2024
Regionalstandort Allhartsberg
Verfahrensgegenstand war die Erlangung einer Standortplanung für den Regionalstandort Allhartsberg, die in weiterer Folge den Verhandlungen zur Vergabe der Generalplanung zugrunde gelegt werden Das...
2024
Verfahrensgegenstand war die Erlangung einer Standortplanung für den Regionalstandort Allhartsberg, die in weiterer Folge den Verhandlungen zur Vergabe der Generalplanung zugrunde gelegt werden Das...
In keinem der diesjährigen Hefte würde sich unser »Ingenieurporträt«, das wir nur noch themenbezogen veröffentlichen, mehr anbieten als in diesem: Ausgewählt haben wir hierfür Fazlur Rahman Khan. Er arbeitete als Ingenieur und Tragwerksplaner in dem nach wie vor bedeutenden Chicagoer Architekturbüro SOM und hat durch seine Überlegungen und Entwicklungen nicht nur den Hochhausbau revolutioniert, sondern somit auch die Architektur in den USA des 20. Jahrhunderts wesentlich beeinflusst.
In keinem der diesjährigen Hefte würde sich unser »Ingenieurporträt«, das wir nur noch themenbezogen veröffentlichen, mehr anbieten als in diesem: Ausgewählt haben wir hierfür Fazlur Rahman Khan. Er arbeitete als Ingenieur und Tragwerksplaner in dem nach wie vor bedeutenden Chicagoer Architekturbüro SOM und hat durch seine Überlegungen und Entwicklungen nicht nur den Hochhausbau revolutioniert, sondern somit auch die Architektur in den USA des 20. Jahrhunderts wesentlich beeinflusst.
Fazlur Rahman Khan wurde am 3. April 1929 in Faridpur in der Nähe von Dhaka im heutigen Bangladesh geboren. Nach der Schulausbildung studierte er am Benghal Engineering College der Universität Dhaka, wo er 1950 als Jahrgangsbester mit einem Bachelor of Sciences abschloss. Er unterrichtete zunächst zwei Jahre in seinem Heimatland, bevor er ein Fulbright-Stipendium für einen Studienaufenthalt in den USA erhielt. An der University of Illinois at Urbana-Champaign erlangte er in nur zwei Jahren Master-Abschlüsse im Bauingenieurwesen und in Angewandter Mechanik. Bereits im Jahr 1955 promovierte er, ebenfalls in Urbana-Champaign, in »Structural Engineering«.
Dank seiner offenkundigen akademischen Brillanz erhielt Khan kurze Zeit nach seinem Abschluss Stellenangebote von führenden amerikanischen Ingenieurbüros. Bevor er sich entschied, traf er zufällig einen Freund, der bei Skidmore, Owings and Merrill (SOM) arbeitete – zu jener Zeit bereits eines der weltweit führenden Architektur- und Ingenieurbüros. Darüber informiert, dass SOM ebenfalls neue Mitarbeiter suchte, begab er sich sofort in das Büro seines Freundes und bat um ein Vorstellungsgespräch. Khan wurde nicht nur innerhalb von fünf Minuten eingestellt, sondern zu seiner Überraschung auch gleich mit der Leitung eines Projekts beauftragt, das unter anderem den Entwurf von sieben Autobahn- und Eisenbahnbrücken umfasste.
1957 kehrte er in sein Heimatland zurück, um die mit seinem Fulbright-Stipendium verknüpften Bedingungen einer Berufstätigkeit in seinem Herkunftsland zu erfüllen. Er wurde Direktor des Building Research Centre von Pakistan (zu dem Bangladesch zum damaligen Zeitpunkt noch gehörte). Nach einem Militärputsch im Jahr 1958 verlor er diesen Posten jedoch aus politischen Gründen wieder. Khan arbeitete in den folgenden zwei Jahren für die Karachi Development Authority und übernahm verschiedene Aufträge als Bauingenieur. 1960 kehrte er in die USA zurück, da er nur dort komplexe, seiner Begabung angemessene Aufgaben übernehmen konnte.
Khan nahm seine Tätigkeit bei SOM in Chicago wieder auf und avancierte dort in verschiedenen Positionen und Verantwortungsbereichen zu einem der wichtigsten Ingenieure des 20. Jahrhunderts. Bereits 1961 wurde er »Participating Partner«, 1966 »Associate Partner« und 1970 – als erster Bauingenieur bei SOM überhaupt! – »General Partner«. Sein Weg an die Spitze eines der bedeutendsten Büros der USA dauerte somit nur zehn Jahre. In dieser Zeit plante Khan zusammen mit den Architekten Myron Goldsmith und Bruce Graham eine Reihe von Gebäuden, die revolutionäre Neuerungen im Hochhausbau darstellten und die die sogenannte Second Chicago School begründeten.
Das Zusammentreffen von Khan, Goldsmith und Graham zu einer Zeit allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums und einer gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung, wie sie in den USA der sechziger Jahre herrschte, muss als einmaliger Glücksfall gewertet werden. Myron Goldsmith hatte bereits 1953 in seiner Master Thesis am Illinois Institute of Technology in Chicago bei Mies van der Rohe grundlegende Konzepte für eine Revolutionierung des Hochhausbaus skizziert. In der Zusammenarbeit mit Khan fand Goldsmith einen brillanten Partner für die Weiterentwicklung und Umsetzung seiner frühen Ideen. Khan selbst entwickelte darüber hinaus seinerseits die Outriggersysteme, die »framed tubes« und – besonders wichtig – die »bundled tubes«. Er kombinierte diese Tragwerkskonzepte mit anderen Werkstoffen als dem bis dato in den USA im Hochhausbau ausschließlich verwendeten Profilstahl. Dadurch beflügelte Khan nicht nur die Weiterentwicklung der Leichtbeton- sowie der Verbund- und der Betonfertigteilbauweisen, sondern er legte – zusammen mit Mark Fintel von der Portland Cement Association – den Grundstein für die Entwicklung hochfester, schnell härtender und in große Höhen pumpbarer Betone, die später den Hochhausbau bestimmten.
Nur durch diese Entwicklungen war es möglich, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts in der so genannten First Chicago School entwickelten Konzepte auf eine völlig neue Basis zu stellen. Mit einem Feuerwerk brillanter Ideen zur tragenden Struktur hoher Häuser, gekoppelt mit einer meister¬lichen architektonischen Umsetzung, revolutionierten Khan, Goldsmith und Graham innerhalb von zehn Jahren den Hochhausbau ein zweites Mal. Nahezu alle diese Entwicklung repräsentierenden Gebäude stehen übrigens in Chicago.
Entwicklungen
»Outrigger«
Das wichtigste von Fazlur Khan entwickelte Tragsystem für Hochhäuser ist sicher das sogenannte Outriggersystem, das eine wesentliche Effektivitätssteigerung ermöglichte. Ein Outriggersystem entsteht durch die Einführung einer steifen, typischerweise geschosshohen Konstruktion, die den Kern mit den tragenden Außenstützen verbindet. Eine horizontale Auslenkung des Kernes induziert somit automatisch eine axiale Dehnung (Zug/Druck) der Außenstützen. Der innere Hebelarm der Konstruktion wird hierdurch deutlich vergrößert. Das Einfügen eines Outriggersystems auf halber Gebäudehöhe erhöht die Steifigkeit des Tragsystems um 30 Prozent. Durch Anordnung mehrerer Outrigger in unterschiedlichen Gebäudehöhen kann man eine weitere Effektivitätssteigerung erzielen. Outriggersysteme sind bis in Höhen von rund 65 Stockwerken wirtschaftlich sinnvoll. Das 42 Stockwerke zählende, 1983 fertiggestellte First Wisconsin Center in Milwaukee von SOM war das erste Hochhaus mit einem Outriggersystem.
Mittlerweile ist die Anordnung von Outriggern ein weit verbreiteter Kunstgriff zur Erhöhung der Gebäudesteifigkeit. Typischerweise sind diese Outrigger nicht in der Außenhaut der Gebäude ablesbar, sondern werden in Installationsgeschosse oder in Wandzonen integriert.
»framed tubes«
Eine weitere wichtige, von Fazlur Khan entwickelte Neuerung war das Tragsystem der »framed tubes«, das heißt ein biegesteifes System aus fassadennahen Stützen und Riegeln. Dieses wurde beim Bau des 43 Geschosse umfassenden Chestnut-De-Witt-Apartmentgebäudes von SOM erstmals 1965 in Chicago eingesetzt.
Die Effektivität eines einfachen »framed tube« nimmt bei Betontragwerken ab einer Höhe von etwa 50 Geschossen und bei Stahltragwerken ab einer Höhe von rund 80 Geschossen infolge von Abschereffekten (»shear-lag«) deutlich ab. Die Effektivität eines »framed tube« kann jedoch erhöht werden, indem man den Aufzugskern als tragendes Element heranzieht. Insbesondere bei schlanken Bürohochhäusern sind die Grundrissabmessungen des Aufzugskernes in der Regel groß genug, um den Kern selbst als eine effiziente Röhrenstruktur nutzen zu können.
»tube in tube«
Wird die äußere Röhre über die Deckenscheiben mit der inneren Röhre – dem Kern – gekoppelt, entsteht ein Tragwerk, das als »tube in tube«-System bezeichnet wird. Durch die Kopplung von innerer und äußerer Röhre kann die Steifigkeit des Tragsystems nachhaltig erhöht werden. Diese Systeme sind bei Stahlkonstruktionen bis zu einer Höhe von rund 80 Stockwerken und bei Betonkonstruktionen bis zu einer Höhe von etwa 60 Stockwerken wirtschaftlich sinnvoll.
