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Kraftfluss für die Musik

Der Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron ist spektakulär und die Aufstockung auf dem bestehenden Kaispeicher ein Ingenieurbauwerk sondergleichen. Im wahrsten Sinn des Wortes zum Tragen gebracht haben es Schnetzer Puskas Ingenieure.

Der Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron ist spektakulär und die Aufstockung auf dem bestehenden Kaispeicher ein Ingenieurbauwerk sondergleichen. Im wahrsten Sinn des Wortes zum Tragen gebracht haben es Schnetzer Puskas Ingenieure.

Einer gläsernen Krone gleich erhebt sich die 19-geschossige Aufstockung auf dem bestehenden Kaispeicher A im Hamburger Hafen. Sie bildet einen eigenständigen Körper auf dem siebengeschossigen Backsteinvolumen (vgl. «Fuss gefasst und abgehoben»). Nicht nur die Materialisierung gliedert Alt und Neu, auch die geschosshohe Fuge dazwischen trennt das unterschiedliche Paar optisch in Bestand und Erweiterung. Dank ihr scheint die Auf­stockung über dem historischen Sockel zu schweben. Dennoch haben die beiden Körper einen engen Bezug zueinander. Ihre trapezförmigen Grundrisse stehen exakt übereinander, und hinter der Backsteinfassade ist ebenfalls alles neu. Die neue Tragkonstruktion erschliesst sich aus der bestehenden; zumindest aus dem, was davon geblieben ist – nämlich der Fundation und der teils tragenden Fassade.

Reserven waren das Potenzial

Der Kaispeicher mit einer praktisch geschlossenen Backsteinfassade bestand aus einem Stahlbetonskelett, das auf eine Nutzlast von 2 t/m2 im oberen und 3 t/m2 im unteren Bereich ausgelegt war. Das Stützenraster von 4.30 auf 5.00 m war orthogonal ausgelegt, allerdings in zwei Bereichen zueinander verdreht, sodass dazwischen eine «Naht» bestand. Die Lasten wurden über Betonrammpfähle mit entsprechendem Raster in den Baugrund geleitet. Insgesamt waren für den 1963 gebauten Kaispeicher 1111 Pfähle in den sandigen und durch­nässten Boden eingerammt worden. Sie bestehen heute noch. Dazwischen befinden sich zudem Holzpfähle des 1875 gebauten Kaiserspeichers – der vorangehende Bau. Das beachtliche Pfahlvolumen verdichtete den Sand, was die Tragfähigkeit der Pfähle wiederum erhöhte. Der Tidehub schwemmte zudem die Grenzschicht der Pfahloberflächen über Jahrzehnte ein – Boden und Pfahl sind regelrecht miteinander «verwachsen». Deswegen können die Pfähle gegenwärtig sogar 40 % mehr Lasten tragen als zur Bauzeit in den 1960er-Jahren. Dies trifft allerdings nicht auf die Senkkästen entlang der Längsfassaden zu. Eine erhöhte Traglast war bei dieser Fundationsart weniger feststellbar.

Die zu Beginn der Planungsarbeiten durchgeführte Analyse des Kaispeichers zeigte, dass mit dieser Nutzlastauslegung des Tragwerks und den Traglast­reserven der Pfähle ein beträchtliches Potenzial für ein aufgesetztes Bauvolumen vorhanden war. Auf dieser Grundlage wurde ein Erweiterungsbau auf dem alten Speicher erst möglich.

Getrennt und doch darauf aufbauend

Grundsätzlich besteht die Aufstockung aus einem ­Stahlbetonskelettbau, der sich an der Pfahlfundation bzw. am innerhalb der Backsteinfassade neu erstellten Stahlbetonskelett orientiert. Einzelne hoch belastete Tragelemente sind aus Stahl.

Um die verschiedenen Nutzungen wie den Grossen und den Kleinen Saal, einen dritten Saal, das Hotel, die Wohnungen, die sich teilweise über den Grossen Saal schieben, das Parking, den Backstage- und den Konferenzbereich, die Gastronomie und die Wellnessanlage überhaupt aufnehmen zu können, wird das Stahlbetonskelett in der Aufstockung durchwegs von Unregelmässigkeiten durchbrochen. Von einem kontinuierlichen und einheitlich materialisierten Tragwerksraster blieb nicht mehr viel übrig.

Infolge des grossen Konzertsaals beispielsweise ergeben sich inmitten des Aufbaus Spannweiten, die die Dimensionen des Rasters bei Weitem sprengen. Er erstreckt sich umgeben von den Hotelgeschossen im Osten und den Wohngeschossen im Westen vom 11. bis hinauf ins 22. Obergeschoss. Sein ovaler Grundriss weist Hauptspannweiten von 50 bzw. 55 m auf und nimmt so teilweise rund ein Drittel einer Geschossfläche auf. Die Ingenieure konzipierten den Grossen Saal daher als statisch eigenständigen Baukörper, der punktuell gestützt ist. Acht grosse Stahleinbauteile sammeln die Kräfte und geben sie an Schrägstützen ab. Diese leiten die Lasten geneigt weiter, bis sie an das Stahlbetonraster anknüpfen. Die relativ wenigen Lagerungen des in sich stabilen Saals ermöglichen es, die Erschliessung und Teile der Plaza unter dem Saal praktisch stützenfrei auszubilden und das Foyer entlang dieses Körpers kaskadenartig hochzuschrauben. Nur wenige schräge Stützen durchstossen diese terrassenartige Decken- und Treppenlandschaft.

Der Grosse Saal als Box-in-Box-System

Der eiförmige Saalkörper ist ein in sich komplexes Tragwerk. Um ihn vom Umgebungslärm der Stadt und des Hafens akustisch abzukoppeln, forderte der japanische Akustiker Yasuhisa Toyota ein Box-in-Box-System – einen Körper aus zwei unabhängigen Schalen. Die äussere Box ist eine Stahlbetonkonstruktion, die fest mit dem Tragwerk des Gesamtgebäudes verbunden ist. Sie besteht aus einem Wandring und einem Boden mit auf­gesetzten Rippen. Während die 20 bis 40 cm dicken Wände parallel zu den Fassaden angeordnet sind, verlaufen die 21 innenliegenden Rippen orthogonal dazu zur Saalmitte hin. Der trapezförmige Gebäudegrundriss führt zu einer Nahtstelle in der Saalmitte bzw. auf der Winkelhalbierenden des Gebäudegrundrisses. Dort treffen sich die Rippen und werden – ähnlich wie die Spanten und der Kiel bei einem Schiffsrumpf – mit einer Längsrippe gefasst. In den Querfassaden im Osten und Westen sind die Rippen ausgehend vom Kiel gefächert angeordnet, und wenn sie nicht ausnahmsweise direkt auf Stützen gelagert sind, hängen sie am 6 bis 10 m hohen Wandring der äusseren Betonschale, in dem die Stahleinbauteile eingelassen sind.

Ab den obersten Tribünen geht die äussere Schale in die Saaldach-Aussenschale über, einer Stahlverbundkonstruktion, die gleichzeitig den Deckel für die äussere Box bildet. Das Saaldach besteht aus einer räumlichen Stahlfachwerkkonstruktion, die statisch im Verbund mit der darübergelegten Betonschale funktioniert. Diese Konstruktion liegt auf dem Wandring auf und kragt bis zur Fassade aus, wo die Deckenränder der Foyergänge hochgehängt sind. Die 21 Stahlträger sind als ebene Fachwerkträger konzipiert und verlaufen analog zu den Betonrippen der Aussenschale sternförmig zum Längsträger in der Saaldachmitte. Durch die zuerst nur leicht und dann steiler ansteigende Querschnittsgeometrie ähnelt die Saaldachkonstruktion einem spitzen Hut mit umlaufender Krempe.

Diese Tragwerkskonzeption war anspruchsvoll und hat zu Diskussionen mit Hochtief Solutions als Generalunternehmer und mit namhaften deutschen Professoren geführt, obwohl der Prüfingenieur Dr.-Ing. Rainer Grzeschkowitz die Saaldachkonstruktion geprüft und freigegeben hatte. Die Skeptiker fanden die Tragwirkung nicht vollumfänglich in den DIN-Normen abgebildet. Sie lässt sich mit einem Speichenrad vergleichen: Die annähernd radial angeordneten Stahlfachwerke (Speichen) werden durch ein Zugband (Felge) zusammengehalten. Als Zugband dienen das stehende umlaufende Stahlfachwerk und der Betonzugring in Form der Krempe des Huts. Der innere, zur Spitze aufsteigende Hutteil dient wegen seiner facettierten Geometrie einzig der Stabilisierung der auf Druck belasteten Fachwerkobergurte. Die Krempe erhält infolge der radialen Kräfte eine grosse Zugbeanspruchung und wegen des eiförmigen Saalgrundrisses zusätzlich grosse Biegebeanspruchungen. Damit sie als Zug- und Biegeelement wirken kann, gaben die Ingenieure ihr die geometrische Form eines flachen Kegelstumpfs. Die Konstruktion überspannt so die gesamte Saalfläche und trägt ein Gesamtgewicht von rund 2000 t.

In die Aussenschale, die während des Bau­zustands noch ohne Topfdeckel wie ein riesiger Betonkessel erschien, montierte man die Innenschale mit ihrer ­räumlichen Stahlkonstruktion. Sie ist über 342 Federpakete auf den Betonrippen der äusseren Schale gelagert. So dringen weder tieffrequente Schiffsgeräusche, die unter Wasser übertragen werden, oder Lärm von der öffentlich zugänglichen Plaza in den Konzertsaal noch Musikklänge vom Konzertsaal nach aussen, etwa in die Schlafräume des Hotelbereichs. Die Akustik des Saals verlangt eine Frequenzabstimmung des Systems von etwa 4.5 Hz – eine herausfordernde Aufgabe mit den weit auskragenden Balkonen, mit einer Anregungsfrequenz durch die Konzertbesucher von rund 2 Hz und mit der ersten Oberfrequenz von 4 Hz – insbesondere da Normwerte für die Anregung und Überprüfung nicht vorhanden waren. Die innere Box wurde aussenseitig umlaufend mit einer 20 cm dicken Betonhaut und die Saalinnenseite mit einer schallstreuenden und -reflektierenden weissen Haut aus tausenden individuell gefrästen Gipsfaserplatten von 150 kg/m2 überzogen ­(vgl. «Von Welle und Klang»).

Das Saaldach steigt bis unter das zeltartig geformte Gebäudedach auf, wo es als Auflager für eben dieses funktioniert. Das Gebäudedach ist statisch weniger anspruchsvoll, geometrisch aber umso mehr. Seine Geometrie entsteht aus acht wellenförmig angeordneten Kugelteilflächen, wobei sich die Hochpunkte – bis auf die Spitze des Grossen Saals inmitten der Dach­fläche – ausschliesslich an den Fassaden befinden. Das Dachtragwerk setzt sich aus 1000 ungleichen und gekrümmten Trägern mit einem aufgeschossenen ­Trapezblech zusammen. Das Gewicht beträgt etwa 800 t. Die horizontalen Lasten werden über drei Erschliessungskerne abgetragen, die vertikalen Lasten zusätzlich über unregelmässig verteilte Innenstützen und regelmässig im Abstand von 4.30 bis 5.00 m angeordnete Randstützen in der Fassadenebene.
Spalt in der Fassade

Die Fassaden und die raumbegrenzenden Oberflächen verdecken die gesamte Tragkonstruktion, die das ­charakteristische Bauwerk erst ermöglicht. Ausge­rechnet dort, wo sich die Fassade wie ein Spalt zwischen Alt und Neu öffnet und sich das Tragwerk zeigen könnte, weicht es zurück. Mit dem Wegfall der Fassadenstützen erreichen die Planenden die optische Trennung von Neu und Alt. Die Kräfte entlang der Fassade werden drei Geschosse über der Plaza mittels Schrägstützen auf die zweite Stützenreihe geführt. Die darunter­liegenden beiden Stockwerke sind über Zugstützen ­aufgehängt. An der schmalen Westseite ist diese Konzeption geo­met­risch nicht möglich, daher sammelt ein über der Plaza liegendes und über die beiden Gebäudeecken umlaufendes Fachwerk als Abfangträger die ­Stützenlasten.

