Teilnehmer

Presseschau

11. März 2017Tobias Hagleitner
OÖNachrichten

Die besten Reparaturen

Daidalos: Eine 30er-Jahre-Villa in Linz, ein Dreiseithof bei Kematen und die ehemaligen Pferdeställe im Steyrer Schloss Lamberg wurden nominiert.

Daidalos: Eine 30er-Jahre-Villa in Linz, ein Dreiseithof bei Kematen und die ehemaligen Pferdeställe im Steyrer Schloss Lamberg wurden nominiert.

Rund 70 Projekte wurden beim oberösterreichischen Architekturpreis Daidalos eingereicht. Eine Mehrheit der Projekte bewarb sich um den Sonderpreis „Gelungene Reparatur“. Eingereicht werden konnten Revitalisierungen, Sanierungen, Ergänzungs- und Erweiterungsbauten.

Die architektonischen Updates sollten Altbestand auf sinnvolle, ökonomisch und ökologisch intelligente Weise erneuern. Das rege Interesse zeigt, wie wichtig die Hinwendung des Bau- und Förderwesens zum Erhalt des vorhandenen Raums wäre.

In Hinblick auf die Klimaziele ist es meist sinnvoller, vorhandene Masse zu optimieren und weiter zu nutzen, statt mit großem Energie- und Rohstoffaufwand neu zu bauen. Die emotionale Komponente kommt hinzu: Alte Häuser, bestehende Straßenzüge, historische Städte werden geliebt. Sie erzählen Geschichte, sind mit Erinnerungen und Erlebnissen verbunden, sie sind ein Teil von uns.

Feingefühl für diese Qualitäten, die es im Neubau so nicht gibt, zeigte sich besonders anhand zahlreicher Höfe, die für Wohnen oder Gewerbe adaptiert wurden, oder bei Gebäuden, die mitten in Dorf und in der Stadt ihren angestammten Platz haben und durch einen Umbau zu neuem Leben erweckt wurden.

Folgende Objekte wurden für den Sonderpreis nominiert:

Ambiente halten: Hoch über Enns- und Steyrfluss prägt Schloss Lamberg das Stadtbild von Steyr. Im Südwesttrakt der Anlage labten sich einst die Pferde an der Tränke. Seit der Sanierung durch Hertl.Architekten finden in den Räumlichkeiten Hochzeiten und Feste statt. In enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt entstanden zwei elegante Speisesäle und eine Bar mit Cateringküche. Sie genügen modernsten Ansprüchen und erhalten doch das barocke Ambiente in der 300 Jahre alten Raumhülle.

04. März 2017Tobias Hagleitner
OÖNachrichten

Die besten Freiräume

Architekturpreis Daidalos: Die Jury nominierte ein Kunstprojekt auf dem Eferdinger Stadtplatz, einen Ortsplatz mit Flugdach und eine Lokalbahnstation im Innviertel.

Architekturpreis Daidalos: Die Jury nominierte ein Kunstprojekt auf dem Eferdinger Stadtplatz, einen Ortsplatz mit Flugdach und eine Lokalbahnstation im Innviertel.

Rund 70 Projekte wurden beim oberösterreichischen Architekturpreis Daidalos eingereicht. In der Kategorie „Freundlicher Freiraum“ waren Maßnahmen im Ortskern und Außenraumgestaltungen gefragt, aber auch Bauten, die ein Ensemble oder einen Straßenzug aufwerten und damit zur positiven Entfaltung der Gemeinde beitragen.

Dass sich nur ein Fünftel aller Beiträge um den Preis in dieser Sparte bewarb, unterstreicht ein Problem: Fachlich versierte Freiraumplanung ist zu wenig gefragt. Es fehlen Geld und Engagement, um öffentlichen Raum anspruchsvoll zu gestalten. Die Dominanz des Autoverkehrs tut ein Übriges. Restflächen ohne Qualität bestimmen das Bild in der Stadt und auf dem Land.

Dass durchaus Potenzial vorhanden wäre, zeigte sich bei den Einreichungen. Es gab Beispiele für Freiraumplanung im privaten wie öffentlichen Wohnbau und kommunale Bauten, die interessante Plätze oder Zentren bilden. Vor allem von jüngeren Teilnehmern wurden die sozialen Aspekte im öffentlichen Raum in den Vordergrund gerückt: Landschaft und Stadt gemeinsam gestalten, bearbeiten, verändern – das war das Motto dieser Projekte. Im Folgenden präsentieren wir die drei Nominierten.

