Details

Adresse
Würzburggasse 30, 1130 Wien, Österreich
Architektur
Roland Rainer
Bauherrschaft
Österreichischer Rundfunk
Tragwerksplanung
Ernst Armbruster
Planung
1968
Fertigstellung
1978

Presseschau

06. Oktober 2012Franziska Leeb
Spectrum

Geliebt? Ungeliebt? Ikone!

Der ORF will nun doch auf dem Wiener Küniglberg bleiben. Wie er mit seinem gebauten Erbe umgeht, ist noch nicht entschieden. Ein Diskussionsbeitrag zum Denkmalschutz.

Der ORF will nun doch auf dem Wiener Küniglberg bleiben. Wie er mit seinem gebauten Erbe umgeht, ist noch nicht entschieden. Ein Diskussionsbeitrag zum Denkmalschutz.

Zweimal wurde der ORF mit dem Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten ausgezeichnet. Zuerst 1973 für die von Gustav Peichl geplanten Landesstudios Linz, Salzburg, Innsbruck und Dornbirn, die vor einigen Jahren von Peichl selbst saniert wurden. Den drei Erstgenannten kam dabei die charakteristische Außenwandstruktur aus silbrig gestrichenen Betonfertigteilen unter einer weiß verputzten Wärmedämmung abhanden.

Die zweite Bauherrenehrung konnte der ORF 1975 entgegennehmen: Nicht für ein Gebäude, sondern für den Film „Gott schütze uns vor Otto Wagner“ von Jörg A. Eggers, der die Wertvorstellungen der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Architektur diskutierte. Damals protestierten Architekten gegen den drohenden Abriss von Wagners Stadtbahn-Pavillon am Karlsplatz. Jener in Hietzing wurde – weil als funktionsuntüchtig angesehen – abgerissen. „Noch ein Jahrzehnt, dann wird die gesamte öffentliche Meinung hinter diesen Bauten stehen, wie sie nach 1945 hinter jenen der Ringstraße stand. Dann wird die Stadtbahn geschätzt werden als das, was sie ist: neben der Ringstraße die bedeutendste städtebauliche Leistung Wiens“, prophezeite der Architekt Hermann Czech in den 1960er-Jahren.

Mittlerweile hat der ORF seinen Ruf als verdienter Bauherr aufs Spiel gesetzt, ausgerechnet im Umgang mit seinem Flaggschiff, dem ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg. Für Architekturexperten eine der Paradebauten der Nachkriegsmoderne, für Historiker eine der Signaturbauten der damals jungen Republik. Architekt Roland Rainer (1910–2004) hat den 1968–1976 errichteten Großbau in einer Fertigteilbauweise konzipiert, die ihm geeignet schien, „Wesen und Eigenart des Betriebes in seiner Mischung von kultureller und technischer Atmosphäre“ ablesbar zu machen. Ab den 1980er-Jahren folgten in mehreren Bauetappen ebenfalls von Rainer geplante Erweiterungen. Es entstand über die Jahre ein Konglomerat an unterschiedlichen Baukörpern, die sich zu einer großen Masse, der bekannten „Burg“, formieren. Studios, Büros, Hallen, Werkstätten etc. bilden in sich ein lebendiges Gefüge verschiedenartiger Funktionen. Es ist kein fescher Bau aus einem Guss, mit dem leicht der Geschmack einer Mehrheit zu befriedigen wäre. Bei aller Rationalität und trotz des enormen Volumens fiel das Ergebnis aber nicht pragmatisch plump aus, sondern dank Roland Rainers unbändigen Willens zur Qualität gelang eine plastisch durchgebildete architektonische Form, die ihre Konstruktion nicht verleugnet, sondern unverkleidet darlegt. „Verpackungsarchitektur“ war Rainer zuwider.

Diese drohte dem ORF-Zentrum schon ein Jahr nach Roland Rainers Tod angesichts anstehender Sanierungsmaßnahmen. Seither geisterten Absiedlungsszenarien durch die Medien. Die gute Lage der „Burg“ würde sich ja auch für ein Sanatorium oder Altersheim eignen, lautete eine der Nachnutzungsideen. Vom Aufbruch des ORF in eine neue Zukunft im Media Quarter St. Marx und vom sanierungsbedürftigen Millionengrab Küniglberg ist seither die Rede. Aktueller Stand ist, dass der ORF auf dem „Berg“ bleibt; wie er mit seinem architektonischen Erbe umgehen wird, ist nicht geklärt. Dass überhaupt eine Diskussion über eine adäquate Form der Sanierung öffentlich wurde, ist Jürgen Radatz, Rainers Mitarbeiter bei der letzten Bauetappe am ORF-Zentrum, zu danken. Angesichts einer 2005 erstellten Probefassade mit außen liegendem Vollwärmeschutz äußerte er begründete Bedenken, ob mit dem notwendigen Sachverstand für die Prinzipien von Rainers Architektur agiert würde. Gemeinsam mit Rainers Tochter, Architektin Eva Rubin, erarbeitete er ein Sanierungskonzept, das ohne Styroporverpackung auskommt und den Charakter des Gebäudes bewahrt.

Als im Eigentum einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft befindliches Bauwerk galt für das ORF-Zentrum der Denkmalschutz kraft gesetzlicher Vermutung, der mit der Novelle des Denkmalschutzgesetzes im Jahr 2000 endete, das dem Bundesdenkmalamt (BDA) die Möglichkeit gab, Objekte durch Verordnung unter Schutz zu stellen. Seit Februar 2007 gilt dies auch für den Rainer-Bau auf dem Küniglberg. Um einen endgültigen Bescheid zu erwirken oder die Denkmalwürdigkeit zu widerlegen, bedarf es eines Feststellungsverfahrens. Ein solches wurde 2009 unter Planungsstadtrat Schicker seitens der Stadt Wien beantragt. Bis zum noch nicht absehbaren Abschluss dieses Verfahrens steht der Bau rechtmäßig unter Denkmalschutz. Das BDA sei in die Entscheidung über alle bereits jetzt als notwendig erachteten Sanierungsschritte eingebunden, so Landeskonservator Friedrich Dahm und der zuständige Referent Oliver Schreiber, der ebenfalls betont, dass nur ein funktionierendes Gebäude ein gutes Denkmal sei. Der ORF funktioniere jedenfalls.

