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04. Juli 2011Bernd Schubert
Heiner Rodel
anthos

IFLA und die Schweiz

Wenn die Stadtpräsidentin von Zürich, Corine Mauch, am 26. Juni 2011 auf der Blatterwiese am Zürichsee die Gäste aus aller Welt begrüsst und am 27. die...

Wenn die Stadtpräsidentin von Zürich, Corine Mauch, am 26. Juni 2011 auf der Blatterwiese am Zürichsee die Gäste aus aller Welt begrüsst und am 27. die...

Wenn die Stadtpräsidentin von Zürich, Corine Mauch, am 26. Juni 2011 auf der Blatterwiese am Zürichsee die Gäste aus aller Welt begrüsst und am 27. die Präsidentin der International Federation of Landscape Architects (IFLA), Desiree Martínez, den 48. IFLA-Weltkongress «Scales of Nature – From Urban Landscapes to Alpine Gardens» eröffnet, ist dies bereits das dritte Mal, dass die Schweiz Gastgeber eines IFLA-Weltkongresses ist. 1956 fand in Zürich der 5. und 1980 in Bern der 18. Weltkongress statt. Doch bereits vor der Gründung der IFLA 1948 in Cambridge engagierten sich Schweizer Landschaftsarchitekten zusammen mit initiativen Kollegen mehrerer Länder, eine internationale Berufsorganisation ins Leben zu rufen.

Die Gründung der IFLA und die Rolle Walter Leders

Die Idee, den internationalen Beziehungen zwischen den Landschaftsarchitekten eine feste Struktur zu geben, wurde vor allem anlässlich von internationalen Gartenbauausstellungen und Kongressen über Gartenarchitektur (später Gartenkunst) immer wieder diskutiert, so 1935 in Brüssel, 1937 in Paris, 1938 in Berlin / Hannover / Essen und 1939 in Zürich. Am Kongress in Zürich nahmen rund 200 Fachleute aus 12 Ländern teil; er wurde am 31. Juli im neuen, gerade fertig gestellten Kongresshaus eröffnet, wo auch der diesjährige Weltkongress stattfindet. Die Teilnehmer hatten die Gelegenheit, die Anlagen der Schweizerischen Landesausstellung 1939 («Landi») zu besuchen und sich mit der jüngsten Entwicklung der Schweizer Landschaftsarchitektur auseinanderzusetzen, wobei der leitende Gartenarchitekt der Landi, Gustav Ammann, eine zentrale Rolle spielte.

Unterbrochen wurden all diese Bemühungen durch den verheerenden 2. Weltkrieg, der am 1. September 1939 begann. Erst 1948 nahm die Idee wieder konkrete Züge an. Nach einer internationalen Konferenz und Ausstellung in London lud das Institute of Landscape Architects (ILA) am 14. und 15. August zu einem Treffen im Jesus College in Cambridge ein. 20 Landschaftsarchitekten aus 14 nationalen Berufsverbänden beschlossen hier einstimmig die Gründung der «International Federation of Landscape Architects». Vertreten waren elf europäische Verbände (Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Norwegen, Polen, Schweden, Schweiz, Spanien); Gründungsmitglied in Abwesenheit waren auch die Niederlande. Die anwesenden Vertreter von Chile, Kanada und den USA waren von ihren Verbänden nicht autorisiert, unterstützten aber persönlich die Gründung.1 Der Enthusiasmus, Europa auf den Trümmern des Krieges wieder neu aufzubauen, beflügelte die Landschaftsarchitekten zu diesem bedeutenden Schritt. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte kamen dann weitere Länder dazu. Die IFLA wurde schliesslich zur weltumspannenden Dachorganisation, die heute nationale Berufsverbände aus 60 Ländern und 17 weitere Länder mit Individualmitgliedern umfasst.

Für die Schweiz war 1948 der bekannte Zürcher Landschaftsarchitekt Walter Leder als IFLA-Gründungsmitglied und Delegierter des damaligen Bundes Schweizerischer Gartengestalter BSG (heute Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen BSLA) in Cambridge. Walter Leder war ein engagierter Verfechter internationaler Zusammenarbeit. Er spielte nicht nur eine wichtige Rolle bei der Gründung der IFLA, sondern übte auch in den Folgejahren zentrale Funktionen aus. Von 1951 bis 1953 war er IFLA-Kassier und von 1954 bis 1956 – als Nachfolger von Sir Geoffrey Jellicoe – der zweite IFLA-Präsident.

Der Kongress in Zürich und die Nachkriegsjahre

Der 5. IFLA-Weltkongress vom 20. bis 23. August 1956 im Auditorium Maximum der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich mit dem Thema «Landscape in contemporary life» («Landschaft im Leben der Neuzeit») wurde von rund 250 Besuchern aus 25 Ländern besucht. Vorbereitet unter der Leitung des BSG-Präsidenten Richard Arioli, eröffnet durch den IFLA-Präsidenten Walter Leder, standen vier Schwerpunkte zur Diskussion: die Stadtlandschaft, die Industrielandschaft, die Agrarlandschaft und die Naturlandschaft. Kontext dieser Diskussion waren die Aufbruchstimmung und der Wille zur Erneuerung in Europa. Prof. Erich Kühn formulierte: «Der Städtebau steht vor einer Revolution, und Hauptträger dieser Revolution dürfte die Landschaftsarchitektur sein.» «Die neue Aufgabe lautet, dem Städter in Wohnungsnähe die Möglichkeit zu bieten, seine Freizeit in schöpferischem Tun zu verbringen, sei es im Garten oder bei Spiel und Sport.» Auch die Raumplanung zur «geordneten Besiedlung des Landes» sowie die Landschaftsplanung «auf ökologischer, soziologischer und ethischer Grundlage» wurden gefordert. Im Helmhaus fand begleitend zum Kongress eine viel beachtete Ausstellung zum Thema «Mensch und Landschaft» statt.

Die Schweiz, und besonders Zürich, hatten in den Nachkriegsjahren eine grosse Anziehungskraft für Landschaftsarchitekten und Architekten. Vom Krieg verschont und von vergleichsweise hohem Wohlstand begünstigt, konnten sich Landschaftsarchitektur und Architektur in der Schweiz kontinuierlich weiterentwickeln und erreichten einen hohen Standard. Ein Jahr vor dem Kongress war auch das bekannte Buch des Landschaftsarchitekten Gustav Ammann «Blühende Gärten» erschienen. Er widmete einen grossen Teil des Werkes dem internationalen Interesse am Siedlungsbau in der Schweiz und der speziellen Rolle der Landschaftsarchitektur: «Die Bilder zu diesen Anlagen (in Fotos und Plänen dargestellt und kommentiert, Red.) zeigen das Streben, durch einen Ausblick in die Natur, durch Schaffen einer Grünanlage, den wachsenden Hunger nach Landschaft und Naturverbundenheit zu stillen, die Spannungen zu lösen und zum Wiederaufbau, zur Re-Kreation von Körper und Geist beizutragen.» Bücher zu Architektur und Städtebau, wie beispielsweise «Schweizer Architektur» von Hans Volkart (1951), in dem auch die Freibäder Letzigraben und Allenmoos beschrieben werden, sprachen vom «Lehrbeispiel Schweiz».

Ihre Fortsetzung fand die Demonstration landschaftsarchitektonischer Arbeiten wenige Jahre später in der weit über die Grenzen hinaus beachteten Gartenbauausstellung G|59 an den Ufern des Zürichsees. Mit dieser Ausstellung wurde eine grossräumige Parklandschaft und damit der wertvollste Erholungsraum für die Bevölkerung von Stadt und Region geschaffen (siehe anthos 2/2009).

Der Kongress in Bern

Ein weiterer IFLA-Weltkongress fand vom 8. bis 11.9.1980 in Bern mit dem Thema «Fluss- und Seelandschaften» statt. Die Organisation lag in den Händen des Stadtgärtners von Bern, Willy Liechti, die fachliche Vorbereitung bei Klaus Holzhausen, Ottomar Lang und Bernd Schubert (Vorträge, Workshops) sowie Kurt Huber (Exkursionen). Willy Liechti kam leider kurz nach dem Kongress auf tragische Weise ums Leben. Dieser Kongress zog noch weitere Kreise als der von 1956, vertreten waren nun – entsprechend der Entwicklung der IFLA – 34 Länder aller Erdteile mit rund 350 Teilnehmern. Zum ersten Mal nahm mit Prof. Zhang Weizhen aus Wuhan ein Vertreter der Volksrepublik China teil, der auch einen Vortrag hielt. Das kam damals einer kleinen Sensation gleich. Der Vortrag wurde als Abendveranstaltung für ein breites Publikum geöffnet und hatte einen enormen Zulauf. Die Erhaltung und Entwicklung von Kultur- und Naturlandschaften an Flüssen und Seen wurde in theoretischen Beiträgen und anhand von vorbildlichen Planungen und Gestaltungen als weltweit bedeutsame Aufgabe postuliert. Bundesrat Kurt Furgler formulierte es in seiner Eröffnungsrede mit Blick auf die Schweiz optimistisch: «Was uns in der Schweiz am Herzen liegt, umschreibt das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Bundesgesetz über die Raumplanung mit einem kurzen, unmissverständlichen Grundsatz: Die Landschaft ist zu schonen, insbesondere sollen See- und Flussufer freigehalten und ein öffentlicher Zugang erleichtert werden.» Die Realität zeigt heute leider über weite Strecken ein anderes Bild. anthos begleitete den Kongress in einer speziellen Ausgabe (2/1980) und berichtete ausführlich über dessen Verlauf sowie die Ergebnisse (4/1980).