Dach als Dorfmitte

Die Innviertler Gemeinde Handenberg liegt auf einem Hügel, der von Kirche und Friedhof markant besetzt ist. Nach einem Abbruch sollte der Ortsplatz neu gestaltet werden. Heidl Architekten und Landschaftsarchitektin Barbara Bacher gewannen den von Bürgerschaft und Gemeinde sorgfältig vorbereiteten Wettbewerb.

Sitzgelegenheiten und die frei auskragende Betonkonstruktion des Flugdachs wurden mit Teich, Friedhof und Nachbarhäusern zu einer attraktiven Ortsmitte arrangiert. Sorgsam konzipierte Weg- und Blickachsen schaffen neue Aufenthaltsqualität. Der Straßenverkehr konnte verlangsamt werden.

Mit dem weit auskragenden Dach, aus einem Guss betoniert, ist eine architektonisch hochwertig gearbeitete Nutz-Skulptur entstanden. Sie schützt 80 Quadratmeter Platzfläche vor Sonne und Regen und dient als Treffpunkt und Begegnungszone. Vorbildlich findet die Jury besonders den transparenten Planungsprozess mit 1:1-Umsetzung des Wettbewerbs.
Haltestelle als Platz

Durch die Verlängerung der Salzburger Lokalbahn erhielt Ostermiething im äußersten Westen Oberösterreichs vor zwei Jahren direkten Anschluss ans Schienennetz. Das bot eine einmalige Chance für den Ausbau der örtlichen Infrastruktur. Architekt Udo Heinrich wusste sie zu nutzen.

Der Bahnsteig, die eigentliche Kernfunktion, ist nur ein Teil des vielschichtig überlegten Gesamtentwurfs, bei dem Details so genau formuliert sind wie die landschaftliche Einbettung, innere Abläufe so sehr wie die äußere Erscheinung. Warteraum, WC, Bäcker-Kiosk, Personal- und Technikraum sind als kleine Hauskuben ausgebildet. Sie tragen die dünne, durchgehende Dachplatte. Dazwischen ergeben sich attraktive Aufenthaltsbereiche.

Eine große Ausnehmung in der Decke lässt eine Platane hindurchwachsen. Sie schützt den „Sommerwarteraum“ darunter. Inmitten der Unordnung aus Gewerbe- und Wohnbebauung bildet der Bahnhof in seiner gestalterischen Präzision einen Ruhepol. Er kann zum Kristallisationspunkt einer vernünftigen städtebaulichen Entwicklung in den wenig definierten Randlagen der Gemeinde werden.

Kunst als Impuls

Das Alltägliche neu entdecken und damit ungewohnte Perspektiven auf die Stadt zu eröffnen, war das Ziel von collective ika, Margit Greinöcker und Architekt Christoph Weidinger. Im Rahmen des Festivals der Regionen in Eferding 2013 holte das Team Versatzstücke aus dem Umland, um ihnen auf dem Stadtplatz eine neue Funktion zu geben. Ein Silo wurde zum Aussichtsturm, ein Stadel zur Bühne, unter dem Folientunnel fanden Bar und Infopunkt des Festivals Platz. Für kurze Zeit wurde der Verkehr zurückgedrängt, ein lebendig genutzter Stadtraum entfaltete sich, es wurde gefeiert und diskutiert.

Die Intervention ermöglichte nach Ansicht der Jury ein Erlebnis von Stadt, wie sie im Idealfall sein könnte. Auf diese Weise lieferte die temporäre Maßnahme Impulse, Materialien und Ideen für die weitere Entwicklung.

Daidalos 2017

Der oberösterreichische Architekturpreis Daidalos wird heuer zum dritten Mal von den OÖNachrichten und ihren Partnern vergeben – in den Kategorien „Mutiges Experiment“ (Bauwerke) und „Freundlicher Freiraum“ (Ortsentwicklung). Sonderpreis: „Gelungene Reparatur“ (Sanierung). Die Gala findet am 23. März in der Tabakfabrik Linz statt. Dann wird man wissen, welche drei Projekte gewonnen haben.

25. Februar 2017Tobias Hagleitner
OÖNachrichten

Die besten Experimente

Architekturpreis Daidalos: Die Jury nominierte ein strohgedämmtes Haus in den Bäumen, ein Bauwerk ganz aus Holz und ein Industrieareal mitten in der Stadt.

Architekturpreis Daidalos: Die Jury nominierte ein strohgedämmtes Haus in den Bäumen, ein Bauwerk ganz aus Holz und ein Industrieareal mitten in der Stadt.

Rund 70 Projekte wurden beim oberösterreichischen Architekturpreis Daidalos eingereicht. In der Kategorie „Mutiges Experiment“ waren Gebäude gefragt, die wie ein Versuch in der Wissenschaft sind: Bauten, die neue Kenntnisse liefern, eine Theorie oder ein Produkt erproben, Baukultur voranbringen.