Über Zugstützen gelangen die Kräfte drei Stockwerke darüber zu Schrägstützen, diese wiederum leiten die Lasten auf die zweite Stützenreihe.

Die indirekte Lagerung führt bei diesem 110 m hohen Gebäude zu grösseren lastabhängigen ­Verformungen. Hinzu kommen die Lasten der Fassaden­elemente, die möglichst früh angeschlagen werden mussten, um bereits während des Rohbaus in den ­darunterliegenden Geschossen mit dem Innenausbau beginnen zu können. Ausserdem wurde die spezielle Glasfassade für den Endzustand mit kleinen Deckenverformungen konzipiert. Unter den Rohbauverformungen wären die Gläser deshalb gebrochen. Um die Verformungen während des Rohbaus regulieren zu können, entwickelten die Ingenieure ein konstruktives Konzept: Massgebende Diagonalen des Fachwerks wurden dem Baufortschritt folgend mithilfe von hydraulischen ­Pressen verkürzt und im Endzustand fest verschweisst.

Dadurch wurden das Fachwerk schrittweise vorgespannt und die Verformungen sukzessive ausgeglichen.

Zäsur im Meisterstück

Die hohen Fassadenlasten von bis zu 101 kN/m konnten bei den Längsfassaden nicht gesamthaft in die vorhandenen Senkkästen fundiert werden, weil diese weniger Lastreserven als die bestehende Pfahlfundation aufwiesen. Die Ingenieure mussten die zusätzlichen Lasten an dieser Stelle entsprechend reduzieren. Diese «Entlastung» erfolgte am wirtschaftlichsten mit einer Umlagerung der grossen Saaldachlasten. Dazu wurden ausgewählte Auflagerpunkte des etwa 1800 t schweren Saaldachs entlang der Längsfassaden erhöht eingebaut und nach der Fertigstellung der Stahlkonstruktion und der darüber im Verbund wirkenden Betonschale mit hydraulischen Pressen in die Endlage abgesenkt. Dadurch erfolgte die notwendige Umverteilung der Lasten hin zur Mitte des Gebäudegrundrisses, wo Tragreserven in der Pfahlfundation vorhanden sind.

Dieser konstruktiv ingeniöse Umgang mit den Kräften zeigt, welche aussergewöhnliche Leistung die Ingenieure hier vollbracht haben. Dass die Aufstockung heute so selbstverständlich auf dem historischen Sockel aus Backstein steht und die Stadt mit einer unvergleichbaren Ausstrahlung überragt, ist ein planerisches und kreatives Meisterstück und verdient eine Atempause – eine musikalische Zäsur in der Tonfolge sozusagen. Wenn perfekt ausgeführt, ist sie kaum hörbar und verlangsamt das Tempo des Stücks nicht. Ohne sie – die präzise gesetzte Zäsur oder die sorgsam durchdachte Ingenieurleistung – wäre ein Musikwerk bzw. ein solcher architektonischer Entwurf mit seinem einverleibten Tragwerk nicht umsetzbar.

TEC21, Fr., 2017.03.24



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2017|12 Hamburger Himmelsstürmer

24. Oktober 2014Heinrich Schnetzer
TEC21

Sprunghafter Pionier

Von der Vorspannung über die Modellstatik zum CAD, vom Realen zum Virtuellen: Der Erfindergeist Heinz Hossdorfs kannte keine Grenzen. Seine Bauten schrieben sowohl Ingenieur- als auch Architekturgeschichte.

Von der Vorspannung über die Modellstatik zum CAD, vom Realen zum Virtuellen: Der Erfindergeist Heinz Hossdorfs kannte keine Grenzen. Seine Bauten schrieben sowohl Ingenieur- als auch Architekturgeschichte.

Heinz Hossdorf war Erfinder, Entwickler, ein Ingenieur mit Leib und Seele. Er wurde 1925 in eine Zeit hineingeboren, in der der Schalenbau und die Vorspanntechnik grosse Bedeutung erlangten und vor allem experimentell weiterentwickelt wurden. Die technischen Möglichkeiten, neue Tragstrukturen und Formen zu entwerfen, lagen aufgrund des erforderlichen technischen Wissens und Verständnisses vor allem in den Händen der In­genieure. Interessanterweise haben sich Architekten immer nur peripher mit Schalen beschäftigt. Die gestalterischen Möglichkeiten sind durch die physikalischen Rahmenbedingungen stark eingeschränkt. Auch ist die Form von Schalentragwerken zu eigenständig, zu dominant. Aus dieser Konstellation bildete sich eine neue Generation von entwerfenden Ingenieuren heraus. Bedeutende Zeitgenossen von Heinz Hossdorf waren Pier Luigi Nervi (vgl. TEC21 37/2013), Eduardo Torroja, Felix Candela, Eladio Dieste und Heinz Isler.

Theorie durch Modellstatik ergänzt

Diesem Zeitgeist gehorchend, befasste sich Heinz Hossdorf vor allem mit dem Schalenbau und der Vorspannung. Damals waren für den Schalenbau nur theoretische Grundlagen vorhanden, mit denen im Wesentlichen rotationssymmetrische oder zylindrische Schalen mathematisch genau berechnet werden konnten. Für komplexere Geometrien gab es keine geschlossenen Lösungen, und die Numerik bzw. die Computertechnologie war nicht weit genug, um damit die anspruchsvollen statischen Problemstellungen lösen zu können.

Aus dem Bedürfnis heraus, die freie Formbarkeit des Betons auszuschöpfen, verbunden mit dem Mangel an statischen Werkzeugen, die eine Berechnung solcher Tragkonstruktionen überhaupt zugelassen hätten, entwickelte Heinz Hossdorf kurzerhand die Modellstatik. Dafür wurden massstabsgetreue Modelle gefertigt und im Labor belastet. Anhand der Auflagerkräfte, Verformungen und Dehnungen konnte er auf den Spannungsverlauf im Modell und über den Modellmassstab auf den der realen Struktur schliessen.

Im Gegensatz zu Heinz Isler, der die geometrischen Eigenschaften der Druckschalen aufgrund von physikalischen Gesetzmässigkeiten oder Analogien ermittelte und im grösseren Massstab nachbaute, konnte Hossdorf so Zug-Druckschalen – also komplexere vorgespannte Formen (vgl. «Statik als Handwerk», S. 28) – frei entwerfen und berechnen. Neben seinen ingenieur­technischen Fähigkeiten besass er einen ausgeprägten Willen, den statischen und herstellungstechnischen Eigenschaften seiner Werke eine Form zu verleihen. Das Kies- und Betonwerk Gunzgen SO steht als Ikone seines Ingenieurentwurfs (Abb. S. 26).

Zentraler Grundpfeiler seiner Modellstatik war das linearelastische Materialverhalten, das Hooke’­sche Gesetz. Hossdorf bewegte sich ausschliesslich in dieser Welt. Seine Modelle konnten das nicht­lineare Verhalten des Stahlbetons durch Rissbildung oder durch plastische Lastumlagerungen nicht erfassen. Nur so ist es zu erklären, dass die Entwicklung der Plastizitätstheorie, die ihm neue Möglichkeiten im Stahlbetonbau eröffnet hätte, ihn nicht interessierte.

Virtuelle Werkzeuge und gebautes Erbe

In der weiteren Entwicklung der Modellstatik verwendete Hossdorf vermehrt den Computer für die Auswertung der gemessenen Daten. Er konnte damit den Spannungs- und Verformungszustand der Konstruktionen grafisch darstellen. Es entstand die von ihm benannte Hybridstatik, eine Verschmelzung oder Symbiose von physischem Modell und Computer zu einem allgemeinen Berechnungswerkzeug für den Ingenieur.

In diesem Zusammenhang erkannte Hossdorf schon früh das Potenzial der Computer. Seinem Naturell entsprechend widmete er sich ab 1978 ausschliesslich der Vision, einen Gegenstand virtuell im Computer zu erfassen und darzustellen. Er verkaufte sein Ingenieurbüro, löste seine Modellwerkstatt auf und begann zusammen mit heute namhaften Computer­pionieren wie Dave Packard ein «Interdisziplinäres Technisches System» zu entwickeln – eine Software, die mit den Begriffen CAD und CAM zusammengefasst werden kann. Natürlich waren Hossdorfs Ziele hochgesteckt und seiner Zeit um Jahre voraus. Seine finanziellen und personellen Ressourcen reichten nicht aus, um das ­System praxistauglich fertigzustellen und bei ­Firmen produktiv einzusetzen. Die von ihm sehr früh erkannte Möglichkeit, mittels Computer virtuelle Gegenstände zu generieren, hat im Gegenzug dazu geführt, dass heute Berechnungsmodelle direkt im Computer erzeugt und analysiert werden. Die Berechnungen mit finiten Elementen, bei denen ein virtuelles Modell in einzelne kleine Teile zerlegt wird und die mechanischen Eigenschaften dieser Elemente mit jeweils den Nachbarelementen mathematisch beschrieben werden, haben die Welt erobert. Das physische Modell ist heutzutage nicht mehr erforderlich.

Die Modellstatik hat sich von der reellen in die virtuelle Welt verschoben. Die bedeutenden Bauten von Heinz Hossdorf – ein Beitrag zu unserer Baukultur – stammen alle aus seiner frühen Zeit als entwerfender Ingenieur, als er sich noch nicht mit der virtuellen Welt auseinandersetzte. Am Ende steht eben doch das Reale, das Gebaute. Alles andere ist Werkzeug.

TEC21, Fr., 2014.10.24



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2014|43 Heinz Hossdorf und die Modellstatik

16. September 2010Heinrich Schnetzer
TEC21

Handarbeit mit Beton

Die Hauptverkehrsachse im Landesinnern von Bhutan führt über eine der wichtigsten Flussüberquerungen. Sie wurde durch eine Notbrücke sichergestellt. Weil Hochwasser sie mehrfach einrissen, musste sie ersetzt werden. Die Ingenieure von Schnetzer Puskas entwickelten für die neue Brücke eine auf Umfeld und traditionelle Bauweise zugeschnittene Tragkonstruktion aus Beton, die ohne moderne Baugeräte realisiert werden konnte.

Die Hauptverkehrsachse im Landesinnern von Bhutan führt über eine der wichtigsten Flussüberquerungen. Sie wurde durch eine Notbrücke sichergestellt. Weil Hochwasser sie mehrfach einrissen, musste sie ersetzt werden. Die Ingenieure von Schnetzer Puskas entwickelten für die neue Brücke eine auf Umfeld und traditionelle Bauweise zugeschnittene Tragkonstruktion aus Beton, die ohne moderne Baugeräte realisiert werden konnte.

Das Königreich Bhutan liegt etwa 1000 km nördlich der Indischen Metropole Kalkutta inmitten des Himalaya. Die von Nord nach Süd verlaufenden Täler strecken sich von der 200 m ü. M. liegenden Ebene des Brahmaputra bis hin zu den 7500 m hohen Berggipfeln an der tibetischen Grenze. Der im Landesinneren verlaufende «West-Ost-Highway» führt über die 3000 m hohen Pässe und die Flüsse der tief eingeschnittenen Täler – dabei muss man sich vorstellen, dass dieser Highway vom Ausbaustandard her nicht einmal einer Schweizer Landstrasse entspricht. Die alte Bailey-Brücke über den Puna Tsang Chhu musste dringend ersetzt werden. Das Projekt dafür wurde im Rahmen eines Brückenwettbewerbs, den das Swiss Resource Centre and Consultancies for Development (Skat) im Auftrag der Helvetas durchführte, entwickelt. Drei Schweizer Ingenieurbüros erhielten die Aufgabe, ein Brückenprojekt mit einem vorgegebenen Baustoff zu erarbeiten. Entsprechend den Vorgaben wurden eine Holzbrücke, eine Stahlbrücke und die realisierte Betonbrücke erarbeitet.

