Details

Adresse
Alpen - Adria - Platz 1, 9020 Klagenfurt, Österreich
Architektur
Morphosis, Thom Mayne
Mitarbeit Architektur
John A. Enright (PL), David Grant, Martin Krammer, Fabian Kremkus, Sylvia Kuhle, Brian Parish, David Plotkin
Bauherrschaft
Hypo Alpe-Adria-Bank, Hypobank Kärnten
örtliche Bauaufsicht
Alfred Lengger
Maßnahme
Neubau
Planung
1996
Ausführung
1997 - 2000

Publikationen

Presseschau

15. Januar 2000Karin Tschavgova
newroom

Architektur als Metapher für Weltbefindlichkeit – bewegt, fragmentarisch und instabil

In Klagenfurt hat der kalifornische Architekt Thom Mayne den Bau der Zentrale der Hypo Alpe-Adria Bank zu einem architektonischen Manifest verdichtet, das ein neues suburbanes Zentrum mit einem autonom zu bespielenden Veranstaltungsraum und städtisch gefassten Aussenräumen werden soll. Ob die Idee aufgeht, ist fraglich, zumal grosse Teile des Wettbewerbskonzepts nicht realisiert werden

In Klagenfurt hat der kalifornische Architekt Thom Mayne den Bau der Zentrale der Hypo Alpe-Adria Bank zu einem architektonischen Manifest verdichtet, das ein neues suburbanes Zentrum mit einem autonom zu bespielenden Veranstaltungsraum und städtisch gefassten Aussenräumen werden soll. Ob die Idee aufgeht, ist fraglich, zumal grosse Teile des Wettbewerbskonzepts nicht realisiert werden

Die Voraussetzungen für ein Gelingen von Architektur auf höchstem Niveau - für Baukunst - waren gut, um nicht zu sagen ideal. Aufgeschlossene Bauherrn, die Offenheit für das Neue, das Visionäre auf ihre Fahnen heften und mit einem Bauwerk ihre neue Stategie des Aufbruchs und des Expandierens – die Bank unterhält Filialen in Slowenien, Kroatien und Friaul – untermauern wollen und ein international renommierter Architekt, dessen Arbeit durch zahlreiche Preise ausgezeichnet worden ist. Dazu ein Bauplatz am ausgefransten Stadtrand, der in all seiner Heterogenität zwischen Gewerbebauten, vorstädtischen Siedlungen und landwirtschaftlicher Nutzung auch Freiraum lässt für konzeptuelle Würfe, die keine Einschränkung durch Vorschriften zu Traufenhöhe, Dachneigung, Bebauungsform und Denkmalschutz vertragen.

Es zeugt von Überzeugungskraft des Architekten und gelungener Vermittlungsarbeit des Vorstands, dass auch jetzt, nach der Realisierung des ungewöhnlichen Projekts Identifikation und Verständnis unter der Belegschaft hoch sind, trotz einiger gravierender Unzulänglichkeiten. Dabei ist das Entwurfskonzept des Architekten in seiner Komplexität alles andere als einfach zu erfassen.


Das Dach als artifizielle Landschaft

In Anlehnung an seinen Beitrag zum Wiener Expo Wettbewerb formte Tom Mayne beim Klagenfurter Projekt eine topographische Oberfläche, die die leicht wellige Agrarlandschaft der Umgebung fortsetzten soll. Sie deutet ein Kreissegment mit einem Durchmesser von einer Meile an. Gebäudevolumen wurden durch Einschneiden der künstlichen Landschaft wie mit einem Seziermesser aus dem flächigen Körper herausgeschält und durch Schlitze separiert, die im Modell an Ackerfurchen erinnern und in gebauter Wirklichkeit zu Schluchten wurden. Großflächige Ausschnitte als elliptisch gerahmte Negativkörper erzeugen im Wettbewerbsentwurf Weite. Lineare, schmale Baukörper führen Wege am Areal fort und bilden so Bezugsachsen zur Umgebung.