Eines der ersten Gebäude, das auf dem »tube in tube«-System basierte, war das 1962–64 errichtete Brunswick Building in Chicago von SOM. Fazlur Khan war sowohl hier als auch beim 1971 fertiggestellten 52 Stockwerke hohen One Shell Plaza Building von SOM in Houston (Bild 2) für die Tragwerksplanung verantwortlich. Die Grundrissabmessungen des One Shell Plaza betragen 58,52 m x 40,23 m, die Höhe liegt bei 218 m. Bis heute ist es das höchste aus Leichtbeton errichtete Hochhaus der Welt.
1964 veröffentlichte Fazlur Khan gemeinsam mit John A. Sbarounis einen wegweisenden Artikel über das Zusammenwirken von Wandscheiben und Rahmen. Mit einem speziellen Algorithmus (erzwungene Konvergenz) zeigte er, dass die Steifigkeit von traditionellen Rahmenkonstruktionen – bei gleichbleibenden Kosten – durch den Einsatz von Wandscheiben oder stehenden Verbänden wesentlich verbessert werden konnte. Die Anwendung eines einfachen mathematischen Ansatzes für die Interaktionskräfte ermöglichte die grafische Aufbereitung in Abhängigkeit vom Steifigkeitsverhältnis Rahmen/Wandscheibe. Diese von Khan erarbeiteten Lösungen gehörte über viele Jahre zum Handwerkszeug eines jeden mit dem Hochhausbau befassten Ingenieurs.
»bundled tubes«
Neben dem tube-in-tube-Prinzip ist die Anordnung eines vertikalen Diaphragmas eine weitere Methode, die Effektivität des Röhrenprinzips zu steigern: Durch eine Kombination aus biegesteif verbundenen Stützen und Riegeln kann der »shear-lag«-Effekt deutlich reduziert werden. Gleichzeitig nimmt die horizontale Steifigkeit zu. Nach diesem Prinzip entworfene Tragwerke haben das Aussehen gebündelter Röhren. Sie werden deshalb »bundled tubes« genannt. Deren Entwicklung ist – neben dem Outriggersystem und dem »framed tube« – einer der wichtigsten Beiträge Khans zum Hochhausbau. Das »bundled tube«-Prinzip lässt die Zahl der in Stahlbauweise wirtschaftlich herstellbaren Geschosse auf etwa 110 steigen; im Bereich des Betonbaus wird diese auf 75 erhöht. Der 1974 von SOM fertiggestellte Sears Tower in Chicago (Bild 5) war das erste Hochhaus mit einem solchen Tragwerk. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre war es die Weiterentwicklung von Verbundkonstruktionen, die von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung des Hochhausbaus war. Der Hauptvorteil der Verbundbauweise (also einem Rahmentragwerk aus Beton und Stahlbauteilen) liegt dabei vor allem in einer gegenüber herkömmlichen Betonkonstruktionen deutlich erhöhten Baugeschwindigkeit. Wieder war es Fazlur Khan, der als wichtiger Impulsgeber für diese Neuerung auftrat. Das erste Gebäude in Verbundbauweise errichtete Gebäude war das zwanzigstöckige Control Data Building in Houston, das 1969 unter der Planung von SOM fertiggestellt wurde. Bei diesem Gebäude wurde außerdem – erstmalig im Hochhausbau und ebenfalls auf eine Initiative Khans zurückgehend – eine vorgefertigte Haut als verlorene Schalung eingesetzt.
»diagonal truss tube«
Um noch höhere Tragwerke realisieren zu können, entwickelte Fazlur Khan den »diagonal truss tube«. Der »tube« besteht hierbei ausschließlich aus Diagonalen, die die Windlasten und die anteiligen Belastungen aus Eigengewicht abtragen. Goldsmith hatte bereits 1953 die grundlegenden Prinzipien der Anordnung diagonaler Aussteifungselemente in der Außenhaut von Hochhäusern untersucht. Zusammen mit Graham war es Khan, der den Ideen von Goldsmith den Durchbruch verschaffte: Das 1970 fertiggestellte John Hancock Center, der »Big John« in Chicago mit hundert Stockwerken und einer Höhe von 344 m ist ein exzellentes Beispiel für ein solches »diagonal truss tube«. Die innenliegenden Stützen sind nur für Eigenlasten bemessen; die außenliegenden Stützen, die Diagonalen, die primären und die sekundären Zugbänder formen eine röhrenartige Struktur, die die Horizontallasten abträgt. Das John Hancock Center ist das erste »multi-use«-Hochhaus der Welt: Auf 260 000 m² Bruttogeschossfläche verteilt besitzt das Gebäude neben einer mehrgeschossigen Verkaufszone im unteren Bereich eine Parkgarage, darüber eine Büronutzung und vom 45. bis zum 95. Stockwerk insgesamt 711 Apartments. Eine Umsteigezone mit Schwimmbad, Fitnessbereich, Lebensmittelgeschäft und vielem mehr im 44. Stock dient den Bewohnern als zusätzliche Annehmlichkeit – genauso wie ein öffentliches Restaurant und ein Bar in der Spitze des Gebäudes, in der außerdem noch eine Fernsehanstalt und ein Aussichtsgeschoss untergebracht sind.
Wegbereiter
Das letzte von Fazlur Khan bearbeitete Hochhaus ist das Onterie Center in Chicago, ein 174 m hohes Gebäude mit 58 Geschossen, das als »diagonal truss tube« in Stahlbeton ausgeführt wurde. Fazlur Khan hat die Fertigstellung des Onterie Center allerdings nicht mehr erlebt: Am 27. März 1982 starb er im Alter von 52 Jahren unerwartet an den Folgen eines Herzinfarkts und hinterließ seine Frau Liselotte, seine Tochter Yasmin Sabina und seinen Stiefsohn Martin Reifschneider. Khan befand sich zu jener Zeit in Jeddah, Saudi Arabien, wo er für SOM die Arbeiten am Haj Terminal betreute, der bis heute mit 40.5 ha Gesamtfläche größten Dachkonstruktion der Welt aus PTFE-beschichteten Glasfasergeweben. Nach den großen und wegweisenden Arbeiten im Hochhausbau hatte sich Khan den weitgespannten Dachkonstruktionen zugewandt. Mit der gleichen Energie, dem gleichen Enthusiasmus, der gleichen Professionalität und Kreativität wie bei den Hochhäusern versuchte er auch hier, Neuland zu beschreiten, die Grenzen des Möglichen auszuloten und sie hinauszuschieben – allerdings nie um des reinen Selbstzwecks willen, sondern stets auf der Suche nach den angemessenen architektonischen Lösungen.
Während seiner Zeit bei SOM zeichnete Fazlur Khan für mehr als vierzig Projekte verantwortlich. Viele dieser Projekte gelten als Meilensteine des Hochhausbaus, ja der Baukunst überhaupt. So ist es nicht verwunderlich, dass Fazlur Khan mit fachlichen und wissenschaftlichen Ehrungen geradezu überhäuft wurde: vier Ehrendoktorwürden, darunter der Northwestern University (1973) und der Lehigh University (1980). Der Thomas A. Middlebrooks Award der American Society of Civil Engineers (1973), die Aufnahme in die National Academy of Engineering (1973), die Oscar Faber Medaille (1973), die J. Lloyd Kimbrough Medaille des American Institute of Steel Construction (1973), der Ernest Howard Award (1977), der Aga Khan Award (1983) und der John Palmer Award (1987) seien hier stellvertretend für die zahlreichen Ehrungen genannt, die Fazlur Khan im Lauf seines kurzen Lebens erhielt.
Fazlur Khan war nicht nur Ingenieur, sondern in seinem Handeln auch stets geprägt von dem Bemühen, Architektur und Ingenieurwesen wieder zusammenzuführen. Darüber hinaus war er ein bewusst politisch handelnder Bürger: Bereits 1971 führte er die Bangladesh Liberation Bewegung in den USA an. Er unterstützte Kongressabgeordnete und Senatoren in Washington in ihrem Engagement für die Unabhängigkeit von Bangladesh, seiner Heimat. 1980 wurde er Gründungspräsident der »Bangladesh Association of Chicagoland«. Er war sowohl fachlich als auch menschlich ein Vorbild, an das sich viele Menschen nach wie vor gerne erinnern. Auch wenn Fazlur Khan viel zu früh verstarb – der Nachruf, der in Engineering News Record erschien, formulierte treffend: »The consoling facts are that his structures will stand for years, and his ideas will never die«.
db, Do., 2008.05.01
1798 veröffentlichte Malthus in „Population: The First Essay“ die Vermutung eines exponentiellen Bevölkerungswachstums mit verheerenden Folgen für die...
1798 veröffentlichte Malthus in „Population: The First Essay“ die Vermutung eines exponentiellen Bevölkerungswachstums mit verheerenden Folgen für die...
1798 veröffentlichte Malthus in „Population: The First Essay“ die Vermutung eines exponentiellen Bevölkerungswachstums mit verheerenden Folgen für die Menschheit, 174 Jahre später legte der Club of Rome seinen ersten allseits bekannten Bericht, die „Grenzen des Wachstums“ vor. Heute, 2007, im Zeitalter des Global Warming und der Bevölkerungsexplosion, nimmt der Anteil der tonnenschweren und bei Unfällen insbesondere mit Kindern hochgefährlichen SUVs in nicht nachvollziehbarem Umfang zu. Bereiten sich die Stadt- und Metropolbewohner also nach jahrzehntelanger Verweigerung jedweder Kenntnisnahme der heraufdämmernden Probleme nun auf sumpfiges Terrain, auf unsicheren Boden vor?
