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27. September 2010Bernd Schubert
Sabine Wolf
anthos

Blumengraffiti

Maurice Maggi ist «Guerilla Gardener», der seine Arbeiten selbst Blumengraffiti nennt. Ausgebildet ist er als Landschaftsgärtner, später auch als Koch; zurzeit kocht er für Karl’s kühne Gassenschau in Saint-Triphon. Bernd Schubert und Sabine Wolf unterhielten sich mit ihm über seine Aktionen in Zürich und anderen Städten und über deren Hintergründe.

Maurice Maggi ist «Guerilla Gardener», der seine Arbeiten selbst Blumengraffiti nennt. Ausgebildet ist er als Landschaftsgärtner, später auch als Koch; zurzeit kocht er für Karl’s kühne Gassenschau in Saint-Triphon. Bernd Schubert und Sabine Wolf unterhielten sich mit ihm über seine Aktionen in Zürich und anderen Städten und über deren Hintergründe.

Maurice, Du bist mittlerweile ein berühmter Guerilla-Gärtner – wenn auch seit einiger Zeit geoutet. Was waren Deine Motive, als Du 1984 begannst, in Zürich aktiv zu werden?

Das damalige Gartenbauamt war sehr besorgt darum, die Alleebäume unkrautfrei zu halten. Und als Gärtner, der ich damals noch war, reizte es mich, meine Berufskollegen herauszufordern: Was würden sie machen, wenn sie vor meterhohen Malven stehen und sie vernichten sollen? Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres für einen Fachmann, als versehentlich eine Kulturpflanze auszujäten. Darum haben sie diese, vielleicht auch aus Freude an den Blumen, stehenlassen. Und so brach ich eigentlich das Pflegekonzept der Stadt Zürich auf. Als jemand, der in der 68er-Bewegung aufgewachsen ist, reizte mich die Provokation.

Du hast ein «Malvenkataster» angelegt, das zeigt, wo Du Malven in Zürich gesät hast. Hattest Du von Anfang ein Konzept?
Meine Idee war zuerst einfach, nämlich meine Bewegungsräume zu zeichnen. Später war es eine Art Vision. Ich dachte mir, wenn ein Fremder in die Stadt fährt, wäre es schön, wenn er in den Aussenquartieren zuerst einzelne Malven antrifft. Und je weiter er ins Zentrum kommt, desto mehr verdichtet sich das. Ein Traum war, dass sich die Malven in der Innenstadt so verdichten, dass sie unübersehbar werden. Dass man in einem Malvennetz verfangen wird.

Waren es nur Malven?
Ja, am Anfang.

Hattest Du Vorbilder? Guerilla Gardening gibt es als Begriff ja seit den 70er Jahren.
Er wurde 1973 in New York durch die Künstler- und Aktivistengruppe um die Künstlerin Liz Christy geprägt. Christy war Teil einer Gruppe, die sich Green Guerilla nannte. Ich kannte sie damals aber noch nicht. Guerilla Gardening kam aus den USA erst in den 1980ern nach Europa. Wenn ich so zurückdenke, glaube ich eher, dass es eine Zeiterscheinung war. Auch «Asterix in der Trabantenstadt», das 1971 herauskam, könnte mich beeinflusst haben: Die Römer holzten den Galliern die Eichenwälder ab, aber die hatten eine Wundereichel, die haushohe Eichen in Sekunden nachwachsen liess. Und Flowerpower war ja auch schon ein Ausdruck der Hippiebewegung.

Anfang der 1980er gab es in Zürich Jugendunruhen, die Opernhauskrawalle, die Schliessung des Autonomen Jugendzentrums AJZ, eine Auflehnung gegen die Stadt. War es da nur logisch, dass Du in Zürich tätig wurdest?
Ja, ich war in den 80er Jahren sehr aktiv in dieser Szene. Sie hat mich gefärbt. Es war für mich auch eine Befreiung von der Kopflastigkeit der 68er Jahre. Als Gärtner empfand ich Blumen als gutes Medium des Protestes, weil sie ja etwas Liebliches sind, und die meisten Menschen Blumen als etwas Schönes empfinden. Schon bevor ich mit den Malven begann, haben wir – noch in der Lehre – oft Rasensamen in unsere Pflasterungen gemischt, einfach so. Um zu schauen, was passiert.

Du bist nun schon ein viertel Jahrhundert aktiv. Was waren – zurückblickend – Deine grössten Erfolge, Deine bittersten Niederlagen?
Es gibt ein Beispiel, das beides verknüpft. Den Oberen Letten. Nach der Stilllegung der Bahnlinie bestand noch die Gefahr, dass das Areal überbaut wird. Da habe ich mir eine Samenmischung für die Schotterpiste zusammengestellt, mit zum Teil raren und schützenswerten Pflanzen, und sie – natürlich im Verborgenen – eingesät. Mein Gedanke war, bei einem Baubegehren den offiziellen Naturschutz zum Widerstand zu animieren. Es kam zunächst anders. Nach der Schliessung des Platzspitzes entstand hier die offene Drogenszene. Nachdem diese auch wieder aufgelöst wurde, blühte das nun mit einem Stacheldrahtzaun umgebene Areal richtig auf, es wurde von Eidechsen, Schleichen und Falterarten besiedelt. Wir wollten hier 1998 ein Strandcafé eröffnen, um das Gebiet auch einer allgemeinen Nutzung zuzuführen. Die Stadt lehnte ab, da das Gebiet – mit «meiner» Pflanzenwelt – unter Schutz gestellt werden sollte. Da habe ich mich gegenüber dem Gartenbauamt (heute Grün Stadt Zürich) zum ersten Mal geoutet, um zu belegen, dass es sich hier um ein künstliches Produkt handelt. Wir stellten der Stadt das Konzept «Respekt» vor, mit je einem Drittel naturbelassener Fläche, Gastronomie und Sport. So wurde es dann auch eröffnet, und die Stadträtin Martelli, damals Leiterin des Tiefbauamtes, konnte sich die neue Attraktion – eine Stadtoase – auf ihre Fahne schreiben.

Und um das zu erreichen, hast Du Dich geoutet?
Ja. Ich hatte mir doch selber beinahe ein Ei gelegt. Wir mussten über 40 Amtsstellen anlaufen und überzeugen, um die Bewilligung für unseren Gastronomiebetrieb zu erhalten.

War diese Mühsal die erwähnte Enttäuschung?
Nein, sondern vor allem das, was nachher kam. Der angrenzende Tunnel wurde zugeschüttet und das Areal nach einem Wettbewerb von Rotzler Krebs Partner neu gestaltet. Die Drittellösung blieb Grundlage der Gestaltung. Aber enttäuschend war, dass die Stadt die Künstlichkeit meiner Ansaat nicht erkannte, auf eine neue Saat verzichtete und so einfach ein Brombeergestrüpp entstehen liess, das zunehmend verwahrloster aussieht. Die Fachstelle Naturschutz hatte sich zum Nichtstun entschlossen.

Machst Du heute noch Aktionen im Verborgenen?
Ja. Heute säe ich aber grossflächiger, nach Farben getrennt ein, damit man die Künstlichkeit erkennt. Auch Malven, mein Markenzeichen, sind dabei, aber noch weitere Pflanzen, in ein oder zwei Farben. Zum Beispiel in Zürich West.

Welche Pflanzen verwendest Du neben den Malven am liebsten?
Neben den Malven bin ich streng und verwende nur einheimische Pflanzen. Die Wegwarte finde ich ganz toll, aber auch Wiesensalbei, Johanniskraut, Königskerzen, Wilde Möhren, Akelei, Karden und Distelarten. Leider erkennen die Gärtner viele Pflanzen nicht, sie lassen zwar die Malven stehen, schneiden aber die anderen runter oder beseitigen sie. Ich bin jetzt dran, meine Liste an die Stadträtin Frau Genner weiterzugeben, vielleicht ist eine Schulung der Gärtner möglich. Einzelne Gärtner lassen aber auch schon heute mehr stehen, das freut mich sehr.

Erhältst Du Rückmeldungen aus der Bevölkerung?
Viele. Die Menschen drücken ihre Freude aus, in Briefen und Telefonaten. Und sie weisen mich auf Orte hin, wo ich auch noch aktiv werden sollte. Viele schicken mir auch Samen aus ihrem Garten. Ich habe auch schon gehört, dass Anwohner die Pflanzen gegen die Pflegeequipen verteidigt haben. Ich freue mich natürlich über diese Akzeptanz.

Und das Medieninteresse scheint auch nicht nachgelassen zu haben?
Es ist unglaublich, wie lange das Interesse in den Medien anhält. Es nimmt eher zu als ab. Von Richard Reynolds ist 2009 ein neues Buch erschienen: Guerilla Gardening – ein botanisches Manifest. Über meine Tätigkeit wurden Filme gedreht, zum Beispiel von Florian Schaffner oder Roland Archini. Und an der Fachhochschule Osnabrück war kürzlich sogar ein Kongress über Guerilla Gardening, zu dem ich auch eingeladen war. Der Begriff ist allgemein eingeführt, aber ich mag ihn eigentlich nicht. Ich bezeichne meine Arbeiten lieber als Blumengraffiti.

