Pläne

Details

Adresse
Bodestraße 1–3, 10178 Berlin, Deutschland
Architektur
David Chipperfield
Mitarbeit Architektur
Urs Vogt (Lph 1 – 5, Künstlerische Bauoberleitung), Mathias Adler, Alexander Bellmann, Thomas Benk, Martin Benner,
Alexander Corvinus, Maryla Duleba, Matthias Fiegl, Anke Fritzsch, Dirk Gschwind, Anne Hengst, Paul Hillerkus, Isabel Karig, Linda von Karstedt, Ludwig Kauffmann, Mikhail Kornev, Astrid Kühn, Thomas Kupke, Sebastian von Oppen, Torsten Richter, Elke Saleina, Thomas Schöpf, Eberhard Veit, Anja Wiedemann.
Grafik, Visualisierung: Dalia Liksaite, Jonas Marx, Antonia Schlegel, Ute Zscharnt
Bauherrschaft
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Tragwerksplanung
Ingenieurgruppe Bauen
örtliche Bauaufsicht
Wenzel + Wenzel (Sepp Wenzel, Matias Wenzel)
Mitarbeit ÖBA
Christoph-Phillip Krinn (PL)
Bauphysik
Müller-BBM
Weitere Konsulent:innen
Gebäudetechnik: INNIUS DÖ GmbH, Berlin;
Inros Lackner AG, Rostock
Kostenplanung: Christine Kappei, Stuttgart
Brandschutzgutachter: Arge Brandschutz NEG, Berlin
Lichtberatung: matí AG, Adliswil
Lichtplanung: Conceptlicht GmbH, Traunreut (Außenbeleuchtung)
Ausstellungsplanung: Duncan McCauley GmbH und Co. KG, Berlin (Dauerausstellung)
Signaletik: Polyform – Götzelmann Middel GbR, Berlin
Planung
2007
Ausführung
2009 - 2018
Eröffnung
2019

Publikationen

Links

Stiftung Preussischer Kulturbesitz
http://hv.spk-berlin.de
Masterplan Museumsinsel
http://www.museumsinsel-berlin.de

Presseschau

16. Juli 2019Bert Rebhandl
Der Standard

Der neue Gründergeist von Berlin

Im Volksmund wird das neue Gebäude „die teuerste Garderobe der Welt“ genannt. Jetzt wurde David Chipperfields James-Simon-Galerie in Berlin endlich eröffnet. Freunde des Klassizismus jubeln.

Im Volksmund wird das neue Gebäude „die teuerste Garderobe der Welt“ genannt. Jetzt wurde David Chipperfields James-Simon-Galerie in Berlin endlich eröffnet. Freunde des Klassizismus jubeln.

Deutschland war spät dran, als im Jahr 1898 eine Orient-Gesellschaft gegründet wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es unter den europäischen Mächten einen regelrechten Wettlauf um Kulturgüter. Frankreich hatte den Louvre, England das British Museum, in Berlin gab es eine Museumsinsel.

Die Orient-Gesellschaft sollte nach Schätzen suchen, wo einst die Bibel entstanden war: im Vorderen Orient zwischen dem Nil im Westen und Euphrat und Tigris im Osten. Einer der wichtigsten Förderer dieser Grabungen war der jüdische Baumwollhändler James Simon. Im ägyptischen Tell el-Amarna hatte er 1911 die alleinige Grabungslizenz, und so kam eine Statue in seinen Besitz, die heute zu den berühmtesten Museumsobjekten weltweit zählt: die Nofretete.

Seit dem vergangenen Wochenende erinnert nun ein eigenes Gebäude an den Mäzen, der Berlin diese Trophäe schließlich schenkte. Am Samstag wurde mit einem rege besuchten Publikumstag die James-Simon-Galerie eröffnet. Der Bau des Architekten David Chipperfield hatte eine komplizierte Vorgeschichte, die sich nun überzeugend auflöste.

