«Erinnern Sie sich an das Haus, in dem Sie aufgewachsen sind?» «In welchem Raum fühlen Sie sich wohl?» «Wie machen Sie das genau?» Der Schweizer Architekt Peter Zumthor führte 17 ausführliche Gespräche, die uns eintauchen lassen in die Gedankenwelt und Arbeitspraxis faszinierender Persönlichkeiten. Ein grosser Teil der Gespräche fand im Rahmen der Ausstellung Dear to Me statt, die Zumthor im Sommer 2017 zum 20-jährigen Jubiläum des von ihm erbauten Kunsthaus Bregenz konzipierte. Er lud Philosophen, Kuratorinnen, Historiker, Komponistinnen, Autoren, Fotografinnen, aber auch einen Sammler und einen Zimmermann dazu ein, persönlich zur Ausstellung beizutragen. Diese sehr spezielle Publikation mit 18 Heften im Schmuckschuber trägt die ernsthaften und zugleich auch heiteren Gespräche zusammen.

Peter Zumthor erkundet darin mit seinen Gegenübern eigene und andere künstlerische Vorlieben und Praktiken, Denkprozesse genauso wie handwerkliches Erfahrungswissen. Er fragt hartnäckig nach, bleibt aber immer charmant und liebevoll, nimmt seine Gesprächspartnerinnen und -partner sachte und doch bestimmt mit auf eine gemeinsame Reise. Das 18. Heft dokumentiert die von Zumthor gestaltete Ausstellung Dear to Me in Text und Fotografien.


Gespräche mit Anita Albus, Aleida Assmann, Marcel Beyer, Hélène Binet, Hannes Böhringer, Renate Breuss, Claudia Comte, Bice Curiger, Esther Kinsky, Ralf Konersmann, Walter Lietha, Olga Neuwirth, Rebecca Saunders, Karl Schlögel, Martin Seel, Rudolf Walli und Wim Wenders.

Peter Zumthor entwickelt mit rund 30 Mitarbeitenden in seinem Atelier in Haldenstein architektonische Originale wie das Kunsthaus Bregenz, die Therme Vals, das Museum Kolumba in Köln oder das Steilneset-Denkmal in Vardø. 2009 wurde er mit dem Pritzker Architecture Prize ausgezeichnet.

ISBN
978-3-03942-009-4
Sprache
Deutsch
Publikationsdatum
2021
Umfang
18 Hefte in Schuber, total 456 Seiten, 9 farbige Abbildungen
Format
Schuber, 12.5 x 21 cm

Presseschau
13. Dezember 2021Martina Pfeifer Steiner
newroom

Was Peter Zumthor lieb und wertvoll ist

Das ist wieder typisch Zumthor. Er stellt eine schwarze, edle Kiste hin, wohlproportioniert, die Öffnung zur Seite gefüllt mit einer beweglichen, minimal...

Das ist wieder typisch Zumthor. Er stellt eine schwarze, edle Kiste hin, wohlproportioniert, die Öffnung zur Seite gefüllt mit einer beweglichen, minimal auskragenden Lamellenstruktur. Ehrfürchtig nimmt man die wertige Black-Box in die Hand, zieht die hochformatigen, schmalen Heftchen heraus, 18 sind es – und pragmatisch einfach geklammerte, wie Programmprospekte eines Museums.

„Ein Fest im Kunsthaus Bregenz“ wurde im September 2017 für vier Monate ausgerufen und der große Architekt bespielte sein Haus von oben bis unten mit der Ausstellung „Dear to me“, begleitet von 150 Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerten und – eben – Gesprächen mit Künstlerinnen, Künstlern, Kulturschaffenden seiner Wahl, die nun als transkribierte Texte in den dünnen Heftchen vorliegen. Man möchte mit der fantastisch poetischen Installation „Lungenkraut“ und den zarten Pflanzen, die im obersten Stockwerk schwebten und durch Licht mit grafischen Schatten zusätzliche Dimensionen eröffneten, beginnen, sollte sich jedoch bezüglich Buchwerk in den zweiten Stock begeben, wo in einem Buchregal-Labyrinth 40.000 Bücher Zwischenstation im Kunsthaus machten.

Der Buchhändler Walter Lietha war nämlich einer der Gesprächspartner:innen. Ein Glücksfall ermöglichte diese logistische Mammutaktion, denn das „Antiquariat Narrenschiff“ des großen Sammlers übersiedelte just zu dieser Zeit von Chur nach Trin. An diesem Abend wurde tief philosophiert. „Am Anfang stehen die heiligen Schriften des Hinduismus, die Veden, als Sammlung von Weisheiten in Schriftform. Sie sind das Älteste, das die Menschheit kennt, und vielleicht überhaupt das Beste“, sagt Lietha.

Im ersten Geschoß füllte die Musikinstallation von Olga Neuwirth den Raum – zentral mit der filigranen Skulptur, bei der die Besucher:innen die Kurbel der kleinen Spieluhr drehen durften und damit den aufgespannten sechzehn Meter langen Lochstreifen sichtbar zum Klingen brachten. In klassischer Hängung vervollkommnete das fotografische Essay von Hélène Binet die Stimmung, das die berühmte Pflasterung des Weges auf die Akropolis in Athen aus den Fünfzigerjahren von Landschaftsarchitekten Dimitris Pikionis (1887–1968) abbildet. Auch die Gespräche mit diesen beiden interessanten Frauen sind nachzulesen.

Im Erdgeschoss wurde das Kunsthaus zur Bühne – ein mittiges großes Podest und rundherum eigens entworfene Fauteuils und Polstersessel. Die siebzehn Gespräche fanden hier statt. Als Wim Wenders zu Gast war, wollte man damals schon am liebsten mitschreiben, als er erzählte was beim Entstehen des Films „Der Himmel über Berlin“ den liebevollen Blick der Kamera ausmachte. Wie wertvoll, dass diese denkwürdigen Ereignisse im Kunsthaus Bregenz nun nachhaltig nachlesbar sind.

newroom, Mo., 2021.12.13

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