Das Thema dieser «anthos»-Ausgabe sind ja die Stadtoasen. Kannst Du Deine Tätigkeit auch unter diesem Thema einordnen? Oder was verstehst Du unter Stadtoasen?
Ich glaube schon, dass ich dazu beitrage. Es gibt einige Orte, die für mich Stadtoasen sind. Zum Beispiel der Platz vor dem Tamedia-Gebäude an der Sihl. Als die Parkfläche verschwand, habe ich dort eingesät, und zwei Jahre lang wurde nicht gemäht. Es entstand eine wunderbare Wiese. Als ich letztes Jahr mit einer Fotografin den Ort besuchte, war ich überrascht, wie viele Schmetterlinge mir um die Ohren flogen. Toll, dachte ich. Doch dann erfuhr ich, dass sich meine Wege mit denen von André Rey kreuzten, der Raupen einheimischer Schmetterlinge ausgesetzt hatte. Ich war erst ein wenig enttäuscht, doch nachher freute ich mich, dass er dasselbe tut – und ich auf diese Art erwischt wurde, wie viele Leute, die glauben, dass die Pflanzen von allein die Stadt zurückerobern.

Müssten wir uns Freiräume, den öffentlichen Raum, noch mehr aneignen, sozusagen als Rückeroberung durch den Menschen?
Grünräume spiegeln immer auch die gesellschaftliche Situation wider. In meiner Kindheit war am Seebecken noch das Betreten des Rasens verboten. Heute würde das als Witz verstanden. Seht euch nur die Wiese beim Arboretum an einem warmen Tag an. Man besetzt heute Flächen schon ganz anders, doch ich glaube, man könnte das noch viel mehr ausreizen. Ich war gerade in Berlin. Am Moritzplatz in Kreuzberg haben zwei junge Leute einen «Prinzessinnengarten» angelegt. Sie nutzen eine Baubrache, bauen Gemüse und Wildfrüchte an, haben in einem Container ein Restaurant eröffnet, wo sie zusammen mit Arbeitslosen aus der Gegend ihr Gemüse verarbeiten und Marmelade herstellen. Sie haben auch zwei Bienenvölker für die Produktion von Honig. Und sie liefern ihr Gemüse mit dem Fahrrad sogar an Gourmet-Restaurants aus. Als Gärtner und Koch wollten sie mich gleich dort behalten.

Das erinnert sehr an den Ökotopia-Gedanken der 1970er und 1980er Jahre.
Natürlich, doch die Zeit ist wieder reif für solche ökologischen Projekte. Die Medienpräsenz in Berlin ist übrigens riesig. Auch am Kongress in Osnabrück wurden diese Fragen diskutiert. Es wurde nach neuen, besseren Nutzungsformen gesucht.

Die Suche nach einer besseren Nutzbarkeit der Freiräume und der Einsatz von Guerilla Gardening sind doch zweierlei Dinge. Das ginge ja auch ohne Guerillas.
Ja, aber wenn ich mir zum Beispiel die neuen Zürcher Parks anschaue, dann empfinde ich die nur noch als «designed», man muss sie intellektuell lesen. Ganze Generationen müssen nun damit leben. Entspricht das den Bedürfnissen der Bevölkerung? Ich glaube, dass man mit Eingriffen Konzeptkritik äussern kann, Aufmerksamkeit erzeugen, zeigen, dass es auch anders sein könnte.
Im Leutschenpark habe ich Blautöne zum gelben Mergelbelag und weisse Farben zum schwarzen Teerbelag eingesät, um die Strenge aufzubrechen. Die Pflanzen sind sehr schnell wieder verschwunden, um das landschaftsarchitektonische Werk zu schützen.

Hast Du schon Aktionen ausserhalb von Zürich gemacht?
In Bern, Basel, Berlin, München, Mailand, und natürlich in New York. Dort wohnte ich ja längere Zeit, bis 2002.

Seit den Anfängen sind nun 25 Jahre vergangen. Hat sich Deine Motivation verändert? Hast Du eine Entwicklung durchgemacht?
Ja. Am Anfang war es sehr subversiv, gesellschaftspolitisch gefärbt, ein Protest gegen die strenge Ordnung. Als dann das Naturnahe, der Gedanke der Vernetzung in die Pflegekonzepte Einzug hielt, wurde es poetischer. In der neuen Landschaftsarchitektur fühle ich mich aber wieder zur gesellschaftspolitischen Aussage, zum Protest animiert. So bin ich eigentlich nach 25 Jahren zu den Ursprüngen meines Handelns zurückgekehrt.

anthos, Mo., 2010.09.27



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anthos 2010/3 Stadtoasen

03. Juni 2009Sabine Wolf
Bernd Schubert
anthos

Festival Zürich

Die öffentlichen Räume unserer Städte, so auch die Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken, unterliegen mehr und mehr einer Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung. Dauerhafte Werte sind gefährdet, die freie Nutzbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner wird – mindestens temporär – eingeschränkt.

Die öffentlichen Räume unserer Städte, so auch die Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken, unterliegen mehr und mehr einer Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung. Dauerhafte Werte sind gefährdet, die freie Nutzbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner wird – mindestens temporär – eingeschränkt.

Die ökonomischen und kulturellen Globalisierungsprozesse führen seit den 90er-Jahren zur Umstrukturierung unserer Innenstädte. Walter Siebel schrieb bereits 1992 über eine zunehmende «Festivalisierung der Stadtpolitik» und mit ihr jener des öffentlichen Raumes. Siebel verstand darunter eine Politik, die nur noch als Inszenierung von Bedeutungsvollem funktioniere. Ihr Instrument sei eine «Planung durch Projekte», durch punktuelle, inhaltlich, räumlich und zeitlich begrenzte Interventionen. Diese «Festivals» werden damit von der Politik für die Stadtentwicklung instrumentalisiert.

Diese Festivalisierung der Politik, also die Konzentration aller Ressourcen auf ein grosses Ereignis, sei jedoch weder neu noch nur ein Phänomen der Stadtpolitik, wie Siebel weiter festhält. Tatsächlich stellen Grossereignisse seit jeher kommunale Kristallisationspunkte dar, unter deren Deckmantel sich auch divergierende Interessen bündeln lassen. Sie werden als Preis betrachtet, den eine Kommune zahlt, um als Konstrukt sozialer Gemeinschaft zu funktionieren – als eine Stadt, die sich von anderen Städten unterscheidet, wenn auch nur kurzfristig. Die Festivalisierung der Politik erlaubt die Demonstration von Handlungskompetenz und die Mobilisierung von politischem Konsens in einer Situation, in der es immer schwerer wird, handlungsfähige Mehrheiten auf Dauer zusammenzubinden.
Diese Entwicklung wollte Siebel kritisch verstanden wissen. Zunehmend scheint es jedoch, als verstünden viele Städte, auch die Stadt Zürich mit ihrem bisherigen Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber, Siebels Worte als Imperativ: Festivalisiert eure öffentlichen Räume!

Festivalisierung, Kommerzialisierung, Privatisierung

Aus der in die Tat umgesetzten Aufforderung resultiert vielfach die Trias aus Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung, die immer untrennbarer voneinander das Kapital eventbezogen an einen Ort lotsen. Im Zuge der Eventorganisation werden unsere öffentlichen Räume formatgerecht umgestaltet, im Sinne privatwirtschaftlicher Interessen geregelt, teil- und zeitweise der allgemeinen Nutzbarkeit entzogen. Dazu gehört, sie kontrollierbar zu machen. Denn nichts ist unerwünschter als negative Schlagzeilen. So installierte Zürich für die Ausrichtung der EURO 08 neun neue Kameras, sieben in der Fanmeile zwischen Limmat- und Utoquai, zwei am Bahnhof Stadelhofen – alle sind noch dort, teilweise in Betrieb, die übrigen bei Grossanlässen wieder aktivierbar. Zur Überwachung aus der Luft setzte die Stadt erstmals «Drohnen» als fliegende Kameras ein. Der intensive Ausbau der Raumüberwachung im Zusammenhang mit Grossereignissen ist vielerorts Usus. So wandelt der öffentliche Raum seinen Charakter.

Die Städte haben dafür zu sorgen, dass die Exklusivsponsoren zu ihrem Recht kommen, indem nur deren Werbung zu sehen ist und nur deren Getränke ausgeschenkt werden. Darüber hinaus bestimmen einige Sponsoren – noch räumlich begrenzt – die Kleiderordnung der Besucherinnen und Besucher. Schon heute verfügen die Veranstalter damit – noch zeitlich beschränkt – über ein Stück Stadt. Die Nutzungsrechte am öffentlichen Raum werden an den Meistbietenden verkauft, die Bewohner werden zu Statisten der Aufführung.

Von Event zu Event

Längst reicht es nicht mehr, nur gelegentlich eine Grossveranstaltung auszurichten. Um die mobile Eventgemeinde immer wieder anzulocken, stehen die Städte in einem harten Konkurrenzkampf. Das schafft weitere Probleme: Die Events verteilen sich zeitlich über das ganze Jahr, nicht aber räumlich. Sie finden dort statt, wo es der Sponsor wünscht – in den Topplagen. So drängten sich alleine 2008 zahlreiche Veranstaltungen rund um das Zürcher Seebecken: die Street Parade, die EURO 08, das Triathlon-Ereignis Ironman Switzerland, Scater Events, die Feierlichkeiten zum 1. August, der Frauentriathlon, der Gigathlon, die EuroPride, der Swiss Inline Cup, die Zürcher Radmeisterschaft, Freestyle.ch, das Theater Spektakel und das Massenbesäufnis Botéllon. Über 800 000 kamen 2008 zur Street Parade, an die Seepromenade kommen 40 000 Besucher an schönen Wochenenden.

