisierung des „k47“ als Standort einer Versicherung wurde lange gezweifelt.

Kaum ein Slogan hat sich so bewährt: Zürich Kosmos macht's wieder gut. Als nämlich Rudolf Kraft, Chef der Versicherungsgesellschaft, vor längerer Zeit der „politische Bannfluch“ wegen des Abrisses des alten Kaipalastes traf, dachte er nicht mehr daran, jemals am Kai bauen zu dürfen. Jetzt ist alles paletti, weil ein schmuckes Kastl mit „Skybox“ und lamellenverzierter Glasfassade zum neuen Palast wurde - sein Kürzel „k47“ ist abgeleitet von der Adresse Franz-Josefs-Kai 47. Seit 1930 besitzt die Versicherung diese Liegenschaft.

Verwirklich haben den siebengeschoßigen Bau die Architekten Marta Schreieck und Dieter Henke. Sie haben vor wenigen Tagen auch den städtebaulichen Wettbewerb zur Neugestaltung der Bahnhofsüberbauung in Wien-Mitte gewonnen.

Marta Schreieck sagte bei der Eröffnung gestern, Freitag, es sei ihr bewusst, dass die Erwartungshaltung nach all den Abriss- und Welterbedebatten in der Wiener Innenstadt gegenüber k47 besonders hoch gewesen seien. Man habe versucht, den zeitgenössischen Bürobau ins historische Ensemble am Kai zu intergrieren.


Leere als Luxus

Dies sei vor allem deswegen gelungen, weil man auf Kubaturen und Maßstäbe geachtet habe - man habe die maximal erlaubte Höhe nicht ausgenutzt. Der eigentliche Luxus an dem Neubau sei „die Leere im Inneren des Gebäudes“ (das Atrium) - was in Zeiten der Raum-, Höhen- und Flächenmaximierung für mehr Profit mit Immobilien bemerkenswert sei. Wendbare Sonnenschutzlamellen wirken wie schimmernde Schichten, wenn sie geschlossen sind. Stehen sie offen, ist der geschmälerte Blick nach außen auf den Donaukanal frei.

Das Schmuckkastl hat, nach hinten versetzt und über dem Stiegenhaus schwebend, eine Box obendrauf. In dem rundum verglasten Raum eröffnet sich Besuchern auf der Seite zur Leopoldstadt der Blick auf den Donaukanal. Selten ist bisher das graublaue Band so gut von einem öffentlichen Gebäude aus zu sehen gewesen. Ein Rundumblick über die ganze Innenstadt ist möglich. Jene, die dort oben ihre Dachgärten angelegt haben, werden mit künftig zahlreichen Besuchern der „Skybox“ weniger Freude haben.

03. Oktober 2003Christian Kühn
Spectrum

Es bleibt alles besser

Ein ambitionierter Bauherr, eine kluge Wettbewerbsausschreibung, ein raffinierter Entwurf: Der Kaipalast von Henke und Schreieck beweist, dass dem guten Alten ein noch besseres Neues folgen kann.

Ein ambitionierter Bauherr, eine kluge Wettbewerbsausschreibung, ein raffinierter Entwurf: Der Kaipalast von Henke und Schreieck beweist, dass dem guten Alten ein noch besseres Neues folgen kann.

In der historischen Altstadt neu zu bauen war immer schon schwierig. Einerseits ist die Konkurrenz hier besonders hoch: Wer Geld und Macht hatte, wollte das von jeher im Zentrum der Stadt zum Ausdruck bringen und beauftragte die besten Architekten der jeweiligen Epoche. Andererseits ist die Öffentlichkeit hier besonders wachsam: Die Altstadt ist immer schön, wie sie ist, und jeder Neubau steht grundsätzlich unter dem Verdacht, ein vertraut gewordenes Bild zu zerstören.

Dieses Spannungsfeld zwischen Baulust und Bildbewahrung ist seit dem 19. Jahrhundert ein Faktor der Stadtentwicklung, inzwischen verregelt in einer Vielzahl von Gesetzen zum Denkmal- und Ensembleschutz. In Wien erlaubt die Bauordnung die Einrichtung von Schutzzonen, zu denen der erste Bezirk selbstverständlich gehört, und seit dieser auch noch zum Weltkulturerbe erklärt wurde, darf der Wiener sich im Gefühl sonnen, dass die Welt mit Argusaugen beobachtet, was er mit seiner Innenstadt anstellt.