Herausfordernde Randbedingungen

Durch die Monsunniederschläge haben die Flüsse eine ausgeprägte Jahresgangcharakteristik. Während der Monate Juni bis Oktober führen sie Hochwasser; Arbeiten im Fluss sind dann nicht möglich. Ausserdem stauen Endmoränen die Gletscher im Ursprungsgebiet immer wieder ein und bilden Seen. Diese durchbrechen in regelmässigen Zeitabständen die Moränendämme. Die entstehenden Flutwellen zerstören flussabwärts grössere Talabschnitte (vgl. «Holzbaukunst», S. 23 ff.).

Neben diesen hydrologischen Randbedingungen musste die Brücke auch im Hinblick auf die geo- und vor allem die bautechnischen Randbedingungen konzipiert werden. Die lokalen Ressourcen für den Bau von grossen Brücken sind bescheiden. Kiesvorkommen zur Herstellung des Betons sind kaum vorhanden. Meistens werden grosse Bollensteine mit einem Hammer direkt im Flussbett in mühsamer Handarbeit von Frauen zu Betonkies zerkleinert. Für die Betonherstellung dienen Betonmischer mit einem Fassungsvermögen von 0.5 m³; beschickt werden sie von Hand. Die Mischung wird mit einfachen Volumenmassen aus Holz zusammengestellt. Der Transport des Betons auf die Baustelle und das Einfüllen in die Schalung erfolgten mit sogenannten «Stahlpfannen», die auf dem Kopf getragen werden und ein Fassungsvermögen von nur zwei bis drei Schaufeln haben. Ausserdem müssen Stahlteile für Brückenträger oder für Hilfsgerüste über 1000 km auf schmalen Gebirgsstrassen von Kalkutta antransportiert werden. Dabei erlauben die kurvenreichen Passstrassen nur eine maximale Transportlänge von 6 m.

Brückenkonzept massgeschneidert

Um eine «High-Tech»-Brücke mit den vor Ort beschränkten Ressourcen zu bauen, bedurfte es eines entsprechenden Tragwerkskonzepts. Es sollte, aufbauend auf den lokalen bautechnischen Möglichkeiten, neue Erkenntnisse des Brückenbaus adaptieren und ökonomische Randbedingungen berücksichtigen.

Der beidseitig anstehende Fels und die fehlenden bautechnischen Möglichkeiten, die eine Pfeilerfundation im Fluss verunmöglichten, verlangten eine grosse Hauptspannweite, einen ausreichend grossen Abflussquerschnitt und eine uferseitige Brückenfundation. Aufgrund der geotechnischen und der geometrischen Gegebenheiten sowie ökonomischer Überlegungen fiel die Wahl des Typs auf eine Bogenbrücke mit Kämpferfundamenten im anstehenden Fels der Talflanken. Wie Vergleiche an alten, in der Schweiz gebauten Brücken zeigten, sind Bogenkonstruktionen bei einem hohen Verhältnis von Material- zu Lohnkosten sehr materialökonomisch. Ein Beispiel hierfür ist die Salginatobelbrücke von Robert Maillart. Die ökonomischen Verhältnisse bzw. das Verhältnis Lohn- zu Materialkosten sind heute in Bhutan mit denjenigen vor etwa 80 Jahren in der Schweiz zur Blüte des Bogenbrückenbaus vergleichbar.

Zeitfenster von sieben Monaten

Der bereits vor mehr als 200 Jahren gewählte Standort für eine traditionelle Holzbrücke war auch für die neue Bogenbrücke der geeignetste, denn Untersuchungen für alternative Brückenstandorte führten nicht zum Erfolg. Aufgrund der geotechnischen Randbedingungen war an dieser Stelle jedoch eine Brückenkonstruktion mit einer relativ grossen Spannweite von etwa 100 m notwendig. Ein Brückenbau mit dieser Spannweite ist auch in der Schweiz mit ihrem hohen Stand an technischen Mitteln keine Kleinigkeit.

Die Tradition des Holzbrückenbaus, aus dem der bekannte Lehrgerüstbau der Schweiz entstand, ist in Bhutan nicht vorhanden. Ausserdem musste wegen der Monsunniederschläge eine Bogenkonstruktion entwickelt werden, die in nur einem Halbjahr aufgebaut werden konnte. Noch vor den Mitte Juni einsetzenden Monsunniederschlägen mussten der Bogen selbsttragend und allfällige Hilfskonstruktionen aus dem Flussbett geräumt sein. Entsprechend wurden Hauptarbeiten im Fluss wie Kämpferfundamente und Bogenherstellung jeweils in einem Winterhalbjahr ausgeführt. Um die kurze Bauzeit einhalten zu können, baute das Konzept für die Herstellung des Bogens auf alten, bekannten Methoden auf und wurde mit modernen Bauverfahren ergänzt, die auch in Bhutan anwendbar sind. Teile der Bogenplatte wurden vorfabriziert. Diese Betonelemente wirkten bereits nach dem Einsetzen des letzten Elements – des sogenannten Schlusssteins – als Druckbogen; dadurch wurde das Lehrgerüst – Stahlträger, die auf leichten Gerüsttürmen aufsetzten (Abb. 4) – entlastet und Tragreserven für weitere Lasten frei. Die U-förmig ausgebildeten Betonelemente dienten bei der Vervollständigung der Betonplatte als Stirn- und Bodenschalung. Stabilisiert wurde die dünne Bogenplatte schliesslich mit den aufgesetzten Bogenrippen aus Ortbeton. Der damit einhergehende stabile Zustand wurde am Ende des siebten Monates erreicht. Die Stahlträger für das Lehrgerüst wurden in Kalkutta produziert und auf die Baustelle transportiert. Wegen der Transportkosten, aber auch weil Stahl in Bhutan sehr teuer ist, wurden die Träger so ausgebildet, dass sie nach dem Bau des Bogens wieder ausgebaut und als Verbundträger für die Fahrbahnplatte verwendet werden konnten (Abb. 5). Die Träger, die Aussteifung im Bauzustand, die erforderlichen Nietlöcher und die Auflagerknoten der Gerüsttürme waren Teil der Planung. Nach der Demontage und der Ausbesserung des Korrosionsschutzes wurden die Träger umgedreht, sodass die aufgeschweissten Stahlwinkel als Verbunddübel nach oben zu liegen kamen. Mit Flanschblechen und Nieten wurden sie an der vorgesehenen Stelle zu zwei durchlaufenden Verbundträgern zusammengebaut. Nach der Fertigstellung wurden darauf vorfabrizierte Elemente verlegt, die als Schalung für die Fahrbahnplatte dienten. Diese wurden, wie die Bogenelemente auch, auf der kleinen Produktionseinrichtung nahe der Baustelle gefertigt.

Etappierter Bauablauf

Für die Bauphase musste eine geeignete Baustelleneinrichtung gefunden werden. Am einfachsten konnten die Baustellentransporte mit einem Kabelkran bewerkstelligt werden – zumal vor zehn Jahren in Bhutan noch keine Baukräne zur Verfügung standen. Er war auf der Brückenachse installiert. Der Brückenbau erfolgte in mehreren Abschnitten: Erst wurden im Winterhalbjahr 2000 die Kämpferfundamente erstellt; im gleichen Halbjahr begann die Fertigteilproduktion für Bogen- und Fahrbahnplatte. Im zweiten Bauabschnitt 2001 wurde im vorgegebenen Zeitfenster von sieben Monaten der Betonbogen erstellt. Anfangs wurden die provisorischen Fundamente für die Lehrgerüsttürme in Flussmitte installiert. Dafür wurden in Drahtnetze eingeschlossene Bollensteine ins Wasser abgeteuft, bis der Sockel stark genug war, der Strömung standzuhalten. Auf die darauf betonierte Platte wurden die Gerüsttürme angeschlossen, die den Bogen jeweils in seinen Knickpunkten stützten. Um die vier Knickpunkte ausführen und die Verbundträger in den richtigen Längen einbauen zu können, montierte man auf den Gerüsttürmen vorgefertigte Zwischenstücke. Sobald das Lehrgerüst stand, konnten die Bogenelemente platziert und mit einer 2 cm dicken Mörtelfuge miteinander verbunden werden. Nach dem Erreichen des stabilen Zustandes wurden die Pfeiler und Widerlager erstellt, die Lehrgerüstträger demontiert und als Verbundträger wieder eingebaut sowie die Fahrbahnfertigteile verlegt. Im Überbeton der Fahrbahnplatte wurde als Stirnschalung bereits der Stahlanschluss für den Holzgehweg integriert. Geländer und Gehwegbelag aus Lärchenholz kragen über die eigentliche Betonkonstruktion aus. Die handgeschnitzten Holzpfosten mit dem Geländer sind Tradition in Bhutan.

Wissenstransfer

Das Projekt zeigt, dass es möglich ist, ohne moderne Baugeräte eine grosse Brücke zu bauen - ein entsprechendes Konzept vorausgesetzt. Die Herausforderung lag nicht nur in der ingenieurspezifischen Planung, sondern auch auf der Baustelle bei der Umsetzung. Die Zusammenarbeit der Verantwortlichen war durch eine grosse Kooperationsbereitschaft geprägt. Ein Ziel der engen Zusammenarbeit war auch, die Ingenieure der Road Bridge Division in grundlegenden Aspekten des Brückenbaus zu unterstützen und auszubilden.

[ Heinrich Schnetzer, Dr. sc. techn., dipl. Ing. ETH, Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel ]

TEC21, Do., 2010.09.16



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2010|38 Bauen in Bhutan

14. Januar 2010Heinrich Schnetzer
TEC21

Wirkungsvoll kombiniert

Der Büroneubau in Allschwil, von den Architekten Herzog & de Meuron für die Firma Actelion entworfen, besteht aus übereinandergelegten, prismatischen Körpern. Raumhohe Stahlfachwerkträger bilden deren Seitenwände. Um die Trägerkonstruktion optimal auszunutzen, haben die Bauingenieure von WGG Schnetzer Puskas eine hybride Trägerform für diese Fachwerke entworfen: Sie kombinierten Fachwerk- und Vierendeelträger.

Der Büroneubau in Allschwil, von den Architekten Herzog & de Meuron für die Firma Actelion entworfen, besteht aus übereinandergelegten, prismatischen Körpern. Raumhohe Stahlfachwerkträger bilden deren Seitenwände. Um die Trägerkonstruktion optimal auszunutzen, haben die Bauingenieure von WGG Schnetzer Puskas eine hybride Trägerform für diese Fachwerke entworfen: Sie kombinierten Fachwerk- und Vierendeelträger.

Der Büroneubau der Firma Actelion in Allschwil gleicht einem Mikado aus balkenähnlichen, übereinander angeordneten Baukörpern. Im Gegensatz zu der umgebenden Bebauung mit starren Formen ist das neue Gebäude eine offene Struktur. Die Zwischenräume der Balkenkonstruktionen ermöglichen Sichtbezüge innerhalb des Gebäudes und nach aussen zu den angrenzenden Labor- und Bürogebäuden sowie den Sportfeldern. Die scheinbar zufällige Anordnung der Bürobalken schafft nicht nur ungewohnte Durchblicke und Ausblicke, sondern auch Terrassen und Höfe in vielzähligen Grössen und Qualitäten. Die 34 raumhohen prismatischen Körper sind ineinander verzahnt und übereinandergestapelt. Sie bilden einen chaotisch und unstrukturiert erscheinenden «Haufen» (Abb. 1 und 2).