Auch in den kommenden Jahren wird es nicht ruhiger um das Seebecken werden. Am 10. September 2008 tagten Fachleute an der 4. City Tourism Challenge zum Thema der Bedeutung von Events. «Wenn die Stadt mit der Konkurrenz mithalten wolle, müsse sie zulegen», sagte Tourismusdirektor Frank Bumann. Ausserdem müsse die Stadt eine klare Eventstrategie entwickeln und sich überlegen, welche Anlässe zu ihrer Persönlichkeitsstruktur passen. Dies klingt mehr nach ökonomischem Kalkül denn nach zukunftsfähiger Stadtentwicklung, die die Potenziale einer Stadt fördert, ohne sie um jeden Preis zu verkaufen. Auch Noch-Stadtpräsident Ledergerber sagte, «wir müssen das Label Zürich besser bewirtschaften», Zürich müsse eine führende Eventstadt Europas sein.

Der Stadtrat hat einen Kriterienkatalog aufgestellt, anhand dessen er entscheidet, welche Events gefördert werden sollen. Kriterien sind etwa internationale Bedeutung, Besucherzahl oder Medieninteresse. Für die von der Stadt bevorzugten Veranstaltungen sollen Defizitgarantien übernommen werden. Eine geeignete und langfristig stadtverträgliche Strategie, um dem Ausverkauf der Stadt Grenzen zu setzen, scheint jedoch zu fehlen. Rund um das Zürichseebecken ist die Belastungsgrenze längst erreicht. Grün Stadt Zürich verzeichnet einen immer grösser werdenden Aufwand für das Grünflächenmanagement am See (siehe Artikel Bosshard/Sigel, Seite 50).

Urbaner öffentlicher Raum als Kulisse

Im internationalen Wettbewerb um kaufkräftige Kundschaft und Touristen werden die urbanen Räume zu Visitenkarten umgestaltet, zu Werbeflächen für Veranstaltungen und Sponsoren. Der urbane Raum ist weniger Ort der Begegnung, sozialer Aktivitäten, des Verweilens und des Austauschs heterogener Gruppen denn Kulisse zur Inszenierung von Ereignissen. Die Stadt präsentiert sich primär als Bild, worin wiederum solche Aktionen passen, die selber reproduzierbare Bilder erzeugen, wie zum Beispiel der Teddy-Sommer 2005 in Zürich. Dieser hatte seinen direkten Vorgänger in Berlin, wo es ebenfalls aufgestellte Teddybären waren. In Hamburg war es der Wasserträger Hans Hummel, in Kaiserslautern waren es Fische, in Mannheim Pferde, und Zürich blickt bereits auf eine Herde von 850 Kühen 1998 und 1000 Sitzbänke 2001 zurück. Im Sommer 2009, dem Sommer der «Gartencity» in Zürich, sollen Pflanzen in grossen, bunten Töpfen die Innenstadt zieren.

Laufend wechselnde, durch Sponsoren gesteuerte, Ansprüche stehen damit dauerhaften kulturellen Werten gegenüber, wie sie die für die Stadtbevölkerung frei zugänglichen und vielseitig nutzbaren Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken in hervorragender Weise darstellen.

Man mag diese Entwicklung bedauern oder als Fortschritt sehen. Tatsache bleibt, dass man ihr Grenzen setzen, sie klaren, langfristig ausgerichteten Regeln unterwerfen muss. Es ist gefährlich, den öffentlichen Raum, den Ort unserer urbanen Identitätsbildung, zum austauschbaren Stereotyp werden zu lassen. Wenn er nichts mehr über eine Stadt und deren Besonderheiten aussagt, werden dann nicht auch die Bewohnerinnen und Bewohner zur austauschbaren Masse, die keine Verantwortung mehr für ihre Stadt übernimmt? Das Grundproblem der imperativen Deutung der Festivalisierung ist, dass sie zerstört, was sie zu inszenieren versucht. Was eine Stadt liebenswert macht, sind neben ihrer Lage und Aufenthaltsqualität, die wesentlich durch einen anspruchsvoll gestalteten öffentlichen Raum bestimmt wird, auch ihre versteckten Schätze. Und die entstehen durch Geschichte, Leben und Benutzung, nicht durch Inszenierung.

anthos, Mi., 2009.06.03



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anthos 2009/2 G|59 – und 50 Jahre danach

01. September 2008Sabine Wolf
db

Und mittendrin ein Park

Der in Zürichs Nachbarstadt Opfikon gelegene »Glattpark« ist mit 670 000 Quadratmetern das größte Entwicklungsgebiet der Schweiz. Hier wird noch bis 2015 ein ganzer Stadtteil neu erbaut. Sein Zentrum bildet bereits heute der Opfikerpark mit einem rechteckigen, über fünfhundert Meter langen See. Mit dieser Dimension und einem klaren, äußerst großzügigen und minimalistischen Entwurf entwickelt die Anlage ein starkes Bild einer Landschaft, das der heterogenen Struktur der Umgebung wohltuend entgegenwirkt.

Der in Zürichs Nachbarstadt Opfikon gelegene »Glattpark« ist mit 670 000 Quadratmetern das größte Entwicklungsgebiet der Schweiz. Hier wird noch bis 2015 ein ganzer Stadtteil neu erbaut. Sein Zentrum bildet bereits heute der Opfikerpark mit einem rechteckigen, über fünfhundert Meter langen See. Mit dieser Dimension und einem klaren, äußerst großzügigen und minimalistischen Entwurf entwickelt die Anlage ein starkes Bild einer Landschaft, das der heterogenen Struktur der Umgebung wohltuend entgegenwirkt.

Das Glattal nördlich der Stadtgrenze Zürichs ist eine jener Regionen, die zum Synonym für fraktale, urbane Stadtlandschaften geworden sind. Eine Region, die bestimmt ist durch das »Dazwischen« – zwischen Siedlung und Brache, Un- und Umnutzung, zwischen Autobahn, Klär- und Müllverbrennungsanlage, Fernsehstudio, Wohn- und Bürobauten sowie den Gleisen der neuen Glattalbahn. Inmitten dessen liegt nun der Opfikerpark.

Beinahe fünfzig Jahre währte die Planungsdiskussion um die »teuerste Wiese Europas«. Mitte der neunziger Jahre fiel die Entscheidung, die seit 1946 drainierte Sumpffläche, das ehemalige Oberhauserriet, mit einem urbanen Mischquartier – mit Wohn- und Arbeitsraum für je 7000 Personen – zu überbauen. Als Ausgleich zur verdichteten Bauweise wurde im Quartierplan eine 12,4 Hektar große Parkanlage mit See ausgewiesen, eine gigantische Dimension für die Schweiz! Den 2001 ausgelobten Wettbewerb einer »regionalen Parkanlage« gewann das Berliner Büro Kiefer, seit seiner Gründung 1989 eines der erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Landschaftsarchitekturbüros. Das Zürcher Büro Hager, mit dem Kiefer, zusammen mit den Fachplanern, eine Planungsgemeinschaft bildete, übernahm die lokale Projektbetreuung und -koordination. Nach einer Bauzeit von eineinhalb Jahren und Baukosten von rund 16,5 Millionen Schweizer Franken (10,2 Millionen Euro) feierte der Park im Dezember 2006 Eröffnung.

Klar zonierter Streifen

Kiefers Projekt reagiert auf die heterogene Umgebung mit einem großzügigen und ruhigen Entwurf einer klar strukturierten Parkanlage: einer linearen, lang gestreckten Sichtbeton- »Skulptur« aus Rampen und Scheiben, flankiert von einer Promenade auf der einen und einer Wiese auf der anderen Längsseite. An den Kopfenden, eingespannt zwischen der Haltestelle Fernsehstudio der Glattalbahn im Süden und der Autobahn im Norden, reihen sich verschiedene Funktionsfelder aneinander. Das Zentrum bildet ein riesiges Wasserbecken, 550 Meter lang, 41 Meter breit und in der Mitte drei Meter tief. Seinen Anfangs- und Endpunkt markieren Plätze: Am urbanen südlichen Siriusplatz tauchen, wie Bootsrampen, nebeneinanderliegende Betonkeile unterschiedlicher Länge und Breite ins Wasser ein. Am gegenüberliegenden Beckenende läuft ein leicht ansteigender Sandstrand in einem Beachvolleyballfeld aus, an das sich ein asphaltiertes Basketballfeld und der nördliche Platz, möbliert mit einer Tischtennisplatte, anschließen. Hier wird das Rampenmotiv wieder aufgenommen und die lineare Form konsequent in einer auf fünf Meter Höhe steil ansteigenden Sichtbetonrampe weitergeführt. Sie formt sich zu einem Aussichtsplatz aus und steigt an dessen rückwärtigem Ende senkrecht auf knapp zehn Meter weiter empor – integriert in den Lärmschutzwall zur dahinter liegenden Autobahn.

Ebenso klar wie die Formen und Elemente der Anlage sind auch die Beläge – Sichtbeton und wassergebundene Decke mit anthrazitfarbener feiner Kiesschüttung. Der entwurfsprägende Minimalismus ist in der Pflanzenverwendung fortgeführt – Platanen (Platanus hispanica), Schilf (Phragmites australis) und Intensivrasen dominieren. Die Anlage hat trotz oder gerade aufgrund ihrer Rigidität großen Charme. Dies liegt vor allem daran, dass sie nicht der Schau, sondern der Nutzung dient – die Rampen laden zum Skaten ein, die häufig als zu wuchtig kritisierten Brückengeländer zum Sprung ins Wasser, die Betonkeile im Süden zum Sitzen und Verweilen – stets als Angebot formuliert, das angenommen werden kann, und stets offen für eigene Ideen der Gäste.