Die Diskussion über den Umgang mit Bauten der (Nachkriegs-)Moderne wird seit jeher mit hoher Expertise geführt. Jüngst präsentierte die Österreichische Gesellschaft für Architektur die verdienstvolle Publikation „Bestand der Moderne“, die auf einer gleichnamigen Fachtagung aufbaut. Der Band artikuliert die Spannungsfelder, die im Zusammenhang mit der Frage nach dem adäquaten Umgang mit dem modernen Erbe zutage treten, und stellt Referenzbauten vor. Der Schweizer Architekt und Autor Bruno Reichlin fordert als Voraussetzung für jede Umnutzung, Instandsetzung oder Restaurierung eines Gebäudes die Erstellung einer monografischen Studie. Die Zusammenarbeit von Architekten und Historikern sollte zur gängigen Praxis werden und so schließlich zu einem neuen Kenntnisstand verhelfen. Das ORF-Zentrum wäre ein Paradeprojekt für eine solche interdisziplinäre Analyse gewesen, die sich nicht auf Probleme bauphysikalischer oder statischer Natur beschränkt. Sie hätte die Basis für eine visionäre Weiterentwicklung eines ikonischen wie lebendigen Ensembles ebenso sein können wie eine Übung zur Stärkung der eigenen Identität. Denkmalschutz ist keine Bedrohung, sondern eine Herausforderung. Noch ist es nicht ganz zu spät.

18. April 2009Christian Kühn
Spectrum

Für immer wie gestern

Kein Zweifel: Das ORF-Zentrumauf dem Küniglberg ist ein wichtiges Bauwerk. Doch seine Nutzer möchten sich lieber heute als morgen von ihm trennen. Ist es damit zwangsläufig ein Fall für das Denkmalamt?

Kein Zweifel: Das ORF-Zentrumauf dem Küniglberg ist ein wichtiges Bauwerk. Doch seine Nutzer möchten sich lieber heute als morgen von ihm trennen. Ist es damit zwangsläufig ein Fall für das Denkmalamt?

Ob Barock, Jugendstil oder Nachkriegsmoderne: Wenn es hart auf hart geht, läuft die Debatte um den Denkmalschutz stets nach ähnlichen Mechanismen. Anlass ist ein Objekt, dessen Ablaufdatum aus rein wirtschaftlicher oder funktioneller Perspektive überschritten ist. Es ist kein Zufall, dass die Wurzeln des Denkmalschutzgedankens im nachrevolutionären Frankreich des späten 18. Jahrhunderts liegen. Wer den König geköpft und die Religion abgeschafft hat, muss Gründe dafür finden, die funktionslosen Paläste und Kirchen zu erhalten. Und so entstand zeitgleich mit den Verwüstungen, die die Revolution anrichtete, auch die Idee eines nationalen kulturellen Erbes, das es zu erhalten gilt, eine Idee, die sich nahtlos in die restaurativen politischen Bewegungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts einfügen ließ.

Während Bauwerke wie Versailles und Schönbrunn heute ohne jede Debatte als Teil dieses Erbes gelten und durch den Tourismus einen neuen – wenn auch oft über eine „Umwegrentabilität“ dargestellten – ökonomischen Wert erhalten haben, müssen für jüngere Objekte die Kriterien einer Erhaltung neu ausgehandelt werden. Die Besitzer der absehbar nutzlos werdenden Immobilie pochen auf ihr Recht auf zeitgemäße Lebens- oder Arbeitsbedingungen, die sich nur in einem Neubau erreichen ließen. Die Freunde des Alten bringen die Einzigartigkeit des Objekts, seine besondere Geschichte und das Ansehen seines Schöpfers ins Spiel. Während die eine Seite Studien vorlegt, die die enormen Kosten einer originalgetreuen Erhaltung belegen sollen, führt die andere gelungene Beispiele von Sanierungen ins Treffen, deren mühelose Übertragbarkeit auf den aktuellen Fall mit großer Inbrunst behauptet wird.

Im Moment läuft eine Debatte nach diesem Muster um das ORF-Zentrum am Küniglberg, im Westen Wiens unweit des Schlosses Schönbrunn gelegen und in den Jahren 1968 bis 1974 nach Plänen von Roland Rainer errichtet. Mit Schönbrunn hat das Gebäude jedenfalls die Dimension gemeinsam. Auf einer bebauten Fläche, die jener des Schlosses annähernd gleichkommt, umfasst das ORF-Zentrum 150.000 Quadratmeter Nutzfläche. Die Anlage ist dringend sanierungsbedürftig: Das Tragwerk erfüllt in keiner Weise die heutigen Normen, der Energieverbrauch ist mangels ausreichender Dämmung enorm, und auch organisatorisch entspricht das Gebäude nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen.

