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Presseschau

08. September 2007Isabella Marboe
Der Standard

Das Wohnzimmer im Garten

Am Ostufer der Traisen plante Roland Rainer seine letzte Gartenstadt. Die 160 Wohnungen überzeugen durch Gärten, Loggien und Terrassen. Ein Spaziergang durch eine Siedlung, in dem der Mensch den Ton angibt: grüne Wege, ruhiges Leben, Sonnenschein.

Am Ostufer der Traisen plante Roland Rainer seine letzte Gartenstadt. Die 160 Wohnungen überzeugen durch Gärten, Loggien und Terrassen. Ein Spaziergang durch eine Siedlung, in dem der Mensch den Ton angibt: grüne Wege, ruhiges Leben, Sonnenschein.

Roland Rainer glaubte daran, dass Architektur glücklich machen könne. Den Löwenanteil seines langen, erfüllten Berufslebens widmete er daher der Planung umsichtig angelegter Gartenstädte. Stets liegen die Reihenhäuser und Wohnungen an bepflanzten Wegen, haben sonnengeflutete Räume an Innenhöfen oder Gärten und bilden so ein Umfeld, in dem freundschaftliche Kontakte gedeihen können. Der Prototyp Linz Puchenau, erbaut und erweitert von 1962 bis 1995, schrieb Architekturgeschichte. Am Ostufer der Traisen plante Rainer dann seine letzte Gartenstadt. Sie setzt einen wohnlandschaftlichen Kontrapunkt zum gegenüberliegenden Regierungsviertel St. Pölten.

„Er hatte die Vision vom Wohnen unterm freien Himmel in einer lebensfreundlichen Umgebung, wo Kinder sorglos hinauslaufen können“, sagt Architektin Johanna Rainer, die mit dem Büro Wallner & Partner das Architekturvermächtnis ihres Vaters am Hochwasserdamm umsetzte. „Mit der Sonne zu leben - das ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Es ist das Natürlichste der Welt, sich nach ihr zu richten.“ Damit sie möglichst lang Aufenthaltsräume der 38 Wohnungen und 122 Maisonetten durchströmt, ist jede einzelne südost- und südwestorientiert. Das hält auch den Wind von der Traisen ab.

Organisch schmiegt sich die erste Maisonettenreihe in einem sachten Bogen hinter lärchenhölzernen Mauern ans Gelände. Wohnräume und Gärten wenden sich der Sonne zu, Eingänge und Küchen liegen an den Wegen, damit man durchs offene Fenster plaudern kann und die ankommenden Besucher im Blickfeld hat. „Ich bin ein Licht- und Sonnenmensch, und hier ist es immer hell“, sagt die kunstsinnige Bewohnerin einer Eck-Maisonette, „das Umfeld ist wichtig für meine Kreativität. Hier hab ich das Gefühl, jeden Tag auf Urlaub zu sein.“ Wenige, ausgesuchte Möbel stehen am Eichenparkett ihres loftartigen Wohnraums, davor liegt die verglaste Loggia, davor eine gedeckte Terrasse. Besonders schätzt sie den Blick auf den Klangturm vis-à-vis.

Dauerblick ins Grüne

Oleander und Hibiskus säumen den Weg, dahinter formieren sich aufeinandergestapelte Maisonetten zu disziplinierten Zeilen. Die quergestellten, dreistöckigen Reihen bilden grüne Höfe. Die Zufahrten zu den taghellen Garagen - sie befinden sich unter dem vierstöckigen Riegel und dem plastisch gegliederten Kopfbau - liegen direkt an der Defreggerstraße. Ab und zu blitzt ein schwarzer, beinahe gänzlich verglaster Stiegenturm hervor.

„Die Lage ist perfekt“, sagt die Bewohnerin einer Gartenwohnung, „früher mussten wir mittags das Licht aufdrehen, hier scheint bis neun Uhr abends die Sonne herein.“ Ruhig spielen ihre zwei Töchter auf der Terrasse vor der Wohnküche. Am Rande blühen prachtvolle Rosen, selbst gezüchtete Zucchini und Tomaten - mit einem Wort ein kleines Paradies. „Ich wollte mein Leben lang ein Haus mit Garten“, sagt die Dame. Sorgsam studierte sie daher die Pläne, wählte ihre Wohnung nach Südlage und Gartengröße aus und bezog schließlich mit ihrem Mann die neue Bleibe.