Ein Fuß- und Radwegenetz, das die orthogonalen Strukturen des Baugebietes aufnimmt, ist verbindend über Bebauung und Park gelegt. Sein Hauptelement ist die 7,70 Meter breite Hamilton-Promenade, an die zu Stufen ausgebildete Betonrampen und ein flach ins Wasser abfallender Sandstrand anschließen. Wo die aus der zonal gegliederten Bebauung herausführenden Wege auf die Promenade stoßen, schieben sich platanenbestandene Kanzeln in den See, dreiseitig gerahmt durch brüstungshohe Sichtbetonscheiben. Drei Metallstege überspannen den See orthogonal von den Kanzeln aus.

Ein zweireihiges Schilfband entlang des östlichen Ufers ist Gestaltungselement und fungiert zugleich als Kleinst-Kläranlage: Es entzieht dem Wasser Nährstoffe und sichert dadurch die hohe Wasserqualität des primär durch Regenwasser gespeisten Sees. In naturnahen Nischen des Schilfbandes wachsen Sumpfschwertlilie (Iris pseudoacorus), Froschlöffel (Alisma plantago-aquatica) und Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia). Die anschließende offene Liegewiese grenzt an den »Technik-Wald-Archipel«, wie ihn Gabriele Kiefer in ihrem Entwurf genannt hat. Hier liegt, versteckt hinter zum Teil neu aufgeforsteten Bäumen, ein Relikt des ehedem fraktalen Ortes: Das ursprüngliche Klärwerk, das, frisch saniert, als Tagungszentrum gemietet werden kann.

Landschaftsarchitektur als Motor

Der von der Stadt Opfikon betriebene Park genießt bereits heute große Akzeptanz in der Bevölkerung. Während die Angestellten in den umgebenden Bürogebäuden die nüchterne Noblesse von Promenade und Siriusplatz schätzen, ist der See eine regionale Attraktion. Am Wochenende fahren sogar die Stadtzürcher hierher zum Baden und Entspannen – noch ist der Opfikerpark tatsächlich erholsam und nicht so überlaufen wie die »Badis« an Zürisee und Limmat.

Seinen Erfolg verdankt die Anlage insbesondere drei Faktoren: Erstens der wegweisenden Konzeption des neuen Stadtteils mit der frühzeitigen Fertigstellung des Naherholungsraumes und des Anschlusses an den öffentlichen Nahverkehr. Zweitens dem herausragenden landschaftsarchitektonischen Entwurf mit seiner bildgebenden Klarheit, seiner hohen Flexibilität sowie seinen vielen zulässigen Deutungsmustern und Angeboten. Zentral ist hier das starke Bild, das unsere Räume im »Dazwischen« so häufig vermissen lassen. Ein Bild, das sie eindeutig verortbar macht. Drittens einem Parkmanagement, das auf akute Probleme prompt reagiert: Berechtigten Vorwürfen, der Park biete zu wenig Schatten, zugleich fehle es an Einrichtungen der Nahversorgung, wird mithilfe der »Parklotsen« begegnet. Sie betreiben im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der Stadt Opfikon, betreut von der Plattform Glattal – einem Verein für soziale Angebote –, einen mobilen Kiosk auf dem Areal. Hier verleihen sie neben Spielgeräten auch Sonnenschirme, verkaufen Eis und kühle Getränke.

Im Glattal ist die Landschaftsarchitektur nicht nur Beiwerk, sondern wird zum Motor einer zukunftsfähigen Regionalentwicklung. Der Opfikerpark ist kein Solitär, vielmehr eingebunden in ein regionales Freiraumnetz. Er ist einer von mehreren in den letzten Jahren in und um Zürich neu entstandenen Parks (vgl. db 08/07, Parks in Neu-Oerlikon); in direkter Nachbarschaft laufen aktuell mit dem Andreaspark und dem Leutschenpark, der im Herbst 2008 eröffnet wird, zwei weitere Realisierungen. Mit ihnen wird die Agglomeration weiter aufgewertet und die Landschaftsarchitektur als Motor erhält neuen Treibstoff.

db, Mo., 2008.09.01



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Glattpark / Opfikerpark



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db 2008|09 Draußen

22. Mai 2008Sabine Wolf
anthos

Subtile Totalsanierung

Die ersten öffentlichen Badeanstalten Zürichs wurden an See, Limmat und Sihl erbaut, später folgten die Quartierbäder. Sie alle müssen regelmässig renoviert, saniert und aktuellen Bedürfnissen angepasst werden.

Die ersten öffentlichen Badeanstalten Zürichs wurden an See, Limmat und Sihl erbaut, später folgten die Quartierbäder. Sie alle müssen regelmässig renoviert, saniert und aktuellen Bedürfnissen angepasst werden.

Zürich unterhält heute bei 370 000 Einwohnern 42 Schwimmbäder und hat damit die höchste Bäderdichte der Welt. Das erste künstlich angelegte Beckenbad unter freiem Himmel, das Freibad Allenmoos in Zürich- Oerlikon, feierte 1939 Eröffnung. Die prominenteste Badeanstalt der Stadt jedoch ist Max Frischs Freibad Letzigraben, als zweites künstlich angelegtes Bad 1949 eröffnet.

Max Frisch als Architekt Frisch studierte 1936 bis 1940 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich Architektur. 1943 gewann er den Wettbewerb für das Quartierbad Letzigraben, konzeptionelle Zielsetzung war die «äusserste Auflockerung aller Bauten». Gruppiert angeordnete Pavillons mit Umkleiden, die das Gelände an drei Seiten flankieren, ohne es gegen die umgebende Bebauung abzuschirmen, bilden den gestalterischen Rahmen. Im Inneren der Anlage steht eine grosszügige, sanft modellierte Freifläche für den Badebetrieb zur Verfügung. Hierfür plante Frisch ein Nichtschwimmerbecken, ein 50-Meter-Schwimmerbecken sowie ein 50-Meter-Schul- und -Sportbecken mit Drei-, Fünf und Zehnmeterturm – dem ersten der Schweiz. Hinzu kam ein Planschbecken für Kleinkinder.

Das Gestaltungskonzept der Anlage entwickelte Frisch gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Gustav Ammann, der zuvor unter anderem für das Freibad Allenmoos verantwortlich zeichnete. Die geschwungenen Beckenränder des Nichtschwimmer- sowie des Kleinkinderbeckens sind in Anlehnung an natürliche Gewässerformen entwickelt. Die Wege sind organisch geführt und durch unterschiedliche Breiten und Materialisierungen gegliedert. Etwa vierhundert Bäume und tausend Sträucher wurden gesetzt, artenreiche Bepflanzungen säumten Becken und Wege. Auf dem höchsten Punkt der Anlage thront ein achteckiger, von einer offenen Terrasse eingefasster Restaurant-Pavillon.

Der Baubeginn wurde bis August 1947 hinausgeschoben, am 18. Juni 1949 öffnete das «Letzibad», ausgelegt für 4200 Gäste. Die Gesamtbaukosten betrugen 4,5 Millionen Franken.

Subtile Totalsanierung

Das hohe Alter der Anlagen, geänderte Nutzungsansprüche sowie bauliche Veränderungen in den vergangenen 60 Jahren hatten den ursprünglichen Charme des Bades gemindert. 2005 wurde die Notwendigkeit einer Totalsanierung des – aufgrund seiner architektonischen Qualität und kulturellen Bedeutung – als Baudenkmal klassifizierten Bades festgestellt. 2006/07 wurden die Arbeiten ausgeführt.

Die Stadt Zürich als Bauherrin, vertreten durch das Amt für Hochbauten, vergab den Auftrag der architektonischen Sanierung an das Zürcher Büro weberbrunner architekten. Ziel war eine Annäherung an den Originalzustand, einschliesslich des ursprünglichen Farbkonzeptes. Durch Um- und Rückbau an den Gebäuden erhielten diese ihre offene Leichtigkeit zurück. Dem Zehn-Meter-Sprungturm wurde wieder ein zweiter Drei-Meter-Turm zur Seite gestellt, sodass das ursprüngliche, symmetrische Ensemble hergestellt werden konnte. Das Kleinkinderbecken wurde an seinen ursprünglichen Standort verlegt, Details wurden erneuert. Hinzu kamen zeitgemässe Attraktionen: Das Nichtschwimmerbecken ist neu mit einem Strömungskanal ausgestattet worden, das Schwimmerbecken erhielt Massagedüsen, das Sportbecken eine unterirdische Wellenerzeugungsanlage und Unterwasserbeleuchtung.

Die Sanierung der Landschaftsarchitektur übernahm das Büro SKK aus Wettingen. Auch hier war die Aufgabe eine subtile Totalsanierung, das Ergebnis sollte dem Ursprungsprojekt möglichst nahe kommen. Den restaurierenden Massnahmen «Bepflanzungskonzept», «Aufwertung Gartenhof» und «Wiederherstellung Zierteich beim Pavillon» kam höchste Priorität zu. Es galt, den wertvollen Baumbestand zu erhalten und Sichtbeziehungen, besonders die Einsichten in die Wasserbecken, wieder herzustellen. Bereiche, die ihre ursprüngliche Qualität verloren hatten, wurden – wenn möglich entsprechend den alten Pflanzplänen – neu bepflanzt, das Zierbecken beim Restaurant, die Natursteinmauern und die Steinplattenwege wieder hergestellt. Lockere Baum- und Strauchgruppen, geschwungene, mit Naturstein gesäumte Wege und prächtige Staudenpflanzen prägen heute erneut das Bild der Anlage.

Am 11. Mai 2007 wurde das gelungen sanierte Freibad wieder eröffnet. In einem Teil der ursprünglichen Sammelgarderobe ist eine während der Saison zugängliche Ausstellung zu Leben und Werk Max Frischs sowie zu seinem Freibad eingerichtet. So kommt bei einem Freibadbesuch neben der körperlichen Ertüchtigung auch das Geistige nicht zu kurz.

