Pläne

Details

Adresse
Dr. Karl Renner-Ring 1, 1017 Wien, Österreich
Bauherrschaft
BIG
Mitarbeit Tragwerksplanung
Peter Hörmann, Daniel Georgi, Thomas Lampl, Jürgen Schink
Fotografie
Helga Loidold
Ausführung
2004 - 2005
Bruttogeschossfläche
7.641 m²
Nutzfläche
4.341 m²
Umbauter Raum
35.844 m³
Baukosten
19,7 Mio EUR

Publikationen

Links

Archbau

Genereller introtext zu Archbau der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

16. Dezember 2008Gabriele Kaiser
zuschnitt

Virtuosität des Scheinbaren

(SUBTITLE) im Palais Epstein von Theophil Hansen

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze...

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze...

Nuss, Eiche, Palisander ? Bei Führungen durch das Palais Epstein – 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen auf einem der prominentesten Bauplätze an der Wiener Ringstraße errichtet – lenkt Georg Töpfer, der gemeinsam mit Alexander van der Donk 2004/05 die Restaurierungs- und Umbauarbeiten leitete, den Blick der Besucher gern nach oben zu den prächtigen Kassettendecken in Empfangsraum, Speisesaal und Spielzimmer und lässt sie die Anzahl der verwendeten Holzarten raten. Sind es drei, vier, gar fünf? Suchend wandert der Blick über die Deckenpracht. Gar kein Holz – die Antwort musste ja kommen. Was täuschend echt wie aufwändige Schnitzarbeit aussieht, ist lasierter Gipsstuck, kunstvoll auf Holzdecke getrimmt. Das gemalte Holz wirkt so echt, dass es von wirklichem Holz nicht zu unterscheiden ist und auch im unmittelbaren Zusammenspiel mit Furnieren und Massivhölzern im selben Raum überzeugt.

Die handwerkliche Präzision der Nachahmung stellte die Restauratoren, die sich mit der Qualität der Lasurtechnik aus nächster Nähe auseinandersetzten, vor handwerkliche Herausforderungen. »Die Perfektion der Imitation ging so weit, dass sogar die Gehrungsschnitte im Stuck nachgebildet sind«, berichtet Georg Töpfer. Mit den Scheinholzdecken, die aus vorgefertigten dünnen Gipsguss-Stuckteilen aufgebaut sind, ist das Stoffwechselprogramm des Palais Epstein jedoch längst nicht erschöpft. Eine spezialisierte Handwerkskultur ermöglichte es, dass sich nahezu alle Materialien in alle verwandeln konnten: Holz in Marmor, Gips in Holz, Metall in Marmor und Holz in Metall. Hansen legte seinem Entwurf ein differenziertes Farb- und Formenkonzept zugrunde, sodass die farbig gefassten Holzteile der Türrahmen und -verkleidungen vielfach die gleichen Marmorierungen wie die Stuckdecken oder die in Stuccolustro oder Stuckmarmor gearbeitete Wandausstattung zeigen. Stuckmarmor ist gestaltbarer als echter Marmor, gemaltes Holz gestaltbarer als echtes. Stuccolustro und Stuckmarmor (der das teurere Verfahren der Steinimitation darstellte) treffen im Palais Epstein als gleichwertige Fertigungstechniken aufeinander. »Sicher ging es dabei auch um das Ethos des Handwerks«, mutmaßt Töpfer, »man wollte einfach zeigen, was man kann und dass man es kann«.

So viel Aufwand für den Schein? Eine prunkvolle Bühne für die Virtuosen der Täuschung? Der Moralbegriff der Moderne und das Dogma der Materialehrlichkeit, das auch die Architekturauffassung der mit dem Umbau beauftragten Architekten prägte, wiegen sichtlich noch schwer. Georg Töpfer hatte bei Hans Puchhammer an der TU Wien studiert und im Zuge der großen Loos-Ausstellung in der Albertina 1989 Bauaufnahmen von Loos-Gebäuden gemacht. Bei der Arbeit im Palais Epstein musste er deshalb erst über seinen Loos-Schatten springen, als er sich in dem polychromen Gesamtkunstwerk mit einer heute nicht mehr fasslichen Oberflächenopulenz konfrontiert sah. Die Gestaltungsfreiheit im Sinne einer orchestrierten räumlichen Gesamtwirkung war wohl auch zentrales Motiv für die Imitation von Materialien, die – weil nicht Produkte der Natur, sondern des hoch spezialisierten Kunsthandwerks – ein viel höheres Maß an chromatischer Perfektion ermöglichten. Obwohl die Bauindustrie des 19. Jhs. in vielen Musterbüchern ornamentale Katalogware bereithielt (die Hansen eher bespielte, als dass er sich ihrer bedient hätte), ist angesichts der Finanzkraft des Bauherrn Gustav Epstein der Spargedanke allenfalls hinsichtlich der relativ kurzen Bauzeit ein Argument.