Im Zuge einer 1999 begonnenen Bestandsaufnahme aller im öffentlichen Eigentum stehenden Bauten Österreichs wurde die Gesamtanlage im Februar 2007 ohne besonderes öffentliches Aufsehen unter Schutz gestellt. Eine Überprüfung, Anfang dieses Jahres auf Antrag der Gemeinde Wien durchgeführt, hat diese Entscheidung bestätigt. Der Einspruch des ORF, der lieber eine neue, kleinere und effizientere Zentrale auf dem Areal des ehemaligen Schachthofs in St. Marx errichten möchte, wird wenig nützen: Die neue Präsidentin des Denkmalamts, Barbara Neubauer, lässt kaum Zweifel daran, dass die Unterschutzstellung aufrecht bleiben wird. Der ORF, dem im Fall einer Übersiedlung nach St. Marx eine denkmalgeschützte und für andere Zwecke kaum verwertbare Ruine auf dem Küniglberg zu erhalten bliebe, hat damit eine Sorge mehr.

Bei einer Diskussion, die das Architekturzentrum Wien aus diesem Anlass veranstaltete, hatten die Befürworter eines Verbleibs des ORF am Küniglberg, verbunden mit einer möglichst originalgetreuen Erhaltung, entsprechend Rückenwind. Das ORF-Zentrum sei Denkmal einer einzigartigen Aufbruchsstimmung der 1960er-Jahre und überhaupt gleichwertig mit dem Stephansdom und Schloss Schönbrunn. Keiner der Teilnehmer – unter anderem Gerd Bacher, Peter Huemer und Gustav Peichl – ließ sich durch die Frage irritieren, ob ein Gebäude dieses Typs, als Industriebau konzipiert und kostengünstig umgesetzt, nicht nach 35 Jahren auch in Würde sterben und Neuem Platz machen dürfe.

Es ist nämlich zu befürchten, dass sich die Unter-Schutz-Stellung des ORF-Zentrums als Pyrrhussieg für das Denkmalamt erweisen wird. Die Denkmalpflege hat – nachzulesen in Alois Riegls grundlegendem Aufsatz über den „Modernen Denkmalkultus“ aus dem Jahr 1903 – historischen Wert und Alterswert zu berücksichtigen. Der historische Wert besteht nach Riegl darin, dass ein Objekt „die individuelle Stufe der Entwicklung irgendeines Schaffensgebietes der Menschheit“ manifestiert. Er verführt dazu, bei der Erhaltung genau diesen historischen Moment in den Vordergrund zu rücken und einen „Originalzustand“ anzustreben. Der Alterswert lässt das Denkmal dagegen mit allen Gebrauchsspuren als Erzähler seiner eigenen Geschichte gelten. Für Riegl symbolisiert das gealterte Objekt nicht zuletzt die Rückeroberung des vom Menschen Geschaffenen durch die Natur und damit die Vergänglichkeit alles Menschenwerks.

Wer diese Werte ernst nimmt, muss in Kauf nehmen, dass ein als Denkmal saniertes ORF-Zentrum am Küniglberg aufwendiger zu betreiben, weniger praktisch und als Bauwerk der Jahre um 1970 weniger energieeffizient sein wird als heute üblich. Und er wird in Kauf nehmen müssen, dass es nicht nur die Aufbruchsstimmung der 1960er-Jahre repräsentieren wird, sondern auch die Spuren einer 40-jährigen Alterung und ihrer Reparatur, bis hin zu den statischen „Krücken“, die aufgrund geänderter Erdbebenvorschriften nötig werden. All das lässt sich im kleineren Maßstab und bei speziellen Nutzungen argumentieren und realisieren, aber kaum bei 150.000 Quadratmetern und einem unter massivem finanziellem Druck stehenden Nutzer. Der Kompromiss ist absehbar: Eine neu-alte Lösung, die den Geist des Bestands der Erfüllung aktueller Standards opfert. Bei Roland Rainers Böhler-Haus am Schillerplatz, das vor einigen Jahren saniert wurde, kann man das Ergebnis besichtigen. Auf Distanz erinnert die Fassade noch an Rainers Original, im Detail sind alle Feinheiten verloren gegangen, die in dieser Form nur eine Zeit zustande bringen konnte, für die der Energieverbrauch eines Hauses kein Thema war.

Dass Roland Rainer zu den bedeutendsten österreichischen Architekten des 20. Jahrhunderts gehört, steht außer Frage. Der Denkmalschutz für das ORF-Zentrum ist damit aber nicht zu begründen. Er selbst hat es nicht zu seinen wichtigsten Werken gezählt. Die vorgespannte Fertigteilkonstruktion ist mit dem jüngst sanierten Universitätsbau in Klagenfurt dokumentiert und im internationalen Vergleich mit zeitgenössischen Beispielen, etwa von Harry Seidler und Pier Luigi Nervi, wenig bemerkenswert. Was bleibt, ist ein Schlachtschiff am Berg, das an den historisch wichtigen Aufbruch der Ära Bacher erinnert. Diesen angemessen zu würdigen ist aber Aufgabe der Historiker und nicht des Denkmalamts. Dessen Ziel könnte nur Substanzerhalt sein in einem Fall, wo vom radikalen Umbau über die – der Konzeption der 1970er-Jahre durchaus konforme – Wiederverwendung von Fertigteilen bis zum Abriss alles möglich sein sollte.

13. Februar 2009Ute Woltron
Der Standard

Millionengrab Küniglberg

Das Feststellungsverfahren über den Denkmalschutz des ORF-Zentrums ist eingeleitet. Übersiedeln wird die Anstalt wohl dennoch. Ihr bleibt wenig anderes übrig.

Das Feststellungsverfahren über den Denkmalschutz des ORF-Zentrums ist eingeleitet. Übersiedeln wird die Anstalt wohl dennoch. Ihr bleibt wenig anderes übrig.

Die in den vergangenen Jahren von unterschiedlicher Seite immer wieder gestreute Meldung, das ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglberg stehe bereits unter Denkmalschutz, war falsch. Wie der Standard berichtete, wird ein entsprechendes Feststellungsverfahren für die letztgültige Unterschutzstellung des Roland-Rainer-Baus eben eingeleitet - und damit gilt die Unterschutzstellung ab sofort.