[Sabine Wolf, Stadtplanerin, Zürich]

anthos, Do., 2008.05.22



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27. September 2010Bernd Schubert
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Blumengraffiti

Maurice Maggi ist «Guerilla Gardener», der seine Arbeiten selbst Blumengraffiti nennt. Ausgebildet ist er als Landschaftsgärtner, später auch als Koch; zurzeit kocht er für Karl’s kühne Gassenschau in Saint-Triphon. Bernd Schubert und Sabine Wolf unterhielten sich mit ihm über seine Aktionen in Zürich und anderen Städten und über deren Hintergründe.

Maurice Maggi ist «Guerilla Gardener», der seine Arbeiten selbst Blumengraffiti nennt. Ausgebildet ist er als Landschaftsgärtner, später auch als Koch; zurzeit kocht er für Karl’s kühne Gassenschau in Saint-Triphon. Bernd Schubert und Sabine Wolf unterhielten sich mit ihm über seine Aktionen in Zürich und anderen Städten und über deren Hintergründe.

Maurice, Du bist mittlerweile ein berühmter Guerilla-Gärtner – wenn auch seit einiger Zeit geoutet. Was waren Deine Motive, als Du 1984 begannst, in Zürich aktiv zu werden?

Das damalige Gartenbauamt war sehr besorgt darum, die Alleebäume unkrautfrei zu halten. Und als Gärtner, der ich damals noch war, reizte es mich, meine Berufskollegen herauszufordern: Was würden sie machen, wenn sie vor meterhohen Malven stehen und sie vernichten sollen? Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres für einen Fachmann, als versehentlich eine Kulturpflanze auszujäten. Darum haben sie diese, vielleicht auch aus Freude an den Blumen, stehenlassen. Und so brach ich eigentlich das Pflegekonzept der Stadt Zürich auf. Als jemand, der in der 68er-Bewegung aufgewachsen ist, reizte mich die Provokation.

Du hast ein «Malvenkataster» angelegt, das zeigt, wo Du Malven in Zürich gesät hast. Hattest Du von Anfang ein Konzept?
Meine Idee war zuerst einfach, nämlich meine Bewegungsräume zu zeichnen. Später war es eine Art Vision. Ich dachte mir, wenn ein Fremder in die Stadt fährt, wäre es schön, wenn er in den Aussenquartieren zuerst einzelne Malven antrifft. Und je weiter er ins Zentrum kommt, desto mehr verdichtet sich das. Ein Traum war, dass sich die Malven in der Innenstadt so verdichten, dass sie unübersehbar werden. Dass man in einem Malvennetz verfangen wird.

Waren es nur Malven?
Ja, am Anfang.

Hattest Du Vorbilder? Guerilla Gardening gibt es als Begriff ja seit den 70er Jahren.
Er wurde 1973 in New York durch die Künstler- und Aktivistengruppe um die Künstlerin Liz Christy geprägt. Christy war Teil einer Gruppe, die sich Green Guerilla nannte. Ich kannte sie damals aber noch nicht. Guerilla Gardening kam aus den USA erst in den 1980ern nach Europa. Wenn ich so zurückdenke, glaube ich eher, dass es eine Zeiterscheinung war. Auch «Asterix in der Trabantenstadt», das 1971 herauskam, könnte mich beeinflusst haben: Die Römer holzten den Galliern die Eichenwälder ab, aber die hatten eine Wundereichel, die haushohe Eichen in Sekunden nachwachsen liess. Und Flowerpower war ja auch schon ein Ausdruck der Hippiebewegung.

Anfang der 1980er gab es in Zürich Jugendunruhen, die Opernhauskrawalle, die Schliessung des Autonomen Jugendzentrums AJZ, eine Auflehnung gegen die Stadt. War es da nur logisch, dass Du in Zürich tätig wurdest?
Ja, ich war in den 80er Jahren sehr aktiv in dieser Szene. Sie hat mich gefärbt. Es war für mich auch eine Befreiung von der Kopflastigkeit der 68er Jahre. Als Gärtner empfand ich Blumen als gutes Medium des Protestes, weil sie ja etwas Liebliches sind, und die meisten Menschen Blumen als etwas Schönes empfinden. Schon bevor ich mit den Malven begann, haben wir – noch in der Lehre – oft Rasensamen in unsere Pflasterungen gemischt, einfach so. Um zu schauen, was passiert.

Du bist nun schon ein viertel Jahrhundert aktiv. Was waren – zurückblickend – Deine grössten Erfolge, Deine bittersten Niederlagen?
Es gibt ein Beispiel, das beides verknüpft. Den Oberen Letten. Nach der Stilllegung der Bahnlinie bestand noch die Gefahr, dass das Areal überbaut wird. Da habe ich mir eine Samenmischung für die Schotterpiste zusammengestellt, mit zum Teil raren und schützenswerten Pflanzen, und sie – natürlich im Verborgenen – eingesät. Mein Gedanke war, bei einem Baubegehren den offiziellen Naturschutz zum Widerstand zu animieren. Es kam zunächst anders. Nach der Schliessung des Platzspitzes entstand hier die offene Drogenszene. Nachdem diese auch wieder aufgelöst wurde, blühte das nun mit einem Stacheldrahtzaun umgebene Areal richtig auf, es wurde von Eidechsen, Schleichen und Falterarten besiedelt. Wir wollten hier 1998 ein Strandcafé eröffnen, um das Gebiet auch einer allgemeinen Nutzung zuzuführen. Die Stadt lehnte ab, da das Gebiet – mit «meiner» Pflanzenwelt – unter Schutz gestellt werden sollte. Da habe ich mich gegenüber dem Gartenbauamt (heute Grün Stadt Zürich) zum ersten Mal geoutet, um zu belegen, dass es sich hier um ein künstliches Produkt handelt. Wir stellten der Stadt das Konzept «Respekt» vor, mit je einem Drittel naturbelassener Fläche, Gastronomie und Sport. So wurde es dann auch eröffnet, und die Stadträtin Martelli, damals Leiterin des Tiefbauamtes, konnte sich die neue Attraktion – eine Stadtoase – auf ihre Fahne schreiben.

Und um das zu erreichen, hast Du Dich geoutet?
Ja. Ich hatte mir doch selber beinahe ein Ei gelegt. Wir mussten über 40 Amtsstellen anlaufen und überzeugen, um die Bewilligung für unseren Gastronomiebetrieb zu erhalten.

War diese Mühsal die erwähnte Enttäuschung?
Nein, sondern vor allem das, was nachher kam. Der angrenzende Tunnel wurde zugeschüttet und das Areal nach einem Wettbewerb von Rotzler Krebs Partner neu gestaltet. Die Drittellösung blieb Grundlage der Gestaltung. Aber enttäuschend war, dass die Stadt die Künstlichkeit meiner Ansaat nicht erkannte, auf eine neue Saat verzichtete und so einfach ein Brombeergestrüpp entstehen liess, das zunehmend verwahrloster aussieht. Die Fachstelle Naturschutz hatte sich zum Nichtstun entschlossen.

Machst Du heute noch Aktionen im Verborgenen?
Ja. Heute säe ich aber grossflächiger, nach Farben getrennt ein, damit man die Künstlichkeit erkennt. Auch Malven, mein Markenzeichen, sind dabei, aber noch weitere Pflanzen, in ein oder zwei Farben. Zum Beispiel in Zürich West.

Welche Pflanzen verwendest Du neben den Malven am liebsten?
Neben den Malven bin ich streng und verwende nur einheimische Pflanzen. Die Wegwarte finde ich ganz toll, aber auch Wiesensalbei, Johanniskraut, Königskerzen, Wilde Möhren, Akelei, Karden und Distelarten. Leider erkennen die Gärtner viele Pflanzen nicht, sie lassen zwar die Malven stehen, schneiden aber die anderen runter oder beseitigen sie. Ich bin jetzt dran, meine Liste an die Stadträtin Frau Genner weiterzugeben, vielleicht ist eine Schulung der Gärtner möglich. Einzelne Gärtner lassen aber auch schon heute mehr stehen, das freut mich sehr.

Erhältst Du Rückmeldungen aus der Bevölkerung?
Viele. Die Menschen drücken ihre Freude aus, in Briefen und Telefonaten. Und sie weisen mich auf Orte hin, wo ich auch noch aktiv werden sollte. Viele schicken mir auch Samen aus ihrem Garten. Ich habe auch schon gehört, dass Anwohner die Pflanzen gegen die Pflegeequipen verteidigt haben. Ich freue mich natürlich über diese Akzeptanz.

Und das Medieninteresse scheint auch nicht nachgelassen zu haben?
Es ist unglaublich, wie lange das Interesse in den Medien anhält. Es nimmt eher zu als ab. Von Richard Reynolds ist 2009 ein neues Buch erschienen: Guerilla Gardening – ein botanisches Manifest. Über meine Tätigkeit wurden Filme gedreht, zum Beispiel von Florian Schaffner oder Roland Archini. Und an der Fachhochschule Osnabrück war kürzlich sogar ein Kongress über Guerilla Gardening, zu dem ich auch eingeladen war. Der Begriff ist allgemein eingeführt, aber ich mag ihn eigentlich nicht. Ich bezeichne meine Arbeiten lieber als Blumengraffiti.