Bis 1993 reicht der Masterplan Museumsinsel zurück. Eine zentrale Idee bei diesem Plan war die Errichtung eines Eingangsgebäudes, das alle fünf Institutionen verbinden sollte: das Alte und das Neue Museum, die Alte Nationalgalerie, das Bode-Museum und das Pergamonmuseum.

Chipperfields erster Entwurf stieß auf heftigen Widerstand: Er wollte mit Glas und Stahl einen Akzent setzen. Dagegen formierte sich eine Allianz, die im Herzen der wiedervereinigten Stadt Preußens Glanz und Glorie neu erleben wollte. Mit seinem nun verwirklichten Gebäude kommt Chipperfield allen Freunden des Klassizismus deutlich entgegen, ohne sich ihnen wirklich anzubiedern.

Säulenhalle oder Tempel

Da der Bauplatz direkt am Kupfergraben eine schlanke Kubatur erforderlich machte, ist das Bild einer Säulenhalle nun die naheliegende Assoziation. Die James-Simon-Galerie ist in Sachen Markenbildung nicht ganz so spektakulär wie die Pyramide von I. M. Pei in Paris, aber sie schließt in jedem Fall die Museumsinsel auch zeichenhaft, wenngleich von einer entlegenen Ecke her, auf.

Dass man die elegante Freitreppe hinauf zum Eingang vor allem aus ästhetischen Gründen bewältigen muss, merkt man, sobald man drin ist: dort geht es wieder eine Etage tiefer, zu den Tickets.

Die Verbindung zum Neuen Museum, das bereits fertig saniert ist, verläuft unterirdisch. In noch eher ferner Zukunft dürfte die Archäologische Promenade liegen, ein geplanter Verbindungsweg zwischen allen fünf Institutionen unter Tage. Zum Pergamonmuseum, das seit 2012 bei teilweise laufendem Betrieb generalsaniert wird, geht es derzeit auch schon, aber eben nur in die Bereiche, die gerade nicht gesperrt sind. Mit einem Vortragssaal und einem Bereich für kleinere Sonderausstellungen versucht die James-Simon-Galerie der volksmündlichen Skepsis zu begegnen, es handle sich bei dem neuen Gebäude um „die teuerste Garderobe der Welt“. Tatsächlich waren die Kosten mehrfach nach oben revidiert worden, was bei der langen Planungsgeschichte aber auch kaum zu vermeiden ist.

Leeres Humboldtforum

Die größeren Zusammenhänge bekommt man dann in den Blick, wenn man aus der James-Simon-Galerie wieder ins Freie tritt. Da sieht man gegenüber die Kuppel des neu errichteten Stadtschlosses, derzeit noch verborgen hinter Baugerüsten. Das Schloss war einst ein Herrschaftsgebäude, das in der Zeit der DDR gesprengt wurde. Dass der Palast der Republik, das zentrale ideologische Gebäude der DDR, nach 1989 abgerissen und durch einen Nachbau des alten Schlosses ersetzt wurde, war der größte Sieg der konservativen Stadtplaner nach der Wende.

Weil die Berliner Republik aber kein weiteres Herrschaftsgebäude braucht, wird nun auch das Schloss ein Museum: Noch in diesem Jahr soll es als Humboldtforum eröffnet werden. Da sich allerdings inzwischen herausstellte, dass die baulichen Anforderungen für Ausstellungen in diesem Jahr noch nicht erreicht werden, wird das Schloss, das man nicht mehr so nennen soll, vorerst leer eröffnet. Das war so nicht geplant, ist aber eine stimmige Geste angesichts der zahlreichen offenen Fragen, wo die „außereuropäischen“ Kulturgüter eigentlich hingehören, die im Humboldtforum gezeigt werden sollen.

In jedem Fall passt die repräsentative Landschaft, die sich südlich und nördlich des Boulevards Unter den Linden auf der Insel zwischen Spree und Spreekanal schon deutlich erkennen lässt, gut zu der aktuellen Atmosphäre in Berlin. Denn Parallelen zum späten 19. Jahrhundert und damit zur Ära von James Simon sind durchaus erkennbar. In der Stadt herrscht ein neuer Gründergeist, der allerdings deutlich andere Züge trägt als vor 120 Jahren.