Da im gleichen Jahr die innovative und viel diskutierte Gartenbauausstellung «Grün 80» in Basel stattfand (siehe anthos 1/1980 und 4/1980), hatten die Kongressbesucher in einer der Nachkongresstouren die Möglichkeit, sich mit den hier vorgestellten Ideen auseinander zu setzen.

Funktionen in der IFLA-Organisation

Neben dem Gründungsmitglied und zeitweiligen IFLAPräsidenten Walter Leder übten auch weitere Vertreter der Schweiz Funktionen bei der IFLA aus. Vor allem die Kassenführung lag mehrfach in Schweizer Händen, 1951 – 53 bei Walter Leder, 1974 – 79 bei Pierre Zbinden, 1985 – 90 bei Franz Vogel und 1992 – 95 sowie 2000 – 01 bei Heiner Rodel. Auch heute wird das Rechnungswesen der IFLA noch in Schweizer Franken geführt. Gustav Ammann (1954) und Heiner Rodel (1996 – 99) wirkten ausserdem jeweils als IFLA-Generalsekretäre. Es versteht sich, dass der BSLA auch immer einen ständigen Delegierten bei der IFLA hatte (Walter Leder, Richard Arioli, Willy Jacquet, Pierre Zbinden, Eugen Fritz, Jean Boccard, Klaus Holzhausen, Franz Vogel, Heiner Rodel, und heute Christian Tschumi).

anthos als offizielles Mittelungsblatt der IFLA

anthos, die Schweizer Fachzeitschrift für Landschaftsarchitektur, war seit ihrer Gründung 1962 bis zum Jahre 2003 offizielles Mitteilungsblatt der IFLA. Bis zur Herausgabe eines eigenen Informationsblattes, den IFLANews (ab 1978), welche heute in digitaler Form den Mitgliederverbänden zugehen, der Herausgabe der IFLA-Jahrbücher (1980 – 1992) und natürlich später dem Internetauftritt der IFLA berichtete anthos umfassend über die Sitzungen des IFLA World Council, dessen Beschlüsse, weltweite Aktivitäten, Kongresse usw. Bis heute erscheinen sporadisch Berichte des Schweizer IFLA-Delegierten in anthos; zusammen mit der IFLA gab anthos auch spezielle Hefte heraus, so über «Bedrohte Landschaften» (3/1985) und «Historische Landschaften» (4/1991).

Den diesjährigen, 48. IFLA-Weltkongress «Scales of Nature – From Urban Landscapes to Alpine Gardens» begleitet anthos als Medienpartner.

anthos, Mo., 2011.07.04



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anthos 2011/2 48. IFLA-Weltkongress «Scales of Nature»

27. September 2010Bernd Schubert
Sabine Wolf
anthos

Blumengraffiti

Maurice Maggi ist «Guerilla Gardener», der seine Arbeiten selbst Blumengraffiti nennt. Ausgebildet ist er als Landschaftsgärtner, später auch als Koch; zurzeit kocht er für Karl’s kühne Gassenschau in Saint-Triphon. Bernd Schubert und Sabine Wolf unterhielten sich mit ihm über seine Aktionen in Zürich und anderen Städten und über deren Hintergründe.

Maurice Maggi ist «Guerilla Gardener», der seine Arbeiten selbst Blumengraffiti nennt. Ausgebildet ist er als Landschaftsgärtner, später auch als Koch; zurzeit kocht er für Karl’s kühne Gassenschau in Saint-Triphon. Bernd Schubert und Sabine Wolf unterhielten sich mit ihm über seine Aktionen in Zürich und anderen Städten und über deren Hintergründe.

Maurice, Du bist mittlerweile ein berühmter Guerilla-Gärtner – wenn auch seit einiger Zeit geoutet. Was waren Deine Motive, als Du 1984 begannst, in Zürich aktiv zu werden?

Das damalige Gartenbauamt war sehr besorgt darum, die Alleebäume unkrautfrei zu halten. Und als Gärtner, der ich damals noch war, reizte es mich, meine Berufskollegen herauszufordern: Was würden sie machen, wenn sie vor meterhohen Malven stehen und sie vernichten sollen? Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres für einen Fachmann, als versehentlich eine Kulturpflanze auszujäten. Darum haben sie diese, vielleicht auch aus Freude an den Blumen, stehenlassen. Und so brach ich eigentlich das Pflegekonzept der Stadt Zürich auf. Als jemand, der in der 68er-Bewegung aufgewachsen ist, reizte mich die Provokation.

Du hast ein «Malvenkataster» angelegt, das zeigt, wo Du Malven in Zürich gesät hast. Hattest Du von Anfang ein Konzept?
Meine Idee war zuerst einfach, nämlich meine Bewegungsräume zu zeichnen. Später war es eine Art Vision. Ich dachte mir, wenn ein Fremder in die Stadt fährt, wäre es schön, wenn er in den Aussenquartieren zuerst einzelne Malven antrifft. Und je weiter er ins Zentrum kommt, desto mehr verdichtet sich das. Ein Traum war, dass sich die Malven in der Innenstadt so verdichten, dass sie unübersehbar werden. Dass man in einem Malvennetz verfangen wird.

Waren es nur Malven?
Ja, am Anfang.

Hattest Du Vorbilder? Guerilla Gardening gibt es als Begriff ja seit den 70er Jahren.
Er wurde 1973 in New York durch die Künstler- und Aktivistengruppe um die Künstlerin Liz Christy geprägt. Christy war Teil einer Gruppe, die sich Green Guerilla nannte. Ich kannte sie damals aber noch nicht. Guerilla Gardening kam aus den USA erst in den 1980ern nach Europa. Wenn ich so zurückdenke, glaube ich eher, dass es eine Zeiterscheinung war. Auch «Asterix in der Trabantenstadt», das 1971 herauskam, könnte mich beeinflusst haben: Die Römer holzten den Galliern die Eichenwälder ab, aber die hatten eine Wundereichel, die haushohe Eichen in Sekunden nachwachsen liess. Und Flowerpower war ja auch schon ein Ausdruck der Hippiebewegung.

Anfang der 1980er gab es in Zürich Jugendunruhen, die Opernhauskrawalle, die Schliessung des Autonomen Jugendzentrums AJZ, eine Auflehnung gegen die Stadt. War es da nur logisch, dass Du in Zürich tätig wurdest?
Ja, ich war in den 80er Jahren sehr aktiv in dieser Szene. Sie hat mich gefärbt. Es war für mich auch eine Befreiung von der Kopflastigkeit der 68er Jahre. Als Gärtner empfand ich Blumen als gutes Medium des Protestes, weil sie ja etwas Liebliches sind, und die meisten Menschen Blumen als etwas Schönes empfinden. Schon bevor ich mit den Malven begann, haben wir – noch in der Lehre – oft Rasensamen in unsere Pflasterungen gemischt, einfach so. Um zu schauen, was passiert.

Du bist nun schon ein viertel Jahrhundert aktiv. Was waren – zurückblickend – Deine grössten Erfolge, Deine bittersten Niederlagen?
Es gibt ein Beispiel, das beides verknüpft. Den Oberen Letten. Nach der Stilllegung der Bahnlinie bestand noch die Gefahr, dass das Areal überbaut wird. Da habe ich mir eine Samenmischung für die Schotterpiste zusammengestellt, mit zum Teil raren und schützenswerten Pflanzen, und sie – natürlich im Verborgenen – eingesät. Mein Gedanke war, bei einem Baubegehren den offiziellen Naturschutz zum Widerstand zu animieren. Es kam zunächst anders. Nach der Schliessung des Platzspitzes entstand hier die offene Drogenszene. Nachdem diese auch wieder aufgelöst wurde, blühte das nun mit einem Stacheldrahtzaun umgebene Areal richtig auf, es wurde von Eidechsen, Schleichen und Falterarten besiedelt. Wir wollten hier 1998 ein Strandcafé eröffnen, um das Gebiet auch einer allgemeinen Nutzung zuzuführen. Die Stadt lehnte ab, da das Gebiet – mit «meiner» Pflanzenwelt – unter Schutz gestellt werden sollte. Da habe ich mich gegenüber dem Gartenbauamt (heute Grün Stadt Zürich) zum ersten Mal geoutet, um zu belegen, dass es sich hier um ein künstliches Produkt handelt. Wir stellten der Stadt das Konzept «Respekt» vor, mit je einem Drittel naturbelassener Fläche, Gastronomie und Sport. So wurde es dann auch eröffnet, und die Stadträtin Martelli, damals Leiterin des Tiefbauamtes, konnte sich die neue Attraktion – eine Stadtoase – auf ihre Fahne schreiben.