Das Thema dieser «anthos»-Ausgabe sind ja die Stadtoasen. Kannst Du Deine Tätigkeit auch unter diesem Thema einordnen? Oder was verstehst Du unter Stadtoasen?
Ich glaube schon, dass ich dazu beitrage. Es gibt einige Orte, die für mich Stadtoasen sind. Zum Beispiel der Platz vor dem Tamedia-Gebäude an der Sihl. Als die Parkfläche verschwand, habe ich dort eingesät, und zwei Jahre lang wurde nicht gemäht. Es entstand eine wunderbare Wiese. Als ich letztes Jahr mit einer Fotografin den Ort besuchte, war ich überrascht, wie viele Schmetterlinge mir um die Ohren flogen. Toll, dachte ich. Doch dann erfuhr ich, dass sich meine Wege mit denen von André Rey kreuzten, der Raupen einheimischer Schmetterlinge ausgesetzt hatte. Ich war erst ein wenig enttäuscht, doch nachher freute ich mich, dass er dasselbe tut – und ich auf diese Art erwischt wurde, wie viele Leute, die glauben, dass die Pflanzen von allein die Stadt zurückerobern.

Müssten wir uns Freiräume, den öffentlichen Raum, noch mehr aneignen, sozusagen als Rückeroberung durch den Menschen?
Grünräume spiegeln immer auch die gesellschaftliche Situation wider. In meiner Kindheit war am Seebecken noch das Betreten des Rasens verboten. Heute würde das als Witz verstanden. Seht euch nur die Wiese beim Arboretum an einem warmen Tag an. Man besetzt heute Flächen schon ganz anders, doch ich glaube, man könnte das noch viel mehr ausreizen. Ich war gerade in Berlin. Am Moritzplatz in Kreuzberg haben zwei junge Leute einen «Prinzessinnengarten» angelegt. Sie nutzen eine Baubrache, bauen Gemüse und Wildfrüchte an, haben in einem Container ein Restaurant eröffnet, wo sie zusammen mit Arbeitslosen aus der Gegend ihr Gemüse verarbeiten und Marmelade herstellen. Sie haben auch zwei Bienenvölker für die Produktion von Honig. Und sie liefern ihr Gemüse mit dem Fahrrad sogar an Gourmet-Restaurants aus. Als Gärtner und Koch wollten sie mich gleich dort behalten.

Das erinnert sehr an den Ökotopia-Gedanken der 1970er und 1980er Jahre.
Natürlich, doch die Zeit ist wieder reif für solche ökologischen Projekte. Die Medienpräsenz in Berlin ist übrigens riesig. Auch am Kongress in Osnabrück wurden diese Fragen diskutiert. Es wurde nach neuen, besseren Nutzungsformen gesucht.

Die Suche nach einer besseren Nutzbarkeit der Freiräume und der Einsatz von Guerilla Gardening sind doch zweierlei Dinge. Das ginge ja auch ohne Guerillas.
Ja, aber wenn ich mir zum Beispiel die neuen Zürcher Parks anschaue, dann empfinde ich die nur noch als «designed», man muss sie intellektuell lesen. Ganze Generationen müssen nun damit leben. Entspricht das den Bedürfnissen der Bevölkerung? Ich glaube, dass man mit Eingriffen Konzeptkritik äussern kann, Aufmerksamkeit erzeugen, zeigen, dass es auch anders sein könnte.
Im Leutschenpark habe ich Blautöne zum gelben Mergelbelag und weisse Farben zum schwarzen Teerbelag eingesät, um die Strenge aufzubrechen. Die Pflanzen sind sehr schnell wieder verschwunden, um das landschaftsarchitektonische Werk zu schützen.

Hast Du schon Aktionen ausserhalb von Zürich gemacht?
In Bern, Basel, Berlin, München, Mailand, und natürlich in New York. Dort wohnte ich ja längere Zeit, bis 2002.

Seit den Anfängen sind nun 25 Jahre vergangen. Hat sich Deine Motivation verändert? Hast Du eine Entwicklung durchgemacht?
Ja. Am Anfang war es sehr subversiv, gesellschaftspolitisch gefärbt, ein Protest gegen die strenge Ordnung. Als dann das Naturnahe, der Gedanke der Vernetzung in die Pflegekonzepte Einzug hielt, wurde es poetischer. In der neuen Landschaftsarchitektur fühle ich mich aber wieder zur gesellschaftspolitischen Aussage, zum Protest animiert. So bin ich eigentlich nach 25 Jahren zu den Ursprüngen meines Handelns zurückgekehrt.

anthos, Mo., 2010.09.27



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03. Juni 2009Sabine Wolf
Bernd Schubert
anthos

Festival Zürich

Die öffentlichen Räume unserer Städte, so auch die Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken, unterliegen mehr und mehr einer Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung. Dauerhafte Werte sind gefährdet, die freie Nutzbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner wird – mindestens temporär – eingeschränkt.

Die öffentlichen Räume unserer Städte, so auch die Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken, unterliegen mehr und mehr einer Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung. Dauerhafte Werte sind gefährdet, die freie Nutzbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner wird – mindestens temporär – eingeschränkt.

Die ökonomischen und kulturellen Globalisierungsprozesse führen seit den 90er-Jahren zur Umstrukturierung unserer Innenstädte. Walter Siebel schrieb bereits 1992 über eine zunehmende «Festivalisierung der Stadtpolitik» und mit ihr jener des öffentlichen Raumes. Siebel verstand darunter eine Politik, die nur noch als Inszenierung von Bedeutungsvollem funktioniere. Ihr Instrument sei eine «Planung durch Projekte», durch punktuelle, inhaltlich, räumlich und zeitlich begrenzte Interventionen. Diese «Festivals» werden damit von der Politik für die Stadtentwicklung instrumentalisiert.

Diese Festivalisierung der Politik, also die Konzentration aller Ressourcen auf ein grosses Ereignis, sei jedoch weder neu noch nur ein Phänomen der Stadtpolitik, wie Siebel weiter festhält. Tatsächlich stellen Grossereignisse seit jeher kommunale Kristallisationspunkte dar, unter deren Deckmantel sich auch divergierende Interessen bündeln lassen. Sie werden als Preis betrachtet, den eine Kommune zahlt, um als Konstrukt sozialer Gemeinschaft zu funktionieren – als eine Stadt, die sich von anderen Städten unterscheidet, wenn auch nur kurzfristig. Die Festivalisierung der Politik erlaubt die Demonstration von Handlungskompetenz und die Mobilisierung von politischem Konsens in einer Situation, in der es immer schwerer wird, handlungsfähige Mehrheiten auf Dauer zusammenzubinden.
Diese Entwicklung wollte Siebel kritisch verstanden wissen. Zunehmend scheint es jedoch, als verstünden viele Städte, auch die Stadt Zürich mit ihrem bisherigen Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber, Siebels Worte als Imperativ: Festivalisiert eure öffentlichen Räume!

Festivalisierung, Kommerzialisierung, Privatisierung

Aus der in die Tat umgesetzten Aufforderung resultiert vielfach die Trias aus Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung, die immer untrennbarer voneinander das Kapital eventbezogen an einen Ort lotsen. Im Zuge der Eventorganisation werden unsere öffentlichen Räume formatgerecht umgestaltet, im Sinne privatwirtschaftlicher Interessen geregelt, teil- und zeitweise der allgemeinen Nutzbarkeit entzogen. Dazu gehört, sie kontrollierbar zu machen. Denn nichts ist unerwünschter als negative Schlagzeilen. So installierte Zürich für die Ausrichtung der EURO 08 neun neue Kameras, sieben in der Fanmeile zwischen Limmat- und Utoquai, zwei am Bahnhof Stadelhofen – alle sind noch dort, teilweise in Betrieb, die übrigen bei Grossanlässen wieder aktivierbar. Zur Überwachung aus der Luft setzte die Stadt erstmals «Drohnen» als fliegende Kameras ein. Der intensive Ausbau der Raumüberwachung im Zusammenhang mit Grossereignissen ist vielerorts Usus. So wandelt der öffentliche Raum seinen Charakter.

Die Städte haben dafür zu sorgen, dass die Exklusivsponsoren zu ihrem Recht kommen, indem nur deren Werbung zu sehen ist und nur deren Getränke ausgeschenkt werden. Darüber hinaus bestimmen einige Sponsoren – noch räumlich begrenzt – die Kleiderordnung der Besucherinnen und Besucher. Schon heute verfügen die Veranstalter damit – noch zeitlich beschränkt – über ein Stück Stadt. Die Nutzungsrechte am öffentlichen Raum werden an den Meistbietenden verkauft, die Bewohner werden zu Statisten der Aufführung.

Von Event zu Event

Längst reicht es nicht mehr, nur gelegentlich eine Grossveranstaltung auszurichten. Um die mobile Eventgemeinde immer wieder anzulocken, stehen die Städte in einem harten Konkurrenzkampf. Das schafft weitere Probleme: Die Events verteilen sich zeitlich über das ganze Jahr, nicht aber räumlich. Sie finden dort statt, wo es der Sponsor wünscht – in den Topplagen. So drängten sich alleine 2008 zahlreiche Veranstaltungen rund um das Zürcher Seebecken: die Street Parade, die EURO 08, das Triathlon-Ereignis Ironman Switzerland, Scater Events, die Feierlichkeiten zum 1. August, der Frauentriathlon, der Gigathlon, die EuroPride, der Swiss Inline Cup, die Zürcher Radmeisterschaft, Freestyle.ch, das Theater Spektakel und das Massenbesäufnis Botéllon. Über 800 000 kamen 2008 zur Street Parade, an die Seepromenade kommen 40 000 Besucher an schönen Wochenenden.