Die Antwort des weltweiten architektonischen Schaffens auf den Bericht des Club of Rome war der Postmodernismus, gefolgt vom Dekonstruktivismus, Superdutch, Blob und anderen Stilrichtungen bzw. Phänomenen wie der „Berliner Architektur“, die sich allesamt dadurch auszeichneten, dass sie einerseits die heraufziehenden ökologischen Probleme schlichtweg ignorierten, andererseits die Frage nach ihrem eigenen „Warum?“ nie intellektuell befriedigend beantworten konnten. Gleichzeitig identifizierte man die Ansätze eines ökologischen, mit der Natur und den Naturkreisläufen im Einklang stehenden Bauens eher mit den vom Hochland der Esoterik lediglich besuchsweise herabgestiegenen Berufskollegen. Alles andere wurde versäumt – bis auf die Erarbeitung und Durchsetzung weltweit führender Energieeinsparstandards. Letztere wiederum, im Wesentlichen von Ingenieuren, Umweltfachleuten und den zuständigen Behörden erarbeitet, haben allerdings die Erscheinungsform der gebauten Umwelt, der Architektur nicht verändert. Lediglich die Isolierschichten wurden höherwertig dimensioniert, die Fenster erhielten einen markant besseren Wärmedämmwert und das Gesamtgebäude wurde dichter – Zwangsbelüftung wurde erforderlich, um die Bewohner vor ihren eigenen Exhalationen zu schützen.
Es bedurfte einer drastischen – durch die weltweiten Medien glücklicherweise entsprechend bedeutend platzierten – Reihe von Warnungen durch Berichte der UNO in den Jahren 2006/2007, um eine breite Bewusstwerdung herbeizuführen. Die aus den USA kommende Erkenntnis, dass sich die entstandenen und die heraufziehenden Umweltprobleme PR-technisch, industriell und finanziell in ungeahntem Maß bewirtschaften lassen, beschleunigte den Bewusstseinswandel in positiver Weise – wenn auch die ebenfalls aus den USA kommende Frage, ob der erforderliche Totalumbau der Systeme und die damit verbundenen Investitionen, welche kurz- und mittelfristig drastische Einsparungen an anderer Stelle erforderlich machen werden, wirtschaftlich überhaupt sinnvoll und gesellschaftlich erstrebenswert seien, manchmal Zweifel an der Tiefe der Wahrnehmung der eigentlichen Probleme aufkommen lassen.
Die aktuell vorliegende Problematik kann in drei Punkten zusammengefasst werden:
1. Die globale Erwärmung mit allen ihren Begleiterscheinungen ist eine Tatsache, die sich durch menschliches Handeln lediglich noch in ihrer Größenordnung beeinflussen lässt.
2. Das weltweite Bevölkerungswachstum ist nicht gebremst, obwohl die Notwendigkeit hierfür lange bekannt ist. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: Religiöse Überzeugungen stehen hier neben der schlichten Funktionssicherung sozialer Sicherungssysteme und damit der Stabilisierung ganzer Gesellschaften.
3. Ein großer Teil der Weltbevölkerung verfügt nicht über das in der sogenannten „westlichen“ Welt vorherrschende Wohlstandsniveau. Ein erheblicher Anteil der Menschheit leidet tagtäglich Hunger. Die Verbesserung der Lebensumstände in vielen dieser Länder führt zu zusätzlichem Energie- und Materialverbrauch in ungeahntem Ausmaß. Drastische Preissteigerungen, aber auch erste Verteilungskriege, sind die Folgen.
Anhand der soeben gemachten Feststellungen wird deutlich, dass eine Zunahme des weltweiten Energie- und Materialverbrauchs zumindest in den kommenden Jahren nicht zu verhindern ist. Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung erlangen die Fragen einer die ressourcenschonenden Energieerzeugung, einer effizienten Energieverwendung, die Einführung einer Kreislaufwirtschaft bei gleichzeitiger Minimierung aller zu Herstellung und Transport benötigten Energie einerseits sowie die Minimierung des Aufkommens an Abfallstoffen andererseits und schließlich die Reduktion aller Emissionen eine für die Menschheit existentielle Notwendigkeit. Das Bauschaffen könnte hierzu einen Beitrag von herausragender Bedeutung leisten, was sich durch die Betrachtung einiger weniger Zusammenhänge sofort erschließt:
1. In Deutschland wurde im Jahr 2003 ein Drittel des gesamten Primärenergieverbrauchs für die Beheizung von Gebäuden verwendet.[6]
2. Der Anteil der von den Haushalten in Deutschland verursachten CO2-Emissionen ging zwar zwischen 1990 und 2003 von 129 auf 122 Mio. t und somit um ca. 5 % zurück; da die Gesamtemissionen im gleichen Zeitraum aber von 1.015 auf 865 Mio. t zurückgingen, hat der Anteil der von den privaten Haushalten verursachten CO2-Emissionen am Gesamtausstoß im betrachteten Zeitraum – trotz aller Bemühungen – sogar noch von 13 % auf 14 % zugenommen.[8]
3. Das Abfallaufkommen, hier am Beispiel Baden-Württemberg aufgezeigt, betrug im Jahr 2005 rund 36 Mio. t. Die Baumassenabfälle hatten hieran einen Anteil von 26 Mio. t, entsprechend 72 %. (Vergleichszahlen 1996: 45 Mio. t / 37 Mio. t, entsprechend 82 %).[3]
Während im Bereich der Energieeinsparung bzw. der effizienten Energienutzung in den vergangenen Jahren insbesondere in Zentraleuropa wesentliche Entwicklungen eingeleitet werden konnten, bedürfen die mit einer Reduktion des Emissionsaufkommens im Bauschaffen insgesamt, d.h. einschließlich aller Vor- und Nachbereitungsprozesse, einhergehenden Fragen und Problemstellungen noch einer intensiven Befassung. Unter dem Begriff Emissionsaufkommen sollen dabei hier nicht nur die aus dem direkten Betreiben der Gebäude, im Wesentlichen also die aus Heiz- und Kühlprozessen entstehenden Emissionen, sondern auch und gerade die von den Baustoffen selbst freigesetzten Emissionen, wie z.B. Weichmacher, Feinstäube oder auch Duftstoffe, verstanden werden.
Hinsichtlich der Einführung einer Kreislaufwirtschaft für Baustoffe und Bauteile steht das Bauwesen noch weitestgehend am Anfang. Insbesondere fehlt eine durchgreifende Methodik bzw. Entwurfs- und Konstruktionslehre für recyclinggerechtes Konstruieren. Unter dem Hinweis, man baue nicht für kurze Zeiträume, sondern ein Bauwerk entstehe immer mit der Projektion einer über mehrere Dekaden währenden Standzeit, hat man sich bisher allzu gern darüber hinweggetäuscht, dass auch diese Dekaden zu Ende gehen. Was dann vom einstmals Gebauten übrig bleibt, sind zumeist Mehrkomponentenbauteile, deren Einzelwerkstoffe mit vertretbarem Aufwand kaum noch zu trennen sind. Wer die Außenwand eines ganz gewöhnlichen Wohngebäudes analysiert, stellt schnell fest, dass hier 10 bis 20 unterschiedliche Materialien, vom Mauerwerk mit seinen eingelegten Elektro-, Wasser- oder Gasleitungen nebst deren Zubehör über den Innenputz, die Tapete und ggf. deren Anstrich über die Außendämmung, Putzträger und Außenputz einschließlich dessen Anstrich, nahezu untrennbar miteinander verbunden sind. Die Untrennbarkeit war dabei immer Programm: Je besser die Baustoffe während der Nutzungsdauer des Gebäudes zusammenhielten, desto besser war üblicherweise deren Funktionserfüllung. Nach dem Abriss kehrt sich dieser Vorteil natürlich in sein Gegenteil um – es bleibt nichts anderes als die Deponierung des nicht mehr in seine Ausgangsbauteile Zerlegbaren. Interessanterweise bereiten gerade die mit Dämm- und Ausbaufunktionen versehenen Bauteile mengenmäßig große Probleme – sortenrein vorliegende Stahlbetonbauteile lassen sich heute nahezu perfekt wieder in die Bewehrung und ein als Betonzuschlag wiederverwendbares Granulat zerlegen. Ähnlich unkritisch sind die typischerweise sortenrein vorliegenden Bauteile aus Stahl, Aluminium, Holz oder Glas zu sehen.
Die mit der Ankündigung einer Rücknahmeverpflichtung im Automobilbau eingetretenen Forschungen und Entwicklungen zum recyclinggerechten Konstruieren, zum methodisch wohlstrukturierten Zusammen-, aber eben auch wieder Auseinanderbauen können sicherlich Anregung und Beispiel für vergleichbare, im Bauwesen dringend benötigte Entwicklungen sein. Würde man die Grundlagen für eine vollkommene Rezyklierbarkeit der gebauten Umwelt schaffen, dann wäre das Erreichen der von allen Bauschaffenden in einer ersten Setzung zu formulierenden Ziele in greifbare Nähe gerückt. Diese Ziele werden von uns folgendermaßen formuliert:
1. Gebäude zu bauen, die für ihrem Betrieb in der Jahressumme keine Energie benötigen („Null Energieverbrauch / Zero Energy“)
2. Gebäude zu bauen, die keine schädlichen Emissionen abgeben („Null Emissionen / Zero Emission“)
3. Gebäude zu bauen, die vollkommen rezyklierbar sind („Null Rückstände / Zero Waste“)
Die Forderung nach einer dreifachen Null: „Zero Energy / Zero Emission / Zero Waste“ stehen auch für das sog. „Triple Zero Konzept“, das zurzeit von der Stadt und der Metropolregion Stuttgart in Form einer Reihe von beispielhaften Projekten aus den Bereichen Altbau, Neubau und Umbau aufgelegt wird. (Vgl. dazu auch die Forderung: “Null Abfall, null Emissionen, null ökologischer Fußabdruck”7)
Natürlich entstehen derzeit viele derartige Initiativen. Diese sind teilweise nicht miteinander koordiniert, teilweise konkurrieren sie gegeneinander. Der Sache als solcher wird dies jedoch mitnichten schaden, benötigt das Bauschaffen doch dringend eine Vielzahl von Impulsen und Erkenntnissen, mit Hilfe derer sich Konzepte für ein wirklich nachhaltiges Bauen entwickeln lassen. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Initiativen der Bundesregierung (beispielsweise durch die Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ und die Entwicklung eines „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“) oder die Initiativen einzelner Bundesländer genauso positiv bewertet werden wie die durch Initiative von Vertretern aus Wissenschaft, Planung, Baustoff- und Komponentenhersteller, Bauindustrie, Energiewirtschaft, Ban- ken und vielen anderen am Bauschaffen im engeren und weiteren Sinn Beteiligten, im Juni 2007 gegründete „Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ (German Sustainable Building Council GeSBC). Diese gemeinnützige Gesellschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die gesetzlichen Vorgaben, die politischen Perspektiven und die wissenschafts- bzw. berufsethisch zu fordernden Ziele eines Nachhaltigen Bauens in ein entsprechendes Zertifizierungssystem im vorgenannten Sinn und Umfang umzusetzen.
