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16. Juni 2008Renate Breuß
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Low & High

Auf 2400 m über dem Meeresspiegel ist mit der Energie gut hauszuhalten. Nicht nur für den Bergsteiger wird die Luft dünner, auch im Neubau und in der Adaptierung von alpinen Stützpunkten, seit 150 Jahren bekannt als Schutzhütten, stellt der Umgang mit Energie eine Herausforderung dar. Vom Ehrgeiz sollte man sich in diesen Höhen bekanntlich nicht treiben lassen, der Architekt Hermann Kaufmann reagiert mit dem Neubau der Olperer Hütte in den Zillertaler Alpen in einfacher und angemessener Form auf die konkreten Gegebenheiten. Die feierliche Einweihung des Hauses findet am 28. und 29. Juni 2008 statt.

Auf 2400 m über dem Meeresspiegel ist mit der Energie gut hauszuhalten. Nicht nur für den Bergsteiger wird die Luft dünner, auch im Neubau und in der Adaptierung von alpinen Stützpunkten, seit 150 Jahren bekannt als Schutzhütten, stellt der Umgang mit Energie eine Herausforderung dar. Vom Ehrgeiz sollte man sich in diesen Höhen bekanntlich nicht treiben lassen, der Architekt Hermann Kaufmann reagiert mit dem Neubau der Olperer Hütte in den Zillertaler Alpen in einfacher und angemessener Form auf die konkreten Gegebenheiten. Die feierliche Einweihung des Hauses findet am 28. und 29. Juni 2008 statt.

Eine kompakte, auf die hochalpinen Wetterverhältnisse abgestimmte Gebäudeform ist für den, der in den Bergen baut, nichts Neues. Auch die bestmögliche Orientierung zur Sonne ist eine logische Konsequenz an einem Ort, der als Insellage ohne jegliche Infrastruktur und technische Aufstiegshilfen auszukommen hat. Innovativ ist ein energetisches Konzept, das im Betrieb eine extreme Reduktion des Energieverbrauchs vorsieht und in der Errichtung den Rohstoff Holz kenntnisreich und differenziert einsetzt. Der mit guten grauen Energiewerten ausgestattete Baustoff Holz – »graue Energie« ist jene Energie, die zur Herstellung und zum Transport benötigt wird – ist lange haltbar, wiederverwertbar und umweltgerecht entsorgbar.

Die Bauweise aus 14 – 17 cm starken Fichten-Brettsperrholzelementen erlaubt einen hohen Vorfertigungsgrad und eine kurze Montagezeit. Da Holz selbst über ausgezeichnete Dämmeigenschaften verfügt, kann auf eine zusätzliche Dämmung für das nur in den Sommermonaten bewirtschaftete Hauptgebäude verzichtet werden. Lediglich das kleiner dimensionierte Winterhaus erhält eine wärmedämmende Hülle. Im Inneren schaffen die ästhetischen Qualitäten der tragenden Holzoberflächen eine warme und behagliche Atmosphäre. Ein für durchnässte Bergsteiger unübertroffenes Wohlbefinden aber kommt vom zündenden Feuer eines Holzofens in der Gastraummitte.

Archaischer ist nur die Sonne selbst, wenn sie über großzügige Verglasungen ihre Wärme direkt zu verströmen vermag. Da Raumtemperatur in Holzbauten um bis zu zwei Grad Celsius höher empfunden wird als in Gebäuden aus anderen Baustoffen, können zusätzlich Heizkosten gespart werden. Gänzlich unbeheizt bleiben die Schlafräume. Der extrem niedrig gehaltene Tagesstrombedarf beträgt für das 60-Bettenquartier 29 kWh, was zu 14 % von der Sonne über eine Photovoltaikanlage und zu 86 % aus gespeicherter Solarenergie über ein Rapsöl-Blockheizkraftwerk gedeckt wird. Das speziell in das Energiekonzept integrierte Blockheizkraftwerk liefert für 1 kWh Strom 2 kWh Abwärme. Daraus ergibt sich genau jene Wärme, die für Dusche, Küche, Trocken- und Gastraum ausreichend ist. Dass das Blockheizkraftwerk nicht den ganzen Tag läuft, dafür sorgt ein ausgeklügeltes »aktives Lastmanagement«. Die Abwässer werden in einer vollbiologischen Kläranlage mit Membranfiltration bis hin zu einer wiederverwendbaren hygienisierten Brauchwasserqualität gereinigt. Diese Abwasserreinigungsanlage ist die erste ihrer Art im alpinen Bereich. Das gesamte energetische System ist wissenschaftlich betreut und über eine spezielle Datenerfassung belegt.

Der Neubau der Olperer-Hütte zeigt, dass Lowtech nicht als das Gegenteil von Hightech, sondern vielmehr als seine Steigerung verstanden werden kann. Die Architektur der Olperer-Hütte reagiert in Kenntnis aller technischen Möglichkeiten gezielt und angepasst an das Klima, an die Jahreszeiten und an einen zeitgemäßen Alpinismus. Moderne Bergsteiger sind gut gebildet und umweltbewusst. Sie betrachten das einfache Leben am Berg als Alternative zum technisierten Alltagsleben in der Stadt. »Low« sollte also nicht mit Mangel oder einer Vorstellung vom Nichtsattwerden gleichgesetzt werden. Vielmehr ist eine einfache, aus gut gewählten Zutaten sorgfältig bereitete Speise die bekömmliche Antwort auf jene Form von Vielfalt, die nur mehr zu Zerstreutheit führt. Eine differenzierte Urteilskraft entwickelt sich in erster Linie aus dem vollkommen Einfachen.

zuschnitt, Mo., 2008.06.16



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zuschnitt 30 Holz bauen Energie sparen

20. September 2006Renate Breuß
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So wie die Weißtanne es will

Die Bedingungen für die Weißtanne (abies alba) sind im Bregenzerwald günstig. Auf den Flysch- und Molasseböden erreicht die Weißtanne eine Bestandsdichte...

Die Bedingungen für die Weißtanne (abies alba) sind im Bregenzerwald günstig. Auf den Flysch- und Molasseböden erreicht die Weißtanne eine Bestandsdichte...

Die Bedingungen für die Weißtanne (abies alba) sind im Bregenzerwald günstig. Auf den Flysch- und Molasseböden erreicht die Weißtanne eine Bestandsdichte von rund 60%. Gut bestockt sind die nordwestlichen Schattseiten der langgezogenen Höhenrücken des Vorderwaldes und die dazwischen liegenden feuchten Schluchten der Achen. Die Vorliebe für niederschlagsreiche und schattige Gebiete verbindet die Tanne mit der Buche. Empfindlich reagiert sie auf Luftverschmutzung und Klimaschwankungen, Ursachen für den drastischen Rückgang des Tannenbestands in Europa. Im Bregenzerwald ist es primär der Wildverbiss, der eine fehlende Verjüngung nach sich zieht.