Auch in den kommenden Jahren wird es nicht ruhiger um das Seebecken werden. Am 10. September 2008 tagten Fachleute an der 4. City Tourism Challenge zum Thema der Bedeutung von Events. «Wenn die Stadt mit der Konkurrenz mithalten wolle, müsse sie zulegen», sagte Tourismusdirektor Frank Bumann. Ausserdem müsse die Stadt eine klare Eventstrategie entwickeln und sich überlegen, welche Anlässe zu ihrer Persönlichkeitsstruktur passen. Dies klingt mehr nach ökonomischem Kalkül denn nach zukunftsfähiger Stadtentwicklung, die die Potenziale einer Stadt fördert, ohne sie um jeden Preis zu verkaufen. Auch Noch-Stadtpräsident Ledergerber sagte, «wir müssen das Label Zürich besser bewirtschaften», Zürich müsse eine führende Eventstadt Europas sein.

Der Stadtrat hat einen Kriterienkatalog aufgestellt, anhand dessen er entscheidet, welche Events gefördert werden sollen. Kriterien sind etwa internationale Bedeutung, Besucherzahl oder Medieninteresse. Für die von der Stadt bevorzugten Veranstaltungen sollen Defizitgarantien übernommen werden. Eine geeignete und langfristig stadtverträgliche Strategie, um dem Ausverkauf der Stadt Grenzen zu setzen, scheint jedoch zu fehlen. Rund um das Zürichseebecken ist die Belastungsgrenze längst erreicht. Grün Stadt Zürich verzeichnet einen immer grösser werdenden Aufwand für das Grünflächenmanagement am See (siehe Artikel Bosshard/Sigel, Seite 50).

Urbaner öffentlicher Raum als Kulisse

Im internationalen Wettbewerb um kaufkräftige Kundschaft und Touristen werden die urbanen Räume zu Visitenkarten umgestaltet, zu Werbeflächen für Veranstaltungen und Sponsoren. Der urbane Raum ist weniger Ort der Begegnung, sozialer Aktivitäten, des Verweilens und des Austauschs heterogener Gruppen denn Kulisse zur Inszenierung von Ereignissen. Die Stadt präsentiert sich primär als Bild, worin wiederum solche Aktionen passen, die selber reproduzierbare Bilder erzeugen, wie zum Beispiel der Teddy-Sommer 2005 in Zürich. Dieser hatte seinen direkten Vorgänger in Berlin, wo es ebenfalls aufgestellte Teddybären waren. In Hamburg war es der Wasserträger Hans Hummel, in Kaiserslautern waren es Fische, in Mannheim Pferde, und Zürich blickt bereits auf eine Herde von 850 Kühen 1998 und 1000 Sitzbänke 2001 zurück. Im Sommer 2009, dem Sommer der «Gartencity» in Zürich, sollen Pflanzen in grossen, bunten Töpfen die Innenstadt zieren.

Laufend wechselnde, durch Sponsoren gesteuerte, Ansprüche stehen damit dauerhaften kulturellen Werten gegenüber, wie sie die für die Stadtbevölkerung frei zugänglichen und vielseitig nutzbaren Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken in hervorragender Weise darstellen.

Man mag diese Entwicklung bedauern oder als Fortschritt sehen. Tatsache bleibt, dass man ihr Grenzen setzen, sie klaren, langfristig ausgerichteten Regeln unterwerfen muss. Es ist gefährlich, den öffentlichen Raum, den Ort unserer urbanen Identitätsbildung, zum austauschbaren Stereotyp werden zu lassen. Wenn er nichts mehr über eine Stadt und deren Besonderheiten aussagt, werden dann nicht auch die Bewohnerinnen und Bewohner zur austauschbaren Masse, die keine Verantwortung mehr für ihre Stadt übernimmt? Das Grundproblem der imperativen Deutung der Festivalisierung ist, dass sie zerstört, was sie zu inszenieren versucht. Was eine Stadt liebenswert macht, sind neben ihrer Lage und Aufenthaltsqualität, die wesentlich durch einen anspruchsvoll gestalteten öffentlichen Raum bestimmt wird, auch ihre versteckten Schätze. Und die entstehen durch Geschichte, Leben und Benutzung, nicht durch Inszenierung.

anthos, Mi., 2009.06.03



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anthos 2009/2 G|59 – und 50 Jahre danach

01. September 2008Sabine Wolf
db

Und mittendrin ein Park

Der in Zürichs Nachbarstadt Opfikon gelegene »Glattpark« ist mit 670 000 Quadratmetern das größte Entwicklungsgebiet der Schweiz. Hier wird noch bis 2015 ein ganzer Stadtteil neu erbaut. Sein Zentrum bildet bereits heute der Opfikerpark mit einem rechteckigen, über fünfhundert Meter langen See. Mit dieser Dimension und einem klaren, äußerst großzügigen und minimalistischen Entwurf entwickelt die Anlage ein starkes Bild einer Landschaft, das der heterogenen Struktur der Umgebung wohltuend entgegenwirkt.

Der in Zürichs Nachbarstadt Opfikon gelegene »Glattpark« ist mit 670 000 Quadratmetern das größte Entwicklungsgebiet der Schweiz. Hier wird noch bis 2015 ein ganzer Stadtteil neu erbaut. Sein Zentrum bildet bereits heute der Opfikerpark mit einem rechteckigen, über fünfhundert Meter langen See. Mit dieser Dimension und einem klaren, äußerst großzügigen und minimalistischen Entwurf entwickelt die Anlage ein starkes Bild einer Landschaft, das der heterogenen Struktur der Umgebung wohltuend entgegenwirkt.

Das Glattal nördlich der Stadtgrenze Zürichs ist eine jener Regionen, die zum Synonym für fraktale, urbane Stadtlandschaften geworden sind. Eine Region, die bestimmt ist durch das »Dazwischen« – zwischen Siedlung und Brache, Un- und Umnutzung, zwischen Autobahn, Klär- und Müllverbrennungsanlage, Fernsehstudio, Wohn- und Bürobauten sowie den Gleisen der neuen Glattalbahn. Inmitten dessen liegt nun der Opfikerpark.

Beinahe fünfzig Jahre währte die Planungsdiskussion um die »teuerste Wiese Europas«. Mitte der neunziger Jahre fiel die Entscheidung, die seit 1946 drainierte Sumpffläche, das ehemalige Oberhauserriet, mit einem urbanen Mischquartier – mit Wohn- und Arbeitsraum für je 7000 Personen – zu überbauen. Als Ausgleich zur verdichteten Bauweise wurde im Quartierplan eine 12,4 Hektar große Parkanlage mit See ausgewiesen, eine gigantische Dimension für die Schweiz! Den 2001 ausgelobten Wettbewerb einer »regionalen Parkanlage« gewann das Berliner Büro Kiefer, seit seiner Gründung 1989 eines der erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Landschaftsarchitekturbüros. Das Zürcher Büro Hager, mit dem Kiefer, zusammen mit den Fachplanern, eine Planungsgemeinschaft bildete, übernahm die lokale Projektbetreuung und -koordination. Nach einer Bauzeit von eineinhalb Jahren und Baukosten von rund 16,5 Millionen Schweizer Franken (10,2 Millionen Euro) feierte der Park im Dezember 2006 Eröffnung.

Klar zonierter Streifen

Kiefers Projekt reagiert auf die heterogene Umgebung mit einem großzügigen und ruhigen Entwurf einer klar strukturierten Parkanlage: einer linearen, lang gestreckten Sichtbeton- »Skulptur« aus Rampen und Scheiben, flankiert von einer Promenade auf der einen und einer Wiese auf der anderen Längsseite. An den Kopfenden, eingespannt zwischen der Haltestelle Fernsehstudio der Glattalbahn im Süden und der Autobahn im Norden, reihen sich verschiedene Funktionsfelder aneinander. Das Zentrum bildet ein riesiges Wasserbecken, 550 Meter lang, 41 Meter breit und in der Mitte drei Meter tief. Seinen Anfangs- und Endpunkt markieren Plätze: Am urbanen südlichen Siriusplatz tauchen, wie Bootsrampen, nebeneinanderliegende Betonkeile unterschiedlicher Länge und Breite ins Wasser ein. Am gegenüberliegenden Beckenende läuft ein leicht ansteigender Sandstrand in einem Beachvolleyballfeld aus, an das sich ein asphaltiertes Basketballfeld und der nördliche Platz, möbliert mit einer Tischtennisplatte, anschließen. Hier wird das Rampenmotiv wieder aufgenommen und die lineare Form konsequent in einer auf fünf Meter Höhe steil ansteigenden Sichtbetonrampe weitergeführt. Sie formt sich zu einem Aussichtsplatz aus und steigt an dessen rückwärtigem Ende senkrecht auf knapp zehn Meter weiter empor – integriert in den Lärmschutzwall zur dahinter liegenden Autobahn.

Ebenso klar wie die Formen und Elemente der Anlage sind auch die Beläge – Sichtbeton und wassergebundene Decke mit anthrazitfarbener feiner Kiesschüttung. Der entwurfsprägende Minimalismus ist in der Pflanzenverwendung fortgeführt – Platanen (Platanus hispanica), Schilf (Phragmites australis) und Intensivrasen dominieren. Die Anlage hat trotz oder gerade aufgrund ihrer Rigidität großen Charme. Dies liegt vor allem daran, dass sie nicht der Schau, sondern der Nutzung dient – die Rampen laden zum Skaten ein, die häufig als zu wuchtig kritisierten Brückengeländer zum Sprung ins Wasser, die Betonkeile im Süden zum Sitzen und Verweilen – stets als Angebot formuliert, das angenommen werden kann, und stets offen für eigene Ideen der Gäste.

