Editorial

Fußböden sind überall, sind alle Oberflächen, auf denen wir uns zu Fuß bewegen, alle Untergründe, die wir betreten. Die Wörter „Oberflächen“ und „Untergründe“ umfassen die ganze Bedeutung des Bodens, indem sie ein und dasselbe Phänomen aus entgegengesetzten Blickwinkeln benennen: die Schnittstelle zwischen oben und unten, zwischen Mensch und Erde, zwischen Flächigkeit und Tiefe. Fußböden sind mehr als eine notwendige Deckschicht, sie sind die Oberflächen, zu denen wir am meisten Kontakt haben, die alle unsere Sinne ansprechen. Wir sehen sie, hören sie, fühlen sie, riechen sie, besonders wenn sie aus Holz sind. Kein anderes Material beinhaltet dieselbe Vielfalt wie dieses, keines ist so gut dazu geeignet, Wohlbefinden hervorzurufen. Zur individuellen Optik, zum angenehmen Geruch, zur weichen, warmen Haptik, zum vertrauten Klang kommen Vorteile, die uns kaum bewusst sind, die wir aber trotzdem spüren: Holzböden sind wärmedämmend, hygienisch, elastisch, antistatisch, schadstoffabsorbierend, robust und schaffen eine gute Raumakustik.

Fußböden aus Holz. Wir haben uns beschränkt und manche Aspekte nicht oder nur am Rande behandelt. Wichtig erschien uns aber, das Thema aus phäno-menologischer Sicht zu betrachten und anhand von Beispielen zu zeigen, unter wie vielen Aspekten Holzfußböden eingesetzt und wahrgenommen werden können: Wolfgang Feyferlik erzählt über seine Erfahrungen mit den Böden, die er im Geistlichen Haus in Mariazell einbauen ließ. Unter dem Aspekt des Riechens beschreibt Renate Breuß die Böden der Volksschule in Doren von cukrowicz.nachbaur. Zuletzt legt Gabriele Reiterer einen Schwerpunkt auf das Hören und berichtet vom Klangforum in Wien von lichtblau.wagner. Zwei Anwendungen im Außenbereich leiten vom Objekt zum Typologie und Produktteil über. An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich bei den Firmen Bawart, Kaindl Flooring, Mitteramskogler, Stia, Weitzer Parkett und WIHO, die uns für Gespräche zur Verfügung standen.

Böden bereinigen, wie Wolfgang Pauser schreibt, das problematische Verhältnis zwischen Mensch und Erde. Holzfußböden umso mehr, als sie zwischen Natur und Kultur vermitteln. Wir stimmen dem zu und sind überzeugt, dass Fußböden aus Holz nicht nur vielseitig und schön sind, sondern auch Emotionen in uns ansprechen, die über das Praktisch-Ästhetische hinausgehen.

Zum Abschluss sei noch ein Satz von Peter Zumthor zitiert, der vieles relativiert und zugleich vieles erklärt, das uns am Herzen liegt:
„Der Sinn, den es im Stofflichen zu stiften gilt, liegt jenseits kompositorischer Regeln, und auch die Fühlbarkeit, der Geruch und der akustische Ausdruck der Materialien sind lediglich Elemente der Sprache, in der wir sprechen müssen.“
Aus: Peter Zumthor, Architektur denken, Birkhäuser Verlag, Basel–Boston–Berlin 1999. (Eva Guttmann)

Inhalt

Editorial | Eva Guttmann
Resumée | Anton Kaufmann
Essay - Leben auf gutem Grund | Wolfgang Pauser

Anwendung
Auf heiligem Boden - Geistliches Haus in Mariazell
Eine Schule des Geruchs - Volksschule in Doren | Renate Breuß
Die Kunst der Fuge - Zum Klangforum Wien | Gabriele Reiterer
Boden am Boden - Neugestaltung Piazza Cavour, Vercelli (I)
Boden am Dach - Maritime Youth House, Sundby Havn, Kopenhagen (DK)

Materialkunde / Hersteller-Info´s
Meterware | Holzroste zur Außenraumbefestigung
Hitze für’s Holz | Fußböden aus Thermoholz
Echt unecht | Laminatböden
Plattenboden aus Birkensperrholz
Stark und leise | Stöcklpflaster

Service
Nützliche Links und Adressen zum Thema

Eine Schule des Geruchs

Kurz vor den Ferien besuche ich die neue Volksschule, wo das erste Schuljahr dem Ende zugeht. Ich suche nach dem Direktor und Lehrer Bernd Dragosits, er unterrichtet in der vierten Klasse im 3. Stock. Im vorgelagerten Gang stoße ich auf zwei Schüler, sie liegen mit Heften und Büchern am Boden, die Tür zur Klasse ist offen, die „coolen Schulbänke“ sind leer, die Kinder hocken samt Lehrer – auf dem Boden. Ich setze mich dazu und wir reden über die neue und die alte Schule, was von den Kindern erinnert und erlebt wird. Mit dem Hintergedanken: die Räume als ein die Sinne stimulierendes Lebensmedium zu betrachten, der herrschenden Indifferenz gegenüber dem Geruchssinn in der Architektur nachzuspüren – aus einer Perspektive von unten.

