Details

Adresse
Gewerbestrasse 16, 4123 Allschwil, Schweiz
Bauherrschaft
Actelion
Weitere Konsulent:innen
Generalplaner: ARGE GP Actelion: Herzog & de Meuron AG / Proplaning AG
HLKK-Planer: Stokar & Partner, AG, Basel
Elektroplaner: K.Schweizer AG, Basel
Sanitärplaner: Locher, Schwittay, Gebäudetechnik GmbH, Basel
Planung
2007
Fertigstellung
2010
Grundstücksfläche
7.610 m²
Nutzfläche
27.470 m²
Bebaute Fläche
3.190 m²
Umbauter Raum
104.500 m³
Baukosten
130,0 Mio CHF

Publikationen

Archfoto

Genereller introtext zu Archfoto der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

11. April 2011Andres Herzog
hochparterre

Stapel zum Spektakel

Für die Biotechfirma Actelion entwarfen Herzog & de Meuron in Allschwil ein Bürogebäude als inszeniertes Durcheinander. Zwischen einem Parkhaus aus Beton...

Für die Biotechfirma Actelion entwarfen Herzog & de Meuron in Allschwil ein Bürogebäude als inszeniertes Durcheinander. Zwischen einem Parkhaus aus Beton...

Für die Biotechfirma Actelion entwarfen Herzog & de Meuron in Allschwil ein Bürogebäude als inszeniertes Durcheinander. Zwischen einem Parkhaus aus Beton und einem tristen Bürobau türmen sie raumhaltige Balken kreuz und quer zu einem eindrücklichen Koloss auf: 80 mal 80 Meter gross und sechs Geschosse hoch ist der Bau. Damit setzen die Architekten in der Gewerbewüste ein Zeichen. Spektakel, schreit das Gebäude und ist im Niemandsland zwischen Basel und Allschwil nicht zu übersehen. Der Bürostapel schafft in der Agglo einen unverkennbaren Ort. Mit dem Thema des Stapelns beschäftigen sich die Architekten schon länger. Dem Actelion- Gebäude gingen zwei nicht realisierte Projekte in China und Sardinien voraus. Im VitraHaus in Weil am Rhein schichteten Herzog & de Meuron Giebelhäuser auf (siehe HP 4 / 2010). Damit ist der Actelion-Bau jedoch kaum zu vergleichen: Grösser, komplexer und chaotischer ist die Stapelung auf der anderen Seite des Rheins.

Actelion bekennt sich zu ihrem Hauptsitz in Allschwil und liess sich mit dem Balkenstapel ein Schaustück bauen. Für die 1997 gegründete Firma ist das Gebäude eine Investition in ihre Unternehmenskultur. Sie beauftragte Herzog & de Meuron, ein Gebäude zu entwickeln, das die Unternehmensidentität baulich widerspiegelt: Innovation, Offenheit und Kommunikation. Das durfte etwas kosten: «Natürlich verursacht ein so ungewöhnlich ausgelegtes Gebäude mehr Arbeitsstunden als ein herkömmliches», sagt Louis de Lassence, Leiter Corporate Services von Actelion und ihr Bauherrenvertreter, in einem Interview auf der Website stadtfragen.ch. «Was das Budget angeht, kann sich Actelion dieses Business Center leisten», erklärt er. Eine einfache Kiste reicht für Unternehmen, die im globalen Mitarbeiterwettbewerb um die besten Fachkräfte stehen, nicht aus. Also entwarfen die Architekten ein Bauwerk, das die Merkmale eines gewöhnlichen Bürobaus wortwörtlich über den Haufen wirft.

Das Erdgeschoss ist leicht abgesenkt. So schreitet man langsam unter den Balkenwirrwarr und tritt durch eine der beiden Drehtüren ins grosszügige Foyer. Die Fassade ist hier komplett verglast und der kreuzförmige Grundriss lässt den Blick nach draussen schweifen. Der Raum wirkt ruhig und übersichtlich. Nur ein paar schräge Stützen deuten an, was sich darüber auftürmt. Von der Mitte aus steigt der Boden in drei Richtungen leicht an. Holzbänke in der Schräge laden zum Schauen ein. An den Enden der vier Flügel liegen ein Auditorium, die Cafeteria, das Restaurant und zwei Schulungsräume. An einer Stelle klappt der Boden auf, eine breite Treppe holt die Autofahrer im Untergeschoss ab und bringt sie hoch zum zentralen Rezeptionsoval, wo alle Besucherströme zusammenlaufen. Pflanzenteppiche der Naturkünstlerin Tita Giese fliessen durch die Fassade im Erdgeschoss — innen und aussen verschmelzen.