Und siehe da: Trotz Schutzzone und Weltkulturerbe wird hier noch immer gebaut. Der Entwicklungsdruck ist höher als je zuvor. Wer Geld und Macht hat, drängt wie gehabt ins Zentrum, das Hotel Sacher will ein bisserl was draufsetzen, Häuser werden entkernt, um den Bedürfnissen des Handels nach großen Flächen entgegenzukommen, und in der Dachzone der Innenstadt - deren üppige skulpturale Ausstattung nach dem Krieg nie wieder hergestellt wurde - entstehen luxuriöse Wohnungen. Kurz: Die Stadt lebt und verändert sich. Und ab und zu darf, wie derzeit am Franz-Josefs-Kai zu besichtigen, sogar ein ganzes Haus abgerissen und neu gebaut werden.

Das abgerissene Haus, der sogenannte „Kaipalast“, 1912 nach einem Entwurf des Architekten Ignaz Nathan Reiser errichtet, war durchaus denkmalverdächtig. Es handelte sich um eines der frühen Stahlbetongebäude in Wien, bei denen dieses Material sowohl im Inneren als auch an der Fassade zum Einsatz kam. Stilistisch dem Späthistorismus zuzuordnen, war das Gebäude zugleich ein Experimentalbau, bei dem die Möglichkeiten des neuen Materials Stahlbeton ausgereizt wurden. Die Decken maßen an den dünnsten Stellen nur acht Zentimeter und hatten im Lauf der Jahre immer neue Schichten aufgedoppelt bekommen, um den statischen Vorschriften zu genügen. Ein Brand in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs hatte das Gebäude noch zusätzlich in seiner Substanz belastet.

Als bekannt wurde, dass sein Abbruch geplant war, formierte sich eine Initiative zur Rettung des Kaipalasts. Die MA 19 - Magistratsabteilung für Stadtgestaltung - beauftragte ein Gutachten, das eine Sanierung für möglich erklärte, wenn auch unter hohen Kosten. Die Zürich Kosmos Versicherung als Eigentümerin des Objekts hatte allerdings wenig Lust, den Bau, den sie bereits 1930 erworben und seither betrieben hatte, instand zu setzen. Für ein zeitgemäßes Bürohaus war er vom Grundriss her veraltet, das Treppenhaus dunkel, eine bauphysikalisch korrekte Sanierung der Fassade unter Bewahrung ihres alten Erscheinungsbilds so gut wie unmöglich.

Und außerdem hatte die Versicherung den Ehrgeiz, den schon alle früheren guten Bauherren in der Innenstadt hatten, nämlich ein besonderes Gebäude zu realisieren, das seine Nachbarn an Qualität übertrifft. Ob das gelungen ist, wird die Öffentlichkeit ab nächster Woche beurteilen können, wenn der neue Kaipalast offiziell eröffnet wird. Noch sind die geschoßhohen Lamellen aus satiniertem Glas, die jeweils paarweise vom Innenraum aus gesteuert werden können, geschlossen. Hinter dieser scheinbar hermetischen - aber im Gebrauchszustand durch die unterschiedlichen Stellungen der Lamellen sehr lebendigen - Fassade haben die Architekten Dieter Henke und Martha Schreieck ein raffiniertes Raum kunstwerk errichtet. Die beiden unteren Geschoße sind durchgehend verbaut und werden als Geschäft vermietet. Die Ebenen darüber sind um einen überdachten Hof herum gruppiert, an dem auch das gut belichtete Treppenhaus liegt. Trotz der scheinbaren Homogenität der Fassade ist jede dieser Ebenen etwas unterschiedlich. Es gibt zwei Durchbrüche vom Hof nach außen, die sich in der Fassade als große Öffnungen abzeichnen. Die Arbeitsplätze, die tief im Gebäude am Innenhof liegen, erhalten dadurch einen Blick nach außen auf den Kai, und weil sie zusätzlich noch am gut proportionierten und durch einige Terrassen auch gut nutzbaren Innenhof partizipieren, sind sie erstaunlicherweise mindestens ebenso attraktiv wie ein Fensterplatz an der Straße.

