Pläne

Details

Adresse
Schulring 24, 3100 St. Pölten, Österreich
Bauherrschaft
Stadt St. Pölten
Weitere Konsulent:innen
Lichtplanung: Christian Ploderer, Brandschutz: IMS Brandrat, Bauphysik: Schöberl & Pöll, Elektro und HKLS: BPS Engineering
Maßnahme
Neubau
Funktion
Sonderbauten
Wettbewerb
08/2020 - 11/2020
Planung
07/2021 - 09/2022
Ausführung
11/2022 - 06/2024
Grundstücksfläche
3.006 m²
Bruttogeschossfläche
2.930 m²
Nutzfläche
2.769 m²
Bebaute Fläche
705 m²
Umbauter Raum
14.391 m³
Baukosten
13,0 Mio EUR

Nachhaltigkeit

Heizwärmebedarf
24,8 kWh/m²a (Energieausweis)
Endenergiebedarf
30,6 kWh/m²a (Energieausweis)
Primärenergiebedarf
51,4 kWh/m²a (Energieausweis)
Außeninduzierter Kühlbedarf
5,2 kWh/m²a (Energieausweis)
Energiesysteme
Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Wärmepumpe
Materialwahl
Holzbau, Mischbau, Stahlbeton, Vermeidung von PVC für Fenster, Türen

Raumprogramm

Das Gebäude
Das KinderKunstLabor ist ein dreieckiges Haus aus Holz und Beton mit vier Stockwerken im Altoonapark. Diese neue Institution zwischen Altstadt und Kulturbezirk/Regierungsviertel hat das Wiener Architekturbüro „Schenker Salvi Weber ZT GmbH“ entworfen. Vom nachwachsenden Baustoff Holz über die Erhaltung des Baumbestands bis zur insekten- und vogelfreundlichen Planung der Beleuchtung haben die Architekten darauf geachtet, den ökologischen Fußabdruck klein zu halten und die Natur zu schützen. Das gesamte Gebäude ist so gestaltet, dass Kinder sich drinnen und draußen frei bewegen und spielen können. Der Bau des Gebäudes begann Ende 2022.

Willkommensbereich und Spielen im Erdgeschoss
Das Erdgeschoss bietet reichlich Raum, um anzukommen, durchzuatmen, zu schauen und sich hinzusetzen. Ein großer Bereich lädt zum Spielen ein. Der mit Mitwirkenden der Kunstideenwerkstatt ausgewählte international renommierte Architekt Jakub Szczęsny konzipierte dafür eine weitläufige ästhetische Raumlandschaft. Impulse dafür sind Kinderzeichnungen zu Lieblingsspielplätzen aus den Kinderbeiratsgruppen zu verdanken. Kinder im Vorschulalter können gemeinsam mit ihren Eltern und Großeltern interaktive Gestaltungsareale aus organischen Erhebungen und textilen Elementen erleben. In einem Ladenbereich davor können Kinderbücher und Kinderspielwaren vom Kreisel bis zum Steckenpferd entdeckt werden. Designer:innen und Kinder entwerfen sie und stellen sie her. Vieles davon wird aus Naturmaterialien wie Holz, Wachs, Filz und Steinen oder aus Papier erzeugt, das Kinder in den Laboren selbst schöpfen.

Ausstellungen und Präsentationen im ersten Stock
Ein geräumiger Aufzug sowie eine breite Treppe mit Sitzstufen und Kissen zum Ausruhen führen in den ersten Stock. Die großzügig gestaltete Treppe ist gleichzeitig selbst Mittel, um das Gebäude zu erfahren und zu entdecken. Über ihre reine Funktionalität hinaus ist sie ein Ort des „Dazwischen“, der zum Verweilen einlädt und damit einen bewussten Übergang zum Ausstellungsraum schafft. Dort zeigen Künstler:innen ihre Arbeiten, die sie auch im Austausch mit Kindern entwickelt haben und in Zukunft noch entwickeln werden. Die über 400 Quadratmeter großen Ausstellungsräume laden zu verschiedenen Betrachtungsweisen ein. Im Liegen, Hüpfen, Laufen oder von oben können Besucher:innen die Kunstwerke erleben, untersuchen, mit allen Sinnen wahrnehmen und kommentieren. Der große Ausstellungsraum bietet auch die Möglichkeit für punktuelle musikalische und literarische Live-Veranstaltungen.