Die übrigen Geschosse sind um einen mittigen Hof organisiert, den die Bürobalken durchschneiden. Weil sie auf jedem Stockwerk anders angeordnet sind, gleicht kein Grundriss dem nächsten. Die fünf bis sieben Balken pro Stockwerk scheinen wie zufällig in allen möglichen Richtungen aufgeschichtet. Obwohl die Struktur chaotisch wirkt, ist eine gewisse Logik zu erkennen. Die Balken überlagern sich nämlich an vier fixen Punkten, an denen das Gebäude vertikal erschlossen ist. Vier Treppenskulpturen, deren Ein- und Ausgänge in Balkenrichtung zeigen, verbinden hier die Geschosse. In den schmalen Bürobalken bewegt man sich entlang der Fassade. So werden die rund 350 Arbeitsplätze erschlossen und unterwegs blickt man zur einen Seite in den Hof und zur anderen auf die Einzel- oder Grossraumbüros. Die verglaste Fassade, transparente Trennwände und weisse Oberflächen prägen die Innenräume. Der graue Teppich, helle Vorhänge und hölzerne Türgriffe sorgen für etwas wohnliche Stimmung. Die von Herzog & de Meuron für die Büros entworfenen Holztische sind nur im Restaurant zu finden. Actelion entschied sich für nüchterne, höhenverstellbare Möbel.

Die Stapelung ist ein wahrer Kraftakt: 1500 Detailzeichnungen waren nötig, 2500 Tonnen Stahl wurden verarbeitet, 3,8 Kilometer Fachwerkträger verschweisst. Die statische Struktur ist eine Stahlkonstruktion mit raumhaltigen Kastenträgern, die als offene Gitterstrukturen ausgebildet sind. Ein Dickicht an massiven Streben unterschiedlichen Querschnitts wuchert hinter der Glasfassade. Sie machen deutlich, welche Kräfte der Stahl aufnimmt. Die schrägen Streben überkreuzen sich zum X, wo ein Durchgang nötig ist, sind sie Y-förmig. In den unteren Geschossen ist der Strebenwald lichter, oben wird er immer dichter, er gleicht damit einem Baum, der die Lasten nach unten in den Stamm ableitet. Die schrägen Streben werden durch senkrechte Pfosten ergänzt. Sie sind Teil der Virendeelträger, welche die grossen Spannweiten und Auskragungen ermöglichen. Die Spannweiten waren aber zu gross, die Statik zu sehr ausgereizt, um die Lasten ohne zusätzliche Unterstützung abzufangen. Deshalb kommen Stützen im Aussenraum hinzu, die teilweise über fünf Geschosse frei im Raum stehen und die Balken wie Krücken stützen. Sie waren ursprünglich nicht Teil des Konzepts. Jetzt verbin- den sie den Balkenwirrwarr über die Stockwerke und führen mit ihrer wuchtigen Grösse eine neue räumliche Dimension ein. Das Prinzip des Stapelns schwächen sie aber ab.

Anders als beim VitraHaus, wo das Verschneiden der Module neue Räume schafft, sind beim Actelion-Neubau die Balken übereinander geschichtet und durchdringen sich im Schnitt nicht. Abgesehen von den überschneidungen im Grundriss bleiben sie räumlich getrennt. Der Reiz liegt in den Durchblicken zwischen den Balken, die überraschende räumliche Querbezüge herstellen: So schaut plötzlich eine Gebäudeecke hervor oder man sieht durch einen Zwischenraum quer durch den Hof. Im Vordergrund steht aber der Blick auf das räumliche Spektakel und nicht die visuelle Verbindung der Büros.