Man konstatiert in Bezug auf die Durchsetzung des Nachhaltigkeitsaspekts in der gebauten Umwelt einen weltweiten Umdenkungsprozess. Politik, Wissenschaft und Industrie bereiten die Einführung des Nachhaltigkeitsaspekts in der gebauten Umwelt vor. Seine Umsetzung wird im Wesentlichen in den Händen von Architekten und Ingenieuren liegen, also den Händen derjenigen, die gestern wie heute noch über keine durchgreifenden Konzepte für Konzeption, Konstruktion und Gestaltung dieser „nachhaltigen“ Architektur (im weitestgehenden Sinn verstanden!) verfügen. Vor der Fülle der Probleme und Fragen sollte man jedoch keineswegs zurückschrecken, gehört es doch „zur Signatur der Humanitas, dass Menschen vor Probleme gestellt werden, die für Menschen zu schwer sind, ohne dass sie sich vornehmen könnten, sie ihrer Schwere wegen unangefasst zu lassen“[4]
Waren viele Ökohäuser und Ökoautos bisher auch deswegen ein kommerzieller Flop, weil sie allesamt von einer depressiven Entsagungsästhetik geprägt waren, so wird wohl die wichtigste Aufgabe, welche Produktdesigner, Architekten und Ingenieure in der nahen Zukunft zu lösen haben, die Folgende sein: Ökologie atemberaubend attraktiv und aufregend zu machen ….[5]
ARCH+, Do., 2007.11.22
Der Kokon „Paul“ befindet sich auf dem Gelände des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren ILEK an der Universität Stuttgart. Er ist dort im...
Der Kokon „Paul“ befindet sich auf dem Gelände des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren ILEK an der Universität Stuttgart. Er ist dort im...
Der Kokon „Paul“ befindet sich auf dem Gelände des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren ILEK an der Universität Stuttgart. Er ist dort im Rahmen einer Forschungsarbeit über adaptive textile Gebäudehüllen in den vergangenen vier Jahren entstanden. Paul zeigt Analogien gebauter Architektur zu lebenden Organismen auf - es handelt sich dabei weniger um eine organische Architektur, als um einen gebauten Organismus - er stellt eine gebaute Metamorphose dar. In der Natur sind solche Prozesse selbstverständlich. Gebäude der Zukunft und möglicherweise auch alle Bestandteile, die es ausmachen, können wie ein Organismus behandelt werden - daraus resultiert ganz selbstverständlich auch eine eigene Formensprache.
Es existiert das Bild einer verpuppten Schmetterlingsraupe, die im Gelände liegt. In der Dunkelheit kann man den sich im Inneren des Kokons abzeichnenden Schmetterling wahrnehmen. Paul verfügt in ästhetischer als auch physikalischer Hinsicht über nichtkonstante Eigenschaften, bzw. über die Fähigkeit zur selbsttätigen Anpassung an Umweltbedingungen.
Die oberste Hautschicht hat einen sehr geringen Grad der Konfektionierung - die Haut ist nicht tragend, sondern dient nur als Witterungschutz - dabei folgt die Faltung der biomorphen Gesamterscheinung. Insgesamt ist der Wandaufbau dem einer lebenden Haut ähnlich - sie besteht aus mehreren Schichten, die individuelle Funktionen besitzen - ein sogenanntes Multilayersystem aus verschiedenen Membran- und Funktionsschichten. Unter der obersten Wetterhaut zeichnet sich der Lichtlayer in Form eines Ader- oder Nervensystems ab. Dieses System verfügt über eine Gesamtlänge von 8 km und besteht aus Glas-Lichtleitfasern, die mit Hilfe von 1200 Lichtpunkten eine permanente Farbveränderung ermöglichen. Unter dem Lichtlayer befindet sich der Isolationslayer - eine Membran, die mit hochisolierenden Keramiken dotiert ist. Darunter liegt - als innerste Hautschicht der Speicherlayer - eine Membran, in die Phase Change Materials implementiert sind. Isolations- und Speicherlayer bauen sich aus mehr als 60.000 Zellen auf. Bei hohen Temperaturen ist die Membran weicher als bei tiefen Temperaturen. Die Gesamtdicke der Multilayerkonstruktion beträgt etwa 14 mm. Speicher- und Dämmwerte sind denen einer herkömmlichen Massivwand von etwa 15 cm Stärke vergleichbar. Auch die akustischen Eigenschaften sind gegenüber herkömmlichen Membrankonstruktionen verbessert. Im Gegensatz zu Massivbaukonstruktionen zeichnet sich der verwendete Multilayeraufbau durch einen hohen Grad der Transluzenz aus. Im Inneren von Paul ist es an sonnigen Tagen möglich, die im Wind wehenden Äste und Blätter der angrenzenden Bäume wahrzunehmen. In der Nacht dringt das Kunstlicht der zweiten Layerebene durch die Isolations- und Speicherebene ins Innere von Paul und erscheint durch die Zellstruktur als poetischer Sternenhimmel. Die Fügungen der Membran untereinander bzw. mit der Unterkonstruktion basieren auf Elementen aus der Kleidungstechnik, es handelt sich um Klett- und Reißverschlüsse - auch diese besitzen ihre Vorbilder in der Natur. Die klassischen Architekturlemente Dach und Wand sind aufgehoben - die Membranhaut beinhaltet diese. Der untere Teil der Schmetterlingspuppe besteht aus einem monolithischen Shape von etwa 8 m Länge - es handelt sich dabei um einen Glas-Kohle-Hybrid, der auf das Gelände gelegt wurde - es fand keine Fundamentgründung statt. In diese untere Schale sind Edelstahlrippen eingesteckt, die durch Glasfaserrods in Querrichtung gekoppelt sind. Paul reagiert auf wechselnde äußere Klima- und Witterungsbedingungen, z.B. hinsichtlich Temperaturhaushalt, Speichervermögen, Lichtdurchlässigkeit, Akustik und Farbeigenschaften.
Durch die Arbeit sollen technisch und ästhetisch neue Möglichkeiten des Bauens und grundlegende Anforderungen an die Funktion einer adaptiven textilen Gebäudehülle wie auch die daraus resultierenden Möglichkeiten der Formausbildung aufgezeigt werden. Ziel sind „intelligente“ Gebäudehüllen, die sich selbständig und möglicherweise nicht computergesteuert oder elektronisch inspiriert an ihre Umgebung anpassen.
ARCH+, Mi., 2004.12.01
2024
Verfahrensgegenstand war die Erlangung einer Standortplanung für den Regionalstandort Allhartsberg, die in weiterer Folge den Verhandlungen zur Vergabe der Generalplanung zugrunde gelegt werden Das...
Der Stuttgarter Architekt und Ingenieur Werner Sobek ist Pionier in Sachen Technologie und Vernetzung. Mit Nachtsichtgeräten, erfuhr Wojciech Czaja, kommt man in seinem gläsernen Einfamilienhaus aber nicht weit.
Der Stuttgarter Architekt und Ingenieur Werner Sobek ist Pionier in Sachen Technologie und Vernetzung. Mit Nachtsichtgeräten, erfuhr Wojciech Czaja, kommt man in seinem gläsernen Einfamilienhaus aber nicht weit.
Das Beste an diesem Haus ist, dass es sich nicht anfühlt wie ein Haus. Vielmehr hat man das Gefühl, man sei mitten in der Natur. Und das ist man auch. Egal, wo man sich gerade aufhält, man sieht die Bäume, man sieht den Himmel, man sieht und hört den Regen, man riecht die Blüten, man bekommt einfach den ganzen Tagesverlauf mit. Ein halbes Jahr, nachdem wir eingezogen waren, fiel mir auf, dass ich nicht mehr auf die Uhr gucke. Anhand des Tageslichts kann man gut abschätzen, wie spät es immer ist.
Ich werde oft gefragt, wie es sich anfühlt, ständig unter Beobachtung zu sein. Und dann sage ich: Zum einen wohnt der nächste Nachbar 200 Meter von hier entfernt, und zum anderen ist mir das auch ziemlich egal. Es gibt sogar Leute, die versuchen, uns bei Dunkelheit mit Nachtsichtgeräten im Haus aufzuspüren, aber das führt zu nichts. Die Glasscheiben haben eine Low-Emissivity-Beschichtung und lassen keinerlei Infrarotstrahlung durch. Pech gehabt!