Die Labore im zweiten Stock
Für künstlerische Workshops und Projekte gibt es zwei große atelierartige Labore. Kinder, aber auch Erwachsene können hier mit Künstler:innen und Kunstvermittler:innen ihren Erfindungsreichtum und ihre Vorstellungskraft umsetzen. Inspiriert vom in der Ausstellung Gesehenen und Erlebten können sie in den Laboren Neues entwickeln. Dabei gibt es keine vordefinierten Ziele – das Tun als schöpferischer freier Akt steht im Mittelpunkt: Alles ist möglich.

Die Labore grenzen an eine großräumige zweigeschossige Terrasse, die – sicher geschützt – den Blick in den Park freigibt. So können im Sommer viele Workshops und Projekte draußen an der frischen Luft durchgeführt werden. Ein Teilbereich der Terrasse ist mit Toshis Gabe おくリもの, einer Installation der international renommierten Künstlerin Toshiko Horiuchi MacAdam, gestaltet, die sich sechs Meter hoch, neun Meter breit und fünf Meter lang über zwei Stockwerke zieht. Es handelt sich dabei um ein großes Netz zum Klettern, das sich wie ein Labyrinth in die Architektur einfügt. Das Netz ist so gestaltet, dass es eine herausfordernde Spielumgebung bietet, in der Kinder das Risiko selbst einschätzen können. Diese Installation ist vom Erdgeschoss aus mit dem Aufzug direkt erreichbar. Die Kinder aus der Kunstideenwerkstatt haben dabei geholfen, die Künstlerin auszuwählen.

Die Kinderbibliothek im dritten Stock
Im dritten Stock werden Kinder- und Jugendbücher präsentiert. Hier können sich Besucher:innen zum Lesen und Ausruhen zurückziehen. Orientiert an den Themen der Projekte und Ausstellungen des KinderKunstLabor werden in der Präsenzbibliothek aktuelle Publikationen gezeigt und vermittelt. Lese-, Illustrations- und Filmangebote mit Autor:innen und Illustrator:innen ergänzen das Programm.

Das Café
Zurück ins Erdgeschoss: Jene, die die Kinder begleiten, sowie andere interessierte Erwachsene werden sich in die Kunst vertiefen, selbst schöpferisch arbeiten oder im Café oder Park eine Pause machen können. Auf Hungrige und Durstige warten im Café Getränke und Speisen – vegan, vegetarisch, regional und in Bioqualität. Wenn es warm genug ist, bietet die Terrasse weitere Sitzgelegenheiten mit Blick in den Altoonapark mit seinen Spielflächen und Kunstwerken.

Der Altoonapark
Der Altoonapark ist mit dem KinderKunstLabor ein sinnlich erfahrbarer Kunst-, Bewegungs- und Erlebnisort. Eine bisher wenig genutzte Grünfläche ist nun ein neuer Ort für Kinder und Jugendliche, Erwachsene, Familien, Anrainer:innen und Gäste. Den rund 6200 m² großen Park – benannt ist er nach Altoona in Pennsylvania, einer Partnerstadt St. Pöltens – gestalten Künstler:innen, Landschaftsplaner:innen und Designer:innen gemeinsam mit Kindern und Anwohner:innen für unterschiedliche Stimmungen, Interessen und Bedürfnisse. In einer besonderen Mischung aus Kunst und Spiel gibt es naturnahe Entdeckungsmöglichkeiten: Plätze zum Verstecken, Möglichkeiten, mit Wasser und Sand zu spielen und vieles mehr. Dauerhaft installierte, interaktiv zugängliche „Hands-on“-Skulpturen erweitern den Außenraum. Designer:innen und Künstler:innen haben sie gemeinsam mit Kindern entwickelt und umgesetzt. Die Objekte können berührt, erklettert oder durchkrochen werden, schaffen neue Wahrnehmungen oder Perspektiven und sensibilisieren für die Natur und die Umgebung des KinderKunstLabor.

Zwei in Kooperation mit Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich (KOERNOE) entstandene Kunstwerke werden dauerhaft im Park installiert. KOERNOE und das KinderKunstLabor kooperierten erstmals im Rahmen eines neu entwickelten Verfahrens zur Auswahl dieser Werke. Die Kinder der Kinderbeiratsklassen der Otto Glöckel Volksschule und der Sportmittelschule St. Pölten sowie die Teilnehmer:innen der Kunstideenwerkstatt des KinderKunstLabor waren dabei nicht nur aktiv in den Auswahlprozess eingebunden. Vielmehr bildeten jeweils drei Schüler:innen beider Schulen gemeinsam mit dem Gutachter:innen-Gremium von KOERNOE und Vertreter:innen des KinderKunstLabor die Jury. Die Gewinnerinnen des Wettbewerbs sind die Künstlerinnen Christine und Irene Hohenbüchler sowie Andrea Maurer.