Und um das zu erreichen, hast Du Dich geoutet?
Ja. Ich hatte mir doch selber beinahe ein Ei gelegt. Wir mussten über 40 Amtsstellen anlaufen und überzeugen, um die Bewilligung für unseren Gastronomiebetrieb zu erhalten.

War diese Mühsal die erwähnte Enttäuschung?
Nein, sondern vor allem das, was nachher kam. Der angrenzende Tunnel wurde zugeschüttet und das Areal nach einem Wettbewerb von Rotzler Krebs Partner neu gestaltet. Die Drittellösung blieb Grundlage der Gestaltung. Aber enttäuschend war, dass die Stadt die Künstlichkeit meiner Ansaat nicht erkannte, auf eine neue Saat verzichtete und so einfach ein Brombeergestrüpp entstehen liess, das zunehmend verwahrloster aussieht. Die Fachstelle Naturschutz hatte sich zum Nichtstun entschlossen.

Machst Du heute noch Aktionen im Verborgenen?
Ja. Heute säe ich aber grossflächiger, nach Farben getrennt ein, damit man die Künstlichkeit erkennt. Auch Malven, mein Markenzeichen, sind dabei, aber noch weitere Pflanzen, in ein oder zwei Farben. Zum Beispiel in Zürich West.

Welche Pflanzen verwendest Du neben den Malven am liebsten?
Neben den Malven bin ich streng und verwende nur einheimische Pflanzen. Die Wegwarte finde ich ganz toll, aber auch Wiesensalbei, Johanniskraut, Königskerzen, Wilde Möhren, Akelei, Karden und Distelarten. Leider erkennen die Gärtner viele Pflanzen nicht, sie lassen zwar die Malven stehen, schneiden aber die anderen runter oder beseitigen sie. Ich bin jetzt dran, meine Liste an die Stadträtin Frau Genner weiterzugeben, vielleicht ist eine Schulung der Gärtner möglich. Einzelne Gärtner lassen aber auch schon heute mehr stehen, das freut mich sehr.

Erhältst Du Rückmeldungen aus der Bevölkerung?
Viele. Die Menschen drücken ihre Freude aus, in Briefen und Telefonaten. Und sie weisen mich auf Orte hin, wo ich auch noch aktiv werden sollte. Viele schicken mir auch Samen aus ihrem Garten. Ich habe auch schon gehört, dass Anwohner die Pflanzen gegen die Pflegeequipen verteidigt haben. Ich freue mich natürlich über diese Akzeptanz.

Und das Medieninteresse scheint auch nicht nachgelassen zu haben?
Es ist unglaublich, wie lange das Interesse in den Medien anhält. Es nimmt eher zu als ab. Von Richard Reynolds ist 2009 ein neues Buch erschienen: Guerilla Gardening – ein botanisches Manifest. Über meine Tätigkeit wurden Filme gedreht, zum Beispiel von Florian Schaffner oder Roland Archini. Und an der Fachhochschule Osnabrück war kürzlich sogar ein Kongress über Guerilla Gardening, zu dem ich auch eingeladen war. Der Begriff ist allgemein eingeführt, aber ich mag ihn eigentlich nicht. Ich bezeichne meine Arbeiten lieber als Blumengraffiti.

Das Thema dieser «anthos»-Ausgabe sind ja die Stadtoasen. Kannst Du Deine Tätigkeit auch unter diesem Thema einordnen? Oder was verstehst Du unter Stadtoasen?
Ich glaube schon, dass ich dazu beitrage. Es gibt einige Orte, die für mich Stadtoasen sind. Zum Beispiel der Platz vor dem Tamedia-Gebäude an der Sihl. Als die Parkfläche verschwand, habe ich dort eingesät, und zwei Jahre lang wurde nicht gemäht. Es entstand eine wunderbare Wiese. Als ich letztes Jahr mit einer Fotografin den Ort besuchte, war ich überrascht, wie viele Schmetterlinge mir um die Ohren flogen. Toll, dachte ich. Doch dann erfuhr ich, dass sich meine Wege mit denen von André Rey kreuzten, der Raupen einheimischer Schmetterlinge ausgesetzt hatte. Ich war erst ein wenig enttäuscht, doch nachher freute ich mich, dass er dasselbe tut – und ich auf diese Art erwischt wurde, wie viele Leute, die glauben, dass die Pflanzen von allein die Stadt zurückerobern.

Müssten wir uns Freiräume, den öffentlichen Raum, noch mehr aneignen, sozusagen als Rückeroberung durch den Menschen?
Grünräume spiegeln immer auch die gesellschaftliche Situation wider. In meiner Kindheit war am Seebecken noch das Betreten des Rasens verboten. Heute würde das als Witz verstanden. Seht euch nur die Wiese beim Arboretum an einem warmen Tag an. Man besetzt heute Flächen schon ganz anders, doch ich glaube, man könnte das noch viel mehr ausreizen. Ich war gerade in Berlin. Am Moritzplatz in Kreuzberg haben zwei junge Leute einen «Prinzessinnengarten» angelegt. Sie nutzen eine Baubrache, bauen Gemüse und Wildfrüchte an, haben in einem Container ein Restaurant eröffnet, wo sie zusammen mit Arbeitslosen aus der Gegend ihr Gemüse verarbeiten und Marmelade herstellen. Sie haben auch zwei Bienenvölker für die Produktion von Honig. Und sie liefern ihr Gemüse mit dem Fahrrad sogar an Gourmet-Restaurants aus. Als Gärtner und Koch wollten sie mich gleich dort behalten.

Das erinnert sehr an den Ökotopia-Gedanken der 1970er und 1980er Jahre.
Natürlich, doch die Zeit ist wieder reif für solche ökologischen Projekte. Die Medienpräsenz in Berlin ist übrigens riesig. Auch am Kongress in Osnabrück wurden diese Fragen diskutiert. Es wurde nach neuen, besseren Nutzungsformen gesucht.

Die Suche nach einer besseren Nutzbarkeit der Freiräume und der Einsatz von Guerilla Gardening sind doch zweierlei Dinge. Das ginge ja auch ohne Guerillas.
Ja, aber wenn ich mir zum Beispiel die neuen Zürcher Parks anschaue, dann empfinde ich die nur noch als «designed», man muss sie intellektuell lesen. Ganze Generationen müssen nun damit leben. Entspricht das den Bedürfnissen der Bevölkerung? Ich glaube, dass man mit Eingriffen Konzeptkritik äussern kann, Aufmerksamkeit erzeugen, zeigen, dass es auch anders sein könnte.
Im Leutschenpark habe ich Blautöne zum gelben Mergelbelag und weisse Farben zum schwarzen Teerbelag eingesät, um die Strenge aufzubrechen. Die Pflanzen sind sehr schnell wieder verschwunden, um das landschaftsarchitektonische Werk zu schützen.

Hast Du schon Aktionen ausserhalb von Zürich gemacht?
In Bern, Basel, Berlin, München, Mailand, und natürlich in New York. Dort wohnte ich ja längere Zeit, bis 2002.

Seit den Anfängen sind nun 25 Jahre vergangen. Hat sich Deine Motivation verändert? Hast Du eine Entwicklung durchgemacht?
Ja. Am Anfang war es sehr subversiv, gesellschaftspolitisch gefärbt, ein Protest gegen die strenge Ordnung. Als dann das Naturnahe, der Gedanke der Vernetzung in die Pflegekonzepte Einzug hielt, wurde es poetischer. In der neuen Landschaftsarchitektur fühle ich mich aber wieder zur gesellschaftspolitischen Aussage, zum Protest animiert. So bin ich eigentlich nach 25 Jahren zu den Ursprüngen meines Handelns zurückgekehrt.

anthos, Mo., 2010.09.27



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anthos 2010/3 Stadtoasen

03. Juni 2009Sabine Wolf
Bernd Schubert
anthos

Festival Zürich

Die öffentlichen Räume unserer Städte, so auch die Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken, unterliegen mehr und mehr einer Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung. Dauerhafte Werte sind gefährdet, die freie Nutzbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner wird – mindestens temporär – eingeschränkt.

Die öffentlichen Räume unserer Städte, so auch die Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken, unterliegen mehr und mehr einer Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung. Dauerhafte Werte sind gefährdet, die freie Nutzbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner wird – mindestens temporär – eingeschränkt.

