Pläne

Details

Adresse
Wienerbergstraße 11, 1100 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Ralf Bock (Projektleitung), Alessandro Casadei, Antoine Hahne, Johannes Behrens, Benedikt Schwering, C. Baglivo, St. Bruno, F. Caccavale, R. Crespi, U. Faix, M. Kavalierik, Z. Kiss, F. Lalinde, J. Mandl, T. Noske, K. Onori, E. Schenck, M. Schmidt–Rabenau
Bauherrschaft
Wienerberger AG, IMMOFINANZ, Wienerberg City Errichtungsges.m.b.H
Fotografie
Angelo Kaunat
Weitere Konsulent:innen
Licht-Planung: Die Lichtplaner, Innsbruck
Planung
1996 - 1999
Ausführung
1999 - 2001

Ausführende Firmen

Aufzug: Schindler Österreich, Wien (A)

Publikationen

Presseschau

28. Mai 2001Leopold Dungl
Kurier

Riesen in schräger Beziehung

Der Twin-Tower am Wienerberg wird zum neuen Wahrzeichen

Der Twin-Tower am Wienerberg wird zum neuen Wahrzeichen

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12. Mai 2001Matthias Boeckl
ORF.at

Literarischer Rationalismus

Massimiliano Fuksas näherte sich dem Entwurf in einer literarischen statt rationalistischen Haltung, die man ja gerade hier hätte erwarten können - und...

Massimiliano Fuksas näherte sich dem Entwurf in einer literarischen statt rationalistischen Haltung, die man ja gerade hier hätte erwarten können - und...

Massimiliano Fuksas näherte sich dem Entwurf in einer literarischen statt rationalistischen Haltung, die man ja gerade hier hätte erwarten können - und das Ergebnis ist eine Art literarischer Rationalismus. Dies ist wohl auch die einzige Möglichkeit, eine hochgradig kodifizierte und regulierte Bauaufgabe in jenem gestalterischen Niveau zu bewältigen, das für diesen Schlüsselplatz der Stadtsilhouette unbedingt erforderlich ist.


Radikaler Wechsel

Die ersten Entwürfe des Doppelturms zeigten noch eine organoide, teilweise geradezu surrealistische Formensprache. Der Sprung von diesen Varianten zu der fast konträren Form der Ausführung scheint sich anlässlich eines Besuches seines Salzburger Einkaufszentrums „Europark“ ebenso spontan in Fuksas eingestellt zu haben, wie seine gesamte künstlerische Haltung ist. Jedenfalls war die Entscheidung für die klaren Glasprismen zweifellos die richtige - eine transparente, leichte, elegante Form neben den massiven Volumina der Nachbarschaft, zwei Glassäulen, die in endloser Wiederholung der gleichen Module in den Himmel ragen - ein System wie in Constantin Brancusis „Endloser Säule“.


Klassische Vorbilder

Die Assoziationen mit der klassischen Moderne, allen voran natürlich mit Mies van der Rohes Hochhausentwürfen von 1919 für die Berliner Friedrichstraße, lassen sich kaum unterdrücken. Und damit auch die Heilserwartungen, die sich an diese „Urform“ des vollständig glasummantelten Skelettbaus knüpfen. Mies stand den expressionistischen Visionen einer humanen „Glasarchitektur“ à la Paul Scheerbart nahe, und auch heute noch wirkt dieser Mythos.


Prekäre Materialwahl

Voraussetzung dafür ist aber die Lesbarkeit dieser Idee, und diese hängt entscheidend vom verwendeten Glas ab. Die spezielle Entwicklung der Firma Interpane sollte so transparent wie möglich ausfallen, um die innere Skelettkonstruktion so klar wie möglich als eine gebaute Metapher des „Auftürmens“ des immer gleichen Tischelements, als ein technizistisches Faszinosum ersten Ranges lesbar zu machen. Die übliche Grünfärbung wie beim benachbarten älteren Büroturm reflektiert fast total und ist ungeeignet, irgendwelche immateriellen Botschaften zu vermitteln. Dagegen wurde das hier verwendete Weißglas mit einer High-Tech-Beschichtung versehen, die nur eine sehr leichte Grüntönung bringt.

Leider wird diese Errungenschaft jedoch von hemmungslosen Büromietern zunichte gemacht, denen die geschoßhohe Verglasung nichts anderes ist als eine ideale Werbefläche nach außen.