Konzediert man der heutigen Architektur, dass sie nicht zwangsläufig entschlüssel- und lesbar sein muß und gesteht man der Entwurfsmethodik zu, dass sie subjektiv, zufällig und willkürlich sein kann, so sollte sie doch in sich stimmig sein. Thom Maynes Entwurf wurde durch eine wesentliche Entscheidung der Konzernleitung, die nach der Juryentscheidung erfolgte, stark beschnitten. Man trennte sich, wegen des als zu groß prognostizierten Verwertungsrisikos, von der Hälfte des Grundstücks und errichtet nun (unter anderem) keine Wohnungen. Die Verflechtung von Wohnbau, Büros und kommerzieller Nutzung findet also nicht statt. Öffentliche Freiräume integrieren aber per se genausowenig die umgebende Wohnbebauung wie die in die Siedlungsstrassen ausgreifenden Arme der gekreuzten linearen Baukörper, die zudem deutlich amputiert wurden. Was an Landschaft bleibt, ist rudimentär, reduziert sich auf die Andeutung von weich geformten Gebäudeoberflächen im tiefangesetzten Dach des Mehrzwecksaals, der mit einem allgemein zugänglichen Café verbunden ist. Das mußte unter Terrain abgesenkt werden, was weder von außen noch von innen besonders einladend wirkt. Die Idee der übergreifenden Dachstruktur als Landschaft ist jetzt nicht ablesbar und wird auch nach Abschluß der zweiten und dritten Bauphase nicht schlüssig nachvollziehbar sein. Nun gut – Entwerfen ist ein Prozeß, das Konzept der künstlichen Landschaft war eben der Ausgangspunkt. Was bleibt?


Das Bauwerk als Skulptur

Das Gebäude der Konzernzentrale mit Bankfiliale am südlichen Rand des Areals betont seine städtebauliche Bedeutung am Kreuzungspunkt zweier Strassen durch Höhe, es ist fünfgeschossig, und Dichte. Einschnitte und Verschiebungen aus dem Erstentwurf erzeugen geknickte und schräg aufgeständerte, additiv angeordnete und miteinander verzahnte Bauteile, die ein skulpturales Ganzes ergeben. Fremd und irritierend ragt es an der östlichen Einfallsstrasse von Klagenfurt empor. Dynamisch durch die aufsteigende Schräge, fragmentarisch durch die Bruchlinien zwischen den einzelnen Trakten, gekrümmt, durchstossen und aus den Angeln gehoben evoziert das Gebilde die Kategorisierung „dekonstruktivistisch“. Der Architekt verwehrt sich allerdings dagegen und behauptete bei der persönlichen Führung anläßlich der feierlichen Eröffnung im September den Gebrauchswert sämtlicher Bauteile. Funktionell begründet wird auch das vertikale, weitgehend freistehende Wandelement - geknickter Insektenflügel - eine großteils mit Lochblech verkleidete Stahlstruktur, die in enger Nachbarschaft zur verglasten Stirnseite des langen Trakts an der Völkermarkter Strasse aufragt - als notwendig nutzloses Element (schelmisches Augenzwinkern konnte nicht bemerkt werden). Für mich ergab sich die Assoziation mit einer Felsspalte. Geheimnisvoller Eingang in die Welt des Monitarismus? Tatsächlich erfolgt der Zugang in den Verwaltungstrakt wie in die Bankfiliale für den zu Fuß Kommenden von dieser Seite. Auch hierbei scheint es um die Betonung des Skulpturalen zu gehen; die Einkerbung als präziser bildhauerischer Akt, der spannenden Ausblick verspricht.