Der entsprechende Bescheid wird demnächst an den Grundstücks- und Immobilienbesitzer ORF gehen. Die Dauer des Verfahrens ist nicht absehbar, es kann sich gegebenenfalls um Jahre handeln. Denn: Der ORF hat nun erstmals offiziell die Möglichkeit, im Zuge des Verfahrens seinerseits Gutachten über Bauzustand und Benutzbarkeit des morschen Gemäuers vorzulegen - und weder das eine noch das andere entspricht zeitgemäßen Standards.

Die Einleitung des Verfahrens, das von der MA 19 initiiert wurde, macht Sinn und erklärt sich laut Planungsstadtrat Rudolf Schicker auf Anfrage des Standard folgendermaßen: „Wir brauchen Rechtssicherheit darüber, welche Möglichkeiten der Veränderung auf diesem Areal überhaupt gegeben sind.“

Die mit einer Bruttogeschoßfläche von 150.000 Quadratmetern nachgerade gigantische Anlage ist größtenteils rund 40 Jahre alt und bautechnologisch mehr als überholt. Und: Sie entspricht auch in Architektur und innerer Gebäudelogistik in keiner Weise einem zeitgenössischen Medienunternehmen. Die Burg am Berg hat ihre Lebenszeit bei weitem überschritten, so avanciert ihre Architektur zur Zeit ihrer Entstehung auch gewesen sein mag.

Eine Generalsanierung des Gebäudes würde an die 80 Millionen Euro verschlingen - eine Summe, die vom ORF auf Anfrage weder dementiert noch bestätigt wurde, die sich aber nach gängigen Indizes leicht errechnen lässt. Die dem Standard vorliegenden Studien dokumentieren jedenfalls eine Mängelliste, die schier endlos ist.

Sie beginnt beim Tragwerk, das aktuellen Normen nicht entspricht, weil die Auflager der tragenden Struktur nach heutigen Kriterien viel zu kurz dimensioniert sind. Das setzt sich fort bei einer Betondeckung von gerade einem Zentimeter, was über die Jahre die Bewehrungseisen formschön rosten, den Beton abplatzen ließ.

Rost und abplatzender Beton

Dabei wurde noch nicht einmal eingerechnet, dass die der EU-Norm angepasste Erdbebennorm im Falle einer Generalsanierung zu berücksichtigen wäre. Der Bereich Küniglberg wurde von Zone 1 auf Zone 3 gewertet, nachzuweisen wären also zumindest dreifache Horizontallasten - ein konstruktives Ding der Unmöglichkeit, soll das Gebäude in seiner baulichen Charakteristik dem Denkmalschutz entsprechend erhalten bleiben.

Weiters im Argen liegen Haustechnik und Wärmedämmung, Brandschutz sowie Belastbarkeit der Decken; und dass die Gebäudehülle an mehreren Stellen immer wieder Lecks aufweist, sollte ebenfalls noch Erwähnung finden.

Das Gutachten eines Schweizer Unternehmens empfahl bereits vor einiger Zeit, die Nutzlast sicherheitshalber auf zwei Kilonewton (entspricht etwa 204 Kilogramm) pro Quadratmeter zu reduzieren, was laut ORF aufgrund der logischerweise im Gebäude befindlichen Maschinerien und technischen Infrastrukturen eher schwierig werden dürfte. O-Ton einer ORF-Führungskraft: „In längstens fünf Jahren erreichen die Schäden eine kritische Größe, dann müssen wir bis zu den Grundfesten absichern, um die Substanz zu erhalten. Die Angelegenheit wird zu einem Fass ohne Boden und steuert in ökonomische Dimensionen, die nicht finanzierbar sind.“

Aus diesem Grund ist der ORF längst auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück, auf das mithilfe einer Errichtungsgesellschaft ein maßgeschneidertes Haus hingestellt und vom ORF gemietet werden könnte. Dieses wäre mit 80.000 Quadratmetern de facto nur noch halb so groß wie die Burg und würde pro Jahr allein an Betriebskosten rund drei Millionen Euro sparen.

Kleine Berechnung: Bei einem günstigen Zinssatz von fünf Prozent, auf 25 Jahre gerechnet, ließe sich mit dieser Differenz bereits die Errichtung des halben Gebäudes finanzieren. Fazit: Wenn der ORF nach betriebswirtschaftlichen Kriterien agiert - oder vielmehr, wenn ihn Politik und Stiftungsräte agieren lassen - siedelt er besser heute als morgen in eine adäquate Neubehausung um.

Von den 14 derzeit beäugten Grundstücken ist nach wie vor jenes im Bereich Baumgasse, St. Marx, das am probatesten erscheinende, nicht zuletzt weil die Stadt Wien dort einen Mediencluster plant und den ORF an diesem Standort als Flaggschiff mehr als begrüßen würde. Finanzstadträtin Renate Brauner äußerte sich unlängst sehr entgegenkommend zu einer Neuansiedlung: „Wir würden das sehr gerne unterstützen.“

Auch Stadtchef Michael Häupl hält einen Umzug des ORF in das „Media Quarter“ für „vernünftig“, und Rudolf Schicker rundet die stadtpolitisch traute Einigkeit folgendermaßen ab: „Um eine rasche Lösung zu ermöglichen, würden wir, was Widmung und Baubewilligung anlangt, deutlich hilfreich sein.“

Was aber geschieht mit der Burg am Berg? Ein denkbares, aber unangenehmes Szenario: Der ORF siedelt aus, engagiert einen Wachdienst und überlässt das Haus ansonsten seinem Schicksal. Die Umwidmung in ein Pensionistenheim schließt Schicker aus: „Der Bedarf ist bis 2030 gedeckt.“ Er kann sich jedoch eine Nutzung als Bürobau oder als Hotel vorstellen, merkt aber vorsichtig an, dass die Angelegenheit jedenfalls „schwierig wird“.