Architektur wird primär visuell wahrgenommen, der Geruchssinn rangiert hier wie in anderen Lebensbereichen an untergeordneter, wenn nicht an letzter Stelle. Die Architekturzeitschriften sind voll mit Bildern – Bildern von Gebäuden und Bildern von leeren Räumen. Die tagtäglich gemachten Erfahrungen der an diesen Orten lebenden Menschen, das Durchqueren der Räume, der Nachklang ihrer Stimmen, die Berührung von Oberflächen mit Händen und Füßen, das über Wände und Böden einfließende olfaktorische Wohlbehagen oder Unbehagen – all dies ist in der visuellen Darstellung gelöscht. Und was wir nicht sehen, das kennen wir mit der Zeit nicht mehr. Daraus resultiert ein neuer Drang nach Nähe, nach Berühren, Schmecken, Riechen als Äußerung eines existenziellen Reflexes auf die Verausgabung aller Lebensbereiche an das Sehen.

Die SchülerInnen erzählen von der abgerissenen alten Schule, wo schon die Großmutter lernte. Dort habe es hart und streng gerochen, „müchtelig“. Die Eingangstüre war grün, es gab Katzen, Wespennester, Mäuse und Igel, ein Foto vom Bundespräsidenten, es war sehr heiß, eng und laut. Um am Boden zu sitzen, brauchten sie dort Kissen, da der Boden kalt war. Die neue Schule ist schön, gut, holzig, warm, hat keine Farben, coole Bänke, viel Platz. Tintenflecken sind zu vermeiden, aber keine Katastrophe. Im Eingang riecht es irgendwie nach Benzin, im Klo stinkt es, heroben in den Klassen riecht es ganz anders, eigentlich gar nicht, eben gut, sehr gut riecht es im Werkraum, wenn mit Holz gearbeitet wird.

Die präzise Bezeichnung von Gerüchen, das Beschreiben von lebendigen Merkmalen von Räumen fällt nicht nur den Kindern schwer. Geruch wird in der Regel extrem erfahren, abstoßend oder wohlriechend angenehm. Bewertet werden primär die auffälligen Gerüche, mit geruchlos meint man auch, dass es nicht schlecht riecht. Die Sprache ist im Vergleich zur Vielfalt der geruchlich wahrgenommenen Welt sehr arm. Gearbeitet wird mit Analogien, hergeleitet von Empfindungen und Erinnerungen, die der Geruchsreiz hervorruft. Die Beschreibungen der Kinder bestätigen diese Theorie. Sie nehmen in ihrer Schule unterschiedliche Geruchswelten wahr, können sie aber schwer beschreiben. Herauszuhören ist der auffallende, andere Geruch im Eingangsbereich, wo ein versiegelter, chemisch behandelter Betonestrich eine benzinartige, antiseptische, mit öffentlichen Räumen gleichgesetzte Kälte verbreitet. Alle Böden und Wände in den Klassen und Korridoren sind aus unbehandelter Weißtanne und riechen angenehm, diese Räume werden als freundliche Orte wahrgenommen. Ich erlebe sie in einer wohltuenden Frische, es herrscht eine gute Luft. Der Direktor beobachtet die gesteigerte Konzentrationsfähigkeit von Lehrern und Kindern.

Gerüch(t)e um das Holz
Wenn es um das Beschreiben von Holzgerüchen geht, haben auch Tischler und Zimmerer Mühe. Sie alle erkennen ihre frischen Hölzer blind, nämlich am Geruch, sind aber kaum in der Lage, diesen präzise zu beschreiben. Auch die einschlägigen Holzlexika geben nur in auffallenden Beispielen – den würzigen Bauund Edelhölzern aus südlicheren Breitenlagen – Hinweise. Ein Grundwortschatz oder ein Geruchskatalog von Hölzern mit einem eigenen Vokabular, wie er für Wein in den „Degustations de vin“ vorliegt, ist mir nicht bekannt. Als es noch nicht für alle Holzarten einen eigenen Namen gab, war die genauere Beschreibung von ästhetischen Eigenschaften verbreitete Praxis. Dieses schriftlich kaum festgehaltene Wissen über Hölzer zu dokumentieren, könnte nicht nur die Heranbildung eines olfaktorischen Bewusstseins fördern, sondern auch die Lust an der Beschreibung der subjektiven Wahrnehmungen.