Für Hansen war die Stimmigkeit der Raumoberflächen entscheidend, zudem galt es, konkrete historische Referenzen in die Gesamtkomposition zu integrieren. Für den Plafond des Speisezimmers hatte z. B. die römische Basilika San Lorenzo fuori le Mura als Vorlage gedient, und die farbig gefasste Decke des Spielzimmers ist ein wörtliches Zitat der Decke der venezianischen Renaissancekirche Santa Maria dei Miracoli. Von dieser Decke hatte Hansen auf einer Italienreise detailgetreue Bauaufnahmen angefertigt und in der »Allgemeinen Bauzeitung« veröffentlicht. 1 Die Integration historischer Vorlagen ins Gesamtkonzept des Neuen erscheint im Palais Epstein ebenso »natürlich« wie das Ineinandergreifen von Nachahmung und Erfindung in dessen Umsetzung. So als ob sich gerade in der möglichst getreuen Nachahmung eines Materials (einer realen Gesteins- oder Holzart, man wollte ja keine Werkstoffe »fantasieren«) und in der Anverwandlung von kanonisierter Architektur vergangener Epochen die spielerische Lust an der Imitation erfindungsreich entfalten konnte. In dieser hohen Kunst des »Als-ob« verlieren die heute gängigen Kategorien des Echten und Falschen rasch ihren Sinn.



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zuschnitt 32 Echt falsch

12. November 2005Walter Zschokke
Spectrum

Begehrte Lage, erneuerte Pracht

Keine theatralischen Kontraste von Alt und Neu, stattdessen das rechte Maß aus Nähe und subtiler Distanz: das erneuerte Palais Epstein, eine Arbeit der Wiener Architekten Georg Töpfer und Alexander van der Donk.

Keine theatralischen Kontraste von Alt und Neu, stattdessen das rechte Maß aus Nähe und subtiler Distanz: das erneuerte Palais Epstein, eine Arbeit der Wiener Architekten Georg Töpfer und Alexander van der Donk.

Das Grundstück galt als das teuerste an der Ringstraße, denn seine Position mit Blick auf die Hofburg und zwischen den Flächen, die für die Hofmuseen sowie für das Parlamentsgebäude vorgesehen waren, war prominent. Die ursprüngliche Absicht, an dieser Stelle das Adelscasino zu errichten, wurde aufgegeben, weil der Preis zu hoch war. In der Folge erwarb der geadelte Prager Industrielle und Bankier Gustav Epstein (1827 bis 1879) die prestigeträchtige Parzelle, um darauf ein Palais für sich und seine Familie zu errichten, in dessen Erdgeschoß seine Privatbank ihren Sitz haben sollte.

Mit dem Entwurf beauftragte er Theophil Hansen (1813 bis 1891), jenen Architekten, der bereits mit dem Heinrichhof (gegenüber der Oper, im Krieg zerstört), dem Palais Todesco (mit Ludwig Förster) sowie dem Palais für Erzherzog Wilhelm am Parkring hervorgetreten war, und dessen Musikverein-Gebäude sich 1868 gerade in Bau befand. Theophil Hansen, der an der Ringstraße noch das Parlament, die Börse und - hinter dem Schillerplatz - die Akademie der bildenden Künste errichten sollte, war einer der bekanntesten Architekten seiner Zeit. Er beherrschte mit seinem Atelier die Spielarten des Historismus ebenso wie die aktuelle Bautechnik, war aber auch in vornehmer Innenraumgestaltung versiert. Die Bauausführung oblag dem jungen Otto Wagner. Das Haus war 1871 fertig gestellt, die Inneneinrichtung zog sich zum Teil etwas länger hin.

Trotz dieser kumulierten Superlative konnte sich Epstein seines prächtigen Hauses nicht lange erfreuen. Der Börsenkrach von 1873 ruinierte seine Privatbank, er verlor das Vermögen und musste ausziehen. 1883 kaufte die englische Gasgesellschaft das Gebäude. 1902 gelangte es an den Staat, wurde Sitz des Verwaltungsgerichtshofs, später des Landesschulrats, in der Folge des Reichsbauamts Wien, danach der sowjetischen Kommandantur und von 1955 bis 2001 wieder des Stadtschulrats. In der Geschichte des Hauses spiegelt sich einiges an österreichischer Geschichte, was bei dieser begehrten Lage nicht verwundert.

Hansen hatte den Grundriss für das Palais gemäß damaliger Praxis äußerst rational organisiert. Die repräsentativen Räume liegen an der langen Front zum Ring, weitere Haupträume an den kürzeren Seiten zu Bellariastraße und Schmerlingplatz. In seiner Mitte befindet sich ein von Beginn an mit Glas überdeckter Hof, dessen Fassaden reichhaltig ausgestaltet sind. Zu beiden Seiten schließen Treppenhäuser an, wobei die prächtige Feststiege zur Linken bis in den zweiten Stock hinaufführt, während die halbkreisförmige Nebenstiege ins oberste Geschoß reicht. Um diesen Kern herum zieht sich ringförmig ein Erschließungsgang, von dem aus alle Zimmer bis auf jene an den beiden Ecken zugänglich sind.