Zwillinge erzeugen Spannung

Ein zweiter wesentlicher Effekt ist die Stellung der beiden Türme in einem Winkel von 59º zueinander, für den es keine rationalen Gründe gibt. Fuksas Begründung bezieht sich nicht ganz unberechtigt auf vorbeifahrende Autofahrer, die wohl tatsächlich die häufigste Wahrnehmungsart des Baus repräsentieren: „Die Spannung, die sich aus der Stellung der beiden Objekte zueinander ergibt, erlebt der Autofahrer, indem sich beim Vorbeifahren die Hochhäuser ständig zueinander verschieben.“ Mit der sich öffnenden und schließenden Fuge und den Brücken zwischen den Türmen entsteht so eine Art abstraktes Ballett, das ebenfalls (siehe Oskar Schlemmer) gut in die Atmosphäre der hier evozierten mystischen Pioniermoderne passt.

Sollte die Anbindung an die weiteren Bauten der Wienerberg-City, wie sich nun Wiens neuestes Hochhausquartier nennt, gelingen und die öffentlichen Funktionen im Sockel des Twin Tower von den zukünftigen Bewohnern der Nachbarbauten angenommen werden, dann hat Wien eine urbanistisch und intellektuell überaus befriedigende Landmark gewonnen.


[ Der Originalbeitrag von Matthias Boeckl ist in der Mai-Ausgabe von architektur aktuell erschienen ]

04. Mai 2001Gert Walden
Neue Zürcher Zeitung

„Vienna goes international“

Neue Hochhäuser für die Donaumetropole

Neue Hochhäuser für die Donaumetropole

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sah sich Wien aus seiner Randlage plötzlich ins Zentrum Europas verschoben. Der neu erwachte Optimismus führte zur Planung und Realisierung mehrerer Hochhäuser. Diese städtebauliche Amerikanisierung der Donaumetropole kulminiert nun im «Twin Tower» von Massimiliano Fuksas.

Wie kein anderer Gebäudetyp illustriert das Hochhaus Wiens Wirtschafts- und Architekturgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem «Hurra wir leben noch» folgte in den fünfziger Jahren ein «Wir sind wieder wer», und die Wiener Städtische Versicherung beauftragte Erich Boltenstern mit dem Bau eines Hochhauses am Donaukanal. Doch die Wirtschaftswunder-Euphorie währte nicht lange. Wien blieb bis in die achtziger Jahre am Rande Westeuropas. Lediglich Johann Stabers geschwungene Y-Türme der Uno-City demonstrierten Bruno Kreiskys Weitblick. Der Architekt Hugo Potyka empfahl damals in einer Studie für die Wiener Stadtplanung sogar den Verzicht auf Hochhäuser. Dann fiel der Eiserne Vorhang, Wien sah sich als «Drehscheibe Mitteleuropas», und Coop Himmelblau entwarfen für die Stadtplanung das «Wiener Hochhaus». Dieses war mit 130 Metern nicht wirklich hoch und für bestimmte Standorte vorgesehen, an die sich später jedoch keiner halten sollte.


Ein Doppelturm von Fuksas

Dem Katzenjammer der abgesagten Expo 1995 folgte in Sachen Hochhaus eine Vollbremsung. Doch dann stieg auf dem Ex-Expogelände ein erster Versuchsballon. Dieser steht wie seine Nachfolger für die Probleme, die Wiens Altmeister und Altavantgardisten mit dem Typus Hochhaus in funktioneller Hinsicht haben. Da Wilhelm Holzbauers 1993 geplanter und 1997 fertiggestellter «Andromeda-Turm» in erster Linie Investoren anlocken soll, stört das Verhältnis zwischen opulenter Erschliessungs- und geringer Nutzfläche nicht wirklich. Holzbauer entwarf ein solides, im Grundriss elliptisches Türmchen mit auskragenden Glas-Erkern, das sich brav in die Kulisse der Uno-City-Türme einfügt. Mehr Mut zur Selbständigkeit bewiesen wenig später Coop Himmelblau mit einem skulpturalen, ebenfalls an der städtischen Ausfallachse nach Norden gelegenen Wohnturm. Mit seiner schräg verlaufenden Stahl-Glas-Konstruktion wirkt der Bau gestenreich. Doch ist er in der Ausführung ebenso banal wie seine Wohnungsgrundrisse. Was für die Hochhäuser von Holzbauer und Coop Himmelblau zutrifft, gilt auch für den im Stadtbild auffälligsten Turm - den «Millennium Tower» von Boris Podrecca und Gustav Peichl am Donauufer: Dieser ist aus der Ferne formal in Ordnung, im Grundriss allerdings problematisch. Denn auf zwei sich überschneidenden Kreisen - Carlo Scarpas Tomba Brion lässt grüssen - kann man kaum sinnvolle Büroräume einrichten.