Am Beispiel Doren sei der Weg einer Weißtanne (abies alba) vom Waldboden bis zum Schulboden nachgezeichnet. Die Weißtanne wächst bevorzugt auf den Flysch und Molasseböden des Bregenzerwaldes, wo sie als Tiefwurzler stabilisierend auf den Nährboden des Waldes wirkt. Standort und Bodenbeschaffenheit, Schlägerung und Lagerung beeinflussen die Qualität eines Holzes stark. Nicht nur das Farb und Strukturbild, auch der Geruch eines Stammes gilt als Indikator für das Wuchsgebiet. Die Weißtanne vom Pfänderstock (Molasse) sei dezidiert von gutem, gesundem Geruch. Eine in frischem Zustand säuerlich bis stechend riechende Tanne, im Suchen nach Vergleichen wird auch Katzenurin genannt, lasse auf schlechte Standorte schließen. Die ganz feinen Nasen können demnach – ähnlich dem wahren Weinkenner – aus dem Geruch des frischen Holzes auch auf dessen Herkunft schließen. In trockenem Zustand verflüchtigen sich die Gerüche des nassen Holzes. Im Vergleich mit den Tannendüften, die in Form ätherischer Öle (gewonnen aus Nadeln und Zapfen) einem Raum zugeführt werden, ist die Geruchsqualität in den Schulräumen von Doren nicht inszeniert, die geschaffene Atmosphäre von „normaler“, unaufdringlicher Natur. Mitgetragen wird diese Ausstrahlung von der seidenen, völlig glatten Oberfläche des sägerauen Bodens. Für die in Nut und Kamm verlegten Riemen wurde die beste Sortierung verwendet, ausschließlich Bretter in der Einschnittart Rift und Halbrift. Die Riftbretter haben gerade oder stehende Jahresringe (90 Grad), bei den Halbriftbrettern darf die Neigung der Jahresringe 45 Grad nicht überschreiten. Wie mir der Zimmerer Artur Österle erklärt, sind diese mit der feinen Bandsäge gesägten Bretter strapazierfähiger und stellen keine Sprießen auf. Das Barfußgehen ist auf dem graubläulich schimmernden Boden eine Wohltat, Verletzungen sind ausgeschlossen.

Einem aufwändigen Verarbeitungsprozess, wo in mehreren Arbeitsgängen das Holz durch Trocknen immer wieder ruhig gestellt wird, verdankt der Fußboden seine stabile Form ohne Fugen und Spalten. Zur Pflege der Holzböden sagt der Schuldiener und Landwirt Johann Gieselbrecht: „Etwas Praktischeres gibt es nicht. Einmal in der Woche saugen, zweimal im Jahr mit Wasser reinigen. Und das Holz riecht immer wieder neu.“ Davon ist mittlerweile auch der Amtsarzt beeindruckt, denn die Verwendung von unbehandeltem Holz war von den Architekten gegenüber der Behörde erst einmal durchzusetzen. Nicht zuletzt unter glaubwürdigem Beistand historischer Zeugen, denn im Bregenzerwald sind auch die Kirchen (Doren, Hittisau, Schwarzenberg) mit weißtannenen Böden ausgestattet.

Die Abkehr von rein hygienischen Vorstellungen ist ein Mittel, die Indifferenz gegenüber dem Geruchssinn in architektonischen Räumen zu überwinden, eine verbesserte Kenntnis der „olfaktorischen Praktiken“ der Vergangenheit ein anderes. Gerüche vermitteln emotionale Bedeutungen von Erlebnissen und geben Hinweise auf frühere Situationen und Ereignisse. Über die Gerüche die Erinnerungen an die Schulzeit besser zu verankern, damit können die Architekten im wahrsten Sinne des Wortes Schule machen.