Bei einer Grundrissabmessung von etwa 80 × 80 m reicht diese Struktur bis auf eine Höhe von 22 m. Jeder einzelne «Mikadostab» bzw. Raumkörper kann als rechteckiges oder schiefes Gitterrohr betrachtet werden. Im Unterschied zum Mikadospiel hat aber jeder «Stab» eine andere Abmessung. Sie sind 30 bis 100 m lang und, abhängig von der Büronutzung, fünf bzw. sieben Meter breit. Sie bestehen im Wesentlichen aus den Boden- und Deckenscheiben sowie zwei raumhohen Fachwerkträgern, die verglast sind und die Fassade bilden. Jeweils fünf bis sieben prismatische Körper bilden im Grundriss des «Stabhaufens» eine Ebene bzw. ein Bürogeschoss. Jede Geschossebene hat ihr eigenes Trägerlayout und liegt nicht deckungsgleich über dem unteren Geschoss, sondern trägt ihre Lasten über wenige einzelne Punkte in die untere Ebene ab. Einzelne «Stäbe» überschneiden sich und bilden dadurch mindestens vier Schnittflächen in jeder Ebene. Sie werden als Erschliessungs- und Kommunikationszonen über die insgesamt sechs Ebenen bzw. Geschosse (ein Erdgeschoss und fünf Obergeschosse) genutzt und ihre gemeinsame Fläche ist gerade so gross, dass ein Lift und die Steigschächte darin Platz finden. Die Treppenanlagen, losgelöst von den gemeinsamen Durchdringungszonen, winden sich räumlich im «Stapelhaufen».

Geschicklichkeitsspiel

Die Anforderungen an einen raumhohen und raumbildenden Kastenträger, der aus zwei parallel verlaufenden Fachwerkträgern besteht, sind im Hochbau vielfältig. Der prismatische Körper muss neben den tragwerksplanerischen und statischen Kriterien auch den Anforderungen der Gebäudetechnik und der Bauphysik gerecht werden. Um tiefe Herstellungskosten zu erreichen, wird eine möglichst einfache Konstruktion vorausgesetzt. Wegen des ungünstigen Verhältnisses von Lohnkosten zu Materialkosten entwickelten die Bauingenieure von Schnetzer Puskas eine Struktur, die mit möglichst wenig Arbeitsaufwand hergestellt werden konnte. Primäres Ziel war nicht, eine geringe Stahltonnage zu erreichen. Die aufwendige architektonische Struktur musste vielmehr für die Ausführung konstruktiv vereinfacht werden – das Tragwerk sollte trotz komplexem Bau eine gewisse Einfachheit und Systematik aufweisen. Dabei standen Kosten und Machbarkeit im Vordergrund.

Spielregeln

Raumhohe Fachwerkträger sind im Bürobau meist nicht erwünscht, da die Diagonalen vor den Fenstern verlaufen. Vierendeelträger, die nur aus Gurten und Pfosten bestehen, lassen rechteckige Fensteröffnungen zu und bieten sich deswegen an.

Wirtschaftliche Trägersysteme bedingen eine hohe und kontinuierliche Ausnutzung der eingesetzten Profilquerschnitte und des verwendeten Baustoffs, bei möglichst reduziertem Arbeitsaufwand für die Herstellung. Insbesondere ist es von Vorteil, die Gurte mit einem konstanten Querschnitt auszubilden, damit die arbeitsintensiven Schweissarbeiten reduziert werden können. Vierendeelträger sind jedoch nicht sehr wirtschaftlich. Die Pfosten und Gurte werden nicht nur mit Normalkräften, sondern auch mit Querkräften und auf Biegung beansprucht, und bei den verwendeten Profilen wirkt nur der statische Hebelarm – die statische Höhe der raumhohen Träger kann nicht effizient ausgenutzt werden. Dies führt zu einem weichen Tragsystem, das mit einem relativ hohen konstruktiven und materialspezifischen Aufwand versteift werden muss.

Aus den divergierenden Anforderungen bezüglich Nutzung und Kosten ergab sich in einem intensiven Planungsprozess zwischen allen Beteiligten (vgl. Kasten S. 22) ein Trägersystem, das sich aus Vierendeel- und Fachwerkträgern zusammensetzt. Die Bauingenieure kombinierten die Eigenschaften des Fachwerkträgers mit denjenigen des Vierendeelträgers.

Tragende Scheiben im Stabgewirr

Das Gebäude hat keine Kerne, die den horizontalen Lastabtrag sicherstellen. Die meisten Stützen sowie die am direkten Lastabtrag beteiligten Fachwerkstäbe wie Vierendeelpfosten und Diagonalstäbe sind nicht lotrecht ausgerichtet. Die daraus resultierenden horizontalen Ablenkkräfte, aber auch die Erdbeben- und Windkräfte sowie das bezüglich des Reaktionszentrums entstehende Torsionsmoment müssen über die Fachwerke sowie Decken und Böden der Kastenträger teilweise ausgeglichen und abgetragen werden. Dabei funktionieren die Fachwerke als vertikale und die Decken und Böden als horizontale Scheiben. Die Deckenscheiben sind als Verbundquerschnitt konzipiert, bestehend aus den Stahlprofilen der Trägergurte und den dazwischenliegenden Betondecken.

Standort Wettbewerb

Der Aufwand für das Tragsystem übersteigt trotz einem ausgeklügelten Trägersystem mit optimierten Querschnitten den üblichen Rahmen für ein Bürogebäude. Wie bei modernen Glasbauten im Allgemeinen ist bei diesem speziellen Projekt die Tragkonstruktion jedoch nicht der hauptsächliche Kostenfaktor. Die mit der Gebäudestruktur generierte Oberfläche ist beträchtlich und schlägt sich entsprechend auch im Aufwand für die Fassade nieder – gerade weil die Gebäudeoberfläche im Hinblick auf den zukünftigen Energieverbrauch einem hohen Standard genügen musste. Die Gebäudestruktur bzw. das Tragsystem schafft aber Büroräume, die bezüglich der Beleuchtung und der Erschliessung optimale Verhältnisse bieten. Insbesondere das modulare Raster der Bürobalken und die stützenfreien Räume ermöglichen verschiedene Bürotypologien und unterschiedlich grosse Bürozellen.

Besprechungsräume und loungeartige Bereiche sind an den Kreuzungspunkten der Balken angelagert, um die Kommunikation innerhalb der Firmenabteilungen zu erhöhen. Wie sich bei modernen Bürogebäuden in der Region Basel, aber auch weltweit, zeigt, sind attraktive Räumlichkeiten, die die Kultur einer Firma repräsentieren, indem sie diese architektonisch umsetzen, wesentlich für den Standortwettbewerb. Sie zählen mit zu den ausschlaggebenden Kriterien, wenn es darum geht, gut qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen. Unter Einbezug dieser Gesichtspunkte relativieren sich die höheren Aufwendungen für die Tragstruktur und die Gebäudeoberfläche.

TEC21, Do., 2010.01.14



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Bauwerke

Artikel 12

05. Dezember 2013Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Konstruktive Intelligenz

Ingenieure stehen immer im Schatten der Architekten – selbst Stars wie Cecil Balmond vom Londoner Büro Ove Arup. Dabei wären heute viele hochkomplexe Baukonstruktionen...

Ingenieure stehen immer im Schatten der Architekten – selbst Stars wie Cecil Balmond vom Londoner Büro Ove Arup. Dabei wären heute viele hochkomplexe Baukonstruktionen...

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Schnetzer Puskas Ingenieure AG



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Schnetzer Puskas Ingenieure

Presseschau 12

Kraftfluss für die Musik

Der Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron ist spektakulär und die Aufstockung auf dem bestehenden Kaispeicher ein Ingenieurbauwerk sondergleichen. Im wahrsten Sinn des Wortes zum Tragen gebracht haben es Schnetzer Puskas Ingenieure.

Der Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron ist spektakulär und die Aufstockung auf dem bestehenden Kaispeicher ein Ingenieurbauwerk sondergleichen. Im wahrsten Sinn des Wortes zum Tragen gebracht haben es Schnetzer Puskas Ingenieure.

Einer gläsernen Krone gleich erhebt sich die 19-geschossige Aufstockung auf dem bestehenden Kaispeicher A im Hamburger Hafen. Sie bildet einen eigenständigen Körper auf dem siebengeschossigen Backsteinvolumen (vgl. «Fuss gefasst und abgehoben»). Nicht nur die Materialisierung gliedert Alt und Neu, auch die geschosshohe Fuge dazwischen trennt das unterschiedliche Paar optisch in Bestand und Erweiterung. Dank ihr scheint die Auf­stockung über dem historischen Sockel zu schweben. Dennoch haben die beiden Körper einen engen Bezug zueinander. Ihre trapezförmigen Grundrisse stehen exakt übereinander, und hinter der Backsteinfassade ist ebenfalls alles neu. Die neue Tragkonstruktion erschliesst sich aus der bestehenden; zumindest aus dem, was davon geblieben ist – nämlich der Fundation und der teils tragenden Fassade.

Reserven waren das Potenzial

Der Kaispeicher mit einer praktisch geschlossenen Backsteinfassade bestand aus einem Stahlbetonskelett, das auf eine Nutzlast von 2 t/m2 im oberen und 3 t/m2 im unteren Bereich ausgelegt war. Das Stützenraster von 4.30 auf 5.00 m war orthogonal ausgelegt, allerdings in zwei Bereichen zueinander verdreht, sodass dazwischen eine «Naht» bestand. Die Lasten wurden über Betonrammpfähle mit entsprechendem Raster in den Baugrund geleitet. Insgesamt waren für den 1963 gebauten Kaispeicher 1111 Pfähle in den sandigen und durch­nässten Boden eingerammt worden. Sie bestehen heute noch. Dazwischen befinden sich zudem Holzpfähle des 1875 gebauten Kaiserspeichers – der vorangehende Bau. Das beachtliche Pfahlvolumen verdichtete den Sand, was die Tragfähigkeit der Pfähle wiederum erhöhte. Der Tidehub schwemmte zudem die Grenzschicht der Pfahloberflächen über Jahrzehnte ein – Boden und Pfahl sind regelrecht miteinander «verwachsen». Deswegen können die Pfähle gegenwärtig sogar 40 % mehr Lasten tragen als zur Bauzeit in den 1960er-Jahren. Dies trifft allerdings nicht auf die Senkkästen entlang der Längsfassaden zu. Eine erhöhte Traglast war bei dieser Fundationsart weniger feststellbar.

Die zu Beginn der Planungsarbeiten durchgeführte Analyse des Kaispeichers zeigte, dass mit dieser Nutzlastauslegung des Tragwerks und den Traglast­reserven der Pfähle ein beträchtliches Potenzial für ein aufgesetztes Bauvolumen vorhanden war. Auf dieser Grundlage wurde ein Erweiterungsbau auf dem alten Speicher erst möglich.

Getrennt und doch darauf aufbauend

Grundsätzlich besteht die Aufstockung aus einem ­Stahlbetonskelettbau, der sich an der Pfahlfundation bzw. am innerhalb der Backsteinfassade neu erstellten Stahlbetonskelett orientiert. Einzelne hoch belastete Tragelemente sind aus Stahl.

Um die verschiedenen Nutzungen wie den Grossen und den Kleinen Saal, einen dritten Saal, das Hotel, die Wohnungen, die sich teilweise über den Grossen Saal schieben, das Parking, den Backstage- und den Konferenzbereich, die Gastronomie und die Wellnessanlage überhaupt aufnehmen zu können, wird das Stahlbetonskelett in der Aufstockung durchwegs von Unregelmässigkeiten durchbrochen. Von einem kontinuierlichen und einheitlich materialisierten Tragwerksraster blieb nicht mehr viel übrig.

