Die Geschichte moderner Architektur lässt sich als permanenter Prozess des Ausschließens von Weiblichkeit lesen. Bis zur Jahrhundertwende waren Frauen aus nahezu allen öffentlichen Räumen ausgeschlossen und in das Innere der Wohnungen verbannt. Am Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Wohnungen systematisch von allen weiblichen Attributen geleert, was aber wenig an den Rollenzuteilungen änderte. Noch längere Zeit wurde Weiblichkeit als das dargestellt und verherrlicht, was geschützt, bewahrt, isoliert oder inszeniert werden musste – zwischen Jungfräulichkeit, Häuslichkeit, Hysterie oder Vermännlichung.

Leere Räume untersucht die Zusammenhänge zwischen der Architektur des privaten Wohnens und dem jeweiligen idealen Bild des Weiblichen. Sabine Pollak bedient sich dabei verschiedener Texte von Walter Benjamin, Sigmund Freud und Hermann Muthesius; anhand früher Texte und Bauten von Adolf Loos, Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe ergründet sie das Zusammenspiel zwischen dem Bild idealisierten Wohnens und dem Bild idealisierter Weiblichkeit.

Gegenstand der Untersuchung ist das private Wohnen der Jahrhundertwende in Europa, die künstlerischen Strategien des Surrealismus der 1920er Jahre sowie das Wohnen der späten Moderne nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA, wohin die meisten Architekten der Weimarer Republik ausgewandert sind. Eine Geschichte der «Befreiung« des privaten Wohnens zeigt schließlich, dass der Prozess der Raumleerung nicht zwingend mit der Aufhebung traditioneller Geschlechterrollen verbunden war. Eine rhetorische Öffnung des Wohnens sollte Frauen vordergründig zufriedenstellen, um tatsächliche Forderungen einer Teilnahme an männlichen Privilegien zu unterbinden.

ISBN
3 85449 220 0
Sprache
deutsch
Publikationsdatum
2004
Umfang
188 S.,

Presseschau
02. April 2005Ute Woltron
Der Standard

Frauenräume

Sabine Pollaks erwähntes Buch Leere Räume ist eine rechercheintensive Abhandlung über die Rollenzuteilung der Frauen bis in die 50er-Jahre: „Die Geschichte...

Sabine Pollaks erwähntes Buch Leere Räume ist eine rechercheintensive Abhandlung über die Rollenzuteilung der Frauen bis in die 50er-Jahre: „Die Geschichte moderner Architektur lässt sich als permanenter Prozess des Ausschließens von Weiblichkeit lesen. Bis zur Jahrhundertwende waren Frauen aus nahezu allen öffentlichen Räumen ausgeschlossen und in das Innere der Wohnungen verbannt.“

Auch in der Klassischen Moderne stand der „homme type“ (Le Corbusier) im Zentrum architektonischer Betrachtungen. Und als Mies van der Rohe 1951 für eine Frau, nämlich Edith Farnsworth, das berühmte, gläserne Wochenendhaus bei Chicago plante, kam es zu ideologischen Zerwürfnissen aller Art. Die Auftraggeberin zerkriegte sich mit dem Architekten, sie selbst hatte als allein stehende, selbständige Frau mit allen Konventionen gebrochen, und das Haus wurde in prominenten Medien als „Bedrohung des kommenden Amerika“ bezeichnet.

Wer genau schauen will, kann in der Architektur lesen wie in präzisen zeit- und sozialgeschichtlichen Abhandlungen. Alles ist aufgeschrieben, in Beton, Ziegel, Holz, Glas, Stahl, Luft, Licht, Farbe.

Der Standard, Sa., 2005.04.02

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