Fast möchte man meinen, ein international renommierter Architekt habe den Wienern zeigen müssen, wie ein stimmiges Hochhaus zu planen sei. Der Italiener Massimiliano Fuksas hat 1995 für Grossinvestoren nahe der südlichen Ausfallachse Triesterstrasse zwei «Twin Tower» genannte Bürotürme entworfen, die elegant mit Wiens baukünstlerischen Attitüden und skulpturalen Ambitionen aufräumen. Die beiden 138 und 127 Meter hohen Baukörper über der trapezförmigen, zweigeschossigen Sockelzone mit Entrée und Entertainment-Center sind in ihrer materiellen Erscheinung auf ein Minimum reduziert. Aus der Untersicht betrachtet, verläuft die Stahl-Glas-Konstruktion mit ihrem orthogonalen Netzwerk ins Unendliche des Himmels. Die Büros selbst verwandeln sich aus dem Blickwinkel der Autofahrer in Vitrinen, lassen das Tageslicht zum Generator von Reflexionen, Schichtungen und Illusionen werden.

Mies van der Rohe, aber auch Italiens Futuristen hätten ihre Freude an diesem Doppelturm gehabt. Die im Winkel von 59 Grad zueinander stehenden Baukörper wachsen bei Annäherung und Entfernung zum geschlossenen Ganzen zusammen, um sich dann wieder - je nach Richtung und Distanz - in Einzeltürme aufzuteilen. Ein dreidimensionales Kaleidoskop wurde da am Wienerberg geschaffen, welches allein durch die räumliche Disposition unterschiedliche Bilder erzeugt. Dieser Effekt funktioniert bei jedem Wetter: Bei schlechtem Licht oder in der Nacht wird die Transparenz der Büroetagen aufgewogen durch das Patchwork der erleuchteten Büros. Die einzelnen Etagen sind zwar mit neutralen Spezialgläsern vor der Wärme geschützt, vor der Lichteinstrahlung allerdings nicht. Die Folgen einer solchen maximalen Transparenz lassen sich leicht vorhersagen.


Fensterrecht gegen Transparenz

Aus funktioneller Notwendigkeit und mentalem Schutzbedürfnis wird man die Fenster verkleben. Das ist zwar nicht im Sinn des Architekten, aber ein Fensterrecht hat hier eben jeder, und das nicht erst seit Friedensreich Hundertwasser. Die mögliche und wahrscheinliche Konterkarierung der planerischen Intention deutet indirekt an, was sich bei einer Betrachtung von Fuksas' Architektur unmittelbar aufdrängt: Ist der Meister ein Testamentsvollstrecker der Moderne? Die Frage lässt sich unterschiedlich beantworten. Fuksas reagiert in seltener Harmonie mit seiner Architektur auf den abstrakten, weil für anonyme Mieter bestimmten Raumbedarf der Investoren. Und diesen Bedarf hat schon Le Corbusier auf den Punkt gebracht, lange bevor sich Bürohaus-Developer darüber im Klaren waren. Mehr ist Fuksas zum zentralen Thema des Arbeitsplatzes nicht eingefallen. Er setzt auf die perfekte Formulierung dieses abstrakten, ökonomisch bedingten Raumerfordernisses. Die Flächen können, wie üblich, gemäss den Vorgaben des Rasters unterteilt werden, womit der Part des Architekten in diesem Planungsbereich endet.

Es hängt also von den Mietern ab, wie sie mit dem transparenten Gebilde umgehen. Fuksas und sein Team (Projektleitung: Ralf Bock) haben allerdings nicht nur die Wünsche der Investoren ausgeführt. Die durchlaufenden Betonpfeiler des Tragwerks strukturieren die vertikale Einheit der Bürotürme, der Geschäftslokale im Sockel und des unterirdischen Entertainment-Centers. Hier in der Sockelzone wird - im Gegensatz zu den Büroflächen - die Raumfolge in das Regelwerk des Rasters eingeschrieben, erfolgt der Befreiungsakt gegen das Prinzip des Orthogonalen. Hier ist Fuksas wieder, wie man ihn von früheren Bauten her kennt: gebärdenreich, expressiv, auf die Spannung zwischen den Raumelementen bedacht. In die zweigeschossige Sockelzone wurde symbolisch der «fliegende Teppich» eingezogen. Eine nahezu schwebende Zwischenebene für die Verbindung der Etagen und die Liftzugänge. Von hier aus öffnet sich der Blick über dreieckige Sichtfenster auf die Türme, in die Tiefe des Entertainment-Centers und auf die Umgebung. Einem Schnittmuster ähnlich sind die von Fuksas gebildeten Erschliessungsflächen, die in einem unruhigen Zusammenspiel von geschlossenen Wänden und Öffnungen gerade noch die Orientierung ermöglichen.


