Die Geschichte der Interpretationen zu Adolf Loos zeigt, dass jede Epoche versucht, sich seinen Schriften und Bauten von aktuellen Interessen aus anzunähern. Um der Reihe der Interpretationen mehr als nur eine weitere Variante hinzuzufügen, muss die Frage nach der Beziehung zwischen Geschriebenem und Gebautem gestellt werden, müssen neben den Texten auch die Bauten selbst, Räume, Oberflächen und Details betrachtet werden.
Dieser Analyse des architekturtheoretischen Programms im Kontext des gebauten Werks widmet sich die mit aktuellen Aufnahmen reich bebilderte Publikation. Sie beleuchtet die gesellschaftliche Rolle des Architekten, den architektonischen Raum, das Loos’sche «Prinzip der Bekleidung», Loos' Verhältnis zur klassischen Tradition und zum Jugendstil und deckt dabei auf, dass der meistens als Moralist und Asket dargestellte Loos gegen seine eigenen Gesetze, gegen den Geist seiner vielzitierten Bonmots verstossen hat. Nicht das Ornament war sein Hauptfeind; die ganze Ornament-Diskussion erscheint eher als ein Nebenschauplatz seines Kriegs gegen eine veraltete Idee des Schönen in der Architektur – und für eine zeitgemässe Norm des Geschmacks.
Loos hat seine Forderung nach einer modernen architektonischen Kultur gerne mit psychologischen und anthropologischen Argumenten unterstützt. Ästhetik hatte für ihn nichts mehr mit dem Kunst-Schönen, sondern mit Formen der sinnlichen Erfahrung zu tun. Heute, wo Kunst, Architektur und Design zusammen als Lebensstil verpackt angeboten werden, erhält die Architektur von Adolf Loos eine neue Aktualität.