Warum das Haus so aussieht, wie es aussieht, hat einen guten Grund. Was meine Arbeit betrifft, würde ich mich als Pionier bezeichnen, weil ich an der Entwicklung neuer Technologien sowie an der Implementierung dieser Technologien im Bauwesen maßgeblich beteiligt bin. Ich lebe diesen Beruf mit Leidenschaft. Und wenn man etwas Neues entwickelt, so muss man sich auch als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen und am eigenen Leibe das ausprobieren, was man später dem Markt anbieten möchte.
Wir haben lange an diesem Haus geplant - von 1997 bis 2000. Der Bauprozess selbst dauerte aber nur zehn Wochen. Es war eines der ersten Gebäude, das sich komplett über den Computer steuern lässt. Über einen Touchscreen geben wir die gewünschte Temperatur ein, und die EDV erledigt den Rest. Theoretisch können wir die Haustechnik auch übers Handy steuern. Wir wohnen in einem richtigen Nullenergiehaus - ohne Gaskessel, ohne Ofen, ohne Erdwärme. Wir heizen einzig und allein mithilfe der Sonne. Es gibt eine Bauteil-Aktivierung, einen Wärmetauscher sowie einen Speichertank mit 12.000 Liter Wasser, in dem die gewonnene Energie gespeichert wird. Die Wassertemperatur im Tank pendelt zwischen fünf und 85 Grad Celsius! Außerdem hält sich der Energiebedarf durch die hochwertige Isolierung - die Glasscheiben sind mit Krypton gefüllt und haben die gleiche Wärmedämmeigenschaft wie eine 14 Zentimeter dicke Styroporplatte - ohnehin in Grenzen.
Demnächst wollen wir das Haus technisch etwas nachrüsten und eine neue Software installieren. Es handelt sich dabei um ein Energieoptimierungssystem unter dem Namen alpha EOS. Dann werden wir noch weniger Strom verbrauchen als heute. Sämtliche Geräte wie Geschirrspüler oder Waschmaschine können dann via Internet gestartet werden. Das System ist mit der meteorologischen Station verbunden und kann aufgrund von Wetterlage, Netzauslastung und Tageszeit automatisch kalkulieren, wann die Energiekosten am niedrigsten sind und das öffentliche Stromnetz am geringsten belastet wird. Außerdem werden wir ab Sommer einen Elektro-Smart haben, den wir über unsere Photovoltaik-Anlage direkt aufladen können.
Ob mir das Haus zu transparent ist? Eigentlich nie! Denn wenn ich ungestört sein und mich ein wenig in mein Innerstes verkriechen will, dann mache ich einfach die Augen zu. Das lernt man, wenn man so viel unterwegs ist wie ich. Sobald ich die Augen schließe, fühle ich mich zu Hause, fühle ich Heimat.
In keinem der diesjährigen Hefte würde sich unser »Ingenieurporträt«, das wir nur noch themenbezogen veröffentlichen, mehr anbieten als in diesem: Ausgewählt haben wir hierfür Fazlur Rahman Khan. Er arbeitete als Ingenieur und Tragwerksplaner in dem nach wie vor bedeutenden Chicagoer Architekturbüro SOM und hat durch seine Überlegungen und Entwicklungen nicht nur den Hochhausbau revolutioniert, sondern somit auch die Architektur in den USA des 20. Jahrhunderts wesentlich beeinflusst.
In keinem der diesjährigen Hefte würde sich unser »Ingenieurporträt«, das wir nur noch themenbezogen veröffentlichen, mehr anbieten als in diesem: Ausgewählt haben wir hierfür Fazlur Rahman Khan. Er arbeitete als Ingenieur und Tragwerksplaner in dem nach wie vor bedeutenden Chicagoer Architekturbüro SOM und hat durch seine Überlegungen und Entwicklungen nicht nur den Hochhausbau revolutioniert, sondern somit auch die Architektur in den USA des 20. Jahrhunderts wesentlich beeinflusst.
Fazlur Rahman Khan wurde am 3. April 1929 in Faridpur in der Nähe von Dhaka im heutigen Bangladesh geboren. Nach der Schulausbildung studierte er am Benghal Engineering College der Universität Dhaka, wo er 1950 als Jahrgangsbester mit einem Bachelor of Sciences abschloss. Er unterrichtete zunächst zwei Jahre in seinem Heimatland, bevor er ein Fulbright-Stipendium für einen Studienaufenthalt in den USA erhielt. An der University of Illinois at Urbana-Champaign erlangte er in nur zwei Jahren Master-Abschlüsse im Bauingenieurwesen und in Angewandter Mechanik. Bereits im Jahr 1955 promovierte er, ebenfalls in Urbana-Champaign, in »Structural Engineering«.
Dank seiner offenkundigen akademischen Brillanz erhielt Khan kurze Zeit nach seinem Abschluss Stellenangebote von führenden amerikanischen Ingenieurbüros. Bevor er sich entschied, traf er zufällig einen Freund, der bei Skidmore, Owings and Merrill (SOM) arbeitete – zu jener Zeit bereits eines der weltweit führenden Architektur- und Ingenieurbüros. Darüber informiert, dass SOM ebenfalls neue Mitarbeiter suchte, begab er sich sofort in das Büro seines Freundes und bat um ein Vorstellungsgespräch. Khan wurde nicht nur innerhalb von fünf Minuten eingestellt, sondern zu seiner Überraschung auch gleich mit der Leitung eines Projekts beauftragt, das unter anderem den Entwurf von sieben Autobahn- und Eisenbahnbrücken umfasste.
1957 kehrte er in sein Heimatland zurück, um die mit seinem Fulbright-Stipendium verknüpften Bedingungen einer Berufstätigkeit in seinem Herkunftsland zu erfüllen. Er wurde Direktor des Building Research Centre von Pakistan (zu dem Bangladesch zum damaligen Zeitpunkt noch gehörte). Nach einem Militärputsch im Jahr 1958 verlor er diesen Posten jedoch aus politischen Gründen wieder. Khan arbeitete in den folgenden zwei Jahren für die Karachi Development Authority und übernahm verschiedene Aufträge als Bauingenieur. 1960 kehrte er in die USA zurück, da er nur dort komplexe, seiner Begabung angemessene Aufgaben übernehmen konnte.
Khan nahm seine Tätigkeit bei SOM in Chicago wieder auf und avancierte dort in verschiedenen Positionen und Verantwortungsbereichen zu einem der wichtigsten Ingenieure des 20. Jahrhunderts. Bereits 1961 wurde er »Participating Partner«, 1966 »Associate Partner« und 1970 – als erster Bauingenieur bei SOM überhaupt! – »General Partner«. Sein Weg an die Spitze eines der bedeutendsten Büros der USA dauerte somit nur zehn Jahre. In dieser Zeit plante Khan zusammen mit den Architekten Myron Goldsmith und Bruce Graham eine Reihe von Gebäuden, die revolutionäre Neuerungen im Hochhausbau darstellten und die die sogenannte Second Chicago School begründeten.
Das Zusammentreffen von Khan, Goldsmith und Graham zu einer Zeit allgemeinen wirtschaftlichen Wachstums und einer gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung, wie sie in den USA der sechziger Jahre herrschte, muss als einmaliger Glücksfall gewertet werden. Myron Goldsmith hatte bereits 1953 in seiner Master Thesis am Illinois Institute of Technology in Chicago bei Mies van der Rohe grundlegende Konzepte für eine Revolutionierung des Hochhausbaus skizziert. In der Zusammenarbeit mit Khan fand Goldsmith einen brillanten Partner für die Weiterentwicklung und Umsetzung seiner frühen Ideen. Khan selbst entwickelte darüber hinaus seinerseits die Outriggersysteme, die »framed tubes« und – besonders wichtig – die »bundled tubes«. Er kombinierte diese Tragwerkskonzepte mit anderen Werkstoffen als dem bis dato in den USA im Hochhausbau ausschließlich verwendeten Profilstahl. Dadurch beflügelte Khan nicht nur die Weiterentwicklung der Leichtbeton- sowie der Verbund- und der Betonfertigteilbauweisen, sondern er legte – zusammen mit Mark Fintel von der Portland Cement Association – den Grundstein für die Entwicklung hochfester, schnell härtender und in große Höhen pumpbarer Betone, die später den Hochhausbau bestimmten.
Nur durch diese Entwicklungen war es möglich, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts in der so genannten First Chicago School entwickelten Konzepte auf eine völlig neue Basis zu stellen. Mit einem Feuerwerk brillanter Ideen zur tragenden Struktur hoher Häuser, gekoppelt mit einer meister¬lichen architektonischen Umsetzung, revolutionierten Khan, Goldsmith und Graham innerhalb von zehn Jahren den Hochhausbau ein zweites Mal. Nahezu alle diese Entwicklung repräsentierenden Gebäude stehen übrigens in Chicago.
Entwicklungen
»Outrigger«
Das wichtigste von Fazlur Khan entwickelte Tragsystem für Hochhäuser ist sicher das sogenannte Outriggersystem, das eine wesentliche Effektivitätssteigerung ermöglichte. Ein Outriggersystem entsteht durch die Einführung einer steifen, typischerweise geschosshohen Konstruktion, die den Kern mit den tragenden Außenstützen verbindet. Eine horizontale Auslenkung des Kernes induziert somit automatisch eine axiale Dehnung (Zug/Druck) der Außenstützen. Der innere Hebelarm der Konstruktion wird hierdurch deutlich vergrößert. Das Einfügen eines Outriggersystems auf halber Gebäudehöhe erhöht die Steifigkeit des Tragsystems um 30 Prozent. Durch Anordnung mehrerer Outrigger in unterschiedlichen Gebäudehöhen kann man eine weitere Effektivitätssteigerung erzielen. Outriggersysteme sind bis in Höhen von rund 65 Stockwerken wirtschaftlich sinnvoll. Das 42 Stockwerke zählende, 1983 fertiggestellte First Wisconsin Center in Milwaukee von SOM war das erste Hochhaus mit einem Outriggersystem.