Die ökonomischen und kulturellen Globalisierungsprozesse führen seit den 90er-Jahren zur Umstrukturierung unserer Innenstädte. Walter Siebel schrieb bereits 1992 über eine zunehmende «Festivalisierung der Stadtpolitik» und mit ihr jener des öffentlichen Raumes. Siebel verstand darunter eine Politik, die nur noch als Inszenierung von Bedeutungsvollem funktioniere. Ihr Instrument sei eine «Planung durch Projekte», durch punktuelle, inhaltlich, räumlich und zeitlich begrenzte Interventionen. Diese «Festivals» werden damit von der Politik für die Stadtentwicklung instrumentalisiert.

Diese Festivalisierung der Politik, also die Konzentration aller Ressourcen auf ein grosses Ereignis, sei jedoch weder neu noch nur ein Phänomen der Stadtpolitik, wie Siebel weiter festhält. Tatsächlich stellen Grossereignisse seit jeher kommunale Kristallisationspunkte dar, unter deren Deckmantel sich auch divergierende Interessen bündeln lassen. Sie werden als Preis betrachtet, den eine Kommune zahlt, um als Konstrukt sozialer Gemeinschaft zu funktionieren – als eine Stadt, die sich von anderen Städten unterscheidet, wenn auch nur kurzfristig. Die Festivalisierung der Politik erlaubt die Demonstration von Handlungskompetenz und die Mobilisierung von politischem Konsens in einer Situation, in der es immer schwerer wird, handlungsfähige Mehrheiten auf Dauer zusammenzubinden.
Diese Entwicklung wollte Siebel kritisch verstanden wissen. Zunehmend scheint es jedoch, als verstünden viele Städte, auch die Stadt Zürich mit ihrem bisherigen Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber, Siebels Worte als Imperativ: Festivalisiert eure öffentlichen Räume!

Festivalisierung, Kommerzialisierung, Privatisierung

Aus der in die Tat umgesetzten Aufforderung resultiert vielfach die Trias aus Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung, die immer untrennbarer voneinander das Kapital eventbezogen an einen Ort lotsen. Im Zuge der Eventorganisation werden unsere öffentlichen Räume formatgerecht umgestaltet, im Sinne privatwirtschaftlicher Interessen geregelt, teil- und zeitweise der allgemeinen Nutzbarkeit entzogen. Dazu gehört, sie kontrollierbar zu machen. Denn nichts ist unerwünschter als negative Schlagzeilen. So installierte Zürich für die Ausrichtung der EURO 08 neun neue Kameras, sieben in der Fanmeile zwischen Limmat- und Utoquai, zwei am Bahnhof Stadelhofen – alle sind noch dort, teilweise in Betrieb, die übrigen bei Grossanlässen wieder aktivierbar. Zur Überwachung aus der Luft setzte die Stadt erstmals «Drohnen» als fliegende Kameras ein. Der intensive Ausbau der Raumüberwachung im Zusammenhang mit Grossereignissen ist vielerorts Usus. So wandelt der öffentliche Raum seinen Charakter.

Die Städte haben dafür zu sorgen, dass die Exklusivsponsoren zu ihrem Recht kommen, indem nur deren Werbung zu sehen ist und nur deren Getränke ausgeschenkt werden. Darüber hinaus bestimmen einige Sponsoren – noch räumlich begrenzt – die Kleiderordnung der Besucherinnen und Besucher. Schon heute verfügen die Veranstalter damit – noch zeitlich beschränkt – über ein Stück Stadt. Die Nutzungsrechte am öffentlichen Raum werden an den Meistbietenden verkauft, die Bewohner werden zu Statisten der Aufführung.

Von Event zu Event

Längst reicht es nicht mehr, nur gelegentlich eine Grossveranstaltung auszurichten. Um die mobile Eventgemeinde immer wieder anzulocken, stehen die Städte in einem harten Konkurrenzkampf. Das schafft weitere Probleme: Die Events verteilen sich zeitlich über das ganze Jahr, nicht aber räumlich. Sie finden dort statt, wo es der Sponsor wünscht – in den Topplagen. So drängten sich alleine 2008 zahlreiche Veranstaltungen rund um das Zürcher Seebecken: die Street Parade, die EURO 08, das Triathlon-Ereignis Ironman Switzerland, Scater Events, die Feierlichkeiten zum 1. August, der Frauentriathlon, der Gigathlon, die EuroPride, der Swiss Inline Cup, die Zürcher Radmeisterschaft, Freestyle.ch, das Theater Spektakel und das Massenbesäufnis Botéllon. Über 800 000 kamen 2008 zur Street Parade, an die Seepromenade kommen 40 000 Besucher an schönen Wochenenden.

Auch in den kommenden Jahren wird es nicht ruhiger um das Seebecken werden. Am 10. September 2008 tagten Fachleute an der 4. City Tourism Challenge zum Thema der Bedeutung von Events. «Wenn die Stadt mit der Konkurrenz mithalten wolle, müsse sie zulegen», sagte Tourismusdirektor Frank Bumann. Ausserdem müsse die Stadt eine klare Eventstrategie entwickeln und sich überlegen, welche Anlässe zu ihrer Persönlichkeitsstruktur passen. Dies klingt mehr nach ökonomischem Kalkül denn nach zukunftsfähiger Stadtentwicklung, die die Potenziale einer Stadt fördert, ohne sie um jeden Preis zu verkaufen. Auch Noch-Stadtpräsident Ledergerber sagte, «wir müssen das Label Zürich besser bewirtschaften», Zürich müsse eine führende Eventstadt Europas sein.

Der Stadtrat hat einen Kriterienkatalog aufgestellt, anhand dessen er entscheidet, welche Events gefördert werden sollen. Kriterien sind etwa internationale Bedeutung, Besucherzahl oder Medieninteresse. Für die von der Stadt bevorzugten Veranstaltungen sollen Defizitgarantien übernommen werden. Eine geeignete und langfristig stadtverträgliche Strategie, um dem Ausverkauf der Stadt Grenzen zu setzen, scheint jedoch zu fehlen. Rund um das Zürichseebecken ist die Belastungsgrenze längst erreicht. Grün Stadt Zürich verzeichnet einen immer grösser werdenden Aufwand für das Grünflächenmanagement am See (siehe Artikel Bosshard/Sigel, Seite 50).

Urbaner öffentlicher Raum als Kulisse

Im internationalen Wettbewerb um kaufkräftige Kundschaft und Touristen werden die urbanen Räume zu Visitenkarten umgestaltet, zu Werbeflächen für Veranstaltungen und Sponsoren. Der urbane Raum ist weniger Ort der Begegnung, sozialer Aktivitäten, des Verweilens und des Austauschs heterogener Gruppen denn Kulisse zur Inszenierung von Ereignissen. Die Stadt präsentiert sich primär als Bild, worin wiederum solche Aktionen passen, die selber reproduzierbare Bilder erzeugen, wie zum Beispiel der Teddy-Sommer 2005 in Zürich. Dieser hatte seinen direkten Vorgänger in Berlin, wo es ebenfalls aufgestellte Teddybären waren. In Hamburg war es der Wasserträger Hans Hummel, in Kaiserslautern waren es Fische, in Mannheim Pferde, und Zürich blickt bereits auf eine Herde von 850 Kühen 1998 und 1000 Sitzbänke 2001 zurück. Im Sommer 2009, dem Sommer der «Gartencity» in Zürich, sollen Pflanzen in grossen, bunten Töpfen die Innenstadt zieren.

Laufend wechselnde, durch Sponsoren gesteuerte, Ansprüche stehen damit dauerhaften kulturellen Werten gegenüber, wie sie die für die Stadtbevölkerung frei zugänglichen und vielseitig nutzbaren Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken in hervorragender Weise darstellen.

Man mag diese Entwicklung bedauern oder als Fortschritt sehen. Tatsache bleibt, dass man ihr Grenzen setzen, sie klaren, langfristig ausgerichteten Regeln unterwerfen muss. Es ist gefährlich, den öffentlichen Raum, den Ort unserer urbanen Identitätsbildung, zum austauschbaren Stereotyp werden zu lassen. Wenn er nichts mehr über eine Stadt und deren Besonderheiten aussagt, werden dann nicht auch die Bewohnerinnen und Bewohner zur austauschbaren Masse, die keine Verantwortung mehr für ihre Stadt übernimmt? Das Grundproblem der imperativen Deutung der Festivalisierung ist, dass sie zerstört, was sie zu inszenieren versucht. Was eine Stadt liebenswert macht, sind neben ihrer Lage und Aufenthaltsqualität, die wesentlich durch einen anspruchsvoll gestalteten öffentlichen Raum bestimmt wird, auch ihre versteckten Schätze. Und die entstehen durch Geschichte, Leben und Benutzung, nicht durch Inszenierung.

anthos, Mi., 2009.06.03



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anthos 2009/2 G|59 – und 50 Jahre danach

Presseschau 12

04. Juli 2011Bernd Schubert
Heiner Rodel
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IFLA und die Schweiz

Wenn die Stadtpräsidentin von Zürich, Corine Mauch, am 26. Juni 2011 auf der Blatterwiese am Zürichsee die Gäste aus aller Welt begrüsst und am 27. die...