Gewinn kann der ORF aus der Latifundie kaum schlagen: Ein Abriss der Anlage würde fast so viel kosten, wie das Grundstück wert ist. Nur wenn eine neue Flächenwidmung eine hohe Verdichtung zuließe, bliebe bei einer Veräußerung ein- geringer - Gewinn übrig.

08. November 2006Wojciech Czaja
Der Standard

Den Küniglberg unter Denkmalschutz stellen

Bundesdenkmalamt will marodes ORF-Zentrum noch bis Jahresende zum Denkmal machen

Bundesdenkmalamt will marodes ORF-Zentrum noch bis Jahresende zum Denkmal machen

Der Beton des Roland-Rainer-Baus auf dem Küniglberg ist mit etlichen Rissen und Korrosion übersät. Bevor das gesamte Gebäude nun endgültig in wärmedämmendes Styropor eingepackt wird, will das Bundesdenkmalamt dem ORF-Zentrum noch bis Jahresende Denkmalschutz verordnen.

„Das Bundesdenkmalamt ist zu der Erkenntnis gekommen, dass es sich beim ORF-Zentrum um ein Denkmal der Nachkriegsmoderne handelt“, sagt Andreas Lehne vom Denkmalamt. Ende des Jahres werde daher eine Denkmalschutz-Verordnung vorliegen.

Solange der ORF gegen den neuen Status, der übrigens auch im Grundbuch aufscheinen wird, nicht beruft, gilt mit der Verordnung der Denkmalschutz. Alle baulichen Maßnahmen müssen dann die Instanz des Bundesdenkmalamtes durchlaufen.

Sträubt sich der ORF gegen sein verliehenes Prädikat, beginnt zwischen Denkmalamt und ORF ein Hickhack von Bescheiden und Befunden, das sich Jahre ziehen kann.

„Manche sind der Meinung, dass es sich bei diesem Gebäude um ein Denkmal der Moderne handelt, andere nicht“, sagt ORF-General Alexander Wrabetz dem Standard: „Klar ist, dass wir uns nicht in ein Museum verwandeln können.“ Der ORF berechnet noch Sanierung oder Neubau an anderem Standort, Ergebnisse folgen im ersten Quartal 2007.

Der ORF-Führung schrieb die IG Architektur: „Dieses bauliche Ensemble ist durch untransparente, kurzsichtige Entscheidungen im Zuge notwendiger Sanierungs- und Adaptionsarbeiten in akuter Gefahr.“ Montagabend lud die IG zur Debatte über den Küniglberg, auch Vertreter des ORF. Bloß kamen sie nicht. „Solange wir intern keine Entscheidung gefällt haben, macht es auch keinen Sinn, an solchen Diskussionen teilzunehmen“, sagt Wrabetz.

Epoche machen

Franz Kobermaier von der Magistratsabteilung für Architektur und Stadtgestaltung der Stadt Wien (MA 19) kann die hermetische Zurückhaltung des ORF nur bestätigen: „Bisher hat es seitens des ORF keine Ansuchen und keinen einzigen Kontakt mit der MA 19 gegeben.“ Ohne eine positive Zustimmung der Stadt Wien ist ein Bauvorhaben dieser Größe - zumindest in der Theorie - nicht durchführbar.

Man müsse die Architektur der Nachkriegsmoderne einfach nur zur Epoche erklären, sagt Eva Rubin, Rainer-Tochter und selbst langjährige Mitarbeiterin des Architektur-Doyens, damit wäre schon ein großer Schritt getan.

„Wieso gelingt es der Architektenschaft nicht, die historische Bedeutung dieser Bauwerke der Allgemeinheit deutlich zu machen?“, fragt die grüne Gemeinderätin Sabine Gretner: „Doch vor dem Prädikat Denkmalschutz fürchtet man sich in Österreich nur.“ Stattdessen setze der ORF derzeit so genannte Optimierungsspezialisten ein: „Wenn man sich jedoch verstellt, wie ein Optimierungsspezialist auf einen Denkmalschützer trifft, kann sich an einer Hand ausrechnen, wer als Gewinner hervorgehen wird.“

29. Oktober 2005Thomas Höhne
Der Standard

Architektur ohne Architekten?

Der ORF hat Probleme mit seinem Zentrum am Küniglberg. „Wir müssen wegen jeder Kleinigkeit die Tochter des Architekten Roland Rainer um Erlaubnis fragen,...

Der ORF hat Probleme mit seinem Zentrum am Küniglberg. „Wir müssen wegen jeder Kleinigkeit die Tochter des Architekten Roland Rainer um Erlaubnis fragen,...

Der ORF hat Probleme mit seinem Zentrum am Küniglberg. „Wir müssen wegen jeder Kleinigkeit die Tochter des Architekten Roland Rainer um Erlaubnis fragen, weil es ja ein Kunstwerk ist“, so der kaufmännische Direktor des ORF, Alexander Wrabetz. Hätte er eine neue Rundfunkstation aufzusperren, so Wrabetz im profil, würde er einen „billigen Industriearchitekten“ beauftragen, denn „damit spart man sich später eine Menge Zores“.

Wir sehen, wir haben es mit dem wichtigsten Mann der „größten Orgel des Landes“ (Gerd Bacher) zu tun. Öffentliche Auftraggeber lassen künftig nur mehr Plattenbauten errichten und sparen so eine Menge Geld. Die Verantwortung für die Kulturlandschaft Österreich überlassen wir überspannten Häuslbauern, die so viel Geld haben, um es Architekten in den Rachen zu werfen, die glauben, „Kunstwerke“ schaffen zu müssen.