Mittlerweile ist die Anordnung von Outriggern ein weit verbreiteter Kunstgriff zur Erhöhung der Gebäudesteifigkeit. Typischerweise sind diese Outrigger nicht in der Außenhaut der Gebäude ablesbar, sondern werden in Installationsgeschosse oder in Wandzonen integriert.
»framed tubes«
Eine weitere wichtige, von Fazlur Khan entwickelte Neuerung war das Tragsystem der »framed tubes«, das heißt ein biegesteifes System aus fassadennahen Stützen und Riegeln. Dieses wurde beim Bau des 43 Geschosse umfassenden Chestnut-De-Witt-Apartmentgebäudes von SOM erstmals 1965 in Chicago eingesetzt.
Die Effektivität eines einfachen »framed tube« nimmt bei Betontragwerken ab einer Höhe von etwa 50 Geschossen und bei Stahltragwerken ab einer Höhe von rund 80 Geschossen infolge von Abschereffekten (»shear-lag«) deutlich ab. Die Effektivität eines »framed tube« kann jedoch erhöht werden, indem man den Aufzugskern als tragendes Element heranzieht. Insbesondere bei schlanken Bürohochhäusern sind die Grundrissabmessungen des Aufzugskernes in der Regel groß genug, um den Kern selbst als eine effiziente Röhrenstruktur nutzen zu können.
»tube in tube«
Wird die äußere Röhre über die Deckenscheiben mit der inneren Röhre – dem Kern – gekoppelt, entsteht ein Tragwerk, das als »tube in tube«-System bezeichnet wird. Durch die Kopplung von innerer und äußerer Röhre kann die Steifigkeit des Tragsystems nachhaltig erhöht werden. Diese Systeme sind bei Stahlkonstruktionen bis zu einer Höhe von rund 80 Stockwerken und bei Betonkonstruktionen bis zu einer Höhe von etwa 60 Stockwerken wirtschaftlich sinnvoll.
Eines der ersten Gebäude, das auf dem »tube in tube«-System basierte, war das 1962–64 errichtete Brunswick Building in Chicago von SOM. Fazlur Khan war sowohl hier als auch beim 1971 fertiggestellten 52 Stockwerke hohen One Shell Plaza Building von SOM in Houston (Bild 2) für die Tragwerksplanung verantwortlich. Die Grundrissabmessungen des One Shell Plaza betragen 58,52 m x 40,23 m, die Höhe liegt bei 218 m. Bis heute ist es das höchste aus Leichtbeton errichtete Hochhaus der Welt.
1964 veröffentlichte Fazlur Khan gemeinsam mit John A. Sbarounis einen wegweisenden Artikel über das Zusammenwirken von Wandscheiben und Rahmen. Mit einem speziellen Algorithmus (erzwungene Konvergenz) zeigte er, dass die Steifigkeit von traditionellen Rahmenkonstruktionen – bei gleichbleibenden Kosten – durch den Einsatz von Wandscheiben oder stehenden Verbänden wesentlich verbessert werden konnte. Die Anwendung eines einfachen mathematischen Ansatzes für die Interaktionskräfte ermöglichte die grafische Aufbereitung in Abhängigkeit vom Steifigkeitsverhältnis Rahmen/Wandscheibe. Diese von Khan erarbeiteten Lösungen gehörte über viele Jahre zum Handwerkszeug eines jeden mit dem Hochhausbau befassten Ingenieurs.
»bundled tubes«
Neben dem tube-in-tube-Prinzip ist die Anordnung eines vertikalen Diaphragmas eine weitere Methode, die Effektivität des Röhrenprinzips zu steigern: Durch eine Kombination aus biegesteif verbundenen Stützen und Riegeln kann der »shear-lag«-Effekt deutlich reduziert werden. Gleichzeitig nimmt die horizontale Steifigkeit zu. Nach diesem Prinzip entworfene Tragwerke haben das Aussehen gebündelter Röhren. Sie werden deshalb »bundled tubes« genannt. Deren Entwicklung ist – neben dem Outriggersystem und dem »framed tube« – einer der wichtigsten Beiträge Khans zum Hochhausbau. Das »bundled tube«-Prinzip lässt die Zahl der in Stahlbauweise wirtschaftlich herstellbaren Geschosse auf etwa 110 steigen; im Bereich des Betonbaus wird diese auf 75 erhöht. Der 1974 von SOM fertiggestellte Sears Tower in Chicago (Bild 5) war das erste Hochhaus mit einem solchen Tragwerk. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre war es die Weiterentwicklung von Verbundkonstruktionen, die von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung des Hochhausbaus war. Der Hauptvorteil der Verbundbauweise (also einem Rahmentragwerk aus Beton und Stahlbauteilen) liegt dabei vor allem in einer gegenüber herkömmlichen Betonkonstruktionen deutlich erhöhten Baugeschwindigkeit. Wieder war es Fazlur Khan, der als wichtiger Impulsgeber für diese Neuerung auftrat. Das erste Gebäude in Verbundbauweise errichtete Gebäude war das zwanzigstöckige Control Data Building in Houston, das 1969 unter der Planung von SOM fertiggestellt wurde. Bei diesem Gebäude wurde außerdem – erstmalig im Hochhausbau und ebenfalls auf eine Initiative Khans zurückgehend – eine vorgefertigte Haut als verlorene Schalung eingesetzt.
»diagonal truss tube«
Um noch höhere Tragwerke realisieren zu können, entwickelte Fazlur Khan den »diagonal truss tube«. Der »tube« besteht hierbei ausschließlich aus Diagonalen, die die Windlasten und die anteiligen Belastungen aus Eigengewicht abtragen. Goldsmith hatte bereits 1953 die grundlegenden Prinzipien der Anordnung diagonaler Aussteifungselemente in der Außenhaut von Hochhäusern untersucht. Zusammen mit Graham war es Khan, der den Ideen von Goldsmith den Durchbruch verschaffte: Das 1970 fertiggestellte John Hancock Center, der »Big John« in Chicago mit hundert Stockwerken und einer Höhe von 344 m ist ein exzellentes Beispiel für ein solches »diagonal truss tube«. Die innenliegenden Stützen sind nur für Eigenlasten bemessen; die außenliegenden Stützen, die Diagonalen, die primären und die sekundären Zugbänder formen eine röhrenartige Struktur, die die Horizontallasten abträgt. Das John Hancock Center ist das erste »multi-use«-Hochhaus der Welt: Auf 260 000 m² Bruttogeschossfläche verteilt besitzt das Gebäude neben einer mehrgeschossigen Verkaufszone im unteren Bereich eine Parkgarage, darüber eine Büronutzung und vom 45. bis zum 95. Stockwerk insgesamt 711 Apartments. Eine Umsteigezone mit Schwimmbad, Fitnessbereich, Lebensmittelgeschäft und vielem mehr im 44. Stock dient den Bewohnern als zusätzliche Annehmlichkeit – genauso wie ein öffentliches Restaurant und ein Bar in der Spitze des Gebäudes, in der außerdem noch eine Fernsehanstalt und ein Aussichtsgeschoss untergebracht sind.
Wegbereiter
Das letzte von Fazlur Khan bearbeitete Hochhaus ist das Onterie Center in Chicago, ein 174 m hohes Gebäude mit 58 Geschossen, das als »diagonal truss tube« in Stahlbeton ausgeführt wurde. Fazlur Khan hat die Fertigstellung des Onterie Center allerdings nicht mehr erlebt: Am 27. März 1982 starb er im Alter von 52 Jahren unerwartet an den Folgen eines Herzinfarkts und hinterließ seine Frau Liselotte, seine Tochter Yasmin Sabina und seinen Stiefsohn Martin Reifschneider. Khan befand sich zu jener Zeit in Jeddah, Saudi Arabien, wo er für SOM die Arbeiten am Haj Terminal betreute, der bis heute mit 40.5 ha Gesamtfläche größten Dachkonstruktion der Welt aus PTFE-beschichteten Glasfasergeweben. Nach den großen und wegweisenden Arbeiten im Hochhausbau hatte sich Khan den weitgespannten Dachkonstruktionen zugewandt. Mit der gleichen Energie, dem gleichen Enthusiasmus, der gleichen Professionalität und Kreativität wie bei den Hochhäusern versuchte er auch hier, Neuland zu beschreiten, die Grenzen des Möglichen auszuloten und sie hinauszuschieben – allerdings nie um des reinen Selbstzwecks willen, sondern stets auf der Suche nach den angemessenen architektonischen Lösungen.
Während seiner Zeit bei SOM zeichnete Fazlur Khan für mehr als vierzig Projekte verantwortlich. Viele dieser Projekte gelten als Meilensteine des Hochhausbaus, ja der Baukunst überhaupt. So ist es nicht verwunderlich, dass Fazlur Khan mit fachlichen und wissenschaftlichen Ehrungen geradezu überhäuft wurde: vier Ehrendoktorwürden, darunter der Northwestern University (1973) und der Lehigh University (1980). Der Thomas A. Middlebrooks Award der American Society of Civil Engineers (1973), die Aufnahme in die National Academy of Engineering (1973), die Oscar Faber Medaille (1973), die J. Lloyd Kimbrough Medaille des American Institute of Steel Construction (1973), der Ernest Howard Award (1977), der Aga Khan Award (1983) und der John Palmer Award (1987) seien hier stellvertretend für die zahlreichen Ehrungen genannt, die Fazlur Khan im Lauf seines kurzen Lebens erhielt.