Wenn die Stadtpräsidentin von Zürich, Corine Mauch, am 26. Juni 2011 auf der Blatterwiese am Zürichsee die Gäste aus aller Welt begrüsst und am 27. die...

Wenn die Stadtpräsidentin von Zürich, Corine Mauch, am 26. Juni 2011 auf der Blatterwiese am Zürichsee die Gäste aus aller Welt begrüsst und am 27. die Präsidentin der International Federation of Landscape Architects (IFLA), Desiree Martínez, den 48. IFLA-Weltkongress «Scales of Nature – From Urban Landscapes to Alpine Gardens» eröffnet, ist dies bereits das dritte Mal, dass die Schweiz Gastgeber eines IFLA-Weltkongresses ist. 1956 fand in Zürich der 5. und 1980 in Bern der 18. Weltkongress statt. Doch bereits vor der Gründung der IFLA 1948 in Cambridge engagierten sich Schweizer Landschaftsarchitekten zusammen mit initiativen Kollegen mehrerer Länder, eine internationale Berufsorganisation ins Leben zu rufen.

Die Gründung der IFLA und die Rolle Walter Leders

Die Idee, den internationalen Beziehungen zwischen den Landschaftsarchitekten eine feste Struktur zu geben, wurde vor allem anlässlich von internationalen Gartenbauausstellungen und Kongressen über Gartenarchitektur (später Gartenkunst) immer wieder diskutiert, so 1935 in Brüssel, 1937 in Paris, 1938 in Berlin / Hannover / Essen und 1939 in Zürich. Am Kongress in Zürich nahmen rund 200 Fachleute aus 12 Ländern teil; er wurde am 31. Juli im neuen, gerade fertig gestellten Kongresshaus eröffnet, wo auch der diesjährige Weltkongress stattfindet. Die Teilnehmer hatten die Gelegenheit, die Anlagen der Schweizerischen Landesausstellung 1939 («Landi») zu besuchen und sich mit der jüngsten Entwicklung der Schweizer Landschaftsarchitektur auseinanderzusetzen, wobei der leitende Gartenarchitekt der Landi, Gustav Ammann, eine zentrale Rolle spielte.

Unterbrochen wurden all diese Bemühungen durch den verheerenden 2. Weltkrieg, der am 1. September 1939 begann. Erst 1948 nahm die Idee wieder konkrete Züge an. Nach einer internationalen Konferenz und Ausstellung in London lud das Institute of Landscape Architects (ILA) am 14. und 15. August zu einem Treffen im Jesus College in Cambridge ein. 20 Landschaftsarchitekten aus 14 nationalen Berufsverbänden beschlossen hier einstimmig die Gründung der «International Federation of Landscape Architects». Vertreten waren elf europäische Verbände (Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Norwegen, Polen, Schweden, Schweiz, Spanien); Gründungsmitglied in Abwesenheit waren auch die Niederlande. Die anwesenden Vertreter von Chile, Kanada und den USA waren von ihren Verbänden nicht autorisiert, unterstützten aber persönlich die Gründung.1 Der Enthusiasmus, Europa auf den Trümmern des Krieges wieder neu aufzubauen, beflügelte die Landschaftsarchitekten zu diesem bedeutenden Schritt. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte kamen dann weitere Länder dazu. Die IFLA wurde schliesslich zur weltumspannenden Dachorganisation, die heute nationale Berufsverbände aus 60 Ländern und 17 weitere Länder mit Individualmitgliedern umfasst.

Für die Schweiz war 1948 der bekannte Zürcher Landschaftsarchitekt Walter Leder als IFLA-Gründungsmitglied und Delegierter des damaligen Bundes Schweizerischer Gartengestalter BSG (heute Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen BSLA) in Cambridge. Walter Leder war ein engagierter Verfechter internationaler Zusammenarbeit. Er spielte nicht nur eine wichtige Rolle bei der Gründung der IFLA, sondern übte auch in den Folgejahren zentrale Funktionen aus. Von 1951 bis 1953 war er IFLA-Kassier und von 1954 bis 1956 – als Nachfolger von Sir Geoffrey Jellicoe – der zweite IFLA-Präsident.

Der Kongress in Zürich und die Nachkriegsjahre

Der 5. IFLA-Weltkongress vom 20. bis 23. August 1956 im Auditorium Maximum der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich mit dem Thema «Landscape in contemporary life» («Landschaft im Leben der Neuzeit») wurde von rund 250 Besuchern aus 25 Ländern besucht. Vorbereitet unter der Leitung des BSG-Präsidenten Richard Arioli, eröffnet durch den IFLA-Präsidenten Walter Leder, standen vier Schwerpunkte zur Diskussion: die Stadtlandschaft, die Industrielandschaft, die Agrarlandschaft und die Naturlandschaft. Kontext dieser Diskussion waren die Aufbruchstimmung und der Wille zur Erneuerung in Europa. Prof. Erich Kühn formulierte: «Der Städtebau steht vor einer Revolution, und Hauptträger dieser Revolution dürfte die Landschaftsarchitektur sein.» «Die neue Aufgabe lautet, dem Städter in Wohnungsnähe die Möglichkeit zu bieten, seine Freizeit in schöpferischem Tun zu verbringen, sei es im Garten oder bei Spiel und Sport.» Auch die Raumplanung zur «geordneten Besiedlung des Landes» sowie die Landschaftsplanung «auf ökologischer, soziologischer und ethischer Grundlage» wurden gefordert. Im Helmhaus fand begleitend zum Kongress eine viel beachtete Ausstellung zum Thema «Mensch und Landschaft» statt.

Die Schweiz, und besonders Zürich, hatten in den Nachkriegsjahren eine grosse Anziehungskraft für Landschaftsarchitekten und Architekten. Vom Krieg verschont und von vergleichsweise hohem Wohlstand begünstigt, konnten sich Landschaftsarchitektur und Architektur in der Schweiz kontinuierlich weiterentwickeln und erreichten einen hohen Standard. Ein Jahr vor dem Kongress war auch das bekannte Buch des Landschaftsarchitekten Gustav Ammann «Blühende Gärten» erschienen. Er widmete einen grossen Teil des Werkes dem internationalen Interesse am Siedlungsbau in der Schweiz und der speziellen Rolle der Landschaftsarchitektur: «Die Bilder zu diesen Anlagen (in Fotos und Plänen dargestellt und kommentiert, Red.) zeigen das Streben, durch einen Ausblick in die Natur, durch Schaffen einer Grünanlage, den wachsenden Hunger nach Landschaft und Naturverbundenheit zu stillen, die Spannungen zu lösen und zum Wiederaufbau, zur Re-Kreation von Körper und Geist beizutragen.» Bücher zu Architektur und Städtebau, wie beispielsweise «Schweizer Architektur» von Hans Volkart (1951), in dem auch die Freibäder Letzigraben und Allenmoos beschrieben werden, sprachen vom «Lehrbeispiel Schweiz».

Ihre Fortsetzung fand die Demonstration landschaftsarchitektonischer Arbeiten wenige Jahre später in der weit über die Grenzen hinaus beachteten Gartenbauausstellung G|59 an den Ufern des Zürichsees. Mit dieser Ausstellung wurde eine grossräumige Parklandschaft und damit der wertvollste Erholungsraum für die Bevölkerung von Stadt und Region geschaffen (siehe anthos 2/2009).

Der Kongress in Bern

Ein weiterer IFLA-Weltkongress fand vom 8. bis 11.9.1980 in Bern mit dem Thema «Fluss- und Seelandschaften» statt. Die Organisation lag in den Händen des Stadtgärtners von Bern, Willy Liechti, die fachliche Vorbereitung bei Klaus Holzhausen, Ottomar Lang und Bernd Schubert (Vorträge, Workshops) sowie Kurt Huber (Exkursionen). Willy Liechti kam leider kurz nach dem Kongress auf tragische Weise ums Leben. Dieser Kongress zog noch weitere Kreise als der von 1956, vertreten waren nun – entsprechend der Entwicklung der IFLA – 34 Länder aller Erdteile mit rund 350 Teilnehmern. Zum ersten Mal nahm mit Prof. Zhang Weizhen aus Wuhan ein Vertreter der Volksrepublik China teil, der auch einen Vortrag hielt. Das kam damals einer kleinen Sensation gleich. Der Vortrag wurde als Abendveranstaltung für ein breites Publikum geöffnet und hatte einen enormen Zulauf. Die Erhaltung und Entwicklung von Kultur- und Naturlandschaften an Flüssen und Seen wurde in theoretischen Beiträgen und anhand von vorbildlichen Planungen und Gestaltungen als weltweit bedeutsame Aufgabe postuliert. Bundesrat Kurt Furgler formulierte es in seiner Eröffnungsrede mit Blick auf die Schweiz optimistisch: «Was uns in der Schweiz am Herzen liegt, umschreibt das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Bundesgesetz über die Raumplanung mit einem kurzen, unmissverständlichen Grundsatz: Die Landschaft ist zu schonen, insbesondere sollen See- und Flussufer freigehalten und ein öffentlicher Zugang erleichtert werden.» Die Realität zeigt heute leider über weite Strecken ein anderes Bild. anthos begleitete den Kongress in einer speziellen Ausgabe (2/1980) und berichtete ausführlich über dessen Verlauf sowie die Ergebnisse (4/1980).