zuschnitt, Mi., 2004.09.15

15. September 2004 Renate Breuß



verknüpfte Bauwerke
Volksschule

Die Kunst der Fuge

Wenn Geräusche in unsere Ohren dringen, geschieht naturwissenschaftlich mechanistisch betrachtet folgendes: Eine Schallquelle sendet Energieimpulse an Moleküle – genau genommen Luftmoleküle –, die sie an unser Trommelfell weiterleiten. Die Ohrmuscheln verstärken bestimmte Frequenzen. Sobald der Ton am Ende des Gehörkanals auf das Trommelfell trifft, werden die Druckwellen in mechanische Bewegungen übertragen und laufen über das Mittelohr zu den Gehörknöchelchen. In welcher Qualität die jeweiligen Schallquellen ihr Ziel erreichen, ist eine Frage der Akustik. Sie ist ein Thema, das sehr weit zurückverfolgt werden kann. Die Akustik gehört zu den ältesten Zweigen der Physik und entwickelte sich vermutlich aus musikalischen Untersuchungen, die Pythagoras vor über 2500 Jahren betrieb. Sobald Menschen zusammenkamen, um Musik, Theater oder Vorträge zu hören, musste räumlich die Akustik bedacht sein. Vitruv berichtet von großen Vasen, die innerhalb der Sitzreihen der Amphitheater aufgestellt wurden, um bestimmte Klänge zu verstärken. Die Masken der Schauspieler hatten in diesem Zusammenhang eine sehr bedeutende Funktion. Sie dienten als eine Art Megaphon und sorgten für eine effektive Anpassung der Stimme an den umgebenden Raum. Die Maske verstärkte zwar nicht die Stimme, erhöhte aber die Schallabstrahlung. Seit dem 19. Jahrhundert ist die Akustik zu einer wissenschaftlichen Disziplin avanciert. Damals wurde vor allem der Versuch unternommen, die Erforschung der Sinneswahrnehmungen auf eine empirische Basis zu stellen. Eine neue Körperkonzeption bestimmte diese Absicht. Es war jene Zeit, in der die Naturwissenschaft mit dem Anspruch der Messbarkeit das Phänomen der Wahrnehmung untersuchen und wissenschaftlich begründen wollte. Die Folge war eine intensive Auseinandersetzung mit sinnesphysiologischen Themen. Auch die Architektur zeigte sich von diesem Paradigmenwechsel beeinflusst.

Die Raumakustik ist ein wesentliches Moment der Raumerfahrung und damit der Architektur, oder sollte es zumindest sein. Trotzdem ist die bewusste Auseinandersetzung mit der Dimension der Raumakustik ein stark vernachlässigtes Thema. Das Erzeugen guter Raumakustik hat mit Planung und sehr viel mit Intuition zu tun. Es gibt wunderbare Beispiele gebauter Räume für Musik, die technisch nicht unbedingt bis ins letzte Detail begründbar sind. Die magische Welt der Klänge braucht ein sensibles elastisches Gefäß für die Töne, das einmal sich öffnen, dehnen und dann gleichzeitig ein fein austarierter Träger der Schwingungen sein soll.

Diehlgasse, fünfter Wiener Gemeindebezirk
Hier ist die Stadt rau und brüchig. Es ist keine schöne, im ästhetischen Sinne ansprechende Gegend. Und doch ist es ein ungemein reizvoller Teil der Stadt, der in seiner Heterogenität Charme besitzt.

Hier hat ein Bau aus den sechziger Jahren eine weitgehende Entkernung, Umgestaltung und außergewöhnliche Neunutzung erfahren. Die Architekten lichtblau.wagner haben ein Projekt umgesetzt, in dem der Aspekt der Sinne im Vordergrund steht. Ein unspektakulärer, aber bei näherem Blick sehr solide geplanter Gewerbebau diente ursprünglich als Verwaltungs und Produktionsstätte einer Stahlfirma, die hier eine Verzinkerei betrieb. Danach wurden in den Räumlichkeiten Nähmaschinen repariert. Das viergeschossige Haus verfügt über eine geräumige Halle mit Oberlicht, die, hofseitig gelegen, als ehemaliger Produktionsraum diente. Genau dieser Raum sollte zum zentralen Ort der künftigen Nutzer werden und sich zu einem Zentrum der Musik entwickeln. Das Klangforum Wien, ein in den 1980er Jahren gegründetes Orchester mit Schwerpunkt auf Stücken der Moderne, war von der alten Halle auf Anhieb begeistert. Dieser Eindruck führte schließlich zur Entscheidung, einen Großteil des Hauses sowohl als Verwaltungszentrale also auch als Produktionsstätte zu nutzen. Die „Produkte“, die in diesen Räumen erzeugt werden, sind im Unterschied zu den Vornutzern rein immaterieller Natur: Es sind Töne und Klänge. Deshalb war beim Umbau des Hauses die Halle der sensibelste Planungsteil. Die ehemalige Werkstätte sollte zum idealen Probe und Aufnahmeraum für das Klangforum umgewandelt werden und eine optimale Akustik erhalten.