Die Fassaden gliederte Hansen recht zurückhaltend und verzichtete auf Risalite, wie sie bei der Wende zum Neobarock beliebt wurden. Die Ecken sind bloß mit einer breiteren Fensterachse und verdoppelten Pilastern leicht hervorgehoben. Die Mittelachse wird nicht betont, nur über dem Eingang und den angrenzenden Fenstern springt ein von vier Karyatiden getragener Balkon vor, der im Piano nobile vom Tanzsaal her betreten werden kann. Interessant und von den üblichen Fassadengliederungen dieser Zeit abweichend ist die Gleichbehandlung von erstem und zweitem Geschoß, was offenbar damit zusammenhängt, dass das zweite Obergeschoß für Epsteins Kinder vorgesehen war. Das erklärt auch, warum die Feststiege bis dort hinaufführt. Jedenfalls wirkt die Fassade stark beruhigt, aber deswegen nicht weniger edel. Offenbar klassisch bürgerliches Understatement, die Prachtentfaltung findet im Inneren statt.

Über die Jahrzehnte wurde aber vieles übertüncht und demontiert, glücklicherweise fanden sich einzelne Teile dann auf dem Dachboden wieder. Eine eigene Frage wäre, wer mit welchem Kulturverständnis übertünchen ließ und wer die handwerklich und mechanisch anspruchsvollen Schiebetüren nicht einfach vernichten wollte. Und eine weitere, warum sich derartige Vorgänge an hochwertigen Bauwerken mit konstanter Regelmäßigkeit wiederholen.

1998 erfolgte der Präsidialbeschluss über die Nutzung als Abgeordnetenhaus. Die das Projekt leitende Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) schrieb 2002 einen internationalen Wettbewerb aus, den die Wiener Architekten Georg Töpfer und Alexander van der Donk gewannen. Ihr Konzept nützte die oben erläuterte rationale Struktur, die zwischen Feuermauer und Gang noch einen schmalen Dienstteil enthielt. Den Gang öffneten sie im Erdgeschoß in beide Richtungen: zur Anlieferung und als neuen Eingang an der Parlamentsseite. Den alten Dienstteil entfernten sie vollständig und vermochten hier auf engstem Raum die notwendigen Vertikalerschließungen wie Aufzüge, Nottreppe, Luft- und Installationsschächte sowie die Toiletten unterzubringen. Eine weitere starke Veränderung betraf das Dachgeschoß. Hinter der Blicke abschirmenden Firstbalustrade ist unter einem flachen Glasdach eine vielgliedrige Bürozone eingeschoben. Dachtragwerk und beschattende Lamellen sind geschickt integriert, sodass in der Gegenrichtung der Blick zum Himmel frei wird.

Als weitere Spezialität sind „Negativgaupen“ in die Dachfläche geschnitten. Sie erlauben den Ausblick auf Türme und Dächer der Innenstadt, sind aber von außen kaum bemerkbar. Ertrag dieser Bemühungen ist die weitgehend störungsfreie Bewahrung der hochwertigen historischen Substanz, die nach aufwendigen Analysen durch Spezialisten des Denkmalamts unter den später aufgetragenen Schichten, die in keiner Weise an die Qualität der ursprünglichen Oberflächen heranreichen, hervorgeholt und in behutsamer Handarbeit gesichert und aufgefrischt werden konnte. Gemalte Holzmaserung oder Stuckmarmor galten lange Zeit als „Fälschungen“ und wurden verächtlich gemacht. Heute ist das Verständnis dafür wieder gewachsen, und im Kontext lässt sich nun das Zusammenwirken von Farben, Mustern, Kunst- und Naturmaterialien zu einem Gesamtkunstwerk gut nachzuvollziehen.

Ein Blick auf die Lebensläufe der beiden in den frühen 1960er-Jahren geborenen Architekten - von praxisfernen Schreibern gern mit dem einsamen Komparativ „jünger“ bezeichnet - zeigt, dass sie nicht zuletzt erfahrene Berufsleute sind. Nach dem Studium an der von Persönlichkeiten wie Ernst Hiesmayr, Hans Puchhammer und Anton Schweighofer geprägten Technischen Universität Wien arbeiteten sie mehrere Jahre in anspruchsvollen Architekturbüros, sich das praktische Rüstzeug und die nötige Erfahrung aneignend. Deshalb mussten sie gegen den starken Bestand des Palais Epstein nicht verzweifelt ankämpfen, sondern fühlten sich in die denkmalpflegerische Arbeit ein, fanden bei neuen Elementen das richtige Maß für strukturelle Nähe und subtile Distanz und erzielten so die nachhaltigere Lösung der gestellten Aufgabe als mit theatralischen Gegensätzen, die sich abnützen und bald lächerlich wirken.

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