Ein Fuß- und Radwegenetz, das die orthogonalen Strukturen des Baugebietes aufnimmt, ist verbindend über Bebauung und Park gelegt. Sein Hauptelement ist die 7,70 Meter breite Hamilton-Promenade, an die zu Stufen ausgebildete Betonrampen und ein flach ins Wasser abfallender Sandstrand anschließen. Wo die aus der zonal gegliederten Bebauung herausführenden Wege auf die Promenade stoßen, schieben sich platanenbestandene Kanzeln in den See, dreiseitig gerahmt durch brüstungshohe Sichtbetonscheiben. Drei Metallstege überspannen den See orthogonal von den Kanzeln aus.

Ein zweireihiges Schilfband entlang des östlichen Ufers ist Gestaltungselement und fungiert zugleich als Kleinst-Kläranlage: Es entzieht dem Wasser Nährstoffe und sichert dadurch die hohe Wasserqualität des primär durch Regenwasser gespeisten Sees. In naturnahen Nischen des Schilfbandes wachsen Sumpfschwertlilie (Iris pseudoacorus), Froschlöffel (Alisma plantago-aquatica) und Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia). Die anschließende offene Liegewiese grenzt an den »Technik-Wald-Archipel«, wie ihn Gabriele Kiefer in ihrem Entwurf genannt hat. Hier liegt, versteckt hinter zum Teil neu aufgeforsteten Bäumen, ein Relikt des ehedem fraktalen Ortes: Das ursprüngliche Klärwerk, das, frisch saniert, als Tagungszentrum gemietet werden kann.

Landschaftsarchitektur als Motor

Der von der Stadt Opfikon betriebene Park genießt bereits heute große Akzeptanz in der Bevölkerung. Während die Angestellten in den umgebenden Bürogebäuden die nüchterne Noblesse von Promenade und Siriusplatz schätzen, ist der See eine regionale Attraktion. Am Wochenende fahren sogar die Stadtzürcher hierher zum Baden und Entspannen – noch ist der Opfikerpark tatsächlich erholsam und nicht so überlaufen wie die »Badis« an Zürisee und Limmat.

Seinen Erfolg verdankt die Anlage insbesondere drei Faktoren: Erstens der wegweisenden Konzeption des neuen Stadtteils mit der frühzeitigen Fertigstellung des Naherholungsraumes und des Anschlusses an den öffentlichen Nahverkehr. Zweitens dem herausragenden landschaftsarchitektonischen Entwurf mit seiner bildgebenden Klarheit, seiner hohen Flexibilität sowie seinen vielen zulässigen Deutungsmustern und Angeboten. Zentral ist hier das starke Bild, das unsere Räume im »Dazwischen« so häufig vermissen lassen. Ein Bild, das sie eindeutig verortbar macht. Drittens einem Parkmanagement, das auf akute Probleme prompt reagiert: Berechtigten Vorwürfen, der Park biete zu wenig Schatten, zugleich fehle es an Einrichtungen der Nahversorgung, wird mithilfe der »Parklotsen« begegnet. Sie betreiben im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der Stadt Opfikon, betreut von der Plattform Glattal – einem Verein für soziale Angebote –, einen mobilen Kiosk auf dem Areal. Hier verleihen sie neben Spielgeräten auch Sonnenschirme, verkaufen Eis und kühle Getränke.

Im Glattal ist die Landschaftsarchitektur nicht nur Beiwerk, sondern wird zum Motor einer zukunftsfähigen Regionalentwicklung. Der Opfikerpark ist kein Solitär, vielmehr eingebunden in ein regionales Freiraumnetz. Er ist einer von mehreren in den letzten Jahren in und um Zürich neu entstandenen Parks (vgl. db 08/07, Parks in Neu-Oerlikon); in direkter Nachbarschaft laufen aktuell mit dem Andreaspark und dem Leutschenpark, der im Herbst 2008 eröffnet wird, zwei weitere Realisierungen. Mit ihnen wird die Agglomeration weiter aufgewertet und die Landschaftsarchitektur als Motor erhält neuen Treibstoff.

db, Mo., 2008.09.01



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22. Mai 2008Sabine Wolf
anthos

Subtile Totalsanierung

Die ersten öffentlichen Badeanstalten Zürichs wurden an See, Limmat und Sihl erbaut, später folgten die Quartierbäder. Sie alle müssen regelmässig renoviert, saniert und aktuellen Bedürfnissen angepasst werden.

Die ersten öffentlichen Badeanstalten Zürichs wurden an See, Limmat und Sihl erbaut, später folgten die Quartierbäder. Sie alle müssen regelmässig renoviert, saniert und aktuellen Bedürfnissen angepasst werden.

Zürich unterhält heute bei 370 000 Einwohnern 42 Schwimmbäder und hat damit die höchste Bäderdichte der Welt. Das erste künstlich angelegte Beckenbad unter freiem Himmel, das Freibad Allenmoos in Zürich- Oerlikon, feierte 1939 Eröffnung. Die prominenteste Badeanstalt der Stadt jedoch ist Max Frischs Freibad Letzigraben, als zweites künstlich angelegtes Bad 1949 eröffnet.

Max Frisch als Architekt Frisch studierte 1936 bis 1940 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich Architektur. 1943 gewann er den Wettbewerb für das Quartierbad Letzigraben, konzeptionelle Zielsetzung war die «äusserste Auflockerung aller Bauten». Gruppiert angeordnete Pavillons mit Umkleiden, die das Gelände an drei Seiten flankieren, ohne es gegen die umgebende Bebauung abzuschirmen, bilden den gestalterischen Rahmen. Im Inneren der Anlage steht eine grosszügige, sanft modellierte Freifläche für den Badebetrieb zur Verfügung. Hierfür plante Frisch ein Nichtschwimmerbecken, ein 50-Meter-Schwimmerbecken sowie ein 50-Meter-Schul- und -Sportbecken mit Drei-, Fünf und Zehnmeterturm – dem ersten der Schweiz. Hinzu kam ein Planschbecken für Kleinkinder.

Das Gestaltungskonzept der Anlage entwickelte Frisch gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Gustav Ammann, der zuvor unter anderem für das Freibad Allenmoos verantwortlich zeichnete. Die geschwungenen Beckenränder des Nichtschwimmer- sowie des Kleinkinderbeckens sind in Anlehnung an natürliche Gewässerformen entwickelt. Die Wege sind organisch geführt und durch unterschiedliche Breiten und Materialisierungen gegliedert. Etwa vierhundert Bäume und tausend Sträucher wurden gesetzt, artenreiche Bepflanzungen säumten Becken und Wege. Auf dem höchsten Punkt der Anlage thront ein achteckiger, von einer offenen Terrasse eingefasster Restaurant-Pavillon.

Der Baubeginn wurde bis August 1947 hinausgeschoben, am 18. Juni 1949 öffnete das «Letzibad», ausgelegt für 4200 Gäste. Die Gesamtbaukosten betrugen 4,5 Millionen Franken.

Subtile Totalsanierung

Das hohe Alter der Anlagen, geänderte Nutzungsansprüche sowie bauliche Veränderungen in den vergangenen 60 Jahren hatten den ursprünglichen Charme des Bades gemindert. 2005 wurde die Notwendigkeit einer Totalsanierung des – aufgrund seiner architektonischen Qualität und kulturellen Bedeutung – als Baudenkmal klassifizierten Bades festgestellt. 2006/07 wurden die Arbeiten ausgeführt.

Die Stadt Zürich als Bauherrin, vertreten durch das Amt für Hochbauten, vergab den Auftrag der architektonischen Sanierung an das Zürcher Büro weberbrunner architekten. Ziel war eine Annäherung an den Originalzustand, einschliesslich des ursprünglichen Farbkonzeptes. Durch Um- und Rückbau an den Gebäuden erhielten diese ihre offene Leichtigkeit zurück. Dem Zehn-Meter-Sprungturm wurde wieder ein zweiter Drei-Meter-Turm zur Seite gestellt, sodass das ursprüngliche, symmetrische Ensemble hergestellt werden konnte. Das Kleinkinderbecken wurde an seinen ursprünglichen Standort verlegt, Details wurden erneuert. Hinzu kamen zeitgemässe Attraktionen: Das Nichtschwimmerbecken ist neu mit einem Strömungskanal ausgestattet worden, das Schwimmerbecken erhielt Massagedüsen, das Sportbecken eine unterirdische Wellenerzeugungsanlage und Unterwasserbeleuchtung.

Die Sanierung der Landschaftsarchitektur übernahm das Büro SKK aus Wettingen. Auch hier war die Aufgabe eine subtile Totalsanierung, das Ergebnis sollte dem Ursprungsprojekt möglichst nahe kommen. Den restaurierenden Massnahmen «Bepflanzungskonzept», «Aufwertung Gartenhof» und «Wiederherstellung Zierteich beim Pavillon» kam höchste Priorität zu. Es galt, den wertvollen Baumbestand zu erhalten und Sichtbeziehungen, besonders die Einsichten in die Wasserbecken, wieder herzustellen. Bereiche, die ihre ursprüngliche Qualität verloren hatten, wurden – wenn möglich entsprechend den alten Pflanzplänen – neu bepflanzt, das Zierbecken beim Restaurant, die Natursteinmauern und die Steinplattenwege wieder hergestellt. Lockere Baum- und Strauchgruppen, geschwungene, mit Naturstein gesäumte Wege und prächtige Staudenpflanzen prägen heute erneut das Bild der Anlage.

Am 11. Mai 2007 wurde das gelungen sanierte Freibad wieder eröffnet. In einem Teil der ursprünglichen Sammelgarderobe ist eine während der Saison zugängliche Ausstellung zu Leben und Werk Max Frischs sowie zu seinem Freibad eingerichtet. So kommt bei einem Freibadbesuch neben der körperlichen Ertüchtigung auch das Geistige nicht zu kurz.

[Sabine Wolf, Stadtplanerin, Zürich]

anthos, Do., 2008.05.22



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