Die Tanne schmeckt hier nicht nur dem Wild. Aus dem von der Tannenhoniglaus angezapften Saft machen die Bienen den dunklen Weißtannenhonig (erhältlich in den Sennereien), aus den Tannenwipfeln wird ein bewährtes Hausmittel gegen Husten gekocht, der Bast ist der Kaugummi der Kinder. Beim Speckselchen ist die Verwendung von Tannenzweigen Geschmackssache, genauso wie bei den Käsebrettern. Die alten Sennen und Bauern geben der Weißtanne den Vorzug, im modernen Käsekeller in Lingenau lagern 30.000 Käselaibe auf Fichtenbrettern. Was den Unterschied genau ausmacht, ist schwer zu sagen, sicher ist, dass sich der Käse auf beiden Hölzern besser entwickelt als auf Kunststoff.

Die Weißtanne ist ein Baum mit tiefen Wurzeln und hat im Bregenzerwald ihre eigene Geschichte, kulturbildend ist sie für Mensch und Landschaft. Vieles hat man immer schon so gemacht, es funktioniert, das merkt man sich, das ergibt die kulturellen Ausdrucksformen. So wurden die schattseitigen Fassaden am Bregenzerwälder Haus bewusst mit Weißtanne verbrettert, die sonnseitigen mit Fichte. Auch die Dächer waren je nach Orientierung auf einer Seite mit Tannenschindeln, auf der anderen mit Fichtenschindeln bedeckt. Dass die Tanne Feuchtigkeit und Nässe besser verkraften kann, ist über einen differenzierten Einsatz an den alten Holzbrücken (konstruktiv gemischt, seitliche Verbretterung in Weißtanne) und über die Brunnenstuben belegt. Solange diese Praktiken noch lebendig sind, weiß man meist auch noch warum. Doch die Geschichte der Weißtanne hat ihre Brüche, wenn sich Produktions- und Lebensformen ändern, Prioritäten neu gesetzt und Einsatzbereiche vergessen oder – wie die Gegenwart zeigt – erweitert werden.

Eine jahrzehntelange Diskriminierung der Weißtanne ist primär mit den herkömmlichen Mitteln der Verarbeitung verknüpft. Das widerspenstige Holz nutzte das Werkzeug stark ab, beim Flößen und Bewegen der Stämme und Balken fiel zudem ein hoher Feuchtigkeitsgehalt ins Gewicht. Schwerer ist die Weißtanne nur in frischem Zustand, nach einjähriger Lagerung sind Tanne und Fichte gleich schwer. Die Neigung zum Splittern und Reißen setzt der Anwendung ihre Grenzen. Die Weißtanne ist keine Allroundkartoffel. Sie verlangt eine genaue Materialkenntnis und viel Sorgfalt in der Bearbeitung. Wer sich auf sie einlässt und so tut, wie das Material es will, wird dafür mit umsomehr Strahlkraft belohnt. Davon sind heute Architekten, Handwerker und Bauherren überzeugt. Nicht zuletzt dank jüngster Wiederbelebungsmaßnahmen von politischer und öffentlicher Seite.

Der Inbegriff einer verfeinerten Materialisierung in Weißtanne steht nahe dem Dorfplatz in Hittisau. Das dreigeschossige Wohnhaus für die fünfköpfige Familie eines Zimmermanns zeigt sich in vornehmer Zurückhaltung, aufrecht und großzügig. Der Holzbau ist Ausdruck einer gelungenen Zusammenarbeit der Architekten cukrowicz.nachbaur mit den Bauherren Brigitte und Hermann Nenning und basiert auf einem forschenden Umgang mit traditioneller Holzkultur. Subtil fließen Themen und Elemente der unmittelbaren Umgebung in neuer Form ein, in den Fassadengliederungen und Maßstäben, im selektierten und differenzierten Materialeinsatz. Verbaut wurde ausschließlich massives und unbehandeltes Holz, im Umfang von etwa 50 Tannen und Fichten, die alle im nahen Umkreis von Hittisau – großteils im eigenen Wald am Hittisberg – gewachsen sind. Die gesamten Holzbauarbeiten wurden vom Bauherrn eigenhändig in allerhöchster Qualität verarbeitet. Dahinter steckt die Haltung eines Handwerkers, der sein Material kennt, respektiert und liebt. Wenn er ein schönes Brett in seinen Händen halte, dann arbeite er anders, sagt Hermann Nenning. Ein schönes Weißtannenbrett hat enge Jahrringe und stammt von den beiden ersten, astarmen Blöcken. Für die beanspruchten Oberflächen ist es rift-halbrift eingesägt, in Verbindungen ist es auf Gehrung gearbeitet. Die sägerauen und unbehandelten, teils geschliffenen und geölten Böden sind in Nut und Kamm verlegt, im physischen Kontakt sind sie warm und seidig. Die Kultur der Pflege lässt Wände und Decken alle paar Jahre in neuem Glanz erstrahlen, wenn die unbehandelten Oberflächen mit Bürste, Wasser und Molke gefegt werden. Dass die Weißtanne mit ihren matten, grau-violetten Farbtönen auch im Alter nicht vergilbt, vielmehr eine schieferartige Patina entwickelt, ist eine ästhetische Besonderheit.

Das Haus und seine Räume sprechen eine eigene Sprache, leicht und fließend, fast wie ein Gedicht. Dafür wurden die Architekten, die Bauherren und der Zimmermann mit nicht weniger als drei Preisen ausgezeichnet, dem Preis für Neues Bauen in den Alpen, dem Bauherrenpreis und dem Holzbaupreis. Mit der Weißtanne stehen sie auf gutem Fuß.

zuschnitt, Mi., 2006.09.20



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zuschnitt 23 Holzarten

15. September 2004Renate Breuß
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Eine Schule des Geruchs

Kurz vor den Ferien besuche ich die neue Volksschule, wo das erste Schuljahr dem Ende zugeht. Ich suche nach dem Direktor und Lehrer Bernd Dragosits, er...

Kurz vor den Ferien besuche ich die neue Volksschule, wo das erste Schuljahr dem Ende zugeht. Ich suche nach dem Direktor und Lehrer Bernd Dragosits, er...

Kurz vor den Ferien besuche ich die neue Volksschule, wo das erste Schuljahr dem Ende zugeht. Ich suche nach dem Direktor und Lehrer Bernd Dragosits, er unterrichtet in der vierten Klasse im 3. Stock. Im vorgelagerten Gang stoße ich auf zwei Schüler, sie liegen mit Heften und Büchern am Boden, die Tür zur Klasse ist offen, die „coolen Schulbänke“ sind leer, die Kinder hocken samt Lehrer – auf dem Boden. Ich setze mich dazu und wir reden über die neue und die alte Schule, was von den Kindern erinnert und erlebt wird. Mit dem Hintergedanken: die Räume als ein die Sinne stimulierendes Lebensmedium zu betrachten, der herrschenden Indifferenz gegenüber dem Geruchssinn in der Architektur nachzuspüren – aus einer Perspektive von unten.