Neben Stapeln und Stützen schlägt das Projekt weitere Themen an: Die Balkenenden an den Grundstückskanten wirken wie abgeschnitten und sind als weisse Schnittflächen ausgebildet. Zu welchem Balken sie gehören, ist nicht immer ersichtlich. Krumm und schief ist nicht nur die Balkenlage. Auch die Wände sind teilweise nicht senkrecht, sondern überhängend oder nach innen geneigt. Was wie eine weitere Spielerei mit dem Chaotischen wirkt, kommt direkt aus dem Baurecht: Zu den benach- barten Bauten muss das Gebäude ab sechs Metern Höhe um zehn Grad zurückspringen. Diesen Winkel übernehmen die Architekten und kehren ihn für einige Wände um, um auf die Sonneneinstrahlung zu reagieren. Alle diese Strategien mögen gut begründet sein. Doch als Ganzes betrachtet passiert zu viel im Gebäude, als dass ein Konzept erkennbar wäre. Die raffinierte Stapelung führt zu vielfältigen Räumen, doch der Balkenwirrwarr ist komplex und sich darin zurechtzufinden, ist schwierig. Die verglaste Fassade gibt zwar Blicke in die Umgebung und in die Innenhöfe frei, doch die subtilen Variationen überfordern die Wahrnehmung. Man bewegt sich stets in denselben Raum- und Fassadenformen und so sieht das Gebäude scheinbar überall gleich aus. Bei geschlossenen Storen ist der Besucher erst recht verloren, er irrt durch die Gänge und fragt sich, auf welchem Geschoss er sich gerade befindet. Ein Modell bei jedem Aufzug — es stammt nicht von den Architekten — soll den Mitarbeitenden die Orientierung erleichtern. Angelika Rose-Hüll, Pressesprecherin von Actelion, weiss, dass es nicht einfach ist, sich zu orientieren. «Das Verwirrspiel ist aber auch spannend», meint sie: «Plötzlich begegne ich neuen Personen.» Angelika Rose-Hüll betont, dass Kommunikation unter den Mitarbeitern für die Projektidee von grösster Bedeutung war. Um diese aus ihren Büros zu holen, liegen die Besprechungszimmer an den Enden der Balken. Und ist die Zusam- menarbeit tatsächlich besser? Ein zufällig vor- beigehender Mitarbeiter schätzt die imposante Architektur, empfindet die Distanzen im Neubau aber als eher gross. Denn jetzt separieren die schmalen Balken mit aufgereihten Einzelbüros die Arbeitsplätze räumlich — das steht im Wider- spruch zur ursprünglichen Zielsetzung. Die spannendsten Räume entstehen nicht im Gebäudeinnern, sondern im Hof. Der Zauber des Chaos kommt zwischen den Balken am bes- ten zur Geltung. Doch Mitten ins Gewirr kommt man kaum. Nur zwei der Dachflächen sind als Terrassen begehbar. Man habe die ausgereizte Statik nicht zusätzlich belasten wollen, so die Begründung. Immerhin denkt man darüber nach, einen Teil des Dachs über dem Erdgeschoss noch zugänglich zu machen. Doch wo nicht bereits Durchgänge vorgesehen sind, wird es schwierig, im dichten Strebenwald des Fachwerks neue öffnungen anzubringen. Vielleicht gelingt es aber trotzdem noch, im Innenhof einen Ort zu schaffen, wo sich alle Mitarbeitenden begegnen und gemeinsam über die Stapelung staunen können.

Das Actelion-Gebäude steht in einer Reihe mit anderen gestapelten Projekten von Herzog & de Meuron. Dazu zählen ein Entwurf für eine Filmakademie in der chinesischen Stadt Qingdao, ein Projekt für ein Industrieareal in Sardinien und das VitraHaus in Weil am Rhein. Jacques Herzog erklärt, warum Herzog & de Meuron das Prinzip des Stapelns immer wieder einsetzen.

Was verbindet die vier Projekte? Abgesehen vom Prinzip des Stapelns sehe ich keine Verbindung zwischen den Projekten. Für uns ist viel wichtiger zu hören, wie von aussen Verwandtschaften, Ähnlichkeiten oder Unterschiede festgemacht werden.

Widersprechen die Stützen bei Actelion nicht dem Prinzip der Stapelung? Die Balken konnten alleine nicht tragen, also haben wir sie unterstützt mit einer Art Krücken. Wir empfinden das nicht als störend. Hätten wir sie als störend empfunden, hätten wir die Balken massiver ausbilden können. Das hätte aber zu einer heroischeren Geste geführt. Mit den Stützen haben wir den Bau entmonumentalisiert. Wir sind froh, diese nachträglich eingefügt zu haben. Sie zeigen den Unterschied zwischen einem Kinderspiel mit Bauklötzen und der Realität des Bauens. Es ist wichtig, solche Sachen anzusprechen, da die Architekturkritik die Umsetzung in die Realität oft vernachlässigt.