Gut ein Viertel der Projekte wollte nach diesen Kriterien beurteilt werden. Das Spektrum reichte von Produktionsbetrieben über Wohn- und Bildungsbauten bis hin zu Shops oder Interventionen im Privatbereich. Der Wunschtraum der Jury, gänzlich neue Ansätze der Planung oder innovative Wohnmodelle kennenzulernen, erfüllte sich nicht.

Bereitschaft zum Experiment und Unerschrockenheit zeigten sich dennoch in raffinierten Konstruktionen, ökologischen Gebäudekonzepten oder in der Konsequenz, mit der architektonische Ideen über Jahre verfolgt und ausgebaut werden.

Nicht jedes der Projekte zeichnete sich durch besonderen „Mut“ im engeren Sinn aus. Gemeinsam ist ihnen aber das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Bauherrschaft und Architekt. Das ist Grundbedingung für Architektur. Nur so können gute und manchmal hervorragende Bauten entstehen.

Im Folgenden präsentieren wir die drei Nominierten der Kategorie „Mutiges Experiment“.

Auffällig war die hohe Beteiligung junger Teams, die auf hohem Niveau arbeiten und deshalb auch in allen drei Sparten Nominierungen ergatterten. Eines davon ist das Architekturbüro mia2/ARCHITEKTUR, dessen „Baumhaus“ in Steyr nominiert ist.

Rund 70 Projekte wurden beim oberösterreichischen Architekturpreis Daidalos eingereicht. In der Kategorie „Mutiges Experiment“ waren Gebäude gefragt, die wie ein Versuch in der Wissenschaft sind: Bauten, die neue Kenntnisse liefern, eine Theorie oder ein Produkt erproben, Baukultur voranbringen.

Gut ein Viertel der Projekte wollte nach diesen Kriterien beurteilt werden. Das Spektrum reichte von Produktionsbetrieben über Wohn- und Bildungsbauten bis hin zu Shops oder Interventionen im Privatbereich. Der Wunschtraum der Jury, gänzlich neue Ansätze der Planung oder innovative Wohnmodelle kennenzulernen, erfüllte sich nicht.

Bereitschaft zum Experiment und Unerschrockenheit zeigten sich dennoch in raffinierten Konstruktionen, ökologischen Gebäudekonzepten oder in der Konsequenz, mit der architektonische Ideen über Jahre verfolgt und ausgebaut werden.

Nicht jedes der Projekte zeichnete sich durch besonderen „Mut“ im engeren Sinn aus. Gemeinsam ist ihnen aber das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Bauherrschaft und Architekt. Das ist Grundbedingung für Architektur. Nur so können gute und manchmal hervorragende Bauten entstehen.

Im Folgenden präsentieren wir die drei Nominierten der Kategorie „Mutiges Experiment“.

Auffällig war die hohe Beteiligung junger Teams, die auf hohem Niveau arbeiten und deshalb auch in allen drei Sparten Nominierungen ergatterten. Eines davon ist das Architekturbüro mia2/ARCHITEKTUR, dessen „Baumhaus“ in Steyr nominiert ist.

Das Entwickeln der städtischen Struktur, die Atmosphäre innen wie rundherum, scheinen das gemeinsame Anliegen von Geschäftsführung und Architekten zu sein. Die Backsteingebäude aus dem Jahr 1900 werden überlagert, verbunden und ergänzt von schlichten, hochenergieeffizienten Baukörpern.

Zentrale Wandbereiche und Fassaden sind mit mehr als 300 heimischen Pflanzen in üppiges Grün getaucht. Die gemeinsam mit Patrick Blanc entwickelten vertikalen Gärten gehören zu den ersten in Österreich und schaffen ein natürliches Flair und angenehme Erholungsräume inmitten der Produktions- und Verwaltungsbauten in Wels.

Daidalos:
Der oberösterreichische Architekturpreis Daidalos wird heuer zum dritten Mal von den OÖNachrichten und ihren Partnern vergeben – in den Kategorien „Mutiges Experiment“ (Bauwerke) und „Freundlicher Freiraum“ (Ortsentwicklung). Sonderpreis: „Gelungene Reparatur“ (Sanierung). Die Gala findet am 23. März in der Tabakfabrik Linz statt. Dann wird man wissen, welche drei Projekte gewonnen haben.

26. November 2016Tobias Hagleitner
OÖNachrichten

Mehr Freiräume schaffen

Der gemeinsame Raum entscheidet über die Qualität des öffentlichen Lebens.