Architektur wird primär visuell wahrgenommen, der Geruchssinn rangiert hier wie in anderen Lebensbereichen an untergeordneter, wenn nicht an letzter Stelle. Die Architekturzeitschriften sind voll mit Bildern – Bildern von Gebäuden und Bildern von leeren Räumen. Die tagtäglich gemachten Erfahrungen der an diesen Orten lebenden Menschen, das Durchqueren der Räume, der Nachklang ihrer Stimmen, die Berührung von Oberflächen mit Händen und Füßen, das über Wände und Böden einfließende olfaktorische Wohlbehagen oder Unbehagen – all dies ist in der visuellen Darstellung gelöscht. Und was wir nicht sehen, das kennen wir mit der Zeit nicht mehr. Daraus resultiert ein neuer Drang nach Nähe, nach Berühren, Schmecken, Riechen als Äußerung eines existenziellen Reflexes auf die Verausgabung aller Lebensbereiche an das Sehen.

Die SchülerInnen erzählen von der abgerissenen alten Schule, wo schon die Großmutter lernte. Dort habe es hart und streng gerochen, „müchtelig“. Die Eingangstüre war grün, es gab Katzen, Wespennester, Mäuse und Igel, ein Foto vom Bundespräsidenten, es war sehr heiß, eng und laut. Um am Boden zu sitzen, brauchten sie dort Kissen, da der Boden kalt war. Die neue Schule ist schön, gut, holzig, warm, hat keine Farben, coole Bänke, viel Platz. Tintenflecken sind zu vermeiden, aber keine Katastrophe. Im Eingang riecht es irgendwie nach Benzin, im Klo stinkt es, heroben in den Klassen riecht es ganz anders, eigentlich gar nicht, eben gut, sehr gut riecht es im Werkraum, wenn mit Holz gearbeitet wird.

Die präzise Bezeichnung von Gerüchen, das Beschreiben von lebendigen Merkmalen von Räumen fällt nicht nur den Kindern schwer. Geruch wird in der Regel extrem erfahren, abstoßend oder wohlriechend angenehm. Bewertet werden primär die auffälligen Gerüche, mit geruchlos meint man auch, dass es nicht schlecht riecht. Die Sprache ist im Vergleich zur Vielfalt der geruchlich wahrgenommenen Welt sehr arm. Gearbeitet wird mit Analogien, hergeleitet von Empfindungen und Erinnerungen, die der Geruchsreiz hervorruft. Die Beschreibungen der Kinder bestätigen diese Theorie. Sie nehmen in ihrer Schule unterschiedliche Geruchswelten wahr, können sie aber schwer beschreiben. Herauszuhören ist der auffallende, andere Geruch im Eingangsbereich, wo ein versiegelter, chemisch behandelter Betonestrich eine benzinartige, antiseptische, mit öffentlichen Räumen gleichgesetzte Kälte verbreitet. Alle Böden und Wände in den Klassen und Korridoren sind aus unbehandelter Weißtanne und riechen angenehm, diese Räume werden als freundliche Orte wahrgenommen. Ich erlebe sie in einer wohltuenden Frische, es herrscht eine gute Luft. Der Direktor beobachtet die gesteigerte Konzentrationsfähigkeit von Lehrern und Kindern.

Gerüch(t)e um das Holz
Wenn es um das Beschreiben von Holzgerüchen geht, haben auch Tischler und Zimmerer Mühe. Sie alle erkennen ihre frischen Hölzer blind, nämlich am Geruch, sind aber kaum in der Lage, diesen präzise zu beschreiben. Auch die einschlägigen Holzlexika geben nur in auffallenden Beispielen – den würzigen Bauund Edelhölzern aus südlicheren Breitenlagen – Hinweise. Ein Grundwortschatz oder ein Geruchskatalog von Hölzern mit einem eigenen Vokabular, wie er für Wein in den „Degustations de vin“ vorliegt, ist mir nicht bekannt. Als es noch nicht für alle Holzarten einen eigenen Namen gab, war die genauere Beschreibung von ästhetischen Eigenschaften verbreitete Praxis. Dieses schriftlich kaum festgehaltene Wissen über Hölzer zu dokumentieren, könnte nicht nur die Heranbildung eines olfaktorischen Bewusstseins fördern, sondern auch die Lust an der Beschreibung der subjektiven Wahrnehmungen.

Am Beispiel Doren sei der Weg einer Weißtanne (abies alba) vom Waldboden bis zum Schulboden nachgezeichnet. Die Weißtanne wächst bevorzugt auf den Flysch und Molasseböden des Bregenzerwaldes, wo sie als Tiefwurzler stabilisierend auf den Nährboden des Waldes wirkt. Standort und Bodenbeschaffenheit, Schlägerung und Lagerung beeinflussen die Qualität eines Holzes stark. Nicht nur das Farb und Strukturbild, auch der Geruch eines Stammes gilt als Indikator für das Wuchsgebiet. Die Weißtanne vom Pfänderstock (Molasse) sei dezidiert von gutem, gesundem Geruch. Eine in frischem Zustand säuerlich bis stechend riechende Tanne, im Suchen nach Vergleichen wird auch Katzenurin genannt, lasse auf schlechte Standorte schließen. Die ganz feinen Nasen können demnach – ähnlich dem wahren Weinkenner – aus dem Geruch des frischen Holzes auch auf dessen Herkunft schließen. In trockenem Zustand verflüchtigen sich die Gerüche des nassen Holzes. Im Vergleich mit den Tannendüften, die in Form ätherischer Öle (gewonnen aus Nadeln und Zapfen) einem Raum zugeführt werden, ist die Geruchsqualität in den Schulräumen von Doren nicht inszeniert, die geschaffene Atmosphäre von „normaler“, unaufdringlicher Natur. Mitgetragen wird diese Ausstrahlung von der seidenen, völlig glatten Oberfläche des sägerauen Bodens. Für die in Nut und Kamm verlegten Riemen wurde die beste Sortierung verwendet, ausschließlich Bretter in der Einschnittart Rift und Halbrift. Die Riftbretter haben gerade oder stehende Jahresringe (90 Grad), bei den Halbriftbrettern darf die Neigung der Jahresringe 45 Grad nicht überschreiten. Wie mir der Zimmerer Artur Österle erklärt, sind diese mit der feinen Bandsäge gesägten Bretter strapazierfähiger und stellen keine Sprießen auf. Das Barfußgehen ist auf dem graubläulich schimmernden Boden eine Wohltat, Verletzungen sind ausgeschlossen.