Andere Wege geht die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Die ließ den Grazer Architekten Hohensinn in Leoben eine Haftanstalt bauen, bei der einem Alexander Wrabetz, denkt er an die Zukunft, das Grausen kommen müsste: Sie verdient nämlich in der Tat die Bezeichnung „Baukunst“.

Wird der Chef der BIG in zwanzig Jahren genauso stöhnen wie Wrabetz, wenn in Leoben die ersten Umbauten fällig werden?

Worum geht es? Ist der „billige Industriearchitekt“ die Lösung aller Probleme? Es geht ums Urheberrecht. Kein Verlag käme auf die Idee, ein Werk der Literatur, das sich nach 30 Jahren etwas verstaubt anfühlt, von einem jungen Autor modernisieren zu lassen. Da ist das Urheberrecht des Autors vor. In der Architektur ist das nicht anders. Architektur ist als Werk der bildenden Kunst urheberrechtlich geschützt. Alles, was ein Architekt entwirft? Nein, und insofern ist der Gedanke an den „billigen Industriearchitekten“ nicht so abwegig. Eine Lagerhalle, die nur funktionalen Anforderungen gehorcht und keinerlei individuelle Gestaltung, keine Handschrift des Planers erkennen lässt, ist kein „Werk im Sinn des Urheberrechts“ und daher auch nicht geschützt.

Es geht also um das Eigenartige, das Individuelle, das Werk, durch das die Persönlichkeit seines Schöpfers gewissermaßen durchschimmert. Genauso wenig wie jede Textzeile, jedes Gekritzel auf Papier ein Werk ist, ist auch nicht alles, was gebaut wird, urheberrechtlich geschützt. Allerdings muss Architektur nicht Kunst wollen, um geschützt zu sein - auch reine Zweckbauten können den Schutz des Urheberrechts genießen, wie etwa eine Fabrik. Diese kann „nach ihrer Gliederung, der Massenverteilung, überhaupt nach der Art, wie die wirtschaftlichen und betriebsmäßigen Aufgaben baulich gelöst sind, ein hervorragendes Kunstwerk sein“ - so schon das Oberlandesgericht Wien 1928. „Die architektonische Leistung muss jedenfalls über die Lösung einer fachgebundenen technischen Aufgabe durch Anwendung der einschlägigen technischen Lösungsmittel hinausgehen“ (Oberlandesgericht Karlsruhe 1985).

Deutsche Gerichte haben dementsprechend den Urheberrechtsschutz bejaht für ein Schwimmbad mit besonderem Zeltdach und individueller Raumaufteilung, die gelungene Anordnung eines Verwaltungsgebäudes, eine harmonisch in die Umgebung eingefügte Wohnanlage, die besondere Ausgestaltung einer Friedhofsmauer und eines Treppenhauses und schließlich die einfallsreiche und außergewöhnliche Kombination verschiedener Gestaltungselemente bei der WC-Anlage einer Autobahnraststätte.

Heißt „urheberrechtlich geschützt“ nun, dass der Eigentümer mit dem Bauwerk gar nichts anfangen darf? Es gehört ihm doch! Auch der Picasso, den Sie zu Hause hängen haben, gehört Ihnen - Sie dürfen ihn aber trotzdem weder bearbeiten noch vervielfältigen. Eigentum und Urheberrecht ist zweierlei.

Wer darf was?

Darf der Eigentümer also gar nichts? So ist es wiederum auch nicht, denn ein Bauwerk ist im Gegensatz zu anderen urheberrechtlichen Werken in hohem Maße zweckbestimmt und von den Interessen seines Eigentümers mitgeprägt. Allerdings sind schon nach dem Urheberrechtsgesetz Änderungen zulässig, „die der Urheber dem zur Benutzung des Werkes Berechtigten nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen nicht untersagen kann, namentlich Änderungen, die durch die Art oder den Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert werden.“ Dazu zählen nun sicherlich Eingriffe wegen baulicher Mängel, baupolizeiliche oder gewerberechtliche Auflagen oder die Behebung technischer Probleme.

Heikel wird es bereits bei Zweckänderungen, wie man am Beispiel der „Stadt des Kindes“ in Wien-Weidlingau sieht, die von Anton Schweighofer Anfang der 70er-Jahre errichtet wurde. Heute bringt man sozial gefährdete Kinder und Jugendliche nicht mehr an einem einzigen Ort konzentriert unter, sondern verteilt sie auf Wohngemeinschaften und Wohnungen. Die „Stadt des Kindes“ ist ein architekturgeschichtliches und sozialpolitisches Dokument. Wird die Gemeinde Wien als Eigentümerin nun zum Sklaven des Architekten?

Wenn man rechtzeitig an die möglichen Probleme denkt - nämlich vor Auftragserteilung - dann helfen gut durchdachte Verträge, in denen sich der Bauherr jene Rechte einräumen lässt, die er in den kommenden Jahrzehnten brauchen wird. Auch die Vereinbarung einer mit Experten besetzten Schiedskommission für den Streitfall ist denkbar. Wenn aber weder Vereinbarungen getroffen wurden noch das Wechselspiel von Respekt des Bauherren für die geistige Leistung des Architekten und Verständnis des Architekten für die - oft wirtschaftlich diktierten, siehe ORF - Interessen des Eigentümers nicht funktioniert, wird es für den Eigentümer eng.

Nur Mut, Herr Wrabetz!

Einen schikanösen Justament-Standpunkt wird der Architekt nicht durchbringen. Stehen aber mehrere Änderungsvarianten zur Diskussion, so wird der Eigentümer jene wählen müssen, die den Charakter des Bauwerks am ehesten erhält, mag sie auch kostspieliger sein.