Bäume des Altoonaparks sind existenziell, sie erzeugen ein angenehmes Mikroklima und bereichern das Erleben im Park. Daher wird der Baumbestand weitestgehend erhalten und durch Neupflanzungen ergänzt. Insgesamt umfasst dieser circa 60 Bäume. Der zentrale Parkbereich ist von offenen Wiesen geprägt. Wenn alles fertig ist, öffnet ein neues Wegesystem den Park und schafft Bezüge zur Umgebung wie der Sportmittelschule St. Pölten im Süden, der Wohnbebauung im Norden, Osten und Westen sowie dem Kulturbezirk mit Festspielhaus St. Pölten und Museum NÖ im Südosten.

Ausführende Firmen

PORR AG, Klenk & Meder GmbH, ing. August Lengauer GmbH&CoKG, Heinrich Renner GmbH, Schinnerl Metallbau, Böhm Möbel GmbH, Maler Schmied GmbH

Preise und Auszeichnungen

Architekturwettbewerb

Das Projekt ist aus dem Verfahren KinderKunstLabor St. Pölten hervorgegangen

1. Rang, Gewinner, 1. Preis

Presseschau

13. Juli 2024Maik Novotny
Der Standard

Euphorie im Baumhaus

Das neue Kinderkunstlabor in Sankt Pölten ist das erste seiner Art und begegnet seiner jungen Zielgruppe auf Augenhöhe. Das tut auch die Architektur des Hauses, die mit einem Füllhorn an Raumideen und robuster Feinheit zum aktiven Entdecken einlädt.

Das neue Kinderkunstlabor in Sankt Pölten ist das erste seiner Art und begegnet seiner jungen Zielgruppe auf Augenhöhe. Das tut auch die Architektur des Hauses, die mit einem Füllhorn an Raumideen und robuster Feinheit zum aktiven Entdecken einlädt.

Nicht nur Wien, auch Sankt Pölten verfügt über eine Ringstraße, und auch sie ist gesäumt von großen Einzelbauten. Weniger glamourös als Staatsoper und Burgtheater, aber ebenso wichtige Gesellschaftsbausteine: Schule, Amtshaus, Versicherungszentrale. In der Regel lässt sich von außen die Funktion auf den ersten Blick erkennen.

Nicht so beim jüngsten Neuzugang. Eine Art niedriger Turm, gehüllt in Holzlamellen, hinter denen Fensterflächen dunkle Diagonalen zeichnen. Der Eingang ein Trichter aus Sichtbeton, gestaffelt wie das Stufenportal einer Kathedrale. Also eine Kirche? Wobei, die Holzfassade sieht eher nach einem Forschungszentrum aus. Aber wozu dann die riesige Loggia im zweiten Stock mit Blick auf den Park und seinen alten Baumbestand? Ein Beobachtungsposten für Eichhörnchenfans? Oder doch ein Museum? Aber was für eines?

Es ist ein bisschen von all dem, aber es ist auch etwas ganz anderes. Denn das Haus in Sankt Pölten gehört zu einem Typus, den es bisher nicht gab: Es ist ein – nein, es ist das Kinderkunstlabor. Dessen Idee ist es, junge Menschen an die bildende Kunst heranzuführen, systematisch und professionell, ernsthaft und spielerisch, und vor allem auf Augenhöhe. Die Kinder wählen selbst die Künstlerinnen und Künstler aus, die hier ausstellen, und in den Labors im selben Haus setzen sie ihre eigenen kreativen Ideen um.

Die Idee entstand, als sich Sankt Pölten als Kulturhauptstadt Europas 2024 bewarb. Das wurde dann letztendlich das Salzkammergut, doch man verzichtete aufs Beleidigtsein und führte die schon begonnenen Ideen einfach weiter: Neben dem Festival Tangente war dies das Kinderkunstlabor. Eine kluge Entscheidung, ebenso wie jene für den Standort, eine wichtige Wegmarke zwischen Altstadt und Kulturbezirk.