lichtblau.wagner haben mit der Halle aus verschiedenen Gründen eine schwierige Situation vorgefunden. Das tonnenförmige Gewölbe mit Oberlichten besitzt zwar eine hohe ästhetische Qualität und gute Lichtverhältnisse, erwies sich jedoch im Sinne der Raumakustik als mittleres Desaster. Gute akustische Ergebnisse haben vor allem mit Oberflächen und Strukturen zu tun, d.h. ein Gewölbe muss in jedem Falle „gebrochen“ werden. Deshalb wurde die Hallenkonstruktion unsichtbar verändert. Die Bogenträger wurden seitlich verstärkt, die Oberlichten mit neuen Schallschutzfenstern versehen.

Der neue Fußboden ist auf den ersten Blick eher unauffällig. Nichts lässt auf seine wichtige und besondere Funktion schließen. Mit nackten Füßen eröffnet sich ein subtiles sinnliches Erlebnis. Weich, sanft, wie ein schmeichelnder und doch elastischer Untergrund schwingt, kaum merkbar, der gesamte Boden. Über die Fußsohlen läuft eine vibrierende, feine Spannung durch den gesamten Körper. Der Boden ist aus weichem Fichtenholz. Ideal wäre eigentlich Tanne – Rigatanne – gewesen, meint Andreas Lichtblau. Aus diesem Holz werden Geigen gebaut. Es ist die Dichte und Regelmäßigkeit des Holzes, auf die es ankommt. Unter dem neuen Boden befindet sich der alte Asphaltbelag. Über die Wärmedämmung, Fußbodenheizung und das Luftvolumen wurde der Holzschwingboden als einfacher Schiffboden verlegt. Das Luftvolumen in Kombination mit dem Material Holz fungiert als Klangkörper. Die eigentliche Kunst liegt aber in der Fuge. Eine breite umlaufende Fuge hält an allen vier Seiten einen Abstand des Bodens zur Mauer. Diese bedämpften Randbereiche absorbieren die Tiefentöne. Das Holz ist geölt, gewachst und dadurch idealerweise offenporig.

Die Akustik ist ein wiederkehrendes Thema von lichtblau.wagner. Bereits im Sonntagsmessraum des Pfarrzentrums Podersdorf (1999 – 2002), das ebenso wie die Räume für das Klangforum Wien in Zusammenarbeit mit Akustikern entstand, wurden Grenzen ausgelotet. In Podersdorf verabschiedeten sich die Spezialisten bereits in der Planungsphase, weil sie an das Ergebnis nicht glauben konnten. Die Kirche wurde ein voller Erfolg. Obwohl einige Mitglieder der Gemeinde ästhetische Vorbehalte bezüglich des Erscheinungsbildes äußerten, gibt es in einem Punkt vollkommene Einigkeit. Es ist die unvergleichliche Akustik des Raumes. Auf subtile Weise verstärkt sie den Gemeinschaftssinn und lässt mit dem gemeinsamen Gesang ein verbindendes Moment entstehen.

In der Diehlgasse ermöglichte nicht zuletzt die persönliche Beziehung von lichtblau.wagner zum Bauherrn und Besitzer das feine und in vieler Hinsicht sehr bereichernde Nutzungskonzept. Übrigens – im Erdgeschoss wird ein Lokal eröffnen und diesen Teil der Stadt, diesen urbanen Mikrokosmos, um eine weitere sinnliche Nuance verfeinern.

zuschnitt, Mi., 2004.09.15

15. September 2004 Gabriele Reiterer



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klangforum wien

Auf heiligem Boden

Im Jahr 2007 wird der 850. Jahrestag der Gründung der Wallfahrtskirche Mariazell gefeiert. Die letzte Generalsanierung von Basilika und Geistlichem Haus hatte in den 1950er Jahren stattgefunden, seit 1992 wird, auch im Zusammenhang mit einer internen organisatorischen Umstrukturierung, wieder renoviert und revitalisiert. Die beteiligten Planer wechselten, Wolfgang Feyferlik war allerdings von Anfang an dabei und hat im Laufe dieser Zeit unter anderem viele hundert Quadratmeter an Böden einbauen lassen.

Daraus entstand ein Prozess des Lernens und Anwendens, der durch die lange – nach wie vor andauernde – Bauzeit, erfahrene Partner und einzigartige Voraussetzungen unterstützt, grundsätzlich jedoch durch wachsendes Interesse und eine kontinuierliche, sorgfältige Auseinandersetzung mit der Thematik ermöglicht wurde. Für Zuschnitt rekapituliert Wolfgang Feyferlik seine persönliche Entwicklungsgeschichte im Umgang mit Holzfußböden.