Infolge des grossen Konzertsaals beispielsweise ergeben sich inmitten des Aufbaus Spannweiten, die die Dimensionen des Rasters bei Weitem sprengen. Er erstreckt sich umgeben von den Hotelgeschossen im Osten und den Wohngeschossen im Westen vom 11. bis hinauf ins 22. Obergeschoss. Sein ovaler Grundriss weist Hauptspannweiten von 50 bzw. 55 m auf und nimmt so teilweise rund ein Drittel einer Geschossfläche auf. Die Ingenieure konzipierten den Grossen Saal daher als statisch eigenständigen Baukörper, der punktuell gestützt ist. Acht grosse Stahleinbauteile sammeln die Kräfte und geben sie an Schrägstützen ab. Diese leiten die Lasten geneigt weiter, bis sie an das Stahlbetonraster anknüpfen. Die relativ wenigen Lagerungen des in sich stabilen Saals ermöglichen es, die Erschliessung und Teile der Plaza unter dem Saal praktisch stützenfrei auszubilden und das Foyer entlang dieses Körpers kaskadenartig hochzuschrauben. Nur wenige schräge Stützen durchstossen diese terrassenartige Decken- und Treppenlandschaft.

Der Grosse Saal als Box-in-Box-System

Der eiförmige Saalkörper ist ein in sich komplexes Tragwerk. Um ihn vom Umgebungslärm der Stadt und des Hafens akustisch abzukoppeln, forderte der japanische Akustiker Yasuhisa Toyota ein Box-in-Box-System – einen Körper aus zwei unabhängigen Schalen. Die äussere Box ist eine Stahlbetonkonstruktion, die fest mit dem Tragwerk des Gesamtgebäudes verbunden ist. Sie besteht aus einem Wandring und einem Boden mit auf­gesetzten Rippen. Während die 20 bis 40 cm dicken Wände parallel zu den Fassaden angeordnet sind, verlaufen die 21 innenliegenden Rippen orthogonal dazu zur Saalmitte hin. Der trapezförmige Gebäudegrundriss führt zu einer Nahtstelle in der Saalmitte bzw. auf der Winkelhalbierenden des Gebäudegrundrisses. Dort treffen sich die Rippen und werden – ähnlich wie die Spanten und der Kiel bei einem Schiffsrumpf – mit einer Längsrippe gefasst. In den Querfassaden im Osten und Westen sind die Rippen ausgehend vom Kiel gefächert angeordnet, und wenn sie nicht ausnahmsweise direkt auf Stützen gelagert sind, hängen sie am 6 bis 10 m hohen Wandring der äusseren Betonschale, in dem die Stahleinbauteile eingelassen sind.

Ab den obersten Tribünen geht die äussere Schale in die Saaldach-Aussenschale über, einer Stahlverbundkonstruktion, die gleichzeitig den Deckel für die äussere Box bildet. Das Saaldach besteht aus einer räumlichen Stahlfachwerkkonstruktion, die statisch im Verbund mit der darübergelegten Betonschale funktioniert. Diese Konstruktion liegt auf dem Wandring auf und kragt bis zur Fassade aus, wo die Deckenränder der Foyergänge hochgehängt sind. Die 21 Stahlträger sind als ebene Fachwerkträger konzipiert und verlaufen analog zu den Betonrippen der Aussenschale sternförmig zum Längsträger in der Saaldachmitte. Durch die zuerst nur leicht und dann steiler ansteigende Querschnittsgeometrie ähnelt die Saaldachkonstruktion einem spitzen Hut mit umlaufender Krempe.

Diese Tragwerkskonzeption war anspruchsvoll und hat zu Diskussionen mit Hochtief Solutions als Generalunternehmer und mit namhaften deutschen Professoren geführt, obwohl der Prüfingenieur Dr.-Ing. Rainer Grzeschkowitz die Saaldachkonstruktion geprüft und freigegeben hatte. Die Skeptiker fanden die Tragwirkung nicht vollumfänglich in den DIN-Normen abgebildet. Sie lässt sich mit einem Speichenrad vergleichen: Die annähernd radial angeordneten Stahlfachwerke (Speichen) werden durch ein Zugband (Felge) zusammengehalten. Als Zugband dienen das stehende umlaufende Stahlfachwerk und der Betonzugring in Form der Krempe des Huts. Der innere, zur Spitze aufsteigende Hutteil dient wegen seiner facettierten Geometrie einzig der Stabilisierung der auf Druck belasteten Fachwerkobergurte. Die Krempe erhält infolge der radialen Kräfte eine grosse Zugbeanspruchung und wegen des eiförmigen Saalgrundrisses zusätzlich grosse Biegebeanspruchungen. Damit sie als Zug- und Biegeelement wirken kann, gaben die Ingenieure ihr die geometrische Form eines flachen Kegelstumpfs. Die Konstruktion überspannt so die gesamte Saalfläche und trägt ein Gesamtgewicht von rund 2000 t.

In die Aussenschale, die während des Bau­zustands noch ohne Topfdeckel wie ein riesiger Betonkessel erschien, montierte man die Innenschale mit ihrer ­räumlichen Stahlkonstruktion. Sie ist über 342 Federpakete auf den Betonrippen der äusseren Schale gelagert. So dringen weder tieffrequente Schiffsgeräusche, die unter Wasser übertragen werden, oder Lärm von der öffentlich zugänglichen Plaza in den Konzertsaal noch Musikklänge vom Konzertsaal nach aussen, etwa in die Schlafräume des Hotelbereichs. Die Akustik des Saals verlangt eine Frequenzabstimmung des Systems von etwa 4.5 Hz – eine herausfordernde Aufgabe mit den weit auskragenden Balkonen, mit einer Anregungsfrequenz durch die Konzertbesucher von rund 2 Hz und mit der ersten Oberfrequenz von 4 Hz – insbesondere da Normwerte für die Anregung und Überprüfung nicht vorhanden waren. Die innere Box wurde aussenseitig umlaufend mit einer 20 cm dicken Betonhaut und die Saalinnenseite mit einer schallstreuenden und -reflektierenden weissen Haut aus tausenden individuell gefrästen Gipsfaserplatten von 150 kg/m2 überzogen ­(vgl. «Von Welle und Klang»).

Das Saaldach steigt bis unter das zeltartig geformte Gebäudedach auf, wo es als Auflager für eben dieses funktioniert. Das Gebäudedach ist statisch weniger anspruchsvoll, geometrisch aber umso mehr. Seine Geometrie entsteht aus acht wellenförmig angeordneten Kugelteilflächen, wobei sich die Hochpunkte – bis auf die Spitze des Grossen Saals inmitten der Dach­fläche – ausschliesslich an den Fassaden befinden. Das Dachtragwerk setzt sich aus 1000 ungleichen und gekrümmten Trägern mit einem aufgeschossenen ­Trapezblech zusammen. Das Gewicht beträgt etwa 800 t. Die horizontalen Lasten werden über drei Erschliessungskerne abgetragen, die vertikalen Lasten zusätzlich über unregelmässig verteilte Innenstützen und regelmässig im Abstand von 4.30 bis 5.00 m angeordnete Randstützen in der Fassadenebene.
Spalt in der Fassade

Die Fassaden und die raumbegrenzenden Oberflächen verdecken die gesamte Tragkonstruktion, die das ­charakteristische Bauwerk erst ermöglicht. Ausge­rechnet dort, wo sich die Fassade wie ein Spalt zwischen Alt und Neu öffnet und sich das Tragwerk zeigen könnte, weicht es zurück. Mit dem Wegfall der Fassadenstützen erreichen die Planenden die optische Trennung von Neu und Alt. Die Kräfte entlang der Fassade werden drei Geschosse über der Plaza mittels Schrägstützen auf die zweite Stützenreihe geführt. Die darunter­liegenden beiden Stockwerke sind über Zugstützen ­aufgehängt. An der schmalen Westseite ist diese Konzeption geo­met­risch nicht möglich, daher sammelt ein über der Plaza liegendes und über die beiden Gebäudeecken umlaufendes Fachwerk als Abfangträger die ­Stützenlasten.

Über Zugstützen gelangen die Kräfte drei Stockwerke darüber zu Schrägstützen, diese wiederum leiten die Lasten auf die zweite Stützenreihe.

Die indirekte Lagerung führt bei diesem 110 m hohen Gebäude zu grösseren lastabhängigen ­Verformungen. Hinzu kommen die Lasten der Fassaden­elemente, die möglichst früh angeschlagen werden mussten, um bereits während des Rohbaus in den ­darunterliegenden Geschossen mit dem Innenausbau beginnen zu können. Ausserdem wurde die spezielle Glasfassade für den Endzustand mit kleinen Deckenverformungen konzipiert. Unter den Rohbauverformungen wären die Gläser deshalb gebrochen. Um die Verformungen während des Rohbaus regulieren zu können, entwickelten die Ingenieure ein konstruktives Konzept: Massgebende Diagonalen des Fachwerks wurden dem Baufortschritt folgend mithilfe von hydraulischen ­Pressen verkürzt und im Endzustand fest verschweisst.

Dadurch wurden das Fachwerk schrittweise vorgespannt und die Verformungen sukzessive ausgeglichen.

Zäsur im Meisterstück

Die hohen Fassadenlasten von bis zu 101 kN/m konnten bei den Längsfassaden nicht gesamthaft in die vorhandenen Senkkästen fundiert werden, weil diese weniger Lastreserven als die bestehende Pfahlfundation aufwiesen. Die Ingenieure mussten die zusätzlichen Lasten an dieser Stelle entsprechend reduzieren. Diese «Entlastung» erfolgte am wirtschaftlichsten mit einer Umlagerung der grossen Saaldachlasten. Dazu wurden ausgewählte Auflagerpunkte des etwa 1800 t schweren Saaldachs entlang der Längsfassaden erhöht eingebaut und nach der Fertigstellung der Stahlkonstruktion und der darüber im Verbund wirkenden Betonschale mit hydraulischen Pressen in die Endlage abgesenkt. Dadurch erfolgte die notwendige Umverteilung der Lasten hin zur Mitte des Gebäudegrundrisses, wo Tragreserven in der Pfahlfundation vorhanden sind.

Dieser konstruktiv ingeniöse Umgang mit den Kräften zeigt, welche aussergewöhnliche Leistung die Ingenieure hier vollbracht haben. Dass die Aufstockung heute so selbstverständlich auf dem historischen Sockel aus Backstein steht und die Stadt mit einer unvergleichbaren Ausstrahlung überragt, ist ein planerisches und kreatives Meisterstück und verdient eine Atempause – eine musikalische Zäsur in der Tonfolge sozusagen. Wenn perfekt ausgeführt, ist sie kaum hörbar und verlangsamt das Tempo des Stücks nicht. Ohne sie – die präzise gesetzte Zäsur oder die sorgsam durchdachte Ingenieurleistung – wäre ein Musikwerk bzw. ein solcher architektonischer Entwurf mit seinem einverleibten Tragwerk nicht umsetzbar.

TEC21, Fr., 2017.03.24



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TEC21 2017|12 Hamburger Himmelsstürmer

24. Oktober 2014Heinrich Schnetzer
TEC21

Sprunghafter Pionier

Von der Vorspannung über die Modellstatik zum CAD, vom Realen zum Virtuellen: Der Erfindergeist Heinz Hossdorfs kannte keine Grenzen. Seine Bauten schrieben sowohl Ingenieur- als auch Architekturgeschichte.

Von der Vorspannung über die Modellstatik zum CAD, vom Realen zum Virtuellen: Der Erfindergeist Heinz Hossdorfs kannte keine Grenzen. Seine Bauten schrieben sowohl Ingenieur- als auch Architekturgeschichte.