Fazlur Khan war nicht nur Ingenieur, sondern in seinem Handeln auch stets geprägt von dem Bemühen, Architektur und Ingenieurwesen wieder zusammenzuführen. Darüber hinaus war er ein bewusst politisch handelnder Bürger: Bereits 1971 führte er die Bangladesh Liberation Bewegung in den USA an. Er unterstützte Kongressabgeordnete und Senatoren in Washington in ihrem Engagement für die Unabhängigkeit von Bangladesh, seiner Heimat. 1980 wurde er Gründungspräsident der »Bangladesh Association of Chicagoland«. Er war sowohl fachlich als auch menschlich ein Vorbild, an das sich viele Menschen nach wie vor gerne erinnern. Auch wenn Fazlur Khan viel zu früh verstarb – der Nachruf, der in Engineering News Record erschien, formulierte treffend: »The consoling facts are that his structures will stand for years, and his ideas will never die«.
db, Do., 2008.05.01
1798 veröffentlichte Malthus in „Population: The First Essay“ die Vermutung eines exponentiellen Bevölkerungswachstums mit verheerenden Folgen für die...
1798 veröffentlichte Malthus in „Population: The First Essay“ die Vermutung eines exponentiellen Bevölkerungswachstums mit verheerenden Folgen für die...
1798 veröffentlichte Malthus in „Population: The First Essay“ die Vermutung eines exponentiellen Bevölkerungswachstums mit verheerenden Folgen für die Menschheit, 174 Jahre später legte der Club of Rome seinen ersten allseits bekannten Bericht, die „Grenzen des Wachstums“ vor. Heute, 2007, im Zeitalter des Global Warming und der Bevölkerungsexplosion, nimmt der Anteil der tonnenschweren und bei Unfällen insbesondere mit Kindern hochgefährlichen SUVs in nicht nachvollziehbarem Umfang zu. Bereiten sich die Stadt- und Metropolbewohner also nach jahrzehntelanger Verweigerung jedweder Kenntnisnahme der heraufdämmernden Probleme nun auf sumpfiges Terrain, auf unsicheren Boden vor?
Die Antwort des weltweiten architektonischen Schaffens auf den Bericht des Club of Rome war der Postmodernismus, gefolgt vom Dekonstruktivismus, Superdutch, Blob und anderen Stilrichtungen bzw. Phänomenen wie der „Berliner Architektur“, die sich allesamt dadurch auszeichneten, dass sie einerseits die heraufziehenden ökologischen Probleme schlichtweg ignorierten, andererseits die Frage nach ihrem eigenen „Warum?“ nie intellektuell befriedigend beantworten konnten. Gleichzeitig identifizierte man die Ansätze eines ökologischen, mit der Natur und den Naturkreisläufen im Einklang stehenden Bauens eher mit den vom Hochland der Esoterik lediglich besuchsweise herabgestiegenen Berufskollegen. Alles andere wurde versäumt – bis auf die Erarbeitung und Durchsetzung weltweit führender Energieeinsparstandards. Letztere wiederum, im Wesentlichen von Ingenieuren, Umweltfachleuten und den zuständigen Behörden erarbeitet, haben allerdings die Erscheinungsform der gebauten Umwelt, der Architektur nicht verändert. Lediglich die Isolierschichten wurden höherwertig dimensioniert, die Fenster erhielten einen markant besseren Wärmedämmwert und das Gesamtgebäude wurde dichter – Zwangsbelüftung wurde erforderlich, um die Bewohner vor ihren eigenen Exhalationen zu schützen.
Es bedurfte einer drastischen – durch die weltweiten Medien glücklicherweise entsprechend bedeutend platzierten – Reihe von Warnungen durch Berichte der UNO in den Jahren 2006/2007, um eine breite Bewusstwerdung herbeizuführen. Die aus den USA kommende Erkenntnis, dass sich die entstandenen und die heraufziehenden Umweltprobleme PR-technisch, industriell und finanziell in ungeahntem Maß bewirtschaften lassen, beschleunigte den Bewusstseinswandel in positiver Weise – wenn auch die ebenfalls aus den USA kommende Frage, ob der erforderliche Totalumbau der Systeme und die damit verbundenen Investitionen, welche kurz- und mittelfristig drastische Einsparungen an anderer Stelle erforderlich machen werden, wirtschaftlich überhaupt sinnvoll und gesellschaftlich erstrebenswert seien, manchmal Zweifel an der Tiefe der Wahrnehmung der eigentlichen Probleme aufkommen lassen.
Die aktuell vorliegende Problematik kann in drei Punkten zusammengefasst werden:
1. Die globale Erwärmung mit allen ihren Begleiterscheinungen ist eine Tatsache, die sich durch menschliches Handeln lediglich noch in ihrer Größenordnung beeinflussen lässt.
2. Das weltweite Bevölkerungswachstum ist nicht gebremst, obwohl die Notwendigkeit hierfür lange bekannt ist. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: Religiöse Überzeugungen stehen hier neben der schlichten Funktionssicherung sozialer Sicherungssysteme und damit der Stabilisierung ganzer Gesellschaften.
3. Ein großer Teil der Weltbevölkerung verfügt nicht über das in der sogenannten „westlichen“ Welt vorherrschende Wohlstandsniveau. Ein erheblicher Anteil der Menschheit leidet tagtäglich Hunger. Die Verbesserung der Lebensumstände in vielen dieser Länder führt zu zusätzlichem Energie- und Materialverbrauch in ungeahntem Ausmaß. Drastische Preissteigerungen, aber auch erste Verteilungskriege, sind die Folgen.
Anhand der soeben gemachten Feststellungen wird deutlich, dass eine Zunahme des weltweiten Energie- und Materialverbrauchs zumindest in den kommenden Jahren nicht zu verhindern ist. Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung erlangen die Fragen einer die ressourcenschonenden Energieerzeugung, einer effizienten Energieverwendung, die Einführung einer Kreislaufwirtschaft bei gleichzeitiger Minimierung aller zu Herstellung und Transport benötigten Energie einerseits sowie die Minimierung des Aufkommens an Abfallstoffen andererseits und schließlich die Reduktion aller Emissionen eine für die Menschheit existentielle Notwendigkeit. Das Bauschaffen könnte hierzu einen Beitrag von herausragender Bedeutung leisten, was sich durch die Betrachtung einiger weniger Zusammenhänge sofort erschließt:
1. In Deutschland wurde im Jahr 2003 ein Drittel des gesamten Primärenergieverbrauchs für die Beheizung von Gebäuden verwendet.[6]
2. Der Anteil der von den Haushalten in Deutschland verursachten CO2-Emissionen ging zwar zwischen 1990 und 2003 von 129 auf 122 Mio. t und somit um ca. 5 % zurück; da die Gesamtemissionen im gleichen Zeitraum aber von 1.015 auf 865 Mio. t zurückgingen, hat der Anteil der von den privaten Haushalten verursachten CO2-Emissionen am Gesamtausstoß im betrachteten Zeitraum – trotz aller Bemühungen – sogar noch von 13 % auf 14 % zugenommen.[8]
3. Das Abfallaufkommen, hier am Beispiel Baden-Württemberg aufgezeigt, betrug im Jahr 2005 rund 36 Mio. t. Die Baumassenabfälle hatten hieran einen Anteil von 26 Mio. t, entsprechend 72 %. (Vergleichszahlen 1996: 45 Mio. t / 37 Mio. t, entsprechend 82 %).[3]
Während im Bereich der Energieeinsparung bzw. der effizienten Energienutzung in den vergangenen Jahren insbesondere in Zentraleuropa wesentliche Entwicklungen eingeleitet werden konnten, bedürfen die mit einer Reduktion des Emissionsaufkommens im Bauschaffen insgesamt, d.h. einschließlich aller Vor- und Nachbereitungsprozesse, einhergehenden Fragen und Problemstellungen noch einer intensiven Befassung. Unter dem Begriff Emissionsaufkommen sollen dabei hier nicht nur die aus dem direkten Betreiben der Gebäude, im Wesentlichen also die aus Heiz- und Kühlprozessen entstehenden Emissionen, sondern auch und gerade die von den Baustoffen selbst freigesetzten Emissionen, wie z.B. Weichmacher, Feinstäube oder auch Duftstoffe, verstanden werden.
Hinsichtlich der Einführung einer Kreislaufwirtschaft für Baustoffe und Bauteile steht das Bauwesen noch weitestgehend am Anfang. Insbesondere fehlt eine durchgreifende Methodik bzw. Entwurfs- und Konstruktionslehre für recyclinggerechtes Konstruieren. Unter dem Hinweis, man baue nicht für kurze Zeiträume, sondern ein Bauwerk entstehe immer mit der Projektion einer über mehrere Dekaden währenden Standzeit, hat man sich bisher allzu gern darüber hinweggetäuscht, dass auch diese Dekaden zu Ende gehen. Was dann vom einstmals Gebauten übrig bleibt, sind zumeist Mehrkomponentenbauteile, deren Einzelwerkstoffe mit vertretbarem Aufwand kaum noch zu trennen sind. Wer die Außenwand eines ganz gewöhnlichen Wohngebäudes analysiert, stellt schnell fest, dass hier 10 bis 20 unterschiedliche Materialien, vom Mauerwerk mit seinen eingelegten Elektro-, Wasser- oder Gasleitungen nebst deren Zubehör über den Innenputz, die Tapete und ggf. deren Anstrich über die Außendämmung, Putzträger und Außenputz einschließlich dessen Anstrich, nahezu untrennbar miteinander verbunden sind. Die Untrennbarkeit war dabei immer Programm: Je besser die Baustoffe während der Nutzungsdauer des Gebäudes zusammenhielten, desto besser war üblicherweise deren Funktionserfüllung. Nach dem Abriss kehrt sich dieser Vorteil natürlich in sein Gegenteil um – es bleibt nichts anderes als die Deponierung des nicht mehr in seine Ausgangsbauteile Zerlegbaren. Interessanterweise bereiten gerade die mit Dämm- und Ausbaufunktionen versehenen Bauteile mengenmäßig große Probleme – sortenrein vorliegende Stahlbetonbauteile lassen sich heute nahezu perfekt wieder in die Bewehrung und ein als Betonzuschlag wiederverwendbares Granulat zerlegen. Ähnlich unkritisch sind die typischerweise sortenrein vorliegenden Bauteile aus Stahl, Aluminium, Holz oder Glas zu sehen.