Der gemeinsame Raum entscheidet über die Qualität des öffentlichen Lebens.

Wenn über Architektur geredet wird, steht meist das einzelne Objekt im Mittelpunkt, das schicke Wohnhaus, der prächtige Kulturbau, der stolze Büroturm. Dabei ist das alles halb so wichtig. Entscheidend ist der räumliche Zusammenhang.

Mit „Freundlicher Freiraum“ hebt der Daidalos deshalb jene unterschätzte und oft vernachlässigte Kategorie des Planens und Bauens hervor, die sich um den Raum dazwischen kümmert. Es geht um Projekte zur Ortskernbelebung, um Platz- oder Parkgestaltungen, die die Entwicklung eines Ortes prägen und zum Besseren verändern.

Wichtig für Groß und Klein

Gefragt sind zudem Gebäude, die interessante Außenräume schaffen, die den Straßenraum angenehmer machen oder attraktive Höfe und Gärten bilden. Mit dem Wörtchen „frei“ ist die wichtigste Qualität bereits auf den Punkt gebracht: Ein freundlicher Frei-Raum ist einer, der zulässt statt verbietet, der ermöglicht statt verhindert, ein Raum, in dem nicht jede Nutzung peinlich definiert und reguliert ist. Freiraum ist dort, wo noch Platz ist für eigene Ideen und kreatives Handeln, für ein bisschen Spaß.

Das Problem: Echte Freiräume sind vom Aussterben bedroht. Die offene Wiese, die Brachfläche, das Waldstück, die leer stehende Fabrik – vor allem Kindern und Jugendlichen fehlen diese Biotope. Gerade so, wie Öko-Nischen für seltene Tiere und Pflanzen auf künstliche Weise möglichst naturnah rekonstruiert werden, müssen die notwendigen Lebensräume für den menschlichen Nachwuchs wiederhergestellt werden. Statt Freiheit gibt es meist nur einen umzäunten Rasen, drei traurige Birken, Schaukel, Rutsche, Sandquadrat. Dabei müsste sympathischer Freiraum als Ausgleich in dichten Wohngebieten selbstverständlich sein.

Der Daidalos will positive Beispiele aus Oberösterreich bekannt machen (im Bild eins aus Vorarlberg: der Jugendplatz „Habedere!“ in Lustenau).

Nicht nur Heranwachsende brauchen guten öffentlichen Raum, um sich wohlzufühlen. Auch die Großen haben ein Recht darauf. Die Plätze einer Stadt, die Parks und Märkte, die Ortskerne der Dörfer sind gesellschaftliche Schnittstellen. Keine Social Media Plattform wird das so schnell ersetzen können. In diesen Räumen sieht man sich und tauscht sich aus, unterschiedliche Gruppen treffen aufeinander, es kommt auch zu Reibung und Konflikten.

Architektur kann und soll das nicht verhindern, aber sie kann dafür sorgen, dass Begegnung überhaupt stattfindet. Sie kann mit freundlicher Atmosphäre zum positiven Lebensgefühl beitragen. Sie kann einem Ort und seinen Bewohnern Aufgeschlossenheit und Freiheit vermitteln.

Belebende Impulse

Ob sich der öffentliche Raum freundlich und frei anfühlt, das liegt nicht zuletzt am Umgang mit dem Verkehr. Dass ein Ort zu neuem Leben erwachen kann, wenn die Autos erst einmal verbannt sind, lässt sich an vielen Beispielen hierzulande und weltweit beobachten (besonders imposant in Seoul, wo eine Stadtautobahn rückgebaut und in einen Park verwandelt wurde).

Umgekehrt gibt es gerade in Oberösterreich das Problem der Verödung von Gemeinden, die durch Umfahrungsstraßen und Fachmarktkorridore vom Handelsstrom abgeschnitten werden und dann mangels Frequenz ihren Kern und ihre historische Bedeutung verlieren. Gerade in diesen Orten und zerstreuten Siedlungen ist der bewusste Umgang mit dem öffentlichen Raum besonders wichtig. Professionelle Gestaltung kann die nötigen Impulse zur Wiederbelebung bringen.

Manchmal fehlen die Mittel, um eine Verbesserung dauerhaft herzustellen. Stattdessen wird mit einer temporären Maßnahme der erwünschte Zustand erprobt. Solche Architekturprojekte auf Zeit können ebenfalls eingereicht werden.

12. November 2016Tobias Hagleitner
OÖNachrichten

Mehr Mut zum Experiment

Architekturpreis Daidalos: Verantwortung und Risikomanagement gehören zum Bauen. Gute Architektur braucht aber auch ein Quantum Courage.