Einem aufwändigen Verarbeitungsprozess, wo in mehreren Arbeitsgängen das Holz durch Trocknen immer wieder ruhig gestellt wird, verdankt der Fußboden seine stabile Form ohne Fugen und Spalten. Zur Pflege der Holzböden sagt der Schuldiener und Landwirt Johann Gieselbrecht: „Etwas Praktischeres gibt es nicht. Einmal in der Woche saugen, zweimal im Jahr mit Wasser reinigen. Und das Holz riecht immer wieder neu.“ Davon ist mittlerweile auch der Amtsarzt beeindruckt, denn die Verwendung von unbehandeltem Holz war von den Architekten gegenüber der Behörde erst einmal durchzusetzen. Nicht zuletzt unter glaubwürdigem Beistand historischer Zeugen, denn im Bregenzerwald sind auch die Kirchen (Doren, Hittisau, Schwarzenberg) mit weißtannenen Böden ausgestattet.

Die Abkehr von rein hygienischen Vorstellungen ist ein Mittel, die Indifferenz gegenüber dem Geruchssinn in architektonischen Räumen zu überwinden, eine verbesserte Kenntnis der „olfaktorischen Praktiken“ der Vergangenheit ein anderes. Gerüche vermitteln emotionale Bedeutungen von Erlebnissen und geben Hinweise auf frühere Situationen und Ereignisse. Über die Gerüche die Erinnerungen an die Schulzeit besser zu verankern, damit können die Architekten im wahrsten Sinne des Wortes Schule machen.

zuschnitt, Mi., 2004.09.15



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Zuschnitt 15 Lauf Meter

15. Dezember 2001Renate Breuß
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Was das Holz hält

Eine langgestreckte, introvertierte U-Form aus drei Baukörpern umfasst zwei große Höfe, welche von einer Durchfahrt getrennt werden: den Wohnhof im westlichen Bereich sowie den Viehhof im Osten mit offenen Ställen und Melkturm.

Eine langgestreckte, introvertierte U-Form aus drei Baukörpern umfasst zwei große Höfe, welche von einer Durchfahrt getrennt werden: den Wohnhof im westlichen Bereich sowie den Viehhof im Osten mit offenen Ställen und Melkturm.

Landwirtschaftliche Bauten sind in Vorarlberg traditionell in Holz ausgeführt. Ein Bauernhof aus Beton und Stahl: eine Faust aufs Auge, meint Hubert Vetter, der organisch-biologischen Landbau am mehrfach ausgezeichneten Vetterhof in Lustenau betreibt.

Gemeinsam mit seiner Frau Annemarie hat er vor zehn Jahren das Konzept eines Neubaus in Angriff genommen und - offen für moderne Architektur - mit Roland Gnaiger seinen Architekten gefunden. Noch heute habe er ein gutes Verhältnis zu seinem Planer, welcher im Sinne des bäuerlichen Selbstverständnisses die Grenze des Architekteneinflusses deutlich früher gezogen sah. In einem Gespräch mit Renate Breuß erzählt der Bauherr nach fünf Jahren Nutzung von seinen Erfahrungen mit nicht oberflächenbehandelten Baustoffen.

»Holz ist für mich ein lebendiger Baustoff, der warm ist und der mir ein heimeliges Gefühl gibt. In Holz kann ich selbst reparieren und als nachwachsender Rohstoff ist Holz für mich verfügbar. Von den Häusern im Bregenzerwald wissen wir, dass das unbehandelte Holz langsam altert, dabei grau und schwarz wird - und trotzdem hält.

»Mit Farbe behandeltes Holz kam für mich nicht in Frage, ich habe das auf unserem elterlichen Hof einmal erfahren. Man musste etwas tun und da hat eine Firma dieses »Zeugs« darauf gestrichen und gespritzt. Da dachte ich mir, das ist doch ein Kitsch und das Holz erstickt darunter. Der alte Stadel, der unbehandelt blieb, hat wesentlich besser als der Wohnteil gehalten. Seither war das für mich kein Thema mehr. Auch der Planer hat uns geraten, das Holz nicht zu behandeln.«

»Unsere Außenfassade ist mit Lärchenbrettern verschalt. Als wir für die spätere Anbringung der Solaranlage einige Bretter wegnehmen mussten, waren diese nach eineinhalb Jahren schon glashart, richtig ausgebrannt. Wichtig ist, dass die Bretter sägerau sind und nicht gehobelt. Zudem wollte ich keinen Maler anstellen: der wäre bei 1.400 m² Außenwand viel beschäftigt. Die Sorge, dass alles schwarz und grau wird, kann ich nicht teilen. Mich stört das nicht, ob das jetzt schwarz oder grau oder weiß ist - halten muss es und wohl fühlen müssen wir uns.«

»Im Innenbereich haben wir - außer in den Verarbeitungsräumen - nur unbehandelte Holzböden. Breite, rohe Lärchenbretter, links gehobelt. Die Wahl der Böden hat uns lange beschäftigt. Einerseits ist es ein großer Kostenfaktor und andererseits gehen bei uns viele Leute in Straßenschuhen ein und aus. Versiegelt, geölt oder gewachst, das waren die anfänglichen Perspektiven. Nach dem Besuch einer Baulehrschau haben wir uns für den rohen Boden entschieden, da dieser nach einem verregneten Messetag als einziger keine »schwarze Autobahn« aufwies. Trotz größter Skepsis hat der hiesige Bodenleger den Boden so gemacht und uns Risse und Spalten, durch welche das Geld durchfalle, prophezeit.«

»Heute wissen wir - wie mir auch viele Fachleute bestätigen - dass die Kombination dieser Holzböden mit den lehmverputzten Wänden ideal ist. Der Lehm nimmt genügend Feuchtigkeit auf und gibt diese wieder ab, dadurch entstehen keine Risse. Zudem fühlt sich der Boden immer warm an, im Vergleich dazu ist ein versiegelter Boden kalt. Das durch den Verzicht auf Schleifen und Ölen eingesparte Geld haben wir in eine Putzmaschine investiert, mit der der Boden lediglich nass aufgewischt wird. Mit dem Älterwerden wird er immer schöner.«

»Direktverkauf und Seminarbetrieb bringen viele Leute in unser Haus. Einmal erzählte mir eine Frau von allergieartigen Beschwerden, die sie in jedem neuen Haus habe, hier jedoch nicht. Sie wollte wissen, was hier drinnen anders als in anderen Neubauten sei. Ich sagte: Was anders ist, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass nichts herinnen ist, was nicht herein gehört.«

zuschnitt, Sa., 2001.12.15



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Biologischer Landwirtschaftsbetrieb ´Vetterhof´



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Presseschau 12

16. Juni 2008Renate Breuß
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Low & High

Auf 2400 m über dem Meeresspiegel ist mit der Energie gut hauszuhalten. Nicht nur für den Bergsteiger wird die Luft dünner, auch im Neubau und in der Adaptierung von alpinen Stützpunkten, seit 150 Jahren bekannt als Schutzhütten, stellt der Umgang mit Energie eine Herausforderung dar. Vom Ehrgeiz sollte man sich in diesen Höhen bekanntlich nicht treiben lassen, der Architekt Hermann Kaufmann reagiert mit dem Neubau der Olperer Hütte in den Zillertaler Alpen in einfacher und angemessener Form auf die konkreten Gegebenheiten. Die feierliche Einweihung des Hauses findet am 28. und 29. Juni 2008 statt.