Da im gleichen Jahr die innovative und viel diskutierte Gartenbauausstellung «Grün 80» in Basel stattfand (siehe anthos 1/1980 und 4/1980), hatten die Kongressbesucher in einer der Nachkongresstouren die Möglichkeit, sich mit den hier vorgestellten Ideen auseinander zu setzen.

Funktionen in der IFLA-Organisation

Neben dem Gründungsmitglied und zeitweiligen IFLAPräsidenten Walter Leder übten auch weitere Vertreter der Schweiz Funktionen bei der IFLA aus. Vor allem die Kassenführung lag mehrfach in Schweizer Händen, 1951 – 53 bei Walter Leder, 1974 – 79 bei Pierre Zbinden, 1985 – 90 bei Franz Vogel und 1992 – 95 sowie 2000 – 01 bei Heiner Rodel. Auch heute wird das Rechnungswesen der IFLA noch in Schweizer Franken geführt. Gustav Ammann (1954) und Heiner Rodel (1996 – 99) wirkten ausserdem jeweils als IFLA-Generalsekretäre. Es versteht sich, dass der BSLA auch immer einen ständigen Delegierten bei der IFLA hatte (Walter Leder, Richard Arioli, Willy Jacquet, Pierre Zbinden, Eugen Fritz, Jean Boccard, Klaus Holzhausen, Franz Vogel, Heiner Rodel, und heute Christian Tschumi).

anthos als offizielles Mittelungsblatt der IFLA

anthos, die Schweizer Fachzeitschrift für Landschaftsarchitektur, war seit ihrer Gründung 1962 bis zum Jahre 2003 offizielles Mitteilungsblatt der IFLA. Bis zur Herausgabe eines eigenen Informationsblattes, den IFLANews (ab 1978), welche heute in digitaler Form den Mitgliederverbänden zugehen, der Herausgabe der IFLA-Jahrbücher (1980 – 1992) und natürlich später dem Internetauftritt der IFLA berichtete anthos umfassend über die Sitzungen des IFLA World Council, dessen Beschlüsse, weltweite Aktivitäten, Kongresse usw. Bis heute erscheinen sporadisch Berichte des Schweizer IFLA-Delegierten in anthos; zusammen mit der IFLA gab anthos auch spezielle Hefte heraus, so über «Bedrohte Landschaften» (3/1985) und «Historische Landschaften» (4/1991).

Den diesjährigen, 48. IFLA-Weltkongress «Scales of Nature – From Urban Landscapes to Alpine Gardens» begleitet anthos als Medienpartner.

anthos, Mo., 2011.07.04



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anthos 2011/2 48. IFLA-Weltkongress «Scales of Nature»

27. September 2010Bernd Schubert
Sabine Wolf
anthos

Blumengraffiti

Maurice Maggi ist «Guerilla Gardener», der seine Arbeiten selbst Blumengraffiti nennt. Ausgebildet ist er als Landschaftsgärtner, später auch als Koch; zurzeit kocht er für Karl’s kühne Gassenschau in Saint-Triphon. Bernd Schubert und Sabine Wolf unterhielten sich mit ihm über seine Aktionen in Zürich und anderen Städten und über deren Hintergründe.

Maurice Maggi ist «Guerilla Gardener», der seine Arbeiten selbst Blumengraffiti nennt. Ausgebildet ist er als Landschaftsgärtner, später auch als Koch; zurzeit kocht er für Karl’s kühne Gassenschau in Saint-Triphon. Bernd Schubert und Sabine Wolf unterhielten sich mit ihm über seine Aktionen in Zürich und anderen Städten und über deren Hintergründe.

Maurice, Du bist mittlerweile ein berühmter Guerilla-Gärtner – wenn auch seit einiger Zeit geoutet. Was waren Deine Motive, als Du 1984 begannst, in Zürich aktiv zu werden?

Das damalige Gartenbauamt war sehr besorgt darum, die Alleebäume unkrautfrei zu halten. Und als Gärtner, der ich damals noch war, reizte es mich, meine Berufskollegen herauszufordern: Was würden sie machen, wenn sie vor meterhohen Malven stehen und sie vernichten sollen? Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres für einen Fachmann, als versehentlich eine Kulturpflanze auszujäten. Darum haben sie diese, vielleicht auch aus Freude an den Blumen, stehenlassen. Und so brach ich eigentlich das Pflegekonzept der Stadt Zürich auf. Als jemand, der in der 68er-Bewegung aufgewachsen ist, reizte mich die Provokation.

Du hast ein «Malvenkataster» angelegt, das zeigt, wo Du Malven in Zürich gesät hast. Hattest Du von Anfang ein Konzept?
Meine Idee war zuerst einfach, nämlich meine Bewegungsräume zu zeichnen. Später war es eine Art Vision. Ich dachte mir, wenn ein Fremder in die Stadt fährt, wäre es schön, wenn er in den Aussenquartieren zuerst einzelne Malven antrifft. Und je weiter er ins Zentrum kommt, desto mehr verdichtet sich das. Ein Traum war, dass sich die Malven in der Innenstadt so verdichten, dass sie unübersehbar werden. Dass man in einem Malvennetz verfangen wird.

Waren es nur Malven?
Ja, am Anfang.

Hattest Du Vorbilder? Guerilla Gardening gibt es als Begriff ja seit den 70er Jahren.
Er wurde 1973 in New York durch die Künstler- und Aktivistengruppe um die Künstlerin Liz Christy geprägt. Christy war Teil einer Gruppe, die sich Green Guerilla nannte. Ich kannte sie damals aber noch nicht. Guerilla Gardening kam aus den USA erst in den 1980ern nach Europa. Wenn ich so zurückdenke, glaube ich eher, dass es eine Zeiterscheinung war. Auch «Asterix in der Trabantenstadt», das 1971 herauskam, könnte mich beeinflusst haben: Die Römer holzten den Galliern die Eichenwälder ab, aber die hatten eine Wundereichel, die haushohe Eichen in Sekunden nachwachsen liess. Und Flowerpower war ja auch schon ein Ausdruck der Hippiebewegung.

Anfang der 1980er gab es in Zürich Jugendunruhen, die Opernhauskrawalle, die Schliessung des Autonomen Jugendzentrums AJZ, eine Auflehnung gegen die Stadt. War es da nur logisch, dass Du in Zürich tätig wurdest?
Ja, ich war in den 80er Jahren sehr aktiv in dieser Szene. Sie hat mich gefärbt. Es war für mich auch eine Befreiung von der Kopflastigkeit der 68er Jahre. Als Gärtner empfand ich Blumen als gutes Medium des Protestes, weil sie ja etwas Liebliches sind, und die meisten Menschen Blumen als etwas Schönes empfinden. Schon bevor ich mit den Malven begann, haben wir – noch in der Lehre – oft Rasensamen in unsere Pflasterungen gemischt, einfach so. Um zu schauen, was passiert.

Du bist nun schon ein viertel Jahrhundert aktiv. Was waren – zurückblickend – Deine grössten Erfolge, Deine bittersten Niederlagen?
Es gibt ein Beispiel, das beides verknüpft. Den Oberen Letten. Nach der Stilllegung der Bahnlinie bestand noch die Gefahr, dass das Areal überbaut wird. Da habe ich mir eine Samenmischung für die Schotterpiste zusammengestellt, mit zum Teil raren und schützenswerten Pflanzen, und sie – natürlich im Verborgenen – eingesät. Mein Gedanke war, bei einem Baubegehren den offiziellen Naturschutz zum Widerstand zu animieren. Es kam zunächst anders. Nach der Schliessung des Platzspitzes entstand hier die offene Drogenszene. Nachdem diese auch wieder aufgelöst wurde, blühte das nun mit einem Stacheldrahtzaun umgebene Areal richtig auf, es wurde von Eidechsen, Schleichen und Falterarten besiedelt. Wir wollten hier 1998 ein Strandcafé eröffnen, um das Gebiet auch einer allgemeinen Nutzung zuzuführen. Die Stadt lehnte ab, da das Gebiet – mit «meiner» Pflanzenwelt – unter Schutz gestellt werden sollte. Da habe ich mich gegenüber dem Gartenbauamt (heute Grün Stadt Zürich) zum ersten Mal geoutet, um zu belegen, dass es sich hier um ein künstliches Produkt handelt. Wir stellten der Stadt das Konzept «Respekt» vor, mit je einem Drittel naturbelassener Fläche, Gastronomie und Sport. So wurde es dann auch eröffnet, und die Stadträtin Martelli, damals Leiterin des Tiefbauamtes, konnte sich die neue Attraktion – eine Stadtoase – auf ihre Fahne schreiben.