Eine neue Skyline

Wie unter einem Stroboskop blitzen die einzelnen Raumsituationen auf, suchend nach einer grösseren Ordnung, die Fuksas in seiner Unruhe letztlich entgleitet. Zur Ruhe kommt das Gelände neben dem «Twin Tower» in naher Zukunft ebenfalls nicht. Nach einem zum Schlechteren abgeänderten Bebauungsplan von Fuksas werden vier Wohnhochhäuser und niedrigere Geschossbauten im - verkehrstechnischen - Chaos der Wiener Südeinfahrt errichtet. Zusammen formen sie dann eine Skyline, die in ihrer Staffelung der Höhen an dieser Stadtkante eine «Welle» in den Himmel schreiben soll. Doch damit sind die Wiener Hochhausambitionen noch nicht erschöpft. In der City wurde gerade Hans Holleins «Media Tower» am Donaukanal mit der publikumswirksamen Schrägstellung der oberen Etagen vollendet (NZZ 10. 4. 01). Noch höher hinaus will das Versicherungsunternehmen Uniqa ebenfalls am Kanal. Heinz Neumann hat ein Gebäude entworfen, das sich spiralförmig über die Gründerzeitbauten hinaufwindet. «Vienna goes international» - nach den ersten tastenden Schritten in Sachen Hochhausbau entschloss sich die Stadtverwaltung sogar, den Abriss eines Altbaus, des Kaipalastes von Ignaz Reiser, am Donaukanal zu genehmigen (NZZ 21. 2. 01). Dieter Henke und Marta Schreieck konnten sich mit ihrem Projekt im geladenen Wettbewerb der Zürich-Kosmos-Versicherung durchsetzen.

10. Februar 2001Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Stapeln und schlichten

Erst zwei, dann nur einer, dann wieder zwei: Fährt man an ihnen vorbei, scheinen sie sich zu „bewegen“, die transparenten Turm-Zwillinge am Südhang des Wienerbergs. Massimiliano Fuksas' Twin-Tower: ein neues Wahrzeichen der Donaumetropole?

Erst zwei, dann nur einer, dann wieder zwei: Fährt man an ihnen vorbei, scheinen sie sich zu „bewegen“, die transparenten Turm-Zwillinge am Südhang des Wienerbergs. Massimiliano Fuksas' Twin-Tower: ein neues Wahrzeichen der Donaumetropole?

Hochhäuser, seien wir ehrlich, sind eine zwiespältige Angelegenheit. Sie sind zwar - hoch und vermögen dadurch Aufsehen zu erregen; was ein Aspekt sein mag, der vom Bauherrn über den Architekten bis zu den Nutzern alle Beteiligten interessiert. Außerdem kommt es in Hochhäusern auf einer minimalen Grundfläche zu einer maximalen Stapelung von Nutzflächen; das wiederum ist ein Aspekt, der zweifellos den Investor interessiert. Aber inhaltlich-räumlich, architektonisch-gestalterisch ist wenig drin im Hochhausbau.

Architektonisch tut sich jenseits der Positionierung solcher Gebäude im städtischen Kontext und ihrer spezifischen Fassadenlösung nicht viel. Daraus ist man versucht zu schließen, daß es nicht das Hirn des Architekten sein kann, das spricht, wenn er trotzdem ein Hochhaus bauen möchte. Was sich in diesem Fall zu Wort meldet, ist ein ganz anderes „Organ“: Es ist sein Bauch, der ganz emotional nach Höherem strebt.