1993 ⁄ Aussprachezimmer
Mit dem Umbau wurde im Geistlichen Haus begonnen, das insgesamt ca. 5000 m² groß ist und an die vierzig Räume hat. Alle Böden, die wir vorgefunden haben, waren aus versiegeltem Buchenstabparkett oder Kunststoff und in den fünfziger Jahren auf die alten Dielen aufgenagelt worden. Der erste Raum, in dem wir einen neuen Fußboden verlegen ließen, war das Aussprachezimmer, ein Zimmer, in dem Beichtgespräche geführt werden. Der vorhandene Boden war sehr dunkel und wir dachten, er sollte auf jeden Fall heller, freundlicher sein. Wir haben uns daher für einen Vollholzstabparkettboden aus Ulme entschieden, der in Streifen, mit abwechselnd längs und quergelegten Elementen, verlegt wurde. Die Oberfläche wurde auf herkömmliche Art versiegelt. Der Fußboden liegt jetzt wie ein Teppich im Zimmer, es gibt einen breiten, gekiesten Abstand zu allen Wänden. Das war uns damals wichtig. Über die Möglichkeiten, die man durch spezielle Oberflächenbehandlungen hat und dass man die Wirkung einer Bodenfläche nicht nur über Holz und Verlegeart bestimmt, haben wir uns damals noch nicht so viele Gedanken gemacht, das kam erst später.

1993–94 ⁄ Sakristei
In der Sakristei ließen wir dann zum ersten Mal das St. Lambrechter Muster neu verlegen, das hier ursprünglich eingesetzt worden war. St.Lambrecht ist das Mutterstift von Mariazell und von dort kamen diese Kombinationen aus Lärche und Fichte; in den Zimmern etwa als Kreuz aus vier Lärchenholzriemen, deren zugespitzte Enden sich in der Raummitte in einem Punkt treffen, mit Flächen aus Fichtenholz in den Feldern. Das bewirkt auch, dass der Boden in großen Räumen geviertelt wird und nicht über die ganze Fläche arbeitet. Die Podeste vor den Schränken der Sakristei waren kaputt und hier wurden die ersten Böden unbehandelt verlegt, als gehobelte Nut-Feder-Bretter, die nur mit Seifenwasser abgewaschen werden. Wir wollten, dass sich die Benutzung abzeichnet, dass das Holz eine Patina bekommt. Holz ist ein Baustoff, der natürlich altert und ein Art von Schönheit bekommt, die andere Materialien nicht haben. Eine Oberflächenbehandlung mit Lack wäre daher aus unserer Sicht unsinnig gewesen. Die unbehandelten Podeste werden nun zunehmend schöner.

1996 ⁄ Gästezimmer
Damals haben wir begonnen, die bestehenden Gästezimmer im Osttrakt komplett zu renovieren. Alle diese Zimmer sind mit alten, wertvollen Möbeln ausgestattet, weshalb wir keinen hellen, unbehandelten Fichtenboden verwenden wollten, der ja eher für den Einsatz in stark genutzten, nicht so gediegenen Bereichen gedacht war. Daher haben wir uns für einen dreischichtigen Riemenboden aus Eichenholz entschieden, eine astigere Variante, nicht eine ganz glatte, homogene Sortierung, die oft so künstlich wirkt. Diese Böden wurden zum ersten Mal ganz bewusst nur geölt, was ihnen eine sehr angenehme, warme, seidige Oberfläche gibt.

1997 – 98 ⁄ Gang
In den Gangbereichen wurde ein 3,5 cm starker Fichten-Riemenboden verlegt, der – wie in der Sakristei
– ganz roh geblieben ist. Er wird seit sechs Jahren genutzt, mit einer Bürstenmaschine gereinigt und funktioniert gut. Manche Besucher wundern sich über die rohe Form und finden die Optik eines unbehandelten Bodens im Innenraum offensichtlich gewöhnungsbedürftig. Aber das ist einfach ein stark begangener Nutzboden, wie ein Gehsteig im Haus. Im Gegensatz zu früher, als die Gänge dunkle, ungemütliche Zonen waren, wirken sie jetzt extrem luftig und hell und dazu kommt noch, dass das Holz sehr gut riecht.