Architekturpreis Daidalos: Verantwortung und Risikomanagement gehören zum Bauen. Gute Architektur braucht aber auch ein Quantum Courage.

„Experiment“ in der Architektur? Futuristische Formen oder High-Tech-Wohnmaschinen kommen in den Sinn. Die Kategorie „Mutiges Experiment“ beim OÖN-Architekturpreis Daidalos meint mehr: Bauwerke, die so sind wie Experimente der Wissenschaft. Gebäude als Versuchsanordnungen, um neue Kenntnisse zu gewinnen, um eine Theorie oder ein Produkt zu erproben, um die Entwicklung von Kultur und Zivilisation zu beleben.

Wer beim Bauen experimentieren will, wird schief angesehen. Schließlich ist bekannt, wie ein Haus konstruiert werden muss, damit es nicht zusammenbricht. Es gibt Normen und Standards. Es ist erprobt, welcher Grundriss funktioniert und überhaupt, wie alles günstig und vernünftig bleibt. So denken manche. Das wäre nicht ganz falsch, wenn Zeit und Gesellschaft immer dieselben blieben. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Veränderungen gehen flott voran – sozial, ökologisch wie technologisch. Gerade beim Bauen braucht es deshalb gewagte Projekte, die ergründen, welche Lebensräume künftig möglich sind.

Was sind solche Experimente? Denken wir zuerst an die ganz „normalen“ Häuser, an Architektur zum Wohnen. Während sich Lebensformen immer mehr ausdifferenzieren, bleiben die Bauformen in überkommenen Mustern stecken. Die Wirklichkeit wird kaum berücksichtigt.

Es fehlt an attraktiven Ideen zur Verdichtung, an Wohnmodellen, die Gemeinschaft und Rückzug sinnvoll kombinieren, an Konzepten für Durchmischung der Funktionen in der Stadt. All das bräuchte es, um die ressourcenintensive Zersiedelung und die Unkultur des Einfamilienhauses einzudämmen (Beispiel im Bild: Wohnanlage Eppan in Südtirol von feld72).

Es braucht Vorzeigeprojekte

Voraussetzung ist die couragierte Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Fachplanung und Architektur. Das gilt genauso für öffentliche Bauten, für die Arbeitswelt oder Bildungseinrichtungen.

Nur in klugen Experimenten kann erprobt werden, welche architektonischen Konzepte für aktuelle Ansprüche eigentlich geeignet sind. Für einen starken Wirtschaftsstandort wie Oberösterreich sind hier Vorzeigebeispiele besonders wichtig, und es gibt sie zum Glück gelegentlich (Beispiel: Schul- und Kulturzentrum Feldkirchen von fasch&fuchs, einer der Daidalos-Preisträger vor zwei Jahren).

Ungewöhnliche Techniken

Mut zum Experiment ist auch in der Bautechnik gefragt, bei der Arbeit der Ingenieure und Fachplaner. Umweltschonende Energiekonzepte, intelligente Konstruktionsmethoden oder raffinierte Tragwerke können Bauten von herausragender Schönheit hervorbringen und ungeahnte Wege in die Zukunft erschließen. Für die Materialwahl gilt Gleiches. Dank moderner Verarbeitung könnte auf traditionelle umweltverträgliche Baustoffe zurückgegriffen werden.

Häuser aus Stroh sind denkbar (beispielsweise in Vorarlberg von Georg Bechter) oder Industriebauten aus Lehm (z. B. Ricola von Herzog & de Meuron in Laufen). Die Möglichkeiten im Holzbau sind dank steter Innovation längst nicht ausgeschöpft. Im Massivbau mit Ziegel und Beton gibt es spannende neue Systeme, die nur angewandt werden müssten. Die verantwortungslose Praxis, Sondermüll als Dämmung aufzukleben, könnte Geschichte sein. Wichtig ist bei Experimenten, vorab die richtigen Fragen zu stellen. Nur dann ergeben sich erhellende Ergebnisse.

Beim Bauen heißt das, nicht einfach zu bauen, was gewollt wird, sondern zuerst gründlich nachzudenken, was gebraucht wird. Deshalb können das Gütesiegel „Mutiges Experiment“ auch jene Projekte erhalten, denen ein besonderer Planungsprozess voranging, etwa intensive Bürgerbeteiligung, die gemeinsame Planung einer Baugruppe oder andere unkonventionelle Wege, neuen Raum zu entwickeln (mögliches Beispiel der Zukunft: kooperatives Planungsverfahren im Linzer Stadtteil Ebelsberg, derzeit in Vorbereitung).

5 | 4 | 3 | 2 | 1