Dem Römer Massimiliano Fuksas muß das bewußt gewesen sein, als er seinen Twin-Tower am Südhang des Wienerberges plante. Denn was da in einer Doppel-Konfiguration in die Höhe strebt, ist untypischer Fuksas, minimalistischer Fuksas. Sehr edel und in seiner durchgehaltenen Transparenz auch sehr reizvoll, aber reduziert auf das, was wirklich Sache ist: gestapelte Geschoßflächen, von denen man im vorhinein nicht wissen kann, was die Nutzer daraus machen. Man muß gewissermaßen in die Niederungen der ausladenden dreigeschoßigen Sockelzone hinuntersteigen, um etwas von der räumlichen Vielschichtigkeit und Expressivität des Massimiliano Fuksas zu erleben. Man muß hinuntersteigen ins sogenannte Urban Entertainment Center, aus dem die beiden Türme herauswachsen. Dort kommt man dann in großzügig formulierte öffentliche Bereiche und den eigentlichen, über einen „fliegenden Teppich“ deutlich anders materialisierten Zugang für die Mitarbeiter in die Hochhäuser.

Erste Frage: Was ist ein „Urban Entertainment Center“? Investoren stellen sich darunter offenbar eine Konzentration von gastronomischen Einrichtungen und Shops vor, untrennbar verbunden mit einem weiteren Kinocenter. Letztere sind in den vergangenen Jahren in Wien ja nur so aus dem Boden geschossen. Und sie sind durch die Bank kein Erfolg. Daran, daß es jetzt eines mehr gibt - mit zehn Sälen für 2200 Besucher -, ersieht man, wie lang die Vorlaufzeit eines solchen Großprojektes ist und wie wenig flexibel sich der Denk- und Planungsprozeß im Vorfeld des Bauens - vor allem auf der Seite des Investors - gestaltet. Unter dem Vorzeichen der ökonomischen Realisierung ist ein Umdenken, das andere Nutzungen ins Spiel bringt, praktisch nicht möglich.

Trotzdem - vorweg: Was in den letzten Jahren an Hochhausbauten in Wien so dahingekleckert wurde, Fuksas hat
es mit einer bewundernswerten Bravour überrundet. Vom Wohnhochhaus der Coop Himmelb(l)au abgesehen, stehen hier am Wienerberg die einzigen Hochhäuser der Bundeshauptstadt, die mehr bieten als den langweiligen Durchschnitt.
Das hat mit ihrer Positionierung zu tun: Die Fernwirkung ist wirklich toll, ein potentielles Wahrzeichen für den aus dem Süden Anreisenden. Und im Vorbeifahren, gleich aus welcher Richtung, ist es einfach eine Bereicherung, wie sich die beiden Türme „bewegen“, wie sie sich verschieben, sodaß erst zwei Türme sichtbar sind, dann nur einer, dann wieder zwei. Und weil sie so transparent sind, bleibt eine spannende Schichtigkeit dabei immer präsent. Bei allem Minimalismus schimmert da eben doch mehr als nur eine Ausdrucksebene auf.

Zu den Fakten: Die beiden Türme stehen in einem relativ spitzen Winkel zueinander. An der engsten Stelle rücken sie sogar bis auf fünf Meter zusammen. Der schlanke höhere der beiden Türme ist 138 Meter hoch (37 Geschoße), der etwas niedrigere, gedrungenere 127 Meter (34 Geschoße). Aber beide beinhalten die gleiche Nutzfläche, und sie sind in mehreren „Paketen“ (Dreier-, Vierer-, Fünfer-Paketen) durch insgesamt 19 verglaste Brücken miteinander verbunden.

Diese Brückenverbindungen waren gar nicht leicht zu lösen, weil sich die Türme, entsprechend der Windlast, unterschiedlich bewegen. Und die Brücken selbst aber keinerlei konstruktive Funktion haben, sie dienen nicht etwa der Aussteifung. Sie sind reine Verbindung zwischen den Geschoßen und müssen also die unterschiedlichen Bewegungen der Türme mitmachen. Das ist mit einer elastischen Lagerung, die aus der Flugzeugtechnik kommt, bewältigt worden. Sinn dieser horizontalen Verbindung zwischen den Türmen ist jedenfalls: großfläche Nutzung auch auf einer Ebene zu ermöglichen. Zusätzlich gibt es in Form von Aussparungen in den Betondecken auch potentielle vertikale Verbindungen zwischen den Geschoßen, wo interne Treppenverbindungen (und damit kurze Wege) möglich sind.