1999 ⁄ Bibliothek
Als nächstes wurden Lärchenholzböden in der Bibliothek eingebaut. Der Raum ist kleinteilig möbliert und daher nicht geeignet, um mit der Reinigungsmaschine aufgewaschen zu werden. Er wird händisch geputzt, weshalb die Oberfläche leicht geölt wurde. Für die Lärche sprachen zwei Gründe: Erstens hatten wir sehr schönes Lärchenholz vorrätig und zweitens ist die Bibliothek Teil einer Raumfolge, wo die alten Fichtenböden, zumindest partiell, noch gut erhalten waren. Sie wurden ausgebessert und geölt, was jedoch zur Folge hatte, dass sie farblich angefeuert wurden, also einen rötlichgelben Stich bekommen haben. Die Fichte entwickelte also eine Lärchenoptik und wir konnten mit dem Einbau der Lärchenbretter einen Farbbruch vermeiden, der visuell zu viel Unruhe in die Bibliothek gebracht hätte. Die Qualität dieser Hölzer ist so gut, dass die Bretter unprismiert, das heißt parallel zur Stammaußenseite geschnitten und jeweils gestürzt in einer Breite von bis zu 40 cm eingebaut werden konnten. Das war eine echte Weiterentwicklung gegenüber dem Aussprachezimmer, denn um solche Hölzer einzubauen, braucht man gute Handwerker und auch selbst schon viel Wissen.

2000–02 ⁄ Prälatur
Eine wirklich intensive Auseinandersetzung mit den Böden begann dann mit dem Umbau des Westtrakts. Hier gibt es eine Abfolge von vier Prunkräumen – bis zu 80 m² große, hohe, mit Wandmalereien und Stuckdecken versehene Räumlichkeiten – die so genannte Prälatur. Zuerst hatte die statische Bewertung ergeben, dass die Decken und Fußböden in Ordnung sind, später wurde festgestellt, dass zumindest eine der Decken nur mehr aus Gewohnheit hielt, womit zwei der Räume zu Totalbaustellen wurden und die vorhandenen Böden herausgerissen werden mussten. Unter dem Stabparkett kam wieder das St.Lambrechter Muster aus Fichte und Lärche zum Vorschein. Da die Räume im historischen Kontext renoviert wurden, wollten wir diese Verlegeart wieder anwenden, allerdings mit einer besonders hohen Holzqualität, die der Nutzung und den Räumen, die sehr prachtvoll sind, entspricht.

Wir haben damals mit Herrn Golds von der Tischlerei Golds zusammengearbeitet und uns entschlossen, für die Felder zwischen dem Lärchenkreuz ein spezielles Tannenholz zu verwenden. Es kommt aus der Schweiz, wo die Bäume in großen Höhen sehr langsam und daher auch sehr gerade wachsen. Bis dahin war ich der Meinung, dass Holz, das qualitätvoll eingebaut werden soll, lange gelagert werden muss und nicht künstlich getrocknet werden darf. Aber dieses Holz wurde drei Tage nach dem Einschneiden in die Trockenkammer gegeben, wo es vier Wochen lang langsam und unter ganz bestimmten Bedingungen getrocknet wurde, damit aus der Schnittware wirklich jeweils ein unprismiertes Brett gemacht werden konnte. Mehrmals täglich und auch in der Nacht, wurde die Luftfeuchtigkeit in der Trockenkammer nachreguliert, das Holz insgesamt drei Mal herausgenommen und in veränderter Reihenfolge wieder eingeschlichtet, damit keine Risse entstehen. Es hat alles wunderbar geklappt, auch der Einbau der bis zu 80 cm breiten Riemen. Damit das Tannenholz möglichst lange weiß bleibt, wurde es mit einem speziellen Öl, das ins Holz eindringt und die Restfeuchte in den Luftkammern kristallisieren lässt, und später noch mit einem anderen Öl mit UVSchutz, in das ein wenig Weißpigmente gemischt wurden, eingelassen. Zuletzt kam eine Hartwachspolitur auf die Böden, da sie teilweise stark genutzt und mit Straßenschuhen begangen werden.

In einem weiteren Raum der Prälatur war der alte Fichtenboden mit dem Lärchenriemen noch ganz gut erhalten. Den ließen wir renovieren und wieder einbauen, allerdings ohne ihn maschinell abzuschleifen. Wir wollten, dass die unregelmäßige, leicht gewellte Oberfläche erhalten bleibt und nicht alle im Lauf der Zeit entstandenen Unebenheiten verloren gehen, dass wir zumindest in einem Raum wirklich den alten Boden wiederverwenden. Das ist natürlich Luxus und geht nur ein Mal, aber wir waren von der Wirkung für den Raum überzeugt, was sich als richtig herausgestellt hat. Beim Abnehmen des Bodens wurde sehr aufgepasst, um nicht noch mehr Schäden zu produzieren. Dann wurden die Bretter händisch bzw. mit einer Handschleifmaschine einzeln behandelt. Kleinere Löcher haben sich durch das Einträufeln von Wasser geschlossen, größere wurden ausgeschliffen. Man sieht also die Verletzungen nach wie vor, sie sind aber weicher geworden. Einige wenige Bretter waren kaputt und wurden durch andere, die aus abgerissenen Böden stammten und noch einigermaßen unbeschädigt waren, ersetzt. Zuletzt wurde die Oberfläche dieses alten, dunklen Fichtenbodens geölt und mit einer leichten Wachsschicht überzogen.