Beglückende Erfahrung

Den ausgelobten Architekturwettbewerb gewann das Wiener Büro Schenker Salvi Weber, und das, wie Michael Salvi erzählt, mit großer Freude. Denn wann hat man als Architekt schon Gelegenheit, einen Gebäudetyp zu entwerfen, für den es kein Vorbild, keinen Normenkatalog, kein Handbuch gibt? Hilfestellung kam vom Kinderbeirat, der den Entwurfsprozess fachlich begleitete, für die Architekten eine beglückende Erfahrung, sagt Salvi. „Wir wollten nicht didaktisch, sondern mit Freude an die Sache herangehen und die Ideen der Kinder ernst nehmen. Denn wenn Architektur den Kindern gegenüber wertschätzend ist, ist sie es auch für Erwachsene.“ Das spürt man vor Ort, von außen wie von innen. Hier ist nichts verniedlichend, nichts kindisch, nichts Rot-Gelb-Blau. Es ist ein Haus, das auf eine kantige Art behaglich ist und auf eine elegante Art robust. Kristallin in der Form, aber warm und berührbar im Material. Ein organischer, freundlicher Monolith. Die turmähnliche Form ergab sich daraus, dass die Architekten so viel wie möglich vom Park erhalten und diesem einen räumlichen Halt am Rand geben wollten.

Als Form wählten sie ein gleichseitiges Dreieck mit stumpfen Ecken, an allen drei Seiten knickt die Fassade leicht nach innen. Da der Weg durchs Haus an der Fassade entlangführt, ergibt sich so eine Sogwirkung im Bewegungsablauf, ein Kontinuum an einladenden Gesten und belohnenden Blickrichtungen, Futter für unstillbare Neugier. Es sollten, sagt Michael Salvi, euphorische, feierliche Räume werden. Das mag etwas sakral klingen, bedeutet aber einfach, dem Kind nicht eine Schrumpfversion der Welt anzubieten, sondern im Gegenteil besonders große Türen in diese zu öffnen.

Selbstbewusste Stütze

Dabei fängt es zunächst ganz ruhig an, in einem breiten, niedrigen Foyer, wo sich die Gruppen sammeln. Der Weg der Kinder zu Kunst und Labor wendet sich zunächst in eine der Dreiecksspitzen und dreht dann scharf um, um zwischen einer keilrahmenhaft holzgetäfelten Wand und der parkseitigen Fassade mit ihren luftig geschichteten Stützen und Stäben auf breiten Stiegen hinaufzueilen. Hier will man auch als Erwachsener am liebsten gleich mehrmals jauchzend hinauf- und hinunterjagen. Das passt, denn, sagt Mona Jas, die Künstlerische Leiterin des KKL, die Kinder dürfen und sollen hier „rennen, laut sprechen, neugierig sein, viele Fragen stellen. Das Signal ist: Ihr müsst euch nicht an das Museum anpassen, sondern das Museum wächst mit euch.“

Das, was das Museum zum Museum macht, der eigentliche Ausstellungsraum, bildet das Herz des Ganzen, das Dreieck im Dreieck. Nicht nur in der Kontur ein ungewöhnlicher Raum, sondern auch in der Struktur. Versuchen Architekten und Kuratoren normalerweise mit allen Mitteln, aus Museumsräumen stützenfreie White Cubes zu machen, wurde hier die Statik der komplexen Geometrie auf ganz naheliegende Weise gelöst: durch eine selbstbewusste dicke Stütze genau in der Mitte.

Die nächste euphorische Treppenflucht nach oben, jetzt etwas schmaler, fast dachbodenhaft, finden die Kinder einen ruhigen kleinen Raum des Luftholens, bevor sie in den zwei großen Laboren und auf der Loggia davor, neben den zum Greifen nahen Bäumen des Parks, malen, bauen, reden, lernen, lehren dürfen. Im obersten Stockwerk schließlich gelangt man in die Bibliothek, klein und versteckt wie ein Baumhaus im Geäst, mit Licht von oben und Fenstern zum Nach-unten-Spähen. Die Regale für die Bücher sind perfekt maßgeschneidert, wie auch das ganze Haus geradezu ein Fest des Tischlerhandwerks geworden ist. Wie ein weiches Futteral sind die Kästen, Sitzbänke, Türen, Fächer aus hellem Birkensperrholz in die eckige Geometrie hineingenäht worden. Auch das hat einen versteckten didaktischen Zweck, sagt Michael Salvi. „Wir wollen den Kindern verständlich machen, wie ein Haus entsteht und zusammengesetzt wird.“

So schafft es die Architektur, das ambitionierte Programm der Kunstvermittlung und des Kunstmachens zu begleiten, ohne sich mit simplen Botschaften einzumischen, sondern als gebauter Bildungsauftrag, der Spaß macht. Keine Frage: Aus dieser Laborerfahrung werden so einige künftige Künstlerinnen hervorgehen – und sehr wahrscheinlich auch ein paar Architektinnen.