Wesentlicher Bestandteil der Bauskulptur ist ihre Umhüllung. Unstrukturierte Metallverkleidungen und vorwiegend Lochbleche in gleichbleibenden Modulgrössen überziehen das gesamte Bauwerk in Abstand zur Klimahülle. Sie bilden eine Haut, die sich weich über Kanten schmiegen soll und über Dachhöhe den Eindruck eines sich in den Himmel auflösenden Körpers vermittelt. Das Lochblech als sinnliche Komponente entspricht somit feministischen Theorien von Architektur, die anstelle der geradlinigen, kantigen und kühlen Moderne die Zeit für Gekurvtes, Weiches gekommen sehen (im Amerikanischen gibt es dafür das phonetisch treffende Wort „smooth“). Die tektonische Hülle kann also viel – mit Abstand besehen: sie wirkt massiv, wo sie auf die geschlossene Wand trifft, durchscheinend vor Fensteröffnungen und transparent, wo sie über Dach gezogen wird. Sie verändert ihr Aussehen nach der Tages- und Jahreszeit. Tritt man ihr zu nahe, etwa bei den Übergängen von vertikal zu horizontal, zeigt sich im Detail das unzulängliche Bemühen um geschmeidige Kurven. Metall ist letztlich doch eine spröde Haut.


Die Architektur als Dienstleister

Nun ist die vollkommenste Bauskulptur in der Regel nicht zweckfrei, sondern muß bestimmte Anforderungen an Funktionalität erfüllen. Thom Mayne postuliert „function follows form“ und begründet schlüssig, dass sich die Funktionen stetig ändern und Anforderungen kein feststehendes Etwas sind. Sein Interesse liegt nicht in unmittelbarer Funktionserfüllung, vielmehr sieht er sein architektonisches Operationsfeld durch Termini wie Veränderung, Widersprüchlichkeit, Konflikt und Dynamik geprägt, die für ihn kennzeichnend für die gleichermaßen komplexen wie fragmentarischen Strukturen der Gesellschaft im ausgehenden 20.Jahrhundert sind. Und er scheint an unorthodoxen Räumen interessiert, die diese Dissonanz ausdrücken. Die Schalterhalle im Kundencenter spiegelt dies wider. Den erweiterten technischen Möglichkeiten unserer vernetzten Welt entsprechend könnte sie auf die Grösse eines Computerterminals reduziert sein. Die Architektur reagiert darauf, indem sie die Schalterhalle reduziert auf einen minimalen Servicebereich und die Schalter mit einer irritierend niedrigen Decke versieht. In den Bürobereichen allerdings bleibt der Architekt in einem erschreckenden Maß in hierarchischen Strukturen stecken. Das oberste Geschoß, die Vorstandsetage erweist sich, zumindest in den nach Süden orientierten Räumen als Bel Etage mit hohen, von allen Seiten durchsonnten Räumen. Die nach Norden gerichteten Büros aller Geschoße sind unterbelichtet und müssen tagsüber immer Kunstlicht zuschalten, weil sie einer rigiden formalen Entwurfsidee unterworfen sind. Ihre Fenster, liegende Elemente in der gleichen Form und Grösse wie die im Abstand davorgesetzten Klappen in der durchgehenden Lochblechhülle sind, ganz banal, einfach zu klein. Der Ausgewogenheit der Fassade und der Rythmik ihrer Öffnungen hätte es sicher nicht geschadet, wenn die hinter den Klappen liegenden Fensteröffnungen größer ausgefallen wären.

Im ersten Obergeschoß, wo sich der leicht geschwungene Körper vor den langen einhüftigen Trakt schiebt, ist sie Situation wirklich trist. Hier wird der geringe Abstand zwischen den additiv geschichteten Baukörpern zur Schlucht – mit dementsprechend schlechter Belichtung. Allerdings: dort, wo kein Bauteil den langen Trakt verstellt, reduziert sich dieser durch einen großzügigen Fassadeneinschnitt auf einen Gang – lichtdurchflutet im Übermaß. Ärgerlich ist, wenn ein Teil der Mitarbeiter im Großraumbüro im Dunkeln sitzen muß, der Klarheit der geschlossenen Fassade zuliebe. Kleinigkeiten? Mitnichten. Erachtet man Bedürfnisse nach Licht und Luft, nach einem menschengerechten Arbeitsplatz als zweitrangig, so gelangt man rasch in die Nähe von feudaler Herrschaftsarchitektur, die Repräsentationsräume anlegt und das Gros der Mitarbeiter in engen, dunklen Kontoren arbeiten läßt. An diesem Eindruck ändert weder eine progressiv dynamische Fassade noch die bedeutungsschwere Beteuerung der Bauherren aus der Festschrift zur Eröffnung: Funktionalität als Disziplin. Dem Benutzer unterworfen. Die Verantwortlichen der Bank haben die Fehler erkannt und sind bemüht, Lösungen zur Schadensbegrenzung zu finden.