Heinz Hossdorf war Erfinder, Entwickler, ein Ingenieur mit Leib und Seele. Er wurde 1925 in eine Zeit hineingeboren, in der der Schalenbau und die Vorspanntechnik grosse Bedeutung erlangten und vor allem experimentell weiterentwickelt wurden. Die technischen Möglichkeiten, neue Tragstrukturen und Formen zu entwerfen, lagen aufgrund des erforderlichen technischen Wissens und Verständnisses vor allem in den Händen der In­genieure. Interessanterweise haben sich Architekten immer nur peripher mit Schalen beschäftigt. Die gestalterischen Möglichkeiten sind durch die physikalischen Rahmenbedingungen stark eingeschränkt. Auch ist die Form von Schalentragwerken zu eigenständig, zu dominant. Aus dieser Konstellation bildete sich eine neue Generation von entwerfenden Ingenieuren heraus. Bedeutende Zeitgenossen von Heinz Hossdorf waren Pier Luigi Nervi (vgl. TEC21 37/2013), Eduardo Torroja, Felix Candela, Eladio Dieste und Heinz Isler.

Theorie durch Modellstatik ergänzt

Diesem Zeitgeist gehorchend, befasste sich Heinz Hossdorf vor allem mit dem Schalenbau und der Vorspannung. Damals waren für den Schalenbau nur theoretische Grundlagen vorhanden, mit denen im Wesentlichen rotationssymmetrische oder zylindrische Schalen mathematisch genau berechnet werden konnten. Für komplexere Geometrien gab es keine geschlossenen Lösungen, und die Numerik bzw. die Computertechnologie war nicht weit genug, um damit die anspruchsvollen statischen Problemstellungen lösen zu können.

Aus dem Bedürfnis heraus, die freie Formbarkeit des Betons auszuschöpfen, verbunden mit dem Mangel an statischen Werkzeugen, die eine Berechnung solcher Tragkonstruktionen überhaupt zugelassen hätten, entwickelte Heinz Hossdorf kurzerhand die Modellstatik. Dafür wurden massstabsgetreue Modelle gefertigt und im Labor belastet. Anhand der Auflagerkräfte, Verformungen und Dehnungen konnte er auf den Spannungsverlauf im Modell und über den Modellmassstab auf den der realen Struktur schliessen.

Im Gegensatz zu Heinz Isler, der die geometrischen Eigenschaften der Druckschalen aufgrund von physikalischen Gesetzmässigkeiten oder Analogien ermittelte und im grösseren Massstab nachbaute, konnte Hossdorf so Zug-Druckschalen – also komplexere vorgespannte Formen (vgl. «Statik als Handwerk», S. 28) – frei entwerfen und berechnen. Neben seinen ingenieur­technischen Fähigkeiten besass er einen ausgeprägten Willen, den statischen und herstellungstechnischen Eigenschaften seiner Werke eine Form zu verleihen. Das Kies- und Betonwerk Gunzgen SO steht als Ikone seines Ingenieurentwurfs (Abb. S. 26).

Zentraler Grundpfeiler seiner Modellstatik war das linearelastische Materialverhalten, das Hooke’­sche Gesetz. Hossdorf bewegte sich ausschliesslich in dieser Welt. Seine Modelle konnten das nicht­lineare Verhalten des Stahlbetons durch Rissbildung oder durch plastische Lastumlagerungen nicht erfassen. Nur so ist es zu erklären, dass die Entwicklung der Plastizitätstheorie, die ihm neue Möglichkeiten im Stahlbetonbau eröffnet hätte, ihn nicht interessierte.

Virtuelle Werkzeuge und gebautes Erbe

In der weiteren Entwicklung der Modellstatik verwendete Hossdorf vermehrt den Computer für die Auswertung der gemessenen Daten. Er konnte damit den Spannungs- und Verformungszustand der Konstruktionen grafisch darstellen. Es entstand die von ihm benannte Hybridstatik, eine Verschmelzung oder Symbiose von physischem Modell und Computer zu einem allgemeinen Berechnungswerkzeug für den Ingenieur.

In diesem Zusammenhang erkannte Hossdorf schon früh das Potenzial der Computer. Seinem Naturell entsprechend widmete er sich ab 1978 ausschliesslich der Vision, einen Gegenstand virtuell im Computer zu erfassen und darzustellen. Er verkaufte sein Ingenieurbüro, löste seine Modellwerkstatt auf und begann zusammen mit heute namhaften Computer­pionieren wie Dave Packard ein «Interdisziplinäres Technisches System» zu entwickeln – eine Software, die mit den Begriffen CAD und CAM zusammengefasst werden kann. Natürlich waren Hossdorfs Ziele hochgesteckt und seiner Zeit um Jahre voraus. Seine finanziellen und personellen Ressourcen reichten nicht aus, um das ­System praxistauglich fertigzustellen und bei ­Firmen produktiv einzusetzen. Die von ihm sehr früh erkannte Möglichkeit, mittels Computer virtuelle Gegenstände zu generieren, hat im Gegenzug dazu geführt, dass heute Berechnungsmodelle direkt im Computer erzeugt und analysiert werden. Die Berechnungen mit finiten Elementen, bei denen ein virtuelles Modell in einzelne kleine Teile zerlegt wird und die mechanischen Eigenschaften dieser Elemente mit jeweils den Nachbarelementen mathematisch beschrieben werden, haben die Welt erobert. Das physische Modell ist heutzutage nicht mehr erforderlich.

Die Modellstatik hat sich von der reellen in die virtuelle Welt verschoben. Die bedeutenden Bauten von Heinz Hossdorf – ein Beitrag zu unserer Baukultur – stammen alle aus seiner frühen Zeit als entwerfender Ingenieur, als er sich noch nicht mit der virtuellen Welt auseinandersetzte. Am Ende steht eben doch das Reale, das Gebaute. Alles andere ist Werkzeug.

TEC21, Fr., 2014.10.24



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TEC21 2014|43 Heinz Hossdorf und die Modellstatik

16. September 2010Heinrich Schnetzer
TEC21

Handarbeit mit Beton

Die Hauptverkehrsachse im Landesinnern von Bhutan führt über eine der wichtigsten Flussüberquerungen. Sie wurde durch eine Notbrücke sichergestellt. Weil Hochwasser sie mehrfach einrissen, musste sie ersetzt werden. Die Ingenieure von Schnetzer Puskas entwickelten für die neue Brücke eine auf Umfeld und traditionelle Bauweise zugeschnittene Tragkonstruktion aus Beton, die ohne moderne Baugeräte realisiert werden konnte.

Die Hauptverkehrsachse im Landesinnern von Bhutan führt über eine der wichtigsten Flussüberquerungen. Sie wurde durch eine Notbrücke sichergestellt. Weil Hochwasser sie mehrfach einrissen, musste sie ersetzt werden. Die Ingenieure von Schnetzer Puskas entwickelten für die neue Brücke eine auf Umfeld und traditionelle Bauweise zugeschnittene Tragkonstruktion aus Beton, die ohne moderne Baugeräte realisiert werden konnte.

Das Königreich Bhutan liegt etwa 1000 km nördlich der Indischen Metropole Kalkutta inmitten des Himalaya. Die von Nord nach Süd verlaufenden Täler strecken sich von der 200 m ü. M. liegenden Ebene des Brahmaputra bis hin zu den 7500 m hohen Berggipfeln an der tibetischen Grenze. Der im Landesinneren verlaufende «West-Ost-Highway» führt über die 3000 m hohen Pässe und die Flüsse der tief eingeschnittenen Täler – dabei muss man sich vorstellen, dass dieser Highway vom Ausbaustandard her nicht einmal einer Schweizer Landstrasse entspricht. Die alte Bailey-Brücke über den Puna Tsang Chhu musste dringend ersetzt werden. Das Projekt dafür wurde im Rahmen eines Brückenwettbewerbs, den das Swiss Resource Centre and Consultancies for Development (Skat) im Auftrag der Helvetas durchführte, entwickelt. Drei Schweizer Ingenieurbüros erhielten die Aufgabe, ein Brückenprojekt mit einem vorgegebenen Baustoff zu erarbeiten. Entsprechend den Vorgaben wurden eine Holzbrücke, eine Stahlbrücke und die realisierte Betonbrücke erarbeitet.

Herausfordernde Randbedingungen

Durch die Monsunniederschläge haben die Flüsse eine ausgeprägte Jahresgangcharakteristik. Während der Monate Juni bis Oktober führen sie Hochwasser; Arbeiten im Fluss sind dann nicht möglich. Ausserdem stauen Endmoränen die Gletscher im Ursprungsgebiet immer wieder ein und bilden Seen. Diese durchbrechen in regelmässigen Zeitabständen die Moränendämme. Die entstehenden Flutwellen zerstören flussabwärts grössere Talabschnitte (vgl. «Holzbaukunst», S. 23 ff.).

Neben diesen hydrologischen Randbedingungen musste die Brücke auch im Hinblick auf die geo- und vor allem die bautechnischen Randbedingungen konzipiert werden. Die lokalen Ressourcen für den Bau von grossen Brücken sind bescheiden. Kiesvorkommen zur Herstellung des Betons sind kaum vorhanden. Meistens werden grosse Bollensteine mit einem Hammer direkt im Flussbett in mühsamer Handarbeit von Frauen zu Betonkies zerkleinert. Für die Betonherstellung dienen Betonmischer mit einem Fassungsvermögen von 0.5 m³; beschickt werden sie von Hand. Die Mischung wird mit einfachen Volumenmassen aus Holz zusammengestellt. Der Transport des Betons auf die Baustelle und das Einfüllen in die Schalung erfolgten mit sogenannten «Stahlpfannen», die auf dem Kopf getragen werden und ein Fassungsvermögen von nur zwei bis drei Schaufeln haben. Ausserdem müssen Stahlteile für Brückenträger oder für Hilfsgerüste über 1000 km auf schmalen Gebirgsstrassen von Kalkutta antransportiert werden. Dabei erlauben die kurvenreichen Passstrassen nur eine maximale Transportlänge von 6 m.

Brückenkonzept massgeschneidert

Um eine «High-Tech»-Brücke mit den vor Ort beschränkten Ressourcen zu bauen, bedurfte es eines entsprechenden Tragwerkskonzepts. Es sollte, aufbauend auf den lokalen bautechnischen Möglichkeiten, neue Erkenntnisse des Brückenbaus adaptieren und ökonomische Randbedingungen berücksichtigen.

Der beidseitig anstehende Fels und die fehlenden bautechnischen Möglichkeiten, die eine Pfeilerfundation im Fluss verunmöglichten, verlangten eine grosse Hauptspannweite, einen ausreichend grossen Abflussquerschnitt und eine uferseitige Brückenfundation. Aufgrund der geotechnischen und der geometrischen Gegebenheiten sowie ökonomischer Überlegungen fiel die Wahl des Typs auf eine Bogenbrücke mit Kämpferfundamenten im anstehenden Fels der Talflanken. Wie Vergleiche an alten, in der Schweiz gebauten Brücken zeigten, sind Bogenkonstruktionen bei einem hohen Verhältnis von Material- zu Lohnkosten sehr materialökonomisch. Ein Beispiel hierfür ist die Salginatobelbrücke von Robert Maillart. Die ökonomischen Verhältnisse bzw. das Verhältnis Lohn- zu Materialkosten sind heute in Bhutan mit denjenigen vor etwa 80 Jahren in der Schweiz zur Blüte des Bogenbrückenbaus vergleichbar.

Zeitfenster von sieben Monaten

Der bereits vor mehr als 200 Jahren gewählte Standort für eine traditionelle Holzbrücke war auch für die neue Bogenbrücke der geeignetste, denn Untersuchungen für alternative Brückenstandorte führten nicht zum Erfolg. Aufgrund der geotechnischen Randbedingungen war an dieser Stelle jedoch eine Brückenkonstruktion mit einer relativ grossen Spannweite von etwa 100 m notwendig. Ein Brückenbau mit dieser Spannweite ist auch in der Schweiz mit ihrem hohen Stand an technischen Mitteln keine Kleinigkeit.