21. Juni 2024Franziska Leeb
Spectrum

Hier waren Kinder am Werk: ein neues Kunstlabor in St. Pölten

St. Pölten präsentiert sich als Kulturstadt von europäischem Rang. Das Besondere an ihrem Flaggschiff, dem Kinderkunstlabor: Der Kinderbeirat hatte ein Mitspracherecht bei der Form des Parks und der Museumsräume.

St. Pölten präsentiert sich als Kulturstadt von europäischem Rang. Das Besondere an ihrem Flaggschiff, dem Kinderkunstlabor: Der Kinderbeirat hatte ein Mitspracherecht bei der Form des Parks und der Museumsräume.

Es ist schwierig, etwas zu beschreiben, was es noch nicht gibt“, bringt Mona Jas das Problem auf den Punkt. Dass in St. Pölten ein Ort für zeitgenössische Kunst entstehen soll, bei dem die Perspektive der Kinder die Hauptsache ist, lockte die künstlerische Leiterin des Kinderkunstlabors von Berlin in die Stadt. Das Kinderkunstlabor war das Herzstück der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2024 und sollte unabhängig vom Bewerbungserfolg realisiert werden. Zunächst hatten wohl viele kein klares Bild, was so ein Haus leisten kann und wie seine architektonische Beschaffenheit sein soll.

Kunstvermittlungsprogramme für Kinder gibt es heute in fast jedem Museum. Auch Kindermuseen, die altersgerechte Ausstellungen und Mitmachprogramme anbieten, sind nichts Neues. Ein Kunsthaus aber, bei dem Kinder an inhaltlichen, programmatischen und gestalterischen Entscheidungen beteiligt sind, dafür findet sich selbst international kein Beispiel.

Von Schenker Salvi Weber Architekten aus Wien

Um die Architektur ebenso partizipativ zu entwickeln, hätte es mehr Zeit gebraucht. Immerhin wurde ein offener einstufiger Realisierungswettbewerb ausgelobt, der kreativen, kleineren Architekturbüros die Beteiligung ermöglichte. Gewonnen wurde er von Schenker Salvi Weber Architekten aus Wien, die mit ihren Schulbauten schon gezeigt haben, dass sie für die Bedürfnisse von Kindern planen können, ohne sie zu verniedlichen.

Während der Planungs- und Bauphase war der aus Kindergartengruppen und Schulklassen gebildete Kinderbeirat in die weitere Ausgestaltung des Parks und der Museumsräume ebenso einbezogen wie in die Programmgestaltung. Er stand im direkten Austausch mit dem Architekturbüro und vielen Künstlern und Künstlerinnen und hatte zum Beispiel eine Stimme in der Wettbewerbsjury für die Spielskulpturen im Park. Schon das ist eine Leistung: Kinder einzubinden und so ernst zu nehmen, dass sie sich im fertigen Produkt wiederfinden.

Die Wege sind nun wassergebunden

Standort ist der nach der amerikanischen Partnerstadt in Pennsylvania benannte Altoona-Park an einer stadträumlich wenig attraktiven Kreuzung am Schulring, etliche Schulen liegen in der Umgebung. Nur wenige Schritte sind es zur kürzlich als Zentrum für Kultur und Geschichtsvermittlung wiedereröffneten Ehemaligen Synagoge St. Pölten. Der städtebauliche Ansatz, direkt an der Kreuzung in die Höhe zu gehen, den Schwung der Straße im Baukörper aufzunehmen und ein Gelenk zwischen Innenstadt und Kulturbezirk zu bilden, bringt mit sich, dass der Park eine räumliche Fassung erhält und der Fußabdruck möglichst gering bleibt. Gesegnet mit einem schönen dichten Baumbestand und der Lage am Mühlbach, zuvor aber unambitioniert gestaltet, erfuhr die Grünanlage eine Neugestaltung durch das Landschaftsarchitekturbüro Bauchplan. Die Wege sind nicht mehr asphaltiert, sondern wassergebunden.