Letztlich bleiben architektonische Parameter, die dem Menschen Würde geben und ihn in seiner persönlichen Entfaltungsmöglichkeit unterstützen, auch in Zeiten von Paradigmenwechsel, Entwicklung der Chaos Theorie und dem Verschwinden verbindlicher Normen gültig.

So wie sich das Bild der Architektur ändert, muß sich aber auch die Wahrnehmung von Architektur ändern, das „gewohnte Bild“ ersetzt werden. Mit der außergewöhnlichen Raumhülle für die Hypo-Zentrale ist Thom Mayne ein irritierendes Bild gelungen, das staunen macht und die Auseinandersetzung mit dem Thema provoziert. Zur Nachahmung ist diese Architektur nicht geeignet. Vielleicht genügt, wenn zu vermitteln gelingt, was der Architekt beispielhaft zu seiner These, dass Architektur immer didaktisch sein muß, erklärt. Die Fähigkeit und Potenz gebauter Architektur, „zu lehren, wie die Sonne auf ein Gebäude trifft.“

18. Dezember 1999Margit Ulama
Spectrum

Jenseits aller Etikettierungen

„Aufgeschlossenheit, Modernität, Internationalität“ schrieb sich eine Kärntner Bank auf ihre Fahnen. Dieses Image spiegelt die von Morphosis entworfene Zentrale in Klagenfurt wider: ein dynamisches skulpturales Gebilde, das herkömmliche Kategorien weit hinter sich läßt.

„Aufgeschlossenheit, Modernität, Internationalität“ schrieb sich eine Kärntner Bank auf ihre Fahnen. Dieses Image spiegelt die von Morphosis entworfene Zentrale in Klagenfurt wider: ein dynamisches skulpturales Gebilde, das herkömmliche Kategorien weit hinter sich läßt.

Kürzlich stand in einer angeregten Diskussion zu fortgeschrittener Stunde auf einmal die Idee im Raum, man könnte Architektur doch in eine U- und E-Kategorie einteilen, so wie dies in der Musik üblich sei. Auf den ersten Blick ein einleuchtender Gedanke, doch die Tücke liegt auch in diesem Fall im Detail. Denn was wäre konkret der „Unterhaltung“ und was dem „Ernst“ zuzuordnen? Zu Schwierigkeiten führt insbesondere die den beiden Begriffen implizite Wertung.

Unabhängig von der Problematik, die beiden Kategorien auf das andere Medium zu übertragen, bemerkt man heute unzweifelhaft eine Tendenz, die die Architektur zum Ereignis macht. Die Rezeption wird zu einem sinnlichen, abwechslungsreichen Erlebnis, bei dem unerwartete Effekte und damit das Neue im Mittelpunkt stehen. Das Bauwerk gliedert sich damit einer Erlebniskultur ein, die alles und jedes erfaßt - doch ist dies notwendigerweise mit einer Abwertung verbunden? Der kulturelle Stellenwert muß sich bei zunehmendem sinnlichen Vergnügen nicht unbedingt verringern.

Als architektonisches Ereignis par excellence präsentiert sich die neue Hypo-Bank-Zentrale in Klagenfurt von Morphosis, die einem vielfältigen Szenario für die Sinne einen avancierten kulturellen Anspruch unterlegt. Die zersplitterten Gebäudeteile bieten ständig wechselnde Bilder, und man muß die Architektur um- und durchwandern, um sie erleben zu können. Die einzelnen Elemente scheinen ihre Stabilität völlig verloren zu haben, so wie auch die eindeutig fixierte Betrachtungsperspektive aufgehoben ist. Das Gebäude stellt ein dynamisches skulpturales Gebilde dar, das herkömmliche Kategorien hinter sich läßt. Das ist zwar in fiktiven Entwürfen bereits gängig, in der Realität brauchen Bauten dieser Art aber einen couragierten Bauherrn.