Entwickeln Sie das Thema des Stapelns auch projektunabhängig? Ohne konkretes Projekt überlegen wir uns keine architektonischen Fragen. Das Stapeln ist eine plastische Strategie. Das eine auf das andere zu legen, ist etwas Alltägliches und Banales. Gleichzeitig aber auch die primäre Handlung, wenn man etwas baut. Solch einfache Gesten, die alltägliches Handeln und professionelles Bauen verbinden, haben uns schon immer interessiert.

Ihr Projektleiter hat das Actelion Business Center als Teil der Projektfamilie des Stapelns vorgestellt. Herzog & de Meuron hat den Anspruch, jedes Projekt von Grund auf zu entwerfen. Widerspricht die Arbeit in Projektfamilien nicht diesem Prinzip? Ich selbst würde nicht von Projektfamilien sprechen. Wir denken nicht so, sondern arbeiten konzeptionell. Um spezifische Qualitäten zu entwickeln, gehen wir Projekte mit verschiedenen Strategien an. Das Stapeln ist ein Prinzip, das wir immer wieder aufnehmen. Es wäre unsinnig, dieses Prinzip nur einmal anzuwenden. Bauen ist nicht unendlich offen für neue Konzepte. Es geht also darum, Strategien zu überlagern. Dieses Vorgehen ist verwandt mit der Natur: Aufgrund ähnlicher Grundgegebenheiten entsteht am Schluss ein völlig anderer Organismus.

Dennoch: VitraHaus, Actelion und die beiden Projekte in China und Sardinien werden als ähnlich wahrgenommen. Natürlich bestehen typologisch enge Verwandtschaften. Beim Vitra-Haus wie bei Actelion ist das Konzept das plastische Stapeln. Aber es kommen andere Themen dazu, die diese Projekte jeweils bestimmen und zu unterschiedlichen Architekturen führen. Das Vitra-Haus basiert auf einem archaischen Modul, dessen offene Enden den Blick auf die Landschaft fokussieren. Bei Actelion hingegen sind es abstrakte Kuben, die wie Balken übereinandergelegt werden. Diese öffnen sich nach allen Seiten. So ergeben sich räumliche Querbezüge, während beim Vitra-Haus gerade diese Sichtbeziehungen ausgeschlossen werden. Die Absichten der beiden Projekte sind also anders, obwohl wir dasselbe Prinzip verwenden. Die entwerferische Strategie führt zu verschiedenen Architekturen.

Die Projekte sind also zu unterschiedlich, um von Familien zu sprechen? Es gibt Strategien, die sich wiederholen. Stapeln, Extrudieren, das Verwenden der archaischen Form des Hauses oder Überlegungen zu Oberflächen sind Themen, die wir über die Jahre entwickelt haben. So entstand eine ganze Palette von Konzepten, die wir in unserer Architektur anwenden. Diese Stapelentwürfe sind also untereinander nicht mehr verwandt als andere Projekte, da das Stapeln nur eines von vielen Themen ist.

Und doch ist das Stapeln ein sehr starkes architektonisches Prinzip. Klar, weil das Stapeln expressiv ist, liegt es nahe, die Bauten als Teil derselben Familie zu lesen. Doch uns interessiert das Stapeln im Grunde nicht mehr als andere plastische Konzepte. In einem konkreten Projekt kann es allerdings plötzlich relevant werden.

Geht bei der Arbeit mit prägenden Entwurfsstrategien der Bezug zum Ort nicht verloren? Nein. Wir wiederholen die Strategien nur, wenn sie für den Ort geeignet sind. So könnte man sich Actelion nicht bei Vitra vorstellen und umgekehrt. Die Beispiele zeigen, dass die gleichen bildnerischen Strategien an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Resultaten führen.



verknüpfte Zeitschriften
hochparterre 2011-04

18. Januar 2011Daniela Meyer
Neue Zürcher Zeitung

Hoch gestapelt

(SUBTITLE) Ein exzentrischer Verwaltungsneubau von Herzog & de Meuron

Bürobauten in Gewerbegebieten verbindet man gemeinhin kaum mit aussergewöhnlicher Architektur. Doch genau darum handelt es sich beim Neubau, den die Architekten Herzog & de Meuron für das Biopharma-Unternehmen Actelion in Allschwil bei Basel realisiert haben.

Bürobauten in Gewerbegebieten verbindet man gemeinhin kaum mit aussergewöhnlicher Architektur. Doch genau darum handelt es sich beim Neubau, den die Architekten Herzog & de Meuron für das Biopharma-Unternehmen Actelion in Allschwil bei Basel realisiert haben.