Konzeptuell sind die beiden Türme in bezug auf die innenräumliche Nutzung differenziert angelegt: Der schlanke hohe ist für Zellenbüros prädestiniert, der breite niedrigere läßt auch großräumliche Lösungen zu. Aber das sind Anforderungen, auf die heute jeder Architekt, der für einen Investor und anonyme Nutzer planen muß, selbstverständlich eingeht. Die kleinen gestalterischen Abstriche, die Fuksas in Kauf nehmen mußte, tun nur dem fachkundigen Auge weh: Er wollte die Liftkerne rundum mit amerikanischer Kirsche verkleiden und dadurch als eigenen Körper artikulieren. Es wäre schöner gewesen, zugegeben, aber daß dieses Konzept nur teilweise realisiert ist, geht wirklich nicht an die Substanz.

Substantiell war eigentlich nur der Eingriff in die Fassadenlösung. Die war ursprünglich (im Wettbewerb) zweischalig konzipiert, sodaß es den Nutzern in den Büros möglich gewesen wäre, innen drinnen Fenster zu öffnen. Noch im Wettbewerb hat dieser Vorschlag den allergrößten Anklang gefunden, in der Realisierung ist er - aus Kostengründen - gescheitert. Die Ganzglaslösung - ohne Brüstung - der jetzigen Fassade gleicht diesen Abstrich zwar nur teilweise aus, verglichen mit den Fassadenlösungen anderer Wiener Hochhäuser ist sie dennoch eine Errungenschaft. Und sie wurde schwer erkauft. Wenn es nicht deutsche Präzedenzfälle gegeben hätte, auf die sich verweisen ließ, und wenn nicht die Sprinkleranlage entsprechend verstärkt worden wäre, dann hätte die Feuerpolizei (Brandüberschlag!) dieser Fassadenlösung sicher nicht zugestimmt.

Trotz aller Anonymität der Planung - sie ist ja für gänzlich unbekannte Nutzer konzipiert, von denen man nicht weiß, ob sie mehrere Geschoße nehmen oder nur eines oder überhaupt nur einen Teilbereich - hat Fuksas bestimmte räumliche Qualitäten durchsetzen können. Vor allem die lichte Raumhöhe in den Büros, aber auch den Gängen ist angenehm (und deutlich besser als im Millenniumstower): 2,80 Meter! Auch das unterschiedliche Erschließungskonzept der beiden Häuser - ein innenliegender Kern beim hohen Turm, eine außenliegende Erschließung beim breiteren - schafft eigene, differenzierte Innenraumqualitäten. Schließlich wichtig für das äußere Erscheinungsbild: Die notwendigen Technikgeschoße wurden am Wienerberg ganz nach oben und ganz nach unten verlegt, der Turmschaft selbst ist in beiden Fällen wirklich transparent.

Zweite Frage - und Verbindungsklammer zum Anfang: Wieso reißen sich Architekten eigentlich um Hochhäuser, obwohl gerade diese Typologie fast nichts zuläßt? Was kann architektonisch schon dabei herauskommen, wenn ein Investor baut, der nur darauf aus ist, nicht nur maximalen, sondern auch raschen Gewinn zu erzielen? Für die Architektur wird es unter solchen Vorzeichen eng. Eigentlich bleibt nur die Höhe, der „Geschlechterturm“, der die Sache doch schillernd, verlockend, illuster macht. Und damit sind wir wieder - beim Bauch des Architekten, nicht beim Gehirn, wo vermutlich die Vernunft angesiedelt ist. Es klingt absurd, aber gerade diese kommerziellen Geschlechtertürme unserer Gegenwart scheinen die emotionalen Ressourcen unserer Architekten unheimlich zu stimulieren.

Fuksas hat sich da sogar selbst übertroffen. Der Minimalismus seiner Türme ist in Wirklichkeit seine Sache nicht. Fuksas „at his best“ oder „at himself“ erlebt man im Sockel. Da sind die Ebenen ausdrucksvoll verschnitten, da hat er sogar eine plastisch expressive, vielleicht nicht ganz wirtschaftliche, lineare Anordnung der Kinosäle durchgesetzt. Und eine Verknüpfung der unterschiedlichen Bereiche, die zumindest für ein räumliches Gesamterlebnis prädestiniert ist.

Es ist keine Frage der Architekturqualität, ob dieses Erlebnispotential genutzt wird. Da kommen viele andere (architekturfremde) Faktoren ins Spiel, da hat der Investor die Hauptverantwortung. Und wenn man sich die jüngsten Debatten über die mangelhafte Verkehrsanbindung des Wienerberg-Projektes ins Gedächtnis ruft, dann möchte man resümieren: Diese Verantwortung bleibt ganz bei ihm - und natürlich auch bei der Stadt Wien.

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