In diesem Sinn entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Thom Mayne als einem Architekten mit komplexem Erfahrungshintergrund und der Kärntner Hypo-Bank, die Offenheit mit wirtschaftlichem Kalkül verband. Die Hypo-Bank verfolgte in den letzten Jahren eine innovative Strategie im Management und ließ erfolgreich das Image der Regionalbank hinter sich. Im Sinne von „Aufgeschlossenheit, Modernität und Internationalität“ expandierte man in die Nachbarländer Friaul, Slowenien und Kroatien. Diese selbstsichere, offensive Haltung spiegelt sich jetzt in der neuen Zentrale an der Völkermarkter Straße wider. Das Engagement seitens der Bank ermöglichte also die Realisierung eines ungewöhnlichen Baus, der sogleich - auch in den regionalen Medien vielfach publiziert - zum effektiven Werbeträger avancierte.

Thom Mayne gründete die Gruppe Morphosis 1971 gemeinsam mit Michael Rotondi und arbeitet seit Beginn der neunziger Jahre alleine unter diesem Titel. Wenn Morphosis heute zu den international renommiertesten Architekten der USA zählt, so bildet die Basis dafür eine langjährige intensive Auseinandersetzung hinsichtlich der gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedeutung von Architektur. Mayne vereint widersprüchliche Ansätze und führt konträre Vorbilder in seinem Werk zusammen. Postmoderne und dekonstruktive Einflüsse, der Prozeß des Zeichnens als Formfindungsprozeß und die theoretische Reflexion, Rationalität und Intuition bilden bei ihm keine unvereinbaren Gegensätze, sondern führen zu Formen jenseits eindeutiger Etikettierungen.

Im Jahr 1996 prämierte eine Jury unter dem Vorsitz von Günther Domenig das Projekt von Morphosis. Der Wettbewerb war für ein großes, trapezförmiges Grundstück ausgeschrieben worden, und Mayne reagierte mit einer spezifischen Entwurfsmethodik für den suburbanen Kontext, die er bereits zuvor erprobt hatte. Mittels einer durchgehenden Gebäudeoberfläche versuchte er, die Landschaft zu modellieren beziehungsweise zu ersetzen. Er löste nicht nur das solitäre Bauwerk, sondern auch den Gegensatz von Bauwerk und Landschaft auf und schuf eine Textur eigener Art - als Antwort auf die schwierige Frage, wie Städtebau sich heute entwickeln könne.

Da das Grundstück an der Peripherie von Klagenfurt liegt, reflektierte Mayne das Thema des Ackers. Er legte die durchgehende Gebäudeoberfläche über einen breiten Streifen des Grundstücks entlang der Ausfallstraße und schnitt - die Furchen eines Ackers paraphrasierend - schmale Schlitze in diese Fläche. In der Ansicht artikulierte sich dies als langgestreckter Bauteil mit weitgekrümmtem Dach, das einem Kreis mit einem Radius von einer Meile folgte. Die solcherart zusammengefaßte Architektur wurde durch Fragmente elliptischer Formen und gekreuzte gerade Volumen ergänzt, die zum Grundvokabular des Architekten zählen.

Doch dann folgte mit der Teilung des Grundstücks eine fundamentale Änderung der Prämissen, die Flexibilität des Architekten war herausgefordert. Einem auf Ganzheitlichkeit angelegten Entwurf wurde sozusagen der Rumpf und damit die Grundidee gekappt, sodaß der zersplitterte Kopfbau ins Zentrum rückte. Was als auffällige Geste in Richtung des Stadtzentrums gedacht und in einen Gesamtkomplex eingebunden war, verwandelte sich unfreiwillig zur Hauptidee des Baus. Was jetzt realisiert wurde und wird, ist das Fragment eines Konzepts, das selbst mit der Fragmentierung spielt.