Und um das zu erreichen, hast Du Dich geoutet?
Ja. Ich hatte mir doch selber beinahe ein Ei gelegt. Wir mussten über 40 Amtsstellen anlaufen und überzeugen, um die Bewilligung für unseren Gastronomiebetrieb zu erhalten.

War diese Mühsal die erwähnte Enttäuschung?
Nein, sondern vor allem das, was nachher kam. Der angrenzende Tunnel wurde zugeschüttet und das Areal nach einem Wettbewerb von Rotzler Krebs Partner neu gestaltet. Die Drittellösung blieb Grundlage der Gestaltung. Aber enttäuschend war, dass die Stadt die Künstlichkeit meiner Ansaat nicht erkannte, auf eine neue Saat verzichtete und so einfach ein Brombeergestrüpp entstehen liess, das zunehmend verwahrloster aussieht. Die Fachstelle Naturschutz hatte sich zum Nichtstun entschlossen.

Machst Du heute noch Aktionen im Verborgenen?
Ja. Heute säe ich aber grossflächiger, nach Farben getrennt ein, damit man die Künstlichkeit erkennt. Auch Malven, mein Markenzeichen, sind dabei, aber noch weitere Pflanzen, in ein oder zwei Farben. Zum Beispiel in Zürich West.

Welche Pflanzen verwendest Du neben den Malven am liebsten?
Neben den Malven bin ich streng und verwende nur einheimische Pflanzen. Die Wegwarte finde ich ganz toll, aber auch Wiesensalbei, Johanniskraut, Königskerzen, Wilde Möhren, Akelei, Karden und Distelarten. Leider erkennen die Gärtner viele Pflanzen nicht, sie lassen zwar die Malven stehen, schneiden aber die anderen runter oder beseitigen sie. Ich bin jetzt dran, meine Liste an die Stadträtin Frau Genner weiterzugeben, vielleicht ist eine Schulung der Gärtner möglich. Einzelne Gärtner lassen aber auch schon heute mehr stehen, das freut mich sehr.

Erhältst Du Rückmeldungen aus der Bevölkerung?
Viele. Die Menschen drücken ihre Freude aus, in Briefen und Telefonaten. Und sie weisen mich auf Orte hin, wo ich auch noch aktiv werden sollte. Viele schicken mir auch Samen aus ihrem Garten. Ich habe auch schon gehört, dass Anwohner die Pflanzen gegen die Pflegeequipen verteidigt haben. Ich freue mich natürlich über diese Akzeptanz.

Und das Medieninteresse scheint auch nicht nachgelassen zu haben?
Es ist unglaublich, wie lange das Interesse in den Medien anhält. Es nimmt eher zu als ab. Von Richard Reynolds ist 2009 ein neues Buch erschienen: Guerilla Gardening – ein botanisches Manifest. Über meine Tätigkeit wurden Filme gedreht, zum Beispiel von Florian Schaffner oder Roland Archini. Und an der Fachhochschule Osnabrück war kürzlich sogar ein Kongress über Guerilla Gardening, zu dem ich auch eingeladen war. Der Begriff ist allgemein eingeführt, aber ich mag ihn eigentlich nicht. Ich bezeichne meine Arbeiten lieber als Blumengraffiti.

Das Thema dieser «anthos»-Ausgabe sind ja die Stadtoasen. Kannst Du Deine Tätigkeit auch unter diesem Thema einordnen? Oder was verstehst Du unter Stadtoasen?
Ich glaube schon, dass ich dazu beitrage. Es gibt einige Orte, die für mich Stadtoasen sind. Zum Beispiel der Platz vor dem Tamedia-Gebäude an der Sihl. Als die Parkfläche verschwand, habe ich dort eingesät, und zwei Jahre lang wurde nicht gemäht. Es entstand eine wunderbare Wiese. Als ich letztes Jahr mit einer Fotografin den Ort besuchte, war ich überrascht, wie viele Schmetterlinge mir um die Ohren flogen. Toll, dachte ich. Doch dann erfuhr ich, dass sich meine Wege mit denen von André Rey kreuzten, der Raupen einheimischer Schmetterlinge ausgesetzt hatte. Ich war erst ein wenig enttäuscht, doch nachher freute ich mich, dass er dasselbe tut – und ich auf diese Art erwischt wurde, wie viele Leute, die glauben, dass die Pflanzen von allein die Stadt zurückerobern.

Müssten wir uns Freiräume, den öffentlichen Raum, noch mehr aneignen, sozusagen als Rückeroberung durch den Menschen?
Grünräume spiegeln immer auch die gesellschaftliche Situation wider. In meiner Kindheit war am Seebecken noch das Betreten des Rasens verboten. Heute würde das als Witz verstanden. Seht euch nur die Wiese beim Arboretum an einem warmen Tag an. Man besetzt heute Flächen schon ganz anders, doch ich glaube, man könnte das noch viel mehr ausreizen. Ich war gerade in Berlin. Am Moritzplatz in Kreuzberg haben zwei junge Leute einen «Prinzessinnengarten» angelegt. Sie nutzen eine Baubrache, bauen Gemüse und Wildfrüchte an, haben in einem Container ein Restaurant eröffnet, wo sie zusammen mit Arbeitslosen aus der Gegend ihr Gemüse verarbeiten und Marmelade herstellen. Sie haben auch zwei Bienenvölker für die Produktion von Honig. Und sie liefern ihr Gemüse mit dem Fahrrad sogar an Gourmet-Restaurants aus. Als Gärtner und Koch wollten sie mich gleich dort behalten.

Das erinnert sehr an den Ökotopia-Gedanken der 1970er und 1980er Jahre.
Natürlich, doch die Zeit ist wieder reif für solche ökologischen Projekte. Die Medienpräsenz in Berlin ist übrigens riesig. Auch am Kongress in Osnabrück wurden diese Fragen diskutiert. Es wurde nach neuen, besseren Nutzungsformen gesucht.

Die Suche nach einer besseren Nutzbarkeit der Freiräume und der Einsatz von Guerilla Gardening sind doch zweierlei Dinge. Das ginge ja auch ohne Guerillas.
Ja, aber wenn ich mir zum Beispiel die neuen Zürcher Parks anschaue, dann empfinde ich die nur noch als «designed», man muss sie intellektuell lesen. Ganze Generationen müssen nun damit leben. Entspricht das den Bedürfnissen der Bevölkerung? Ich glaube, dass man mit Eingriffen Konzeptkritik äussern kann, Aufmerksamkeit erzeugen, zeigen, dass es auch anders sein könnte.
Im Leutschenpark habe ich Blautöne zum gelben Mergelbelag und weisse Farben zum schwarzen Teerbelag eingesät, um die Strenge aufzubrechen. Die Pflanzen sind sehr schnell wieder verschwunden, um das landschaftsarchitektonische Werk zu schützen.

Hast Du schon Aktionen ausserhalb von Zürich gemacht?
In Bern, Basel, Berlin, München, Mailand, und natürlich in New York. Dort wohnte ich ja längere Zeit, bis 2002.

Seit den Anfängen sind nun 25 Jahre vergangen. Hat sich Deine Motivation verändert? Hast Du eine Entwicklung durchgemacht?
Ja. Am Anfang war es sehr subversiv, gesellschaftspolitisch gefärbt, ein Protest gegen die strenge Ordnung. Als dann das Naturnahe, der Gedanke der Vernetzung in die Pflegekonzepte Einzug hielt, wurde es poetischer. In der neuen Landschaftsarchitektur fühle ich mich aber wieder zur gesellschaftspolitischen Aussage, zum Protest animiert. So bin ich eigentlich nach 25 Jahren zu den Ursprüngen meines Handelns zurückgekehrt.

anthos, Mo., 2010.09.27



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anthos 2010/3 Stadtoasen

03. Juni 2009Sabine Wolf
Bernd Schubert
anthos

Festival Zürich

Die öffentlichen Räume unserer Städte, so auch die Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken, unterliegen mehr und mehr einer Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung. Dauerhafte Werte sind gefährdet, die freie Nutzbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner wird – mindestens temporär – eingeschränkt.

Die öffentlichen Räume unserer Städte, so auch die Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken, unterliegen mehr und mehr einer Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung. Dauerhafte Werte sind gefährdet, die freie Nutzbarkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner wird – mindestens temporär – eingeschränkt.