Auf 2400 m über dem Meeresspiegel ist mit der Energie gut hauszuhalten. Nicht nur für den Bergsteiger wird die Luft dünner, auch im Neubau und in der Adaptierung von alpinen Stützpunkten, seit 150 Jahren bekannt als Schutzhütten, stellt der Umgang mit Energie eine Herausforderung dar. Vom Ehrgeiz sollte man sich in diesen Höhen bekanntlich nicht treiben lassen, der Architekt Hermann Kaufmann reagiert mit dem Neubau der Olperer Hütte in den Zillertaler Alpen in einfacher und angemessener Form auf die konkreten Gegebenheiten. Die feierliche Einweihung des Hauses findet am 28. und 29. Juni 2008 statt.

Eine kompakte, auf die hochalpinen Wetterverhältnisse abgestimmte Gebäudeform ist für den, der in den Bergen baut, nichts Neues. Auch die bestmögliche Orientierung zur Sonne ist eine logische Konsequenz an einem Ort, der als Insellage ohne jegliche Infrastruktur und technische Aufstiegshilfen auszukommen hat. Innovativ ist ein energetisches Konzept, das im Betrieb eine extreme Reduktion des Energieverbrauchs vorsieht und in der Errichtung den Rohstoff Holz kenntnisreich und differenziert einsetzt. Der mit guten grauen Energiewerten ausgestattete Baustoff Holz – »graue Energie« ist jene Energie, die zur Herstellung und zum Transport benötigt wird – ist lange haltbar, wiederverwertbar und umweltgerecht entsorgbar.

Die Bauweise aus 14 – 17 cm starken Fichten-Brettsperrholzelementen erlaubt einen hohen Vorfertigungsgrad und eine kurze Montagezeit. Da Holz selbst über ausgezeichnete Dämmeigenschaften verfügt, kann auf eine zusätzliche Dämmung für das nur in den Sommermonaten bewirtschaftete Hauptgebäude verzichtet werden. Lediglich das kleiner dimensionierte Winterhaus erhält eine wärmedämmende Hülle. Im Inneren schaffen die ästhetischen Qualitäten der tragenden Holzoberflächen eine warme und behagliche Atmosphäre. Ein für durchnässte Bergsteiger unübertroffenes Wohlbefinden aber kommt vom zündenden Feuer eines Holzofens in der Gastraummitte.

Archaischer ist nur die Sonne selbst, wenn sie über großzügige Verglasungen ihre Wärme direkt zu verströmen vermag. Da Raumtemperatur in Holzbauten um bis zu zwei Grad Celsius höher empfunden wird als in Gebäuden aus anderen Baustoffen, können zusätzlich Heizkosten gespart werden. Gänzlich unbeheizt bleiben die Schlafräume. Der extrem niedrig gehaltene Tagesstrombedarf beträgt für das 60-Bettenquartier 29 kWh, was zu 14 % von der Sonne über eine Photovoltaikanlage und zu 86 % aus gespeicherter Solarenergie über ein Rapsöl-Blockheizkraftwerk gedeckt wird. Das speziell in das Energiekonzept integrierte Blockheizkraftwerk liefert für 1 kWh Strom 2 kWh Abwärme. Daraus ergibt sich genau jene Wärme, die für Dusche, Küche, Trocken- und Gastraum ausreichend ist. Dass das Blockheizkraftwerk nicht den ganzen Tag läuft, dafür sorgt ein ausgeklügeltes »aktives Lastmanagement«. Die Abwässer werden in einer vollbiologischen Kläranlage mit Membranfiltration bis hin zu einer wiederverwendbaren hygienisierten Brauchwasserqualität gereinigt. Diese Abwasserreinigungsanlage ist die erste ihrer Art im alpinen Bereich. Das gesamte energetische System ist wissenschaftlich betreut und über eine spezielle Datenerfassung belegt.

Der Neubau der Olperer-Hütte zeigt, dass Lowtech nicht als das Gegenteil von Hightech, sondern vielmehr als seine Steigerung verstanden werden kann. Die Architektur der Olperer-Hütte reagiert in Kenntnis aller technischen Möglichkeiten gezielt und angepasst an das Klima, an die Jahreszeiten und an einen zeitgemäßen Alpinismus. Moderne Bergsteiger sind gut gebildet und umweltbewusst. Sie betrachten das einfache Leben am Berg als Alternative zum technisierten Alltagsleben in der Stadt. »Low« sollte also nicht mit Mangel oder einer Vorstellung vom Nichtsattwerden gleichgesetzt werden. Vielmehr ist eine einfache, aus gut gewählten Zutaten sorgfältig bereitete Speise die bekömmliche Antwort auf jene Form von Vielfalt, die nur mehr zu Zerstreutheit führt. Eine differenzierte Urteilskraft entwickelt sich in erster Linie aus dem vollkommen Einfachen.

zuschnitt, Mo., 2008.06.16



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20. September 2006Renate Breuß
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So wie die Weißtanne es will

Die Bedingungen für die Weißtanne (abies alba) sind im Bregenzerwald günstig. Auf den Flysch- und Molasseböden erreicht die Weißtanne eine Bestandsdichte...

Die Bedingungen für die Weißtanne (abies alba) sind im Bregenzerwald günstig. Auf den Flysch- und Molasseböden erreicht die Weißtanne eine Bestandsdichte...

Die Bedingungen für die Weißtanne (abies alba) sind im Bregenzerwald günstig. Auf den Flysch- und Molasseböden erreicht die Weißtanne eine Bestandsdichte von rund 60%. Gut bestockt sind die nordwestlichen Schattseiten der langgezogenen Höhenrücken des Vorderwaldes und die dazwischen liegenden feuchten Schluchten der Achen. Die Vorliebe für niederschlagsreiche und schattige Gebiete verbindet die Tanne mit der Buche. Empfindlich reagiert sie auf Luftverschmutzung und Klimaschwankungen, Ursachen für den drastischen Rückgang des Tannenbestands in Europa. Im Bregenzerwald ist es primär der Wildverbiss, der eine fehlende Verjüngung nach sich zieht.

Die Tanne schmeckt hier nicht nur dem Wild. Aus dem von der Tannenhoniglaus angezapften Saft machen die Bienen den dunklen Weißtannenhonig (erhältlich in den Sennereien), aus den Tannenwipfeln wird ein bewährtes Hausmittel gegen Husten gekocht, der Bast ist der Kaugummi der Kinder. Beim Speckselchen ist die Verwendung von Tannenzweigen Geschmackssache, genauso wie bei den Käsebrettern. Die alten Sennen und Bauern geben der Weißtanne den Vorzug, im modernen Käsekeller in Lingenau lagern 30.000 Käselaibe auf Fichtenbrettern. Was den Unterschied genau ausmacht, ist schwer zu sagen, sicher ist, dass sich der Käse auf beiden Hölzern besser entwickelt als auf Kunststoff.