Der Bau beeindruckt mit seiner städtebaulich-räumlichen, konzeptionellen Idee, der Innenraum steht hingegen im Hintergrund. Gleichsam den Mittelpunkt bildet ein ellipsenförmiger, halböffentlicher Platz, der geschützt und gut proportioniert zwischen dem langgestreckten Haupttrakt an der Völkermarkter Straße und der abgerückten Veranstaltungshalle liegt. Bei letzterer vermittelt sich noch immer die Idee der aus dem Boden emporsteigenden Dachfläche. Diese greift auf der einen Seite weit über die Halle und knickt nach unten, auf der anderen steigt sie in die Höhe und drückt sich an das angrenzende, verglaste Volumen, bis nur mehr ein Spalt frei bleibt. Darunter geht man zum Eingang der Schalterhalle und weiter zum inneren Platz.

Auch diesem Zugang fehlt ein vertrauter Code, sodaß er zuerst kaum als solcher identifizierbar ist. Unter der verglasten Stirnseite senkt sich schließlich der Boden und bildet mit seinen Basaltsteinen, effektvoll beleuchtet, eine neue, künstliche Landschaft. Über diese Senke führt eine Brücke und leitet den Besucher. Das Thema der manipulierten Landschaft, das im übrigen Entwurf zur Metapher wird, äußert sich hier direkt.

Die Bezugsfiguren von Morphosis reichen von James Stirling über Aldo Rossi und Oswald Mathias Ungers bis zu Frank Gehry. Postmoderne Relikte finden sich bei den jüngeren Bauten. In Klagenfurt fallen Lochbleche als großflächige äußere Wandverkleidung auf. Bei ihrer Teilung assoziiert man ein traditionelles Mauerwerk aus großen Quadern, das im Gegensatz zur eigentlichen Entwurfsidee steht. Doch die ursprüngliche Schwere eines solchen Mauerwerks ist hier aufgrund der Durchlässigkeit des Materials aufgehoben, das Bild wird paraphrasiert und verfremdet.

Im Wandbereich steht dennoch die Wirkung einer geschichteten Mauer im Vordergrund, im Dachbereich hingegen die Transparenz des Materials. Hier bilden sich filigran strukturierte, offene Räume. Im gesamten Entwurf differenzieren schließlich transparente und transluzente Materialien den Wandaufbau im Sinne einer horizontalen Schichtung.
Die Hülle aus Lochblech wird immer wieder atektonisch behandelt und unregelmäßig abgeschnitten. Ein Fragment der Hülle taucht bei der Brüstung des Aussichtsbalkons auf, der die langgestreckte Fassade an der Völkermarkter Straße in luftiger Höhe schräg durchdringt und als zeichenhaftes Element über die Fassade ragt. Einige Stufen laufen an dieser Stelle ins Leere. Obwohl der Bau natürlich Funktionen erfüllt, verweigert er sich einer direkten, allzu geradlinigen Funktionserfüllung, setzt auf einer ganz anderen Ebene an und gleitet auch ins unmittelbar Spielerische. Mayne will mit seiner Architektur die gegenwärtige Gesellschaft in ihrer Komplexität und Instabilität „authentisch“ interpretieren.

Die Hypo-Bank setzt aber nicht nur in ästhetisch-konzeptioneller, sondern auch in organisatorischer Hinsicht ein Zeichen. Denn die Projektleitung in Österreich wird von Martin Krammer mehr oder weniger im Alleingang mittels aktueller Technologie abgewickelt, der Entwurfs- und Detaillierungsprozeß gleichzeitig im Büro in Los Angeles weiterentwickelt. Die Mediatisierung des Alltags bildet bereits einen Teil der Realisierung.

13. September 1999Leopold Dungl
Kurier

Energiegeladene Raumhülle

Die neue Konzernzentrale der Hypo Alpe-Adria Bank in Klagenfurt von Thom Mayne

Die neue Konzernzentrale der Hypo Alpe-Adria Bank in Klagenfurt von Thom Mayne

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Kurier“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

03. September 1999Margit Ulama
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus als manipulierte Landschaft

(SUBTITLE) Ein neues Bankgebäude von Morphosis in Klagenfurt

Der in Los Angeles arbeitende Architekt Thom Mayne vom Büro Morphosis realisierte für eine Kärntner Regionalbank ein architektonisches Manifest. Mayne will mit seinem Bau die heutige Gesellschaft in ihrer Komplexität und Instabilität interpretieren. Mit dem ungewöhnlichen Bankgebäude gelang ihm darüber hinaus ein ausdrucksstarker Werbeträger.