Eine bürgerliche Metropole wird Berlin wohl nur noch in Zitatform. Und da passt die James-Simon-Galerie mit ihrer kühlen Erinnerung an eine echte Klassik bestens dazu.

12. Juli 2019Claudia Schwartz
Neue Zürcher Zeitung

David Chipperfield vollendet in Berlin mit einem Eingangstempel die Museumsinsel

Soll keiner sagen, in Berlin gäbe es nicht auch das Glück des Gelingens. Am Freitag wird auf der Museumsinsel in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel der Neubau von David Chipperfield eingeweiht. Die James-Simon-Galerie dient als Tor zu Deutschlands schönster Kulturlandschaft – und formuliert die neue Antithese zum wiederaufgebauten Schloss.

Soll keiner sagen, in Berlin gäbe es nicht auch das Glück des Gelingens. Am Freitag wird auf der Museumsinsel in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel der Neubau von David Chipperfield eingeweiht. Die James-Simon-Galerie dient als Tor zu Deutschlands schönster Kulturlandschaft – und formuliert die neue Antithese zum wiederaufgebauten Schloss.

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30. Juni 2007Claudia Schwartz
Neue Zürcher Zeitung

Der klassische Kompromiss

(SUBTITLE) David Chipperfield entwirft ein Tempel-Portal für die Berliner Museumsinsel

Die Stiftung Preussischer Kulturbesitz hat David Chipperfields neuen Entwurf für das Eingangsgebäude der Berliner Museumsinsel vorgestellt. Die Architektur zeigt sich klassisch modern - und ohne Vision.

Die Stiftung Preussischer Kulturbesitz hat David Chipperfields neuen Entwurf für das Eingangsgebäude der Berliner Museumsinsel vorgestellt. Die Architektur zeigt sich klassisch modern - und ohne Vision.

Berlin wird nie eine schöne Stadt sein wie Rom oder Paris. Aber aus Berliner Sicht ist die Museumsinsel der schönste Ort der Welt. Hier ruht die unübersichtliche und oft schroff anmutende Metropole in sich selbst. Im Namen von Schinkel und Stüler nahm im Laufe der Zeit eine Stadtlandschaft Gestalt an, die das Bildungsideal zum Mass aller Dinge machte. So strebt alles nach klassischer Schönheit, von den Wassern der Spree umspült. Selbst die Freizeitgesellschaft, die an heissen Sommertagen den Lustgarten vor dem Alten Museum bevölkert, erlegt sich hier - Magie des Ortes - eine gewisse Haltung auf.

Nun wurde diese Pflicht zur höheren Ordnung auch an einen englischen Stararchitekten herangetragen. «So nicht, Mr. Chipperfield», raunte es durch den deutschen Blätterwald, nachdem der als «Toilettenhäuschen» und «Gewerbekiste» kritisierte Entwurf des Architekten für einen Neubau auf der Museumsinsel nach Jahren unvermittelt wieder ins Rampenlicht gerückt war: Der Deutsche Bundestag hatte an einem Frühlingsmorgen überraschend 73 Millionen Euro freigegeben für den vorgezogenen Bau eines im Masterplan für die Museumsinsel (1999) vorgesehenen zentralen Eingangsgebäudes, das Toiletten und Shops aufnehmen soll für die jährlich erwarteten vier Millionen Besucher.

«Rettet die Museumsinsel»