Die Weißtanne ist ein Baum mit tiefen Wurzeln und hat im Bregenzerwald ihre eigene Geschichte, kulturbildend ist sie für Mensch und Landschaft. Vieles hat man immer schon so gemacht, es funktioniert, das merkt man sich, das ergibt die kulturellen Ausdrucksformen. So wurden die schattseitigen Fassaden am Bregenzerwälder Haus bewusst mit Weißtanne verbrettert, die sonnseitigen mit Fichte. Auch die Dächer waren je nach Orientierung auf einer Seite mit Tannenschindeln, auf der anderen mit Fichtenschindeln bedeckt. Dass die Tanne Feuchtigkeit und Nässe besser verkraften kann, ist über einen differenzierten Einsatz an den alten Holzbrücken (konstruktiv gemischt, seitliche Verbretterung in Weißtanne) und über die Brunnenstuben belegt. Solange diese Praktiken noch lebendig sind, weiß man meist auch noch warum. Doch die Geschichte der Weißtanne hat ihre Brüche, wenn sich Produktions- und Lebensformen ändern, Prioritäten neu gesetzt und Einsatzbereiche vergessen oder – wie die Gegenwart zeigt – erweitert werden.

Eine jahrzehntelange Diskriminierung der Weißtanne ist primär mit den herkömmlichen Mitteln der Verarbeitung verknüpft. Das widerspenstige Holz nutzte das Werkzeug stark ab, beim Flößen und Bewegen der Stämme und Balken fiel zudem ein hoher Feuchtigkeitsgehalt ins Gewicht. Schwerer ist die Weißtanne nur in frischem Zustand, nach einjähriger Lagerung sind Tanne und Fichte gleich schwer. Die Neigung zum Splittern und Reißen setzt der Anwendung ihre Grenzen. Die Weißtanne ist keine Allroundkartoffel. Sie verlangt eine genaue Materialkenntnis und viel Sorgfalt in der Bearbeitung. Wer sich auf sie einlässt und so tut, wie das Material es will, wird dafür mit umsomehr Strahlkraft belohnt. Davon sind heute Architekten, Handwerker und Bauherren überzeugt. Nicht zuletzt dank jüngster Wiederbelebungsmaßnahmen von politischer und öffentlicher Seite.

Der Inbegriff einer verfeinerten Materialisierung in Weißtanne steht nahe dem Dorfplatz in Hittisau. Das dreigeschossige Wohnhaus für die fünfköpfige Familie eines Zimmermanns zeigt sich in vornehmer Zurückhaltung, aufrecht und großzügig. Der Holzbau ist Ausdruck einer gelungenen Zusammenarbeit der Architekten cukrowicz.nachbaur mit den Bauherren Brigitte und Hermann Nenning und basiert auf einem forschenden Umgang mit traditioneller Holzkultur. Subtil fließen Themen und Elemente der unmittelbaren Umgebung in neuer Form ein, in den Fassadengliederungen und Maßstäben, im selektierten und differenzierten Materialeinsatz. Verbaut wurde ausschließlich massives und unbehandeltes Holz, im Umfang von etwa 50 Tannen und Fichten, die alle im nahen Umkreis von Hittisau – großteils im eigenen Wald am Hittisberg – gewachsen sind. Die gesamten Holzbauarbeiten wurden vom Bauherrn eigenhändig in allerhöchster Qualität verarbeitet. Dahinter steckt die Haltung eines Handwerkers, der sein Material kennt, respektiert und liebt. Wenn er ein schönes Brett in seinen Händen halte, dann arbeite er anders, sagt Hermann Nenning. Ein schönes Weißtannenbrett hat enge Jahrringe und stammt von den beiden ersten, astarmen Blöcken. Für die beanspruchten Oberflächen ist es rift-halbrift eingesägt, in Verbindungen ist es auf Gehrung gearbeitet. Die sägerauen und unbehandelten, teils geschliffenen und geölten Böden sind in Nut und Kamm verlegt, im physischen Kontakt sind sie warm und seidig. Die Kultur der Pflege lässt Wände und Decken alle paar Jahre in neuem Glanz erstrahlen, wenn die unbehandelten Oberflächen mit Bürste, Wasser und Molke gefegt werden. Dass die Weißtanne mit ihren matten, grau-violetten Farbtönen auch im Alter nicht vergilbt, vielmehr eine schieferartige Patina entwickelt, ist eine ästhetische Besonderheit.

Das Haus und seine Räume sprechen eine eigene Sprache, leicht und fließend, fast wie ein Gedicht. Dafür wurden die Architekten, die Bauherren und der Zimmermann mit nicht weniger als drei Preisen ausgezeichnet, dem Preis für Neues Bauen in den Alpen, dem Bauherrenpreis und dem Holzbaupreis. Mit der Weißtanne stehen sie auf gutem Fuß.

zuschnitt, Mi., 2006.09.20



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zuschnitt 23 Holzarten

15. September 2004Renate Breuß
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Eine Schule des Geruchs

Kurz vor den Ferien besuche ich die neue Volksschule, wo das erste Schuljahr dem Ende zugeht. Ich suche nach dem Direktor und Lehrer Bernd Dragosits, er...

Kurz vor den Ferien besuche ich die neue Volksschule, wo das erste Schuljahr dem Ende zugeht. Ich suche nach dem Direktor und Lehrer Bernd Dragosits, er...

Kurz vor den Ferien besuche ich die neue Volksschule, wo das erste Schuljahr dem Ende zugeht. Ich suche nach dem Direktor und Lehrer Bernd Dragosits, er unterrichtet in der vierten Klasse im 3. Stock. Im vorgelagerten Gang stoße ich auf zwei Schüler, sie liegen mit Heften und Büchern am Boden, die Tür zur Klasse ist offen, die „coolen Schulbänke“ sind leer, die Kinder hocken samt Lehrer – auf dem Boden. Ich setze mich dazu und wir reden über die neue und die alte Schule, was von den Kindern erinnert und erlebt wird. Mit dem Hintergedanken: die Räume als ein die Sinne stimulierendes Lebensmedium zu betrachten, der herrschenden Indifferenz gegenüber dem Geruchssinn in der Architektur nachzuspüren – aus einer Perspektive von unten.

Architektur wird primär visuell wahrgenommen, der Geruchssinn rangiert hier wie in anderen Lebensbereichen an untergeordneter, wenn nicht an letzter Stelle. Die Architekturzeitschriften sind voll mit Bildern – Bildern von Gebäuden und Bildern von leeren Räumen. Die tagtäglich gemachten Erfahrungen der an diesen Orten lebenden Menschen, das Durchqueren der Räume, der Nachklang ihrer Stimmen, die Berührung von Oberflächen mit Händen und Füßen, das über Wände und Böden einfließende olfaktorische Wohlbehagen oder Unbehagen – all dies ist in der visuellen Darstellung gelöscht. Und was wir nicht sehen, das kennen wir mit der Zeit nicht mehr. Daraus resultiert ein neuer Drang nach Nähe, nach Berühren, Schmecken, Riechen als Äußerung eines existenziellen Reflexes auf die Verausgabung aller Lebensbereiche an das Sehen.