Bei der Eröffnung Ende Juni wird die Ausstattung noch nicht ganz fertig sein. Ein Wasserspiel und (Spiel-)Skulpturen von Andrea Maurer, Christine und Irene Hohenbüchler, Mischer Traxler und Regina Möller versprechen einen angenehmen Erholungs- und Erlebnisort – nicht nur für Kinder. Die Gebäudefigur ist aus der Fernsicht kaum zu erfassen. Aus manchen Blickwinkeln wirkt der viergeschoßige Baukörper wie ein schlanker Quader. Doch im Grundriss handelt es sich um ein Dreieck mit gekappten Ecken und drei leicht nach innen genickten Seiten, also um ein Sechseck, das als Motiv im Inneren immer wieder auftaucht.

Ursprünglich als reiner Holzbau erdacht, stellte sich in der weiteren Bearbeitung ein reines Holztragwerk nicht nur als zu teuer, sondern auch als zu wuchtig heraus. Also entwickelten die Tragwerksplaner aus dem Büro von Werner Sobek eine neue konstruktive Lösung mit einer Baumstütze aus Beton, von deren „Stamm“ in der Gebäudemitte sechs „Äste“ abgehen, und die die Lasten auf zartere Weise aufnehmen. Dieser innere Kern mit der zentralen Stütze nimmt das Raumprogramm auf, um ihn schraubt sich über die ganze Gebäudehöhe ein Erschließungsraum nach oben: Helixtreppe nennen ihn die Architekten.

Nach außen bilden Holzlamellen einen beschattenden und durchlässigen Filter zur Umgebung. Kontrastierend zum weichen hölzernen Kleid wirken die drei Gebäudeeinschnitte mit akkurat gekanteten Gewänden würdevoll streng. Das breiteste markiert den Eingang am Vorplatz, ein Portal führt vom Park in das Café im Erdgeschoß, und das dritte dient als Fenster zum angrenzenden Indoorspielplatz, den der polnische Architekt und Künstler Jakub Szczęsny als vielseitigen Raum, der erobert werden will, gestaltet hat.

Der nach oben zu schmäler werdende Treppenraum erfüllt den Anspruch, „Möglichkeitsräume“ bereitzustellen, zweimal weitet sich die Zone zwischen innen und außen zu zweigeschoßigen Loggien. „Etwas zum Klettern“ wollten die Kinder. Mit diesem Wunsch konfrontiert, entdeckte Mona Jas die Arbeiten der Japanerin Toshiko Horiuchi MacAdam. Die Kinder waren begeistert, und mit ihrem Votum im Rücken kontaktierte Mona Jas die Künstlerin, die für einen der Bereiche ein riesiges buntes Kletternetz häkelte, „das gut erklärt, wofür das Kinderkunstlabor steht“: höchste künstlerische Qualität und immersive Erfahrung. Treppenkonzerte sind geplant, und auch sonst kann sich hier noch vieles entwickeln.

Gefühl des Willkommenseins

Der große Ausstellungsbereich im ersten Stock wird mit einer Ausstellung der gern mit sozialen Interaktionen arbeitenden brasilianischen Künstlerin Rivane Neuenschwander nach den Sommerferien richtig in Betrieb gehen. Im Stock darüber gibt es einen Begrüßungsraum, in dem sich die Kinder sammeln können, bevor sie in den Laboren aktiv werden. Ein Highlight im obersten Stock ist die mit einem runden Oberlicht ausgestattete Kinderbücherei. Ein Gefühl des Willkommenseins ist spürbar, das Materialkonzept macht das Gebäude nahbar. „Die Kinder sollen erkennen, wie das Haus gebaut ist“, erklärt Michael Salvi. Holz und Beton sind sichtbar, ebenso die Leitungsführungen. Metalloberflächen, die berührt werden, etwa die Handläufe, erhielten einen blassgrünen Anstrich. Robuste Basisstrukturen wurden gepaart mit feinen Tischlerarbeiten in Birke.

Manches Kind hätte den Eltern gern den Zutritt verwehrt, das Kinderkunstlabor ist jedoch ein Ort für alle, selbst für kinderlose Erwachsene. „Andere Institutionen beschäftigen sich damit, wie sie ihre Inhalte auch Kindern vermitteln können – wir befassten uns damit, was wir Erwachsenen anbieten können“, erklärt Mona Jas. Die Senior:innen aus dem benachbarten Betreuten Wohnen hat sie schon eingeladen.

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