Und so wollen wir Alexander Wrabetz Mut zusprechen, bei allem Verständnis für seine ökonomischen Nöte. Wir wissen es zu schätzen, dass der ORF seinerzeit Roland Rainer und nicht einen „billigen Industriearchitekten“ beauftragte. Und wir wissen es zu schätzen, wenn sich der ORF seiner Verantwortung als Eigentümer dieses wesentlichen Beispiels österreichischer Baukunst bewusst ist und dieses für die Allgemeinheit bewahrt.

[ Thomas Höhne ist Rechtsanwalt in Wien, Tätigkeitsschwerpunkte Urheberrecht. ]

29. Oktober 2005Pius Strobl
Der Standard

Den „Trutzburg“-Schützern trotzen!

Was tun mit dem Firmensitz des ORF? Den Rainer-Bau um teures Geld sanieren - oder raus aus der Burg und runter vom Berg? Zwei Meinungen im anhaltenden Streit um die Zukunft eines „Identifikationsobjekts“.

Was tun mit dem Firmensitz des ORF? Den Rainer-Bau um teures Geld sanieren - oder raus aus der Burg und runter vom Berg? Zwei Meinungen im anhaltenden Streit um die Zukunft eines „Identifikationsobjekts“.

Man hat es nicht leicht als Aufsichtsrat eines Unternehmens, wie der ORF eines ist - Kritik ist sowieso nicht erwünscht, auf Ratschläge legt kaum jemand Wert - und Meinungen abseits des (politisch gesteuerten) Mainstreams? Um Gottes Willen, Unruhe und öffentliche Debatten sind höchst unwillkommen.

„Der ORF möge sich angesichts seiner ökonomischen und strukturellen Probleme vom nur mit Millionenaufwand zu sanierenden Sende-und Produktionszentrum Küniglberg trennen“ war der Kern meiner Botschaft in dieser Zeitung vor ein paar Tagen. Und, ehrlich gesagt, ich war selbst erstaunt, wie viele Reaktionen dieser Artikel auslöste. Über 50 Postings auf derStandard.at, eine ganze Reihe von ORF-Mitarbeitern und -Mitarbeiterinnen äußern sich positiv, einige besorgt und abwartend und ganz bestimmte auffallend aufgeregt ablehnend.

Weil ich mir sicher bin, dass dieser mein Vorschlag diskussionswürdig ist, vermutlich mit eine Chance zu einem positiven Aufbruch in die ORF-Zukunft darstellt und gleichzeitig auch ein unübersehbares Signal der Wirtschaftlichkeit senden würde und vor allem alles andere als eine „billige Provokation“ (Copyright: ein „wichtiger“ ORF-Funktionär) sein sollte, nochmals ein paar, hoffentlich überzeugende Argumente:

Signale setzen

Der bis vor wenigen Jahren kerngesunde ORF muss in den kommenden drei Jahren mit einem Defizit zwischen 50 und 100 Millionen Euro rechnen (auch Resultat der gesetzlichen Beschränkungen und Verbote, mit denen der ORF aus Teilen des Werbemarktes gedrängt werden soll - ein „Dankeschön“ dafür ist an Schwarz-Blau zu richten). Einerseits dieses Defizit als größte Bedrohung von Programmoutput und -vielfalt; andererseits eine Sanierung der Außenhaut und Stahlkonstruktion des Küniglberg-Gebäudes um nochmals kolportierte 50 Millionen Euro - wirklich vernünftig?

Technologie, Produktionsbedingungen und auch Verwaltungen haben sich in den letzten 30 Jahren rasant verändert. Mögen beim Bau des Küniglbergs 105.000 Quadratmeter Nutzfläche gerechtfertigt gewesen sein - Experten sagen, dass bei einem Neubau auf der „grünen Wiese“ mit 50.000 oder 60.000 das Auslangen zu finden wäre. Ergebnis: viele Millionen Euro an eingesparten Betriebs- und Bewirtschaftungskosten allein durch die Flächenminderung.

Ist die „ORF-Trutzburg auf dem Berg“ tatsächlich immer noch das richtige Signal für die „im Tal“ wohnenden Kunden des ORF, die im Übrigen via Programmentgelt auch die horrenden laufenden Erhaltungskosten zu zahlen haben? Oder würde nicht die ORF-Ansiedelung mitten in der Stadt vor allem auch dem Image des Hauses gut tun? Manche ORFler, die künftig mit der U-Bahn und nicht wie jetzt mit dem Taxi ihre Dienstfahrten erledigen, würden ziemlich schnell wissen, was die „Menschen im Tal“ so interessiert, welche Probleme sie haben . . . Und jede Wette, dass diese neue „Kundennähe“ schnell im Programm sichtbar wäre.

Und zum von bestimmten Interessengruppen bewusst eingesetzten Totschlagargument des „Architekturdenkmals“ (vgl. Kommentar Seite 39): Wie „schützenswert“ ist ein Gebäude, welches nach kaum mehr als drei Jahrzehnten Nutzung zum Sicherheitsrisiko wird und bei dem auch nach der angedachten Substanzsanierung mit maximal nochmals 30-40 Jahren „Lebensdauer“ zu rechnen ist?

Der geniale Architekt Professor Roland Rainer selbst aber sprach immer nur von einer Nutzungsdauer des Küniglbergs von 30 bis 40 Jahren - nicht zuletzt, weil es aus Sicht des damaligen Bauherrn Gerd Bacher und seines Umsetzers Rainer selbstverständlich erschien, dass die technologische Entwicklung dann längst ein neues Gebäudekonzept für den ORF erforderlich machen würde.

Geplant Ende der Sechzigerjahre, gebaut Anfang der Siebzigerjahre unter Gerd Bacher, dem visionären Gründer-Geschäftsführer des Reform-ORF, war die hoch über Wien thronende Burg nicht nur Ausdruck des ORF-Monopols, sondern auch der „Stein“ gewordene Anblick der „allmächtigen und riesigen elektronischen Orgel des Landes“.