Die SchülerInnen erzählen von der abgerissenen alten Schule, wo schon die Großmutter lernte. Dort habe es hart und streng gerochen, „müchtelig“. Die Eingangstüre war grün, es gab Katzen, Wespennester, Mäuse und Igel, ein Foto vom Bundespräsidenten, es war sehr heiß, eng und laut. Um am Boden zu sitzen, brauchten sie dort Kissen, da der Boden kalt war. Die neue Schule ist schön, gut, holzig, warm, hat keine Farben, coole Bänke, viel Platz. Tintenflecken sind zu vermeiden, aber keine Katastrophe. Im Eingang riecht es irgendwie nach Benzin, im Klo stinkt es, heroben in den Klassen riecht es ganz anders, eigentlich gar nicht, eben gut, sehr gut riecht es im Werkraum, wenn mit Holz gearbeitet wird.

Die präzise Bezeichnung von Gerüchen, das Beschreiben von lebendigen Merkmalen von Räumen fällt nicht nur den Kindern schwer. Geruch wird in der Regel extrem erfahren, abstoßend oder wohlriechend angenehm. Bewertet werden primär die auffälligen Gerüche, mit geruchlos meint man auch, dass es nicht schlecht riecht. Die Sprache ist im Vergleich zur Vielfalt der geruchlich wahrgenommenen Welt sehr arm. Gearbeitet wird mit Analogien, hergeleitet von Empfindungen und Erinnerungen, die der Geruchsreiz hervorruft. Die Beschreibungen der Kinder bestätigen diese Theorie. Sie nehmen in ihrer Schule unterschiedliche Geruchswelten wahr, können sie aber schwer beschreiben. Herauszuhören ist der auffallende, andere Geruch im Eingangsbereich, wo ein versiegelter, chemisch behandelter Betonestrich eine benzinartige, antiseptische, mit öffentlichen Räumen gleichgesetzte Kälte verbreitet. Alle Böden und Wände in den Klassen und Korridoren sind aus unbehandelter Weißtanne und riechen angenehm, diese Räume werden als freundliche Orte wahrgenommen. Ich erlebe sie in einer wohltuenden Frische, es herrscht eine gute Luft. Der Direktor beobachtet die gesteigerte Konzentrationsfähigkeit von Lehrern und Kindern.

Gerüch(t)e um das Holz
Wenn es um das Beschreiben von Holzgerüchen geht, haben auch Tischler und Zimmerer Mühe. Sie alle erkennen ihre frischen Hölzer blind, nämlich am Geruch, sind aber kaum in der Lage, diesen präzise zu beschreiben. Auch die einschlägigen Holzlexika geben nur in auffallenden Beispielen – den würzigen Bauund Edelhölzern aus südlicheren Breitenlagen – Hinweise. Ein Grundwortschatz oder ein Geruchskatalog von Hölzern mit einem eigenen Vokabular, wie er für Wein in den „Degustations de vin“ vorliegt, ist mir nicht bekannt. Als es noch nicht für alle Holzarten einen eigenen Namen gab, war die genauere Beschreibung von ästhetischen Eigenschaften verbreitete Praxis. Dieses schriftlich kaum festgehaltene Wissen über Hölzer zu dokumentieren, könnte nicht nur die Heranbildung eines olfaktorischen Bewusstseins fördern, sondern auch die Lust an der Beschreibung der subjektiven Wahrnehmungen.

Am Beispiel Doren sei der Weg einer Weißtanne (abies alba) vom Waldboden bis zum Schulboden nachgezeichnet. Die Weißtanne wächst bevorzugt auf den Flysch und Molasseböden des Bregenzerwaldes, wo sie als Tiefwurzler stabilisierend auf den Nährboden des Waldes wirkt. Standort und Bodenbeschaffenheit, Schlägerung und Lagerung beeinflussen die Qualität eines Holzes stark. Nicht nur das Farb und Strukturbild, auch der Geruch eines Stammes gilt als Indikator für das Wuchsgebiet. Die Weißtanne vom Pfänderstock (Molasse) sei dezidiert von gutem, gesundem Geruch. Eine in frischem Zustand säuerlich bis stechend riechende Tanne, im Suchen nach Vergleichen wird auch Katzenurin genannt, lasse auf schlechte Standorte schließen. Die ganz feinen Nasen können demnach – ähnlich dem wahren Weinkenner – aus dem Geruch des frischen Holzes auch auf dessen Herkunft schließen. In trockenem Zustand verflüchtigen sich die Gerüche des nassen Holzes. Im Vergleich mit den Tannendüften, die in Form ätherischer Öle (gewonnen aus Nadeln und Zapfen) einem Raum zugeführt werden, ist die Geruchsqualität in den Schulräumen von Doren nicht inszeniert, die geschaffene Atmosphäre von „normaler“, unaufdringlicher Natur. Mitgetragen wird diese Ausstrahlung von der seidenen, völlig glatten Oberfläche des sägerauen Bodens. Für die in Nut und Kamm verlegten Riemen wurde die beste Sortierung verwendet, ausschließlich Bretter in der Einschnittart Rift und Halbrift. Die Riftbretter haben gerade oder stehende Jahresringe (90 Grad), bei den Halbriftbrettern darf die Neigung der Jahresringe 45 Grad nicht überschreiten. Wie mir der Zimmerer Artur Österle erklärt, sind diese mit der feinen Bandsäge gesägten Bretter strapazierfähiger und stellen keine Sprießen auf. Das Barfußgehen ist auf dem graubläulich schimmernden Boden eine Wohltat, Verletzungen sind ausgeschlossen.

Einem aufwändigen Verarbeitungsprozess, wo in mehreren Arbeitsgängen das Holz durch Trocknen immer wieder ruhig gestellt wird, verdankt der Fußboden seine stabile Form ohne Fugen und Spalten. Zur Pflege der Holzböden sagt der Schuldiener und Landwirt Johann Gieselbrecht: „Etwas Praktischeres gibt es nicht. Einmal in der Woche saugen, zweimal im Jahr mit Wasser reinigen. Und das Holz riecht immer wieder neu.“ Davon ist mittlerweile auch der Amtsarzt beeindruckt, denn die Verwendung von unbehandeltem Holz war von den Architekten gegenüber der Behörde erst einmal durchzusetzen. Nicht zuletzt unter glaubwürdigem Beistand historischer Zeugen, denn im Bregenzerwald sind auch die Kirchen (Doren, Hittisau, Schwarzenberg) mit weißtannenen Böden ausgestattet.