Der in Los Angeles arbeitende Architekt Thom Mayne vom Büro Morphosis realisierte für eine Kärntner Regionalbank ein architektonisches Manifest. Mayne will mit seinem Bau die heutige Gesellschaft in ihrer Komplexität und Instabilität interpretieren. Mit dem ungewöhnlichen Bankgebäude gelang ihm darüber hinaus ein ausdrucksstarker Werbeträger.

Das südlichste Bundesland Österreichs kann kaum mit wegweisender Gegenwartsarchitektur brillieren. Seit kurzem sticht jedoch an einer Ausfallstrasse von Klagenfurt ein architektonisches Manifest ins Auge, das «Hypo Alpe-Adria-Zentrum» des in Los Angeles arbeitenden Architekten Thom Mayne. So ungewöhnlich der Neubau in Kärnten ist, so bewusst wurde er gleichzeitig initiiert. Noch vor wenigen Jahren war die Kärntner «Landes- und Hypothekenbank» eine kleine Regionalbank. Diese entschied sich jüngst für eine Vorwärtsstrategie im Sinne von «Aufgeschlossenheit, Modernität und Internationalität» und expandiert seither auch - zunehmend erfolgreich - nach Friaul, Slowenien und Kroatien. Als ein Neubau der Hypo-Zentrale zur Diskussion stand, wählte man bewusst ein auffälliges architektonisches Image. Trotz einer einschneidenden Abänderung beeindruckt das zügig realisierte Gebäude, und man spürt auf Bauherrenseite grosse Begeisterung für das Projekt.


Zwischen Architektur und Skulptur

Der Terminus Gebäude kann diese Art Architektur natürlich kaum fassen. In der gegenwärtigen Baukunst verschwimmen vielfach die Grenzen zwischen Architektur und Skulptur, und gerade in diesem Fall ergeben schräg liegende, geknickte, teilweise auch fragmentierte Teile ein dynamisches, gleichzeitig irritierendes skulpturales Gebilde, das anfangs schwer zu entziffern ist. Doch trotz den Brüchen und der ungewöhnlichen Syntax eines ebenso ungewöhnlichen Vokabulars entsteht im weitesten Sinn eine Harmonie der Teile. Die Hypo-Zentrale setzt ein auffälliges architektonisches Zeichen Richtung Innenstadt. Neben einem aufgestelzten schmalen und langen Bauteil an der Völkermarkter Strasse und einer gläsernen Stirnseite knickt ein flächenhaftes Element in die Höhe. Ergänzt wird diese Komposition durch eine effektvolle Beleuchtung des abgesenkten, mit Basaltsteinen verkleideten Grundes. Dass man hier letztlich auch zu den versteckt liegenden Eingängen der Bank und der Veranstaltungshalle gelangt, kann man nur erahnen. Doch es führt eine Brücke über die Senke, die den Besucher leitet.

Basaltgrund und Brücke schaffen eine neue, künstliche Landschaft und drücken auf diese Weise eine zentrale Idee des gesamten Entwurfes aus. Was im übrigen zur Metapher wird, äussert sich hier ganz unmittelbar. Mayne, der die Gruppe Morphosis 1971 gründete, lange Jahre eine Partnerschaft mit Michael Rotondi bildete und seit Beginn der neunziger Jahre alleine unter dem Label Morphosis arbeitet, entwickelte eine spezifische Entwurfsstrategie für Projekte grösseren Massstabs. Er bedient sich der durchgehenden Gebäudeoberfläche, um die eigentliche Landschaft zu modellieren beziehungsweise zu ersetzen. Dabei wird nicht nur das solitäre Bauwerk, sondern auch der Gegensatz von Bauwerk und Landschaft aufgelöst. Da das Grundstück an der Peripherie von Klagenfurt liegt, reflektierte der Architekt bei seinem Wettbewerbsprojekt das Thema des Ackers. Er legte die durchgehende Gebäudeoberfläche über einen breiten Streifen des Grundstücks entlang der Hauptstrasse und schnitt - die Furchen eines Ackers paraphrasierend - schmale Schlitze in diese Fläche. In der Ansicht artikulierte sich dies als langgestreckter Bauteil mit weit gekrümmtem Dach, das einem Kreis mit dem Radius von einer Meile folgte. Die solcherart zusammengefasste Architektur wurde durch Fragmente elliptischer Formen und gekreuzte gerade Volumen ergänzt, die zum Grundvokabular des Architekten zählen.