Die ökonomischen und kulturellen Globalisierungsprozesse führen seit den 90er-Jahren zur Umstrukturierung unserer Innenstädte. Walter Siebel schrieb bereits 1992 über eine zunehmende «Festivalisierung der Stadtpolitik» und mit ihr jener des öffentlichen Raumes. Siebel verstand darunter eine Politik, die nur noch als Inszenierung von Bedeutungsvollem funktioniere. Ihr Instrument sei eine «Planung durch Projekte», durch punktuelle, inhaltlich, räumlich und zeitlich begrenzte Interventionen. Diese «Festivals» werden damit von der Politik für die Stadtentwicklung instrumentalisiert.

Diese Festivalisierung der Politik, also die Konzentration aller Ressourcen auf ein grosses Ereignis, sei jedoch weder neu noch nur ein Phänomen der Stadtpolitik, wie Siebel weiter festhält. Tatsächlich stellen Grossereignisse seit jeher kommunale Kristallisationspunkte dar, unter deren Deckmantel sich auch divergierende Interessen bündeln lassen. Sie werden als Preis betrachtet, den eine Kommune zahlt, um als Konstrukt sozialer Gemeinschaft zu funktionieren – als eine Stadt, die sich von anderen Städten unterscheidet, wenn auch nur kurzfristig. Die Festivalisierung der Politik erlaubt die Demonstration von Handlungskompetenz und die Mobilisierung von politischem Konsens in einer Situation, in der es immer schwerer wird, handlungsfähige Mehrheiten auf Dauer zusammenzubinden.
Diese Entwicklung wollte Siebel kritisch verstanden wissen. Zunehmend scheint es jedoch, als verstünden viele Städte, auch die Stadt Zürich mit ihrem bisherigen Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber, Siebels Worte als Imperativ: Festivalisiert eure öffentlichen Räume!

Festivalisierung, Kommerzialisierung, Privatisierung

Aus der in die Tat umgesetzten Aufforderung resultiert vielfach die Trias aus Festivalisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung, die immer untrennbarer voneinander das Kapital eventbezogen an einen Ort lotsen. Im Zuge der Eventorganisation werden unsere öffentlichen Räume formatgerecht umgestaltet, im Sinne privatwirtschaftlicher Interessen geregelt, teil- und zeitweise der allgemeinen Nutzbarkeit entzogen. Dazu gehört, sie kontrollierbar zu machen. Denn nichts ist unerwünschter als negative Schlagzeilen. So installierte Zürich für die Ausrichtung der EURO 08 neun neue Kameras, sieben in der Fanmeile zwischen Limmat- und Utoquai, zwei am Bahnhof Stadelhofen – alle sind noch dort, teilweise in Betrieb, die übrigen bei Grossanlässen wieder aktivierbar. Zur Überwachung aus der Luft setzte die Stadt erstmals «Drohnen» als fliegende Kameras ein. Der intensive Ausbau der Raumüberwachung im Zusammenhang mit Grossereignissen ist vielerorts Usus. So wandelt der öffentliche Raum seinen Charakter.

Die Städte haben dafür zu sorgen, dass die Exklusivsponsoren zu ihrem Recht kommen, indem nur deren Werbung zu sehen ist und nur deren Getränke ausgeschenkt werden. Darüber hinaus bestimmen einige Sponsoren – noch räumlich begrenzt – die Kleiderordnung der Besucherinnen und Besucher. Schon heute verfügen die Veranstalter damit – noch zeitlich beschränkt – über ein Stück Stadt. Die Nutzungsrechte am öffentlichen Raum werden an den Meistbietenden verkauft, die Bewohner werden zu Statisten der Aufführung.

Von Event zu Event

Längst reicht es nicht mehr, nur gelegentlich eine Grossveranstaltung auszurichten. Um die mobile Eventgemeinde immer wieder anzulocken, stehen die Städte in einem harten Konkurrenzkampf. Das schafft weitere Probleme: Die Events verteilen sich zeitlich über das ganze Jahr, nicht aber räumlich. Sie finden dort statt, wo es der Sponsor wünscht – in den Topplagen. So drängten sich alleine 2008 zahlreiche Veranstaltungen rund um das Zürcher Seebecken: die Street Parade, die EURO 08, das Triathlon-Ereignis Ironman Switzerland, Scater Events, die Feierlichkeiten zum 1. August, der Frauentriathlon, der Gigathlon, die EuroPride, der Swiss Inline Cup, die Zürcher Radmeisterschaft, Freestyle.ch, das Theater Spektakel und das Massenbesäufnis Botéllon. Über 800 000 kamen 2008 zur Street Parade, an die Seepromenade kommen 40 000 Besucher an schönen Wochenenden.

Auch in den kommenden Jahren wird es nicht ruhiger um das Seebecken werden. Am 10. September 2008 tagten Fachleute an der 4. City Tourism Challenge zum Thema der Bedeutung von Events. «Wenn die Stadt mit der Konkurrenz mithalten wolle, müsse sie zulegen», sagte Tourismusdirektor Frank Bumann. Ausserdem müsse die Stadt eine klare Eventstrategie entwickeln und sich überlegen, welche Anlässe zu ihrer Persönlichkeitsstruktur passen. Dies klingt mehr nach ökonomischem Kalkül denn nach zukunftsfähiger Stadtentwicklung, die die Potenziale einer Stadt fördert, ohne sie um jeden Preis zu verkaufen. Auch Noch-Stadtpräsident Ledergerber sagte, «wir müssen das Label Zürich besser bewirtschaften», Zürich müsse eine führende Eventstadt Europas sein.

Der Stadtrat hat einen Kriterienkatalog aufgestellt, anhand dessen er entscheidet, welche Events gefördert werden sollen. Kriterien sind etwa internationale Bedeutung, Besucherzahl oder Medieninteresse. Für die von der Stadt bevorzugten Veranstaltungen sollen Defizitgarantien übernommen werden. Eine geeignete und langfristig stadtverträgliche Strategie, um dem Ausverkauf der Stadt Grenzen zu setzen, scheint jedoch zu fehlen. Rund um das Zürichseebecken ist die Belastungsgrenze längst erreicht. Grün Stadt Zürich verzeichnet einen immer grösser werdenden Aufwand für das Grünflächenmanagement am See (siehe Artikel Bosshard/Sigel, Seite 50).

Urbaner öffentlicher Raum als Kulisse

Im internationalen Wettbewerb um kaufkräftige Kundschaft und Touristen werden die urbanen Räume zu Visitenkarten umgestaltet, zu Werbeflächen für Veranstaltungen und Sponsoren. Der urbane Raum ist weniger Ort der Begegnung, sozialer Aktivitäten, des Verweilens und des Austauschs heterogener Gruppen denn Kulisse zur Inszenierung von Ereignissen. Die Stadt präsentiert sich primär als Bild, worin wiederum solche Aktionen passen, die selber reproduzierbare Bilder erzeugen, wie zum Beispiel der Teddy-Sommer 2005 in Zürich. Dieser hatte seinen direkten Vorgänger in Berlin, wo es ebenfalls aufgestellte Teddybären waren. In Hamburg war es der Wasserträger Hans Hummel, in Kaiserslautern waren es Fische, in Mannheim Pferde, und Zürich blickt bereits auf eine Herde von 850 Kühen 1998 und 1000 Sitzbänke 2001 zurück. Im Sommer 2009, dem Sommer der «Gartencity» in Zürich, sollen Pflanzen in grossen, bunten Töpfen die Innenstadt zieren.

Laufend wechselnde, durch Sponsoren gesteuerte, Ansprüche stehen damit dauerhaften kulturellen Werten gegenüber, wie sie die für die Stadtbevölkerung frei zugänglichen und vielseitig nutzbaren Parkanlagen rund um das untere Zürichseebecken in hervorragender Weise darstellen.

Man mag diese Entwicklung bedauern oder als Fortschritt sehen. Tatsache bleibt, dass man ihr Grenzen setzen, sie klaren, langfristig ausgerichteten Regeln unterwerfen muss. Es ist gefährlich, den öffentlichen Raum, den Ort unserer urbanen Identitätsbildung, zum austauschbaren Stereotyp werden zu lassen. Wenn er nichts mehr über eine Stadt und deren Besonderheiten aussagt, werden dann nicht auch die Bewohnerinnen und Bewohner zur austauschbaren Masse, die keine Verantwortung mehr für ihre Stadt übernimmt? Das Grundproblem der imperativen Deutung der Festivalisierung ist, dass sie zerstört, was sie zu inszenieren versucht. Was eine Stadt liebenswert macht, sind neben ihrer Lage und Aufenthaltsqualität, die wesentlich durch einen anspruchsvoll gestalteten öffentlichen Raum bestimmt wird, auch ihre versteckten Schätze. Und die entstehen durch Geschichte, Leben und Benutzung, nicht durch Inszenierung.

anthos, Mi., 2009.06.03



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