Die Tradition des Holzbrückenbaus, aus dem der bekannte Lehrgerüstbau der Schweiz entstand, ist in Bhutan nicht vorhanden. Ausserdem musste wegen der Monsunniederschläge eine Bogenkonstruktion entwickelt werden, die in nur einem Halbjahr aufgebaut werden konnte. Noch vor den Mitte Juni einsetzenden Monsunniederschlägen mussten der Bogen selbsttragend und allfällige Hilfskonstruktionen aus dem Flussbett geräumt sein. Entsprechend wurden Hauptarbeiten im Fluss wie Kämpferfundamente und Bogenherstellung jeweils in einem Winterhalbjahr ausgeführt. Um die kurze Bauzeit einhalten zu können, baute das Konzept für die Herstellung des Bogens auf alten, bekannten Methoden auf und wurde mit modernen Bauverfahren ergänzt, die auch in Bhutan anwendbar sind. Teile der Bogenplatte wurden vorfabriziert. Diese Betonelemente wirkten bereits nach dem Einsetzen des letzten Elements – des sogenannten Schlusssteins – als Druckbogen; dadurch wurde das Lehrgerüst – Stahlträger, die auf leichten Gerüsttürmen aufsetzten (Abb. 4) – entlastet und Tragreserven für weitere Lasten frei. Die U-förmig ausgebildeten Betonelemente dienten bei der Vervollständigung der Betonplatte als Stirn- und Bodenschalung. Stabilisiert wurde die dünne Bogenplatte schliesslich mit den aufgesetzten Bogenrippen aus Ortbeton. Der damit einhergehende stabile Zustand wurde am Ende des siebten Monates erreicht. Die Stahlträger für das Lehrgerüst wurden in Kalkutta produziert und auf die Baustelle transportiert. Wegen der Transportkosten, aber auch weil Stahl in Bhutan sehr teuer ist, wurden die Träger so ausgebildet, dass sie nach dem Bau des Bogens wieder ausgebaut und als Verbundträger für die Fahrbahnplatte verwendet werden konnten (Abb. 5). Die Träger, die Aussteifung im Bauzustand, die erforderlichen Nietlöcher und die Auflagerknoten der Gerüsttürme waren Teil der Planung. Nach der Demontage und der Ausbesserung des Korrosionsschutzes wurden die Träger umgedreht, sodass die aufgeschweissten Stahlwinkel als Verbunddübel nach oben zu liegen kamen. Mit Flanschblechen und Nieten wurden sie an der vorgesehenen Stelle zu zwei durchlaufenden Verbundträgern zusammengebaut. Nach der Fertigstellung wurden darauf vorfabrizierte Elemente verlegt, die als Schalung für die Fahrbahnplatte dienten. Diese wurden, wie die Bogenelemente auch, auf der kleinen Produktionseinrichtung nahe der Baustelle gefertigt.

Etappierter Bauablauf

Für die Bauphase musste eine geeignete Baustelleneinrichtung gefunden werden. Am einfachsten konnten die Baustellentransporte mit einem Kabelkran bewerkstelligt werden – zumal vor zehn Jahren in Bhutan noch keine Baukräne zur Verfügung standen. Er war auf der Brückenachse installiert. Der Brückenbau erfolgte in mehreren Abschnitten: Erst wurden im Winterhalbjahr 2000 die Kämpferfundamente erstellt; im gleichen Halbjahr begann die Fertigteilproduktion für Bogen- und Fahrbahnplatte. Im zweiten Bauabschnitt 2001 wurde im vorgegebenen Zeitfenster von sieben Monaten der Betonbogen erstellt. Anfangs wurden die provisorischen Fundamente für die Lehrgerüsttürme in Flussmitte installiert. Dafür wurden in Drahtnetze eingeschlossene Bollensteine ins Wasser abgeteuft, bis der Sockel stark genug war, der Strömung standzuhalten. Auf die darauf betonierte Platte wurden die Gerüsttürme angeschlossen, die den Bogen jeweils in seinen Knickpunkten stützten. Um die vier Knickpunkte ausführen und die Verbundträger in den richtigen Längen einbauen zu können, montierte man auf den Gerüsttürmen vorgefertigte Zwischenstücke. Sobald das Lehrgerüst stand, konnten die Bogenelemente platziert und mit einer 2 cm dicken Mörtelfuge miteinander verbunden werden. Nach dem Erreichen des stabilen Zustandes wurden die Pfeiler und Widerlager erstellt, die Lehrgerüstträger demontiert und als Verbundträger wieder eingebaut sowie die Fahrbahnfertigteile verlegt. Im Überbeton der Fahrbahnplatte wurde als Stirnschalung bereits der Stahlanschluss für den Holzgehweg integriert. Geländer und Gehwegbelag aus Lärchenholz kragen über die eigentliche Betonkonstruktion aus. Die handgeschnitzten Holzpfosten mit dem Geländer sind Tradition in Bhutan.

Wissenstransfer

Das Projekt zeigt, dass es möglich ist, ohne moderne Baugeräte eine grosse Brücke zu bauen - ein entsprechendes Konzept vorausgesetzt. Die Herausforderung lag nicht nur in der ingenieurspezifischen Planung, sondern auch auf der Baustelle bei der Umsetzung. Die Zusammenarbeit der Verantwortlichen war durch eine grosse Kooperationsbereitschaft geprägt. Ein Ziel der engen Zusammenarbeit war auch, die Ingenieure der Road Bridge Division in grundlegenden Aspekten des Brückenbaus zu unterstützen und auszubilden.

[ Heinrich Schnetzer, Dr. sc. techn., dipl. Ing. ETH, Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel ]

TEC21, Do., 2010.09.16



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TEC21 2010|38 Bauen in Bhutan

14. Januar 2010Heinrich Schnetzer
TEC21

Wirkungsvoll kombiniert

Der Büroneubau in Allschwil, von den Architekten Herzog & de Meuron für die Firma Actelion entworfen, besteht aus übereinandergelegten, prismatischen Körpern. Raumhohe Stahlfachwerkträger bilden deren Seitenwände. Um die Trägerkonstruktion optimal auszunutzen, haben die Bauingenieure von WGG Schnetzer Puskas eine hybride Trägerform für diese Fachwerke entworfen: Sie kombinierten Fachwerk- und Vierendeelträger.

Der Büroneubau in Allschwil, von den Architekten Herzog & de Meuron für die Firma Actelion entworfen, besteht aus übereinandergelegten, prismatischen Körpern. Raumhohe Stahlfachwerkträger bilden deren Seitenwände. Um die Trägerkonstruktion optimal auszunutzen, haben die Bauingenieure von WGG Schnetzer Puskas eine hybride Trägerform für diese Fachwerke entworfen: Sie kombinierten Fachwerk- und Vierendeelträger.

Der Büroneubau der Firma Actelion in Allschwil gleicht einem Mikado aus balkenähnlichen, übereinander angeordneten Baukörpern. Im Gegensatz zu der umgebenden Bebauung mit starren Formen ist das neue Gebäude eine offene Struktur. Die Zwischenräume der Balkenkonstruktionen ermöglichen Sichtbezüge innerhalb des Gebäudes und nach aussen zu den angrenzenden Labor- und Bürogebäuden sowie den Sportfeldern. Die scheinbar zufällige Anordnung der Bürobalken schafft nicht nur ungewohnte Durchblicke und Ausblicke, sondern auch Terrassen und Höfe in vielzähligen Grössen und Qualitäten. Die 34 raumhohen prismatischen Körper sind ineinander verzahnt und übereinandergestapelt. Sie bilden einen chaotisch und unstrukturiert erscheinenden «Haufen» (Abb. 1 und 2).

Bei einer Grundrissabmessung von etwa 80 × 80 m reicht diese Struktur bis auf eine Höhe von 22 m. Jeder einzelne «Mikadostab» bzw. Raumkörper kann als rechteckiges oder schiefes Gitterrohr betrachtet werden. Im Unterschied zum Mikadospiel hat aber jeder «Stab» eine andere Abmessung. Sie sind 30 bis 100 m lang und, abhängig von der Büronutzung, fünf bzw. sieben Meter breit. Sie bestehen im Wesentlichen aus den Boden- und Deckenscheiben sowie zwei raumhohen Fachwerkträgern, die verglast sind und die Fassade bilden. Jeweils fünf bis sieben prismatische Körper bilden im Grundriss des «Stabhaufens» eine Ebene bzw. ein Bürogeschoss. Jede Geschossebene hat ihr eigenes Trägerlayout und liegt nicht deckungsgleich über dem unteren Geschoss, sondern trägt ihre Lasten über wenige einzelne Punkte in die untere Ebene ab. Einzelne «Stäbe» überschneiden sich und bilden dadurch mindestens vier Schnittflächen in jeder Ebene. Sie werden als Erschliessungs- und Kommunikationszonen über die insgesamt sechs Ebenen bzw. Geschosse (ein Erdgeschoss und fünf Obergeschosse) genutzt und ihre gemeinsame Fläche ist gerade so gross, dass ein Lift und die Steigschächte darin Platz finden. Die Treppenanlagen, losgelöst von den gemeinsamen Durchdringungszonen, winden sich räumlich im «Stapelhaufen».

Geschicklichkeitsspiel

Die Anforderungen an einen raumhohen und raumbildenden Kastenträger, der aus zwei parallel verlaufenden Fachwerkträgern besteht, sind im Hochbau vielfältig. Der prismatische Körper muss neben den tragwerksplanerischen und statischen Kriterien auch den Anforderungen der Gebäudetechnik und der Bauphysik gerecht werden. Um tiefe Herstellungskosten zu erreichen, wird eine möglichst einfache Konstruktion vorausgesetzt. Wegen des ungünstigen Verhältnisses von Lohnkosten zu Materialkosten entwickelten die Bauingenieure von Schnetzer Puskas eine Struktur, die mit möglichst wenig Arbeitsaufwand hergestellt werden konnte. Primäres Ziel war nicht, eine geringe Stahltonnage zu erreichen. Die aufwendige architektonische Struktur musste vielmehr für die Ausführung konstruktiv vereinfacht werden – das Tragwerk sollte trotz komplexem Bau eine gewisse Einfachheit und Systematik aufweisen. Dabei standen Kosten und Machbarkeit im Vordergrund.

Spielregeln

Raumhohe Fachwerkträger sind im Bürobau meist nicht erwünscht, da die Diagonalen vor den Fenstern verlaufen. Vierendeelträger, die nur aus Gurten und Pfosten bestehen, lassen rechteckige Fensteröffnungen zu und bieten sich deswegen an.

Wirtschaftliche Trägersysteme bedingen eine hohe und kontinuierliche Ausnutzung der eingesetzten Profilquerschnitte und des verwendeten Baustoffs, bei möglichst reduziertem Arbeitsaufwand für die Herstellung. Insbesondere ist es von Vorteil, die Gurte mit einem konstanten Querschnitt auszubilden, damit die arbeitsintensiven Schweissarbeiten reduziert werden können. Vierendeelträger sind jedoch nicht sehr wirtschaftlich. Die Pfosten und Gurte werden nicht nur mit Normalkräften, sondern auch mit Querkräften und auf Biegung beansprucht, und bei den verwendeten Profilen wirkt nur der statische Hebelarm – die statische Höhe der raumhohen Träger kann nicht effizient ausgenutzt werden. Dies führt zu einem weichen Tragsystem, das mit einem relativ hohen konstruktiven und materialspezifischen Aufwand versteift werden muss.

Aus den divergierenden Anforderungen bezüglich Nutzung und Kosten ergab sich in einem intensiven Planungsprozess zwischen allen Beteiligten (vgl. Kasten S. 22) ein Trägersystem, das sich aus Vierendeel- und Fachwerkträgern zusammensetzt. Die Bauingenieure kombinierten die Eigenschaften des Fachwerkträgers mit denjenigen des Vierendeelträgers.