Mayne entwickelte eine neue städtebauliche Methodik für den suburbanen Kontext. Erst zu einem viel zu späten Zeitpunkt erfolgte jedoch eine entscheidende Änderung der Prämissen, indem man das grosse, trapezförmige Grundstück annähernd in der Mitte teilte. Was jetzt realisiert wurde und wird, ist also das Fragment eines Konzeptes, das selbst mit der Fragmentierung spielt. Der Rest dieser Grundstückshälfte wird in der zweiten und dritten Bauphase etwas abgeändert gegenüber dem Wettbewerbsprojekt bebaut.


Städtebau im suburbanen Kontext

Durch die Teilung reduzierte sich in erster Linie die durchgehende, leicht gekrümmte Gebäudeoberfläche, die nur mehr rudimentär zu spüren ist. Fragmentierte, geknickte und sich durchdringende Teile, also die dekonstruktivistischen Elemente des Entwurfs, rückten in den Vordergrund. Doch im Bereich der Veranstaltungshalle vermittelt sich noch immer die Idee der aus dem Boden emporsteigenden Dachfläche. Diese greift auf der einen Seite weit über die Halle und knickt nach unten, auf der anderen steigt sie in die Höhe und drückt sich an das angrenzende, verglaste Volumen, bis nur noch ein Spalt frei bleibt. Darunter geht man zum Eingang der Schalterhalle und weiter zu einem andeutungsweise elliptischen Platz, einem eindrücklichen öffentlichen Raum mit angenehmen Proportionen.

Morphosis zählt zu den international renommiertesten Architekten der USA. Auch wenn das Büro mit Verbindungen zum Dekonstruktivismus arbeitet, so sind die Bezugsfiguren doch widersprüchlich und reichen von James Stirling und Aldo Rossi bis zu Frank Gehry. Frühe Bauten lassen eine Nähe zur Postmoderne spüren. Relikte davon finden sich in den jüngeren Bauten, die unter anderem die Tektonik der Mauer thematisieren. Bei der Hypo-Bank bilden Lochbleche grossflächig die äussere Wandverkleidung, und man assoziiert bei ihrer Unterteilung ein Mauerwerk aus grossen Quadern. Doch die ursprüngliche Schwere ist hier auf Grund des durchlässigen Materials aufgehoben. Im Wandbereich steht dennoch die Wirkung einer geschichteten Mauer im Vordergrund, im Dachbereich hingegen die Transparenz des Materials. Hier bilden sich auch filigran strukturierte, offene Räume. Im gesamten Entwurf differenzieren transparente und transluzente Materialien den Wandaufbau im Sinne einer horizontalen Schichtung.


Komplexität und Instabilität

Ein Fragment der tektonischen Hülle aus Lochblech taucht schliesslich bei der Brüstung des Aussichtsbalkons auf, der die langgestreckte Fassade an der Völkermarkter Strasse in luftiger Höhe schräg durchdringt. Einige Stufen laufen an dieser Stelle ins Leere. Obwohl der Bau natürlich Funktionen erfüllt, verweigert er sich einer direkten, allzu geradlinigen Funktionserfüllung, setzt auf einer ganz anderen Ebene an und gleitet auch ins unmittelbar Spielerische. Mayne will mit seiner Architektur die gegenwärtige Gesellschaft in ihrer Komplexität und Instabilität «authentisch» interpretieren. Mit der ungewöhnlichen äusseren Konzeption des Baus gelang ihm dies zweifellos. Die Hypo-Bank ihrerseits erhielt einen ausdrucksstarken Werbeträger.

Produkte

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1