Heute ergießt sich vor ihrer Wohnzimmerterrasse ein duftender Blütenregen, Bohnen-stauden ranken sich an der Wand zum Nachbarn hoch. „Wir leben einen großen Teil der Zeit draußen. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, anders zu wohnen.“

31. März 2001Ute Woltron
Der Standard

Private Grünräume an der Traisen

Niederösterreichs Landeshauptstadt Sankt Pölten bekommt von Roland Rainer eine Wohnsiedlung à la Puchenau bei Linz.

Niederösterreichs Landeshauptstadt Sankt Pölten bekommt von Roland Rainer eine Wohnsiedlung à la Puchenau bei Linz.

Wien - Der Wiener Architekt Roland Rainer ist ein streitbarer Kämpfer für das Recht auf Privatheit, nicht nur für die eigenen vier Wände der Bewohner seiner Architekturen, sondern vor allem auch in den rund um das eigentliche Haus unter freiem Himmel gelegenen Zonen des Wohnens, also den Gärten und begrünten Innenhöfen.

Während in den vergangenen Jahrzehnten allerorten Einfamilienhausteppiche unter großem Platz- und Kommunalkostenverschleiß die Landschaft zu bedecken begannen und die Privatheit auf immer kleineren Häuslbauer-Parzellen quasi in die öffentliche Zur-Schau-Stellung der Vorgärtchen mündete, bewies Rainer mit seinen Gartensiedlungen wiederholt, dass der verdichtete Flachbau, so er klug geplant und angewandt wird, die wohnlicheren, besseren Resultate erzielen kann.

Die bekannteste Siedlung des einflussreichen Wiener Architekten befindet sich mit Puchenau in Linz. Ein ähnliches Konzept wird nun, veranlasst vom Land Niederösterreich, auch in St. Pölten verwirklicht. Auf einem rund 22.000 Quadratmeter großen Grundstück am Ostufer der Traisen entstehen 201 Wohneinheiten, die Bauträger stehen zur Zeit noch nicht fest, demzufolge weiß man auch noch nicht, ob es sich später um Eigentums- oder Mietobjekte handeln wird.

Den Bewohnern der neuen Siedlung werden vier Typen zur Verfügung stehen: Zweigeschossige Einfamilienhäuser, Maisonetten, Gar¸connieren sowie übereinanderliegende Maisonetten, alle zwischen 42 und 82 Quadratmeter groß - beziehungsweise relativ klein, doch wird angeboten, übereinander liegende Wohnungen miteinander zu verbinden, was auf Wunsch ohne besonderen Aufwand geräumigere Residenzen schaffen würde.

Jede Wohnung verfügt über einen von umliegenden Mauern streng privatisierten Frei-und Grünbereich, der sich entweder erdgeschossig oder auf einer Terrasse befindet. Diese geschickte Verflechtung von drinnen und draußen - eine der wichtigsten Qualitäten intelligenten Wohnbaus - kann als eine der Keimzellen Rainerscher Wohn-Architektur bezeichnet werden. Denn was nutzt dem Standardhäuslbauer sein frisierter Grünraum, wenn der aus allen Richtungen eingesehen werden kann.

Roland Rainer meint, es gäbe „in den offen bebauten Gebieten keine Privatheit, zwischen den Drahtzäunen keine geschützten Gärten und Höfe, wie man sie in alten Städten auf kleinem Raum mit bescheidenen Mitteln immer noch findet“. So ähnlich wie diese alten Stadtteile funktioniert haben, funktioniert auch die St. Pöltener Siedlung. Der Architekt gibt den Bewohnern die Straßen und Wege wieder zurück, der Autoverkehr wird am nördlichen sowie südlichen Ende der Siedlung abgefangen, in Garagen geleitet und solchermaßen ausgesperrt, was ein angenehmes, ruhiges und familiäres Kleinbiotop mitten in der Stadt schafft. Zwischen den Wohnhäusern liegen lose eingestreut Spielplätze und öffentliche Grünzonen.

Es werde hier der Versuch unternommen, so Rainer, ein verständliches Modell neuer, progressiver Gedanken für den Wohnungsbau zu entwickeln und zu erproben. Die ersten Experimente, wie besagtes Puchenau in Linz, gingen voll auf: Die Häuser dieser Gartensiedlung werden heute zu großem Teil schon von den Nachfolgegenerationen gerne bewohnt.

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