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14. Januar 2010Heinrich Schnetzer
TEC21

Wirkungsvoll kombiniert

Der Büroneubau in Allschwil, von den Architekten Herzog & de Meuron für die Firma Actelion entworfen, besteht aus übereinandergelegten, prismatischen Körpern. Raumhohe Stahlfachwerkträger bilden deren Seitenwände. Um die Trägerkonstruktion optimal auszunutzen, haben die Bauingenieure von WGG Schnetzer Puskas eine hybride Trägerform für diese Fachwerke entworfen: Sie kombinierten Fachwerk- und Vierendeelträger.

Der Büroneubau in Allschwil, von den Architekten Herzog & de Meuron für die Firma Actelion entworfen, besteht aus übereinandergelegten, prismatischen Körpern. Raumhohe Stahlfachwerkträger bilden deren Seitenwände. Um die Trägerkonstruktion optimal auszunutzen, haben die Bauingenieure von WGG Schnetzer Puskas eine hybride Trägerform für diese Fachwerke entworfen: Sie kombinierten Fachwerk- und Vierendeelträger.

Der Büroneubau der Firma Actelion in Allschwil gleicht einem Mikado aus balkenähnlichen, übereinander angeordneten Baukörpern. Im Gegensatz zu der umgebenden Bebauung mit starren Formen ist das neue Gebäude eine offene Struktur. Die Zwischenräume der Balkenkonstruktionen ermöglichen Sichtbezüge innerhalb des Gebäudes und nach aussen zu den angrenzenden Labor- und Bürogebäuden sowie den Sportfeldern. Die scheinbar zufällige Anordnung der Bürobalken schafft nicht nur ungewohnte Durchblicke und Ausblicke, sondern auch Terrassen und Höfe in vielzähligen Grössen und Qualitäten. Die 34 raumhohen prismatischen Körper sind ineinander verzahnt und übereinandergestapelt. Sie bilden einen chaotisch und unstrukturiert erscheinenden «Haufen» (Abb. 1 und 2).

Bei einer Grundrissabmessung von etwa 80 × 80 m reicht diese Struktur bis auf eine Höhe von 22 m. Jeder einzelne «Mikadostab» bzw. Raumkörper kann als rechteckiges oder schiefes Gitterrohr betrachtet werden. Im Unterschied zum Mikadospiel hat aber jeder «Stab» eine andere Abmessung. Sie sind 30 bis 100 m lang und, abhängig von der Büronutzung, fünf bzw. sieben Meter breit. Sie bestehen im Wesentlichen aus den Boden- und Deckenscheiben sowie zwei raumhohen Fachwerkträgern, die verglast sind und die Fassade bilden. Jeweils fünf bis sieben prismatische Körper bilden im Grundriss des «Stabhaufens» eine Ebene bzw. ein Bürogeschoss. Jede Geschossebene hat ihr eigenes Trägerlayout und liegt nicht deckungsgleich über dem unteren Geschoss, sondern trägt ihre Lasten über wenige einzelne Punkte in die untere Ebene ab. Einzelne «Stäbe» überschneiden sich und bilden dadurch mindestens vier Schnittflächen in jeder Ebene. Sie werden als Erschliessungs- und Kommunikationszonen über die insgesamt sechs Ebenen bzw. Geschosse (ein Erdgeschoss und fünf Obergeschosse) genutzt und ihre gemeinsame Fläche ist gerade so gross, dass ein Lift und die Steigschächte darin Platz finden. Die Treppenanlagen, losgelöst von den gemeinsamen Durchdringungszonen, winden sich räumlich im «Stapelhaufen».

Geschicklichkeitsspiel

Die Anforderungen an einen raumhohen und raumbildenden Kastenträger, der aus zwei parallel verlaufenden Fachwerkträgern besteht, sind im Hochbau vielfältig. Der prismatische Körper muss neben den tragwerksplanerischen und statischen Kriterien auch den Anforderungen der Gebäudetechnik und der Bauphysik gerecht werden. Um tiefe Herstellungskosten zu erreichen, wird eine möglichst einfache Konstruktion vorausgesetzt. Wegen des ungünstigen Verhältnisses von Lohnkosten zu Materialkosten entwickelten die Bauingenieure von Schnetzer Puskas eine Struktur, die mit möglichst wenig Arbeitsaufwand hergestellt werden konnte. Primäres Ziel war nicht, eine geringe Stahltonnage zu erreichen. Die aufwendige architektonische Struktur musste vielmehr für die Ausführung konstruktiv vereinfacht werden – das Tragwerk sollte trotz komplexem Bau eine gewisse Einfachheit und Systematik aufweisen. Dabei standen Kosten und Machbarkeit im Vordergrund.