2004 ⁄ Gästezimmer
Der letzte Boden ist in einem Gästezimmer direkt neben der Prälatur verlegt worden. Hier findet sich eine weitere Spielart der zwei vorhergehenden Böden: Das St. Lambrechter Muster – in Fichte mit dem Lärchenkreuz – aus gut erhaltenen Brettern der Abbruchböden. Herr und Frau Golds haben zueinander passende Riemen ausgesucht, händisch geschliffen und neu eingebaut. Man braucht sehr viel Gefühl und Vorstellungsvermögen dafür, um abschätzen zu können, welche Bretter zueinander passen, wie der Boden aussehen wird und wie sich das auf den Gesamteindruck des Raumes auswirkt. Das Ergebnis ist gut gelungen, die durch ihr Alter dunkel gewordenen Fichtenbretter wirken sehr würdig und unterstreichen die Atmosphäre des Raumes.

Diese letzten Beispiele waren der – vielleicht vorläufige – Abschluss eines Lernprozesses, in dem wir erkannt haben, dass jeder Boden seine Eigenheiten und Qualitäten hat, welcher Variantenreichtum allein aus der Oberflächenbehandlung entsteht und wie viel Einfühlungsvermögen und Fachwissen nötig sind, um dem Holz in allen Belangen gerecht zu werden.

zuschnitt, Mi., 2004.09.15

15. September 2004



verknüpfte Bauwerke
Geistliches Haus Mariazell

Boden am Dach

Im Zuge eines Stadterneuerungsprojekts wurde von der Kopenhagener Regierung ein Wettbewerb zur Errichtung einer Anlage ausgeschrieben, die zwei Nutzungen beinhalten sollte, nämlich ein Jugendhaus und einen Segelclub. Ein Viertel des zur Verfügung stehenden Budgets war für die Reinigung des verschmutzten Strandes von Sundby Havn vorgesehen; es stellte sich allerdings heraus, dass der Strand mit Schwermetallen belastet war, die nicht nachhaltig entsorgt werden konnten. Daher entschlossen sich PLOT dazu, von dem für die Reinigung vorgesehenen Betrag ein Holzdeck über das gesamte Grundstück zu legen und damit die Bewegungsebene im Freien vom verschmutzten Untergrund abzuheben. Die Form des Decks entstand aus den gegensätzlichen Bedürfnissen der zukünftigen Nutzer:

Während für das Jugendhaus möglichst viel Spielflächen im Freien errichtet werden sollten, wünschten sich die Mitglieder des Segelclubs Platz, um ihre Boote unterzubringen. Das fertige Deck stellt nun die direkte Umsetzung dieser Vorgaben dar. Wo es sich aufwölbt, können unterhalb Boote eingestellt werden, zugleich ist seine Oberfläche abwechslungsreicher und vielfältiger Spielplatz für die Jugendlichen.

Als Holzart wählten PLOT zertifiziertes brasilianisches Massaranduba. Dabei handelt es sich um eine harte, extrem dauerhafte, rötlichbraune Holzart mit sehr guten Festigkeitseigenschaften sowie feiner und gleichmäßiger Strukturierung, die auch oft im Möbel-, Instrumenten- und Wasserbau eingesetzt wird.

Das Innere des Gebäudes ist ganz einfach und zurückhaltend gestaltet. Die harten Oberflächen – Stein, Beton und Glas – stellen einen bewussten Kontrast zur hölzernen Außenhaut her und sind eine Umdrehung der üblicheren Vorgehensweise, Holz im Inneren und (Kunst-)Stein im Freien anzuwenden. Damit soll auch vermittelt werden, dass den Außenaktivitäten im Maritime Youth House Priorität eingeräumt wird und dass die Nutzer tatsächlich in erster Linie das Holzdeck und nur bei Schlechtwetter das Innere des Gebäudes frequentieren.

zuschnitt, Di., 2004.06.15

15. Juni 2004 Eva Guttmann



verknüpfte Bauwerke
Maritime Youth House

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