Durch das zentrale Stiegenhaus sind die Bürogeschoße leicht teilbar und können jeweils in zwei unabhängigen Einheiten vermietet werden. Überhaupt war die Flexibilität der Grundrisse ein wesentliches Anliegen: Alle technischen Einrichtungen bis hin zur Klimatisierung wurden so ausgeführt, dass jederzeit eine Umrüstung vom Großraum zu Einzel- oder Gruppenbüros erfolgen kann. Zur Flexibilität trägt auch das Konstruktionssystem bei, das mit wenigen Stützen auskommt und dafür im Parapetbereich der Fassade Träger anordnet, mit denen sich beispielsweise die weite Auskragung an der Ecke bewältigen lässt. Als Tragwerksplaner sind die Bauingenieure Gmeiner und Haferl zu nennen, bewährte Partner von Henke und Schreieck, die von der Konzeptphase an in ihre Projekte eingebunden sind.

Als besondere Ingenieurleistung schwebt über dem Gebäude parallel zum Kai ein verglaster Quader, der in den Skizzen der Architekten mit dem Ringturm in Verbindung gebracht wird. So wie der vertikale Quader des Ringturms nach oben hin aus der Gründerzeitlogik ausbricht, aber nicht mehr sein will als ein Eckstein der Ringstraße, bricht auch die kleine freche Schachtel über dem Kaipalast aus dieser Logik aus und bleibt trotzdem im Rahmen der sehr heterogenen Wiener Dachlandschaft. Der Ausnahmegenehmigung, die wegen einer Überschreitung der Baulinie dafür nötig war, haben auch die Anrainer rasch zugestimmt. Denn vom Volumen her unterschreitet das Gebäude in der Dachzone bei weitem das, was an dieser Stelle möglich gewesen wäre. Hätte der Bauherr darauf bestanden, dieses Volumen auszunutzen, wäre bereits die obere Dachkante um ein Stück höher; und wäre dann noch unter 45 Grad nach oben gebaut worden, hätte das den Dachwohnungen in der Nachbarschaft viel Licht und Ausblick geraubt.

Dass hier nicht das Maximum an Kubatur erzwungen wurde, liegt auch an einer klugen Wettbewerbsausschreibung. Im Bewusstsein, dass es um ein höchst sensibles Projekt geht, ließ sich die Zürich Kosmos Versicherung dahingehend beraten, auf ein genaues Raum- und Funktionsprogramm für ihr Büro- und Geschäftshaus zu verzichten, und gab auch keine Mindestkubaturen vor. Das hat sich gelohnt: Gewonnen hat ein Projekt, das bei weitem nicht die größte Fläche erreichte, aber die höchste Qualität. Wenn das Weltkulturerbe Wien Innere Stadt trotz des massiven Entwicklungsdrucks bleiben will, was es ist, nämlich ein Ensemble herausragender Bauten aus allen Jahrhunderten, wird es sich am Kaipalast ein Beispiel nehmen müssen.

24. Februar 2001Ute Woltron
Der Standard

Scharfer Zahn

Die Wiener Innenstadt bekommt den ersten Neubau nach dem Haas-Haus. Die verantwortlichen Architekten sind Dieter Henke und Marta Schreieck.

Die Wiener Innenstadt bekommt den ersten Neubau nach dem Haas-Haus. Die verantwortlichen Architekten sind Dieter Henke und Marta Schreieck.

Alte Städte sind sensible Organismen, und ihre Fronten und Fassadenreihen blicken auf die Betrachter ihrerseits mit einem eigenen Mienenspiel zurück. Sie schauen dabei fröhlich oder finster drein, je nachdem, jedenfalls haben sie Charakter, Persönlichkeit und ein markantes Gesicht. Es ist für jeden Architekten ausgesprochen schwierig, in einem solchen Ensemble sinnvolle Veränderungen vorzunehmen, vor allem, wenn gleich ein ganzer Schneidezahn aus dem Gebiss zu brechen und durch einen neuen zu ersetzen ist.

Im schönen alten Gesicht der Wiener Innenstadt ist ein solcher Eingriff schon lange nicht mehr erfolgt. Nach der Errichtung des Haas-Hauses - einer Art postmoderner Schönheitsoperation neben der Steffl-Nasenspitze - gab es keine zeitgenössische Intervention größeren Formats. Nun wird, so könnte man sagen, die Stadt-Zahnreihe am Donaukanal, die den Innenstadtbesucher schon von weitem begrüßt, ein neues Implantat bekommen.