Tatsächlich stellten die schlichten Glasboxen, die etwas einfallslos Chipperfields Figge Museum in Davenport zu kopieren schienen, keine angemessene Antwort dar auf das einzigartige architektonische Ensemble der Berliner Museumsinsel. Der renommierte Architekt, der in letzter Zeit Erfolge in Marbach (Literaturmuseum der Moderne) oder Essen (Projekt für den Neubau des Essener Folkwang-Museums) feierte, signalisierte zwar seinen Willen zur Überarbeitung. Doch mit dem Berliner Hang zur Übertreibung trat umgehend die Initiative «Rettet die Museumsinsel» auf den Plan. Prominente Unterstützung fand sie durch den deutschen Unterhaltungs- und Erinnerungsbetrieb von Günter Jauch bis Lea Rosh. Der darauffolgende Architekturstreit hinterliess den Eindruck, dass den selbsternannten Rettern der Baukunst mehr noch als Chipperfields Neubauprojekt dessen Sanierungskonzept für die Ruine des Neuen Museums ein Dorn im Auge war. Dieses hält das Prinzip des Bewahrens hoch und hat nichts am Hut mit jener Retro-Ideologie, die alles wieder so aufgebaut sehen möchte, wie es vor den Zeitläuften der Geschichte da stand. Nun hat allerdings Chipperfield mit dem neuen Entwurf seinen Kritikern erst einmal ein Schnippchen geschlagen - so schön klassizistisch sollen sich dereinst nach seinem Plan die Säulen entlang des Kupfergrabens erheben, so selbstverständlich soll eine Freitreppe hinaufführen in die nach dem Stifter der Nofretete benannte James-Simon-Galerie. Der Architekt hat die betonte Funktionalität des ersten Entwurfes in eine dezidiert zeichenhafte Erschliessung des «Berliner Louvre» übergeführt, wie es der Pariser Namensvetter mit Peis gläserner Pyramide vormacht, wobei in Berlin die einzelnen Museen weiterhin auch separate Eingänge behalten.

Chipperfields Entwurf baut nicht nach und rekonstruiert nicht. Er stellt aber - und das ist neu in der altehrwürdigen Ansammlung berühmter Solitäre - einen Dialog her zwischen den einzelnen Gebäuden. Der Riegel öffnet sich über eine Säulenhalle zum Flussufer hin, lädt die Besucher zum Flanieren und Verweilen ein und unterstreicht den Charakter der Museumsinsel als einer Architekturlandschaft. Aus der Perspektive des Kupfergrabens verdeckt das filigrane Stabwerk einem Vorhang gleich den alltäglichen Museumsbetrieb, der die klassische Ruhe des historischen Kulturerbes stört.

Spree-Athen

Diese Architektur will nichts anderes sein als eine Fortsetzung der sie umgebenden antikisierenden Baukunst mit modernen Mitteln. Ein schöner Kompromiss also, der beflissen die Leitmotive Spree-Athens, Säulen, Sockel, Ufermauern und Tempel-Assoziationen, aufzählt und jede eigenständige Aussage verweigert. Zwar fügt sich Chipperfields Lösung dienend ein in die Hierarchie des Bestehenden. Am Ende verliert sie aber mit einer kaum lesbaren Eingangssituation - unentschlossen zwischen Kollonadenriegel, Estrade und Freitreppe - die eigene Daseinsberechtigung als erschliessendes Element. Immerhin bildet die James-Simon-Galerie ja den Übergang ins Pergamonmuseum, ins Neue Museum sowie zur archäologischen Promenade.

Bei solcher Bescheidenheit kann man sich des Gedankens nicht erwehren, ob es nicht besser gewesen wäre, die ganze unvermeidliche Infrastruktur gleich im Berliner Sand zu versenken. Und mit Wehmut fragt man sich, welchen Weg in die heiligen Hallen Architekten wie Herzog & de Meuron den Museumsbesuchern an diesem weltbewegenden Ort gewiesen hätten? Zwar sind die Details im Innenausbau erst in Ausarbeitung. Aber der vom Denkmalschutz bereits abgesegneten Aussenhülle fehlt es an einer Vision, welche Aufgabe das Museum der Zukunft haben könnte. Insofern schreibt Chipperfields Architektur die Geschichte der Museumsinsel mitnichten fort. Denn Schinkel und Stüler agierten einst kompromisslos zeitgenössisch in ihrem Willen, dem Wesen des Museums eine neue Bedeutung einzuschreiben. Chipperfields Architektur mag ein schöner Kompromiss sein, von der Kraft des Authentischen, die der Genius Loci vorgibt, ist sie nicht beseelt.

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