Tragende Scheiben im Stabgewirr

Das Gebäude hat keine Kerne, die den horizontalen Lastabtrag sicherstellen. Die meisten Stützen sowie die am direkten Lastabtrag beteiligten Fachwerkstäbe wie Vierendeelpfosten und Diagonalstäbe sind nicht lotrecht ausgerichtet. Die daraus resultierenden horizontalen Ablenkkräfte, aber auch die Erdbeben- und Windkräfte sowie das bezüglich des Reaktionszentrums entstehende Torsionsmoment müssen über die Fachwerke sowie Decken und Böden der Kastenträger teilweise ausgeglichen und abgetragen werden. Dabei funktionieren die Fachwerke als vertikale und die Decken und Böden als horizontale Scheiben. Die Deckenscheiben sind als Verbundquerschnitt konzipiert, bestehend aus den Stahlprofilen der Trägergurte und den dazwischenliegenden Betondecken.

Standort Wettbewerb

Der Aufwand für das Tragsystem übersteigt trotz einem ausgeklügelten Trägersystem mit optimierten Querschnitten den üblichen Rahmen für ein Bürogebäude. Wie bei modernen Glasbauten im Allgemeinen ist bei diesem speziellen Projekt die Tragkonstruktion jedoch nicht der hauptsächliche Kostenfaktor. Die mit der Gebäudestruktur generierte Oberfläche ist beträchtlich und schlägt sich entsprechend auch im Aufwand für die Fassade nieder – gerade weil die Gebäudeoberfläche im Hinblick auf den zukünftigen Energieverbrauch einem hohen Standard genügen musste. Die Gebäudestruktur bzw. das Tragsystem schafft aber Büroräume, die bezüglich der Beleuchtung und der Erschliessung optimale Verhältnisse bieten. Insbesondere das modulare Raster der Bürobalken und die stützenfreien Räume ermöglichen verschiedene Bürotypologien und unterschiedlich grosse Bürozellen.

Besprechungsräume und loungeartige Bereiche sind an den Kreuzungspunkten der Balken angelagert, um die Kommunikation innerhalb der Firmenabteilungen zu erhöhen. Wie sich bei modernen Bürogebäuden in der Region Basel, aber auch weltweit, zeigt, sind attraktive Räumlichkeiten, die die Kultur einer Firma repräsentieren, indem sie diese architektonisch umsetzen, wesentlich für den Standortwettbewerb. Sie zählen mit zu den ausschlaggebenden Kriterien, wenn es darum geht, gut qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen. Unter Einbezug dieser Gesichtspunkte relativieren sich die höheren Aufwendungen für die Tragstruktur und die Gebäudeoberfläche.

TEC21, Do., 2010.01.14



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01. September 2008Heinrich Schnetzer
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Dreibein, Korsett und Regenschirme

Die denkmalgeschützten Umfassungsmauern des Elektrizitätswerks «Central Eléctrica del Mediodìa» in Madrid sollen gemäss den Architekten Herzog & de Meuron nahezu komplett in den Museumsneubau integriert werden. Die Ingenieure von WGG Schnetzer Puskas setzten die architektonische Idee in einem kaum wahrnehmbaren und gerade darum anspruchsvollen Tragwerkskonzept um.

Die denkmalgeschützten Umfassungsmauern des Elektrizitätswerks «Central Eléctrica del Mediodìa» in Madrid sollen gemäss den Architekten Herzog & de Meuron nahezu komplett in den Museumsneubau integriert werden. Die Ingenieure von WGG Schnetzer Puskas setzten die architektonische Idee in einem kaum wahrnehmbaren und gerade darum anspruchsvollen Tragwerkskonzept um.

Das denkmalgeschützte Elektrizitätswerk «Central Eléctrica del Mediodìa» liegt unmittelbar an der Paseo del Prado. Der Backsteinblock des ersten Kohlekraftwerks von Madrid ist zwischen dem Prado, dem Museo Reina Sofía und dem Thyssen-Museum an dieser Lebensader angebunden. Trotz der wechselvollen Geschichte des Baus, die eng mit der industriellen und politischen Entwicklung des Landes verbunden ist, hat der Backsteinmonolith bis ins 21. Jahrhundert überlebt und sollte für die neue Nutzung nahezu komplett in den Museumsneubau integriert werden.

Als städtebaulich-architektonische Grundidee ist parallel zur stark befahrenen Strassenachse der Paseo del Prado eine Fussgängerachse als Verbindung zwischen den weltweit bedeutenden Museen angedacht. Der Raum unter dem Museumsbau ist Teil dieser Verbindungsachse. Dieses Konzept führt in seiner Konsequenz zu einem Loslösen des Backsteingebäudes von seinem Granitsockel, seinem Fundament. Der massige Backsteinkörper schwebt als riesiger Block über dem Platz und ist nur auf wenigen Beinen abgestützt (Bilder 1 und 2).

Schwebender Block

Das neu erstellte Museum Caixa Forum gliedert sich in vier Obergeschosse, eine ebenerdig gedeckte Plaza und zwei Untergeschosse. Die gesamte oberirdische Gebäudestruktur steht auf dem von den Erschliessungskernen gebildeten Dreibein (Bild 3). Die Restfläche – der weitaus grösste Teil des Gebäudegrundrisses – wird durch den über der Plaza schwebenden monolithischen Körper gedeckt, aus dessen Mitte sich eine spiralförmige Treppe aus der Decke entwickelt – der Hauptzugang zum Gebäude.

Ursprünglich bildete ein umlaufender, bis zu zwei Meter hoher Granitsockel die Gebäudebasis. Dieser aus einzelnen grossen Steinen gefertigte steife Sockel wurde während des Baus der Untergeschosse mit einem Stahlkorsett gefasst und über Joche auf Mikropfählen abgestützt. Nach einem Voraushub wurden die Baugruben der drei Erschliessungskerne abgeteuft und die Kerne hochgezogen. Die Erschliessungskerne dienten während des Baus der Untergeschosse als feste Auflagerpunkte zur Spriessung der Baugrube. Damit konnten die Aussenwände direkt unter den Backsteinwänden bis auf die Grundstücksgrenze ausgeführt werden. Die anspruchsvolle Ausführungsplanung und Bauleitung wurde vom Partnerbüro NB35 in Madrid übernommen.

Abfangendes Korsett und tragendes Dreibein

Das primäre Gebäudetragwerk besteht aus zwei Haupttragelementen: drei Erschliessungskerne (Bild 3) und eine sich um diese Kerne windende und alles zusammenbindende Umfassungswand. Die drei Erschliessungskerne bilden ein Dreibein aus Stahlbeton, das alle vertikalen und horizontalen Lasten in den Baugrund abträgt. Die mit diesen Kernen dene Umfassungswand fasst die Tragstruktur des Gebäudes wie ein Korsett ein. Sie trägt die Fassaden- und die Gebäudelasten sowie die aufgesetzte, zweigeschossige Stahlkonstruktion, die das bestehende Backsteingebäude erweitert. Zusammen mit zwei weiteren, zueinander parallel verlaufenden Innenwänden bildet sie einen in Spannbeton gefertigten Zellenkasten, der als makroskopische Abfangkonstruktion sämtliche Gebäudelasten auf das erwähnte Dreibein überträgt. Mit diesem Zellenkasten aus der Umfassungsmauer und den weitgespannten inneren Abfangscheiben wird gleichzeitig eine Raumteilung erreicht, die die grossflächigen Ausstellungsräume ermöglicht.

Das Stahlbetonkorsett ist vorgespannt (Bild 4). Mit den Umlenkkräften der Vorspannung werden grosse konzentrierte Lasten eingesammelt und an den Auflagerlinien über eine Gegenkrümmung gezielt abgegeben. Ausserdem ziehen die Vorspannkräfte die alten, zu erhaltenden Backsteinmauern zusammen und überdrücken die Zugspannungen im Backstein, die aus der Lastumlagerung resultieren.

Tragende Fingerspitzen

Das ehemalige historische Elektrizitätswerk wurde komplett ausgekernt. Indem die bestehende Mauerwerksfassade mit der innen neu erstellten Umfassungswand verbunden wird, werden die Backsteinaussenwände komplett in den Neubau integriert. Einzelne, über der gesamten Wandhöhe verteilte, aus den Tragwänden herausragende Stahlbetonnocken tragen Fingerspitzen gleich punktuell die bestehenden Mauerwerkswände (Bild 4). Durch diese Verzahnung werden die vertikalen Lasten kontinuierlich auf das Korsett übertragen und eine horizontale Verdübelung der beiden unterschiedlichen Wände und Materialien erreicht.

Die dicht aneinandergereihten Nocken am Fuss der bestehenden Mauerwerkswände bilden lineare Lager, die vor allem die vertikalen Lasten abtragen (Bild 5). Die untersten Steine werden durch ein umlaufendes Stahlblech, das mit dem Korsett verbunden ist, gehalten. Nach dem Einschlitzen des Bleches in die Fuge zwischen Granitsockel und Backsteinwand und der anschliessenden Fertigstellung des Korsetts konnte der Granitsockel entfernt und das Gebäude auf das Dreibein abgesetzt werden. Umgekehrte Regenschirme als zentrales erschliessendes Element führt die spiralförmige Treppe von der Plaza ins erste Obergeschoss. Dieses Geschoss ist der Ausgangspunkt für die Begehung des Museums. Von ihm gelangen die Besucher in die Ausstellungs- und Diensträume in den weiteren Obergeschossen, aber auch in die Auditorien in den Untergeschossen. Die erforderliche Raumgrösse, die Freiheit im Grundriss und die Stützenlosigkeit im Raum unter dem Museum (Fussgängerachse) wurden mit einer aufgehängten Bodenkonstruktion geschaffen. Der Boden des Eingangsgeschosses ist punktuell mit feinen Hängestützen an die Blechträger der Verbunddecke über dem ersten Obergeschoss aufgehängt. Die wegen des Gewichts als reine Stahlkonstruktion ausgebildete Bodenkonstruktion (Hohldecke aus entsprechend zugeschnittenen HEB-500-Walzprofilen) kann zusammen mit den Hängestützen (Stahlstangen aus RND 80) als willkürliches Aneinanderreihen mehrerer umgekehrter Regenschirme verstanden werden (Bild 6). Die nicht in einem Raster angeordneten Hänger bilden jeweils den zentralen Stab des Schirms. Die radial verlaufenden Träger nehmen in ihrer Höhe zum Hänger zu und bilden so die stark facettierte Plazadecke. Ein Betonüberzug im Verbund mit der Hohlkastendecke bildet den oberen, begehbaren Abschluss.

Für die Decken über dem ersten, zweiten und dritten Obergeschoss werden Verbunddecken eingesetzt. Sie sind aus 20 m weit gespannten, 1.10 m hohen Blechträgern mit darüber liegenden Profilblechen und darin eingegossenem, bis zu 140 mm starkem Betonüberzug gefertigt. Die verkleideten Stahlträger sind in das Beleuchtungs- und Entlüftungskonzept der Ausstellungsräume integriert. Die Tragrichtung der raumbildenden Deckenkonstruktion ist an den sich abzeichnenden Rippen ablesbar.

Das sich unterhalb der Plaza befindende Auditorium wird von einer vorgespannten Spannbetonplatte überdeckt. Wie in Spanien weitverbreitet, wird die statisch erforderliche Stärke der Deckenkonstruktion mit Schalungseinlagen aufgelöst. Die massive Decke wird leichter und kann damit ökonomischer erstellt werden. Sie folgt der triangulierten Oberfläche der Plaza. Mit dieser faltwerkförmigen Ausbildung der Deckenoberfläche kann auf einen komplexen und schweren Aufbau mit Gefällsbeton verzichtet werden. Ausserdem kann durch diese Tragwerksform die lichte Höhe des Auditoriums maximiert werden.

TEC21, Mo., 2008.09.01



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