Spielregeln

Raumhohe Fachwerkträger sind im Bürobau meist nicht erwünscht, da die Diagonalen vor den Fenstern verlaufen. Vierendeelträger, die nur aus Gurten und Pfosten bestehen, lassen rechteckige Fensteröffnungen zu und bieten sich deswegen an.

Wirtschaftliche Trägersysteme bedingen eine hohe und kontinuierliche Ausnutzung der eingesetzten Profilquerschnitte und des verwendeten Baustoffs, bei möglichst reduziertem Arbeitsaufwand für die Herstellung. Insbesondere ist es von Vorteil, die Gurte mit einem konstanten Querschnitt auszubilden, damit die arbeitsintensiven Schweissarbeiten reduziert werden können. Vierendeelträger sind jedoch nicht sehr wirtschaftlich. Die Pfosten und Gurte werden nicht nur mit Normalkräften, sondern auch mit Querkräften und auf Biegung beansprucht, und bei den verwendeten Profilen wirkt nur der statische Hebelarm – die statische Höhe der raumhohen Träger kann nicht effizient ausgenutzt werden. Dies führt zu einem weichen Tragsystem, das mit einem relativ hohen konstruktiven und materialspezifischen Aufwand versteift werden muss.

Aus den divergierenden Anforderungen bezüglich Nutzung und Kosten ergab sich in einem intensiven Planungsprozess zwischen allen Beteiligten (vgl. Kasten S. 22) ein Trägersystem, das sich aus Vierendeel- und Fachwerkträgern zusammensetzt. Die Bauingenieure kombinierten die Eigenschaften des Fachwerkträgers mit denjenigen des Vierendeelträgers.

Tragende Scheiben im Stabgewirr

Das Gebäude hat keine Kerne, die den horizontalen Lastabtrag sicherstellen. Die meisten Stützen sowie die am direkten Lastabtrag beteiligten Fachwerkstäbe wie Vierendeelpfosten und Diagonalstäbe sind nicht lotrecht ausgerichtet. Die daraus resultierenden horizontalen Ablenkkräfte, aber auch die Erdbeben- und Windkräfte sowie das bezüglich des Reaktionszentrums entstehende Torsionsmoment müssen über die Fachwerke sowie Decken und Böden der Kastenträger teilweise ausgeglichen und abgetragen werden. Dabei funktionieren die Fachwerke als vertikale und die Decken und Böden als horizontale Scheiben. Die Deckenscheiben sind als Verbundquerschnitt konzipiert, bestehend aus den Stahlprofilen der Trägergurte und den dazwischenliegenden Betondecken.

Standort Wettbewerb

Der Aufwand für das Tragsystem übersteigt trotz einem ausgeklügelten Trägersystem mit optimierten Querschnitten den üblichen Rahmen für ein Bürogebäude. Wie bei modernen Glasbauten im Allgemeinen ist bei diesem speziellen Projekt die Tragkonstruktion jedoch nicht der hauptsächliche Kostenfaktor. Die mit der Gebäudestruktur generierte Oberfläche ist beträchtlich und schlägt sich entsprechend auch im Aufwand für die Fassade nieder – gerade weil die Gebäudeoberfläche im Hinblick auf den zukünftigen Energieverbrauch einem hohen Standard genügen musste. Die Gebäudestruktur bzw. das Tragsystem schafft aber Büroräume, die bezüglich der Beleuchtung und der Erschliessung optimale Verhältnisse bieten. Insbesondere das modulare Raster der Bürobalken und die stützenfreien Räume ermöglichen verschiedene Bürotypologien und unterschiedlich grosse Bürozellen.

Besprechungsräume und loungeartige Bereiche sind an den Kreuzungspunkten der Balken angelagert, um die Kommunikation innerhalb der Firmenabteilungen zu erhöhen. Wie sich bei modernen Bürogebäuden in der Region Basel, aber auch weltweit, zeigt, sind attraktive Räumlichkeiten, die die Kultur einer Firma repräsentieren, indem sie diese architektonisch umsetzen, wesentlich für den Standortwettbewerb. Sie zählen mit zu den ausschlaggebenden Kriterien, wenn es darum geht, gut qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen. Unter Einbezug dieser Gesichtspunkte relativieren sich die höheren Aufwendungen für die Tragstruktur und die Gebäudeoberfläche.



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2010|03-04 Mischwesen

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