Im Wien der Twin-Towers und der Millenniums-City, dem T-Mobile-Gebäude und der Kagraner Platte lässt sich heute wohl nur mehr schwer vermitteln, wie einschüchternd und gleichzeitig faszinierend der „Küniglberg“ damals gewirkt haben muss. Vermutlich auch deshalb, weil die Zeit der „Allmächtigen“ ebenso vorbei ist, wie die der „gesellschaftlichen Einschüchterung“.

Im neuen Jahrtausend haben sich nicht nur die Position des ORF nach dem Wegfall des Monopols und die elektronischen Märkte grundlegend verändert. Heute gilt es, für die Fitness des ORF, für seinen langfristigen Bestand als unverzichtbares Informations- und Identitätsmedium dieses Landes und für ei- ne neue visionäre Zukunftsstrategie zu kämpfen.

Und genau aus diesen Überlegungen: Ist es nicht die zwingend logische historische Chance dieses so wertvollen Unternehmens (übrigens im Eigentum aller Österreicher/ innen), diesen Firmensitz insgesamt infrage zu stellen und samt seinem extrem sanierungsbedürftigen Hauptgebäude zu verkaufen?

Visionen haben

Der ORF würde damit nicht nur ein deutlich sichtbares (Spar-)Zeichen setzen und dringend erforderlichen Investitionsspielraum gewinnen, vor allem aber könnte das Haus seine Übersiedlung in neue Miet- oder Bauobjekte nach den in der Zukunft vorhandenen Bedürfnissen planen und gleichzeitig zu einer radikalen Bestandsaufnahme seiner Notwendigkeiten, Strukturen und strategischen Optionen nutzen. Am Ende dieses Prozesses stünde dann vermutlich ein bemerkenswert fittes, modernes Unternehmen an neuen Standorten.

Als Voraussetzungen sind klare strategische Konzepte samt der „Vision eines ORF der Zukunft“ zwingend angesagt. Die Aufgabenstellungen der Geschäftsführung liegen auf der Hand: „Wo steht der ORF in fünf und in zehn Jahren?“ und „Wie sehen zukunftsträchtige Strukturen eines bestandssicheren ORF aus?“. Und ich bin ganz sicher: Diese Unternehmenskonzepte sind nicht nur dringend erforderlich, sondern der Reform-Reform-ORF wird in ein paar Jahren anderswo „neu“ entstehen, oder es wird nichts mehr zum Reformieren geben.

[ Pius Strobl ist von den Grünen nominierter ORF-Stiftungsrat ]

13. September 2005Harald Fidler
Der Standard

ORF raus, Altersheim rein

Geschätzte 50 Millionen Euro für die Sanierung des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg möge die Anstalt sparen, sagt Pius Strobl. Der ORF-Stiftungsrat der...

Geschätzte 50 Millionen Euro für die Sanierung des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg möge die Anstalt sparen, sagt Pius Strobl. Der ORF-Stiftungsrat der...

Geschätzte 50 Millionen Euro für die Sanierung des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg möge die Anstalt sparen, sagt Pius Strobl. Der ORF-Stiftungsrat der Grünen sieht eine „historische“ Chance, den ORF und seinen Personalstand an heutige Anforderungen anzupassen.

„Visionär“ hätten Architekt Roland Rainer und Generalintendant Gerd Bacher das ORF-Zentrum Anfang der Siebzigerjahre angelegt: 30 Jahre Haltbarkeit garantierte Rainer. Länger passe ein Gebäude beim rasanten Wandel der elektronischen Medien ohnehin nicht. Die kostspielige Sanierung garantiert laut Gutachten nur weitere 40 Jahre.

Die Gelegenheit möge der ORF doch nützen, die Burg zu verkaufen. Notfalls für einen Euro. Oder sie der Stadt Wien zurückgeben, die dem ORF den Baugrund für wenig Geld überließ. Als Sanatorium oder Altersheim zum Beispiel, sinniert Strobl im Gespräch mit dem STANDARD. Die Lage sei ja nicht die schlechteste.

105.000 Quadratmeter habe die ORF-Burg in Wien-Hietzing. 40.000 bis 60.000 brauche sie höchstens, meint der langjährige ORF-Kenner. Das böte die „Riesenchance“ für das „größte Restrukturierungsprojekt Österreichs“. Strobls Devise: So viele Funktionen auslagern wie möglich. Der ORF brauche zum Beispiel keine eigenen Werkstätten für Studiodekorationen, keinen derartigen Verwaltungsapparat. Wenn Fluglinien ihre Ticketverrechnung nach Indien auslagerten, warum nicht der ORF ähnliche Funktionen?

Mehr als 4400 Mitarbeiter weist der ORF in seiner Konzernbilanz aus. 3000 reichten, meint Strobl, davon 2000 in der Wiener Zentrale. Zwei Drittel davon unmittelbar mit Programm beschäftigt, ein Drittel mit Verwaltung. Derzeit schätzt er das Verhältnis auf dem Küniglberg eher umgekehrt ein.

ORF-Direktor Alexander Wrabetz sind die Vorzüge des Auszugs „nicht auf den ersten Blick“ so klar wie Strobl. Wenngleich er durchaus eine „verlockende Chance“ darin sieht, dass sich „der ORF neu erfindet“. Beide Varianten - Sanierung oder ORF auf die grüne Wiese - würden aber gleichwertig geprüft.

Nicht wirklich nötig, findet indes der mächtige bürgerliche Zentralbetriebsratschef Heinz Fiedler. Er lehnt es rundweg ab, den Küniglberg zu verlassen. Die Burg auf dem Berg sei „Identifikationsobjekt“. Und ein Neubau bestimmt nicht billiger als die Sanierung ihrer „Außenhaut“.

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