Die Vorgeschichte ist bekannt: Am Franz Josef Kai Nummer 47 befindet sich mit dem sogenannten „Kaipalast“ ein schönes und interessantes Stahlbetonhaus aus dem Jahr 1911, das, so diverse Studien, unter anderem auch eine des Bundesdenkmalamtes, zu marod und morsch in seinen Metallknochen ist, um renoviert und wiederbelebt zu werden. Vor zwei Wochen erging denn auch trotz scharfen Protests einiger Architekturleute die offizielle Abrisserlaubnis. Die Besitzerin der Liegenschaft ist die Zürich-Kosmos-Versicherung, das Unternehmen hatte, weil Zeit Geld ist, bereits einen geladenen Wettbewerb für einen neuen Büro- und Geschäftsbau an Stelle des alten Hauses veranstaltet.

Die sechs Entwürfe von Artec, Berger & Parkkinen, Dietmar Feichtinger, Henke und Schreieck, Ortner+Ortner sowie pool Architektur wurden diese Woche unter Vorsitz von Architekt Rüdiger Lainer juriert. Die Wahl des Siegerprojekts erfolgte einstimmig, es stammt aus dem bewährten Neubaugassen-Atelier der tirolerisch-wienerischen Architekten Dieter Henke und Marta Schreieck. Die beiden haben den sensiblen Bauort mit behutsamen Chirurgenfingern erst von oben bis unten sorgfältig abgetastet und anschließend ein passendes und trotzdem eigenständiges Implantat für die Baulücke entworfen.

Das neue Haus tanzt nicht aus der Reihe, es hält sich an Bauhöhen und Baulinien, und das ist gut so, weil die Narrischkeiten ohnehin auf dem anderen Donaukanalufer fröhliche Urständ feiern dürfen. Auch in einer großen Stadt muss die Ruhe da und dort ihr Plätzchen behaupten können. Städtebaulich, quasi gebisstechnisch, ist der klare, einfache Block von Henke und Schreieck also angepasst und tadellos. Die Raffinesse beginnt mit der Fassade und setzt sich im Gebäudeinneren konsequent fort.

Die Außenhülle des neuen Geschäftshauses wird wie ein vertikal gerichteter Lamellenkörper funktionieren. Man stelle sich die Kiemenschlitze eines Haifischs vor, dann ist man dort. Je nach Bedarf und Sonnenstand können die geschosshohen Glasscheiben verdreht werden. Der noch immer hochmoderne und eigentlich ziemlich widerliche Spiegelglaseffekt wird durch geätzte, flusssäuregetrübte Gläser vermieden. Das Haus wird chamäleonartig der jeweiligen Lichtstimmung entsprechen und immer ein wenig anders aussehen, je nach dem wie die Lamellen geklappt sind und das Licht fällt. Marta Schreieck: „Wenn die Sonne reinfährt, kann es richtig lilaorange leuchten, wie eine Glaskiste schaut es jedenfalls sicher nicht aus.“

Mit diesem glatten und trotzdem strukturierten Aussengesicht ersparen die Architekten sich und uns die andernorts tüpfelig mit vielen Fensterpickelchen überfrachteten Gucklochfassaden, die immer in Konkurrenz mit ihren älteren Nachbarn stehen und dabei stets irgendwie pubertär und unreif daherkommen und als architekturgewordener Generationenkonflikt unangenehm den Stadtraum dominieren.

Das Gebäudeinnere des neuen Kai-Hauses ist aufgrund gekonnter Architekturanwendung frei von Zwischenwänden aller Art, sieht man vom Stiegenhaus- und Sanitärblock ab. Die Räume sind von ihren späteren Nutzern also beliebig gestaltbar, vom Zellenbüroställchen bis zum Partysaal ist alles machbar.

Damit von oben bis unten Licht und Luft in großzügigen Mengen die Architektur durchströmen können, wurde der Block zonenweise ausgehöhlt. Der dadurch entstehende plastisch ausgeformte und die entsprechen de Vielfalt an Atmosphären erzeugende Innenhof wird überdacht. Er streckt Seitenarme in Richtung Kai und Heinrichsgasse aus, durchdringt da wie dort je ein Mal die Fassade und öffnet so die luftige Zone nicht nur gen Himmel, sondern auch in die Stadträume.