Die Abkehr von rein hygienischen Vorstellungen ist ein Mittel, die Indifferenz gegenüber dem Geruchssinn in architektonischen Räumen zu überwinden, eine verbesserte Kenntnis der „olfaktorischen Praktiken“ der Vergangenheit ein anderes. Gerüche vermitteln emotionale Bedeutungen von Erlebnissen und geben Hinweise auf frühere Situationen und Ereignisse. Über die Gerüche die Erinnerungen an die Schulzeit besser zu verankern, damit können die Architekten im wahrsten Sinne des Wortes Schule machen.

zuschnitt, Mi., 2004.09.15



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15. Dezember 2001Renate Breuß
zuschnitt

Was das Holz hält

Eine langgestreckte, introvertierte U-Form aus drei Baukörpern umfasst zwei große Höfe, welche von einer Durchfahrt getrennt werden: den Wohnhof im westlichen Bereich sowie den Viehhof im Osten mit offenen Ställen und Melkturm.

Eine langgestreckte, introvertierte U-Form aus drei Baukörpern umfasst zwei große Höfe, welche von einer Durchfahrt getrennt werden: den Wohnhof im westlichen Bereich sowie den Viehhof im Osten mit offenen Ställen und Melkturm.

Landwirtschaftliche Bauten sind in Vorarlberg traditionell in Holz ausgeführt. Ein Bauernhof aus Beton und Stahl: eine Faust aufs Auge, meint Hubert Vetter, der organisch-biologischen Landbau am mehrfach ausgezeichneten Vetterhof in Lustenau betreibt.

Gemeinsam mit seiner Frau Annemarie hat er vor zehn Jahren das Konzept eines Neubaus in Angriff genommen und - offen für moderne Architektur - mit Roland Gnaiger seinen Architekten gefunden. Noch heute habe er ein gutes Verhältnis zu seinem Planer, welcher im Sinne des bäuerlichen Selbstverständnisses die Grenze des Architekteneinflusses deutlich früher gezogen sah. In einem Gespräch mit Renate Breuß erzählt der Bauherr nach fünf Jahren Nutzung von seinen Erfahrungen mit nicht oberflächenbehandelten Baustoffen.

»Holz ist für mich ein lebendiger Baustoff, der warm ist und der mir ein heimeliges Gefühl gibt. In Holz kann ich selbst reparieren und als nachwachsender Rohstoff ist Holz für mich verfügbar. Von den Häusern im Bregenzerwald wissen wir, dass das unbehandelte Holz langsam altert, dabei grau und schwarz wird - und trotzdem hält.

»Mit Farbe behandeltes Holz kam für mich nicht in Frage, ich habe das auf unserem elterlichen Hof einmal erfahren. Man musste etwas tun und da hat eine Firma dieses »Zeugs« darauf gestrichen und gespritzt. Da dachte ich mir, das ist doch ein Kitsch und das Holz erstickt darunter. Der alte Stadel, der unbehandelt blieb, hat wesentlich besser als der Wohnteil gehalten. Seither war das für mich kein Thema mehr. Auch der Planer hat uns geraten, das Holz nicht zu behandeln.«

»Unsere Außenfassade ist mit Lärchenbrettern verschalt. Als wir für die spätere Anbringung der Solaranlage einige Bretter wegnehmen mussten, waren diese nach eineinhalb Jahren schon glashart, richtig ausgebrannt. Wichtig ist, dass die Bretter sägerau sind und nicht gehobelt. Zudem wollte ich keinen Maler anstellen: der wäre bei 1.400 m² Außenwand viel beschäftigt. Die Sorge, dass alles schwarz und grau wird, kann ich nicht teilen. Mich stört das nicht, ob das jetzt schwarz oder grau oder weiß ist - halten muss es und wohl fühlen müssen wir uns.«

»Im Innenbereich haben wir - außer in den Verarbeitungsräumen - nur unbehandelte Holzböden. Breite, rohe Lärchenbretter, links gehobelt. Die Wahl der Böden hat uns lange beschäftigt. Einerseits ist es ein großer Kostenfaktor und andererseits gehen bei uns viele Leute in Straßenschuhen ein und aus. Versiegelt, geölt oder gewachst, das waren die anfänglichen Perspektiven. Nach dem Besuch einer Baulehrschau haben wir uns für den rohen Boden entschieden, da dieser nach einem verregneten Messetag als einziger keine »schwarze Autobahn« aufwies. Trotz größter Skepsis hat der hiesige Bodenleger den Boden so gemacht und uns Risse und Spalten, durch welche das Geld durchfalle, prophezeit.«

»Heute wissen wir - wie mir auch viele Fachleute bestätigen - dass die Kombination dieser Holzböden mit den lehmverputzten Wänden ideal ist. Der Lehm nimmt genügend Feuchtigkeit auf und gibt diese wieder ab, dadurch entstehen keine Risse. Zudem fühlt sich der Boden immer warm an, im Vergleich dazu ist ein versiegelter Boden kalt. Das durch den Verzicht auf Schleifen und Ölen eingesparte Geld haben wir in eine Putzmaschine investiert, mit der der Boden lediglich nass aufgewischt wird. Mit dem Älterwerden wird er immer schöner.«

»Direktverkauf und Seminarbetrieb bringen viele Leute in unser Haus. Einmal erzählte mir eine Frau von allergieartigen Beschwerden, die sie in jedem neuen Haus habe, hier jedoch nicht. Sie wollte wissen, was hier drinnen anders als in anderen Neubauten sei. Ich sagte: Was anders ist, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass nichts herinnen ist, was nicht herein gehört.«

zuschnitt, Sa., 2001.12.15



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Biologischer Landwirtschaftsbetrieb ´Vetterhof´



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zuschnitt 04 Holzaltern

Profil

Kunsthistorikerin, Geschäftsführerin Werkraum Bregenzerwald bis 2016
freischaffende Tätigkeit als Kunst- und Kulturhistorikerin bis dato
Publikationen und Aufsätze zu Baukultur und Handwerk, Kochen und Kunst.

Lehrtätigkeit

Externe Lehrbeauftragte für Methoden der Theoriebildung, Studiengang Intermedia, Fachhochschule Vorarlberg bis dato

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
Mitglied in der Kommission für kulturelles Erbe und Landeskunde, Vorarlberg
Mitglied im Kulturbeirat des Landes Vorarlberg

Publikationen

Das Maß im Kochen. Neuauflage 2019, Edition Löwenzahn, mit einem Vorwort von Peter Kubelka. Erstausgabe Haymon 1999.
Wenn Räume riechen. In: Sandra Hofmeister (Hg.), Holzbauten in Vorarlberg. Architektur Handwerk Ökologie. Edition Detail. 2017. S. 27 - 37.
Das rechte Maß im Kochen. In: Akademie der Architektenkammer Hessen (Hg.). Der Architekt, der Koch und der gute Geschmack. Birkhäuser 2007. S. 30 - 38.
eigen+sinnig. Der Werkraum Bregenzerwald als Modell für ein neues Handwerk« (mit Florian Aicher), Ökom Verlag 1998.

Auszeichnungen

Nominierung Staatspreis Design 2009
Großes Verdienstzeichen des Landes Vorarlberg 2017

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