Die mit der Ankündigung einer Rücknahmeverpflichtung im Automobilbau eingetretenen Forschungen und Entwicklungen zum recyclinggerechten Konstruieren, zum methodisch wohlstrukturierten Zusammen-, aber eben auch wieder Auseinanderbauen können sicherlich Anregung und Beispiel für vergleichbare, im Bauwesen dringend benötigte Entwicklungen sein. Würde man die Grundlagen für eine vollkommene Rezyklierbarkeit der gebauten Umwelt schaffen, dann wäre das Erreichen der von allen Bauschaffenden in einer ersten Setzung zu formulierenden Ziele in greifbare Nähe gerückt. Diese Ziele werden von uns folgendermaßen formuliert:
1. Gebäude zu bauen, die für ihrem Betrieb in der Jahressumme keine Energie benötigen („Null Energieverbrauch / Zero Energy“)
2. Gebäude zu bauen, die keine schädlichen Emissionen abgeben („Null Emissionen / Zero Emission“)
3. Gebäude zu bauen, die vollkommen rezyklierbar sind („Null Rückstände / Zero Waste“)
Die Forderung nach einer dreifachen Null: „Zero Energy / Zero Emission / Zero Waste“ stehen auch für das sog. „Triple Zero Konzept“, das zurzeit von der Stadt und der Metropolregion Stuttgart in Form einer Reihe von beispielhaften Projekten aus den Bereichen Altbau, Neubau und Umbau aufgelegt wird. (Vgl. dazu auch die Forderung: “Null Abfall, null Emissionen, null ökologischer Fußabdruck”7)
Natürlich entstehen derzeit viele derartige Initiativen. Diese sind teilweise nicht miteinander koordiniert, teilweise konkurrieren sie gegeneinander. Der Sache als solcher wird dies jedoch mitnichten schaden, benötigt das Bauschaffen doch dringend eine Vielzahl von Impulsen und Erkenntnissen, mit Hilfe derer sich Konzepte für ein wirklich nachhaltiges Bauen entwickeln lassen. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Initiativen der Bundesregierung (beispielsweise durch die Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ und die Entwicklung eines „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“) oder die Initiativen einzelner Bundesländer genauso positiv bewertet werden wie die durch Initiative von Vertretern aus Wissenschaft, Planung, Baustoff- und Komponentenhersteller, Bauindustrie, Energiewirtschaft, Ban- ken und vielen anderen am Bauschaffen im engeren und weiteren Sinn Beteiligten, im Juni 2007 gegründete „Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ (German Sustainable Building Council GeSBC). Diese gemeinnützige Gesellschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die gesetzlichen Vorgaben, die politischen Perspektiven und die wissenschafts- bzw. berufsethisch zu fordernden Ziele eines Nachhaltigen Bauens in ein entsprechendes Zertifizierungssystem im vorgenannten Sinn und Umfang umzusetzen.
Man konstatiert in Bezug auf die Durchsetzung des Nachhaltigkeitsaspekts in der gebauten Umwelt einen weltweiten Umdenkungsprozess. Politik, Wissenschaft und Industrie bereiten die Einführung des Nachhaltigkeitsaspekts in der gebauten Umwelt vor. Seine Umsetzung wird im Wesentlichen in den Händen von Architekten und Ingenieuren liegen, also den Händen derjenigen, die gestern wie heute noch über keine durchgreifenden Konzepte für Konzeption, Konstruktion und Gestaltung dieser „nachhaltigen“ Architektur (im weitestgehenden Sinn verstanden!) verfügen. Vor der Fülle der Probleme und Fragen sollte man jedoch keineswegs zurückschrecken, gehört es doch „zur Signatur der Humanitas, dass Menschen vor Probleme gestellt werden, die für Menschen zu schwer sind, ohne dass sie sich vornehmen könnten, sie ihrer Schwere wegen unangefasst zu lassen“[4]
Waren viele Ökohäuser und Ökoautos bisher auch deswegen ein kommerzieller Flop, weil sie allesamt von einer depressiven Entsagungsästhetik geprägt waren, so wird wohl die wichtigste Aufgabe, welche Produktdesigner, Architekten und Ingenieure in der nahen Zukunft zu lösen haben, die Folgende sein: Ökologie atemberaubend attraktiv und aufregend zu machen ….[5]
ARCH+, Do., 2007.11.22
Der Kokon „Paul“ befindet sich auf dem Gelände des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren ILEK an der Universität Stuttgart. Er ist dort im...
Der Kokon „Paul“ befindet sich auf dem Gelände des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren ILEK an der Universität Stuttgart. Er ist dort im...
Der Kokon „Paul“ befindet sich auf dem Gelände des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren ILEK an der Universität Stuttgart. Er ist dort im Rahmen einer Forschungsarbeit über adaptive textile Gebäudehüllen in den vergangenen vier Jahren entstanden. Paul zeigt Analogien gebauter Architektur zu lebenden Organismen auf - es handelt sich dabei weniger um eine organische Architektur, als um einen gebauten Organismus - er stellt eine gebaute Metamorphose dar. In der Natur sind solche Prozesse selbstverständlich. Gebäude der Zukunft und möglicherweise auch alle Bestandteile, die es ausmachen, können wie ein Organismus behandelt werden - daraus resultiert ganz selbstverständlich auch eine eigene Formensprache.
Es existiert das Bild einer verpuppten Schmetterlingsraupe, die im Gelände liegt. In der Dunkelheit kann man den sich im Inneren des Kokons abzeichnenden Schmetterling wahrnehmen. Paul verfügt in ästhetischer als auch physikalischer Hinsicht über nichtkonstante Eigenschaften, bzw. über die Fähigkeit zur selbsttätigen Anpassung an Umweltbedingungen.
Die oberste Hautschicht hat einen sehr geringen Grad der Konfektionierung - die Haut ist nicht tragend, sondern dient nur als Witterungschutz - dabei folgt die Faltung der biomorphen Gesamterscheinung. Insgesamt ist der Wandaufbau dem einer lebenden Haut ähnlich - sie besteht aus mehreren Schichten, die individuelle Funktionen besitzen - ein sogenanntes Multilayersystem aus verschiedenen Membran- und Funktionsschichten. Unter der obersten Wetterhaut zeichnet sich der Lichtlayer in Form eines Ader- oder Nervensystems ab. Dieses System verfügt über eine Gesamtlänge von 8 km und besteht aus Glas-Lichtleitfasern, die mit Hilfe von 1200 Lichtpunkten eine permanente Farbveränderung ermöglichen. Unter dem Lichtlayer befindet sich der Isolationslayer - eine Membran, die mit hochisolierenden Keramiken dotiert ist. Darunter liegt - als innerste Hautschicht der Speicherlayer - eine Membran, in die Phase Change Materials implementiert sind. Isolations- und Speicherlayer bauen sich aus mehr als 60.000 Zellen auf. Bei hohen Temperaturen ist die Membran weicher als bei tiefen Temperaturen. Die Gesamtdicke der Multilayerkonstruktion beträgt etwa 14 mm. Speicher- und Dämmwerte sind denen einer herkömmlichen Massivwand von etwa 15 cm Stärke vergleichbar. Auch die akustischen Eigenschaften sind gegenüber herkömmlichen Membrankonstruktionen verbessert. Im Gegensatz zu Massivbaukonstruktionen zeichnet sich der verwendete Multilayeraufbau durch einen hohen Grad der Transluzenz aus. Im Inneren von Paul ist es an sonnigen Tagen möglich, die im Wind wehenden Äste und Blätter der angrenzenden Bäume wahrzunehmen. In der Nacht dringt das Kunstlicht der zweiten Layerebene durch die Isolations- und Speicherebene ins Innere von Paul und erscheint durch die Zellstruktur als poetischer Sternenhimmel. Die Fügungen der Membran untereinander bzw. mit der Unterkonstruktion basieren auf Elementen aus der Kleidungstechnik, es handelt sich um Klett- und Reißverschlüsse - auch diese besitzen ihre Vorbilder in der Natur. Die klassischen Architekturlemente Dach und Wand sind aufgehoben - die Membranhaut beinhaltet diese. Der untere Teil der Schmetterlingspuppe besteht aus einem monolithischen Shape von etwa 8 m Länge - es handelt sich dabei um einen Glas-Kohle-Hybrid, der auf das Gelände gelegt wurde - es fand keine Fundamentgründung statt. In diese untere Schale sind Edelstahlrippen eingesteckt, die durch Glasfaserrods in Querrichtung gekoppelt sind. Paul reagiert auf wechselnde äußere Klima- und Witterungsbedingungen, z.B. hinsichtlich Temperaturhaushalt, Speichervermögen, Lichtdurchlässigkeit, Akustik und Farbeigenschaften.
Durch die Arbeit sollen technisch und ästhetisch neue Möglichkeiten des Bauens und grundlegende Anforderungen an die Funktion einer adaptiven textilen Gebäudehülle wie auch die daraus resultierenden Möglichkeiten der Formausbildung aufgezeigt werden. Ziel sind „intelligente“ Gebäudehüllen, die sich selbständig und möglicherweise nicht computergesteuert oder elektronisch inspiriert an ihre Umgebung anpassen.
ARCH+, Mi., 2004.12.01