Da Architektur nicht nur Optik und Raummachen ist, haben Henke und Schreieck mit ihrem Entwurf zur Freude der späteren Betreiber auch ein intelligentes Klimakonzept mitgeliefert: Ein Wärmetauscher holt sich aus den Tiefgaragewänden die Erdwärme, schafft Temperaturdifferenzen von 8 bis 10 Grad Celsius zur Außentemperatur und hilft sommers wie winters Energie sparen. Das nur am Rande zur Info darüber, dass Architekten keine Edelhäuslbauer sondern tatsächliche Fachleute sind (die guten jedenfalls).

Ganz oben auf dem mit acht Geschossen, 26 Metern Traufenhöhe und 4.500 Quadratmeter Gesamtnutzfläche nicht übermäßig riesigen Haus schwebt zu guter Letzt ein gläserner Raum, der eine der ersten Veranstaltungsadressen der Stadt werden könnte. 120 bis 150 Millionen Schilling dürfte, so Zürich Kosmos-Finanzvorstand Rudolf Kraft, der Neubau kosten, er soll ehebaldigst in Angriff genommen werden.

22. Februar 2001Der Standard

Palast am Kai: Alte Noblesse neu interpretiert

Henke+Schreieck gewinnen Kaipalast-Architekturwettbewerb

Henke+Schreieck gewinnen Kaipalast-Architekturwettbewerb

Wien - „Diese Entscheidung ist richtungsweisend und exemplarisch für ein Umdenken auf Investorenseite.“ Begeistert zeigte sich Juryvorsitzender Rüdiger Lainer von der einstimmig ausgefallenen Entscheidung des Wettbewerbs für den Neubau des Kaipalastes. Schließlich sei das Siegerprojekt des Teams Henke+Schreieck jenes mit der geringsten Nutzfläche, habe aber trotzdem durch seine hervorragende Qualität überzeugen können.

Nach einem mehr als zwei Jahre dauernden Streit um den Erhalt oder die Unsanierbarkeit des alten „Kaipalastes“, einem Stahlbetongebäude aus dem Jahr 1911, hatte die Hauseigentümerin Zürich Kosmos im November des Vorjahres die Initiative ergriffen und sechs Architektenteams zu einem Wettbewerb geladen. „Seit zwei Wochen liegt uns die Abbruchgenehmigung vor“, so Zürich Kosmos-Vorstandsdirektor Rudolf Kraft. Noch in diesem Jahr soll nun mit dem Neubau des Büro- und Geschäftshauses am Franz-Josefs-Kai in bester City-Lage begonnen werden.

„Das Bauen im historischen Kontext ist immer eine besondere Herausforderung“, so die Architektin Marta Schreieck. „Wir haben versucht, die großstädtische Wirkung und die Noblesse, die der alte Kaipalast ausstrahlt, zeitgemäß zu interpretieren.“ Entstanden ist dabei ein funktionell wohl durchdachter Baukörper, der sich harmonisch in das historische Ensemble der Schutzzone fügt und doch einen weithin sichtbaren Akzent setzt. Denn bleibt der neue Kaipalst mit 25 Metern Traufhöhe sogar knapp unter der Höhe des Nachbarhauses, hat das Architektenpaar dem klaren Kubus ein prägnantes Penthouse aufgesetzt, das rund 200 Quadratmeter Veranstaltungsfläche mit bester Aussicht bietet. Diese, im Rahmen der Wiener Bauordnung durchaus mögliche Variante, überzeugte die Jury mehr als die Lösungen der Mitbewerber, die großteils ab der zugelassenen Fassadenhöhe rückgestaffelte Varianten wählten.

Auch dem Wunsch des Bauherrn nach einem funktionellen Sonnenschutz kamen Henke+Schreieck auf originelle Weise nach: Der Baukörper ist von satinierten Gläsern, milchig durchscheinenden Lamellen bedeckt, die je nach Sonnenstand geöffnet werden können. „Wir wollten kein reflektierendes Gebäude“, erläutert Schreieck. „Durch die Lamellen steht der Baukörper in Harmonie mit den umliegenden Putzfassaden.“

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